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Dank seines modularen Aufbaus und der einzig - Siemens Mobility

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ITS magazine<br />

Fachmagazin <strong>der</strong> Straßenverkehrstechnik I 1/2008<br />

Intelligent Traffic Systems<br />

Gefühlte Mobilität<br />

An <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> Vernunft:<br />

Wie Emotionen das Verkehrsgeschehen beeinflussen<br />

S


Editorial & Inhalt<br />

Inhalt<br />

Im Fokus<br />

4 „Das Auto als Kostüm“<br />

Verkehrspsychologe Professor Dr.<br />

Bernhard Schlag über die Grenzen<br />

<strong>der</strong> Vernunft im Verhältnis zwischen<br />

Mensch <strong>und</strong> Auto<br />

10 Rasende Richter<br />

Warum das Gefühl, im Recht zu<br />

sein, zu rücksichtslosem Verhalten<br />

im Straßenverkehr führt<br />

12 Temperament im Sechserpack<br />

Auf Basis einer repräsentativen Befragung<br />

haben Marktforscher unter<br />

Deutschlands Autofahrern sechs<br />

typische Charaktere identifiziert<br />

2 its magazine 1/2008<br />

Editorial<br />

04<br />

„Das Auto als Kostüm“<br />

13 Invasion <strong>der</strong> Schwarzfahrer<br />

Farbwissenschaftler Werner Rudolf<br />

Cramer über die psychologischen<br />

Aspekte <strong>der</strong> Farbwahl beim Autokauf<br />

14 Der homöopatische Weg<br />

Wie <strong>der</strong> Verkehrsforscher Werner<br />

Brög die Autoabhängigkeit <strong>der</strong> mobilen<br />

Gesellschaft therapieren will<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

bei aller Liebe zur menschlichen Vernunft:<br />

Spätestens seit Immanuel Kant<br />

ist klar, dass sie immer wie<strong>der</strong> „durch<br />

Fragen belästigt wird, die sie … nicht<br />

beantworten kann.“ So schrieb <strong>der</strong><br />

Königsberger Philosoph 1781 in <strong>der</strong><br />

Vorrede zur ersten Auflage seiner berühmten<br />

„Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft“.<br />

Und so erleben wir es mehr als 225<br />

Jahre später beinahe Tag für Tag.<br />

Auch wir Mobilitätsexperten haben es<br />

ganz aktuell mit einer Reihe von Rätseln<br />

zu tun, die sich rational kaum erklären<br />

lassen. Warum zum Beispiel stellen sich<br />

Abermillionen von Menschen werktäglich<br />

in notorisch wachsende Staus, obwohl<br />

Trends & Events<br />

16 Verkehrstechnik – just in time<br />

Zwischen High-Tech <strong>und</strong> Highspeed:<br />

Warum <strong>Siemens</strong> ITS bei <strong>der</strong> Fertigung<br />

<strong>und</strong> Konfiguration mo<strong>der</strong>ner Verkehrstechnik<br />

in Augsburg ordentlich<br />

aufs Tempo drückt<br />

18 Messe- <strong>und</strong> Kongress-News<br />

Blick zurück nach vorn: Ein Review<br />

zur Gulf Traffic Dubai 2007 <strong>und</strong> ein<br />

Preview auf die Intertraffic Amsterdam<br />

2008<br />

19 In aller Offenheit<br />

Mit einer innovativen Netzwerkstruktur<br />

setzt das integrierte Parkraummanagementsystem<br />

Sipark PMA neue Maßstäbe<br />

in Sachen Effizienz <strong>und</strong> Flexibilität


sie ihr Ziel mit öffentlichen Transportmitteln<br />

viel unaufgeregter <strong>und</strong> oft sogar<br />

schneller erreichen würden? O<strong>der</strong>: Wie<br />

kann es sein, dass ansonsten absolut<br />

10<br />

Rasende Richter<br />

Partner & Projekte<br />

20 Shortcuts<br />

Aktuelle <strong>Siemens</strong>-Projekte im Bereich<br />

Straßenverkehrstechnik aus Polen,<br />

Finnland <strong>und</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />

Wissen & Forschung<br />

22 Autonome Szene<br />

Utopie o<strong>der</strong> realistische Option:<br />

Sind selbstfahrende Autos tatsächlich<br />

schon auf dem Weg zur Serienreife?<br />

gesetzestreue Bürger ausgerechnet im<br />

Straßenverkehr zu Straftätern werden?<br />

Mit solch elementaren, aber auch mit<br />

scheinbar amüsanteren psychologischen<br />

Phänomenen wie etwa dem Trend zu<br />

geländegängigen Autos, <strong>der</strong> in Ermangelung<br />

entsprechen<strong>der</strong> Einsatzgebiete auf<br />

den ersten Blick eher wi<strong>der</strong>sinnig wirkt,<br />

beschäftigt sich <strong>der</strong> Themenschwerpunkt<br />

in dieser Ausgabe des ITS magazines.<br />

Zu den hochkarätigen Spezialisten, die<br />

uns bei <strong>der</strong> Erarbeitung <strong>der</strong> einzelnen<br />

Beiträge unterstützten, gehören unter<br />

an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> renommierte Verkehrspsychologe<br />

Professor Dr. Bernhard Schlag<br />

von <strong>der</strong> TU Dresden, <strong>der</strong> Aggressionsforscher<br />

Dr. Christian Maag von <strong>der</strong> Uni-<br />

18<br />

Messe- <strong>und</strong> Kongress-News<br />

Mobilität & Lebensraum<br />

24 Die Weisheit <strong>der</strong> Vielen<br />

Mit Hilfe <strong>der</strong> Positionsdaten von Millionen<br />

Vodafone-Handys will TomTom die mobile<br />

Navigation revolutionieren<br />

versität Würzburg <strong>und</strong> <strong>der</strong> Münchner<br />

Mobilitätsforscher Werner Brög. Ich wünsche<br />

Ihnen eine spannende Lektüre –<br />

<strong>und</strong> uns ein interessantes Feedback an<br />

itsmagazine.industry@siemens.com.<br />

Herzlichst Ihr<br />

Dr. Michael Ostertag<br />

Rubriken<br />

25 Im Seitenspiegel<br />

Nachdenkliches <strong>und</strong> Quergedachtes<br />

zum Dauerthema<br />

Stau: „Nach Hause, Robby!“<br />

26 Profil<br />

Uwe Strubbe, <strong>Siemens</strong>-<br />

Gesamtprojektleiter <strong>der</strong><br />

Verkehrsinformationsagentur<br />

Bayern, über einen neuen<br />

Meilenstein auf dem Weg in<br />

die telematische Zukunft:<br />

„Phänomenal intermodal“<br />

28 Impressum<br />

1/2008 its magazine 3


Im Fokus<br />

Psychogramm <strong>der</strong> Mobilität: Macht die Liebe zum Auto den Menschen blind für rationale Einsichten?<br />

„Das Auto als Kostüm“<br />

4 its magazine 1/2008


Interview ■ Professor Dr. Bernhard Schlag, Inhaber des<br />

Lehrstuhls für Verkehrspsychologie an <strong>der</strong> Technischen<br />

Universität Dresden, über die Grenzen <strong>der</strong> Vernunft im<br />

Verhältnis zwischen Mensch <strong>und</strong> Auto.<br />

1/2008 its magazine 5


Im Fokus<br />

Stretch-Limo, Smart: „Es ist immer wie<strong>der</strong> erstaunlich, wie viel <strong>der</strong> Mensch investiert, um sich Möglichkeiten zu schaffen, die er niemals nutzt“<br />

6 its magazine 1/2008<br />

Herr Professor Schlag, trotz Klimawandels,<br />

Dauerstaus <strong>und</strong> explodieren<strong>der</strong><br />

Kosten nimmt das automobile Getümmel<br />

auf den Straßen <strong>der</strong> Welt beinahe täglich<br />

zu. Macht die Liebe zum Auto den<br />

Menschen blind für rationale Einsichten?<br />

Völlig blind sicherlich nicht. Aber es stimmt<br />

schon: Gerade im Verkehrsbereich haben<br />

Wissen, Einstellungen <strong>und</strong> Verhalten generell<br />

sehr wenig miteinan<strong>der</strong> zu tun. Das<br />

geht bei <strong>der</strong> Wahl des Fortbewegungsmittels<br />

los <strong>und</strong> drückt sich auch im individuellen<br />

Fahrstil aus. Um die Zusammenhänge<br />

zu verstehen, muss man zunächst einmal<br />

sehen, dass Autos für uns heute viel mehr<br />

sind als fahrbare Untersätze, die uns von<br />

A nach B bringen sollen.<br />

Immer wie<strong>der</strong> gern zitiert wird in diesem<br />

Kontext die Funktion als Statussymbol –<br />

o<strong>der</strong> ist das eher Küchenpsychologie?<br />

Nein, überhaupt nicht. Dieser Aspekt gehört<br />

in <strong>der</strong> Tat dazu: Das Auto wirkt als soziales<br />

Signal, als Symbol für Freiheit, Stärke <strong>und</strong><br />

Kontrolle, auch als Mittel zur Erhöhung des<br />

Selbstwertgefühls. In einer aktuellen Arbeit<br />

habe ich darüber hinaus aber noch eine ganze<br />

Reihe weiterer Zusatzfunktionen identifiziert.<br />

Zum Beispiel?<br />

Beson<strong>der</strong>s interessant finde ich, dass das<br />

Auto immer mehr zum persönlichen State-<br />

ment wird. Es tritt gewissermaßen als<br />

Kostüm an die Seite <strong>der</strong> Kleidung. Es bietet<br />

die Möglichkeit, sich auszudrücken <strong>und</strong><br />

sich positiv von seinen Mitmenschen zu<br />

unterscheiden. Und diese Höherwertigkeit<br />

kann man erwerben – es genügt, einfach<br />

das richtige Fahrzeug zu kaufen.<br />

„Gerade was faktisch<br />

nutzlos ist, macht psychologisch<br />

Sinn – zum<br />

Beispiel ein SUV“<br />

Erklärt sich damit auch <strong>der</strong> irrationale<br />

Trend zu bulligen Geländewagen? Im<br />

SUV über die Autobahn zu fahren<br />

macht doch ähnlich viel Sinn, wie in<br />

Skistiefeln durch die Fußgängerzone<br />

zu stapfen?<br />

Faktisch mögen Sie Recht haben. Psychologisch<br />

liegen Sie voll daneben. Denn gerade<br />

weil es nutzlos ist, macht es Sinn.<br />

Wenn ich mir Nutzloses leisten kann, dann<br />

habe ich es geschafft. Die SUVs illustrieren<br />

das beson<strong>der</strong>s anschaulich – vor allem auch<br />

mit ihrer erhöhten Sitzposition. Nicht zuletzt<br />

darum geht es nämlich. Aber keineswegs<br />

wegen des bequemeren Einstiegs<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> guten Übersicht, wie gern behauptet<br />

wird, son<strong>der</strong>n weil wir uns damit buchstäblich<br />

von den an<strong>der</strong>en abheben können.


„Glauben Sie, dass die<br />

Motoren von Sportwagen<br />

tatsächlich aus<br />

technischen Gründen<br />

so auffällig röhren<br />

müssen?“<br />

Professor Dr. Bernhard Schlag,<br />

Verkehrspsychologe<br />

Besseres kann <strong>der</strong> Automobilindustrie<br />

gar nicht passieren. Denn offensichtlich<br />

lassen wir es uns einiges kosten,<br />

unsere Überlegenheit zu zeigen?<br />

Natürlich ist die Industrie an Gewinnbringern<br />

wie den SUVs hochgradig interessiert.<br />

Und natürlich sind sich die Hersteller bewusst,<br />

dass die Demonstration nicht nur <strong>der</strong><br />

physischen, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> sozialen Potenz<br />

bei <strong>der</strong> Fahrzeugwahl eine entscheidende<br />

Rolle spielt. Die Werbung suggeriert, dass<br />

Autos „Körper“ haben <strong>und</strong> schafft so die<br />

Verknüpfung mit menschlicher Attraktivität<br />

<strong>und</strong> sexuellem Erfolg. Nach Kräften unterstützt<br />

wird das Ganze durch das Fahrzeug-<br />

Design, das heute längst kein rein optisches<br />

Thema mehr ist. Inzwischen haben daran<br />

auch die Psycho-Akustiker ihren Anteil.<br />

Psycho-Akustiker?<br />

Das sind die Kollegen, die dafür sorgen,<br />

dass ein Fahrzeug so klingt, wie es klingen<br />

soll. O<strong>der</strong> glauben Sie, dass die Motoren<br />

von Sportwagen tatsächlich aus technischen<br />

Gründen so auffällig röhren müssen?<br />

Glauben Sie, es ist Zufall, dass das<br />

Geräusch beim Schließen <strong>der</strong> Tür beim<br />

BMW an<strong>der</strong>s klingt als beim Mercedes?<br />

Kommt es bei <strong>der</strong> automobilen Selbstinszenierung<br />

nur darauf an, womit ich<br />

fahre – o<strong>der</strong> auch darauf, wie ich fahre?<br />

Ich bin davon überzeugt, dass Autofahren<br />

eine eigene Sprache ist – <strong>und</strong> zwar eine,<br />

die vom jeweiligen sozialen Umfeld unmittelbar<br />

<strong>und</strong> problemlos verstanden <strong>und</strong> deshalb<br />

meist unreflektiert mit entsprechendem<br />

Verhalten beantwortet wird. An<strong>der</strong>erseits<br />

wird die Art, wie wir fahren, natürlich nicht<br />

nur von sozialen Interaktionen beeinflusst,<br />

son<strong>der</strong>n zum Beispiel auch von einer Verstärkungsautomatik,<br />

die verknüpft ist mit<br />

<strong>der</strong> stressbedingten Ausschüttung von<br />

Adrenalin <strong>und</strong> Noradrenalin. Wenn wir<br />

heikle Fahrsituationen überw<strong>und</strong>en, sie<br />

„gemeistert“ haben, so führt dies oft zu<br />

einer unbewussten Verstärkung riskanten<br />

Verhaltens. Aber das sind natürlich nur<br />

zwei Aspekte unter vielen, die zur Ausprägung<br />

des individuellen Fahrstils führen.<br />

„Autofahren ist eine<br />

eigene Sprache, die sehr<br />

direkt <strong>und</strong> meist problemlos<br />

verstanden wird“<br />

Dann sind Raser also nicht nur bedauernswerte<br />

Hormon-Junkies?<br />

Nein, keineswegs. Sehr bemerkenswert ist,<br />

dass die subjektive Wahrnehmung von<br />

Gefahren beim Autofahren individuell viel<br />

unterschiedlicher zu sein scheint als in den<br />

meisten an<strong>der</strong>en Alltagssituationen. Das<br />

liegt vor allem daran, dass wir Risiken<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich danach beurteilen, ob wir<br />

uns die Bewältigung einer bestimmten<br />

Situation noch zutrauen o<strong>der</strong> nicht. Und<br />

die realistische Einschätzung <strong>der</strong> eigenen<br />

fahrerischen Qualitäten gehört nicht unbedingt<br />

zu den Stärken <strong>der</strong> Autofahrer.<br />

Sehen Sie hier Ansätze für eine<br />

Optimierung <strong>der</strong> Fahrausbildung?<br />

Die Diskussion über <strong>der</strong>en Qualität ist sicherlich<br />

fast so alt wie <strong>der</strong> Führerschein selbst.<br />

Gerade jetzt blicken viele Europäer wie<strong>der</strong><br />

verstärkt über den Atlantik auf die amerikanischen<br />

Learning-by-doing-Konzepte,<br />

die einen graduierten Zugang <strong>der</strong> Neulinge<br />

zum Straßenverkehr vorsehen. Die<br />

nackten Zahlen jedoch lassen kaum<br />

Vorteile gegenüber unserem Ansatz des<br />

„Erst lernen, dann fahren“ erkennen.<br />

Meiner Meinung nach wäre eine durchdachte<br />

Kombination bei<strong>der</strong> Strategien<br />

wünschenswert. Das so genannte Begleitete<br />

Fahren ist ja bereits ein erster<br />

Schritt in diese Richtung.<br />

Noch hitziger als über den Führerschein<br />

mit 17 wird <strong>der</strong>zeit über den Führerschein<br />

mit 70 diskutiert. Ist die unbegrenzte<br />

Fahrerlaubnis noch zeitgemäß?<br />

Ehrlich gesagt: Ich möchte das nicht entscheiden<br />

müssen. Einerseits führt an <strong>der</strong> »<br />

1/2008 its magazine 7


Im Fokus<br />

„Ressourcenkonflikte können Kriege auslösen –<br />

zwischen Völkern genauso wie auf <strong>der</strong> Straße“<br />

8 its magazine 1/2008<br />

„Traurige Nachricht für Chauvis: Männer<br />

verursachen deutlich mehr Unfälle als Frauen“<br />

Erkenntnis, dass altersbedingte körperliche<br />

Beeinträchtigungen die Fahrfähigkeiten<br />

beeinflussen, kein Weg vorbei. An<strong>der</strong>erseits<br />

sollten wir alles dafür tun, unsere<br />

Senioren mobil zu halten. Denn wie wir<br />

aus einschlägigen Untersuchungen wissen,<br />

erhöht ein kleiner werden<strong>der</strong> Aktionsradius<br />

die Gefahr des Sozialen Tods bei<br />

älteren Menschen – <strong>und</strong> damit in <strong>der</strong><br />

Folge auch die tatsächliche Mortalitätsrate.<br />

Meines Erachtens ist da viel Fingerspitzengefühl<br />

gefragt.<br />

Wagen Sie eine Prognose – kommt <strong>der</strong><br />

Senioren-TÜV in Deutschland?<br />

Eben weil es ein so sensibles Thema ist, das<br />

ganz leicht in Richtung Diskriminierung abdriften<br />

kann, halte ich eine diplomatische<br />

Lösung für sehr wahrscheinlich: Ich vermute<br />

mal, die Verantwortlichen werden die Fahreignungsprüfung,<br />

die ja in einigen EU-<br />

Län<strong>der</strong>n schon üblich ist, unter dem Deckmantel<br />

<strong>der</strong> europäischen Harmonisierung<br />

in einer abgestuften Form einführen.<br />

Wenn Senioren wegen körperlicher<br />

Handicaps o<strong>der</strong> Junioren mangels Erfahrung<br />

Unfälle verursachen, ist das<br />

zumindest noch nachvollziehbar. Aber<br />

wie kommt es zu den Situationen, in<br />

denen Autofahrer regelrecht Krieg miteinan<strong>der</strong><br />

führen?<br />

Die Antwort haben Sie sich eigentlich<br />

schon selbst gegeben: In den meisten<br />

Fällen geht es hier um einen klassischen<br />

Ressourcenkonflikt, <strong>der</strong>, wenn er zwischen<br />

Völkern entsteht, in <strong>der</strong> Tat zu<br />

Kriegen führen kann. Der <strong>einzig</strong>e Unterschied:<br />

Beim Autofahren streiten wir uns<br />

nicht um Erdöl, son<strong>der</strong>n um ein Stück<br />

Straße. Das Muster bleibt dasselbe.<br />

Es sind also nicht ausnahmslos Psychopathen,<br />

die im Straßenverkehr ausrasten?<br />

Nein. Das kann auch dem geduldigsten<br />

Familienvater passieren. Natürlich spielen<br />

dabei auch charakterliche Determinanten<br />

eine Rolle. Entscheidend aber ist<br />

die Situation, <strong>und</strong> die stellt sich im<br />

Verkehr nun einmal völlig an<strong>der</strong>s dar als<br />

in den meisten an<strong>der</strong>en Bereichen des<br />

Lebens: Der Autofahrer verfügt über ein<br />

Machtpotenzial, das er sonst nicht hat.<br />

Zum Glück genügt es den meisten zu<br />

wissen, dass sie es haben – dass sie also<br />

könnten, wenn sie wollten. Auch das ist<br />

ein sehr bekanntes psychologisches<br />

Phänomen: Es ist für den Laien immer<br />

wie<strong>der</strong> erstaunlich zu sehen, wieviel <strong>der</strong>


Greyho<strong>und</strong>-Kühlerfigur mit Sweater: „Das Auto bietet die Möglichkeit, sich auszudrücken, sich positiv von seinen Mitmenschen zu unterscheiden“<br />

Mensch investiert, um sich Möglichkeiten<br />

zu schaffen, die er niemals nutzt.<br />

Ex-Rennprofi Christan Danner hat vor<br />

kurzem in einem Beitrag für das ITS<br />

magazine festgestellt, <strong>der</strong> größte Risikofaktor<br />

im Straßenverkehr sei nicht<br />

aus Blech, son<strong>der</strong>n aus Fleisch <strong>und</strong> Blut.<br />

Sehen Sie das auch so?<br />

Das unterschreibe ich sofort. Fast zwei<br />

Drittel aller Unfälle gehen eindeutig auf<br />

das Konto des Fahrers, <strong>und</strong> in einem nicht<br />

unerheblichen Teil <strong>der</strong> restlichen Fälle ist<br />

irgendetwas im Zusammenspiel zwischen<br />

Menschen, Maschine <strong>und</strong> Straße schief<br />

gegangen. Diese Erkenntnisse waren übrigens<br />

auch <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong> dafür, dass in <strong>der</strong><br />

Unfallforschung ein Umdenkprozess eingesetzt<br />

hat: Früher waren in dieser Disziplin<br />

die Techniker fast unter sich, heute finden<br />

sich hier immer mehr Verkehrspsychologen.<br />

Die meisten Ihrer Kollegen jedoch tummeln<br />

sich im Bereich <strong>der</strong> Medizinisch-<br />

Psychologischen Untersuchungen …<br />

Stimmt, hauptsächlich ist es die Diagnostik,<br />

die ihren Mann ernährt. Wobei „Mann“<br />

übrigens durchaus wörtlich zu nehmen ist,<br />

zumindest auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> untersuchten<br />

Personen: R<strong>und</strong> 90 Prozent <strong>der</strong>er, die im<br />

Straßenverkehr so auffällig werden, dass<br />

sie zur MPU müssen, sind Männer.<br />

Das klingt ja nach einem frontalen Angriff<br />

auf beliebte Chauvi-Klischees.<br />

Für diese spezielle Zielgruppe habe ich<br />

gleich noch eine weitere traurige Nachricht.<br />

Die Auswertung von insgesamt 10.000<br />

Schadensberichten, die wir zusammen mit<br />

dem Gesamtverband <strong>der</strong> Deutschen Versicherungswirtschaft<br />

durchführten, brachte<br />

nämlich recht eindeutige Ergebnisse: Die<br />

Mehrzahl dieser Unfälle wurden von Männern<br />

verursacht. Daran än<strong>der</strong>te sich auch<br />

nichts, nachdem wir die unterschiedlichen<br />

Kilometerleistungen von Männern <strong>und</strong><br />

Frauen herausgerechnet hatten.<br />

Als ein großes Problem im Straßenverkehr<br />

gilt seit Jahrzehnten die mangelnde<br />

Regelbeachtung. Hat sich<br />

daran etwas geän<strong>der</strong>t?<br />

Ja <strong>und</strong> nein. Ja in Bezug auf „Alkohol am<br />

Steuer“: Das ist zwar nach wie vor <strong>der</strong><br />

häufigste Gr<strong>und</strong> für eine MPU, aber mit<br />

nachlassen<strong>der</strong> Tendenz – ein schönes<br />

Beispiel dafür, dass man tatsächlich etwas<br />

tun kann. Was in den 80er Jahren noch<br />

eher als Kavaliersdelikt galt, wird heute<br />

mehr <strong>und</strong> mehr zum No-Go. Das Nein betrifft<br />

die Geschwindigkeitsübertretungen,<br />

die man in weiten Autofahrerkreisen nach<br />

wie vor als lässliche Sünde sieht. In den<br />

USA gab es vor Jahren die Diskussion,<br />

auf wen man sich im Zuge <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>-<br />

heitsoffensive nach den Rauchern konzentrieren<br />

soll: Die Dicken haben das<br />

Rennen gegen die Schnellfahrer gewonnen<br />

– o<strong>der</strong> verloren, wenn Sie so wollen.<br />

Gibt es ein psychologisches Patentrezept,<br />

mit dem sich Verkehrssün<strong>der</strong><br />

zur Räson bringen lassen?<br />

Auch das ist unter Experten ein beliebtes<br />

Thema für dialektische Erörterungen. Die<br />

einen propagieren höhere Strafen samt<br />

schärferer Überwachung <strong>und</strong> verweisen<br />

zum Beispiel auf Frankreich, wo die Anzahl<br />

schwerer Unfälle auf diese Art um<br />

r<strong>und</strong> 20 Prozent gesenkt werden konnte.<br />

Die an<strong>der</strong>en setzen mehr auf das persönliche<br />

Verantwortungsbewusstsein <strong>und</strong><br />

argumentieren mit <strong>der</strong> höheren Effizienz<br />

<strong>der</strong> internen Kontrolle im Gegensatz zur<br />

externen. Aus meiner Sicht verspricht hier<br />

die 4E-Strategie am meisten Erfolg: Education,<br />

Enforcement, Engineering, Economy<br />

– also eine geschickte Kombination<br />

von Aufklärung, Überwachung, straßenbaulichen<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Anreizsystemen.<br />

Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen:<br />

Nein, ein Patentrezept zur<br />

Verän<strong>der</strong>ung menschlichen Verhaltens<br />

hat noch keiner gef<strong>und</strong>en.<br />

Herr Professor Schlag, wir danken<br />

Ihnen für das Gespräch. «<br />

1/2008 its magazine 9


Im Fokus<br />

Rasende Richter<br />

Aggressionen im Straßenverkehr ■ Auf <strong>der</strong> Suche nach den<br />

Ursachen für rücksichtsloses Verhalten von Autofahrern<br />

stieß <strong>der</strong> Würzburger Psychologe Dr. Christian Maag auf ein<br />

überraschendes Motiv: das Gefühl, im Recht zu sein.<br />

10 its magazine 1/2008<br />

Dr. Christian Maag<br />

Das Zitat ist über 100 Jahre alt – <strong>und</strong><br />

klingt doch bemerkenswert aktuell: „Nie<br />

in meinem Leben bin ich so viel verflucht<br />

worden wie während meiner Automobilreise“,<br />

erzählte <strong>der</strong> Dichter <strong>und</strong> Journalist<br />

Otto Julius Bierbaum seinen Fre<strong>und</strong>en von<br />

einer Fahrt von Berlin nach Sorrent im Jahr<br />

1902. „Alle deutschen Dialekte waren daran<br />

beteiligt <strong>und</strong> alle M<strong>und</strong>arten des Italienischen<br />

– gar nicht zu rechnen die stummen<br />

Flüche, als da sind: Fäuste schütteln, Zunge<br />

herausstrecken, die Hinterfront zeigen <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>es mehr.“<br />

Doch auch wenn Automobilität offenbar<br />

schon immer eine höchst emotionale Angelegenheit<br />

war: Auf unseren heutigen<br />

Straßen scheint es trotzdem noch um einiges<br />

härter zur Sache zu gehen. Jedenfalls<br />

haben sich rücksichtslose Autofahrer selbst<br />

in den Schlagzeilen jener Medien, die mehr<br />

Wert auf Inhalte als auf die Größe <strong>der</strong> Buchstaben<br />

legen, inzwischen einen traurigen<br />

Stammplatz gesichert. Von einem „Todesschuss<br />

aus Ungeduld“ berichtete SPIEGEL<br />

ONLINE beispielsweise in ziemlich reißerischer<br />

Manier. „In Amsterdam blockierte<br />

ein Autofahrer zu lange eine Straße. Dafür<br />

musste er mit dem Leben bezahlen.“<br />

Ein wissenschaftlicher Beweis für wachsende<br />

Aggressivität im Straßenverkehr ist die<br />

verän<strong>der</strong>te Qualität <strong>und</strong> Quantität entsprechen<strong>der</strong><br />

Meldungen freilich längst noch<br />

nicht. Selbst die statistisch belegbare größere<br />

Anzahl einschlägiger Strafanzeigen<br />

dient bestenfalls als Indiz. Die Gründe dafür,<br />

so die akademische Argumentation, könnten<br />

ebenso gut in <strong>der</strong> höheren Sensibilität<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit gegenüber rücksichtlosem<br />

Fahrverhalten liegen – <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Tatsache,<br />

dass heute fast je<strong>der</strong> ein Mobiltelefon hat


<strong>und</strong> sich deshalb sofort an die Polizei<br />

wenden kann.<br />

Eine Ventilfunktion für<br />

den Frust aus an<strong>der</strong>en<br />

Lebensbereichen<br />

Einen großen Schritt vorwärts machte die<br />

Forschung dagegen in den letzten Jahren<br />

auf <strong>der</strong> Suche nach den Ursachen für „Aggressionen<br />

im Straßenverkehr“. Schon bevor<br />

<strong>der</strong> Diplompsychologe Dr. Christian<br />

Maag vom Interdisziplinären Zentrum für<br />

Verkehrswissenschaften <strong>der</strong> Universität<br />

Würzburg (www.izvw.de) seine gleichnamige<br />

Untersuchung vorlegte, hatte man<br />

sich auf einige unstrittige Thesen geeinigt.<br />

Zum Beispiel darauf, dass rücksichtsloses<br />

Fahren eine Ventilfunktion für die in an<strong>der</strong>en<br />

Lebensbereichen hervorgerufenen<br />

Frustrationen haben kann, weil Normbrüche<br />

im Straßenverkehr bis zu einem gewissen<br />

Grad gesellschaftlich toleriert werden.<br />

Deshalb wird <strong>der</strong> Normalbürger im<br />

Straßenverkehr in einem weit höheren Maß<br />

juristisch auffällig als in irgendeinem an<strong>der</strong>en<br />

Kriminalitätsbereich. Weitgehend<br />

einig ist sich die Wissenschaft auch darin,<br />

dass die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten<br />

etwa auf <strong>der</strong> Autobahn eine<br />

große Rolle bei <strong>der</strong> Entstehung von Konflikten<br />

spielen.<br />

Herzstück <strong>der</strong> von <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esanstalt für<br />

Straßenwesen (BASt) geför<strong>der</strong>ten Arbeit<br />

von Dr. Maag, die darüber hinaus noch<br />

Befragungen von Polizeibeamten <strong>und</strong><br />

Autofahrern sowie Analysen von tatsächlich<br />

erstatteten Anzeigen umfasste, waren<br />

mehrere Untersuchungen mit über 50 Testfahrern<br />

in einem Fahrsimulator. Um dem<br />

Entstehen von Aggressionen einerseits<br />

<strong>und</strong> den Auswirkungen aggressiven Verhaltens<br />

auf den gesamten Verkehrsablauf<br />

an<strong>der</strong>erseits auf die Schliche zu kommen,<br />

definierte <strong>der</strong> Würzburger zunächst eine<br />

prototypische Situation aggressiven Fahrverhaltens.<br />

Geeignet dafür schien die so genannte<br />

„Kann weg“- Situation: Dabei nähert sich<br />

auf <strong>der</strong> linken Spur einer Autobahn ein<br />

Fahrzeug einem langsamer fahrenden<br />

Auto, das ebenfalls gerade einen Lkw<br />

überholen will. Um einen Auffahrunfall<br />

zu vermeiden, bleiben nur zwei Möglichkeiten:<br />

Entwe<strong>der</strong> das hintere Fahrzeug<br />

bremst ab, o<strong>der</strong> das vor<strong>der</strong>e wechselt die<br />

Fahrspur. Ob dabei ein Konflikt entsteht<br />

o<strong>der</strong> nicht, hängt von <strong>der</strong> subjektiven Situationsbeurteilung<br />

<strong>der</strong> beiden Fahrer ab.<br />

Je häufiger sich <strong>der</strong><br />

Autofahrer ärgert, desto<br />

egoistischer wird er<br />

Objektiv beurteilen lässt sich die „Kann<br />

weg“-Situation über die TTC-Differenz<br />

(Time to Collision), über die unterschiedlichen<br />

Fahrzeiten also, die die beiden<br />

Überholer bei unverän<strong>der</strong>ter Geschwindigkeit<br />

brauchen würden, bis sie auf<br />

Höhe des Lkws sind. Bei einer negativen<br />

TTC-Differenz wäre das vor<strong>der</strong>e Fahrzeug<br />

früher dort, bei einem positiven Wert das<br />

hintere. Im ersten Fall dürfte <strong>der</strong> Vorausfahrende<br />

seinen Überholvorgang also<br />

durchaus beenden, im zweiten Fall müsste<br />

er dem Schnelleren eigentlich Platz<br />

machen.<br />

Weicht nun <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>mann trotz relativ<br />

hoher TTC-Differenzwerte nicht aus,<br />

dann entsteht beim Hintermann Ärger –<br />

Crash-Fahrerin im VW-Fahrsimulator: Normbrüche werden im Straßenverkehr toleriert<br />

nach <strong>der</strong> einfachen Formel: je höher <strong>der</strong><br />

TTC-Differenzwert, desto größer <strong>der</strong> Frust.<br />

Der klingt zwar relativ schnell wie<strong>der</strong> ab,<br />

wenn sich über einen gewissen Zeitraum<br />

keine ähnlichen Konflikte mehr ergeben.<br />

Aber, was sich bei den Tests im Fahrsimulator<br />

ebenfalls zeigte: Je häufiger <strong>der</strong><br />

Autofahrer sich um sein Recht betrogen<br />

fühlt, desto egoistischer beurteilt er das<br />

Verhalten an<strong>der</strong>er Verkehrsteilnehmer in<br />

folgenden Situationen: Er nähert sich<br />

nun aggressiver an, fährt näher auf <strong>und</strong><br />

wird zum Drängler.<br />

Dieses experimentell ermittelte Fahrermodell<br />

kombinierte Dr. Maag anschließend<br />

mit <strong>der</strong> Verkehrssimulation PELOPS,<br />

die am Institut für Kraftfahrwesen <strong>der</strong><br />

RWTH Aachen zusammen mit BMW entwickelt<br />

wurde. Das Ergebnis war eindeutig:<br />

Bei Richtgeschwindigkeit 130 km/h<br />

führen wachsende Verkehrsstärken zwangsläufig<br />

zu einem dramatischen Anstieg<br />

<strong>der</strong> Häufigkeit aggressiver Episoden <strong>und</strong><br />

damit des Unfallrisikos. Gleichzeitig testete<br />

<strong>der</strong> Würzburger gemeinsam mit dem<br />

Institut für Kraftfahrwesen auch mögliche<br />

Gegenmaßnahmen – <strong>und</strong> das mit durchschlagendem<br />

Erfolg. Schon mit einem<br />

Tempolimit auf beispielsweise 80 km/h<br />

lässt sich <strong>der</strong> allgemeine Aggressionspegel<br />

um mehr als 80 Prozent reduzieren. Zur<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Rücksichtslosigkeit auf<br />

<strong>der</strong> Straße kommen also nicht nur verstärkte<br />

Überwachung o<strong>der</strong> verbesserte Aufklärungs-<br />

<strong>und</strong> Ausbildungsprogramme in<br />

Frage, son<strong>der</strong>n auch die mo<strong>der</strong>ne dynamische<br />

Verkehrssteuerung. Dass aber auch<br />

dies nicht als Allheilmittel gegen Fahrkonflikte<br />

aller Art zu sehen ist, versteht sich<br />

von selbst: Dafür sind die Intentionen <strong>und</strong><br />

Situationsbeurteilungen <strong>der</strong> beteiligten<br />

Fahrer oftmals einfach zu unterschiedlich. «<br />

Leitsystem auf <strong>der</strong> A2: Probates Mittel gegen Aggressionen<br />

1/2008 its magazine 11


Im Fokus<br />

Temperament<br />

im Sechserpack<br />

Autofahrertypen ■ Die meisten sind gern<br />

unterwegs <strong>und</strong> fühlen sich ohne ihre vier<br />

Rä<strong>der</strong> „wie ein halber Mensch“: Deutschlands<br />

Autofahrer haben viel gemeinsam –<br />

aber es gibt auch einiges, was sie trennt.<br />

Die Marktforschung hat sie in sechs<br />

Gruppen eingeteilt.<br />

Ganz egal, ob man einen von <strong>der</strong> milden<br />

o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> wilden Sorte interviewt – auf<br />

eine Frage antworten fast alle Autofahrer<br />

gleich: Das größte Ärgernis sind die an<strong>der</strong>en.<br />

Weil sie zu schnell fahren o<strong>der</strong> zu langsam,<br />

zu rechthaberisch o<strong>der</strong> zu rabiat, zu unsicher<br />

o<strong>der</strong> zu risikofreudig. Und wie reagiert <strong>der</strong><br />

gemeine Automobilist, wenn man ihn ärgert?<br />

Richtig: Er flucht – das zumindest haben<br />

40 Prozent <strong>der</strong> 1608 Teilnehmer einer<br />

repräsentativen Befragung zugegeben, die<br />

das Marktforschungsinstitut psychonomics<br />

im Auftrag <strong>der</strong> AXA Konzern AG durchführte.<br />

Auch wenn man sich die beliebtesten Feindbil<strong>der</strong><br />

auf deutschen Straßen genauer ansieht,<br />

zeigen sich mehrheitsfähige Stereo-<br />

Die sechs Autofahrertypen<br />

1.<br />

4.<br />

Der Funktionalist (Anteil: 19 Prozent)<br />

ist <strong>der</strong> typische Durchschnittsfahrer.<br />

Er sieht Autofahren nicht als Selbstzweck<br />

<strong>und</strong> das Auto als Gebrauchsgegenstand.<br />

Sein Fahrstil zeigt keine<br />

Auffälligkeiten. Er gehört relativ häufig<br />

zu den Durchschnittsverdienern<br />

<strong>und</strong> Bewohnern mittelgroßer Städte<br />

(20.000 - 100.000 Einwohner).<br />

Der Gelassene (Anteil: 16 Prozent)<br />

ist <strong>der</strong> Genießer unter den Fahrern:<br />

frei von Angst, Aggression o<strong>der</strong> Risikogelüsten.<br />

Auf Drängler wie auf Trödler<br />

reagiert er souverän <strong>und</strong> neigt nicht<br />

dazu, seine gute <strong>und</strong> sichere Fahrleistung<br />

zu überschätzen. Die Gelassenen<br />

sind in <strong>der</strong> Gruppe zwischen 40 <strong>und</strong><br />

60 Jahren deutlich überrepräsentiert.<br />

12 its magazine 1/2008<br />

typen: So sind sogar die meisten Männer<br />

<strong>der</strong> Meinung, dass ihre Geschlechtsgenossen<br />

aggressiver fahren als Frauen, <strong>und</strong> über zwei<br />

Drittel <strong>der</strong> unter 30-Jährigen räumen ein,<br />

dass ihresgleichen angriffslustiger unterwegs<br />

ist als ältere Semester. Bestimmte Automarken<br />

müssen mit einem kollektiven<br />

Stigma leben: Während Porsche <strong>und</strong> Golf<br />

GTI das Aggressions-Ranking anführen,<br />

gelten Citroën, Fiat, Volvo <strong>und</strong> Mercedes<br />

eher als Trödler. Interessant ist auch ein<br />

Blick auf den Umgang mit Tempolimits:<br />

Nur 40 Prozent <strong>der</strong> Befragten fahren maximal<br />

so schnell wie erlaubt. Der große Rest<br />

sieht die Sache lockerer: Gut 40 Prozent<br />

fahren um höchstens 20 km/h zu schnell,<br />

2.<br />

5.<br />

Der Frustrierte (Anteil: 17 Prozent)<br />

kann seine fahrerischen Fähigkeiten<br />

nicht in dem Maß mit an<strong>der</strong>en messen<br />

wie er gern würde, weil er über zu geringe<br />

Ressourcen verfügt: Das führt oft zu<br />

Aggressionen. Der Frustrierte findet sich<br />

etwas häufiger bei unteren Bildungsgruppen.<br />

Rentner sind relativ gering<br />

vertreten, Hausfrauen relativ häufig.<br />

Der Vorsichtige (Anteil: 16 Prozent)<br />

ist etwas älter <strong>und</strong> gebildeter als <strong>der</strong><br />

Gelassene; er hat zwar gelegentlich<br />

Angst, fährt aber trotzdem sehr gerne<br />

Auto. Der Vorsichtige ärgert sich über<br />

an<strong>der</strong>e Autofahrer, die – neben einer<br />

etwas unterdurchschnittlichen Fahrpraxis<br />

– die Hauptursache für seine<br />

Unsicherheiten sind.<br />

drei Prozent sporadisch um mehr als 40<br />

Sachen.<br />

Was beim Versuch, einzelne Autofahrertypen<br />

empirisch zu erfassen (siehe Kasten)<br />

auffiel, sind vor allem auch die soziodemographisch<br />

bedingten Unterschiede in <strong>der</strong><br />

Einstellung zum Auto <strong>und</strong> in den Fahrmentalitäten.<br />

So stimmten <strong>der</strong> Aussage „Ein<br />

wenig Nervenkitzel gehört für mich dazu“<br />

immerhin 41 Prozent <strong>der</strong> 18- bis 34-Jährigen<br />

mit Hauptschulabschluss zu, aber nur<br />

19 Prozent <strong>der</strong> gleichaltrigen Akademiker.<br />

Und während Besserverdienende eher zur<br />

Überschätzung des eigenen Könnens neigen,<br />

geraten Wenigverdiener vergleichsweise<br />

häufiger in Rage. «<br />

Welcher Typ sind Sie? Machen Sie den Selbsttest auf www.autofahrertypen.de!<br />

3.<br />

6.<br />

Der Ängstliche (Anteil: 17 Prozent)<br />

repräsentiert den unsicheren Wenigfahrer.<br />

Er fährt sehr zurückhaltend,<br />

langsam <strong>und</strong> hält sich strikt an die<br />

Verkehrsregeln, weshalb er nicht<br />

selten als Hin<strong>der</strong>nis erscheint. Der<br />

Ängstliche findet sich häufig bei den<br />

älteren Fahrern ab 60 <strong>und</strong> nur sehr<br />

selten bei Jüngeren unter 35.<br />

Der Raser (Anteil: 15 Prozent)<br />

lebt seine Lust am Risiko aus, sucht<br />

Abenteuer, Anerkennung <strong>und</strong> Selbstbestätigung<br />

im schnellen, riskanten<br />

Fahren. Er testet seine Grenzen, misst<br />

seine Fähigkeiten mit an<strong>der</strong>en <strong>und</strong><br />

neigt stark zur Selbstüberschätzung.<br />

Der typische Raser ist jung, männlich<br />

<strong>und</strong> gibt viel Geld fürs Auto aus.


Invasion <strong>der</strong> Schwarzfahrer<br />

Farbpsychologie bei Autos ■ Sagt es etwas über den Charakter des<br />

Fahrers, ob er unterm weißen, grauen o<strong>der</strong> blauen Blechdach sitzt?<br />

Der Münsteraner Farbwissenschaftler Werner Rudolf Cramer hat sich<br />

für das ITS magazine darüber Gedanken gemacht – allerdings ohne<br />

allzu großen akademischen Ernst.<br />

Lassen Sie mich mit einer beson<strong>der</strong>s<br />

verwegenen Spekulation beginnen:<br />

Kann es sein, dass die Beliebtheit <strong>der</strong> Autofarben<br />

im Kontext steht zu den politischen<br />

Mehrheiten innerhalb einer Gesellschaft?<br />

Zumindest in Deutschland gibt es dafür<br />

durchaus Indizien: So startete Schwarz seinen<br />

noch immer anhaltenden Siegeszug<br />

ziemlich genau in <strong>der</strong> Zeit, als Helmut Kohl<br />

B<strong>und</strong>eskanzler wurde, Rot setzte mit dem<br />

schlagzeilenträchtigen Rücktritt Björn<br />

Engholms zum Sturzflug in <strong>der</strong> Neuzulassungsstatistik<br />

an, Grün verzeichnete die<br />

größten Zugewinne, als die Ökopartei verstärkt<br />

von sich reden machte, <strong>und</strong> Grau<br />

mauserte sich zur Modefarbe, als <strong>der</strong> Anteil<br />

an Nichtwählern in bedenkliche Höhen stieg.<br />

Alles nur Zufall? Mag sein, aber dass die<br />

Vorliebe für eine bestimmte Farbe Rückschlüsse<br />

auf die Persönlichkeit erlaubt, das<br />

Die Welt <strong>der</strong> Autofarben<br />

halten viele Fachleute unter Berufung auf<br />

die so genannte Colordiagnostik des<br />

Schweizer Psychologen Max Lüscher für<br />

durchaus möglich. Im Hinblick auf Autos<br />

sollte man dabei freilich mindestens doppelt<br />

vorsichtig sein. Zum einen spielen in diesem<br />

Bereich auch wirtschaftliche Erwägungen<br />

eine wichtige Rolle: Jemand, <strong>der</strong> sein Fahrzeug<br />

per Restwert-Leasing finanzieren will,<br />

wird sich kaum für eine ausgefallene Pop-<br />

Art-Farbe entscheiden. Zum an<strong>der</strong>en konnten<br />

bisher nicht einmal die Versicherungsunternehmen<br />

farbspezifische Auffälligkeiten<br />

in Unfallstatistiken entdecken.<br />

Doch auf dünnem Eis macht das Tanzen sowieso<br />

mehr Spaß – deshalb habe ich in <strong>der</strong><br />

Tabelle auf dieser Seite den einzelnen Autofarben<br />

neben ihren Anteilen an den Neuzulassungen<br />

in verschiedenen Regionen<br />

<strong>der</strong> Welt auch ein kurzes Psychogramm<br />

Farbton Marktanteil Marktanteil Marktanteil Psychogramm<br />

2007 Europa* 2007 USA* 2007 Japan* des Fahrers<br />

des jeweiligen Fahrers zugeordnet. Sollten<br />

Sie sich zutreffend charakterisiert fühlen:<br />

w<strong>und</strong>erbar. Wenn nicht: Vielleicht können<br />

Sie die Liste ja wenigstens beim nächsten<br />

Smalltalk nutzen.<br />

Für etwas mehr als nur Party-Knowledge<br />

halte ich indes folgende Erkenntnis, die<br />

sich inzwischen mehrfach dokumentieren<br />

lässt: Sobald die Autokäufer anfangen,<br />

rationale Argumente für die gewählte Farbe<br />

zu suchen, geht es mit dem entsprechenden<br />

Ton bergab. Seit die Deutschen beispielsweise<br />

Rot verstärkt als die Farbe preisen,<br />

auf <strong>der</strong> Rost am wenigsten sichtbar ist,<br />

sank <strong>der</strong> Marktanteil von mehr als 27 Prozent<br />

in den frühen 90er-Jahren auf heute<br />

r<strong>und</strong> fünf Prozent. Wer weiß: Vielleicht<br />

droht Grau <strong>und</strong> Silber ein ähnliches Schicksal<br />

– o<strong>der</strong> haben Sie noch nicht gehört, dass<br />

man darauf den Schmutz kaum sieht? «<br />

Silber / Grau 22 / 21 18 / 12 22 / 14 Unentschlossen. Penibel. Ängstlich.<br />

(„Bloß kein Statement abgeben“)<br />

Schwarz 25 16 19 Introvertiert. Prestigeorientiert.<br />

Machtverliebt.<br />

Blau 12 12 5 Bedächtig. Zuverlässig. Vorausschauend.<br />

(Prototyp des Pfeifenrauchers)<br />

Weiß 8 19 24 Extrovertiert. Weltoffen. Jugendlich.<br />

Rot 6 13 1 Impulsiv. Mutig. Leidenschaftlich.<br />

Braun / Beige 2 5 1 Bodenständig. Unbeweglich. Intolerant.<br />

Grün 2 2 1 Naturverb<strong>und</strong>en. Unkompliziert. Heiter.<br />

Gelb / Gold 1 3 1 Optimistisch. Selbstbewusst. Mutig.<br />

* Angaben in Prozent; Quelle: DuPont<br />

1/2008 its magazine 13


Im Fokus<br />

Der homöopathische Weg<br />

Mobilitätsverhalten ■ Beim Versuch, die Autoabhängigkeit<br />

<strong>der</strong> mobilen Gesellschaft zu therapieren, stoßen die Verantwortlichen<br />

oft an ihre Grenzen: Für attraktivere Alternativen<br />

fehlt <strong>der</strong> Etat, für allzu unpopuläre Restriktionen<br />

die Akzeptanz. Der Münchner Verkehrsforscher Werner<br />

Brög hat mit seinem Institut Socialdata einen sanften Weg<br />

zur Än<strong>der</strong>ung des Mobilitätsverhaltens entwickelt – <strong>und</strong><br />

bereits höchst erfolgreich angewendet.<br />

Die Diskussion über die grassierende Autoabhängigkeit<br />

mo<strong>der</strong>ner Gesellschaften<br />

dreht sich seit Jahren im Kreis. Und zwar in<br />

einem, dessen Quadratur offenbar nicht so<br />

richtig gelingen mag. Die einen schlagen<br />

bessere Alternativangebote wie den Bau<br />

neuer U- o<strong>der</strong> S-Bahnen vor, werden aber<br />

selten fündig auf <strong>der</strong> Suche nach den entsprechenden<br />

finanziellen Mitteln. Die an<strong>der</strong>en<br />

würden viel lieber die Straßennutzung<br />

verteuern <strong>und</strong> das automobile Leben<br />

durch Verbote weiter erschweren, sind<br />

aber letztlich nicht sicher, inwieweit sich<br />

<strong>der</strong> Bürger tatsächlich zu seinem Glück<br />

zwingen lässt.<br />

Neben fraglichen Erfolgsaussichten haben<br />

die beiden Lager noch etwas gemeinsam:<br />

Sie gehen davon aus, dass man die Menschen<br />

„von außen“ beeinflussen müsse, weil<br />

sie freiwillig nicht zu einem nachhaltigen<br />

Mobilitätsverhalten bereit wären. Dabei zeigen<br />

einschlägige Forschungsergebnisse über<br />

Bestimmungsgründe <strong>der</strong> Verkehrsmittelwahl<br />

immer wie<strong>der</strong>, dass es große Potenziale für<br />

Verhaltensän<strong>der</strong>ungen gibt, ohne die Rah-<br />

14 its magazine 1/2008<br />

menbedingungen zu verän<strong>der</strong>n. Demnach<br />

wären kleine individuelle Verhaltensän<strong>der</strong>ungen<br />

je<strong>der</strong>zeit möglich <strong>und</strong> hätten eine<br />

große Wirkung. Dazu müssen solche Verhaltensän<strong>der</strong>ungen<br />

aber nicht nur möglich<br />

sein, son<strong>der</strong>n auch für möglich gehalten<br />

werden. Dem steht jedoch das autolastige<br />

öffentliche Meinungsklima entgegen.<br />

Die Verantwortlichen<br />

halten das Meinungsklima<br />

in <strong>der</strong> EU für autolastiger<br />

als es tatsächlich ist<br />

O<strong>der</strong> – präziser formuliert: ein Meinungsklima,<br />

von dem die Verantwortlichen glauben,<br />

es sei weitaus autofre<strong>und</strong>licher als es<br />

tatsächlich ist. Davon jedenfalls sind laut<br />

Eurobarometer ziemlich genau 50 Prozent<br />

<strong>der</strong> Bürger überzeugt. Dieselbe Erhebung<br />

gibt außerdem Aufschluss darüber, dass sich<br />

nur 15 Prozent <strong>der</strong> EU-Bevölkerung eine<br />

weiterhin autoorientierte Verkehrspolitik<br />

wünschen. Die überwiegende Mehrheit sähe<br />

viel lieber eine Planung, die den Umweltverb<strong>und</strong><br />

in den Fokus rückt. Und noch in einem<br />

an<strong>der</strong>en wichtigen Punkt unterliegen die Entscheidungsträger<br />

einer gravierenden Fehleinschätzung,<br />

wie eine Umfrage des Münchner<br />

Instituts Socialdata belegt. Ganz im Gegensatz<br />

zu ihrer Vermutung, nach <strong>der</strong> es nur für<br />

r<strong>und</strong> 27 Prozent aller Pkw-Fahrten mindestens<br />

eine gleichwertige Alternative im Umweltverb<strong>und</strong><br />

gibt, sind in Wahrheit mehr<br />

als die Hälfte aller Autofahrten schon mit<br />

den existierenden Angeboten ersetzbar.<br />

Die Erschließung dieser Potenziale erfor<strong>der</strong>t<br />

mithin keine kostspieligen Investitionen<br />

o<strong>der</strong> unpopulären Restriktionen, son<strong>der</strong>n<br />

den konsequenten Einsatz so genannter<br />

„soft policies“ o<strong>der</strong> „weicher Maßnahmen“<br />

wie Information <strong>und</strong> Motivation. Sie erfor<strong>der</strong>t<br />

auch keinen Auto-Verzicht, son<strong>der</strong>n<br />

lediglich überlegteres Handeln bei <strong>der</strong> Wahl<br />

<strong>der</strong> Verkehrsmittel. Denn: Würde je<strong>der</strong> Autofahrer<br />

in Deutschland nur zwei Fahrten pro<br />

Woche – einmal hin <strong>und</strong> zurück – auf ein<br />

umweltschonendes Verkehrsmittel verlagern,<br />

ergäbe sich bereits eine Reduzierung


des Pkw-Verkehrs in einer Größenordnung<br />

von 15 bis 20 Prozent. Die Potenziale für<br />

weiche Maßnahmen sind deshalb so groß,<br />

weil die Verkehrsmittelwahl von erheblichen<br />

Informationslücken geprägt ist: So sind etwa<br />

die Hälfte aller B<strong>und</strong>esbürger, die eine<br />

reale Alternative im ÖPNV haben, darüber<br />

entwe<strong>der</strong> gar nicht informiert – o<strong>der</strong> sie<br />

überschätzen Reisezeit <strong>und</strong> Fahrkosten erheblich.<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten: Die subjektive<br />

Wahrnehmung <strong>der</strong> Alternativen zum<br />

Auto ist deutlich schlechter als die Alternativen<br />

tatsächlich sind. Da die subjektive<br />

Wahrnehmung aber das Verhalten steuert,<br />

liegt hier <strong>der</strong> Schlüssel zu einer wirksamen<br />

<strong>und</strong> nachhaltigen Beeinflussung.<br />

Mit geeignetem Marketing<br />

lässt sich die Anzahl <strong>der</strong><br />

Autokilometer erheblich<br />

reduzieren<br />

Vergleichbare Probleme werden in <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

durch differenzierte Marketingkon-<br />

Berufspendler im Öffentlichen Nahverkehr, S-Bahn im New Yorker Stadtteil Manhattan: Mehr als die Hälfte aller<br />

Autofahrten sind schon mit den existierenden Angeboten des Umweltverb<strong>und</strong>s problemlos ersetzbar<br />

zepte gelöst. Im hier vorliegenden Fall bietet<br />

sich <strong>der</strong> Einsatz eines Dialogmarketing-<br />

Verfahrens an. Damit kann auf quasi homöopathische<br />

Weise das Mobilitätsverhalten<br />

durch „Stärkung <strong>der</strong> eigenen Kräfte“<br />

verän<strong>der</strong>t werden. Die Bürger werden als<br />

aktive Partner bei <strong>der</strong> Lösung eines gemeinsamen<br />

Problems ernst genommen.<br />

Sie werden motiviert, einen eigenen Beitrag<br />

zu leisten <strong>und</strong> erhalten alle notwendigen<br />

Informationen <strong>und</strong> Hilfen. Dabei bedeutet<br />

Dialog, dass sie sich aktiv beteiligen,<br />

indem sie die Informationen, die sie benötigen,<br />

selber bestimmen – <strong>und</strong> dass sie<br />

individuell bedient <strong>und</strong> nicht als passive<br />

Rezipienten mit Werbematerial zugeschüttet<br />

werden.<br />

Auf Basis dieser Überlegungen hat Socialdata<br />

ein individualisiertes Marketingkonzept<br />

(IndiMark) entwickelt, das vom Internationalen<br />

Verband für Öffentliches Verkehrswesen<br />

(UITP) im Rahmen von 45 Projekten<br />

in 13 EU-Län<strong>der</strong>n sehr erfolgreich getestet<br />

wurde. Im Auftrag des westaustralischen<br />

Verkehrsministeriums führten Werner Brög<br />

<strong>und</strong> sein Team anschließend eine Pilotstudie<br />

in South Perth durch – im Bezirk einer Großstadt<br />

also, die für das Auto <strong>und</strong> um das Auto<br />

gebaut wurde. Allein mit IndiMark <strong>und</strong> ohne<br />

jede weitere Maßnahme ist es dabei gelungen,<br />

die Anzahl <strong>der</strong> Autofahrten um 14<br />

Prozent <strong>und</strong> die <strong>der</strong> gefahrenen Kilometer<br />

um 17 Prozent zu senken. Unterdessen<br />

stieg <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> zu Fuß zurückgelegten<br />

Wege um ein Drittel, Fahrradfahrten um<br />

zwei Drittel <strong>und</strong> Fahrten mit dem ÖPNV<br />

um ein Sechstel. Eine Kosten-Nutzen-Analyse<br />

des westaustralischen Verkehrsministeriums<br />

ermittelte ein Verhältnis von 1:30.<br />

Angespornt von diesen Erfolgen wurden<br />

inzwischen viele weitere Pilotprojekte <strong>und</strong><br />

Großanwendungen in diversen australischen,<br />

europäischen <strong>und</strong> amerikanischen<br />

Städten durchgeführt, die allesamt zeigten,<br />

dass South Perth kein Zufallstreffer war.<br />

Allein in Perth selbst sind es mittlerweile<br />

insgesamt 20 Projekte, bis 2009 werden es<br />

500.000 Teilnehmer sein. Das bisher größte<br />

Einzelprojekt mit 170.000 Teilnehmern<br />

wurde in 2007 in Brisbane abgeschlossen. «<br />

1/2008 its magazine 15


Trends & Events<br />

Verkehrstechnik –<br />

just in time<br />

Sonnen-Bank: Im Configuration Center werden auch die Solarpaneele für Parkscheinautomaten gefertigt<br />

Mo<strong>der</strong>ne Verkehrstechnik, das ist High<br />

Tech, Elektrotechnik vom Feinsten, IT-Knowhow<br />

– <strong>und</strong> vor allem Tempo. So ist die geräumige<br />

Industriehalle im Augsburger Sigma<br />

Technopark voller Leben: Akkuschrauber<br />

rattern, Gabelstapler rumpeln geschäftig<br />

durch die Gänge <strong>und</strong> Werkzeuge klappern.<br />

Hier entstehen Parkscheinautomaten <strong>und</strong><br />

Streckenstationen, Signalgeber <strong>und</strong> Controller<br />

für K<strong>und</strong>en in aller Welt. Innovative<br />

Technik mit langer Tradition, denn schon<br />

vor gut einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert begann<br />

<strong>Siemens</strong>, an diesem Standort erste Ampeln<br />

<strong>und</strong> einfache Steuergeräte zu produzieren.<br />

„Heute benutzen wir den Begriff Produktion<br />

ja nicht mehr, weil wir kein Manufacturing<br />

im strengen Sinne betreiben“, erklärt Reinhard<br />

Doll, Leiter <strong>der</strong> Fertigung im <strong>Siemens</strong><br />

Configuration Center (I&S ITS CS&L CC).<br />

„Wir konfigurieren Systeme nach K<strong>und</strong>enwunsch,<br />

indem wir Hardware-Komponenten<br />

<strong>und</strong> Software miteinan<strong>der</strong> verbinden<br />

<strong>und</strong> ‚systemgeprüft’ betriebsfertig machen.“<br />

All das in bemerkenswertem Tempo: „Komplette<br />

Neuanlagen haben Regellieferzeiten<br />

von höchstens 15 Tagen. Laufend optimierte<br />

Prozesse sorgen dafür, dass verkehrstech-<br />

16 its magazine 1/2008<br />

nisch kritische Produkte wie Controller o<strong>der</strong><br />

Signalgeber sogar innerhalb von 24 St<strong>und</strong>en<br />

beim K<strong>und</strong>en ankommen.“<br />

Und das ist deutschlandweit einmalig: Extra<br />

für diesen Schnelldienst bei Notfällen wurde<br />

ein „High-Speed-Logistik-Kanal“ etabliert,<br />

<strong>der</strong> Logistik <strong>und</strong> Service eng miteinan<strong>der</strong><br />

verzahnt. Ist beispielsweise bei einem Verkehrsunfall<br />

irgendwo zwischen Garmisch<br />

<strong>und</strong> Sylt ein Kreuzungssteuerungsgerät<br />

beschädigt worden, sendet <strong>der</strong> zuständige<br />

Servicetechniker eine Eilbestellung mit<br />

Schadensbeschreibung, Gerätenummern<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en relevanten Daten nach Augsburg.<br />

Hier zeigt ein Abgleich mit dem Auftragsdaten-Archiv,<br />

welche Komponenten<br />

an jener Kreuzung eingesetzt werden, welche<br />

zu ersetzen sind <strong>und</strong> wie sie konfiguriert<br />

werden müssen.<br />

Dann geht alles ruck-zuck: Sogenannte<br />

Gr<strong>und</strong>ausbauten – das sind vorbereitete<br />

Schaltschränke mit bereits montierten Basiskomponenten<br />

wie Stromversorgung,<br />

Gr<strong>und</strong>platte sowie bestimmten Halterungen<br />

<strong>und</strong> Steckverbin<strong>der</strong>anschlüssen für die Baugruppen<br />

– stehen immer bereit. „In einen<br />

solchen Gr<strong>und</strong>ausbau setzen wir die benö-<br />

Verbindungs-Mann: Stromversorgung <strong>und</strong><br />

bestimmte Standardanschlüsse gehören zum<br />

Gr<strong>und</strong>ausbau<br />

tigten Komponenten ein, versorgen sie mit<br />

ihrer Software <strong>und</strong> führen eine Systemprüfung<br />

durch“, zählt Reinhard Doll auf. Abnahmeprotokoll<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Vermerk im beigefügten<br />

Qualitätspass folgen – dann geht das<br />

fertig konfigurierte Gerät auf den Weg zum<br />

K<strong>und</strong>en. Tags drauf an <strong>der</strong> Baustelle sind<br />

dann nur noch wenige Handgriffe nötig: Der<br />

Servicetechniker stellt den Schrank auf seinen<br />

Platz, stöpselt die Versorgungskabel<br />

ein <strong>und</strong> schaltet den Controller an. Voilà –<br />

schon läuft die Signalanlage wie<strong>der</strong>!<br />

Ohne kompetente Mitarbeiter funktioniert<br />

das nicht. Breites Wissen in Verkehrs- <strong>und</strong><br />

Elektrotechnik ist gefor<strong>der</strong>t, IT- <strong>und</strong> Netzwerk-Kenntnis.<br />

Deshalb legt Reinhard Doll<br />

großen Wert darauf, dass sich seine 34 Mitarbeiter<br />

– langjährige, qualifizierte Anlernkräfte<br />

ebenso wie junge Mechatroniker o<strong>der</strong><br />

Industriemeister für Elektroanlagen – in unterschiedlichen<br />

Arbeitsbereichen auskennen<br />

<strong>und</strong> schnell dort eingreifen können, wo Not<br />

am Mann ist. „Die Flexibilität unserer Mitarbeiter<br />

insgesamt ist hervorragend“, lobt <strong>der</strong><br />

Fertigungsleiter. Dass Doll auf ein „ausgeglichenes<br />

Verhältnis zwischen Neulingen<br />

<strong>und</strong> alten Hasen mit 20 <strong>und</strong> mehr Jahren


Customer Service & Logistics ■ Ob Parkscheinautomaten<br />

für Kopenhagen, Streckenstationen für deutsche Autobahnen<br />

o<strong>der</strong> Ampeln für Dubai – gefertigt <strong>und</strong> konfiguriert werden<br />

sie alle beim <strong>Siemens</strong> ITS CS&L Configuration Center in<br />

Augsburg. Und immer steht <strong>der</strong> K<strong>und</strong>e im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>.<br />

Erfahrung“ achtet, versteht sich von selbst.<br />

Es sei schließlich enorm wichtig, dass erworbenes<br />

Know-how rechtzeitig an die<br />

Jungen weitergegeben wird.<br />

Dabei spielt reine Montagearbeit nur eine<br />

kleine Rolle. Die Fertigstellung eines Controllers<br />

aus dem „High-Speed-Logistik-Kanal“<br />

dauert kaum eine St<strong>und</strong>e, eine durchschnittliche<br />

Ampel ist gar in 7 Minuten<br />

komplett. „Die wirkliche Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

für uns liegt in <strong>der</strong> Logistik“, weiß Reinhard<br />

Doll. Dafür seien technologisch eher einfache<br />

Geräte wie Signalgeber sehr typisch:<br />

„Wir verbauen grüne, kieselgraue o<strong>der</strong><br />

schwarze Gehäuse mit 200 o<strong>der</strong> 300 mm<br />

Durchmesser, die unterschiedlichste LED-<br />

Töpfe haben können. Dazu kommen zahlreiche<br />

Masken für Signalbil<strong>der</strong> wie Euroo<strong>der</strong><br />

Ex-DDR-Männchen, Straßenbahnen,<br />

diverse Pfeile, Bus- <strong>und</strong> Tram-Signale. Insgesamt<br />

haben wir also r<strong>und</strong> 200 verschiedene<br />

Ampel-Varianten.“ Ohne Zeitdruck<br />

können dagegen bestimmte Standard-<br />

Komponenten vormontiert werden – Solarpaneele<br />

für Parkscheinautomaten beispielsweise:<br />

Die lassen sich schon vorab separat<br />

fertigen, zwischenlagern <strong>und</strong> später einfach<br />

auf die bestellten Automaten montieren.<br />

„Ist nämlich ein Auftrag ‚scharfgeschaltet’,<br />

brauchen wir alle benötigten Komponenten<br />

sofort, sonst können wir unsere schnellen<br />

Liefertermine glatt vergessen“, sagt Doll.<br />

Deshalb sind schon bei <strong>der</strong> Beschaffung<br />

kurze Wege angesagt: High-Tech-Komponenten<br />

stammen meist von <strong>Siemens</strong> Traffic<br />

Controls im südenglischen Poole o<strong>der</strong> aus<br />

Münchener <strong>Siemens</strong>-Werken. Weniger kritische<br />

Bauteile jedoch, individuelle Gehäuse,<br />

hochwertige Kabel o<strong>der</strong> Schrauben bezieht<br />

man von lokalen <strong>und</strong> regionalen Firmen.<br />

Auch mit ihrem Lagerkonzept setzen die<br />

Augsburger auf kurze Zugriffszeiten. In <strong>der</strong><br />

Fertigungshalle ist ein kompaktes, vom Materialverwaltungssystem<br />

geführtes Hochregallager<br />

mit r<strong>und</strong> 4000 Lagerpositionen<br />

aufgebaut: Das System „reserviert“ selbstständig<br />

das für eingehende Aufträge notwendige<br />

Material <strong>und</strong> meldet, wo Positionen<br />

nachbestellt werden müssen.<br />

Und die interne Organisation? Um die Produkte<br />

selbst kümmert sich während ihres<br />

gesamten Lebenszyklus ein Product Lifecycle<br />

Manager, außerdem erhielt <strong>der</strong> Bereich<br />

Fertigung ein eigenes Supply Chain Management:<br />

Kleine spezialisierte Einheiten besorgen<br />

die Beschaffung <strong>und</strong> Planung, die<br />

Stammdatenverwaltung <strong>und</strong> die Auftragsbearbeitung<br />

– eng miteinan<strong>der</strong> verzahnt<br />

<strong>und</strong> sozusagen in Rufweite. „Das läuft so<br />

geräuschlos wie in einem gut geführten<br />

kleinen Mittelstandsbetrieb“, freut sich<br />

Reinhard Doll, denn in Sachen Termintreue<br />

versteht <strong>der</strong> Fertigungsleiter keinen Spaß:<br />

„Wir haben versprochen, kritische Anlagen<br />

innerhalb von 24 St<strong>und</strong>en zu bedienen. Dieses<br />

Versprechen gilt – h<strong>und</strong>ertprozentig!“ «<br />

Rush-hour: Ist ein Auftrag „scharfgeschaltet“, müssen Montage <strong>und</strong> Systemprüfung ruck-zuck gehen<br />

Kenner-Blick: Breites Wissen ist gefor<strong>der</strong>t<br />

Daten <strong>und</strong> Fakten zum<br />

Configuration Center<br />

Das <strong>Siemens</strong> ITS Customer Service &<br />

Logistics Configuration Center im<br />

Sigma Technopark Augsburg nutzt<br />

r<strong>und</strong> 2450 m 2 Hallenfläche für Fertigung,<br />

Konfiguration <strong>und</strong> Systemprüfung<br />

(Endkontrolle). Im Geschäftsjahr<br />

2006/07 fertigte <strong>und</strong> lieferte das<br />

Configuration Center:<br />

• 20.769 Signalgeber mit einem, zwei<br />

o<strong>der</strong> drei Fel<strong>der</strong>n bei r<strong>und</strong> 200 möglichen<br />

Konfigurationen: Das entspricht<br />

r<strong>und</strong> 37.800 einzelnen Signalfel<strong>der</strong>n,<br />

meist LED-Töpfen mit je drei integrierten<br />

LEDs<br />

• 2373 Controller zur Steuerung von<br />

Lichtsignalanlagen an Straßen <strong>und</strong><br />

Kreuzungen<br />

• 150 komplette Streckenstationen<br />

(SST4) zur Auswertung von Verkehrs<strong>und</strong><br />

Umweltdaten <strong>und</strong> Steuerung<br />

von Wechselsignalanlagen an Autobahnen<br />

• 150 Verkehrsdichtesensoren Traffic<br />

Eye Universal (TEU)<br />

• 3306 Parkscheinautomaten (PSA)<br />

verschiedener Bauarten<br />

• 55 Parkdaten-Erfassungsgeräte (PDG)<br />

für die Parkleit- <strong>und</strong> Zielführung<br />

Die 34 festen <strong>und</strong> in Spitzenzeiten<br />

drei bis vier zusätzlichen Mitarbeiter<br />

bewältigen jährlich r<strong>und</strong> 14.000 einzelne<br />

Bestellvorgänge im Gesamtwert<br />

von r<strong>und</strong> 30 Millionen Euro.<br />

1/2008 its magazine 17


Trends & Events<br />

Messe- <strong>und</strong> Kongress-News<br />

Review – Gulf Traffic<br />

Dubai 2007<br />

Dialog in Dubai: Abdullah Al Makri (l.) von <strong>der</strong> Abu Dhabi Police <strong>und</strong><br />

<strong>Siemens</strong> ITS-Mann Mark Bonnor-Morris<br />

Mit einem stattlichen Besucher-Plus von 22,5 Prozent<br />

gegenüber <strong>der</strong> vorherigen Auflage in 2005 unterstrich die<br />

Gulf Traffic am 10. <strong>und</strong> 11. Dezember 2007 in Dubai ihre<br />

herausragende Bedeutung nicht nur für die Vereinigten<br />

Arabischen Emirate, son<strong>der</strong>n für den gesamten Mittleren<br />

Osten <strong>und</strong> Nordafrika. Auf insgesamt über 8000 Quadratmetern<br />

präsentierten 264 Aussteller aus 35 Nationen ihre<br />

innovativen Lösungen für die verkehrliche Infrastruktur.<br />

Dass dabei nicht zuletzt die <strong>Siemens</strong> ITS-Themen Verkehrsmanagement,<br />

Parken, Verkehrsüberwachung <strong>und</strong> Tunneltechnik<br />

im Fokus des Interesses standen, hat gute Gründe:<br />

Denn gerade im Bereich mo<strong>der</strong>ner Straßenverkehrstechnik<br />

herrscht in <strong>der</strong> gesamten Region gigantische Nachfrage.<br />

So investiert allein Dubai <strong>der</strong>zeit insgesamt 2,5 Milliarden<br />

US-Dollar (umgerechnet r<strong>und</strong> 1,7 Milliarden Euro) in entsprechende<br />

Infrastruktur-Projekte. „Unser Ziel ist es, eine<br />

Transport-Infrastruktur auf Weltklasse-Niveau zu schaffen“,<br />

sagte Seine Exzellenz Mattar Al Tayer, <strong>der</strong> Vorstandsvorsitzende<br />

<strong>und</strong> Geschäftsführer <strong>der</strong> Road and Transport<br />

Authority (RTA), in seiner Eröffnungsansprache. „Und dazu<br />

orientieren wir uns natürlich am Besten, was die internationale<br />

Praxis zu bieten hat.“ «<br />

18 its magazine 1/2008<br />

Preview – Intertraffic<br />

Amsterdam 2008<br />

Willkommen in Amsterdam: Die Grachten-Metropole erwartet zur<br />

Intertraffic 700 Aussteller aus 40 Nationen<br />

Sie ist ohne Zweifel die unbestrittene Nummer 1 unter den<br />

Fachmessen für die Verkehrs- <strong>und</strong> Transport-Industrie, <strong>und</strong> es<br />

wäre alles an<strong>der</strong>e als ein W<strong>und</strong>er, wenn <strong>der</strong> Veranstalter auch<br />

bei <strong>der</strong> insgesamt 19ten Intertraffic Amsterdam vom 1. bis 4.<br />

April 2008 wie<strong>der</strong> eine ganze Reihe neuer Rekorde vermelden<br />

könnte. Erwartet werden r<strong>und</strong> 700 Aussteller aus mehr als 40<br />

Nationen, darunter bis zu 50 Weltkonzerne, die unter dem offiziellen<br />

Motto „Connecting Innovation to Infrastructure“ einen<br />

umfassenden Überblick über die wichtigsten Trends <strong>und</strong> Entwicklungen<br />

<strong>der</strong> gesamten Branche bieten – nach dem neuen<br />

Intertraffic-Konzept erstmals in vier klar umrissenen Segmenten:<br />

Infrastruktur, Verkehrsmanagement, Sicherheit <strong>und</strong> Parken.<br />

Mittendrin im Zentrum <strong>der</strong> Zukunft präsentiert selbstverständlich<br />

auch <strong>Siemens</strong> ITS seine State-of-the-Art-Lösungen:<br />

von leistungsstarken Verkehrsmanagementzentralen <strong>und</strong><br />

Innovationen zur Entlastung <strong>der</strong> Umwelt über Maut- <strong>und</strong><br />

Tunneltechnik bis zu Signalgebern <strong>und</strong> Steuergeräten für den<br />

innerstädtischen Verkehr sowie integrierten Systemen für On<strong>und</strong><br />

Offstreet-Parking. Darüber hinaus können sich Besucher<br />

am Unternehmensstand (Nummer 01-312 in Halle 1) auch<br />

über effiziente neue Ansätze im Bereich Rotlichtüberwachung<br />

<strong>und</strong> über fortschrittliche Serviceangebote informieren. «


In aller Offenheit<br />

Integriertes Parkraummanagement ■ Die neue Formel für Effizienz <strong>und</strong><br />

Flexibilität bei öffentlichen <strong>und</strong> privaten Parkhaus- <strong>und</strong> Parkplatzanwendungen<br />

heißt Sipark PMA: <strong>Dank</strong> <strong>seines</strong> <strong>modularen</strong> <strong>Aufbaus</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>einzig</strong>artigen,<br />

offenen Netzwerkstruktur auf Ethernet-Basis ist das innovative<br />

System für Projekte beliebiger Dimension prädestiniert – von Mini bis Giga.<br />

Optimale Bewirtschaftung <strong>und</strong> effektive<br />

Kontrolle von Parkraum nehmen einen<br />

immer höheren Stellenwert ein – im öffentlichen<br />

Bereich genauso wie im privaten.<br />

Dabei ist es nicht zuletzt die Leistungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> technischen Lösungen, die<br />

über die Rentabilität <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Anwendung entscheidet. Mit Sipark PMA<br />

steht dafür jetzt ein integriertes Managementsystem<br />

zur Verfügung, das in vielerlei<br />

Hinsicht neue Maßstäbe setzt: zum Beispiel<br />

in Sachen Offenheit <strong>und</strong> Flexibilität.<br />

Zur Lösung für die Zufahrts- <strong>und</strong> Abrechnungskontrolle<br />

gehören Schranken, Ein<strong>und</strong><br />

Ausfahrtkontrollgeräte, Kassenautomaten<br />

sowie Server sowohl zur Überwachung<br />

<strong>und</strong> Steuerung <strong>der</strong> Geräte als auch<br />

zur Darstellung betriebswirtschaftlicher<br />

Kennzahlen.<br />

Sipark PMA ist modular aufgebaut, unterstützt<br />

gängige Schnittstellenstandards <strong>und</strong><br />

besitzt ein für <strong>der</strong>artige Anwendungen<br />

einmaliges <strong>und</strong> offenes Netzwerkkonzept<br />

auf Ethernet-Basis. Damit eignet sich das<br />

System für Projekte je<strong>der</strong> beliebigen<br />

Dimension – ganz beson<strong>der</strong>s auch für<br />

komplexere Anlagen, bei denen die einfache<br />

Anbindung zusätzlicher technischer<br />

Komponenten wie beispielsweise Zutrittskontrolle<br />

zu Gebäuden o<strong>der</strong> Videoüberwachung<br />

eine entscheidende Rolle spielt.<br />

Mit Sipark PMA können sowohl die bewährten<br />

Standard-Magnetstreifen als auch<br />

Karten mit PIN-Code o<strong>der</strong> neuester RFID-<br />

Transpon<strong>der</strong>technik gelesen werden. Die<br />

Vorteile von Standards bei den Ticket- <strong>und</strong><br />

Speichermedien liegen auf <strong>der</strong> Hand: So<br />

erhält beispielsweise <strong>der</strong> Besucher eines<br />

Gebäudes, das mit Zutrittskontrollen ausgestattet<br />

ist, aus dem Automaten bei <strong>der</strong><br />

Tiefgarageneinfahrt einen Parkschein, <strong>der</strong><br />

gleichzeitig als Zutrittsticket erlaubt, seinen<br />

Zielort im Gebäude durchgängig zu<br />

erreichen.<br />

Außerdem umfasst Sipark PMA Kontrollgeräte<br />

zur Ausgabe o<strong>der</strong> Überprüfung von<br />

magnetisch kodierten Kurzparkertickets <strong>und</strong><br />

zur Annahme von Dauerparkerkarten, Kreditkarten,<br />

EC-Karten <strong>und</strong> Son<strong>der</strong>tickets.<br />

Die Tarifberechnung berücksichtigt auch<br />

Rabatte. Die Annahme von Standardtickets<br />

erfolgt dabei in weniger als 0,7 Sek<strong>und</strong>en.<br />

Automatische <strong>und</strong> manuelle Kassen, jeweils<br />

in kompakter Ausführung, verarbeiten alle<br />

im Parkhaus anfallenden Bezahlvorgänge<br />

wie die Tarifberechnung mit Rabattberücksichtigung,<br />

das Verlängern <strong>und</strong> Nachzahlen<br />

von Dauerparkerkarten sowie das Aufladen<br />

<strong>und</strong> Nachzahlen von Wertkarten. Die Münz<strong>und</strong><br />

Banknotenverarbeitung <strong>und</strong> das Drucken<br />

von Quittungen kann landes- <strong>und</strong><br />

k<strong>und</strong>enspezifisch eingestellt werden.<br />

Eine mikroprozessorgesteuerte Schranke<br />

öffnet <strong>und</strong> schließt in 1,5 Sek<strong>und</strong>en mit<br />

einem sanften, mechanikschonenden Bewegungsablauf.<br />

Sie kann mit Sperrbreiten<br />

von bis zu 3,2 Metern installiert werden.<br />

Die Datenbanklösung besitzt umfangreiche<br />

Verwaltungs- <strong>und</strong> Berichtsfunktionen <strong>und</strong><br />

ist für den Parkhausbetreiber ein mo<strong>der</strong>nes,<br />

leistungsfähiges Mittel zum kompletten<br />

Parkraummanagement. Die Serverausstattung<br />

reicht von einem Einzelplatzsystem<br />

zur Anbindung von bis zu 25 Park-Geräten<br />

bis hin zu komplexen Netzwerkarchitekturen.<br />

Mit Sipark PMA <strong>und</strong> dem etablierten System<br />

Sipark SSD (Single Space Detection) bietet<br />

<strong>Siemens</strong> das komplette Portfolio für die<br />

Parkraumbewirtschaftung. Sipark SSD<br />

ermöglicht eine Einzelstellplatz-Überwachung<br />

mit Sensoren. Damit kann ein Fahrzeug<br />

gezielt zu einem Parkplatz gelenkt<br />

<strong>und</strong> so die Parkplatzbelegung optimiert<br />

werden. Das System ist weltweit bereits<br />

in vielen Parkhäusern im Einsatz – von<br />

München über Toulouse <strong>und</strong> Oslo bis<br />

Singapur. «<br />

Vorsprung durch Effzienz: Sipark PMA bietet alles, was für die optimale Bewirtschaftung von<br />

Parkraum nötig ist<br />

1/2008 its magazine 19


Partner & Projekte<br />

Parkscheinautomaten-Kontrolle per<br />

Mausklick – Theo, wir parken in Lodz!<br />

Lodz ■ Ab sofort gehen die Uhren an<strong>der</strong>s in<br />

<strong>der</strong> historischen Altstadt von Lodz. Zumindest<br />

die Parkuhren. Wobei es eigentlich frevelhaft<br />

ist, bei den 210 nagelneuen, frisch installierten,<br />

silbergrauen Sity5-Parkschein-Automaten von<br />

„Parkuhr“ zu sprechen. Handelt es sich hier doch<br />

eher um quasi autark agierende Parkraum-Manager,<br />

die nicht nur selbsttätig ihre Vermögensverhältnisse,<br />

sprich Kassenbestand, an die<br />

Zentrale vermelden, son<strong>der</strong>n auch erlittenes<br />

Ungemach umgehend übermitteln. Blockaden<br />

o<strong>der</strong> Fehlfunktionen werden ebenso prompt<br />

angezeigt wie Beschädigungen o<strong>der</strong> Betrugsversuche.<br />

Umgekehrt hat <strong>der</strong> Operator in <strong>der</strong><br />

Holländisches Nadelöhr in Rekordzeit<br />

verkehrstauglich gemacht<br />

Dordrecht ■ Im holländischen Dordrecht<br />

kommt verkehrstechnisch viel zusammen:<br />

Die Autobahn A 16 <strong>und</strong> die Nationalstraßen<br />

N 217 <strong>und</strong> N 3 treffen genau hier aufeinan<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> bilden zusammen einen verkehrstechnisch<br />

anspruchsvollen Knotenpunkt.<br />

Verschärft wurde die Situation bis<br />

September 2006 durch drei veraltete, nicht<br />

vernetzte Ampelanlagen <strong>und</strong> eine zu geringe<br />

Fahrbahnkapazität. Beides konnte<br />

mit dem wachsenden Verkehrsaufkommen<br />

Upgrade in Dordrecht: Optimierte Infrastruktur<br />

sorgt für mehr Verkehrsfluss<br />

20 its magazine 1/2008<br />

Lodzer Verkehrszentrale nun die Möglichkeit,<br />

je<strong>der</strong>zeit neue Tarife einzustellen – sei es selektiv<br />

am Einzelgerät, an ausgewählten Standortgruppen<br />

o<strong>der</strong> allen Geräten auf einmal. Und auch<br />

dem mit ziemlicher Sicherheit eintretenden<br />

technischen Fortschritt begegnet <strong>der</strong> <strong>Siemens</strong><br />

Top-Seller mit <strong>der</strong> gebotenen Souveränität.<br />

Das gesamte System ist so ausgelegt, dass es<br />

sich an die nächst höheren Modifikationsstufen<br />

<strong>und</strong> Upgrades problemlos anpassen lässt.<br />

Alle Geräte sind bereits in Betrieb. Noch begnügt<br />

sich <strong>der</strong> Sity5 mit Münzgeld, bald soll<br />

jedoch auch die Bezahlung mit <strong>der</strong> Lodz City<br />

Card Realität werden. «<br />

nicht mehr Schritt halten. Folge waren<br />

regelmäßige Staus zu den täglichen Rushhours.<br />

Das für die Streckenabschnitte zuständige<br />

Amt für Wasser- <strong>und</strong> Straßenverkehr, Rijkswaterstaat<br />

Süd, gab <strong>Siemens</strong> Nie<strong>der</strong>land<br />

den Auftrag, erstens eine mo<strong>der</strong>ne Lichtsignalanlage<br />

zu installieren, zweitens die<br />

bisherige Standspur in den fließenden<br />

Verkehr zu integrieren, um so die Kapazität<br />

zu erhöhen <strong>und</strong> drittens, wenn man schon<br />

mal dabei war, auch gleich die Asphaltdecke<br />

<strong>der</strong> Auffahrt zur A 16 zu erneuern.<br />

An sich kein außergewöhnlicher Auftrag,<br />

wäre da nicht noch eine Kleinigkeit zu<br />

beachten gewesen. Wegen <strong>der</strong> immensen<br />

Verkehrsbedeutung des Knotenpunkts<br />

durfte unter <strong>der</strong> Woche keine Behin<strong>der</strong>ung<br />

eintreten. Sämtliche den Verkehrsfluss<br />

störenden Arbeiten mussten an<br />

gerade mal zwei (!) Wochenenden erledigt<br />

werden. Mit an<strong>der</strong>en Worten: drei Lichtsignalanlagen<br />

austauschen, an drei Lichtsignalanlagen<br />

Kontaktschleifen <strong>und</strong> Detektoren<br />

einbauen <strong>und</strong> neu asphaltieren,<br />

eine komplettes Steuerungsnetzwerk mit<br />

zentraler Steuerungsanlage installieren,<br />

zur Integration <strong>der</strong> Standspuren am<br />

gesamten Knotenpunkt die alten Fahrbahnmarkierungen<br />

entfernen <strong>und</strong> neu<br />

aufspritzen, auf <strong>der</strong> Auffahrt die alte<br />

Asphaltdecke entfernen <strong>und</strong> erneuern –<br />

Sity5 in Lodz: Neue Technik<br />

für die Altstadt<br />

<strong>und</strong> das alles in exakt vier Tagen <strong>und</strong> 18<br />

St<strong>und</strong>en. Gearbeitet werden durfte nämlich<br />

nur von Freitag, 20 Uhr, bis Montag<br />

früh, 5 Uhr.<br />

Und, hat´s geklappt? Es hat. Abschließend<br />

kann man nur sagen: Hut ab vor allen<br />

Beteiligten, die diese planerische <strong>und</strong><br />

organisatorische Herausfor<strong>der</strong>ung so<br />

souverän meisterten. Denn Montag morgens,<br />

pünktlich um 5 Uhr, floss <strong>der</strong> Verkehr<br />

wie<strong>der</strong> reibungslos. «<br />

Straßenbahn-Tunnel in Krakau:<br />

Mo<strong>der</strong>ne Technik erhöht die Sicherheit


<strong>Siemens</strong> installiert Telematik-Großprojekt<br />

E 18 plus Hafen-Verkehrssteuerung<br />

Finnland ■ Timo Karhumäki ist <strong>der</strong> Telematik-Experte<br />

bei Finnra, <strong>der</strong> finnischen<br />

Straßenverwaltung, <strong>und</strong> Finnra ist verantwortlich<br />

für 78.000 Kilometer öffentliches<br />

Straßennetz. „Die Verkehrssituation in<br />

Finnland“ sagt Timo Karhumäki, „ist gekennzeichnet<br />

durch zwei Dinge: ein stark<br />

wachsendes Verkehrsaufkommen insbeson<strong>der</strong>e<br />

im Großraum Helsinki <strong>und</strong> das<br />

Wetter während <strong>der</strong> sieben finnischen<br />

Wintermonate.“ Weil die Telematik in <strong>der</strong><br />

Lage ist, problematische Wetterverhältnisse<br />

wie Schnee, Glatteis, Nebel o<strong>der</strong><br />

Sturzregen, aber auch Staus <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Verkehrsstörungen nicht nur zu erkennen,<br />

son<strong>der</strong>n auch als Information über entsprechende<br />

Steuerungs-, Signal- <strong>und</strong><br />

Informationssysteme an die Autofahrer<br />

weiterzuleiten, hält Timo Karhumäki<br />

diese Technik für die richtige Lösung.<br />

Er begrüßt daher den Vertragsabschluss<br />

mit <strong>Siemens</strong> Osakeyhtiö über die Lieferung<br />

von Telematik, Stromversorgung sowie<br />

Sicherheits- <strong>und</strong> Automatisierungssystemen<br />

für den Muurla–Lohja-Abschnitt <strong>der</strong> E18.<br />

Die Strecke hat eine Länge von 51,3 Kilometern<br />

<strong>und</strong> ist das größte Telematik-Projekt,<br />

das je in Finnland ausgeführt wurde. Es<br />

wird das letzte fehlende Autobahnstück<br />

zwischen Turku <strong>und</strong> Helsinki ergänzen<br />

<strong>und</strong> im November 2008 für den Verkehr<br />

geöffnet werden.<br />

<strong>Siemens</strong> Osakeyhtiö wird auch das Verkehrsmanagementsystem<br />

für den zur Zeit<br />

im Bau befindlichen Vuosaari-Hafen in<br />

Aktion sicherer Tunnel<br />

Krakau ■ Neue Straßenverkehrssysteme<br />

werden in Krakau unter dem Gesichtspunkt<br />

<strong>der</strong> zukünftigen dynamischen Wirtschafts<strong>und</strong><br />

Verkehrsentwicklung Polens konzipiert.<br />

Erfreulicherweise geschieht dies mit beson<strong>der</strong>em<br />

Augenmerk auf die Einbeziehung<br />

öffentlicher Verkehrsmittel. Hauptaufgaben<br />

dabei sind die Effizienzsteigerung <strong>und</strong><br />

die Verkürzung <strong>der</strong> Fahrtzeiten, aber auch<br />

ein Mehr an Sicherheit. Dazu baut die<br />

ZUE S.A. Gruppe, eine Aktiengesellschaft<br />

für Energie <strong>und</strong> Straßenverkehr in Krakau,<br />

einen Tunnel für den Schnell-Straßenbahnverkehr,<br />

<strong>der</strong> das südliche <strong>und</strong> das nördliche<br />

Stadtgebiet Krakaus verbindet. ZUE er-<br />

Schiffsanlegestelle in Helsinki: Verkehrsmanagement verbessert die Hafenlogistik<br />

Helsinki liefern. Der Vuosaari-Hafen, <strong>der</strong><br />

im Jahr 2008 vollendet sein soll, wird <strong>der</strong><br />

Haupthafen für Großgebinde <strong>und</strong> den finnischen<br />

Außenhandel sein. Die Hafenlogistik<br />

gehört zu den mo<strong>der</strong>nsten ihrer Art.<br />

Ziel ist, die Verweildauer <strong>der</strong> Güter im Hafen<br />

auf wenige St<strong>und</strong>en zu reduzieren. Der<br />

Lieferumfang von <strong>Siemens</strong> schließt ein<br />

Überwachungskamerasystem, ein Lautsprechersystem,<br />

straßenseitige Wettersta-<br />

teilte <strong>Siemens</strong> I&S (Industrial Solutions<br />

and Services) den Auftrag, den 1,5 Kilometer<br />

langen Tunnel mit einem Steuerungssystem<br />

<strong>und</strong> mo<strong>der</strong>nsten Sicherheitseinrichtungen<br />

auszurüsten. Bestandteil<br />

des Systems sind Brandschutzeinrichtungen,<br />

Alarmsysteme <strong>und</strong> eine aufwändige<br />

Kameraüberwachungstechnik auf<br />

CCTV- (ClosesCircuitTeleVision) Basis mit<br />

60 Überwachungskameras. Außerdem steht<br />

ein Voice Messaging-Kommunikationssystem<br />

für Notfälle <strong>und</strong> Service-Maßnahmen<br />

im Ernstfall allen Tunnelbenutzern<br />

zur Verfügung. Neu ist auch ein Nachrichtensystem,<br />

das mit 60 Lautsprechern die<br />

tionen, Verkehrsmessausrüstung, Wechselanzeigen<br />

für Geschwindigkeitsbegrenzungen<br />

<strong>und</strong> Warnungen, Lichtsignalanlagen<br />

<strong>und</strong> Wechselverkehrszeichen mit ein. Das<br />

System umfasst Schnittstellen, Steuersoftware,<br />

Datenbanken, Server <strong>und</strong> Steuerlogik.<br />

Ein Schlüsselelement <strong>der</strong> Lieferung war<br />

dabei die Ausrüstung des Doppelröhren-<br />

Felstunnels Porvarinlahti mit einem Verkehrsmanagementsystem.<br />

«<br />

Straßenbahnnutzer mit wichtigen Reiseinformationen<br />

versorgt, aber auch Musik<br />

<strong>und</strong> Werbung überträgt. Demnächst soll<br />

das Tunnelsteuerungssystem mit <strong>der</strong><br />

Krakauer Hauptverkehrs-Managementzentrale<br />

verb<strong>und</strong>en werden.<br />

Das Projekt mit einem Auftragsvolumen<br />

von 2,5 Millionen € soll im September<br />

2008 fertiggestellt sein. Es ist nacheinan<strong>der</strong><br />

das Dritte seiner Art in Krakau unter Beteiligung<br />

von <strong>Siemens</strong>. I&S richtete zuvor<br />

bereits eine Verkehrsleitzentrale <strong>und</strong> ein<br />

Verkehrssteuerungssystem im Straßenbahntunnel<br />

unter dem Krakauer Hauptbahnhof<br />

ein. «<br />

1/2008 its magazine 21


Wissen & Forschung<br />

Der selbstfahrende VW Tuareg <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eswehr-Universität: Mit vergleichsweise bescheidenem finanziellen Aufwand<br />

in die Weltspitze <strong>der</strong> autonomen Bewegung<br />

„Harry, fahr’ schon mal den Wagen vor!“<br />

Der viel zitierte Satz des legendären „Derrick“<br />

gehört zu den berühmtesten <strong>der</strong> deutschen<br />

Fernsehgeschichte. Würde <strong>der</strong> Oberinspektor<br />

heute noch ermitteln, müsste er sich<br />

wohl demnächst einen neuen Spruch ausdenken.<br />

Denn falls die Entwicklung autonomer<br />

Autos so rasant weiter geht wie in<br />

den letzten Jahren, könnte sich sein Dienst-<br />

BMW den Weg durchs Münchner Straßenlabyrinth<br />

vielleicht bald ganz alleine bahnen.<br />

Wann genau dem armen Harry die Arbeitslosigkeit<br />

droht, wann genau <strong>der</strong> Autopilot<br />

den Sprung vom Flugzeug in den Serien-<br />

Pkw schafft, darüber wird viel spekuliert.<br />

Beson<strong>der</strong>s optimistisch geraten die Prognosen<br />

immer dann, wenn die Technik im evolutionären<br />

Rennen Mensch gegen Maschine<br />

wie<strong>der</strong> mal einen publikumswirksamen<br />

Etappensieg erringt. Nachdem zum Beispiel<br />

im Sommer 2006 ein Golf GTI ohne Fahrer<br />

schneller durch einen Pylonenparcours<br />

driftete als ein identischer bemannter Konkurrent,<br />

schien <strong>der</strong> Erfolg für den Laien<br />

greifbar nah.<br />

Ausgerechnet Professor Dr. Hans-Joachim<br />

Wünsche, einer <strong>der</strong> führenden Köpfe <strong>der</strong><br />

autonomen automobilen Szene, tritt da auf<br />

die Euphoriebremse. Und das, obwohl er mit<br />

seinem Team <strong>und</strong> einem mit Technik vollgestopften<br />

VW Tuareg beim europäischen<br />

22 its magazine 1/2008<br />

Gipfeltreffen selbstfahren<strong>der</strong> Roboter<br />

Mitte letzten Jahres in <strong>der</strong> Schweiz die<br />

Bestzeit markierte. Und obwohl er schon<br />

1995 dabei war, als seinem Doktorvater<br />

Ernst-Dieter Dickmann eine Fahrt von<br />

München nach Dänemark gelang, bei <strong>der</strong><br />

das Auto r<strong>und</strong> 95 Prozent <strong>der</strong> Zeit selbstständig<br />

steuerte, Spurwechsel vornahm,<br />

überholte <strong>und</strong> Geschwindigkeiten bis zu<br />

180 km/h erreichte.<br />

„Allein zum Pizzaholen<br />

können Sie Ihr Auto noch<br />

nicht so bald schicken“<br />

Dennoch versetzt <strong>der</strong> Leiter des Lehrstuhls<br />

„Technik autonomer Systeme“ <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eswehr-Universität<br />

in Neubiberg allzu kühnen<br />

Hoffnungen gerne einen pointierten Dämpfer:<br />

„Auf einer Autobahn mit ihrer klar<br />

strukturierten Umgebung ist das alles kein<br />

großes Problem. Aber allein zum Pizzaholen<br />

können Sie Ihr Auto in den nächsten 15 bis<br />

20 Jahren vermutlich noch nicht schicken.“<br />

So ohne weiteres lassen sich Augen nun<br />

einmal nicht durch Laserscanner o<strong>der</strong><br />

Videokameras ersetzen, genauso wenig<br />

wie Nerven durch Kabel <strong>und</strong> das Gehirn<br />

durch einen Computer. „Die Fähigkeit,<br />

unbekannte Umgebungen vollständig<br />

wahrzunehmen, intelligente Schlüsse<br />

daraus zu ziehen <strong>und</strong> danach zu handeln“,<br />

sagt Professor Wünsche, „ist gewissermaßen<br />

die letzte Domäne <strong>der</strong> Menschheit.<br />

Wie weit wir diese Talente mit technischen<br />

Mitteln nachahmen können, muss sich<br />

erst noch zeigen.“<br />

Aber genau das macht die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

für Forscher in aller Welt so faszinierend.<br />

Zur „Urban Challenge“ beispielsweise,<br />

die das US-Verteidigungsministerium im<br />

November 2007 in Kalifornien veranstaltete<br />

<strong>und</strong> mit 3,5 Millionen Dollar Preisgeld<br />

dotierte, reisten insgesamt 35 internationale<br />

Teams an – unter an<strong>der</strong>em auch eines von<br />

<strong>der</strong> Stanford University, dessen Chef Sebastian<br />

Thrun sich nach dem Sieg bei <strong>der</strong><br />

Wüstenrallye „Grand Challenge“ zwei Jahre<br />

zuvor ganz beson<strong>der</strong>s auf die erstmalige<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung Stadtverkehr freute:<br />

„Wenn vier Autos an eine Kreuzung fahren,<br />

hat in Kalifornien <strong>der</strong>jenige Vorfahrt, <strong>der</strong><br />

zuerst da war. Aber was passiert, wenn<br />

alle vier autonomen Fahrzeuge denken,<br />

sie seien als Zweite o<strong>der</strong> Dritte gekommen?<br />

Wir wissen es nicht – <strong>und</strong> das ist<br />

das Spannende.“<br />

„Der Straßenverkehr hat<br />

mehr Opfer gefor<strong>der</strong>t als<br />

alle Kriege zusammen“


Autonome Szene<br />

Selbstfahrende Autos ■ Auf den ersten Blick sind es „nur“<br />

ein paar autonome Fahrzeuge, die sich unbemannt ihren<br />

Weg bahnen – so wie <strong>der</strong> VW Tuareg von Professor Dr.<br />

Hans-Joachim Wünsche von <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eswehr-Universität<br />

in Neubiberg. Die wahre Dimension offenbart sich erst<br />

beim zweiten Hinsehen: Hier geht es um das Eindringen<br />

<strong>der</strong> Technik in die letzte Domäne <strong>der</strong> Menschheit.<br />

Während für den Veranstalter <strong>der</strong><br />

„Urban Challenge“ logischerweise die<br />

militärische Nutzung <strong>der</strong> Autonomie-<br />

Forschung im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> steht, speziell<br />

nachdem auf Geheiß des US-Senats<br />

bis 2015 jedes dritte Bodenfahrzeug<br />

ohne menschlichen Fahrer auskommen<br />

soll, hofft Thrun primär auf Verbesserungen<br />

im Bereich Verkehrssicherheit:<br />

„Allein in den Vereinigten Staaten gibt<br />

es jedes Jahr 42.000 Verkehrstote. Die<br />

Technik, die wir für unser Auto entwickelt<br />

haben, ist für Fahrassistenzsysteme<br />

nützlich.“<br />

Das sieht im Übrigen auch Professor<br />

Wünsche so: „Der Straßenverkehr hat<br />

bislang mehr Opfer gefor<strong>der</strong>t als alle<br />

Kriege zusammen. Deshalb stellen wir<br />

unsere Forschungsergebnisse natürlich<br />

auch gern <strong>der</strong> Industrie zur Verfügung.“<br />

So geschehen unter an<strong>der</strong>em im Fall<br />

des Spurverlassenswarners – eines<br />

heute längst eingeführten Systems,<br />

das seine experimentelle Feuertaufe in<br />

einem Mercedes-Kastenwagen bestand,<br />

<strong>der</strong> 1987 von Wissenschaftlern <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>eswehr-Universität auf eine autonome<br />

Reise von München nach Dingolfing<br />

geschickt worden war.<br />

Schon damals kam noch eine an<strong>der</strong>e<br />

revolutionäre Erfindung <strong>der</strong> Neubiberger<br />

zum Einsatz: <strong>der</strong> so genannte 4D-Ansatz<br />

für die selbstständige Navigation <strong>der</strong><br />

Roboter-Autos. Statt jedes einzelne <strong>der</strong><br />

von den Kameras gelieferten Umgebungsbil<strong>der</strong><br />

vollständig zu analysieren,<br />

konzentrieren sich die Rechner bei <strong>der</strong><br />

4D-Orientierung auf die Bildbereiche,<br />

in denen aufgr<strong>und</strong> rechnerinterner<br />

Modellvorstellungen Bewegungen stattfinden.<br />

<strong>Dank</strong> dieser effizienten Methode<br />

gelang es <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eswehr-Universität<br />

vor 20 Jahren trotz eines vergleichsweise<br />

bescheidenen finanziellen Aufwands,<br />

sich in <strong>der</strong> Weltspitze <strong>der</strong> autonomen<br />

Bewegung zu etablieren.<br />

Bevor solche Systeme jedoch in Serie<br />

gehen können, gilt es neben so manchen<br />

technischen auch einige tückische<br />

juristische Klippen zu umschiffen.<br />

Ein schönes Beispiel dafür ist <strong>der</strong> unfallvermeidende<br />

Bremsassistent, eine<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> heute bekannten<br />

Variante, die lediglich die Unfallfolgen<br />

vermin<strong>der</strong>n soll: „Solange nicht<br />

eindeutig geklärt werden kann, ob bei<br />

einem Crash <strong>der</strong> die Technik überwachende<br />

Insasse o<strong>der</strong> vielleicht doch <strong>der</strong><br />

Hersteller schuld ist“, meint Professor<br />

Wünsche, „wird sich die Industrie hüten,<br />

autonome Teilfunktionen dieser Art auf<br />

den Markt zu bringen.“ «<br />

Professor Wünsche, Innenleben des autonomen<br />

Tuareg: „Auf einer Autobahn mit klar strukturierter<br />

Umgebung ist das alles kein Problem“<br />

1/2008 its magazine 23


Mobilität & Lebensraum<br />

Die Weisheit <strong>der</strong> Vielen<br />

High Definition Traffic ■ Mit einer groß angelegten Datenfusion<br />

will Branchen-Primus TomTom die mobile Navigation<br />

revolutionieren. Um die Verkehrslage auf den Straßen in<br />

Echtzeit zu erfassen, stellt Vodafone die Positionsmeldungen<br />

von Millionen Handynutzern zur Verfügung. In den Nie<strong>der</strong>landen<br />

ist das System bereits gestartet, Großbritannien <strong>und</strong><br />

Deutschland sollen noch in diesem Jahr folgen.<br />

Das HD Traffic-Konzept: Die Positionsdaten von Vodafone-Handys (1) werden in <strong>der</strong><br />

TomTom-Zentrale (2) ausgewertet, mit an<strong>der</strong>en Verkehrsinfos kombiniert (3) <strong>und</strong> in<br />

die Routenempfehlungen (4) mit einbezogen<br />

Wenn aus <strong>der</strong> Gemeinschaft vieler Einzelner<br />

ein so genannter Superorganismus<br />

entsteht, sprechen Verhaltensforscher von<br />

Schwarmintelligenz. Zu beobachten ist<br />

dieses Phänomen normalerweise hauptsächlich<br />

bei Fischen o<strong>der</strong> Vögeln. Aber vielleicht<br />

lässt sich ja auch mit <strong>der</strong> Weisheit<br />

des Handy-Schwarms etwas anfangen?<br />

Davon zumindest sind die Innovatoren bei<br />

TomTom, dem weltweit größten Anbieter<br />

von Navigationslösungen, ebenso überzeugt<br />

wie <strong>der</strong> Mobilfunkkonzern Vodafone.<br />

Mit vereinten Ressourcen wollen die beiden<br />

24 its magazine 1/2008<br />

Unternehmen ein neues Kapitel in <strong>der</strong> Erfolgsstory<br />

<strong>der</strong> mobilen Navigation aufschlagen.<br />

In den Nie<strong>der</strong>landen feierte „High Definition<br />

(HD) Traffic“ bereits im November<br />

2007 Premiere, für das erste Halbjahr 2008<br />

steht <strong>der</strong> Start in Großbritannien auf dem<br />

Programm. Und ab dem zweiten Semester<br />

des Jahres sollen auch deutsche Autofahrer<br />

von dem bisher <strong>einzig</strong>artigen Verkehrsinformationssystem<br />

profitieren.<br />

Die Idee hinter HD Traffic scheint simpel:<br />

Sobald irgendwo ein Handy eingeschaltet<br />

wird, meldet es sich sofort bei seiner Basis-<br />

Mobile Navigation <strong>der</strong> nächsten Generation: Der Handy-<br />

Schwarm wird zum Superorganismus<br />

station <strong>und</strong> gibt in regelmäßigen Abständen<br />

seinen genauen Standort durch. Der<br />

Netzbetreiber ist also stets bestens darüber<br />

informiert, wie schnell <strong>und</strong> in welche Richtung<br />

sich die einzelnen Mobiltelefone<br />

bewegen. In <strong>der</strong> TomTom-Zentrale in Amsterdam<br />

laufen nun die aktuellen Positionsdaten<br />

von Millionen Handys zusammen<br />

<strong>und</strong> werden mit Verkehrsinformationen<br />

aus an<strong>der</strong>en Quellen kombiniert. Die so<br />

abgebildeten Bewegungsmuster fließen<br />

dann in die Routenempfehlungen <strong>der</strong> neuen<br />

HD Traffic-Geräte mit ein.


Vor Einführung <strong>der</strong> „bahnbrechenden,<br />

patentierten Technologie“ (O-Ton Tom-<br />

Tom) galt es freilich eine ganze Reihe<br />

von Problemen zu lösen. Die Sorgen<br />

rechtlicher Bedenkenträger ließen sich<br />

dabei noch relativ einfach zerstreuen –<br />

auch wenn sich die juristische Prüfung<br />

insgesamt als ziemlich langwierig erweist,<br />

weil sie für jeden zusätzlichen<br />

Markt einzeln durchgeführt werden<br />

muss. Zumindest in den Nie<strong>der</strong>landen,<br />

in Großbritannien <strong>und</strong> in Deutschland<br />

verstößt die Nutzung <strong>der</strong> Handydaten<br />

aber dank Anonymisierung offenbar<br />

nicht gegen geltende Datenschutzbestimmungen.<br />

Weit schwieriger war indes eine an<strong>der</strong>e<br />

Nuss zu knacken: Denn einerseits versprechen<br />

H<strong>und</strong>erte von Vodafone-K<strong>und</strong>en,<br />

die sich mit Tempo 200 o<strong>der</strong> mehr<br />

von A nach B bewegen, nicht unbedingt<br />

freie Autofahrt für freie Bürger: Schließlich<br />

verlaufen Straße <strong>und</strong> Schiene mitunter<br />

ganz nah nebeneinan<strong>der</strong>. Und<br />

an<strong>der</strong>erseits ist keineswegs je<strong>der</strong> Ort<br />

ein Stau, an dem ein Handy-Schwarm<br />

bewegungslos verharrt – auch dann<br />

nicht, wenn die Positionsdaten dieses<br />

Ortes nahezu identisch sind mit denen<br />

einer Autobahn, wie etwa das Beispiel<br />

<strong>der</strong> Münchner Allianz-Arena eindrucksvoll<br />

veranschaulicht. «<br />

Im Seitenspiegel<br />

Nach Hause,<br />

Robby!<br />

Der Stau an sich, soviel ist klar, ist Menschenwerk.<br />

Wäre es nicht am besten,<br />

das Übel an <strong>der</strong> Wurzel zu packen?<br />

Dass viele Autoschlangen überhaupt<br />

erst entstehen, weil vorn einer bremst<br />

<strong>und</strong> sein Hintermann eine Gedenksek<strong>und</strong>e<br />

braucht, wissen Verkehrspsychologen<br />

längst. Sie nennen es Ziehharmonika-Effekt<br />

<strong>und</strong> geben dem Menschen<br />

die Schuld.<br />

Dave Strayer setzt noch einen drauf.<br />

Der Psychologie-Professor aus Utah ist<br />

sicher, dass Telefonieren während <strong>der</strong><br />

Fahrt zur Entstehung von Staus beiträgt.<br />

Denn: In seinem Fahrsimulator waren<br />

telefonierende Probanden so vom Verkehrsgeschehen<br />

abgelenkt, dass sie für<br />

15 Kilometer Highway-Simulation bis<br />

zu 20 Sek<strong>und</strong>en länger brauchten als<br />

Nichttelefonierer.<br />

Wie bitte, schlappe 20 Sek<strong>und</strong>en? Aber<br />

<strong>der</strong> US-Forscher denkt weiter: Telefonieren<br />

h<strong>und</strong>erte Autofahrer gleichzeitig,<br />

kann sich das leicht zur staubildenden<br />

Maßnahme auswachsen.<br />

Das alarmiert denn doch irgendwie.<br />

Schon vergangenes Jahr zählten Verkehrsforscher<br />

r<strong>und</strong> 160.000 Autobahn-<br />

staus, Stauexperte Michael Schreckenberg<br />

rechnete sogar exakt aus, dass je<strong>der</strong><br />

Deutsche 58 St<strong>und</strong>en pro Jahr im Stau<br />

verbringt, das wären dann satte 4,64<br />

Milliarden St<strong>und</strong>en für alle. An<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />

Die Deutschen verplempern<br />

jährlich 529.680 Mannjahre im Stand.<br />

Und <strong>der</strong> Mensch selber ist das Problem?<br />

Dann heißt die Lösung „Auto 2.0“: Intelligente<br />

Roboter-Autos halten emotionslos<br />

Abstand, reagieren blitzschnell, finden den<br />

besten Weg. Schon wühlen sich fahrerlose<br />

Robo-Cars durch die Wüste Nevadas o<strong>der</strong>,<br />

wie bei <strong>der</strong> Darpa Urban Challenge 2007,<br />

durch den Stadtverkehr. Fast alle Hersteller<br />

knobeln an passenden Assistenzsystemen.<br />

General-Motors-Chef Rick Wagoner lehnte<br />

sich jüngst sogar ziemlich weit aus<br />

dem Fenster: Schon in zehn Jahren könnte<br />

es Autos geben, bei denen <strong>der</strong> Mensch<br />

am Steuer überflüssig ist. Klasse Idee<br />

eigentlich: Wir lümmeln beim Telefonieren<br />

in <strong>der</strong> Chill-out-Lounge herum <strong>und</strong><br />

schicken Robby allein ins Verkehrschaos.<br />

Hoffentlich zeigt er keinem den Vogel. «<br />

1/2008 its magazine 25


Profil<br />

„Phänomenal<br />

intermodal“<br />

Interview ■ Uwe Strubbe, <strong>Siemens</strong>-Gesamtprojektleiter <strong>und</strong><br />

designierter Geschäftsführer <strong>der</strong> Verkehrsinformationsagentur<br />

Bayern (VIB), über einen neuen Meilenstein auf<br />

dem Weg in die telematische Zukunft <strong>der</strong> Mobilität.<br />

Herr Strubbe, im Windschatten <strong>der</strong> Fußball-WM<br />

war eigentlich 2006 das Jahr<br />

<strong>der</strong> großen deutschen Premieren in<br />

Sachen Verkehrstelematik. Die VIB geht<br />

im April 2008 ans Netz – ist sie also um<br />

zwei Jahre besser als beispielsweise <strong>der</strong><br />

„Ruhrpilot“?<br />

Sagen wir einmal so: Natürlich sind die<br />

<strong>Siemens</strong>-Erfahrungen aus früher gestarteten<br />

Projekten wie dem „Ruhrpilot“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

VMZ Berlin in die Konzeption <strong>der</strong> Verkehrsinformationsagentur<br />

Bayern eingeflossen.<br />

Aber ich möchte hier wirklich keinen Qualitätsvergleich<br />

anstellen, schon allein deshalb<br />

nicht, weil dazu die jeweiligen Aufgabenstellungen<br />

zu unterschiedlich sind.<br />

Unser Ziel war <strong>und</strong> ist es, mit <strong>der</strong> VIB das<br />

erste vollständig integrierte Verkehrsinformationssystem<br />

für ein Flächen-B<strong>und</strong>esland<br />

zu errichten. Das sollte eigentlich<br />

Superlativ genug sein.<br />

Zumindest von einem weiteren ist in<br />

manchen Veröffentlichungen aber noch<br />

die Rede: Setzt die VIB nicht auch neue<br />

Maßstäbe in Sachen Intermodalität?<br />

Stimmt: Unser System ist in <strong>der</strong> Tat phänomenal<br />

intermodal. Und dabei vor allem<br />

auch höchst komfortabel – ganz einfach,<br />

weil wir <strong>der</strong> Meinung sind, dass Intermodalität<br />

nur dann eine echte Chance hat, wenn<br />

sich <strong>der</strong> Nutzer nicht anstrengen muss. Deshalb<br />

servieren wir ihm bei <strong>der</strong> Reiseaus-<br />

26 its magazine 1/2008<br />

kunft im Internet unter ww.bayerninfo.de<br />

gewissermaßen alles m<strong>und</strong>gerecht auf<br />

einem Tablett: Er bekommt für jede Strecke<br />

die günstigsten Verbindungen mit sämtlichen<br />

Von-Tür-zu-Tür-Reisezeiten aufgelistet.<br />

Zum einen für alle individuell ausgewählten<br />

Verkehrsmittel: also privat o<strong>der</strong><br />

öffentlich, über Straßen o<strong>der</strong> Schienen,<br />

auf zwei o<strong>der</strong> vier Rä<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> zu Fuß –<br />

zum an<strong>der</strong>en auch für alle sinnvollen<br />

Kombinationen <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Fortbewegungsarten.<br />

Das heißt: Es werden sogar die Zeiten<br />

für eventuell notwendige Fußmärsche<br />

beim Umsteigen mit berücksichtigt?<br />

So ist es. Genauso wie alle an<strong>der</strong>en Wege,<br />

die für den motorisierten Verkehr nicht<br />

zugelassen sind – bis hin zu Strecken<br />

innerhalb von Gebäuden. Bei den Fahrradwegen<br />

im ebenfalls integrierten „Bayernnetz<br />

für Radler“ beispielsweise fließen sogar<br />

die Höhenprofile in die Berechnung<br />

<strong>der</strong> Zeiten mit ein.<br />

Gab es für all das denn bereits eine<br />

fix <strong>und</strong> fertige Kartensoftware von<br />

<strong>der</strong> Stange?<br />

Nein, natürlich nicht. Deshalb wurde mit<br />

enormem Aufwand ein völlig neues intermodales<br />

Georeferenzierungssystem geschaffen,<br />

das eine weitaus genauere<br />

Ortsbestimmung erlaubt als die bisher<br />

üblichen TMC Location-Codes o<strong>der</strong> die<br />

Kartengr<strong>und</strong>lagen aus den bekannten<br />

Navigationssystemen. INTREST führt die<br />

dezentralen Bestände aller verkehrlich<br />

relevanten Daten zusammen <strong>und</strong> stellt sie<br />

auf einem zentralen Server zur Verfügung.<br />

Neben Präzision kommt es in <strong>der</strong><br />

Verkehrstelematik aber natürlich vor<br />

allem auf die Qualität <strong>und</strong> Aktualität<br />

<strong>der</strong> dynamischen Informationen an …<br />

Richtig. Auch hier ist uns das Beste gerade<br />

gut genug. An unserem zentralen <strong>Siemens</strong><br />

Concert-System sind zahlreiche Subsysteme<br />

angeschlossen, die permanent zeitnahe<br />

Informationen generieren – vom<br />

aktuellen <strong>und</strong> prognostizierten Verkehrsgeschehen<br />

über Meldungen zu Baustellen<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Störungen bis zu streckenbezogenen<br />

Wetterdaten <strong>und</strong> Infos zur Parkraumsituation<br />

am Zielort. Umfang <strong>und</strong><br />

Qualität dieser Infos werden übrigens in<br />

mehreren Releasestufen erweitert <strong>und</strong><br />

verbessert.<br />

Diese Basisdienste sind für den Nutzer<br />

zunächst gratis. Aber irgendwie <strong>und</strong><br />

irgendwann müssen die privaten Partner<br />

des PPP-Modells doch auf ihre<br />

Kosten kommen?<br />

Ich gehe davon aus, dass die Basisdienste<br />

kostenlos bleiben – auch nach <strong>der</strong> ersten<br />

Errichtungs- <strong>und</strong> Betriebsphase, die laut


Uwe Strubbe, <strong>Siemens</strong>-Gesamtprojektleiter <strong>der</strong> VIB: „Intermodalität hat nur dann eine echte Chance, wenn sich <strong>der</strong> Nutzer nicht anstrengen muss“<br />

PPP-Vertrag mit dem Freistaat Bayern 2015<br />

endet. Zur Refinanzierung <strong>der</strong> privaten<br />

Investitionen wurde <strong>der</strong> Betreibergesellschaft<br />

das Recht eingeräumt, alle über<br />

die VIB generierten Daten für Mehrwertdienste<br />

zu nutzen. Das größte Potenzial<br />

dafür bieten meines Erachtens eindeutig<br />

Dienste für an<strong>der</strong>e Unternehmen (B2B)<br />

<strong>und</strong> für die öffentliche Verwaltung (B2A).<br />

Das direkte Geschäft mit Verbrauchern<br />

(B2C) schätze ich dagegen zumindest auf<br />

kürzere Sicht als sehr schwierig ein – die<br />

Bereitschaft von Otto-Normalverkehrsteilnehmer,<br />

für einen Premiumservice<br />

zu bezahlen, ist <strong>der</strong>zeit noch nicht sehr<br />

ausgeprägt.<br />

Welche Mehrwertdienste haben Sie<br />

dabei konkret im Auge?<br />

Wo soll ich anfangen – wo soll ich aufhören?<br />

Wir sind unter an<strong>der</strong>em im Gespräch<br />

mit diversen Wintersportorten,<br />

die ihren Gästen aktuelle Informationen<br />

für die Anreise <strong>und</strong> über die Situation<br />

an den Liften anbieten möchten. O<strong>der</strong><br />

denken Sie an Speditionen, die ihre<br />

Fahrer wissen lassen wollen, an welchen<br />

Autohöfen <strong>und</strong> Raststätten es noch freie<br />

Parkplätze gibt. Für den Freistaat Bayern<br />

erbringen wir von Anfang an eine ganze<br />

Reihe von Dienstleistungen – von <strong>der</strong><br />

Erstellung von Verkehrsstatistiken über<br />

die Pflege <strong>der</strong> Ganglinien <strong>der</strong> Verkehrs-<br />

belastung bis zur Auswertung von Wetterdaten<br />

<strong>und</strong> ihren verkehrlichen Auswirkungen.<br />

Auch im Bereich Umweltmanagement<br />

können wir die verantwortlichen<br />

Behörden unterstützen – zum Beispiel,<br />

indem wir die aktuelle Wettersituation<br />

erfassen <strong>und</strong> mit unseren Verkehrsdaten<br />

korrelieren. Hierdurch bieten wir eine<br />

optimale Gr<strong>und</strong>lage für die Entscheidung,<br />

wann <strong>und</strong> wo temporäre Fahrverbote<br />

erlassen werden sollten.<br />

Schon beim Start im April 2008 wird die<br />

VIB in punkto Flächenabdeckung alle<br />

vergleichbaren Systeme übertreffen.<br />

Dennoch gibt es schon Pläne für eine<br />

noch größere Ausdehnung?<br />

Ja, auf mittlere Sicht wollen wir schrittweise<br />

immer mehr Kommunen auch in benachbarten<br />

Regionen in die VIB einbinden.<br />

Und den Dialog mit potenziellen ausländischen<br />

Partnern haben wir ebenfalls längst<br />

eröffnet. Die Überlegungen dahinter sind<br />

so pragmatisch wie eigentlich alles bei <strong>der</strong><br />

VIB: Der Verkehrsteilnehmer interessiert<br />

sich schließlich nicht für administrative<br />

Grenzen. Der will einfach nur möglichst<br />

effizient von A nach B kommen – ganz egal,<br />

ob am Zielort Bayerisch o<strong>der</strong> Tschechisch<br />

gesprochen wird.<br />

Herr Strubbe, wir danken Ihnen für das<br />

Gespräch. «<br />

Uwe Strubbe:<br />

Die wichtigsten Stationen<br />

auf einen Blick<br />

• Geboren 1971 in Osnabrück<br />

• 1989 – 1993 Studium <strong>der</strong> Mathematik<br />

in Berlin<br />

• 1993 – 2003 Zunächst Projektmitarbeiter,<br />

dann Bereichsleiter im Geschäftsfeld<br />

Public Transport <strong>und</strong> zuletzt<br />

Mitglied <strong>der</strong> Geschäftsleitung<br />

bei <strong>der</strong> IVU Traffic Technologies AG<br />

• 2003 – 2004 Vertriebsleiter für die<br />

Branchen Verkehr, Logistik <strong>und</strong><br />

eGovernment <strong>der</strong> VIOM GmbH<br />

• 2005 Key Account Manager <strong>und</strong> verantwortlich<br />

für die Geschäftsentwicklung<br />

eGovernment bei <strong>der</strong> ]init[ AG<br />

• Seit 2005 Gesamtprojektleiter für<br />

die Errichtung <strong>und</strong> den Betrieb <strong>der</strong><br />

VIB sowie designierter Geschäftsführer<br />

<strong>der</strong> Betreibergesellschaft;<br />

seit 2007 zusätzlich Vertriebsabteilungsleiter<br />

<strong>der</strong> <strong>Siemens</strong> AG<br />

1/2008 its magazine 27


www.siemens.de/traffic<br />

IMPRESSUM<br />

ITS magazine · Fachmagazin <strong>der</strong> <strong>Siemens</strong><br />

Straßenverkehrstechnik/ITS<br />

Herausgeber: <strong>Siemens</strong> AG · Industry Sector ·<br />

<strong>Mobility</strong> Division · Traffic Solutions ·<br />

Hofmannstraße 51 · D-81359 München<br />

Redaktionsleitung: Dr. Michael Ostertag<br />

(verantwortlich), Karin Kaindl: <strong>Siemens</strong> I&S ITS<br />

Koordination:<br />

Roland Michali: <strong>Siemens</strong> I&S GC Erlangen<br />

Textredaktion: Peter Rosenberger, Philip Wessa ·<br />

www.bfw-tailormade.de · Eberhard Buhl („Verkehrstechnik<br />

– just in time“, „Im Seitenspiegel“)<br />

Fotos: Getty Images S. 1 · Panthermedia S. 1 ·<br />

Corbis S. 4, 6, 8, 9, 10, 15, 24 · BMW Group S. 5 ·<br />

dpa picture-allicance S. 11, 21 · Siegmar Münk –<br />

Die Illustratoren corinna hein S. 12 · Fotolia S. 18 ·<br />

Photocase.com S. 25<br />

Konzeption & Gestaltung: Agentur Feedback,<br />

München · www.agentur-feedback.de<br />

Druck: Aumüller Druck, Regensburg<br />

Copyright: © <strong>Siemens</strong> AG 2008<br />

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung dieser<br />

Unterlage sowie Verwertung ihres Inhalts unzulässig,<br />

soweit nicht ausdrücklich zugestanden!<br />

Technische Än<strong>der</strong>ungen vorbehalten.<br />

Printed in Germany.<br />

Das nächste ITS magazine erscheint<br />

am 15. Mai 2008.<br />

www.siemens.de/traffic<br />

Bestell-Nr. E10003-A810-F33-V1<br />

Dispo-Nr. 22300 · K-Nr. 41900<br />

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