Netzwerk Südbaden - MAI 2015
Ausgabe Mai 2015
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Blickpunkt Mittelstand<br />
M<br />
it dem neuen Jahr kam der Mindestlohn. Seit dem<br />
01.01.<strong>2015</strong> sind deutschlandweit und branchenunabhängig<br />
grundsätzlich 8,50 € pro Stunde Arbeitszeit zu<br />
bezahlen. Wer als Unternehmer den Mindestlohn nicht bezahlt,<br />
muss nicht nur den einbehaltenen Lohn nachzahlen, sondern<br />
ihm drohen zusätzlich Bußgelder, die bis zu 500.000 € betragen<br />
können. Wer solche schwarzen Schafe mit Arbeiten beauftragt,<br />
profitiert unter Umständen durch die niedrigeren Personalkosten<br />
indirekt von einem Gesetzesverstoß des Auftragnehmers. Der<br />
Auftraggeber hat den Verstoß nicht selbst begangen. Kann er sich<br />
daher nicht einfach über das günstige Angebot freuen, ohne dieses<br />
weiter zu hinterfragen?<br />
Ganz im Gegenteil! Der Gesetzgeber nimmt auch den Auftraggeber<br />
in die Pflicht: Wer als Generalunternehmer Werk- oder<br />
Dienstleistungen bei einem anderen Unternehmer in Auftrag<br />
gibt, haftet dafür, dass dessen Arbeitnehmer zumindest den Mindestlohn<br />
erhalten. Der Auftraggeber haftet selbst dann, wenn<br />
er nicht wusste und auch nicht erkennen konnte, dass sein Geschäftspartner<br />
den Mindestlohn nicht bezahlt. War dies dem<br />
Auftraggeber dagegen bekannt oder für ihn erkennbar, droht<br />
ihm wie dem Geschäftspartner, der den Mindestlohn nicht zahlt,<br />
beim Bezug erheblicher Leistungen zusätzlich ebenfalls ein Bußgeld<br />
von bis zu 500.000 €.<br />
Jedenfalls gilt: Selbst wer unverschuldet an ein schwarzes Schaf<br />
gerät, muss dessen Arbeitnehmern den Lohn bis zur Mindesthöhe<br />
nachzahlen. Und auch der Auftraggeber, der einen ehrlichen<br />
Geschäftspartner gefunden hat, haftet, wenn sich ir-gendwo in<br />
der Leistungskette ein Unterbeauftragter als schwarzes Schaf entpuppt.<br />
Diese Haftung gilt nicht für Privatpersonen. Und auch Unternehmer<br />
haften nur, wenn sie als Generalunternehmer Werk- oder<br />
Dienstleistungen in Auftrag geben. Als Generalunternehmer tritt<br />
ein Auftraggeber auf, wenn er diese Leistungen an seine eigenen<br />
Kunden weitergibt. Werk- oder Dienstleistungen erkennt man<br />
daran, dass sie im Wesentlichen in menschlicher Arbeit bestehen.<br />
Typisches Beispiel, bei dem die beschriebene Haftung eintreten<br />
könnte, ist der Bauunternehmer (Auftraggeber), der Maler-, Installations-<br />
oder sonstige Teilarbeiten für den Bauherrn (Kunden)<br />
bei anderen Unternehmen in Auftrag gibt. Wer dagegen<br />
Büromöbel kauft oder die eigenen Geschäftsräume reinigen lässt,<br />
ist nicht betroffen.<br />
Wie kann sich ein Generalunternehmer schützen, der Werkoder<br />
Dienstleistungen für seinen Kunden ausführen lässt?<br />
Er wird sich nach Möglichkeit bei dem von ihm beauftragten<br />
Unternehmer absichern, indem er mit diesem Zusatzvereinbarungen<br />
zu bestehenden Werk- und Dienstverträgen abschließt.<br />
Neue Verträge sollten die entsprechenden Klauseln von vornherein<br />
enthalten.<br />
Kern solcher Klauseln ist in der Regel eine sogenannte Freistellung:<br />
Der beauftragte Unternehmer verpflichtet sich, den Auftraggeber<br />
von dessen Haftung gegenüber solchen Arbeitnehmern<br />
des Auftragnehmers freizustellen, die Ansprüche gegen den Auftraggeber<br />
geltend machen, weil sie von ihrem Arbeitgeber weniger<br />
als den Mindestlohn erhalten haben. Kann oder will der<br />
beauftragte Unternehmer allerdings im Haftungsfall nicht bezahlen,<br />
dann muss der Auftraggeber dennoch die Lohnrückstände<br />
– jedenfalls zunächst einmal – selbst an die Arbeitnehmer des<br />
Auftragnehmers zahlen.<br />
Dieses Risiko sollen weitere Klauseln zumindest reduzieren: Der<br />
beauftragte Unternehmer kann sich bereit erklären, dem Auftraggeber<br />
die Zahlung des Mindestlohns regelmäßig nachzuweisen.<br />
Er kann für den Haftungsfall einer pauschalen Vertragsstrafe<br />
zustimmen und dem Auftraggeber ein außerordentliches Kündigungsrecht<br />
einräumen.<br />
Diese Folgen einschließlich der Freistellung lassen sich zudem<br />
auch für den Fall vereinbaren, dass nicht der beauftragte Unternehmer,<br />
sondern ein Unterbeauftragter in der weiteren Leistungskette<br />
seine Mitarbeiter unter Mindestlohn vergütet.<br />
Viele Auftraggeber gehen diesen Weg bereits und fordern entsprechende<br />
Regelungen. Dies stellt die beauftragten Unternehmer<br />
vor die Frage, welche dieser Klauseln zur Mindestlohnhaftung<br />
sie als angemessen oder zumindest noch tragbar akzeptieren<br />
wollen.<br />
Mindestlohn – Schutz vor schwarzen Schafen<br />
Manche der von den Auftraggebern geforderten Zusatzvereinbarungen<br />
schießen über ihr eigentliches Ziel hinaus und bürden<br />
dem beauftragten Unternehmer erhebliche Risiken zusätzlich zu<br />
der beschriebenen Haftung des Auftraggebers auf. Wenn der beauftragte<br />
Unternehmer dies erkennt, hat er gute Argumente, die<br />
Zusatzvereinbarung abzulehnen.<br />
Besonders sensibel für den beauftragten Unternehmer ist die –<br />
aus Sicht des Auftraggebers durchaus verständliche – Einbeziehung<br />
der Unterbeauftragten. Schließlich kann der beauftragte<br />
Unternehmer nur bei seinen eigenen Mitarbeitern sicher sein,<br />
dass diese angemessen bezahlt werden. Der beauftragte Unternehmer<br />
sollte daher versuchen, gegenüber seinen Unterbeauftragten<br />
dieselben Regelungen durchsetzen, die er gegenüber<br />
seinem Auftraggeber akzeptiert. Dadurch erhalten die Arbeitnehmer<br />
ihren Mindestlohn letztlich doch von dem schwarzen Schaf,<br />
das ihnen als Arbeitgeber den Mindestlohn von vornherein hätte<br />
zahlen müssen.<br />
Dr. Lorenz Aldinger<br />
Rechtsanwalt<br />
Manager bei PwC Legal<br />
Karlsruhe/Freiburg<br />
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