Quantenmechanik I - KOMET 337
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<strong>Quantenmechanik</strong> I<br />
Skript zur Vorlesung von Prof. Dr. Petervan Dongen<br />
WS 2005/06<br />
Institut für Physik<br />
Staudingerweg 7, 55099 Mainz<br />
Copyright c○2002 Peter van Dongen, Mainz, Germany<br />
letzte Aktualisierung: 16. März 2006
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort 1<br />
1 Einführung 2<br />
1.1 Die klassische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
1.2 Experimente an quantenmechanischen Systemen . . . . . . . 5<br />
1.2.1 Hohlraumstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
1.2.2 Photoelektrischer Effekt . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
1.2.3 Compton-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
1.3 Die Dualität der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
1.4 Bedingungen an eine nicht-relativistische Quantentheorie . . . 10<br />
2 Die Wellengleichung 12<br />
2.1 Konstruktion einer Wellengleichung . . . . . . . . . . . . 12<br />
2.2 Ein einfaches Beispiel: freies Teilchen in einer Dimension (d = 1) 15<br />
2.2.1 Gauß’sche Wellenpakete . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
2.2.2 Lösung für eine allgemeine Anfangsbedingung . . . . . 18<br />
2.3 Wahrscheinlichkeitserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
2.4 Vertauschungsrelationen und Kommutatoren . . . . . . . . . 22<br />
2.5 Das Ehrenfest’sche Theorem . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
2.6 Der klassische Limes („ → 0“) . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
2.7 Nichtrelativistische Quantensysteme mehrerer Teilchen . . . . 34<br />
3 Formale Struktur der <strong>Quantenmechanik</strong> 36<br />
3.1 Der quantenmechanische Funktionenraum . . . . . . . . . . 36<br />
3.2 Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
3.3 Die Heisenberg’schen Unschärferelationen . . . . . . . . . . 39<br />
3.4 Die Unschärferelation ∆E∆t ≥ 1 2 . . . . . . . . . . . . 42<br />
3.5 Operatoren im Hilbertraum: Ein konkretes Beispiel . . . . . . 43<br />
3.5.1 Entwicklung nach Basisfunktionen . . . . . . . . . 45<br />
3.5.2 Operatoren im Hilbert-Raum . . . . . . . . . . . . 47<br />
3.6 Operatoren im Hilbert-Raum: Das allgemeine Schema . . . . 51<br />
3.7 Vollständige Sätze von kommutierenden Operatoren . . . . . 59<br />
3.8 Darstellungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />
3.9 Bilder der <strong>Quantenmechanik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />
3.9.1 Das Schrödinger-Bild . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />
3.9.2 Das Heisenberg-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />
3.9.3 Das Wechselwirkungsbild . . . . . . . . . . . . . 66
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ INHALTSVERZEICHNIS ii<br />
3.9.4 Explizite Form des Zeitentwicklungsoperators . . . . . 67<br />
3.10 Der abstrakte Vektorraum . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />
4 Der harmonische Oszillator 73<br />
4.1 Der d-dimensionale harmonische Oszillator . . . . . . . . . 74<br />
4.2 Algebraische Lösungsmethode für den harmonischen Oszillator 78<br />
4.3 Die Vollständigkeit der Eigenfunktionen . . . . . . . . . . . 81<br />
4.4 Der Zeitentwicklungsoperator . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
5 Eindimensionale Systeme 85<br />
5.1 Die Eigenwertgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
5.1.1 Asymptotisches Verhalten von φ(x) für |x| → ∞ . . . 87<br />
5.1.2 Singularitäten in χ(x) nahe x s . . . . . . . . . . . . 89<br />
5.2 Einige relevante Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
5.3 Einfluss eines Störpotentials . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
5.4 Das Deltapotential im Kasten . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
5.5 Oszillationen zwischen fast-entarteten Zuständen . . . . . . . 94<br />
6 Das Zentralpotential 97<br />
6.1 Formale Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
6.2 Die Drehgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />
6.3 Drehungen in der <strong>Quantenmechanik</strong> . . . . . . . . . . . . 101<br />
6.4 Das Eigenwertproblem für ˆL 2 und ˆL 3 . . . . . . . . . . . . 104<br />
6.5 Eigenwertgleichung für den radialen Anteil R νl (r) . . . . . . 108<br />
6.6 Das Wasserstoffproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />
7 Der Spin 114<br />
7.1 Das Wasserstoffatom im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . 114<br />
7.2 Eine Matrixdarstellung für Ŝ . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />
7.2.1 Der gyromagnetische Faktor g=2 . . . . . . . . . . 120<br />
7.3 Transformationsverhalten von Spinoren unter Drehungen . . . 122<br />
8 Störungstheorie 125<br />
8.1 Grundlagen der Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . 125<br />
8.2 Rayleigh-Schrödinger-Störungstheorie (nicht entartet) . . . . . 127<br />
8.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />
8.4 Störungstheorie für entartete Zustände . . . . . . . . . . . 140<br />
8.5 Beispiel: Der Stark-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />
8.6 Zeitabhängige Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />
Literaturverzeichnis 151<br />
Index 152
Vorwort<br />
Dieses Skript ist die aktualisierte L A TEX-Version der Notizen, die ich im Laufe<br />
des WS 2001/2002 zur Vorbereitung einer Kursvorlesung <strong>Quantenmechanik</strong> I<br />
vor Mainzer Studierenden geschrieben habe. Für die Fertigstellung des „Compuskripts“<br />
möchte ich mich ganz herzlich bei meinen zwei Stützen, Elvira Helf<br />
und Florian Jung, bedanken. Frau Helf hat sich um den Text gekümmert, Herr<br />
Jung um die Formeln, die Grafiken und das Layout. Die Verantwortung für den<br />
Inhalt liegt natürlich bei mir. Sollte der Leserin oder dem Leser eine Unstimmigkeit<br />
auffallen, bitte ich um eine Mitteilung (peter.vandongen@uni-mainz.de).<br />
Die elektronische Version dieses Skripts findet man auf der Homepage meiner<br />
Gruppe (http://komet<strong>337</strong>.physik.uni-mainz.de/Group/).<br />
Der Inhalt der Vorlesung entspricht dem Mainzer Theoriekanon und somit<br />
– vermutlich – dem Kanon fast jeder einführenden Vorlesung über Quantentheorie<br />
auf der Welt: Nach einer kurzen Einführung und Motivation wird der<br />
Formalismus der <strong>Quantenmechanik</strong> aufgebaut, der anhand einfacher Beispiele<br />
erläutert und dann am harmonischen Oszillator, an eindimensionalen Systemen<br />
und an Zentralpotentialen erprobt wird. Im Rahmen der Diskussion zentralsymmetrischer<br />
Probleme werden die Drehgruppe, der Elektronenspin und die<br />
Pauli-Gleichung behandelt. Eine Darstellung störungstheoretischer Methoden,<br />
einschließlich der Herleitung von Fermis „goldener Regel“, schließt den Stoff ab.<br />
Wenn der Inhalt schon weitestgehend durch offensichtliche Prioritäten und<br />
den knappen Zeitrahmen festgelegt ist, kann man zumindest eigene Akzente<br />
setzen: Die allgemeine Struktur eines Problems (oder einer Klasse von Problemen)<br />
war mir wichtiger als die Details einer speziellen Lösung. Wichtiger als die<br />
unerläßliche (und oft elegante) Mathematik war mir die zugrundeliegende Physik.<br />
Wenn nur möglich habe ich Zusammenhänge und mögliche Anwendungen<br />
hervorgehoben.<br />
Ich hoffe, dass dieses Skript sich zumindest für Mainzer Studierende als nützlich<br />
erweist, und wünsche ihnen viel Erfolg und auch Spaß bei der Erforschung<br />
der Quantenwelt.<br />
Mainz, im November 2005<br />
P.G.J. van Dongen
Kapitel1<br />
Einführung<br />
Die <strong>Quantenmechanik</strong> ist die Theorie des Kleinen; die Theorie der Atome, der<br />
Elektronen, der Nukleonen, der Photonen und Phononen. Darüber hinaus ist<br />
die <strong>Quantenmechanik</strong> manchmal auch die Theorie des Großen, wenn mikroskopische<br />
Freiheitsgrade sich kollektiv verhalten und ein „makroskopisches Quantenphänomen“<br />
bilden: Man denke an Supraleitung und Suprafluidität oder an<br />
den gebrochenzahligen Quanten-Hall-Effekt. Auch bei diesen makroskopischen<br />
Phänomenen ist es jedoch unbedingt erforderlich, die Physik auf atomarer Skala<br />
zu verstehen. Hierbei kann man „atomare Skala“ in erster Näherung so übersetzen,<br />
dass die klassische Physik ihre Gültigkeit verliert und die <strong>Quantenmechanik</strong><br />
unerlässlich wird, wenn die typische Wirkung eines Problems, also das Produkt<br />
der typischen Längenskala mit dem typischen Impuls, nicht mehr viel größer als<br />
das Planck’sche Wirkungsquantum ist. Häufig ist diese Faustregel zu schwach:<br />
Elektronen in Metallen, relativistische Elektronen in einem „weißen Zwerg“ oder<br />
generell relativistische Elementarteilchen in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld<br />
können nicht klassisch behandelt werden.<br />
Die <strong>Quantenmechanik</strong> liefert keineswegs nur eine quantitativ bessere Beschreibung<br />
von Phänomenen auf atomarer Skala, sie ändert auch unsere Konzepte<br />
der mikroskopischen Welt. Sie beschreibt Teilchen, und die Beschreibung<br />
zeigt, dass die Teilchen zugleich auch als Wellen zu interpretieren sind. Sie beschreibt<br />
elektromagnetische Wellen, und zeigt dabei, dass die Wellen aus einzelnen<br />
Photonen aufgebaut sind, die z. T. auch Teilchencharakter besitzen. Die<br />
<strong>Quantenmechanik</strong> verkörpert daher die Teilchen-Welle-Dualität der mikroskopischen<br />
Natur, die von der klassischen Mechanik oder auch von der klassischen<br />
Theorie des Elektromagnetismus, der Maxwell-Theorie, nicht beschrieben werden<br />
kann.<br />
Um die Gegenüberstellung von klassischer Physik einerseits und Quantenphysik<br />
andererseits deutlicher zu machen, diskutieren wir zuerst die Struktur der<br />
klassischen Theorie und dann einige Phänomene aus dem Bereich der Quantentheorie,<br />
die mit klassischen Interpretationen unverträglich sind.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 3<br />
1.1 Die klassische Theorie<br />
◮ Teilchen: Die klassische Beschreibung der Teilchen erfolgt mit Hilfe der<br />
Mechanik. Die Lagrange-Formulierung der theoretischen Mechanik basiert auf<br />
der Lagrange-Funktion, also z. B.<br />
L(x,ẋ; t) = T(ẋ) − V (x,ẋ; t) ,<br />
die eine Funktion der Koordinaten x, der Geschwindigkeiten ẋ und eventuell<br />
der Zeit t ist. Die kinetische Energie ist üblicherweise quadratisch in den Geschwindigkeiten,<br />
also T(ẋ) = 1 2 mẋ2 , falls m die Masse des Teilchens darstellt.<br />
Seine Dynamik wird durch die Lagrange-Gleichungen beschrieben:<br />
d ∂L<br />
dt ∂ẋ − ∂L<br />
∂x = 0 ,<br />
für eine quadratische kinetische Energie also<br />
mẍ = − ∂V<br />
∂x + d ∂V<br />
dt ∂ẋ<br />
.<br />
Die klassische Dynamik eines Teilchens ist daher rein deterministisch: Gibt man<br />
die Koordinaten und Geschwindigkeiten x(t 0 ) und ẋ(t 0 ) zu einer gewissen Zeit<br />
t 0 vor, dann liegt die ganze Zukunft (t > t 0 ) und auch die ganze Vergangenheit<br />
(t < t 0 ) des Teilchens im Detail fest.<br />
Die Hamilton-Formulierung der Theoretischen Mechanik ist für die <strong>Quantenmechanik</strong><br />
mindestens so wichtig wie der Lagrange-Formalismus. Sie basiert<br />
auf der Hamilton-Funktion:<br />
H(x,p; t) = p · ẋ − L(x,ẋ; t) ,<br />
die von den Koordinaten x und den kanonisch konjugierten Impulsen p =<br />
∂L/∂ẋ, sowie eventuell von der Zeit t abhängig ist. Die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen<br />
lauten:<br />
ṗ = − ∂H<br />
∂x<br />
, ẋ = ∂H<br />
∂p . (1.1)<br />
Wir werden im Folgenden sehen, dass die Hamilton-Funktion H und die dyna-<br />
Abbildung 1.1: Teilchencharakter beim Doppelspalt (keine Interferenz)
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 4<br />
mischen Variablen x und p in der <strong>Quantenmechanik</strong> durch Operatoren ersetzt<br />
werden und dass die Bewegungsgleichungen (1.1) nur noch „im Mittel“ gelten.<br />
Als einfaches (jedoch für die <strong>Quantenmechanik</strong> sehr wichtiges) Beispiel einer<br />
Lagrange-Funktion mit explizit zeit- und geschwindigkeitsabhängigem Potential<br />
V (x,ẋ; t) betrachten wir ein Teilchen der Ladung q im elektromagnetischen Feld:<br />
V (x,ẋ; t) = q[Φ(x, t) − ẋ · A(x, t)] .<br />
Der kanonisch konjugierte Impuls ist in diesem Fall durch<br />
p = ∂L = mẋ + qA(x, t)<br />
∂ẋ<br />
gegeben. Da das Vektorpotential nicht eichinvariant ist, gilt das Gleiche i.A. für<br />
den kanonischen Impuls. Der kinetische Impuls π, der durch<br />
p − qA(x, t) = mẋ ≡ π<br />
definiert ist und offensichtlich einer Observablen (Meßgröße) entspricht, ist jedoch<br />
eichinvariant. Die Kombination p − qA(x, t), die die lineare Ankopplung<br />
des kanonischen Impulses an das Vektorpotential beschreibt, ist in allen Bereichen<br />
der Theoretischen Physik sehr wichtig und wird als „minimale Kopplung“<br />
bezeichnet. Die Hamilton-Funktion des geladenen Teilchens folgt als:<br />
H(x,p; t) =<br />
[p − qA(x, t)]2<br />
2m<br />
+ qΦ(x, t) = π2<br />
+ qΦ(x, t) .<br />
2m<br />
Auch die Hamilton-Funktion ist i.A. nicht eichinvariant.<br />
◮ Wellen: Die klassische Beschreibung elektromagnetischer Wellen erfolgt mit<br />
Hilfe der Maxwell-Gleichungen. Außerhalb der Quellen sind die Ladungs- und<br />
Stromdichten Null, so dass<br />
∇ · E = 1 ε 0<br />
ρ = 0<br />
∇ · B = 0<br />
∇ × E + ∂B<br />
∂t = 0<br />
∇ × B − 1 c 2 ∂E<br />
∂t = µ 0j = 0<br />
gilt. Aufgrund dieser Gleichungen erfüllt das elektrische Feld E eine Wellengleichung<br />
1 ∂ 2 E<br />
c 2 ∂t 2 = ∇ × ∂B = −∇ × (∇ × E) = ∆E − ∇ (∇ · E) = ∆E ,<br />
∂t<br />
und analog gilt für das B-Feld bzw. für das Vektorpotential A: 1<br />
∆B = 1 c 2 ∂ 2 B<br />
∂t 2 , ∆A = 1 c 2 ∂ 2 A<br />
∂t 2 .<br />
Jede der Komponenten von E, B und A erfüllt daher eine Gleichung der Struktur<br />
∆u = 1 c 2 ∂ 2 u<br />
∂t 2 ,<br />
1 Außerhalb der Quellen erhält man eine Wellengleichung für A, sowohl in der Lorentz- als<br />
auch in der Coulomb-Eichung. Für das skalare Potential folgt Φ = 0 in der Coulomb- und<br />
□Φ = 0 (also ebenfalls eine Wellengleichung) in der Lorentz-Eichung.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 5<br />
mit u = E i , B i , A i (i = 1, 2, 3). Die Lösung breitet sich daher wellenartig aus.<br />
Die Welle u(x, t) liegt erst bei Vorgabe von u(x, t 0 ) und ∂ t u(x, t 0 ) eindeutig fest<br />
und wird somit – anders als das oben diskutierte Teilchen – durch unendlich<br />
viele Freiheitsgrade charakterisiert. Im Gegensatz zum Teilchen, welches diskrete<br />
Einschläge im Detektor verursacht, ist das Signal der Welle stetig und kann<br />
beliebig stark oder schwach sein. Anders als beim Teilchen gibt es für die Welle<br />
keine scharfen Bahnen und ist die Frage nach der „Herkunft“ des Signals daher<br />
nicht sinnvoll. Insbesondere kann man beim Doppelspaltexperiment nicht sagen,<br />
ob die Welle durch den einen oder den anderen Spalt gegangen ist: Beide Spalte<br />
tragen zum Signal im Detektor bei, d. h. im Gegensatz zum Teilchen ist die im<br />
Detektor registrierte Intensität nicht die Summe der Intensitäten der Signale<br />
der beiden Spalte. Stattdessen misst man im Wesentlichen das Betragsquadrat<br />
der überlagerten Amplituden<br />
Intensität = |u 1 + u 2 | 2 = |u 1 | 2 + |u 2 | 2 + u ∗ 1u 2 + u ∗ 2u 1 .<br />
Die letzten beiden Terme führen zur Interferenz im Beugungsbild, ein Phänomen,<br />
welches bei klassischen Teilchen nicht auftritt.<br />
Im Folgenden wird nun anhand von Experimenten gezeigt, dass sowohl die<br />
klassische Mechanik als auch die klassische Theorie des Elektromagnetismus<br />
im Quantenbereich abgeändert werden müssen und dass in diesem Bereich der<br />
Teilchen- und der Wellencharakter verschmelzen.<br />
1.2 Experimente an quantenmechanischen<br />
Systemen<br />
Wir fassen einige wesentliche Entdeckungen in überwiegend chronologischer Reihenfolge<br />
kurz zusammen.<br />
1.2.1 Hohlraumstrahlung<br />
In einem Hohlraum der Temperatur T ist die Zustandsdichte der Moden des<br />
elektrischen Feldes gegeben durch:<br />
ν(ω) =<br />
ω2<br />
2π 2 c 3 .<br />
Abbildung 1.2: Wellencharakter beim Doppelspalt (Interferenz)
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 6<br />
Temperatur T<br />
Abbildung 1.3: Hohlraumstrahlung<br />
Experimentell findet man nun für die Energiedichte u(ω) pro Volumeneinheit:<br />
Rayleigh-Jeans: u(ω) ∼ 2ν(ω)k B T (ω → 0)<br />
Wien: u(ω) ∼ 2ν(ω)Aωe −gω/T (ω → ∞) .<br />
Hieraus leitete Max Planck 1900 das nach ihm benannte Strahlungsgesetz her:<br />
ω<br />
u(ω) = 2ν(ω)<br />
e ω/kBT − 1<br />
; = 1, 05 · 10 −34 Js . (1.2)<br />
Der Vorfaktor 2 in diesen Ausdrücken rührt von den zwei möglichen Polarisationsrichtungen<br />
her. Abgesehen von diesem Faktor und der Zustandsdichte<br />
pro Volumeneinheit ν(ω) enthält u(ω) nach Planck also auch die Energie eines<br />
Quantums des Strahlungsfelds, ω, und die Besetzungswahrscheinlichkeit einer<br />
Mode mit Frequenz ω, die gleich (e ω/kBT −1) −1 ist. Der letzte Faktor sollte erst<br />
1924 durch die Arbeiten von Bose und Einstein verständlicher werden. Plancks<br />
wesentlicher Beitrag zur <strong>Quantenmechanik</strong> ist wohl die Einführung eines endlichen<br />
Energiequantums des Strahlungsfeldes und einer neuen Naturkonstanten,<br />
die unabhängig vom Material des Hohlraums ist. Plancks Interpretation der<br />
Strahlungsformel in Termen von Oszillatoren in der Wand des Hohlraums wurde<br />
1905 von Einstein korrigiert.<br />
1.2.2 Photoelektrischer Effekt<br />
Der photoelektrische Effekt wurde 1887 von Heinrich Hertz entdeckt. Dieser Effekt<br />
beinhaltet das Emittieren von Elektronen durch eine mit Licht der Frequenz<br />
ω bestrahlte metallischen Anode. Die Experimente können zusammengefasst<br />
werden in der Formel<br />
eV 0 = ω − W = 1 2 mv2 El ,<br />
wobei W die Austrittsarbeit des Metalls und V 0 die Potentialdifferenz zwischen<br />
Kathode und Anode ist, die den Strom der aus der Anode ausgetretenen Elektronen<br />
(mit der kinetischen Energie 1 2 mv2 El<br />
) gerade umkehrt. Aufgrund dieser<br />
Ergebnisse, die in der klassischen Wellentheorie des Elektromagnetismus unverständlich<br />
sind, führte Einstein die Hypothese ein, dass Licht aus Photonen der<br />
Energie ω und des Impulses ω/c besteht.<br />
1.2.3 Compton-Effekt<br />
Dass Photonen real existieren wurde erst 1922 vom amerikanischen Physiker A.<br />
H. Compton gezeigt. Compton fand, dass Röntgen-Strahlen an freien Elektronen
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 7<br />
E<br />
0<br />
E 3<br />
E 2<br />
Grundzustand<br />
E 1<br />
Abbildung 1.4: Darstellung der Energieniveaus<br />
wie Teilchen mit der Energie ω und dem Impuls ω/c gestreut werden, genau<br />
wie Einstein es vorhergesagt hatte.<br />
Aus den relativistischen Gleichungen für Energie- und Impulserhaltung folgt<br />
sofort die Änderung der Wellenlänge des Photons zu:<br />
λ ′ − λ = 4πλ– Compton sin 2 (ϑ/2) , (1.3)<br />
wobei λ– Compton = /mc die nach Compton benannte Wellenlänge ist. Das Experiment<br />
bestätigt diese These und zeigt also, zusammen betrachtet mit dem<br />
Planckschen Strahlungsgesetz und dem photoelektrischen Effekt, dass elektromagnetische<br />
Strahlung (Licht) nicht nur Welleneigenschaften sondern auch Teilchencharakter<br />
und somit eine Dualität besitzt.<br />
1.3 Die Dualität der Materie<br />
Ebenso wie Licht Wellen- und Teilcheneigenschaften aufweist, zeigt auch die<br />
Materie, die klassisch durch individuelle Teilchen mit wohldefinierten Orts- und<br />
Impulskoordinaten beschrieben wird, eine Dualität in dem Sinne, dass massebehaftete<br />
Teilchen im Quantenbereich Welleneigenschaften aufweisen. Dies wurde<br />
zum ersten Mal 1913 klar, als Niels Bohr sein quasiklassisches Atommodell konstruierte.<br />
Das zentrale experimentelle Faktum ist, dass die elektronischen Energieniveaus<br />
diskretisiert sind, im Gegensatz zu den Energieniveaus des klassischen<br />
Analogons, die kontinuierlich verteilt sind. Man denke hierbei z. B. an das Zweikörperproblem,<br />
das quantenmechanisch im Wasserstoffatom und klassisch (näherungsweise)<br />
im Erde-Mond-System realisiert ist. Schematisch sind die möglichen<br />
Energieniveaus wie in Abbildung 2<br />
1.4 darstellbar. Bei Strahlungsübergängen<br />
zwischen zwei Energieniveaus (E n → E m ) tritt ein Photon der Energie<br />
ω nm = E n − E m (1.4)<br />
aus. Aufgrund der experimentell gemessenen Frequenzen ω nm schlug J. J. Balmer<br />
1885 die Formel<br />
ω nm = const. ×1<br />
m 2 − 1 n
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 8<br />
vor. Die Balmer-Formel wurde dann 1913 von N. Bohr aus der Quantisierungsbedingung<br />
Áds p = nh (n = 1, 2, . . .) (1.5)<br />
für die Gesamtwirkung einer Elektronenbahn hergeleitet. 2 Die Zusatzbedingung<br />
(1.5) sollte in Bohrs quasiklassischem Modell die quantenmechanisch relevanten<br />
Elektronenbahnen aus allen nach der Newton’schen Mechanik möglichen Bahnen<br />
auswählen.<br />
Für Kreisbahnen funktioniert Bohrs Argument folgendermaßen: Aus der<br />
Quantisierungsbedingung (1.5) folgt die Beziehung mv n r n = n zwischen der<br />
Geschwindigkeit des Elektrons v n und dem Radius r n der n-ten Bahn (n =<br />
1, 2, . . .). Außerdem halten sich für eine stationäre Bahn die Coulomb- und die<br />
Zentrifugalkraft die Waage:<br />
e 2<br />
4πε 0 r 2 n<br />
Es folgt sofort<br />
v n =<br />
= mv2 n<br />
r n<br />
.<br />
e2<br />
4πε 0 n<br />
; r n = 4πε 0n 2 2<br />
me 2 .<br />
Mit Hilfe der Definition der (dimensionslosen) Feinstrukturkonstanten<br />
α ≡<br />
e2<br />
4πε 0 c<br />
und des Bohr’schen Radius<br />
a B ≡ 4πε 0 2<br />
me 2<br />
vereinfachen sich diese Ausdrücke zu<br />
v n = α n c ; r n = a B n 2 ,<br />
so dass die Bindungsenergien von Elektronen im Wasserstoffatom durch<br />
E n = 1 2 mv2 n −<br />
e2<br />
4πε 0 r n<br />
= − 1 2 mv2 n = − 1 2 α2 mc 2 1 n 2<br />
gegeben sind 3 . Die entsprechenden Frequenzen bei Strahlungsübergängen sind<br />
also<br />
ω nm = E n − E m<br />
<br />
= α2 mc 2<br />
21<br />
m 2 − 1 n 2,<br />
2 Historisch etwas genauer: Bohr hat eine Quantisierungsbedingung verwendet, die zu (1.5)<br />
äquivalent ist; die Form (1.5) stammt von Sommerfeld.<br />
3 Die numerischen Werte der Feinstrukturkonstanten und des Bohr’schen Radius sind<br />
α ≈ 0, 00729735 ≈ 1/137 bzw. a B ≈ 5, 29177 · 10 −11 m. Aus der Formel v n = αc/n folgt<br />
daher, dass sich typische elektronische Geschwindigkeiten (auch im Festkörper) im Prozentbereich<br />
der Lichtgeschwindigkeit bewegen, und aus dem Ausdruck r n = a B n 2 , dass die typische<br />
Ausdehnung einer elektronischen Bahn der typischen Atomgröße entspricht. Der Bohr-Radius<br />
ist mit der Compton-Wellenlänge gemäß λ– Compton = αa B = und dem klassischen Elektronenradius<br />
mittels r e = α 2 a B<br />
mc<br />
verknüpft.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 9<br />
im Einklang mit der Balmer-Formel. Der Grund, weshalb die Bohr’sche Quantisierungsbedingung<br />
(1.5) wesentlich durch die Wellennatur der Elektronen bedingt<br />
ist, sollte allerdings erst 1923 durch die Arbeiten von L. V. de Broglie klar<br />
werden.<br />
Ab 1921 befasste sich L. V. de Broglie mit der dualen Natur des Lichts und<br />
– im Nachhinein würde man sagen: konsequenterweise – auch der Materie. Die<br />
Proportionalität der Vierervektoren<br />
E/c<br />
p=ω/c<br />
k,<br />
die zunächst nur für Licht gilt, wurde von ihm auch für massebehaftete Teilchen<br />
postuliert. Dementsprechend sollte ein Teilchen mit Energie E und Impuls<br />
p (linkes Glied) einer Welle mit Frequenz ω und Wellenvektor k (rechtes Glied)<br />
entsprechen. Dieser revolutionäre Gedanke machte auch Bohrs Quantisierungsbedingung<br />
(1.5) sofort verständlich. Da der Impuls mit der Wellenlänge gemäß<br />
p = k = h/λ zusammenhängt, lautet die Gleichung (1.5) auch<br />
Áds<br />
λ = n<br />
und besagt also lediglich, dass eine stationäre Bahn eine ganzzahlige Anzahl Wellenlängen<br />
enthalten soll. De Broglies Arbeiten wurden 1923/24 in den Comptes<br />
Rendus der französischen Akademie der Wissenschaften publiziert. Der experimentelle<br />
Nachweis elektronischer Interferenzerscheinungen wurde 1927 von C. J.<br />
Davisson und L. H. Germer sowie unabhängig von G. P. Thomson geliefert (nach<br />
Vorläuferarbeiten 1923 von C. J. Davisson und C. H. Kunsman bzw. 1925 von<br />
W. Elsasser).<br />
Im Wesentlichen passiert bei der Elektronen- oder Neutronenbeugung genau<br />
dasselbe wie bei der Lichtstreuung. In einem Doppelspaltgedankenexperiment<br />
(reale Streuexperimente mit Materiewellen werden an Kristallen durchgeführt)<br />
würde man ein Ergebnis wie in Abbildung 1.2 auf Seite 5 erhalten. Wird die<br />
Materiewelle mit Hilfe einer Wellenfunktion ψ beschrieben, dann sollte die Intensität<br />
– ähnlich wie für elektromagnetische Wellen – proportional zum Betragsquadrat<br />
der Wellenfunktion, d. h. zu |ψ(x, t)| 2 sein.<br />
Diese Intensität kann jedoch nicht als die Ladungsdichte des gestreuten Teilchens<br />
interpretiert werden, da – im Falle der Elektronenbeugung – die Ausdehnung<br />
eines einzelnen Elektrons beim Einschlag sehr viel geringer ist als die<br />
Ausdehnung des Beugungsmusters, und – im Falle der Neutronenbeugung – die<br />
Ladungsdichte eines Neutrons natürlich gleich Null ist. Die Intensität kommt<br />
nicht durch Interferenz mehrerer Elektronenwellen zustande: Man erhält dasselbe<br />
Beugungsbild bei sehr geringer Intensität der Quelle, so dass nur einzelne<br />
Elektronen im Detektor eintreffen.<br />
Man interpretiert die Intensität |ψ(x, t)| 2 daher als die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />
für die Anwesenheit eines Elektrons (oder Neutrons) am Ort x zur Zeit<br />
t („Born’sche Interpretation der Wellenfunktion“, M. Born, 1926). Das Integral<br />
Êdx |ψ(x, t)| 2 ist dementsprechend die Wahrscheinlichkeit für die Anwesenheit<br />
des Elektrons irgendwo im Raum zum Zeitpunkt t, die ja offensichtlich gleich<br />
Eins ist. Dies motiviert die Normierungsbedingung<br />
dx |ψ(x, t)| 2 = 1 (1.6)
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 10<br />
der quantenmechanischen Wellenfunktion. Die Interpretation von ρ(x, t) =<br />
|ψ(x, t)| 2 als Wahrscheinlichkeitsdichte und das Erhaltungsgesetz (1.6) der Gesamtwahrscheinlichkeit<br />
suggerieren die Existenz einer assoziierten Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />
j(x, t), die gemäß<br />
d<br />
dx ρ(x, t) = dS · j(x, t) (1.7)<br />
dtD<br />
−∂D<br />
mit ρ(x, t) verknüpft ist. Gleichung (1.7) bringt zum Ausdruck, dass eine zeitliche<br />
Änderung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens im Raumbereich<br />
D mit einem Wahrscheinlichkeitsstrom durch die Oberfläche ∂D von D einhergehen<br />
muss. Die Bilanzgleichung (1.7) kann mit Hilfe des Gauß’schen Satzes<br />
auch in der Form<br />
dx∂ρ<br />
D ∂t + ∇ · j=0<br />
geschrieben werden, und da der Raumbereich D in dieser Gleichung beliebig ist,<br />
muss auch<br />
∂ρ<br />
∂t + ∇ · j = 0 , ρ = |ψ|2 (1.8)<br />
gelten. Wir kommen so zum Schluss, dass die Born’sche Interpretation der Wellenfunktion<br />
die Existenz einer Kontinuitätsgleichung der Form (1.8) impliziert.<br />
Die Struktur einer physikalisch sinnvollen Quantentheorie muss daher so sein,<br />
dass die Kontinuitätsgleichung (1.8) automatisch aus ihr folgt. Es ist übrigens<br />
klar, dass Gleichung (1.8) umgekehrt auch das Erhaltungsgesetz (1.6) impliziert:<br />
d<br />
dtR 3 dx ρ(x, t) = −R 3 dx ∇ · j(x, t) = −∂R 3 dS · j(x, t) = 0 ,<br />
da die Wahrscheinlichkeitsstromdichte j(x, t) in realen Systemen im Unendlichen<br />
gleich Null ist.<br />
1.4 Bedingungen an eine<br />
nicht-relativistische Quantentheorie<br />
Wir können die bisher dargestellten experimentellen und theoretischen Überlegungen<br />
zusammenfassen und daraus Forderungen an eine nicht-relativistische<br />
Quantentheorie ableiten:<br />
1. Auch massebehaftete Teilchen sollen mit Hilfe einer Wellenfunktion, die<br />
wir im Folgenden mit ψ bezeichnen, beschrieben werden.<br />
2. Die Theorie ist durch eine nicht-relativistische Wellengleichung charakterisiert,<br />
mit deren Hilfe die Wellenfunktionen bestimmt werden.<br />
3. Freie Teilchen werden mit Hilfe von Überlagerungen von ebenen Wellen<br />
der Form e i(k·x−ω kt) beschrieben. Die Wellengleichung muss daher linear<br />
sein.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 11<br />
4. Es gilt Teilchenzahlerhaltung, die formal durch das Erhaltungsgesetz (1.6)<br />
und die Kontinuitätsgleichung (1.8) ausgedrückt wird. Die einfachste mögliche<br />
Wellengleichung, die eine Kontinuitätsgleichung der Form (1.8) erlaubt,<br />
ist die lineare, homogene, partielle Differentialgleichung erster Ordnung<br />
in der Zeit: ∂ t ψ = ˆDψ, wobei ˆD ein noch zu bestimmender Differentialoperator<br />
ist, der nur von den Ortsableitungen ∇ und eventuell von<br />
den Orts- und Zeitvariablen (x, t) abhängig ist. In diesem Fall erhält man<br />
nämlich eine Gleichung der Form<br />
∂ t ρ = ∂ t (ψ ∗ ψ) = (∂ t ψ) ∗ ψ + ψ ∗ (∂ t ψ) = (ˆDψ) ∗ ψ + ψ ∗ (ˆDψ) ,<br />
die eventuell (d. h. bei geeigneter Wahl von ˆD) als Kontinuitätsgleichung<br />
geschrieben werden kann.<br />
Es gibt selbstverständlich noch etliche weitere Anforderungen an eine physikalisch<br />
akzeptable Quantentheorie:<br />
• Da die Dynamik makroskopischer Körper bekanntlich mit extrem hoher<br />
Genauigkeit durch die Klassische Mechanik beschrieben wird, muß die<br />
nicht-relativistische Quantentheorie in einem geeigneten klassischen Limes<br />
(„ → 0 “) die Ergebnisse der Klassischen Mechanik reproduzieren.<br />
• Außerdem müssen alle Vorhersagen der Quantentheorie für meßbare Größen<br />
(„Observablen“), ähnlich wie diejenigen der Klassischen Mechanik,<br />
eichinvariant sein.<br />
• Ähnlich wie in der Klassischen Mechanik müssen Vorhersagen für abgeschlossene<br />
Systeme auch in der <strong>Quantenmechanik</strong> Galilei-invariant sein;<br />
für Teilsysteme sind die äußeren Felder bei Koordinatentransformationen<br />
entsprechend mitzutransformieren.<br />
• Falls dies für das klassische Analogon gilt, soll auch die quantenmechanische<br />
Beschreibung invariant unter Zeitumkehr sein.<br />
• Außerdem stellt sich die Frage, ob bzw. inwiefern auch in der <strong>Quantenmechanik</strong><br />
ein Kanonischer Formalismus mit Variationsprinzipien und geeigneten<br />
Lagrange- und Hamilton-Formulierungen existiert.<br />
• Die Quantentheorie muß natürlich auf Systeme mehrerer Teilchen oder auf<br />
relativistische Systeme erweiterbar sein.<br />
Und die allerwichtigste Bedingung, die man an eine physikalisch akzeptable<br />
Quantentheorie stellen muß, ist wohl, dass sie im Einklang mit dem Experiment<br />
ist!
Kapitel2<br />
Die Wellengleichung<br />
In diesem Kapitel formulieren wir die Basisgleichungen der Quantentheorie und<br />
untersuchen ihre elementaren Eigenschaften. Zuerst konstruieren wir eine Wellengleichung,<br />
die die in Kapitel 1 formulierten Anforderungen erfüllt, und untersuchen<br />
ihre Vorhersagen für den allereinfachsten Fall: das freie Teilchen. Anschließend<br />
kontrollieren wir, dass diese Wellengleichung die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />
erhält (siehe Gleichung (1.6)) und sich in einem geeigneten „klassischen<br />
Limes“ auf die Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik reduziert. Außerdem<br />
wird überprüft, ob die Einteilchenquantenmechanik im Prinzip auch auf<br />
Vielteilchensysteme verallgemeinert werden könnte.<br />
2.1 Konstruktion einer Wellengleichung<br />
Wir konstruieren zunächst eine Wellengleichung zur Beschreibung der Dynamik<br />
freier Teilchen. Teilchen unter der Einwirkung von Kräften, die aus einem<br />
Potential hergeleitet werden können, werden danach betrachtet.<br />
Aufgrund der theoretischen Ideen von L. V. de Broglie und ihrer experimentellen<br />
Bestätigung sind wir zum Schluss gekommen, dass freie Teilchen mit Hilfe<br />
von Überlagerungen von ebenen Wellen beschrieben werden sollten:<br />
ψ rel (x, t) = (2π) −d/2dk ˆψ 0 (k)e i(k·x−ωrel k t) ,<br />
wobei der Wellenvektor k und die Frequenz ωk<br />
rel mit dem Impuls p und der<br />
relativistischen Energie E rel =Ôp 2 c 2 + m 2 c 4 gemäß<br />
k = p ,<br />
ω rel<br />
k = E rel<br />
k =Ô 2 c 2 k 2 + m 2 c 4 .<br />
zusammenhängen. Für die Herleitung einer nicht-relativistischen Wellengleichung<br />
ist es natürlich völlig ausreichend, den relativistischen Energieausdruck<br />
für kleine Impulse p = |p| ≪ mc zu entwickeln:<br />
E rel<br />
k = mc 2 + 2 k 2<br />
2m + · · · ≡ mc2 + E k + . . . ,<br />
wobei die Korrekturterme im nicht-relativistischen Limes vernachlässigt werden<br />
können. Entsprechend folgt:<br />
ωk rel = mc2<br />
<br />
+ k2<br />
2m + · · · ≡ mc2<br />
+ ω k + . . . ,
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 13<br />
so dass die Energie mit der Frequenz auch im nicht-relativistischen Fall gemäß<br />
E k = ω k<br />
verknüpft ist. Wir können somit eine nicht-relativistische Wellenfunktion<br />
ψ(x, t) = (2π) −d/2dk ˆψ 0 (k)e i(k·x−ω kt)<br />
einführen, die mit ψ rel gemäß<br />
ψ rel (x, t) = e −imc2 t/ ψ(x, t) [1 + . . .]<br />
verknüpft ist. Im nicht-relativistischen Limes sind ψ rel und ψ äquivalent. Der<br />
einzige Unterschied ist eine Verschiebung des Energienullpunktes.<br />
Unser Ziel ist nun, eine Wellengleichung für ψ herzuleiten. Zu diesem Zweck<br />
benötigen wir lediglich die Dispersionsrelation E k = 2 k 2 /2m, die im Hinblick<br />
auf (1.8) so mit der Wellenfunktion ψ(x, t) zu kombinieren ist, dass die resultierende<br />
Wellengleichung eine partielle Differentialgleichung erster Ordnung in<br />
der Zeitvariablen t ist:<br />
0 = (2π) −d/2dk ˆψ 0 (k)ω k − 2 k 2<br />
2me i(k·x−ω kt)<br />
= (2π) −d/2dk ˆψ 0 (k)i ∂ ∂t + 2<br />
2m ∆e i(k·x−ω kt)<br />
=i ∂ ∂t + 2<br />
2m ∆ψ(x, t) .<br />
Für freie Teilchen gilt daher:<br />
i ∂ ∂t ψ = − 2<br />
∆ψ . (2.1)<br />
2m<br />
Diese Gleichung wird als die Schrödinger-Gleichung für freie Teilchen bezeichnet.<br />
Es gibt also eine einfache Korrespondenz zwischen klassisch vertrauten Größen<br />
wie Energie und Impuls und den Differentialoperatoren in der Wellengleichung.<br />
Es gelten die Ersetzungen:<br />
E −→ i ∂ ∂t ≡ Ê<br />
p −→ i ∇ ≡ ˆp ,<br />
wobei ˆp als Impulsoperator bezeichnet wird. Man spricht manchmal auch von<br />
einem Korrespondenzprinzip 1 bei der Konstruktion einer Wellengleichung. Die<br />
Schrödingergleichung (2.1) hat offenbar die Form<br />
i∂ t ψ = Ĥψ , (2.2)<br />
1 Dieses Prinzip sollte jedoch nicht mit dem „Bohr’schen Korrespondenzprinzip“ verwechselt<br />
werden, welches besagt, dass die <strong>Quantenmechanik</strong> sich für „große Quantenzahlen“ auf die<br />
Klassische Mechanik reduziert.
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 14<br />
wobei der Operator Ĥ für freie Teilchen durch<br />
Ĥ = ˆp2<br />
2m = − 2<br />
2m ∆ (2.3)<br />
gegeben ist. Es ist bemerkenswert, dass der Operator Ĥ, der ja eine mit der<br />
Wellenfunktion ψ verknüpfte Energie erzeugt, dieselbe Form wie die klassische<br />
Hamilton-Funktion H 0 (p) für freie Teilchen hat, falls man in der Hamilton-<br />
Funktion p durch ˆp ersetzt:<br />
Ĥ = H 0 (ˆp) , H 0 (p) ≡ p 2 /2m .<br />
Daher wird Ĥ als Hamilton-Operator bezeichnet. Diese Ergebnisse lassen sich<br />
sofort verallgemeinern auf Teilchen in einem ortsunabhängigen Potential: Ausgehend<br />
von der Energiedispersion E k = 2 k 2<br />
2m + E 0 erhält man den Hamilton-<br />
Operator Ĥ = H 0(ˆp) + E 0 .<br />
In der klassischen Mechanik ist die Verallgemeinerung von (2.2) auf Teilchen<br />
unter Einwirkung von Kräften wohlbekannt. Konservative Kräfte F = −∇V<br />
werden durch die Hamilton-Funktion H(x,p) = p 2 /2m+V (x) beschrieben. Daher<br />
erwartet man in der quantenmechanischen Theorie einen Hamilton-Operator<br />
der Form<br />
Ĥ = H 0 (ˆp) + V (x) = ˆp2 + V (x) . (2.4)<br />
2m<br />
Die klassische Hamilton-Funktion für geladene Teilchen der Ladung q im elektromagnetischen<br />
Feld ist<br />
H(x,p) = 1<br />
2m [p − qA(x, t)]2 + qΦ(x, t) ,<br />
wobei Φ und A das skalare Potential bzw. das Vektorpotential darstellen. Dementsprechend<br />
erwartet man im quantenmechanischen Fall<br />
Ĥ = 1<br />
2m [ˆp − qA(x, t)]2 + qΦ(x, t) , (2.5)<br />
wobei das Produkt (ˆp − qA) 2 als (ˆp − qA)(ˆp − qA) zu interpretieren ist. Die<br />
Schrödinger-Gleichung (2.2) mit dem Hamilton-Operator (2.3),(2.4) oder (2.5),<br />
abhängig von der physikalischen Situation, formt die Basis der nichtrelativistischen<br />
<strong>Quantenmechanik</strong>. Es ist klar, dass elektromagnetische Kräfte in der<br />
<strong>Quantenmechanik</strong> wichtiger (d. h. prominenter) als Kräfte nicht-elektromagnetischer<br />
Natur sind. Man denke nur an typische Probleme aus der Festkörperoder<br />
Atomphysik, die nahezu alle durch elektromagnetische Wechselwirkung<br />
erklärt werden können. Ausnahmsweise sind auch andere Kräfte interessant:<br />
Man kann z. B. die Dynamik eines quantenmechanischen Teilchens im Gravitationsfeld<br />
untersuchen oder die starke Wechselwirkung zwischen einem Proton<br />
und einem Neutron in einem Deuteron. In solchen Fällen benötigt man<br />
einen Hamilton-Operator der Form (2.4). Außerdem ist klar, dass der Hamilton-<br />
Operator (2.5) für elektromagnetische Kräfte sich im Spezialfall A = 0, ∂Φ<br />
∂t = 0<br />
auf die Form (2.4) mit V (x) = qΦ(x) reduziert.
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 15<br />
2.2 Ein einfaches Beispiel:<br />
freies Teilchen in einer Dimension (d = 1)<br />
Das Ziel dieses Abschnitts ist, die Schrödinger-Gleichung eines freien Teilchens<br />
in einer Dimension (d = 1),<br />
i∂ t ψ =<br />
2 ∂ 2 ψ<br />
Ĥψ = −<br />
2m ∂x 2 , (2.6)<br />
für eine beliebige Anfangsbedingung ψ(x, 0) ≡ ψ 0 (x) zu lösen und die physikalischen<br />
Eigenschaften der Lösung als Funktion der Zeit zu untersuchen.<br />
Wegen der Translationsinvarianz der Schrödinger-Gleichung (2.6) für das<br />
freie Teilchen ist es vorteilhaft, eine Fourier-Transformation durchzuführen:<br />
ψ(x, t) = 1 √<br />
2πdk ˆψ(k, t)e ikx<br />
ˆψ(k, t) = 1 √<br />
2πdx ψ(x, t)e −ikx .<br />
Da ψ(x, t) die Schrödinger-Gleichung erfüllt:<br />
∂ 2<br />
0 =i∂ t + 2<br />
2m ∂x 2ψ(x, t)<br />
= 1 √<br />
2πdki∂ t − 2 k 2<br />
2mˆψ(k, t)e ikx ,<br />
erhält man nach einer inversen Fourier-Transformation die folgende einfache<br />
Gleichung für ˆψ(k, t):<br />
∂ t ˆψ = −iωk ˆψ , ωk = k2<br />
2m .<br />
Die Lösung lautet:<br />
ˆψ(k, t) = ˆψ(k, 0) e −iω kt<br />
,<br />
so dass man allgemein für die Wellenfunktion des freien Teilchens das Ergebnis<br />
ψ(x, t) = 1 √<br />
2πdk ˆψ(k, 0) e i(kx−ω kt)<br />
(2.7)<br />
erhält, das im Folgenden zunächst für den Spezialfall Gauß’scher Wellenpakete<br />
und dann auch für eine allgemeine Anfangsform des Wellenpakets untersucht<br />
wird.<br />
2.2.1 Gauß’sche Wellenpakete<br />
Wir untersuchen die Dynamik des freien Teilchens nun zuerst für den Spezialfall<br />
des 1-dimensionalen Gauß-Pakets, das durch die Anfangsbedingung:<br />
ˆψ(k, 0) = B e −A(k−k0)2 (A ∈ R + )
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 16<br />
definiert ist, wobei B eine Normierungskonstante darstellt und A die Dimension<br />
[(Länge) 2 ] hat. Führen wir die Notation A = l 2 ein, so läßt sich l als die Breite<br />
des Wellenpakets im Ortsraum z.Z. t = 0 interpretieren.<br />
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude des Wellenpakets folgt nun als:<br />
ψ(x, t) = B √<br />
2πdk e −A(k−k0)2 +ikx−iω k t<br />
= √ B<br />
it<br />
−[(A+<br />
e 2m)k<br />
2πdk 2 −bk+Ak0] 2 , b ≡ 2Ak 0 + ix<br />
=<br />
B<br />
Õ2A +<br />
2me −Ak2 0 +b2 /[4(A+ 2m)] it<br />
,<br />
it<br />
und man erhält daher für die Wahrscheinlichkeitsdichte:<br />
|ψ(x, t)| 2 =<br />
|B| 2<br />
2ÕA 2 +t<br />
2m2 e−q(x,t) ,<br />
wobei die Definition<br />
q(x, t) ≡ (x − 2iAk 0) 2<br />
4A +<br />
2m+ (x + 2iAk 0) 2<br />
it 4A − it<br />
2m+ 2Ak 2 0<br />
verwendet wurde. Führen wir noch die Funktion<br />
A(t) ≡ A +t<br />
2m2 1<br />
A<br />
ein, die sich also für t = 0 auf A reduziert: A(0) = A, so folgt:<br />
q(x, t) = (x − v 0t) 2<br />
2A(t)<br />
, v 0 ≡ k 0<br />
m ,<br />
und man findet, dass die Wahrscheinlichkeitsdichte im Ortsraum für alle Zeiten<br />
t ≥ 0 eine einfache Gauß’sche Form hat:<br />
|ψ(x, t)| 2 =<br />
|B| 2<br />
2AA(t) e−(x−v0t)2 /2A(t)<br />
.<br />
Der Betrag der Normierungskonstanten B in der Wellenfunktion folgt aus<br />
1 =dx |ψ(x, t)| 2 |B| 2<br />
=<br />
e<br />
2AA(t)dx −(x−v0t)2 /2A(t)<br />
|B| 2<br />
=<br />
e<br />
2AA(t)2A(t)dy −y2 = |B| 2π<br />
2A<br />
als<br />
|B| =2A<br />
π1/4<br />
,
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 17<br />
wobei die Phase von B also unbestimmt bleibt. Insgesamt erhält man daher für<br />
die Wahrscheinlichkeitsdichte im Ortsraum:<br />
|ψ(x, t)| 2 =<br />
1<br />
2πA(t) e−(x−v0t)2 /2A(t)<br />
.<br />
Die Wahrscheinlichkeitsdichte ist somit maximal für x = v 0 t, und wir können<br />
schließen, dass sich das Wellenpaket mit der konstanten Geschwindigkeit v 0<br />
durch den Raum bewegt, wobei es allerdings ständig die Form ändert. Um diese<br />
Formänderungen zu untersuchen, betrachten wir einige Momente der Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />
im Orts- und im Impulsraum.<br />
Der mittlere Aufenthaltsort des freien Teilchens folgt als:<br />
〈x〉 ≡dx x|ψ(x, t)| 2 = v 0 t ,<br />
und seine Breite ist durch<br />
∆x ≡〈(x − v 0 t) 2 〉 =ådx (x − v 0 t) 2 |ψ(x, t)| 2è1/2 =A(t)<br />
gegeben. 2 Wir stellen fest, dass das Wellenpaket sich im Laufe der Zeit ständig<br />
ausdehnt, so dass es förmlich „zerfließt“:<br />
∼√<br />
∆x =A +t<br />
2m2 1 A = constt ≪ t Z ≡ 2mA<br />
A t √1<br />
2m A<br />
(t ≫ t Z ) .<br />
Die Verteilung im k-Raum ist zeitunabhängig, | ˆψ(k, t)| 2 = |B| 2 e −2A(k−k0)2 ,<br />
und hat insbesondere den zeitunabhängigen Mittelwert 〈k〉 = k 0 und die zeitunabhängige<br />
Breite ∆k = √ 1<br />
4A<br />
. Für das Produkt der „Unschärfen“ ∆x und ∆p<br />
im Orts- und Impulsraum findet man daher:<br />
∆x∆p = ∆x∆k = 1 2 1 +t<br />
t Z2<br />
> 1 2 .<br />
Dieses Produkt ist also minimal für t = 0 und steigt für alle t > 0 streng<br />
monoton an. Insbesondere findet man für t ≫ t Z :<br />
∆x(t) ∼ t<br />
m ∆k(0) = t m ∆p(0) (t ≫ t Z) ,<br />
so dass die Breite des Wellenpakets im Langzeitlimes (für t ≫ t Z ) um so schneller<br />
anwächst, um so schmäler es anfangs (für t ≪ t Z ) ist.<br />
<br />
2 Implizit wird hier verwendet, dass der Mittelwert eines Operators ˆX im Orts- oder ˆK im<br />
Impulsraum in der <strong>Quantenmechanik</strong> allgemein durch<br />
〈ˆX〉 ≡Êdx ψ ∗ (x, t)[ˆXψ](x, t) , 〈ˆK〉 ≡Êdk ψ ∗ (k, t)[ˆKψ](k, t)<br />
gegeben ist. Die Mittelwertbestimmung ist hier jedoch sehr einfach, da die „Operatoren“ ˆX, ˆK<br />
in den hier diskutierten Fällen reelle Zahlen sind: ˆX = x , (x − v 0 t) 2 bzw. ˆK = k , (k − k 0 ) 2 .
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 18<br />
2.2.2 Lösung für eine allgemeine Anfangsbedingung<br />
Wir betrachten noch einmal das allgemeine Ergebnis (2.7) für die Wellenfunktion<br />
ψ(x, t) mit einer beliebigen Anfangsbedingung ψ 0 (x):<br />
ψ(x, t) = 1 √<br />
2πdk ˆψ(k, 0)e i(kx−ω kt) .<br />
Da ˆψ(k, 0) die inverse Fourier-Transformierte von ψ 0 (x) ist,<br />
ˆψ(k, 0) = 1 √<br />
2πdy ψ 0 (y)e −iky ,<br />
kann dieses Ergebnis auch in der Form<br />
mit<br />
ψ(x, t) =dy U t (x|y)ψ 0 (y) (2.8)<br />
U t (x|y) ≡ 1<br />
2πdk e ik(x−y)−iω kt<br />
= 1<br />
2πdk e − it<br />
2m[k 2 − 2m t k(x−y)]<br />
=m<br />
2πit1/2<br />
e<br />
im<br />
2t (x−y)2 ≡ K(x − y, t)<br />
(2.9)<br />
dargestellt werden. In der Herleitung von (2.9) haben wir die bekannten Resultate<br />
für Gauß-Integrale mit komplexen Parametern verwendet. Wegen der<br />
Translationsinvarianz des Hamilton-Operators für freie Teilchen hängt die Funktion<br />
U t (x|y) nur vom Relativvektor x − y ab. Das Ergebnis (2.8) mit U t (x|y) =<br />
K(x − y, t) in (2.9) stellt die gesuchte Lösung des Anfangswertproblems (2.6)<br />
mit einer beliebigen Anfangsamplitude ψ 0 (x) der Wellenfunktion dar.<br />
Die Form (2.8) der Lösung der Schrödinger-Gleichung ist hochinteressant,<br />
da sie zeigt, dass die Wellenfunktion ψ zu einer beliebigen Zeit t für eine beliebige<br />
Anfangsamplitude ψ 0 durch Anwendung eines relativ einfachen linearen<br />
Integraloperators aus ψ 0 berechnet werden kann:<br />
ψ(x, t) = [Ûtψ 0 ](x) , [Ûtψ 0 ](x) ≡dy U t (x|y)ψ 0 (y) . (2.10)<br />
Da der Operator Ût mit dem Integralkern U t (x|y) in (2.9) die Zeitentwicklung<br />
der Wellenfunktion ψ(x, t) vollständig bestimmt, wird er üblicherweise als der<br />
Zeitentwicklungsoperator des freien Teilchens bezeichnet.<br />
Wir betrachten die Eigenschaften von Ût und U t (x|y) nun etwas genauer:<br />
Aus der Definition von U t (x|y) in Gleichung (2.9) folgt sofort, dass für t = 0:<br />
U 0 (x|y) = 1<br />
2πdk e ik(x−y) = δ(x − y)<br />
und daher auch Û0 = 11 gilt. Für alle t ≠ 0 erfüllt U t (und somit auch Ût) die<br />
freie Schrödinger-Gleichung:<br />
ä(i∂ t − Ĥ)Ûtψ 0ç(x) =dyä(i∂ t − Ĥ)U tç(x|y)ψ 0 (y)<br />
=dy1<br />
2πdkω k − 2 k 2<br />
2me ik(x−y)−iω ktψ 0 (y) = 0 ,
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 19<br />
d. h.<br />
i∂ t U t = ĤU t , i∂ t Û t = ĤÛt ,<br />
wobei ĤU t so zu interpretieren ist, dass der Hamilton-Operator<br />
Abhängigkeit von U t (x|y) wirkt. Außerdem gilt<br />
Ĥ auf die x-<br />
Û t1 Û t2 = Ût 1+t 2<br />
,<br />
da beide Glieder das Anfangswertproblem<br />
i∂ t1 ˆV = ĤˆV , ˆVt1=0 = Ût 2<br />
lösen. Insbesondere gilt daher ÛtÛ−t = Û−tÛt = 11 und somit Û−1 t<br />
aus der Definition von U t (x|y) in (2.9) folgt:<br />
U −1<br />
t (x|y) = U −t (x|y) = [U t (y|x)] ∗ = U † t (x|y) ,<br />
= Û−t. Da<br />
gilt schließlich noch ÛtÛ† t = Û† tÛt = 11.3 Der Zeitentwicklungsoperator ist also<br />
unitär und erfüllt die Schrödinger-Gleichung zum Anfangswert 11. Wir werden<br />
im Folgenden sehen, dass diese Eigenschaften des Zeitentwicklungsoperators viel<br />
allgemeiner, d. h. nicht nur für das freie Teilchen in einer Dimension, gelten.<br />
Man hätte den Zeitentwicklungsoperator Ût im Prinzip auch durch naive<br />
Integration der Schrödinger-Gleichung (2.6) erhalten können:<br />
ψ(x, t) = [Ûtψ 0 ](x) , Û t ≡ e −iĤt/ , (2.11)<br />
wobei die Exponentialfunktion des Hamilton-Operators wie üblich durch die<br />
entsprechende Potenzreihe definiert ist:<br />
e −iĤt/ =<br />
∞n=0<br />
(−iĤt/)<br />
n<br />
n!<br />
. (2.12)<br />
In der Tat ist die formale Lösung (2.11) der Schrödinger-Gleichung oft recht<br />
nützlich. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die konkrete Darstellung (2.12)<br />
für praktische Anwendungen sehr unbequem ist, da das rechte Glied Ableitungen<br />
beliebig hoher Ordnung enthält. Für praktische Zwecke ist die Darstellung (2.8)-<br />
(2.10) daher wesentlich nützlicher.<br />
2.3 Wahrscheinlichkeitserhaltung<br />
Die Wellengleichung (2.2) mit dem Hamilton-Operator (2.3),(2.4) oder (2.5) sollte<br />
die GesamtwahrscheinlichkeitÊdx |ψ(x, t)| 2 erhalten, damit die Theorie physikalisch<br />
sinnvoll ist. Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass diese Bedingung<br />
3 Hierbei wird der zu einem Operator  hermitesch konjugierte Operator † allgemein durch<br />
Êdx ψ ∗ 1 († ψ 2 ) ≡Êdx (Âψ 1) ∗ ψ 2 (∀ψ 1 , ψ 2 )<br />
definiert. Falls † =  gilt, heißt der Operator  „hermitesch“.
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 20<br />
für Gauß’sche Wellenpakete tatsächlich erfüllt ist. Dass sie auch allgemein erfüllt<br />
ist, kann leicht nachgeprüft werden. Wir gehen zuerst von einem Hamilton-<br />
Operator der Form (2.4) aus. Aus der Schrödinger-Gleichung ∂ t ψ = iĤψ 1 bzw.<br />
aus der komplex konjugierten Gleichung ∂ t ψ ∗ = − 1<br />
iĤψ∗ folgt:<br />
d<br />
dtdxψ ∗ (x, t)ψ(x, t) =dx(∂ t ψ ∗ )ψ + ψ ∗ (∂ t ψ)<br />
= 1<br />
idx−(Ĥψ∗ )ψ + ψ (Ĥψ)<br />
∗<br />
= 1<br />
idx−ψ ∗ (Ĥψ) + ψ∗ (Ĥψ)=0 ,<br />
wobei im vorletzten Schritt partiell integriert wurde. Die Gesamtwahrscheinlichkeit,<br />
ein Teilchen, das zur Zeit t = 0 im System anwesend war, zu einer<br />
späteren Zeit irgendwo im Raum anzutreffen, ist also in der Tat zeitunabhängig<br />
und daher gleich Eins:<br />
dx |ψ(x, t)| 2 = const. = 1 . (2.13)<br />
In Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes, d. h. für Ĥ = 1<br />
2m (ˆp − qA)2 +<br />
qΦ, findet man dasselbe Ergebnis.<br />
Bei der obigen Herleitung des Erhaltungsgesetzes für die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />
wurde die Hermitezität des Hamilton-Operators verwendet:<br />
Êdxψ ∗ 1(Ĥ† ψ 2 ) ≡Êdx(Ĥψ 1) ∗ ψ 2 =Êdxψ ∗ 1(Ĥψ 2) (∀ψ 1 , ψ 2 ) ,<br />
und daher auch:<br />
Ĥ † = Ĥ .<br />
Diese Eigenschaft lässt sich z. B. für Ĥ = ˆp2<br />
2m<br />
+ V (x) sehr leicht explizit überprüfen:dx<br />
(Ĥψ 1) ∗ ψ 2 1∗<br />
=dx− 2<br />
2m ∆ + V (x)ψ ψ 2<br />
=dx ψ1− ∗ 2<br />
2m ∆ + V (x)ψ 2 =dx ψ 1Ĥψ ∗ 2 .<br />
Auch für den Hamilton-Operator Ĥ = 1<br />
2m (ˆp − qA)2 + qΦ weist man die Hermitezität<br />
leicht nach. Es sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass alle<br />
Operatoren in der <strong>Quantenmechanik</strong>, die physikalische Messgrößen darstellen,<br />
„hermitesch“ sind.<br />
Das Erhaltungsgesetz (2.13) für die Gesamtwahrscheinlichkeit, ein Teilchen<br />
irgendwo im System zu finden, suggeriert die Existenz einer Kontinuitätsgleichung<br />
der Form<br />
∂̺<br />
∂t + ∇ · j = 0 ; ̺ = |ψ(x, t)|2 , (2.14)<br />
wobei ̺(x, t) also die Wahrscheinlichkeitsdichte und j(x, t) die Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />
darstellt. Aus der Kontinuitätsgleichung (2.14) folgt sofort das<br />
Erhaltungsgesetz (2.13):<br />
d<br />
dx |ψ(x, t)| 2 = dx∇ · j = dS · j = 0 ,<br />
dtD<br />
−D<br />
−∂D
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 21<br />
wobei erstens angenommen wird, dass D =Êd gilt, so dass ∂D im Unendlichen<br />
liegt, und zweitens, dass j(x, t) für |x| = ∞ gleich Null ist. Die letzte Bedingung<br />
ist in fast allen physikalisch relevanten Problemen gewährleistet, insbesondere<br />
dann, wenn die Anfangsdichte |ψ(x, 0)| 2 räumlich lokalisiert ist.<br />
Wir konstruieren die Wahrscheinlichkeitsstromdichte j(x, t) nun explizit und<br />
nehmen hierzu an, dass der Hamilton-Operator die Form<br />
Ĥ = ˆp2<br />
2m + V (x)<br />
besitzt. Aus der Schrödinger-Gleichung i∂ t ψ = Ĥψ bzw. aus −i∂ tψ ∗ = Ĥψ∗<br />
folgt sofort:<br />
∂̺<br />
∂t = ∂ t(ψ ∗ ψ) = (∂ t ψ ∗ )ψ + ψ ∗ (∂ t ψ) = − 1<br />
i(Ĥψ∗ )ψ − ψ (Ĥψ)<br />
∗<br />
=<br />
2mi(∆ψ ∗ )ψ − ψ ∗ (∆ψ)=− <br />
2mi ∇ ·ψ ∗ (∇ψ) − (∇ψ )ψ<br />
∗<br />
= −∇ · j ,<br />
d.h. ∂ t̺ + ∇ · j = 0, mit<br />
j = <br />
2miψ ∗ (∇ψ) − (∇ψ ∗ )ψ,<br />
so dass in der Tat eine Kontinuitätsgleichung gilt. Die Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />
j lässt sich sehr einfach physikalisch interpretieren: Führen wir den<br />
Geschwindigkeitsoperator als ˆv ≡ ˆp/m ein, so folgt aus der Beziehung<br />
j = 1<br />
2m [ψ∗ (ˆpψ) + (ˆpψ) ∗ ψ] = 1 m Re(ψ∗ˆpψ) = Re(ψ ∗ˆvψ) ,<br />
dass j im Wesentlichen die Geschwindigkeitsdichte des Teilchens darstellt. Das<br />
Integral von j über den Ortsraum ist dementsprechend gleich der mittleren Geschwindigkeit<br />
des Teilchens:<br />
Êdx j(x, t) = 1 m Re (Êdx ψ ∗ˆpψ) = 1 m Re(〈ˆp〉) = 1 m<br />
〈ˆp〉 = 〈ˆv〉 ,<br />
wobei verwendet wurde, dass 〈ˆp〉 wegen der Hermitezität des Operators ˆp reell<br />
ist:<br />
〈ˆp〉 ∗ =Êdx (ˆpψ) ∗ ψ =Êdx ψ ∗ (ˆpψ) = 〈ˆp〉 .<br />
In Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes, d. h. für den Hamilton-Operator<br />
Ĥ = 1<br />
2m (ˆp − qA)2 + qΦ<br />
findet man ähnliche Ergebnisse, nur ist die Form der Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />
in diesem Fall explizit vom Vektorpotential A abhängig. Aus der Schrödinger-Gleichung<br />
folgt nun:<br />
−i∂ t ψ ∗ =´å1<br />
2m<br />
i ∇ − qA2 + qΦèψµ∗<br />
=å1<br />
2m (ˆp + qA)2 + qΦèψ ∗ ,
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 22<br />
so dass mit der Definition j 0 ≡<br />
<br />
2mi [ψ∗ (∇ψ) − (∇ψ ∗ )ψ] gilt:<br />
∂̺<br />
∂t = − iå1 1<br />
2m (ˆp + qA)2 ψ ∗ + qΦψ ∗èψ − ψ ∗å1<br />
2m (ˆp − qA)2 ψ + qΦψè<br />
= −∇ · j 0 −<br />
2miÒˆp q · (Aψ ∗ ) + A · (ˆpψ ∗ )ψ<br />
+ ψ ∗ˆp · (Aψ) + A · (ˆpψ)Ó<br />
= −∇ · j 0 + q m A ·(∇ψ ∗ )ψ + ψ ∗ (∇ψ)+ q<br />
2m 2(∇ · A)ψ∗ ψ<br />
= −∇ · j 0 + q m ∇ · (Aψ∗ ψ)<br />
= −∇ ·j 0 − q m Aψ∗ ψ.<br />
Allgemein, d. h. in Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes, ist die Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />
also durch<br />
j = <br />
2miψ ∗ (∇ψ) − (∇ψ ∗ )ψ− q m Aψ∗ ψ (2.15)<br />
gegeben. Definieren wir den kinetischen Impuls als<br />
ˆπ ≡ ˆp − qA ,<br />
dann folgt mit<br />
sofort<br />
j = 1<br />
2mψ ∗ (ˆpψ) + (ˆpψ) ∗ ψ− q m Aψ∗ ψ<br />
j = 1<br />
2mψ ∗ (ˆπψ) + (ˆπψ) ∗ ψ= 1 m Re (ψ∗ ˆπψ) . (2.16)<br />
Da der Operator ˆπ/m ≡ ˆv wiederum die Geschwindigkeit des Teilchens beschreibt<br />
4 , ist klar, dass j auch in Anwesenheit von elektromagnetischen Feldern<br />
im Wesentlichen eine Geschwindigkeitsdichte darstellt. Die Form (2.16) zeigt,<br />
dass die experimentell messbare Größe j(x, t) in der Tat eichinvariant ist.<br />
Es sei noch hinzugefügt, dass die Ladungswahrscheinlichkeitsdichte und die<br />
Ladungswahrscheinlichkeitsstromdichte des Teilchens einfach durch q̺(x, t) bzw.<br />
q j(x, t) gegeben sind.<br />
2.4 Vertauschungsrelationen und Kommutatoren<br />
Es ist in der <strong>Quantenmechanik</strong> von wesentlicher Bedeutung, dass die dynamischen<br />
Variablen wie der Impuls ˆp oder der Bahndrehimpuls x × ˆp Operatoren<br />
und keine Zahlen sind. Ähnliches gilt wohlgemerkt auch für den Operator x, der<br />
bisher zwar aus reellen Zahlen aufgebaut ist, aber in allgemeineren Darstellungen<br />
(s.u.) ebenfalls den Charakter eines Operators erhält.<br />
4 Für A = 0 vereinfacht sich die allgemeine Definition ˆv ≡ ˆπ/m zu ˆv ≡ ˆp/m (siehe vorher).
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 23<br />
Der Operatorcharakter der dynamischen Variablen bringt mit sich, dass die<br />
Reihenfolge, in der sie auftreten, wichtig ist. Es gilt z. B.:<br />
x iˆp i ψ = i x ∂<br />
i ψ ≠ ∂<br />
(x i ψ) = ˆp i (x i ψ) ,<br />
∂x i i ∂x i<br />
oder kurzgefasst x iˆp i ≠ ˆp i x i , so dass x i und ˆp i „nicht miteinander vertauschen“.<br />
Etwas allgemeiner gilt:<br />
oder auch:<br />
(x iˆp j − ˆp j x i )ψ = ∂<br />
i −<br />
ix ∂ x iψ<br />
∂x j ∂x j<br />
= ix i<br />
∂<br />
∂x j<br />
− δ ij − x i<br />
∂<br />
∂x jψ<br />
= iδ ij ψ ,<br />
(x iˆp j − ˆp j x i ) = iδ ij .<br />
Analog zeigt man leicht, dass<br />
f(x)ˆp j − ˆp j f(x) = i ∂f<br />
∂x j<br />
(x)<br />
gilt. Um diese und andere Operatoridentitäten bequem zusammenfassen zu könne,<br />
führt man den Kommutator [A, B] zweier Größen A und B als<br />
[A, B] ≡ AB − BA<br />
ein und schreibt damit die obigen Beziehungen als:<br />
und<br />
[x i , ˆp j ] = iδ ij (2.17)<br />
[f(x), ˆp] = i∇f(x) . (2.18)<br />
Kommutatoren von Ortskoordinaten sind gleich Null:<br />
[x i , x j ] = 0 .<br />
Das Gleiche gilt auch für die Komponenten des Impulsoperators:<br />
[ ˆp i , ˆp j ] = 0 .<br />
Der Kommutator hat einige interessante und nützliche Eigenschaften:<br />
[A, B] = −[B, A] (2.19)<br />
[A, λB] = λ[A, B] (λ ∈) (2.20)<br />
[A, B + C] = [A, B] + [A, C] (2.21)<br />
[A, BC] = ABC − BCA = [A, B]C + B[A, C] (2.22)<br />
[[A, B] , C] + [[B, C] , A] + [[C, A] , B] = 0 , (2.23)
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 24<br />
wobei (2.23) als Jacobi-Identität bekannt ist.<br />
Auch andere physikalische Größen führen wegen ihres Operatorcharakters<br />
zu nichttrivialen Kommutatoren. Wir erwähnen hier insbesondere den Bahndrehimpuls<br />
ˆL = x × ˆp, dessen Definition durch den entsprechenden Ausdruck<br />
in der klassischen Mechanik motiviert wird. Mit Hilfe von ˆL i = ε ikl x kˆp l findet<br />
man für den Kommutator von ˆL i mit den Komponenten des Ortsvektors:<br />
[ˆL i , x j ] = ε ikl [x kˆp l , x j ] = −ε ikl [x j , x kˆp l ] = −ε ikl x k [x j , ˆp l ]<br />
= −ε ikl x k iδ jl = −iε ikj x k<br />
= iε ijk x k . (2.24)<br />
Interessanterweise findet man ähnliche Ausdrücke auch für den Kommutator<br />
von ˆL i mit ˆp j und ˆL j :<br />
[ˆL i , ˆp j ] = iε ijkˆp k (2.25)<br />
[ˆL i , ˆL j ] = iε ijkˆLk . (2.26)<br />
Mit Hilfe einfacher Umformungen kann man die Gleichungen (2.24)–(2.26) auch<br />
kompakter schreiben:<br />
1<br />
2ˆL × x + x × ˆL=ix<br />
1<br />
2ˆL × ˆp + ˆp × ˆL=iˆp<br />
ˆL × ˆL = iˆL ,<br />
denn es gilt z.B.<br />
ˆL × x + x × ˆLl = ε lij[ˆL i , x j ] = iε lij ε ijk x k = 2iδ kl x k = 2ix l .<br />
Diese letzten Ergebnisse zeigen noch einmal klar, dass vertraute Formeln aus<br />
der Vektorrechnung, wie a × b = −b × a und a × a = 0, im Allgemeinen nicht<br />
auf Operatoren erweitert werden können.<br />
Kommutatoren mit dem Hamilton-Operator sind besonders wichtig, da sie<br />
die Zeitentwicklung von Mittelwerten der Form<br />
〈Ô〉 ≡dxψ ∗ (x, t)äÔ(x, ˆp; t)ψç(x, t)<br />
bestimmen. Dies sieht man sofort aus:<br />
d<br />
dt 〈Ô〉 =dx(∂ t ψ ∗ )Ôψ + ψ∗ (∂ t Ô)ψ + ψ ∗ Ô(∂ t ψ)<br />
= 1<br />
idx−(Ĥψ)∗ Ôψ + ψ ∗ Ô(Ĥψ)+〈 ∂Ô<br />
∂t 〉<br />
=<br />
idxψ 1<br />
∗ ∂Ô<br />
(ÔĤ − ĤÔ)ψ+〈<br />
∂t 〉<br />
= 1 〈[Ô, Ĥ]〉 + 〈∂Ô<br />
i ∂t 〉 .<br />
Hierbei geht wiederum wesentlich die Hermitezität des Hamilton-Operators<br />
dx(Ĥψ 1) ∗ ψ 2 =dxψ ∗ 1(Ĥψ 2)
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 25<br />
ein. Insbesondere gilt für Ô = Ĥ:<br />
d<br />
dt 〈Ĥ〉 = 1 〈[Ĥ, Ĥ]〉 + 〈∂Ĥ<br />
i ∂t 〉 = 〈∂Ĥ ∂t 〉 ,<br />
so dass die Energie 〈Ĥ〉 erhalten ist, falls Ĥ nicht explizit von der Zeit abhängt:<br />
∂Ĥ<br />
d〈Ô〉<br />
∂t<br />
= 0. Allgemein gilt, dass 〈Ô〉 erhalten ist, falls<br />
dt<br />
= 0 gilt für alle möglichen<br />
quantenmechanischen Zustände ψ. Es folgt, dass 〈Ô〉 dann und nur dann<br />
eine Erhaltungsgröße ist, falls die Operatoridentität<br />
1 ∂Ô<br />
[Ô, Ĥ] +<br />
i ∂t = 0<br />
erfüllt ist. In praktischen Anwendungen gilt häufig,<br />
Ô1ç<br />
dass Ô nicht explizit zeitabhängig<br />
ist: ∂Ô<br />
∂t<br />
= 0; in diesem Fall ist 〈Ô〉 für alle ψ erhalten, falls Ô mit dem<br />
Hamilton-Operator kommutiert: [Ô, Ĥ] = 0. Falls 〈Ô1〉 und 〈Ô2〉 beide erhalten<br />
sind, d.h. falls sowohl<br />
1<br />
∂Ô1<br />
i<br />
[Ô1, Ĥ] +<br />
∂t<br />
= 0 als auch 1<br />
i [Ô2, Ĥ2] + ∂Ô2<br />
∂t<br />
= 0<br />
gilt, ist übrigens auch der Mittelwert 〈[Ô1, Ô2]〉 des Kommutators dieser beider<br />
Operatoren für alle ψ erhalten. Dies folgt sofort aus der Jacobi-Identität (2.23):<br />
1<br />
∂[Ô1, Ô2]<br />
Ô2], Ĥç+ = −<br />
iä[Ô1, 1 Ĥ],<br />
∂t iä[Ô2,<br />
−<br />
iä[Ĥ, 1 Ô1], Ô2ç+æ∂Ô1<br />
∂t , Ô2é+æÔ 1 ,<br />
∂té<br />
∂Ô2<br />
=æ∂Ô2<br />
∂t , Ô1é−æ∂Ô1<br />
∂t , Ô2é+æ∂Ô1<br />
∂t , Ô2é+æÔ 1 ,<br />
∂té<br />
∂Ô2<br />
= 0 .<br />
Aus zwei bekannten Erhaltungsgrößen kann man also durch Kommutatorbildung<br />
im Prinzip neue Erhaltungsgrößen konstruieren.<br />
Es sei noch darauf hingewiesen, dass das Auftreten von Kommutatoren in<br />
der Zeitentwicklung von Mittelwerten 〈Ô〉 in der <strong>Quantenmechanik</strong> stark analog<br />
zum Auftreten von Poisson-Klammern in klassischen Bewegungsgleichungen ist:<br />
dO(x,p; t)<br />
dt<br />
= {O, H} + ∂O<br />
∂t<br />
, {A, B} ≡k∂A<br />
∂x k<br />
∂B<br />
∂p k<br />
− ∂A<br />
∂p k<br />
∂B<br />
∂x k.<br />
Man kann in der Tat zeigen, dass sich Mittelwerte von Kommutatoren im „klassischen<br />
Limes“ auf die Poisson-Klammern der Klassischen Mechanik reduzieren.<br />
Auch die Poisson-Klammern besitzen die algebraischen Eigenschaften (2.19)-<br />
(2.23), und da sie insbesondere die Jacobi-Identität erfüllen, gilt auch in der<br />
Klassischen Mechanik, dass die Poisson-Klammer {O 1 , O 2 } zweier Erhaltungsgrößen<br />
O 1 und O 2 wiederum eine Erhaltungsgröße ist („Poisson’sches Theorem“).<br />
Der allgemeine Ausdruck<br />
d<br />
dt 〈Ô〉 = 1 〈[Ô, Ĥ]〉 + 〈∂Ô<br />
i ∂t 〉 (2.27)
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 26<br />
kann natürlich dazu verwendet werden, die Zeitentwicklung von wichtigen Mittelwerten,<br />
wie z. B. von 〈x〉,〈ˆp〉,〈ˆπ〉 und 〈ˆL〉 zu untersuchen.<br />
]<br />
Dies wird im Folgenden<br />
auch geschehen. Als Vorbereitung auf diese Untersuchung bestimmen<br />
wir zuerst die Kommutatoren des Hamilton-Operators mit den wichtigsten dynamischen<br />
Variablen.<br />
Wir betrachten zuerst den Fall konservativer Kräfte, d. h. den Hamilton-<br />
Operator Ĥ = ˆp2 /2m + V (x). Aus der Vertauschungsrelation [x i , ˆp j ] = iδ ij<br />
und der Rechenregel [A, B 2 ] = [A, B]B + B[A, B] folgt sofort:<br />
[x i , Ĥ] = 1<br />
2m [x i, ˆp 2 ] =<br />
2m[x 1<br />
i , ˆp j ] ˆp j + ˆp j [x i , ˆp j<br />
= i<br />
2m 2δ ij ˆp j = i m ˆp i = iˆv i (2.28)<br />
und daher<br />
[x, Ĥ] = i ˆp = iˆv .<br />
m<br />
Hierbei wurde die Einstein’sche Summationskonvention, ˆp 2 = ˆp j ˆp j , usw., verwendet.<br />
Ĥ]<br />
Für den Kommutator von Ĥ und ˆp findet man:<br />
[ˆp, Ĥ] = [ˆp, ˆp 2<br />
+ V (x)] = [ˆp, V (x)] = −i∇V (x) = iF(x) (2.29)<br />
2m<br />
und analog folgt für den Kommutator von Ĥ und ˆL mit Hilfe der Rechenregel<br />
[BC, A] = [B, A]C + B[C, A]:<br />
[ˆL i , Ĥ] = ε ijk[x j ˆp k , Ĥ] = ε ijk[x j , Ĥ] ˆp k + x j [ ˆp k ,<br />
= ε ijki<br />
m ˆp jˆp k + x j iF k (x)<br />
und daher<br />
[ ˆL, Ĥ] = ix × F(x) ≡ iM(x) , (2.30)<br />
wobei M = x × F das Drehmoment darstellt.<br />
Wir fassen die wichtigsten Kommutatoren für den Fall elektromagnetischer<br />
Kräfte kurz zusammen. Die elementaren Vertauschungsregeln für die Koordinaten<br />
x und die kinetischen Impulse ˆπ = ˆp − qA sind durch:<br />
[x i , x j ] = 0 , [x i , ˆπ j ] = iδ ij , [ˆπ i , ˆπ j ] = iqε ijk B k<br />
gegeben, wobei B k die Komponenten des Magnetfelds bezeichnet. Etwas allgemeiner<br />
gilt:<br />
[f(x), ˆπ] = i∇f(x) .<br />
Mit Hilfe dieser Vertauschungsbeziehungen und mit den Rechenregeln für Kommutatoren<br />
findet man nun leicht:<br />
[x, Ĥ] = i ˆπ = iˆv<br />
m<br />
[ ˆπ, Ĥ] = i1<br />
2q(ˆv × B − B × ˆv) − q∇Φ<br />
[x × ˆπ,<br />
Ĥ] = ix ×1<br />
2q(ˆv × B − B × ˆv) − q∇Φ,<br />
wobei ˆv = ˆπ/m = 1 m<br />
(ˆp − qA) wiederum der Geschwindigkeitsoperator ist.
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 27<br />
2.5 Das Ehrenfest’sche Theorem<br />
Die nichtrelativistische <strong>Quantenmechanik</strong> soll sich in einem geeigneten „klassischen<br />
Limes“ natürlich auf die klassische Mechanik reduzieren. Einen ersten<br />
Hinweis darauf, dass diese Bedingung in der Tat erfüllt ist, liefert das Ehrenfest’sche<br />
Theorem, das besagt, dass die klassischen Bewegungsgleichungen, also<br />
z. B. ẋ = ∂H/∂p und ṗ = −∂H/∂x, in der Quantentheorie für die Mittelwerte<br />
dieser Größen gelten. Die Bewegungsgleichungen der Quantentheorie enthalten<br />
gemäß Gleichung (2.27) Erwartungswerte von Kommutatoren mit dem<br />
Hamilton-Operator.<br />
Wir betrachten zuerst den einfachsten Fall, Ĥ = ˆp2<br />
2m<br />
+V (x), und folgern aus<br />
(2.28), dass die Geschwindigkeit d dt<br />
〈x〉 gleich dem Erwartungswert von ˆp/m ist:<br />
d<br />
dt 〈x〉 = 1 〈ˆp〉 = 〈ˆv〉 , (2.31)<br />
m<br />
und aus (2.29), dass die Zeitableitung des Impulses gleich dem Erwartungswert<br />
der Kraft ist:<br />
d<br />
〈ˆp〉 = 〈−∇V (x)〉 = 〈F(x)〉 . (2.32)<br />
dt<br />
Diese Gleichungen sind das quantenmechanische Pendant zu den klassischen Bewegungsgleichungen<br />
ẋ = p/m und ṗ = −∇V . Anders als in der klassischen Mechanik<br />
ist der Satz von Bewegungsgleichungen (2.31), (2.32) nicht geschlossen.<br />
Um die klassischen Hamilton-Gleichungen aus (2.31), (2.32) zurückzuerhalten,<br />
muss man nähern: 〈F(x)〉 ≈ F(〈x〉), und diese Näherung ist im Allgemeinen nur<br />
dann gültig, wenn die Ausdehnung der Wahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens<br />
sehr viel kleiner 5 ist als die typische Längenskala, auf der sich die Kraft F(x)<br />
ändert.<br />
Für einige wenige Modelle sind die Bewegungsgleichungen (2.31) und (2.32)<br />
exakt lösbar: Zum Beispiel gilt F(x) = 0 für das freie Teilchen, und man findet<br />
sofort, dass der Impuls erhalten ist, 〈ˆp〉 t = 〈ˆp〉 0 , und sich der mittlere<br />
Aufenthaltsort mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, 〈x〉 t = 〈ˆp〉 0 t/m. Ein<br />
weiteres Beispiel ist die konstante (d.h. ortsunabhängige) Kraft, F(x) = F,<br />
die zu den wohlbekannten klassischen Lösungen 〈ˆp〉 t = 〈ˆp〉 0 + Ft und 〈x〉 t =<br />
t<br />
〈x〉 0 + 〈ˆp〉 0 m + F t2<br />
2m<br />
führt. Ein drittes Beispiel ist der harmonische Oszillator,<br />
V (x) = 1 2 mω2 x 2 und somit F(x) = −mω 2 x, für den sich Gleichung (2.32) auf<br />
d<br />
dt 〈ˆp〉 = −mω2 〈x〉 vereinfacht. Das Gleichungspaar (2.31) und (2.32) ist daher<br />
leicht geschlossen lösbar; wiederum haben die Lösungen 〈x〉 t und 〈ˆp〉 t die<br />
wohlbekannte oszillierende Form der klassischen Lösung.<br />
Das Pendant zur klassischen Beziehung ˙L = M zwischen der zeitlichen Änderung<br />
des Drehimpulses und dem Drehmoment folgt aus (2.30) als:<br />
d<br />
dt 〈ˆL〉 = 〈x × [−∇V (x)]〉 = 〈x × F(x)〉 = 〈M(x)〉 .<br />
5 Genau genommen müsste für jede Komponente F i (i = 1, 2,3) der Kraft stets<br />
− 〈x〉) · (∇∇F i )(〈x〉) · (x − 〈x〉)«≪ F i 〈x〉¡<br />
gelten.Å(x
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG<br />
i<br />
28<br />
Eine weitere Bewegungsgleichung folgt aus<br />
[x iˆp i , Ĥ] = [x i, Ĥ] ˆp i + x i [ ˆp i , Ĥ] = i m ˆp2 i + x i i− ∂V<br />
∂x<br />
als<br />
2<br />
d 1<br />
〈x · ˆp〉 = 〈[x · ˆp, Ĥ]〉 = 2ˆp<br />
· ∇V 〉 .<br />
dt i 2mò−〈x<br />
In einem stationären Zustand ist die linke Seite dieser Bewegungsgleichung Null,<br />
und es folgt die Beziehung<br />
E kin =ˆp 2<br />
2mò=− 1 〈x · F〉 ,<br />
2<br />
die als das quantenmechanische Virialtheorem bezeichnet wird. Das Virialtheorem<br />
trifft in leicht abgewandelter Form auch zu für zeitgemittelte Größen bei<br />
einer quantenmechanischen Bewegung in einem begrenzten Raumbereich: Bei einer<br />
solchen begrenzten Bewegung sind die möglichen Funktionswerte von 〈x · ˆp〉<br />
beschränkt, so dass bei einer Mittelung über ein genügend langes Zeitintervall<br />
gilt:<br />
d<br />
1<br />
〈x · ˆp〉 ≡ lim dt<br />
dt T →∞ TT<br />
d 〈x · ˆp〉<br />
0 dt<br />
= lim<br />
T →∞<br />
〈x · ˆp〉 T − 〈x · ˆp〉 0<br />
T<br />
= 0 .<br />
Die zeitgemittelte kinetische Energie ist daher in einfacher Weise mit dem Virial<br />
1<br />
〈x · F〉 verknüpft:<br />
2m 〈ˆp2 〉 = − 1 2<br />
〈x · F〉.<br />
Als Beispiel betrachten wir ein sphärisch symmetrisches Potential der Form<br />
V (x) = V 0 x α mit x ≡ |x|. Da allzu stark singuläre attraktive Potentiale physikalisch<br />
uninteressant und mathematisch problematisch sind (s. später), fordern<br />
wir α > −2, falls V 0 < 0 gilt. Es folgt F = −∇V = −αV 0 x α−2 x und daher:<br />
d〈x〉<br />
dt<br />
= 〈ˆp〉<br />
m , d〈ˆp〉<br />
= −αV 0 〈x α−2 x〉 ,<br />
dt<br />
d〈ˆL〉<br />
dt<br />
= 0<br />
sowie<br />
E kin = α 2 V 0〈x α 〉 = α 2 〈V (x)〉 = α 2 E pot .<br />
Wie man sieht, ist der mittlere Drehimpuls 〈ˆL〉 für alle α eine Erhaltungsgröße,<br />
wie auch in der klassischen Mechanik. Außerdem ist bereits an dieser Stelle klar,<br />
dass das harmonische Potential V (x) = V 0 x 2 auch in der <strong>Quantenmechanik</strong> eine<br />
Ausnahmeposition einnimmt: Für α = 2 sind die Bewegungsgleichungen für 〈x〉<br />
und 〈ˆp〉 geschlossen lösbar und sind die mittleren kinetischen und potentiellen<br />
Energien exakt gleich.<br />
Wir fassen die quantenmechanischen Bewegungsgleichungen für geladene<br />
Teilchen im elektromagnetischen Feld zusammen. Für die zeitlichen Änderungen<br />
des gemittelten Ortsvektors bzw. kinetischen Impulses gilt<br />
d<br />
dt 〈x〉 = 1<br />
i 〈[x, Ĥ]〉 = 1 〈ˆπ〉 = 〈ˆv〉<br />
m
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 29<br />
bzw.<br />
d<br />
dt 〈ˆπ〉 = 1<br />
∂A<br />
〈[ ˆπ, Ĥ]〉 +−q Lor 〉 ,<br />
i ∂tò=〈ˆF<br />
wobei der quantenmechanische Operator, der das Pendant zur klassischen Lorentz-<br />
Kraft formt, gegeben ist durch:<br />
ˆF Lor = qE + 1 2<br />
(ˆv × B − B × ˆv)<br />
mit ˆv = ˆπ/m. Hierbei dürfen E(x, t) und B(x, t) durchaus explizit orts- und<br />
zeitabhängig sein.<br />
Für den Spezialfall eines konstanten (d.h. orts- und zeitunabhängigen) elektrischen<br />
oder magnetischen Feldes erhält man die Bewegungsgleichungen<br />
bzw.<br />
d<br />
dt 〈x〉 = 1 m 〈ˆπ〉 , d<br />
〈ˆπ〉 = qE<br />
dt<br />
d<br />
dt 〈x〉 = 1 m 〈ˆπ〉 , d<br />
dt 〈ˆπ〉 = q m 〈ˆπ〉 × B ,<br />
die zeigen, dass 〈x〉 und 〈ˆπ〉 in diesen beiden Fällen die klassischen Bewegungsgleichungen<br />
erfüllen: Im Falle eines orts- und zeitunabhängigen Magnetfeldes<br />
präzediert der Impuls 〈ˆπ〉 mit der Frequenz qB/m um die B-Richtung. Die<br />
quantenmechanische Variante des klassischen Drehimpulses mr × ṙ ist x × ˆπ,<br />
dessen Mittelwert für allgemeine elektromagnetische Kräfte die Bewegungsgleichung<br />
d<br />
dt 〈x × ˆπ〉 = 〈x × ˆF Lor 〉 = 〈 ˆM Lor 〉<br />
erfüllt. Beide Seiten dieser Gleichung hängen nur von x, ˆπ und t ab und sind<br />
somit manifest eichinvariant. Außerdem findet man<br />
d<br />
dt 〈x · ˆπ〉 = 1 m 〈ˆπ2 〉 + 〈x · ˆF Lor 〉 ,<br />
so dass zeitgemittelt für eine Bewegung in einem beschränkten Raumbereich<br />
1<br />
2m 〈ˆπ2 〉 = − 1 2 〈x · ˆF Lor 〉<br />
gilt. Die mittlere kinetische Energie ist daher wiederum in einfacher Weise mit<br />
dem Virial 〈x · ˆF〉 verknüpft.<br />
2.6 Der klassische Limes („ → 0“)<br />
Das Ehrenfest’sche Theorem suggeriert, dass sich die quantenmechanische Beschreibung<br />
mit Hilfe der Schrödinger-Gleichung in einem geeigneten Limes, der<br />
gemeinhin als „ → 0“ bezeichnet wird, auf die klassischen Bewegungsgleichungen<br />
der Newton’schen Mechanik reduzieren sollte. In diesem Abschnitt zeigen<br />
wir, dass dies (bei geeigneter Interpretation von „ → 0“) in der Tat der Fall
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 30<br />
ist. Konkret wird gezeigt, dass sich die Phase der Wellenfunktion im klassischen<br />
Limes auf die Hamilton’sche Wirkungsfunktion reduziert und dass die mit der<br />
Wellenfunktion verknüpfte Wahrscheinlichkeitsdichte die Kontinuitätsgleichung<br />
einer klassischen Flüssigkeit erfüllt.<br />
Zuerst sei in Erinnerung gerufen, dass die Hamilton’sche Wirkungsfunktion<br />
eines klassisch mechanischen Systems,<br />
Σ (x2,t2)<br />
(x ≡ 1,t 1) S(x2,t2) (x [x 2<br />
1,t 1) φ] =t<br />
dt L (x φ (t),ẋ φ (t), t) ,<br />
t 1<br />
durch den Wert des Wirkungsfunktionals für die physikalische Bahn x φ (t) durch<br />
die Punkte (x 1 , t 1 ) und (x 2 , t 2 ) gegeben ist. Falls nicht die Lagrange-, sondern<br />
die Hamilton-Funktion vorgegeben ist, kann man die Wirkungsfunktion äquivalent<br />
auch aus der Wirkung des modifizierten Hamilton’schen Prinzips berechnen:<br />
Σ (x2,t2) (x2,t2)<br />
(x 1,t 1)<br />
≡ ˜S<br />
(x [x 2<br />
1,t 1) φ,p φ ] =t<br />
dt [ẋ φ (t) · p φ (t) − H(x φ (t),p φ (t), t)] .<br />
t 1<br />
Vereinfachend schreibt man oft:<br />
Σ(x, t) ≡ Σ (x,t)<br />
(x 1,t 1)<br />
,<br />
wobei die Koordinaten des Startpunktes (x 1 , t 1 ) also als implizite Parameter<br />
der Funktion Σ(x, t) aufgefaßt werden. Es gilt<br />
∂Σ<br />
∂x (x φ, t) = p φ ,<br />
∂Σ<br />
∂t (x φ, t) = −H(x φ ,p φ , t) ,<br />
so dass die Funktion Σ(x, t) die partielle Differentialgleichung<br />
∂Σ ∂Σ<br />
(x, t) + Hx,<br />
∂t ∂x (x, t), t=0 (2.33)<br />
erfüllt, die als Hamilton-Jacobi-Gleichung bezeichnet wird. Für ein freies Teilchen,<br />
also mit H = H 0 (p) = p 2 /2m, findet man als Ergebnis für die Wirkungsfunktion:<br />
Σ (x2,t2)<br />
(x 1,t 1) = m(x 2 − x 1 ) 2<br />
2(t 2 − t 1 )<br />
. (2.34)<br />
Für kompliziertere Probleme, wie z.B. für ein geladenes Teilchen (Ladung q,<br />
Masse m) unter der Einwirkung elektromagnetischer und zusätzlicher wirbelfreier<br />
Kräfte,<br />
H(x,p, t) =<br />
[p − qA(x, t)]2<br />
2m<br />
+ ¯V (x, t) , ¯V (x, t) ≡ qΦ(x, t) + V (x, t) ,<br />
läßt sich die Wirkungsfunktion im Allgemeinen nicht so einfach berechnen. Stets<br />
gilt jedoch, dass die Wirkungsfunktion sich für kurze Zeitintervalle (t 2 ↓ t 1 bei<br />
festem Relativvektor x 2 − x 1 ) auf diejenige des freien Teilchens reduziert,<br />
(t 2 − t 1 )Σ (x2,t2)<br />
(x 1,t 1) ∼ 1 2 m(x 2 − x 1 ) 2 (t 2 ↓ t 1 ) ,<br />
da die in diesem Grenzfall auftretenden Impulse sehr groß sind und daher die<br />
Hamilton-Funktion dominieren: H(x,p, t) ∼ H 0 (p) für t 2 ↓ t 1 .
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 31<br />
Wir betrachten nun das quantenmechanische Analogon, d.h. ein geladenes<br />
Teilchen, dessen Wellenfunktion die Schrödinger-Gleichung<br />
i∂ t ψ = Ĥψ , Ĥ = 1<br />
2m [ˆp − qA(x, t)]2 + ¯V (x, t) (2.35)<br />
erfüllt. Außerdem soll die „Bahn“ des Teilchens die gleichen Start- und Endpunkte<br />
wie das klassische Pendant besitzen:<br />
〈x〉 t1 = x 1 , 〈x〉 t2 = x 2 . (2.36)<br />
Auch für das Schrödinger-Teilchen erwartet man, dass es sich im Kurzzeitlimes<br />
(also für hohe Impulse: Ĥ ∼ H 0 (ˆp) = ˆp 2 /2m) effektiv frei verhält und<br />
somit dasselbe Verhalten aufweist wie ein freies isotropes Gaußpaket mit dem<br />
Wellenvektor k 0 ≡ m(x 2 − x 1 )/(t 2 − t 1 ):<br />
ψ(x, t) =å√<br />
2πl1 + i δt<br />
t Zè−d/2<br />
exp− (δx − 2il 2 k 0 ) 2<br />
4l 2 (1 + iδt/t Z ) − l 2 k 2 0. (2.37)<br />
Hierbei wurde δx ≡ x − x 1 und δt ≡ t − t 1 definiert. Außerdem stellt √ dl die<br />
Anfangsbreite des Wellenpaketes dar und t Z die Zeit, nach der es zerfließt:<br />
√<br />
dl =〈(δx) 2 〉 t1 , t Z = 2ml 2<br />
Für den allgemeinen Fall (2.35) nehmen wir an, dass typische Eigenschaften<br />
und Meßgrößen des Teilchens, wie die Masse m, der kinetische Impuls π φ (t) =<br />
p φ (t)−qA(x φ (t), t), die kinetische Energie E kin = 1<br />
2m [π φ(t)] 2 und die potentielle<br />
Energie ¯V (x φ (t), t) sowie der Relativvektor x 2 −x 1 ≡ x 21 und das Zeitintervall<br />
t 2 − t 1 ≡ t 21 im Limes → 0 alle endlich bleiben.<br />
Um nun die Dynamik der Wellenfunktion ψ(x, t) im klassischen Limes zu<br />
untersuchen, schreiben wir die Schrödinger-Gleichung (2.35) zuerst um als Differentialgleichung<br />
für die Größe i ln(ψ):<br />
<br />
−∂ tä<br />
i ln(ψ)ç= 1 ψ (i∂ tψ) = 1 ψĤψ<br />
(2.38)<br />
=<br />
2mä∇ 1 lnψ−qAç2 i +<br />
<br />
∆<br />
2mi i lnψ+ ¯V − q<br />
2mi ∇ · A .<br />
Es ist naheliegend, die Kombination i<br />
ln(ψ) zu betrachten, da man erwartet,<br />
dass der Impulsoperator ˆp = i<br />
∇ im klassischen Limes durch den (endlichen)<br />
klassischen kanonischen Impulsvektor p ersetzt werden kann: ˆpψ → pψ, d.h.<br />
1 ˆpψ = ∇<br />
ψ i lnψ→p .<br />
Damit p endlich ist, muß i<br />
ln(ψ) im klassischen Limes gegen einen endlichen<br />
Grenzwert streben, den wir als S 0 bezeichnen werden. Es soll also ∇S 0 = p<br />
gelten, und da p ein reeller Vektor ist, muß auch S 0 reell sein. Andererseits muß<br />
ln(ψ) im Limes → 0 auch einen endlichen Realteil besitzen, den wir als S 1<br />
bezeichnen werden, damit die Wellenfunktion in diesem Limes korrekt normiert<br />
bleibt:Êdx |ψ| 2 =Êdx e 2S1(x,t) = 1. Wir machen daher den Ansatz:<br />
<br />
i ln(ψ) = S 0 + i S 1 + · · · ( → 0) (2.39)<br />
.
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 32<br />
mit S 0 und S 1 reell und endlich. Im Limes → 0 soll Re(· · · ) klein im Vergleich<br />
zu S 0 und analog Im(· · · ) klein im Vergleich zu S 1 sein. Einsetzen von (2.39)<br />
in (2.38) liefert unter Vernachlässigung der Quantenkorrekturen (· · · ):<br />
−∂ tS 0 + i S 1=<br />
2mä∇S 1 0 + i S 1−qAç2<br />
+ <br />
2mi ∆S 0 + i S 1+ ¯V<br />
1ç<br />
− q<br />
2mi ∇ · A .<br />
Ein Vergleich der Real- bzw. Imaginärteile der beiden Glieder ergibt<br />
−∂ t S 0 = 1<br />
2m (∇S 0 − qA) 2 + ¯V − 2mä(∇S 2 1 ) 2 + ∆S<br />
und<br />
−∂ t S 1 = mä(∇S 1 0 − qA) · ∇S 1 + 1 2 ∆S 0 − 1 2q∇ · Aç.<br />
Die erste der beiden Gleichungen liefert im Limes → 0 :<br />
0 = ∂ t S 0 + 1<br />
2m (∇S 0 − qA) 2 + ¯V = ∂ t S 0 + H(x, ∇S 0 , t) (2.40)<br />
und erfüllt also die Hamilton-Jacobi-Gleichung. Wir können S 0 daher in der Tat<br />
mit der Hamilton’schen Wirkungsfunktion identifizieren. Die zweite der beiden<br />
Gleichungen kann mit Hilfe der Substitution S 1 (x, t) = 1 2<br />
ln[ρ(x, t)] auch als<br />
0 = ∂ t ρ + 1 m [(∇S 0 − qA) · ∇ρ + ρ∆S 0 − qρ∇ · A]<br />
= ∂ t ρ + 1 m ∇ · [(∇S 0 − qA) ρ] = ∂ t ρ + 1 m∇ · [(p − qA)ρ]<br />
= ∂ t ρ + 1 m ∇ · (πρ) = ∂ tρ + ∇ · (vρ) (2.41)<br />
geschrieben werden und hat also die Form einer Kontinuitätsgleichung für die<br />
Dichte einer mit der Geschwindigkeit v(x,t) strömenden klassischen Flüssigkeit,<br />
wobei v = 1 m (∇S 0 − qA) aus der Lösung der Hamilton-Jacobi-Gleichung (2.40)<br />
zu bestimmen ist. Mit Hilfe der Methode der charakteristischen Kurven ist diese<br />
Kontinuitätsgleichung lösbar, falls der Anfangswert ρ(x, 0) ≡ ρ 0 (x) vorgegeben<br />
ist. Zusammenfassend stellen wir also fest, dass die Wellenfunktion ψ(x, t) im<br />
klassischen Limes die Form<br />
ψ(x, t) =ρ(x, t) expi<br />
[Σ(x, t) + · · ·] (2.42)<br />
erhält, wobei Σ(x, t) die Hamilton’sche Wirkungsfunktion und ρ(x, t) = |ψ(x, t)| 2<br />
die Wahrscheinlichkeitsdichte des Wellenpaketes darstellt. Quantenkorrekturen<br />
wurden bei der Herleitung von (2.42) also vernachlässigt.<br />
Zwei Bemerkungen seien hinzugefügt: Erstens kann der klassische Limes natürlich<br />
nicht wirklich durch eine Entwicklung nach Potenzen des Planck’schen<br />
Wirkungsquantums dargestellt werden („Limes → 0“), da dieses Wirkungsquantum<br />
dimensionsbehaftet ist. Asymptotische Entwicklungen sind Entwicklungen<br />
nach einem kleinen dimensionslosen Parameter. Es wird daher unsere<br />
Aufgabe sein, genauer zu definieren, im Vergleich zu welchen anderen Größen<br />
mit der Dimension einer Wirkung klein sein soll. Zweitens sei darauf hingewiesen,<br />
dass auch die Breite √ dl des Wellenpaketes im Vergleich zu makroskopischen<br />
Abständen gegen Null streben muß, damit die quantenmechanische<br />
Zeitentwicklung sich im klassischen Limes auf die Trajektorie eines klassischen
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 33<br />
Punktteilchens reduziert. Andererseits kann l auch wieder nicht allzu klein gewählt<br />
werden, da die für das Zerfließen des Teilchens charakteristische Zeit<br />
t Z = 2ml 2 / auf jeden Fall groß im Vergleich zur makroskopischen Zeitskala<br />
t 2 − t 1 sein muß. Intuitiv ist klar, dass die Wahl von l die Quantenkorrekturen<br />
(· · · ) im Exponenten in entscheidend beeinflussen wird.<br />
Um den klassischen Limes genau zu definieren, führen wir x 21 ≡ |x 2 −x 1 | als<br />
typischen makroskopischen Abstand, t 21 = t 2 − t 1 als typische makroskopische<br />
Zeit, π 21 ≡ |π 21 | mit π 21 ≡ mx 21 /t 21 als typischen kinetischen Impuls und<br />
E 21 ≡ (π 21 ) 2 /2m als typische kinetische Energie für die quantenmechanische<br />
Bewegung eines Wellenpaketes von (x 1 , t 1 ) zu (x 2 , t 2 ) ein. Wir erhalten somit die<br />
folgenden Anforderungen an den klassischen Limes dieser quantenmechanischen<br />
Bewegung:<br />
(i) Die Breite √ dl des Wellenpaketes soll viel kleiner als der typische makroskopische<br />
Abstand x 21 sein, so dass l/x 21 = ml/π 21 t 21 ≡ ε 1 ein dimensionsloser<br />
kleiner Parameter ist.<br />
(ii) Die makroskopische Zeit t 21 soll viel kleiner als die für das Zerfließen des<br />
Wellenpaketes charakteristische Zeit t Z = 2ml 2 / sein, so dass 2t 21 /t Z =<br />
t 21 /ml 2 ≡ ε 2 ein zweiter dimensionsloser kleiner Parameter ist.<br />
(iii) Typische makroskopische Wirkungen wie x 21 π 21 oder E 21 t 21 sollten groß<br />
sein im Vergleich zu , so dass /x 21 π 21 = m/(π 21 ) 2 t 21 ≡ ε 3 ein dimensionsloser<br />
kleiner Parameter ist.<br />
(iv) Der typische kinetische Impuls π 21 des Teilchens soll viel größer sein als<br />
h/l, d.h. die de-Broglie-Wellenlänge h/π 21 soll viel kleiner als l sein, damit<br />
das Teilchen sich klassisch verhält. Folglich ist /π 21 l ≡ ε 4 ein weiterer<br />
dimensionsloser kleiner Parameter. Dasselbe Kriterium ε 4 ≪ 1 resultiert<br />
aus der Forderung, dass die typische intrinsische Energie 2 /2ml 2 des<br />
Wellenpaketes viel kleiner als seine kinetische Energie E 21 ist.<br />
Die kleinen Parameter ε 1 , ε 2 , ε 3 und ε 4 sind jedoch nicht alle voneinander<br />
unabhängig: Man zeigt leicht, dass ε 3 = (ε 1 ) 2 ε 2 bzw. ε 4 = ε 1 ε 2 gilt. Also können<br />
nur die Kriterien (i) und (ii) als unabhängig angesehen werden. Dass diese beiden<br />
Kriterien wirklich physikalisch unterschiedlich sind, folgt daraus, dass sie eine<br />
obere bzw. untere Schranke für l definieren:<br />
Öt 21<br />
≪Öt 21<br />
= l = π 21t 21<br />
m mε 2 m ε 1 ≪ π 21t 21<br />
.<br />
m<br />
Hiermit ist klar, welchen Anforderungen l im klassischen Limes genügen muss.<br />
Der Einfachheit halber wählen wir im Folgenden einen einzigen kleinen Parameter<br />
ε ≪ 1 und setzen ε 1 ≡ ε 1/4 und ε 2 ≡ ε 1/2 , so dass das Verhältnis von <br />
zu makroskopischen Wirkungen genau gleich ε 3 = (ε 1 ) 2 ε 2 = ε ist. Der klassische<br />
Limes ist daher gleichbedeutend mit dem Limes ε → 0. Durch Elimination von<br />
ε aus den beiden Gleichungen<br />
t 21<br />
m1/2<br />
ε −1/4 = l = π 21t 21<br />
m ε1/4<br />
erhält man l = 1/4 (t 21 /m) 3/4 (π 21 ) 1/2 , so dass bei dieser Wahl von ε 1 und ε 2<br />
im Limes → 0 formal l = O( 1/4 ) gilt.
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 34<br />
2.7 Nichtrelativistische Quantensysteme<br />
mehrerer Teilchen<br />
Systeme mehrerer Teilchen werden völlig analog durch eine Vielteilchenwellenfunktion<br />
Ψ(x 1 , . . .,x N ; t), eine Vielteilchen-Schrödinger-Gleichung<br />
i∂ t Ψ(x 1 , . . .,x N ; t) =äĤΨç(x 1 , . . . ,x N ; t)<br />
und einen Vielteilchen-Hamilton-Operator<br />
ˆp<br />
Ĥ =<br />
Nl=1<br />
2 l<br />
+ V (x 1 , . . . ,x N<br />
2m<br />
l<br />
; t)<br />
l<br />
bzw. (für elektromagnetische Kräfte)<br />
Nl=1(ˆp l − q l A l ) 2<br />
Ĥ =<br />
+ q l Φ<br />
2m l<br />
beschrieben, wobei ˆp l ≡ ∂<br />
i ∂x l<br />
, A l = A(x l , t) und Φ l = Φ(x l , t) gilt. Wiederum<br />
ist die Gesamtwahrscheinlichkeit erhalten:<br />
dx 1 . . .dx N |Ψ(x 1 , . . .,x N ; t)| 2 = 1 ,<br />
und es gilt eine entsprechende Kontinuitätsgleichung für die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />
ρ = |Ψ| 2 :<br />
∂ρ<br />
∂t<br />
Nl=1<br />
+ ∂<br />
· j l = 0 , j l ≡ Re(Ψ ∗ˆv l Ψ) ,<br />
∂x l<br />
wobei wir definierten: ˆv l ≡ ˆπ l /m l und ˆπ l ≡ ˆp l − q l A l .<br />
Aus der Kontinuitätsgleichung des N-Teilchen-Systems kann nun leicht eine<br />
Gleichung für die Einteilchendichten<br />
̺(1) ≡dx 2 . . .dx N |Ψ| 2<br />
j (1) ≡dx 2 . . .dx N Re(Ψ ∗ˆv 1 Ψ)<br />
hergeleitet werden. Man findet wie erwartet, dass die übliche Kontinuitätsgleichung<br />
∂̺(1)<br />
∂t<br />
(x 1 , t) + ∂<br />
∂x 1<br />
· j (1) (x 1 , t) = 0<br />
gilt, wobei die Wahrscheinlichkeitsstromdichte j (1) wiederum die Form einer<br />
Geschwindigkeitsdichte hat. Integration über x 1 liefert:<br />
dx 1 ̺(1) (x 1 , t) = 1 ,<br />
was lediglich besagt, dass einzelne Teilchen auch in der Vielteilchen-Schrödinger-<br />
Theorie nicht verloren gehen. Es sollte übrigens bereits an dieser Stelle darauf
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 35<br />
hingewiesen werden, dass Wellenfunktionen, die identische Teilchen beschreiben,<br />
nur eine sehr spezielle Symmetrie haben können. Hierbei gibt es einen<br />
wesentlichen Unterschied zwischen den sogenannten Bosonen und den Fermionen:<br />
Die Vielteilchenwellenfunktion für N bosonische Teilchen (man denke an<br />
4 He-Atome oder π-Mesonen) ist symmetrisch unter Vertauschung der Koordinaten<br />
zweier Teilchen, diejenige für N Fermionen (z. B. 3 He-Atome, Protonen,<br />
Elektronen oder Neutronen) dagegen antisymmetrisch. Es gibt einen engen<br />
Zusammenhang zwischen dem bosonischen oder fermionischen Charakter eines<br />
Teilchens und seinem intrinsischen Drehimpuls („Spin“). Auf alle diese Themen<br />
kommen wir später noch ausführlich zurück.
Kapitel3<br />
Formale Struktur der<br />
<strong>Quantenmechanik</strong><br />
Nachdem wir im vorigen Kapitel bereits die Basisgleichungen der nicht-relativistischen<br />
<strong>Quantenmechanik</strong> und einige ihrer Eigenschaften kennengelernt haben,<br />
ist es nun an der Zeit, die mathematische Struktur des quantenmechanischen<br />
Formalismus näher zu erforschen. Wir diskutieren den Funktionenraum der möglichen<br />
Lösungen der Schrödinger-Gleichung und die Eigenschaften von linearen<br />
Operatoren auf diesem Raum. Aus dieser Untersuchung von linearen Operatoren<br />
folgen u. a. die Heisenberg’schen Unschärferelationen. Als Beispiel für die Wirkung<br />
von linearen Operatoren im Funktionenraum diskutieren wir das „Teilchen<br />
im Kasten“. Diese und allgemeinere Betrachtungen gestatten dann eine präzise<br />
Formulierung der Basisprinzipien („Postulate“) der <strong>Quantenmechanik</strong>. Unsere<br />
Untersuchung der formalen Struktur der <strong>Quantenmechanik</strong> führt schließlich<br />
zum Konzept des abstrakten Vektorraums, das eine kompakte, elegante und allgemeingültige<br />
Formulierung der Wirkung von Operatoren im Funktionenraum<br />
ermöglicht.<br />
3.1 Der quantenmechanische Funktionenraum<br />
Der Funktionenraum der <strong>Quantenmechanik</strong> ist mathematisch gesprochen ein<br />
Hilbert-Raum, d. h. ein vollständiger, unitärer, linearer Raum mit (komplexem)<br />
Skalarprodukt. Das Skalarprodukt ist im Falle der <strong>Quantenmechanik</strong> durch das<br />
folgende Integral gegeben:<br />
(ψ 1 , ψ 2 ) ≡dxψ ∗ 1(x)ψ 2 (x) . (3.1)<br />
Beispiele solcher Integrale haben wir bereits vorher in der Form der Normierungsbedingung<br />
1 =Êdx |ψ(x)| 2 = (ψ, ψ) und der Definition von Mittelwerten<br />
Êdxψ ∗ Ôψ = (ψ, Ôψ) kennengelernt.<br />
Wir erklären die wichtigsten Begriffe:<br />
◮ Der Hilbert-Raum H der quadratisch integrierbaren Wellenfunktionen ist<br />
linear, weil er die folgenden Eigenschaften hat:<br />
a) ψ 1 , ψ 2 ∈ H ⇒ ψ 1 + ψ 2 ∈ H,
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 37<br />
b) ψ ∈ H, α ∈⇒αψ ∈ H,<br />
so dass aufgrund von a) und b) auch<br />
ψ 1,2 ∈ H, α 1,2 ∈⇒α 1 ψ 1 + α 2 ψ 2 ∈ H<br />
gilt (dies entspricht dem Superpositionsprinzip der <strong>Quantenmechanik</strong>).<br />
c) ∃0 ∈ H mit ψ + 0 = ψ,<br />
d) ∀ψ ∈ H ∃ψ ′ ∈ H, s. d. ψ + ψ ′ = 0,<br />
und für alle ψ, ψ 1 , ψ 2 , ψ 3 ∈ H, α, β ∈gilt:<br />
e) ψ 1 + ψ 2 = ψ 2 + ψ 1 , (Kommutativität)<br />
f) (ψ 1 + ψ 2 ) + ψ 3 = ψ 1 + (ψ 2 + ψ 3 ), (Assoziativität)<br />
g) 1 · ψ = ψ,<br />
h) α(βψ) = (αβ)ψ,<br />
i) (α + β)ψ = αψ + βψ,<br />
j) α(ψ 1 + ψ 2 ) = αψ 1 + αψ 2 .<br />
◮ Das vorher eingeführte „Skalarprodukt“,<br />
(ψ 1 , ψ 2 ) ≡dxψ ∗ 1(x)ψ 2 (x) ,<br />
ist tatsächlich auch im Sinne der Mathematik ein Skalarprodukt, da das Integral<br />
im rechten Glied folgende Eigenschaften hat:<br />
a) (ψ, ψ) ∈Ê, (ψ, ψ) ≥ 0,<br />
b) (ψ, ψ) = 0 ⇔ ψ = 0,<br />
c) (ψ 1 , ψ 2 ) = (ψ 2 , ψ 1 ) ∗ ,<br />
d) (ψ 1 , α 2 ψ 2 + α 3 ψ 3 ) = α 2 (ψ 1 , ψ 2 ) + α 3 (ψ 1 , ψ 3 ).<br />
In einem Raum mit Skalarprodukt gilt:<br />
(α 1 ψ 1 + α 2 ψ 2 , ψ 3 ) = α ∗ 1 (ψ 1, ψ 3 ) + α ∗ 2 (ψ 2, ψ 3 ) ,<br />
wie sich sofort aus den Eigenschaften c) und d) des Skalarprodukts ergibt. Weiterhin<br />
gilt die Schwarz’sche Ungleichung,<br />
|(ψ 1 , ψ 2 )| 2 ≤ (ψ 1 , ψ 1 )(ψ 2 , ψ 2 ) , (3.2)<br />
welche sich folgendermaßen beweisen lässt: Sie ist offensichtlich korrekt für ψ 1 =<br />
0. Für ψ 1 ≠ 0 zerlegen wir ψ 2<br />
2<br />
in Anteile parallel zu, bzw. senkrecht auf ψ 1 :<br />
ψ 2 = λψ 1 + ψ2 ⊥ , (ψ 1 , ψ2 ⊥ ) = 0 , λ = (ψ 1, ψ 2 )<br />
.<br />
(ψ 1 , ψ 1 )<br />
Daher gilt:<br />
(ψ 1 , ψ 1 )(ψ 2 , ψ 2 ) = (ψ 1 , ψ 1 )λψ 1 + ψ2 ⊥ , λψ 1 + ψ ⊥<br />
= (ψ 1 , ψ 1 )ä|λ| 2 (ψ 1 , ψ 1 ) + (ψ ⊥ 2 , ψ⊥ 2 )ç<br />
≥ (ψ 1 , ψ 1 ) 2 |λ| 2 = |(ψ 1 , ψ 2 )| 2 ,
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 38<br />
und dies ist genau die Schwarz’sche Ungleichung. Die Ungleichung wird dann<br />
und nur dann zu einer Gleichung, wenn ψ ⊥ 2 = 0 bzw. ψ 2 = λψ 1 gilt, d. h. wenn<br />
ψ 1 und ψ 2 proportional sind.<br />
◮ Der Hilbert-Raum ist unitär, da die Norm gemäß ‖ψ‖ ≡(ψ, ψ) mit dem<br />
Skalarprodukt verknüpft ist. Die Norm ist daher invariant unter unitären Transformationen.<br />
◮ Der Hilbert-Raum H ist vollständig, so dass jede Wellenfunktion ψ als Linearkombination<br />
gewisser orthonormaler Basiselemente ψ n geschrieben werden<br />
kann:<br />
ψ =<br />
α n ψ n , (ψ m , ψ n ) = δ mn , α n = (ψ n , ψ)<br />
∞n=1<br />
und ihre Norm durch ‖ψ‖ =<br />
È∞<br />
n=1 |α n| 2¡1/2 gegeben ist.<br />
1<br />
Die Hilbert-Räume der quadratisch integrierbaren Funktionen auf dem Intervall<br />
[a, b] bzw. (−∞, ∞) werden mit L 2 ([a, b]) bzw. kurz L 2 bezeichnet.<br />
3.2 Lineare Operatoren<br />
Ein Operator A : H → H heißt linear, wenn für alle ψ 1 , ψ 2 ∈ H, α, β ∈gilt:<br />
A(αψ 1 + βψ 2 ) = α(Aψ 1 ) + β(Aψ 2 ) .<br />
Die Wirkung der Operatoren cA, A 1 + A 2 , A 1 A 2 ist wie folgt definiert:<br />
(cA)ψ = c(Aψ)<br />
(A 1 + A 2 )ψ = A 1 ψ + A 2 ψ<br />
(A 1 A 2 )ψ = A 1 (A 2 ψ) ,<br />
und alle diese Operatoren sind linear. Der Einheits- und der Nulloperator sind<br />
definiert durch:<br />
11ψ = ψ ∀ψ ,<br />
0ψ = 0 ∀ψ .<br />
Im Allgemeinen gilt AB−BA ≡ [A, B] ≠ 0. Operatoren können selbstverständlich<br />
auch in Skalarprodukten auftreten:<br />
(ψ 1 , Aψ 2 ) =dxψ ∗ 1 (x)(Aψ 2 )(x) ,<br />
(A 1 ψ 1 , A 2 ψ 2 ) =dx(A 1 ψ 1 ) ∗ (x)(A 2 ψ 2 )(x) .<br />
1 Genau genommen wird Vollständigkeit eines metrischen Raumes X dadurch definiert, dass<br />
jede Cauchy-Folge in X konvergieren soll. Für den Spezialfall eines Hilbert-Raums H ̸= {0},<br />
dessen Metrik aus einem Skalarprodukt hergeleitet wird, impliziert die Vollständigkeit von H<br />
jedoch die Existenz eines vollständigen orthonormalen Satzes {ψ n}, so dass jede Wellenfunktion<br />
ψ ∈ H in der Form ψ =È∞<br />
αnψn geschrieben werden kann. Die Existenz vollständiger<br />
n=1<br />
orthonormaler Sätze von Basisfunktionen ist in der <strong>Quantenmechanik</strong> von fundamentaler Bedeutung.
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 39<br />
Insbesondere schreiben wir für den Erwartungswert des Operators A im Zustand<br />
ψ:<br />
〈A〉 =<br />
(ψ, Aψ)<br />
(ψ, ψ)<br />
,<br />
so dass für auf Eins normierte Wellenfunktionen 〈A〉 = (ψ, Aψ) gilt.<br />
Der zu A adjungierte Operator A † wird für alle ψ 1 , ψ 2 durch:<br />
(ψ 1 , A † ψ 2 ) ≡ (Aψ 1 , ψ 2 )<br />
oder äquivalent durch:<br />
(A † ψ 1 , ψ 2 ) ≡ (ψ 1 , Aψ 2 )<br />
definiert. Aus der Identität<br />
(ψ 1 , (A † ) † ψ 2 ) = (A † ψ 1 , ψ 2 ) = (ψ 1 , Aψ 2 ) (∀ψ 1 , ψ 2 )<br />
folgt sofort: (A † ) † = A. Aus<br />
((AB) † ψ 1 , ψ 2 ) = (ψ 1 , ABψ 2 ) = (B † A † ψ 1 , ψ 2 ) (∀ψ 1 , ψ 2 )<br />
folgt außerdem: (AB) † = B † A † . Ein Operator mit der Eigenschaft A = A † heißt<br />
hermitesch; die Eigenschaft selbst wird als Hermitezität bezeichnet. Es ist zu<br />
beachten, dass das Produkt AB zweier hermitescher Operatoren A und B nur<br />
dann hermitesch ist, falls ihr Kommutator Null ist: 0 = AB − BA = [A,B].<br />
Beispiele für hermitesche Operatoren sind x, ˆp und Ĥ :<br />
(xψ 1 , ψ 2 ) =dx(xψ 1 ) ∗ (x)ψ 2 (x) =dxψ ∗ 1 (x)xψ 2 (x) = (ψ 1,xψ 2 ) ,<br />
(ˆpψ 1 , ψ 2 ) =dx(ˆpψ 1 ) ∗ (x)ψ 2 (x) =dxψ ∗ 1 (x)ˆpψ 2 (x) = (ψ 1, ˆpψ 2 ) ,<br />
(Ĥψ 1, ψ 2 ) =dx(Ĥψ 1) ∗ (x)ψ 2 (x) =dxψ ∗ 1 (x)Ĥψ 2 (x) = (ψ 1, Ĥψ 2) .<br />
Alle „Observablen“ – d. h. den Messgrößen entsprechende Operatoren – sind<br />
hermitesch.<br />
3.3 Die Heisenberg’schen Unschärferelationen<br />
Wir betrachten zwei hermitesche Operatoren A und B, ihre Erwartungswerte in<br />
einem normierten Zustand ψ,<br />
〈A〉 ψ = (ψ, Aψ) , 〈B〉 ψ = (ψ, Bψ) ,<br />
ihre Abweichungen vom Mittelwert: 2<br />
δA ≡ A − 〈A〉 ψ , δB ≡ B − 〈B〉 ψ<br />
2 Da A hermitesch ist, ist 〈A〉 ψ reell: 〈A〉 ψ = (ψ, Aψ) = (A † ψ, ψ) = (Aψ, ψ) = (ψ, Aψ) ∗ =<br />
〈A〉 ∗ . Somit ist auch δA hermitesch.<br />
ψ
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 40<br />
und ihre Unschärfen:<br />
∆A ≡〈(δA) 2 〉 ψ , ∆B ≡〈(δB) 2 〉 ψ .<br />
Die Unschärferelation besagt nun, dass das Produkt ∆A∆B nach unten beschränkt<br />
ist:<br />
∆A∆B ≥ 1 2 |〈[A, B]〉 ψ| . (3.3)<br />
Die Interpretation dieser Ungleichung ist, dass man die Observablen A und B<br />
nicht gleichzeitig scharf messen kann, wenn der Erwartungswert des Kommutators<br />
[A, B] für alle normierten ψ ungleich Null ist.<br />
Man beweist die Unschärferelation (3.3) wie folgt:<br />
(∆A) 2 (∆B) 2 =ψ, (δA) 2 ψψ, (δB) 2 ψ=(δAψ, ∗ç<br />
δAψ) (δBψ, δBψ)<br />
≥ | (δAψ, δBψ) | 2 = |(ψ, δAδBψ)| 2<br />
≥ | Im(ψ, δAδBψ) | 2 = 1 4 |〈[A, B]〉 ψ| 2 ,<br />
wobei in der vorletzten Zeile die Schwarz’sche Ungleichung und im letzten<br />
Schritt die Identität:<br />
Im(ψ, δAδBψ) = 2iä(ψ, 1 δAδBψ) − (ψ, δAδBψ)<br />
= 2iä(ψ, 1 δAδBψ) − (δAδBψ, = 2iä(ψ, 1 δAδBψ) − (ψ, δBδAψ)ç<br />
= 1 2i (ψ, [δA, δB]ψ) = 1 2i<br />
(ψ, [A, B]ψ)<br />
= 1 2i 〈[A, B]〉 ψ<br />
verwendet wurde und analog gilt: Re (ψ, δAδBψ) = 1 2 〈(δAδB + δBδA)〉 ψ.<br />
„Minimale Unschärfe“ liegt vor, wenn das Gleichzeichen in der Unschärferelation<br />
gilt:<br />
∆A∆B = 1 2 |〈[A, B]〉 ψ| .<br />
Dies erfordert zum einen, dass die Schwarz’sche Ungleichung zu einer Gleichung<br />
wird, d. h. dass δAψ und δBψ proportional sind:<br />
δBψ = λδAψ (λ ∈) ;<br />
andererseits muss (ψ, δAδBψ) rein imaginär sein, d. h. es gilt:<br />
0 = (ψ, (δAδB + δBδA)ψ) = (δAψ, δBψ) + (δBψ, δAψ)<br />
= (λ + λ ∗ )(δAψ, δAψ) = (λ + λ ∗ )(∆A) 2 .<br />
Folglich ist für minimale Unschärfe λ rein imaginär: λ = ±i|λ|. Die Bedingung<br />
δBψ = ±i|λ|δAψ<br />
wird so zur Bestimmungsgleichung für mögliche Zustände minimaler Unschärfe.<br />
Als ergänzende Bemerkung sei hinzugefügt, dass die Umkehrung der Unschärferelation<br />
nicht unbedingt zutrifft: Es ist im Allgemeinen nicht so, dass
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 41<br />
[A, B] = 0 impliziert, dass die Observablen A und B für alle ψ auch gleichzeitig<br />
scharf messbar sind. Dies gilt im Allgemeinen nur für spezielle ψ, die<br />
„gemeinsamen Eigenfunktionen“ von A und B. Für Linearkombinationen solcher<br />
gemeinsamer Eigenfunktionen zu verschiedenen Eigenwerten gilt jedoch im<br />
Allgemeinen ∆A∆B ≠ 0.<br />
Als erstes Beispiel betrachten wir einen Operator A, der nicht explizit zeitabhängig<br />
ist: ∂A<br />
∂t<br />
= 0 , und wir wählen B = Ĥ. Es folgt:<br />
∆A∆Ĥ ≥ 1<br />
2¬〈[A, Ĥ]〉 ψ¬= 1 2 ¬d〈A〉 ψ<br />
dt¬. (3.4)<br />
Beispielsweise hätte man für A = x i :<br />
∆x i ∆Ĥ ≥<br />
<br />
2m |〈ˆp i〉 ψ | = 1 2 ¬d〈x i 〉 ψ<br />
dt¬. (3.5)<br />
Wir werden im nächsten Abschnitt sehen, dass die Ungleichungen (3.4) und (3.5)<br />
im Allgemeinen sehr nützlich sind. Für stationäre Zustände ψ sind sie jedoch<br />
nicht besonders hilfreich, da die rechten Glieder der beiden Ungleichungen in<br />
diesem Falle Null und die Ungleichungen selbst somit trivial sind.<br />
Als zweites, sehr wichtiges Beispiel diskutieren wir das Operatorenpaar<br />
A = x i , B = ˆp j ,<br />
das die folgende Unschärferelation erfüllt:<br />
∆x i ∆p j ≥ 1 2 |〈[x i, ˆp j ]〉 ψ | = 1 2 |〈iδ ij〉 ψ | = 1 2 δ ij .<br />
Der gleichen Raumrichtung entsprechende Orts- und Impulskoordinaten (i = j)<br />
sind also nicht gleichzeitig scharf messbar:<br />
∆x i ∆p i ≥ 1 2 <br />
(i = 1, . . .,d)<br />
im Gegensatz zu ungleichen Koordinaten (i ≠ j), die gleichzeitig scharf messbar<br />
sind.<br />
Wir bestimmen nun die Form des Wellenpakets mit minimaler Unschärfe in<br />
jeder der d ausgewählten Raumrichtungen, so dass für alle i = 1, . . .,d:<br />
∆x i ∆p i = 1 2 <br />
gelten soll. Die Bestimmungsgleichungen für ψ lauten daher:<br />
∂<br />
<br />
− 〈ˆp i 〉 ψψ = δˆp i ψ = ±i<br />
i ∂x i (l i ) 2 δx <br />
iψ = ±i<br />
(l i ) 2 (x i − 〈x i 〉 ψ )ψ ,<br />
mit i = 1, . . . , d und |λ i | ≡ /(l i ) 2 . Es ergibt sich somit:<br />
ψ(x) ∝ e ∓ 1<br />
2(l i ) 2 (xi−〈xi〉 ψ) 2 +i〈ˆp i〉 ψ x i/<br />
(i = 1, . . .,d) .<br />
Wegen der Normierbarkeit der Wellenfunktion ist nur die Wahl λ i = +i|λ i |<br />
akzeptabel. Die Wellenfunktion mit minimaler Unschärfe hat also i.A. die Form<br />
eines anisotropen Gauß-Pakets:<br />
ψ(x) = Be − 1 2Èd<br />
i=1 (xi−〈xi〉 ψ) 2 /(l i) 2 +i〈ˆp〉 ψ·x/<br />
,
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 42<br />
wobei der Vorfaktor B aus der Normierung zu bestimmen ist.<br />
Wird die stärkere Forderung auferlegt, dass die Unschärfe in jeder Raumrichtung<br />
(also nicht nur entlang den Koordinatenachsen) minimal sein soll, so<br />
dass für alle Einheitsvektoren e gilt: ∆(x ·e)∆(ˆp ·e) = 1 2, dann findet man als<br />
Lösung das isotrope Gauß-Paket mit l i = l für alle i = 1, . . .,d.<br />
3.4 Die Unschärferelation ∆E∆t ≥ 1 2 <br />
Neben der Heisenberg’schen Unschärferelation ∆A∆B ≥ 1 2 |〈[A, B]〉 ψ| wird<br />
auch des Öfteren eine Unschärferelation der Form ∆E ∆t ≥ 1 2 angegeben,<br />
die die Energie und die Zeit miteinander verknüpft. Es ist a priori klar, dass<br />
die Energie-Zeit-Unschärferelation einen ganz anderen Charakter als die Heisenberg’schen<br />
Relationen hat: Die Zeit ist ja keine dynamische Variable oder<br />
Messgröße, die in der <strong>Quantenmechanik</strong> mit Hilfe eines Operators zu beschreiben<br />
wäre, sondern lediglich ein Parameter, als Funktion dessen die dynamischen<br />
Variablen Ort, Impuls, Energie, usw., zu untersuchen sind.<br />
Die Unschärferelation ∆E ∆t ≥ 1 2 ist daher ganz anders und zwar wie folgt<br />
zu interpretieren: Aus dem vorigen Abschnitt (s. Gleichung (3.4)) mit A = Ô<br />
wissen wir, dass die Heisenberg’sche Unschärferelation für das Operatorenpaar<br />
(Ĥ, Ô) allgemein<br />
∆Ĥ∆Ô ≥ 1¬d〈Ô〉<br />
2<br />
dt¬<br />
lautet. Mit den Definitionen<br />
∆E ≡ ∆Ĥ , (∆t) Ô ≡ ∆Ô<br />
|d〈Ô〉/dt|<br />
folgt daher sofort die Energie-Zeit-Unschärferelation<br />
∆E(∆t)Ô ≥ 1 2 .<br />
Diese Herleitung der Energie-Zeit-Unschärferelation zeigt klar, dass die „Unschärfe“<br />
der Zeit tatsächlich durch die Unschärfe des Operators Ô bedingt ist,<br />
und natürlich auch, dass (∆t)Ô entscheidend von der Wahl von Ô abhängig ist.<br />
Als einfaches Beispiel betrachten wir ein freies Teilchen der Masse m in einer<br />
Dimension, und fragen uns, wieviel Zeit das Teilchen benötigt, einen speziellen<br />
Punkt x 0 zu passieren. Als Maß für dieses Zeitintervall könnte man z. B.<br />
(∆t) x =<br />
∆x<br />
|d〈x〉/dt|<br />
nehmen, da ∆x die typische Ausdehnung des Teilchens und¬d〈x〉<br />
dt¬seine Geschwindigkeit<br />
darstellen. Aufgrund der Energie-Zeit-Unschärferelation muss nun<br />
unbedingt ∆E(∆t) x ≥ 1 2 gelten. Man kann diese Unschärferelation z. B. für<br />
Gauß’sche Wellenpakete mit der Anfangsbedingung<br />
ψ(k, 0) = B e −A(k−k0)2 bzw. ψ(x, 0) = B √<br />
2A<br />
e − x2<br />
4A +ik0x
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 43<br />
explizit überprüfen. Für diesen Spezialfall wissen wir bereits, dass<br />
und somit<br />
∆x =A +t<br />
2m2 1<br />
A , d〈x〉<br />
= k 0<br />
dt m<br />
(∆t) x = m +t<br />
2m2 1<br />
|k 0 |A<br />
A<br />
gilt. Um die Frage nach der Zeit zu beantworten, die das Wellenpaket benötigt,<br />
den Punkt x 0 zu passieren, muss man lediglich wegen 〈x〉 = k 0 t/m die Zeitvariable<br />
t in diesem Ausdruck für (∆t) x durch mx 0 /k 0 ersetzen. Die Energie des<br />
Wellenpakets und die Unschärfe in seiner Energie folgen als<br />
E =dk ω k | ˆψ(k, t)| 2 =<br />
2mk 2<br />
0<br />
4A<br />
2 + 1<br />
und<br />
∆E =ådk (ω k − E) 2 | ˆψ(k, t)| 2è1/2<br />
= 2 |k 0 |<br />
2m √ A1 + 1<br />
8Ak 2 01/2<br />
Verwenden wir noch, dass die typische Ausdehnung des Wellenpakets im k-<br />
Raum durch ∆k = 1<br />
2 √ und typische Zeit, nach der das Wellenpaket zerfließt,<br />
A<br />
durch t Z = 2mA<br />
<br />
gegeben sind, so findet man<br />
+ 2∆k 1<br />
021<br />
k<br />
∆E(∆t) x = 1 2 ×1 +t<br />
t Z2.<br />
Dieses exakte Ergebnis bestätigt einerseits die Unschärferelation ∆E(∆t) x ≥<br />
1<br />
2 , zeigt jedoch andererseits auch, dass das Produkt ∆E(∆t) x im nicht-klassischen<br />
Regime (t ≫ t Z ) und für anfangs räumlich stark lokalisierte Wellenpakete<br />
mit niedriger Geschwindigkeit∆k<br />
|k ≫ 1erheblich 0|<br />
größer als 1 2 sein kann. Die<br />
physikalische Interpretation der Unschärferelation ∆E(∆t) x ≥ 1 2, die aus dem<br />
obigen Beispiel hervorgeht, ist schließlich, dass eine Energiemessung mit der<br />
Genauigkeit ∆E an einem Wellenpaket notwendigerweise mindestens die Zeit<br />
∆t ≥ 1 2/∆E dauern muss.<br />
.<br />
3.5 Operatoren im Hilbertraum:<br />
Ein konkretes Beispiel<br />
Eins der einfachsten exakt lösbaren Probleme aus der Quantentheorie mit einer<br />
nicht-trivialen Potentialfunktion (V (x) ≠ 0) ist wohl das berühmte „Teilchen im<br />
Kasten“: Das Teilchen ist eingeschlossen in einem üblicherweise als quaderförmig<br />
angenommenen Kasten:<br />
D =ä− 1 2 L, 1 2 Lçd<br />
, Volumen V = L d
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 44<br />
und erfüllt im Inneren des Kastens die freie Schrödinger-Gleichung:<br />
i∂ t ψ = − 2<br />
2m ∆ψ .<br />
Das „Teilchen“ verdankt seine Popularität übrigens keineswegs nur seiner Lösbarkeit<br />
mit elementarsten Mitteln. Das Modell eines näherungsweise freien Teilchens<br />
in einem endlichen Volumen hat auch durchaus wichtige Anwendungen.<br />
Man denke an Elektronen in einem einfachen Metall, an freie Elektronen im<br />
Inneren eines heißen Sterns (z. B. eines Weißen Zwergs) oder an bosonische Teilchen<br />
in einem Bose-Einstein-Kondensat. Falls erforderlich ist es auch durchaus<br />
möglich, Teilchen in nicht-quaderförmigen Kästen zu untersuchen. Insbesondere<br />
für Volumina, die groß sind im Vergleich zu mikroskopischen Abmessungen, ist<br />
die genaue Form des Kastens jedoch meistens unerheblich.<br />
Zur Lösung der Schrödinger-Gleichung benötigen wir noch eine Rand- und<br />
eine Anfangsbedingung. Zwei mögliche Randbedingungen sind in der Literatur<br />
über das „Teilchen im Kasten“ besonders prominent: die festen und die periodischen<br />
Randbedingungen. Die festen Randbedingungen sind konzeptionell am<br />
einfachsten; man fordert, dass auf dem Rand<br />
ψ(x, t) = 0<br />
(x ∈ ∂D)<br />
gelten soll. Diese Bedingung bedeutet physikalisch, dass sich am Rand unendlich<br />
hohe Potentialwände befinden:<br />
Ĥ = − 2<br />
2m ∆ + V (x) ; V (x) =0 (x ∈ D)<br />
∞ (x ∉ D)<br />
.<br />
Wegen der unendlich hohen Potentialwände am Rand ist die feste Randbedingung<br />
offensichtlich nicht translationsinvariant. Bei der periodischen Randbedingung<br />
wird dagegen angenommen, dass für alle x ∈ D<br />
ψ(x + Le l , t) = ψ(x, t)<br />
(l = 1, . . .,d)<br />
gilt, wobei e l einen Basisvektor in x l -Richtung darstellt.<br />
L<br />
x 2<br />
x 1<br />
0<br />
L<br />
Abbildung 3.1: Das Teilchen im Kasten
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 45<br />
x 1<br />
x 2<br />
Abbildung 3.2: Periodische Randbedingungen<br />
Grafisch bedeutet diese Randbedingung, dass das Teilchen sich auf einem<br />
d-dimensionalen Torus bewegt. Die periodische Randbedingung ist streng genommen<br />
meist nicht realistisch und findet ihre Daseinsberechtigung darin, dass<br />
die genaue Form der Randbedingung für große Volumina völlig unwichtig ist<br />
und dass die periodische Randbedingung wegen ihrer Translationsinvarianz für<br />
manche Zwecke leichter zu implementieren ist als die feste Variante. Welche<br />
Randbedingung auch gewählt wird, die Anfangsbedingung<br />
ψ(x, 0) = ψ 0 (x)<br />
muss natürlich kompatibel mit ihr sein. Hier konzentrieren wir uns auf die periodische<br />
Randbedingung; die feste Variante wird in der Übung näher untersucht.<br />
3.5.1 Entwicklung nach Basisfunktionen<br />
Da die Wellenfunktion ψ(x, t) im Falle der periodischen Randbedingung eine<br />
periodische Funktion des Ortes mit Periode L in jeder Raumrichtung ist, kann<br />
man die harmonische Analyse anwenden. Die Basisfunktionen der harmonischen<br />
Analyse,<br />
φ k (x) ≡ 1 √<br />
V<br />
e ik·x ,<br />
erfüllen die periodische Randbedingung ψ(x+Le l ) = ψ(x) dann und nur dann,<br />
wenn jede Komponente von k ein ganzes Vielfaches von 2π L ist:<br />
k = 2π L n (n ∈d ) ,<br />
denn dann gilt:<br />
φ k (x + Le l ) = φ k (x)e iLk·e l<br />
= φ k (x)e 2πin l<br />
= φ k (x) .<br />
Das Volumen pro k-Punkt im k-Raum ist<br />
∆k =2π<br />
Ld<br />
= (2π)d<br />
V<br />
.
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK<br />
l<br />
46<br />
Man überprüft leicht, dass die φ k (x) orthonormal sind:<br />
(φ k1 , φ k2 ) dxφ ≡D<br />
∗ k 1<br />
(x)φ k2<br />
(x) = 1 dl=11<br />
2 L<br />
dx l e i(k 2l−k 1l )x<br />
V − 1 2 L<br />
= 1 V<br />
dl=1Lδ k1l k 2l=δ k1k 2<br />
.<br />
Der Satz von Dirichlet in der harmonischen Analyse besagt nun, dass die Wellenfunktion<br />
ψ(x, t) unter relativ schwachen Voraussetzungen nach den orthonormalen<br />
Basisfunktionen φ k (x) entwickelt werden kann:<br />
ψ(x, t) = (2π)d/2<br />
V<br />
k<br />
ˆψ(k, t)e ik·x =2π<br />
Ld/2k<br />
ˆψ(k, t)φ k (x) , (3.6)<br />
ˆψ(k, t) = (2π) −d/2D dy ψ(y, t)e −ik·y<br />
=L<br />
2πd/2D<br />
dy ψ(y, t)φ ∗ k(y) . (3.7)<br />
Wir überprüfen, dass die Formeln (3.6) und (3.7) im Limes V → ∞ die üblichen<br />
Regeln für Fourier-Transformationen ergeben:<br />
ψ(x, t) = (2π) −d/2k<br />
(∆k) ˆψ(k, t)e ik·x → (2π) −d/2dk ˆψ(k, t)e ik·x ,<br />
ˆψ(k, t) = (2π) −d/2D dy ψ(y, t)e −ik·y → (2π) −d/2dy ψ(y, t)e −ik·y .<br />
Durch Einsetzen von (3.7) in (3.6) erhält man eine wichtige Darstellung der<br />
Deltafunktion:<br />
ψ(x, t) dy ψ(y, =D<br />
t)åk<br />
φ k (x)φ ∗ k(y)è, (3.8)<br />
bzw.k<br />
φ k (x)φ ∗ k (y) = δ(x − y) . (3.9)<br />
Dieses Resultat impliziert, dass der Einheitsoperator als Summe der Projektionen<br />
auf die einzelnen Basisfunktionen geschrieben werden kann:<br />
f(x) = (11f)(x) =D<br />
dy δ(x − y)f(y)<br />
=k<br />
φ k dy φ (x)D<br />
∗ k(y)f(y) =k<br />
φ k (x)(φ k , f)<br />
oder äquivalent:<br />
f =k<br />
(φ k , f)φ k .
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 47<br />
Die Identität (3.9) ist gleichbedeutend mit dem Dirichtlet’schen Satz, der besagt,<br />
dass bei der Entwicklung der Wellenfunktion ψ nach dem Basissatz {φ k }<br />
keine Information verloren geht. Da ψ vollständig darstellbar ist als Linearkombination<br />
von φ k -Beiträgen, wird (3.9) als Vollständigkeitsrelation bezeichnet.<br />
Der Satz {φ k } ist also orthonormal und vollständig. Da der lineare Raum aller<br />
möglichen periodischen, quadratisch integrierbaren Wellenfunktionen ψ also ein<br />
komplexes Skalarprodukt, eine hierauf basierende Norm und einen vollständigen<br />
Satz orthonormaler Basiselemente besitzt, ist im Titel dieses Abschnitts zurecht<br />
von einem Hilbert-Raum die Rede.<br />
3.5.2 Operatoren im Hilbert-Raum<br />
Betrachten wir nun Operatoren in diesem Hilbert-Raum, insbesondere den Impulsoperator<br />
ˆp und den Hamilton-Operator Ĥ. Interessanterweise sind alle Basisfunktionen<br />
φ k Eigenfunktionen des Impulsoperators:<br />
(ˆpφ k )(x) = i ∇ 1 √<br />
V<br />
e ik·x = k 1 √<br />
V<br />
e ik·x = kφ k (x) .<br />
Der entsprechende Eigenwert ist offenbar k = p. Umgekehrt zeigt man leicht,<br />
dass alle periodischen Eigenfunktionen des Impulsoperators die Form φ k (x) mit<br />
k = 2π L<br />
n haben. Es folgt also, dass der hermitesche Operator ˆp (zumindest im<br />
Falle des „Teilchens“ mit periodischen Randbedingungen) einen vollständigen,<br />
orthonormalen Satz von Eigenfunktionen hat. Die entsprechenden Eigenwerte<br />
k sind hierbei nicht entartet, d. h. es gibt keine zwei Eigenfunktionen mit demselben<br />
Impulseigenwert. Es sei noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass<br />
die allgemeine Wellenfunktion ψ im letzten Abschnitt also offenbar nach den<br />
Eigenfunktionen φ k des Impulsoperators entwickelt wurde und dass die Fourier-<br />
Koeffizienten ˆψ(k, t) die entsprechenden Amplituden („Koordinaten“) in dieser<br />
Entwicklung darstellen.<br />
Der Hamilton-Operator hat überall auf dem Torus [− 1 2 L, 1 2 L]d die Form<br />
− 2<br />
2m ∆ und ist somit translationsinvariant. Alle Elemente des Basissatzes {φ k}<br />
sind Eigenfunktionen des Hamilton-Operators:<br />
(Ĥφ k)(x) = − 2<br />
2m (∆φ k)(x) = 2 k 2<br />
2m φ k(x) ≡ ε k φ k (x) , (3.10)<br />
und wegen der Vollständigkeit des Satzes {φ k } gibt es keine weiteren unabhängigen<br />
Eigenfunktionen. Die Eigenwerte des Hamilton-Operators sind entartet,<br />
da ε k für k = 2π L n und z. B. alle n = ±e l (l = 1, . . .,d) denselben Wert hat.<br />
Es ist übrigens kein Zufall, dass Ĥ und ˆp dieselben Eigenfunktionen haben; dies<br />
ist eine direkte Konsequenz davon, dass Ĥ und ˆp kommutieren, [Ĥ, ˆp] = 0, und<br />
die Eigenwerte von ˆp nicht-entartet sind. Aus<br />
0 = [Ĥ, ˆp]φ k = k(Ĥφ k) − ˆp(Ĥφ k)<br />
folgt nämlich sofort, dass Ĥφ k eine Eigenfunktion von ˆp zum Eigenwert k und<br />
somit proportional zu φ k sein muss.<br />
Aus der Eigenwertgleichung (3.10) und dem Dirichlet’schen Satz (3.8) folgt<br />
außerdem, dass die allgemeine Lösung der Schrödinger-Gleichung für das „Teilchen“<br />
zur Anfangsamplitude ψ 0 (x) gegeben ist durch:<br />
ψ(x, t) =k<br />
e −iε kt/ φ k (x)(φ k , ψ 0 ) ,
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 48<br />
denn diese Wellenfunktion erfüllt offensichtlich die Randbedingung und außerdem<br />
die Anfangsbedingung<br />
ψ(x, 0) =k<br />
φ k (x)(φ k , ψ 0 ) = ψ 0 (x)<br />
sowie die Schrödinger-Gleichung:<br />
i∂ t ψ =k<br />
ε k e −iε kt/ φ k (φ k , ψ 0 )<br />
=k<br />
e −iε kt/ (Ĥφ k)(φ k , ψ 0 ) = Ĥψ .<br />
Außerdem ist zu beachten, dass die Lösung der Schrödinger-Gleichung eindeutig<br />
ist, denn die Annahme des Gegenteils:<br />
i∂ t ψ 1 = Ĥψ 1 , ψ 1 (x, 0) = ψ 0 (x) + Randbedingung<br />
i∂ t ψ 2 = Ĥψ 2 , ψ 2 (x, 0) = ψ 0 (x) + Randbedingung<br />
mit ψ 1 ≠ ψ 2 führt sofort zu einem Widerspruch: Für ψ ≡ ψ 1 − ψ 2 gilt dann<br />
nämlich<br />
i∂ t ψ = Ĥψ , ψ(x, 0) = 0 + Randbedingung ,<br />
so dass die Teilchenzahlerhaltung ∂ tÊD dx |ψ|2 = 0 der Wellenfunktion ψ zur<br />
Folge hat, dass ψ 1 und ψ 2 notwendigerweise gleich sind: Wegen<br />
dx |ψ(x, t)|<br />
D<br />
2 dx |ψ(x, 0)| =D 2 = 0<br />
folgt nämlich ψ(x, t) = 0. Aufgrund dieser Überlegungen können wir also einen<br />
Operator Ût:<br />
mit<br />
ψ(x, t) = (Ûtψ 0 )(x) ≡D<br />
dy Ût(x|y)ψ 0 (y)<br />
Û t (x|y) ≡k<br />
e −iε kt/ φ k (x)φ ∗ k(y)<br />
definieren, der die Zeitentwicklung von ψ für eine beliebige Anfangsbedingung<br />
ψ 0 vollständig festlegt und dementsprechend als Zeitentwicklungsoperator bezeichnet<br />
wird.<br />
Schließlich betrachten wir einen dritten hermiteschen Operator im Hilbert-<br />
Raum, den Ortsoperator ˆx, der eine beliebige ortsabhängige Funktion mit dem<br />
Ortsvektor x multipliziert: (ˆxf)(x) = xf(x). Auch dieser lineare Operator im<br />
Hilbert-Raum kann für alle x ∈ D als Integraloperator („Matrix“) geschrieben<br />
werden:<br />
(ˆxf)(x) =D<br />
dy X(x,y)f(y) , X(x,y) = yδ(x − y) .<br />
Die Wirkung des Ortsoperators ist nur im Ortsraum einfach. Zum Beispiel findet<br />
man im k-Raum für ein Teilchen in einem unendlich ausgedehnten Kasten (V →
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 49<br />
∞), dass der Ortsoperator durch die Ableitung bezüglich des Wellenvektors k<br />
bestimmt ist:<br />
(ˆx ˆψ)(k, t) = 1<br />
(2π) d/2dyyψ(y, t)e −ik·y = i ∂ ∂k ˆψ(k, t) ,<br />
so dass ˆx = i ∂ ∂k<br />
generell:<br />
gilt. Für das Teilchen in einem endlichen Kasten erhält man<br />
(ˆx ˆψ)(k, t) = 1<br />
(2π) d/2D<br />
dyyψ(y, t)e −ik·y = 1 Vk ′<br />
ˆψ(k ′ , dyye t)D<br />
i(k′ −k)·y<br />
=k ′ (∆k)A(k ′ ,k) ˆψ(k ′ , t) , A(k ′ ,k) = 1<br />
(2π) ddyye i(k′ −k)·y ,<br />
so dass der Ortsoperator als Matrix dargestellt werden kann: ˆx = (∆k)A. Mit<br />
Hilfe des Ortsoperators kann die Wirkung des Hamilton-Operators im Falle<br />
konservativer Kräfte allgemein als<br />
Ĥψ =ˆp 2<br />
2m + V (ˆx)ψ<br />
geschrieben werden, und auch im Falle elektromagnetischer Kräfte ist lediglich<br />
die Ortsvariable x in Ĥ durch ˆx zu ersetzen.<br />
Ähnlich wie der Impuls- und der Hamilton-Operator ist auch der Ortsoperator<br />
ˆx hermitesch:<br />
(ψ 1 , ˆxψ 2 ) =D<br />
dxψ ∗ 1 (x)xψ 2 (x) = (ˆxψ 1, ψ 2 ) ,<br />
und ähnlich wie ˆp und Ĥ hat auch ˆx einen vollständigen orthonormalen Satz<br />
von Eigenfunktionen. Um dies zu zeigen, suchen wir Lösungen der Eigenwertgleichung<br />
(ˆxχ ξ )(x) = xχ ξ (x) = ξχ ξ (x) ,<br />
wobei χ ξ (x) also eine Eigenfunktion des Ortsoperators und ξ den entsprechenden<br />
Eigenwert bezeichnet. Offensichtlich kann der Träger von χ ξ (x) nur aus<br />
einem einzigen Punkt bestehen. Tatsächlich ist die Lösung:<br />
χ ξ (x) = δ(x − ξ) .<br />
Die {χ ξ (x)} werden Ortseigenfunktionen genannt. Dieser Satz ist orthonormal:<br />
(χ ξ1 , χ ξ2 ) dxχ =D<br />
∗ ξ 1<br />
(x)χ ξ2<br />
(x) dxδ(x − ξ 1 )δ(x − ξ 2 ) = δ(ξ 1 − ξ 2 )<br />
=D<br />
und vollständig:<br />
dξ χ ξ (x)χ<br />
D<br />
∗ ξ(y) = δ(x − y) ,<br />
so dass jede Wellenfunktion ψ(x, t) nach diesen Basisfunktionen entwickelt werden<br />
kann:<br />
ψ(x, t) =D<br />
dξ ψ(ξ, t)χ ξ (x) . (3.11)
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 50<br />
Es gibt keinen gemeinsamen vollständigen Satz von Eigenfunktionen des Ortsund<br />
Impulsoperators oder des Orts- und des Hamilton-Operators, da diese Operatoren<br />
nicht miteinander kommutieren.<br />
Gleichung (3.11) ist einerseits natürlich sehr einfach, andererseits aber auch<br />
sehr wichtig, da sie erstmals klar zeigt, dass die Quantentheorie in mehreren<br />
äquivalenten, jedoch gänzlich unterschiedlichen „Sprachen“ (die üblicherweise<br />
als Darstellungen bezeichnet werden) formuliert werden kann: Man kann die<br />
Wellenfunktion des quantenmechanischen Teilchens nicht nur nach den Eigenfunktionen<br />
des Impulsoperators, sondern äquivalent auch nach denjenigen des<br />
Ortsoperators entwickeln. Im einen Fall erhält man als Entwicklungskoeffizienten<br />
den Satz { ˆψ(k, t)}, im anderen die Zahlen {ψ(ξ, t)}. Die Beschreibung mit<br />
Hilfe der Koordinaten { ˆψ(k, t)} wird als Impulsdarstellung, diejenige mit Hilfe<br />
von {ψ(ξ, t)} als Ortsdarstellung bezeichnet. Entsprechend gibt es zwei Hilberträume:<br />
Neben dem Hilbert-Raum H x der quadratisch integrierbaren Wellenfunktionen<br />
{ψ(ξ, t)} im Ortsraum führen wir den Hilbert-Raum H k der quadratisch<br />
summierbaren Wellenfunktionen { ˆψ(k, t)} im k-Raum ein. Es ist zu<br />
beachten, dass diese Hilbert-Räume wegen der unterschiedlichen Definitionsbereiche<br />
D = [− 1 2 L, 1 2 L]d ←→k = 2π L n¬n ∈d<br />
gänzlich unterschiedlich sind und dass sie durch die Fourier-Transformation F V<br />
im Volumen V ,<br />
(F V ψ)(k, t) = (2π) −d/2D dξ ψ(ξ, t)e −ik·ξ = ˆψ(k, t) ,<br />
ein-eindeutig aufeinander abgebildet werden.<br />
Wir befassen uns abschließend etwas genauer mit der Struktur des Hilbert-<br />
Raums H k und mit der Fourier-Transformation, die H k mit H x verknüpft. Das<br />
Skalarprodukt in H k ist durch<br />
〈 ˆψ 1 , ˆψ 2 〉 ≡k<br />
(∆k) ˆψ ∗ 1(k, t) ˆψ 2 (k, t) , ∆k = (2π)d<br />
V<br />
definiert. Eine orthonormale Basis bezüglich dieses Skalarprodukts ist<br />
˜φ x (k) = (2π) −d/2 e −ik·x ,<br />
(3.12)<br />
denn es gilt:<br />
〈˜φ x1 , ˜φ x2 〉 = (2π) −d ∆kk<br />
e ik·(x1−x2) =k<br />
φ k (x 1 )φ ∗ k(x 2 ) = δ(x 1 − x 2 ) .<br />
Ausserdem ist diese Basis vollständig:<br />
dx<br />
D<br />
˜φ x (k 1 )˜φ ∗ x (k 2) = (2π) −dD<br />
dxe i(k2−k1)·x =<br />
V<br />
(2π) d δ k 1k 2<br />
−→ δ(k 1 − k 2 ) (V → ∞) ,<br />
so dass ˆψ(k, t) nach dieser Basis entwickelt werden kann:<br />
ˆψ(k, t) = (2π) −d/2D<br />
dy ψ(y, t)e −ik·y = 1 VD<br />
dyk ′<br />
ˆψ(k ′ , t)e i(k′ −k)·y<br />
= ˆψ(k ∆kD<br />
dyk ′ , t)˜φ y (k)˜φ ∗ y(k ′ ) dy =D ˜φ y (k)〈˜φ y , ˆψ〉 .<br />
′
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 51<br />
Mit der Definition (3.12) des Skalarprodukts im k-Raum folgt das Parseval’sche<br />
Theorem aus (3.6) als:<br />
(ψ 1 , ψ 2 ) = (2π)d<br />
Vk 1k 2<br />
ˆψ∗ 1 (k 1 , t) ˆψ 2 (k 2 , t)(φ k1 , φ k2 )<br />
= (∆k)k<br />
ˆψ ∗ 1 (k, t) ˆψ 2 (k, t) = 〈 ˆψ 1 , ˆψ 2 〉 .<br />
Insbesondere folgt nun mit ψ 1 = ψ 2 ≡ ψ:<br />
‖ψ‖ 2 = (ψ, ψ) = 〈 ˆψ, ˆψ〉 = 〈F V ψ, F V ψ〉 = ‖F V ψ‖ 2 ,<br />
so dass die Fourier-Transformation isometrisch ist. Außerdem folgt aus dem<br />
Parseval’schen Theorem:<br />
(ψ 1 , F −1<br />
V ˆψ 2 ) = 〈F V ψ 1 , ˆψ 2 〉 , (F −1<br />
V ˆψ 1 , ψ 2 ) = 〈 ˆψ 1 , F V ψ 2 〉 .<br />
Führen wir nun - wie üblich - den zu F V (Hilbert-)adjungierten Operator F † V<br />
ein:<br />
dann folgt:<br />
(F † V ˆψ 1 , ψ 2 ) = 〈 ˆψ 1 , F V ψ 2 〉 ,<br />
F † V = F −1<br />
V<br />
, F † V F V = 11 H x<br />
, F V<br />
F † V = 11 H k<br />
,<br />
so dass wir lernen, dass die Fourier- und die inverse Fourier-Transformation<br />
auch unitär sind. Dies ist ein erstes Beispiel der allgemeinen Regel, dass die Koordinaten<br />
unterschiedlicher Darstellungen der <strong>Quantenmechanik</strong> durch unitäre<br />
Transformationen miteinander verknüpft sind.<br />
Die in diesem Abschnitt erzielten Ergebnisse für die unterschiedlichen quantenmechanischen<br />
Beschreibungen in H x und H k und die Abbildungen dieser<br />
beiden Hilbert-Räume aufeinander mit Hilfe von Fourier-Transformationen sind<br />
kompakt noch einmal in der Tabelle 3.1 zusammengefasst.<br />
3.6 Operatoren im Hilbert-Raum:<br />
Das allgemeine Schema<br />
Aus den vorigen Abschnitten und insbesondere aus dem Beispiel des Teilchens<br />
im Kasten geht hervor, dass physikalische Messgrößen (Energie, Impuls,. . . ) in<br />
der <strong>Quantenmechanik</strong> mit Hilfe von Operatoren (Hamilton-Operator, Impulsoperator,.<br />
. . ) beschrieben werden. Eine Konsequenz der Postulate der <strong>Quantenmechanik</strong><br />
ist, dass der Erwartungswert einer physikalischen Messgröße im<br />
normierten Zustand ψ gleich dem Mittelwert des entsprechenden Operators,<br />
(ψ, Aψ), in diesem Zustand ist. Da Messwerte natürlich reell sind, muss auch<br />
(ψ, Aψ) für alle möglichen ψ reell sein:<br />
(ψ, Aψ) = (ψ, Aψ) ∗ = (Aψ, ψ) = (ψ, A † ψ) .
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 52<br />
Tabelle 3.1: Vergleich der Eigenschaften im Orts- und Impulsraum<br />
Formulierung im Ortsraum<br />
Wellenfunktionen ψ : D → C ˆψ : ˆD → C<br />
ψ(ξ, t)) Koordinaten von ψ in der<br />
Basis der EFn von ˆx<br />
Formulierung im Impulsraum<br />
ˆψ(k, t)) Koordinaten von ψ in der<br />
Basis der EFn von ˆp<br />
∈d ∞<br />
Definitionsbereiche D = {x| 0 < x l ≤ L} ˆD =k = 2π L n¬n<br />
Hilbert-Raum H x = {ψ| (ψ, ψ) < ∞} H k =ˆψ| 〈 ˆψ, ˆψ〉 <<br />
Skalarprodukt (ψ 1 , ψ 2 ) =ÊD dxψ∗ 1 (x)ψ 2 (x) 〈 ˆψ 1 , ˆψ 2 〉 =Èk (∆k) ˆψ ∗ 1 (k) ˆψ 2 (k)<br />
Fourier-<br />
Transformation<br />
Basisfunktionen der<br />
Fourier-Analyse<br />
F V : H x → H k<br />
φ k (x) ≡ 1 √<br />
V<br />
e ik·x<br />
F † V : H k → H x<br />
˜φx (k) = (2π) −d/2 e −ik·x<br />
Orthonormalität<br />
der Basisfunktionen (φ k 1<br />
, φ k2 ) = δ k1k 2 〈˜φ x1 , ˜φ x2 〉 = δ(x 1 − x 2 )<br />
Vollständigkeit der<br />
Basisfunktionen<br />
Èk φ k (x)φ∗ k (y) = δ(x − y) ÊD dx ˜φ x (k 1 )˜φ ∗ x (k 2) = (∆k) −1 δ k1k 2<br />
Impulsoperator ˆp<br />
<br />
i<br />
∂<br />
∂x<br />
k<br />
Hamilton-Operator<br />
Ĥ<br />
− 2<br />
2m ∆ 2 k 2<br />
2m ≡ ε k<br />
Ortsoperator ˆx x i ∂<br />
∂k<br />
(für V → ∞)<br />
Schrödinger-<br />
Gleichung<br />
Zeitentwicklungsoperator<br />
i∂ t ψ = − 2<br />
2m ∆ψ<br />
(Ûtψ 0 )(x) =ÊD dy U t(x|y)ψ 0 (y)<br />
U t (x|y) =Èk e−iε kt/ φ k (x)φ ∗ k (y)<br />
i∂ t ˆψ = ε k ˆψ<br />
(Ût ˆψ 0 )(k) = e −iε kt/ ˆψ0 (k)
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 53<br />
Insbesondere muss dies gelten für den Zustand ψ = ψ 1 +λψ 2 mit λ = λ R +iλ I ∈<br />
und λ R,I ∈Ê:<br />
0 = (ψ, (A − A † )ψ) = λ(ψ 1 , (A − A † )ψ 2 ) + λ ∗ (ψ 2 , (A − A † )ψ 1 )<br />
= λ R S + + iλ I S − , S ± = (ψ 1 , (A − A † )ψ 2 ) ± (ψ 2 , (A − A † )ψ 1 ) .<br />
Da λ R und λ I unabhängig voneinander variiert werden können, müssen S + und<br />
S − beide Null sein und daher auch:<br />
0 = 1 2 (S + + S − ) = (ψ 1 , (A − A † )ψ 2 )<br />
gelten. Da dieses Resultat für alle ψ 1 und ψ 2 gilt, folgt für alle ψ 2 :<br />
(A − A † )ψ 2 = 0 ,<br />
und dies wiederum impliziert die Operatoridentität<br />
A = A † .<br />
Wir haben also das wichtige Ergebnis erzielt, dass physikalische Messgrößen<br />
notwendigerweise hermiteschen Operatoren entsprechen. Auf solche Operatoren<br />
werden wir uns im Folgenden konzentrieren.<br />
Betrachten wir nun eine orthonormale vollständige Basis im Hilbert-Raum<br />
aller möglichen quadratisch integrierbaren Wellenfunktionen. Diese Basis sei<br />
{φ n }. Bezüglich dieser Basis kann jeder hermitesche Operator durch eine hermitesche<br />
Matrix A dargestellt werden:<br />
A mn ≡ (φ m , Aφ n ) = (Aφ m , φ n ) = (φ n , Aφ m ) ∗ = A ∗ nm = (A T ) ∗ mn = (A † ) mn .<br />
In einem endlichdimensionalen Vektorraum wüsste man nun genau, was zu tun<br />
wäre: Man könnte A mit Hilfe einer unitären Transformation diagonalisieren:<br />
A D mn = (U T ) ∗ mαA αβ U βn = (U † AU) mn = a m δ mn .<br />
In einem N-dimensionalen Raum hätte A also N reelle Eigenwerte a i und eine<br />
orthonormale, vollständige Basis von N Eigenvektoren α i .<br />
Im unendlich-dimensionalen Funktionenraum kann man die Orthonormalität<br />
der Eigenfunktionen hermitescher Operatoren im allgemeinen leicht realisieren.<br />
Ihre Vollständigkeit ist aufgrund physikalischer Argumente zwar sehr plausibel,<br />
sie lässt sich im Einzelfall jedoch mathematisch nicht immer leicht nachweisen.<br />
Ein hermitescher Operator A mit einem orthonormalen und vollständigen Satz<br />
von Eigenfunktionen {φ (A)<br />
n } wird als „Observable“ bezeichnet. Es gilt dann also:<br />
Aφ (A)<br />
n<br />
= a n φ (A)<br />
n (3.13)<br />
für alle n, wobei die Eigenfunktionen φ (A)<br />
n<br />
orthonormal<br />
(φ (A)<br />
m , φ(A) n ) = δ mn (3.14)<br />
und vollständig<br />
n<br />
φ (A)<br />
n (x)φ (A)∗<br />
n (y) = δ(x − y) (3.15)
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 54<br />
sind. Hierbei ist anzumerken, dass die Orthonormalität (3.14) eine sofortige<br />
Konsequenz der Hermitezität von A ist. Die Eigenfunktionen φ (A)<br />
m und φ (A)<br />
n<br />
sind nämlich automatisch orthogonal:<br />
0 = (φ(A) m , Aφ (A)<br />
n<br />
a n − a m<br />
) − (Aφ (A)<br />
m , φ (A)<br />
n )<br />
= a n − a ∗ m<br />
a n − a m<br />
(φ (A)<br />
m , φ(A) n<br />
) = (φ(A) m , φ(A) n ) ,<br />
vorausgesetzt, dass die (reellen) Eigenwerte a m und a n verschieden sind (a m ≠<br />
a n ). Falls Entartung vorliegt (a m = a n ), kann man den Unterraum von Eigenfunktionen<br />
{φ (A)<br />
l<br />
| a l = a m } mit Hilfe des Gram-Schmidt-Verfahrens orthonormalisieren.<br />
Auf die Vollständigkeitsbedingung (3.15) und ihre physikalische<br />
Plausibilität kommen wir später noch zurück.<br />
In der <strong>Quantenmechanik</strong> werden Funktionen von Messgrößen durch Funktionen<br />
von Operatoren beschrieben. Ist A zum Beispiel eine Observable mit<br />
Eigenfunktionen φ (A)<br />
n und Eigenwerten a n , dann gilt:<br />
A m φ (A)<br />
n<br />
f(A)φ (A)<br />
n<br />
= (a n ) m φ (A)<br />
n<br />
= f(a n )φ (A)<br />
n .<br />
Insbesondere hat die Deltafunktion<br />
δ(A − a) ≡ 1<br />
2πdτ e i(A−a)τ<br />
die folgende Wirkung in Integralen:<br />
da f(a)δ(A − a) = f(A)<br />
bzw. auf die Eigenfunktionen der Observablen A:<br />
δ(A − a)φ (A)<br />
n<br />
= δ(a n − a)φ (A)<br />
n .<br />
Aufgrund Vollständigkeit der {φ (A)<br />
n } kann man einen beliebigen Zustand ψ<br />
schreiben als<br />
ψ =m<br />
c m φ (A)<br />
m , c m = (φ (A)<br />
m , ψ) ,<br />
und aufgrund der Orthonormalität der Eigenfunktionen {φ (A)<br />
n } gilt für die Norm<br />
von ψ:<br />
‖ψ‖ 2 =m<br />
|c m | 2 .<br />
Diese letzte Gleichung kann auch so interpretiert werden, dass die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />
dafür, dass das Teilchen sich irgendwo im Raum befindet, gleich<br />
der Summe der Wahrscheinlichkeitsbeiträge |c m | 2 der einzelnen Eigenfunktionen<br />
ist. Aus der Entwicklung von ψ nach den Eigenfunktionen {φ (A)<br />
n } folgt, dass<br />
der Erwartungswert 〈f(A)〉 ψ einer beliebigen Funktion f(A) durch:<br />
〈f(A)〉 ψ = (ψ, f(A)ψ) =da f(a)ψ, δ(A − a)ψ=da f(a)w ψ (a)
=<br />
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK<br />
2<br />
55<br />
gegeben ist, wobei<br />
w ψ (a) ≡ 〈δ(A − a)〉 ψ c ∗ m 1<br />
c m2φ (A)<br />
m 1<br />
, δ(A − a)φ (A)<br />
m<br />
m 1m 2<br />
(3.16)<br />
|c m | 2 δ(a m − a)<br />
=m<br />
die Wahrscheinlichkeitsdichte dafür ist, dass A im (normierten) Zustand ψ den<br />
Eigenwert a annimmt. Daher gilt:<br />
〈f(A)〉 ψ =m<br />
|c m | 2 f(a m ) ,<br />
ein Ergebnis, das zeigt, dass man bei einer Messung von f(A) mit Wahrscheinlichkeit<br />
|c m | 2 den Messwert f(a m ) erhält.<br />
Die Form des Ergebnisses (3.16) führt also zu den folgenden wichtigen Schlussfolgerungen:<br />
Bei einer Messung von A oder f(A) im Zustand ψ misst man einen<br />
der Eigenwerte a m von A. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Eigenwert<br />
a m gemessen wird, ist |c m | 2 . Nach einer Messung mit dem Ergebnis a m weiß<br />
man mit Sicherheit, dass sich das System im Zustand φ (A)<br />
m befindet. Durch die<br />
Messung des Eigenwerts a m wird also eine Änderung der Wellenfunktion von ψ<br />
zu φ (A)<br />
m hervorgerufen. Da die Messung irgendeinen Eigenwert a m liefern und<br />
nach der Messung irgendeine Eigenfunktion φ (A)<br />
m vorliegen soll, kann ψ nicht<br />
orthogonal auf allen {φ (A)<br />
n } stehen. Da aber alle ψ ∈ H prinzipiell physikalisch<br />
akzeptable Zustände sind, muss das orthogonale Komplement der {φ (A)<br />
n } in H<br />
leer sein. Der Satz {φ (A)<br />
n } sollte somit aufgrund physikalischer Messbarkeitsargumente<br />
vollständig sein.<br />
Da einige Glieder dieser logischen Kette bestenfalls Plausibilitätsargumente<br />
darstellen und nicht rigoros aus Grundlagen hergeleitet werden können, fasst<br />
man die wesentlichen Ingredienzen der Quantentheorie üblicherweise in der Form<br />
der folgenden Postulate zusammen, die zuerst von J. von Neumann (1932) aufgestellt<br />
wurden:<br />
1. Quantenmechanische Zustände werden durch Wellenfunktionen ψ(x, t) dargestellt.<br />
2. Die Zeitentwicklung dieser Wellenfunktionen wird durch die Schrödinger-<br />
Gleichung<br />
i ∂ψ<br />
∂t = Ĥψ<br />
mit geeignetem Hamilton-Operator Ĥ beschrieben.<br />
3. Messgrößen werden durch „Observablen“ d. h. durch hermitesche Operatoren<br />
mit einem orthonormalen, vollständigen Satz von Eigenfunktionen,<br />
dargestellt. Funktionen von Messgrößen entsprechen Funktionen der zugehörigen<br />
Observablen.<br />
4. Die möglichen Ergebnisse bei der Messung einer physikalischen Größe sind<br />
die Eigenwerte a m der entsprechenden Observablen A.
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 56<br />
<br />
5. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung der Eigenwert a m gemessen<br />
wird, ist<br />
|c m | 2 = |(φ (A)<br />
m , ψ)| 2 ,<br />
wenn a m nicht entartet ist, und<br />
|(φ (A)<br />
m , ′ ψ)|2<br />
{m ′ | a m ′=a m}<br />
im Falle einer Entartung.<br />
6. Ist der Eigenwert a<br />
<br />
m von A das Ergebnis einer Messung, so geht die Wellenfunktion<br />
ψ bei dieser Messung in die Eigenfunktion φ (A)<br />
m über, falls a m<br />
nicht entartet ist. Im Falle einer Entartung geht ψ über in<br />
ψ ′ = ˆP m ψ/(ψ, ˆP m ψ)<br />
mit<br />
ˆP m ψ ≡ φ (A)<br />
m ′ (φ(A) m , ψ) ,<br />
′<br />
{m ′ | a m ′=a m}<br />
wobei ˆP m als der Projektor auf den Unterraum von H zum Eigenwert a m<br />
anzusehen ist.<br />
Nehmen wir nun an, eine Messung der Observable A liefere das Ergebnis a m .<br />
Es ist klar, dass eine sofortige Wiederholung der Messung von A wiederum das<br />
Ergebnis a m liefern muß, da die Wellenfunktion bei der ersten Messung in die<br />
Eigenfunktion φ (A)<br />
m übergegangen ist. Analog würde eine n-fache sofortige Wiederholung<br />
der Messung von A gemäß dem letzten Postulat stets das Ergebnis<br />
a m liefern. Aufgrund dieser Überlegungen ist klar, dass die im letzten Postulat<br />
betrachtete „Messung“ tatsächlich eine idealisierte Messung ist, bei der der Einfluß<br />
der (makroskopischen) Meßapparatur auf das quantenmechanische System<br />
vernachlässigt wird. Zum Beispiel würde dies bei einer Impulsmessung mit Hilfe<br />
des Compton-Effekts heißen, dass die Frequenz ω der verwendeten Strahlung<br />
als klein angesehen werden kann, so dass der reale Meßvorgang erst im Limes<br />
ω → 0 eine „idealisierte Messung“ definiert. Bei der Beschreibung realer Experimente<br />
müßte man also unbedingt auch die Wechselwirkung zwischen dem<br />
quantenmechanische System und der Meßapparatur berücksichtigen, und dies<br />
würde offensichtlich auch eine Modifizierung des letzten Postulats erfordern.<br />
In diesem Abschnitt wurde implizit angenommen, dass das Spektrum von<br />
A diskret ist. Die Erweiterung der Theorie auf kontinuierliche oder gemischt<br />
diskrete und kontinuierliche Spektren ist ohne weiteres möglich.<br />
Beispiel: Der Hamilton-Operator<br />
Aufgrund der vorangegangenen allgemeinen Überlegungen erwartet man, dass<br />
auch der Hamilton-Operator, die Observable, die die Messgröße „Energie“ repräsentiert,<br />
einen orthonormalen, vollständigen Satz von Eigenfunktionen<br />
Ĥφ (Ĥ)<br />
n<br />
= E n φ (Ĥ)<br />
n (3.17)
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 57<br />
besitzt, mit<br />
(φ (Ĥ)<br />
m , φ(Ĥ) n ) = δ mn ,n<br />
φ (Ĥ)<br />
n (x)φ(Ĥ)∗ n (y) = δ(x − y) .<br />
Diese Eigenfunktionen sollen auch die eventuellen Randbedingungen erfüllen; im<br />
Normalfall bedeutet dies, dass sie im Bereich {x ∈Êd } quadratisch integrierbar<br />
sind. Das Eigenwertproblem (3.17) wird manchmal als die „zeitunabhängige<br />
Schrödinger-Gleichung“ bezeichnet.<br />
Falls Ĥ also einen orthonormalen, vollständigen Satz von Eigenfunktionen<br />
{φ (Ĥ)<br />
n } besitzt und diese Eigenfunktionen {φ (Ĥ)<br />
n } sowie die Eigenwerte {E n } bekannt<br />
sind, kann man den Hamilton-Operator auch als Integral-Operator schreiben:<br />
(Ĥψ)(x) =n<br />
E n φ (Ĥ)<br />
n (x)(φ(Ĥ) n , ψ) ,<br />
d. h.<br />
(Ĥψ)(x) =dy H(x|y)ψ(y) , H(x|y) =n<br />
E n φ (Ĥ)<br />
n (x)φ n (Ĥ)∗ (y) .<br />
Man überprüft nämlich leicht, dass diese Darstellung für jede Basisfunktion φ (Ĥ)<br />
m<br />
und daher auch für beliebige Linearkombinationen ψ =Èm c mφ (Ĥ)<br />
m das richtige<br />
Ergebnis Ĥφ(Ĥ) m = E m φ (Ĥ)<br />
m liefert. Etwas allgemeiner gilt für eine beliebige<br />
Funktion f(Ĥ) des Hamilton-Operators:<br />
äf(Ĥ)ψç(x) =n<br />
f(E n )φ (Ĥ)<br />
n<br />
(x)(φ(Ĥ) , ψ) , (3.18)<br />
n<br />
denn auch dies liefert für alle φ (Ĥ)<br />
m das richtige Ergebnis. Die Darstellung (3.18)<br />
ermöglicht sofort die allgemeine Lösung der Schrödinger-Gleichung zur Anfangsamplitude<br />
ψ 0 ,<br />
i∂ t ψ = Ĥψ , ψ(x, 0) = ψ 0(x) ,<br />
zumindest für den Fall eines zeitunabhängigen Hamilton-Operators mit einem<br />
vollständigen Satz von Eigenfunktionen:<br />
ψ(x, t) =äe −iĤt/ ψ 0ç(x)<br />
=n<br />
e −iEnt/ φ (Ĥ)<br />
n (x)(φ (Ĥ)<br />
n , ψ 0 ) . (3.19)<br />
Diese Wellenfunktion ψ(x, t) erfüllt die Randbedingung, die Anfangsbedingung:<br />
ψ(x, 0) =n<br />
φ (Ĥ)<br />
n<br />
(x)dy φ (Ĥ)∗ (y)ψ 0 (y) =dy δ(x − y)ψ 0 (y) = ψ 0 (x)<br />
n<br />
und die Schrödinger-Gleichung:<br />
i∂ t ψ =n<br />
E n e −iEnt/ φ (Ĥ)<br />
n (x)(φ (Ĥ)<br />
n , ψ 0 ) = (Ĥψ)(x, t) ;
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 58<br />
außerdem weist man leicht die Eindeutigkeit der Lösung der Schrödinger-Gleichung<br />
nach. Der Operator Ût ≡ e −iĤt/ , der die Zeitentwicklung der Wellenfunktion<br />
beschreibt und dessen Integraldarstellung durch<br />
(Ûtψ 0 )(x) =dy U t (x|y)ψ 0 (y) ,<br />
U t (x|y) =n<br />
e −iEnt/ φ (Ĥ)<br />
n<br />
(x)φ(Ĥ)∗ n<br />
(y)<br />
gegeben ist, wird auch in diesem allgemeinen Fall aus naheliegenden Gründen<br />
„Zeitentwicklungsoperator“ genannt.<br />
Die allgemeine zeitabhängige Lösung (3.19) der Schrödinger-Gleichung kann<br />
alternativ in der Form<br />
ψ(x, t) =dE e −iEt/ ψ E (x) ,<br />
ψ E (x) ≡n<br />
δ(E − E n )φ (Ĥ)<br />
n (x)(φ(Ĥ) n , ψ 0) ≡ (ÛEψ 0 )(x) ,<br />
also als Fourier-Transformierte einer orts- und energieabhängigen Wellenfunktion<br />
ψ E (x), dargestellt werden. Hierbei erfüllt ψ E die Fourier-transformierte<br />
Wellengleichung<br />
Ĥψ E = Eψ E ,<br />
die genau die Form der „zeitunabhängigen“ Schrödinger-Gleichung (3.17) hat.<br />
Man sieht also, dass die „zeitunabhängige“ und die „normale“ Schrödinger-Gleichung<br />
im Wesentlichen dieselbe physikalische Information enthalten, da sie durch<br />
Fourier-Transformationen miteinander verknüpft sind. Die inverse Transformation,<br />
die ψ auf ψ E abbildet, ist durch<br />
ψ E (x) =<br />
2πdt 1 e iEt/ ψ(x, t) =<br />
2πdt 1 e iEt/ (Ûtψ 0 )(x)<br />
gegeben. Man erhält somit einen sehr einfachen und intuitiv leicht nachvollziehbaren<br />
Ausdruck für den Operator ÛE:<br />
Û E =<br />
2πdt 1 e iEt/ Û t =<br />
2πdt 1 e i(E−Ĥ)t/ = δ(E − Ĥ) ,<br />
der die Beziehung<br />
(ψ 0 , ψ E ) = (ψ 0 , ÛEψ 0 ) = 〈ÛE〉 ψ0 = 〈δ(E − Ĥ)〉 ψ 0<br />
= w ψ0 (E)<br />
zwischen der Fourier-transformierten Wellenfunktion ψ E und der Wahrscheinlichkeitsdichte<br />
w ψ0 (E) der Energieeigenwerte impliziert. Der Operator ÛE, die<br />
Wellenfunktion ψ E und die Wahrscheinlichkeitsdichte w ψ0 (E) erfüllen die Normierungsbedingungen:<br />
dE ÛE = 11 ,<br />
dE ψ E = ψ 0 ,<br />
dE w ψ0 (E) = 1 .<br />
Als einfaches Beispiel der Fourier-Transformation bezüglich der Zeit erwähnen<br />
wir stationäre Zustände, die durch die Wellenfunktionen<br />
ψ(x, t) = e −iEnt/ φ (Ĥ)<br />
n (x) , ψ E(x) = δ(E − E n )φ (Ĥ)<br />
n (x)<br />
beschrieben werden. In diesem Fall gilt ψ 0 (x) = φ (Ĥ)<br />
n (x) für die Anfangsbedingung<br />
und w ψ0 (E) = δ(E − E n ) für die Wahrscheinlichkeitsdichte der Energieeigenwerte.
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 59<br />
3.7 Vollständige Sätze<br />
ψ<br />
von<br />
kommutierenden Operatoren<br />
Es ist oft bequem, die Funktionen einer vollständigen Basis nach ihren Eigenwerten<br />
zu katalogisieren. Nun ist es jedoch denkbar, dass ein einzelner Operator<br />
A für diesen Katalogisierungsprozess nicht ausreicht, da seine Eigenwerte {a k }<br />
entartet sind, so dass die Dimension des Unterraums<br />
U (A)<br />
k<br />
≡ψ ∈ H¬Aψ = a k<br />
für irgendein k größer als 1 ist. In diesem Fall sucht man eine zweite Observable<br />
B, die mit A kommutiert. Aus<br />
0 = [A, B]φ (A)<br />
k<br />
folgt sofort, dass<br />
Bφ (A)<br />
k<br />
∈ U (A)<br />
k<br />
= A(Bφ (A)<br />
k<br />
) − a k Bφ (A)<br />
k<br />
gilt. Falls a k nicht entartet ist, folgt hieraus, dass φ (A)<br />
k<br />
auch Eigenvektor von<br />
B ist. Im Falle der Entartung kann man den hermiteschen Operator B in U (A)<br />
k<br />
mit Hilfe einer unitären Transformation diagonalisieren. Man erhält so neue<br />
Eigenfunktionen φ (AB)<br />
kl<br />
mit der Eigenschaft<br />
Aφ (AB)<br />
kl<br />
= a k<br />
φ (AB)<br />
kl<br />
, Bφ (AB)<br />
kl<br />
= b l<br />
φ (AB)<br />
kl<br />
,<br />
die also mit Hilfe der Eigenwerte {a k b l } katalogisiert werden können. Falls auch<br />
der Satz {a k b l } nicht ausreicht, um die Eigenfunktionen eindeutig zu identifizieren,<br />
sucht man eine dritte Observable C, eine vierte D, usw., bis der Satz<br />
{a k b l c m d n . . . } ausreicht, um die Eigenfunktionen eindeutig zu bestimmen.<br />
Ein Satz von kommutierenden Observablen {A, B, C, D, . . . }, der eine solche<br />
eindeutige Katalogisierung ermöglicht, heißt vollständig.<br />
Anwendung findet dieses Verfahren z. B. bei der Klassifizierung von Elektronenzuständen<br />
in der Atomphysik. In diesem Fall entspricht der Operator<br />
A normalerweise dem Hamilton-Operator. Man erhält dementsprechend eine<br />
dritte Darstellung (neben der Orts- und der Impulsdarstellung). Dies ist die<br />
Energiedarstellung mit den Basisfunktionen {φ Eν (x)}, wobei die Energie E der<br />
Eigenwert von Ĥ ist:<br />
Ĥφ Eν = Eφ Eν , (φ Eν , φ E′ ν ′) = δ EE ′δ νν ′<br />
und ν die Eigenwerte eventueller anderer Operatoren B, C, . . . symbolisiert, die<br />
mit Ĥ und untereinander kommutieren. In der Praxis könnte ν z. B. die Eigenwerte<br />
geeigneter Funktionen des Bahndrehimpulses und des Spinoperators<br />
darstellen. Man kann eine beliebige Funktion ψ also nach φ Eν entwickeln:<br />
ψ(x, t) =Eν<br />
˜ψ Eν (t)φ Eν (x) .<br />
Das Skalarprodukt wird durch:<br />
(ψ 1 , ψ 2 ) =Eν<br />
˜ψ ∗ 1,Eν ˜ψ 2,Eν ≡ { ˜ψ 1 , ˜ψ 2 }
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 60<br />
definiert, und der zugehörige Hilbertraum ist:<br />
H Eν =Ò˜ψ¬‖ ˜ψ‖ Eν ={ ˜ψ, ˜ψ} < ∞Ó.<br />
Die Struktur der Darstellung H Eν ist im allgemeinen gänzlich von den jeweiligen<br />
Strukturen von H x und H k verschieden.<br />
Wir haben nun bereits drei unterschiedliche Darstellungen kennen gelernt:<br />
die Orts-, Impuls- und Energiedarstellungen. In Tabelle 3.2 vergleichen wir diese<br />
drei Darstellungen für den Hamilton-Operator Ĥ = ˆp2 /2m + V (x) mit periodischen<br />
Randbedingungen. Hierbei soll auch V (x) natürlich periodisch sein:<br />
V (x±Le l ) = V (x). Wir betrachten ein großes jedoch endliches Volumen, damit<br />
φ k (x) normierbar ist.<br />
3.8 Darstellungswechsel<br />
Wir wissen bereits, dass die Fourier-Transformation, die die „Koordinaten“ ψ(ξ, t)<br />
in der Ortsdarstellung in die neuen „Koordinaten“ ˆψ(k, t) in der Impulsdarstellung<br />
überführt, eine unitäre Transformation ist. In diesem Abschnitt untersuchen<br />
wir, inwiefern dieses Ergebnis sich auf Transformationen zwischen beliebigen<br />
Darstellungen verallgemeinern lässt.<br />
Wir betrachten hierzu zwei Basen von Eigenfunktionen {φ m (x)} und {φ ′ α(x)},<br />
die orthonormal:<br />
(φ m , φ n ) = δ mn , (φ ′ α , φ′ β ) = δ αβ<br />
und vollständig<br />
m<br />
φ m (x)φ ∗ m (y) = δ(x − y) =α<br />
φ ′ α (x)φ′∗ α (y)<br />
sind, so dass jede Funktion ψ ∈ H x nach den {φ m } und den {φ ′ α } entwickelt<br />
werden kann:<br />
ψ(x, t) =m<br />
ψ m φ m (x) =α<br />
ψ ′ α φ′ α (x) .<br />
Die Funktion ψ wird in diesen beiden Darstellungen also durch die „Koordinaten“<br />
{ψ m } ≡ ψ und {ψ ′ α} ≡ ψ ′ charakterisiert, und die Sätze aller ψ und ψ ′<br />
formen Hilbert-Räume H und H ′ mit Skalarprodukten<br />
〈ψ 1 , ψ 2 〉 =m<br />
ψ ∗ 1m ψ 2m , {ψ′ 1 , ψ′ 2 } =α<br />
ψ ′∗<br />
1α ψ′ 2α .<br />
Für fest vorgegebene Funktionen ψ 1 und ψ 2 sind diese Skalarprodukte wegen<br />
der Orthonormalität der {φ m } bzw. {φ ′ α} gleich dem Skalarprodukt in H x :<br />
(ψ 1 , ψ 2 ) = 〈ψ 1 , ψ 2 〉 = {ψ ′ 1, ψ ′ 2} .<br />
Wir definieren nun:<br />
(φ m , φ ′ α) ≡ U mα .
Eigenwertgleichung<br />
Eigenfunktionen<br />
Wellenfunktion<br />
ψ(x, t)<br />
Skalarprodukt<br />
Hilbert-<br />
Raum<br />
Tabelle 3.2: Vergleich der wichtigsten Darstellungen<br />
Ortsdarstellung Impulsdarstellung Energiedarstellung<br />
ˆxχ ξ (x) ≡ xχ ξ (x) = ξχ ξ (x) ˆpφ k (x) ≡ i ∇φ k(x) = kφ k (x) Ĥφ Eν (x) = Eφ Eν (x)<br />
χ ξ (x) = δ(x − ξ) φ k (x) = 1 √<br />
V<br />
e ik·x<br />
Êdξ ψ(ξ, t)χ ξ (x)<br />
√<br />
∆kÈk ˆψ(k, t)φ k (x)<br />
i.a. nicht explizit bekannt<br />
ÈEν ˜ψ Eν φ Eν (x)<br />
(ψ 1 , ψ 2 ) =Êdξ ψ ∗ 1(ξ, t)ψ 2 (ξ, t) 〈 ˆψ 1 , ˆψ 2 〉 =Èk (∆k) ˆψ ∗ 1 (k, t) ˆψ 2 (k, t) { ˜ψ 1 , ˜ψ 2 } =ÈEν ˜ψ ∗ 1,Eν ˜ψ 2,Eν<br />
H x = {ψ | ‖ψ‖ x =(ψ, ψ) < ∞} H k = { ˆψ | ‖ ˆψ‖ k =〈 ˆψ, ˆψ〉 < ∞} H Eν = { ˜ψ | ‖ ˜ψ‖ Eν ={ ˜ψ, ˜ψ} < ∞}<br />
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 61
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 62<br />
Wegen der Vollständigkeit der {φ m } kann man φ ′ α nach diesem Satz entwickeln;<br />
umgekehrt kann φ m nach den {φ ′ α } entwickelt werden:<br />
φ ′ α =m<br />
φ m (φ m , φ ′ α ) =m<br />
U mα φ m<br />
φ m =α<br />
φ ′ α(φ ′ α, φ m ) =α<br />
U ∗ mαφ ′ α .<br />
Die „Koordinaten“ ψ und ψ ′ werden also gemäß<br />
ψ m = (φ m , ψ) =α<br />
U mα (φ ′ α , ψ) =α<br />
U mα ψ ′ α<br />
ψ ′ α = (φ ′ α, ψ) =m<br />
U ∗ mα(φ m , ψ) =m<br />
(U † ) αm ψ m<br />
transformiert. In Vektornotation lauten diese Formeln:<br />
ψ = Uψ ′ , ψ ′ = U † ψ .<br />
Für alle ψ ∈ H und ψ ′ ∈ H ′ gilt:<br />
ψ ′ = U −1 ψ = U † ψ , ψ = Uψ ′ = (U † ) −1 ψ ′ ,<br />
so dass die Koordinatentransformation U offenbar unitär ist:<br />
UU † = 11 H , U † U = 11 H ′ ,<br />
wobei der (Hilbert-)adjungierte Operator U † im Falle einer Transformation zwischen<br />
Darstellungen also die folgenden Eigenschaften hat:<br />
〈ψ 1 , Uψ ′ 2 〉 = {U† ψ 1 , ψ ′ 2 } , {ψ′ 1 , U† ψ 2 } = 〈Uψ ′ 1 , ψ 2 〉 .<br />
Ähnliche Beziehungen fanden wir vorher für die Fourier-Transformation, die die<br />
Koordinaten in H x mit denjenigen in H k in Verbindung bringt.<br />
Auch das Transformationsverhalten von Observablen lässt sich leicht bestimmen.<br />
Sei A eine Observable wirkend auf H und A ′ das Pendant wirkend auf H ′ .<br />
Da physikalische Messwerte darstellungsunabhängig sein müssen, gilt:<br />
{ψ ′ , A ′ ψ ′ } = 〈ψ, Aψ〉 (∀ψ)<br />
und daher (analog zur Herleitung in Abschnitt [3.6] auf S. 53) auch<br />
{ψ ′ 1 , A′ ψ ′ 2 } = 〈ψ 1 , Aψ 2 〉 (∀ψ 1,2 ) .<br />
Hieraus können wir schließen, dass:<br />
{ψ ′ 1, A ′ ψ ′ 2} = 〈Uψ ′ 1, AUψ ′ 2〉 = {ψ ′ 1, U † AUψ ′ 2} (∀ψ ′ 1,2)<br />
gilt. Es folgt also, dass Observablen gemäß<br />
A ′ = U † AU<br />
transformiert werden. Das Fazit ist daher, dass unitäre Transformationen bei<br />
einem Darstellungswechsel das Transformationsverhalten von Koordinaten und<br />
Observablen bestimmen.
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 63<br />
Aus der Klassischen Mechanik ist bekannt, dass die fundamentalen Poisson-<br />
Klammern invariant sind unter „Berührungstransformationen“ (engl.: contact<br />
transformations) von alten Variablen (Q,P) zu neuen Variablen ( ¯Q, ¯P):<br />
¨¯Q, ¯Q©Q,P = ∅ f ,¨¯P, ¯P©Q,P = ∅ f ,¨¯Q, ¯P©Q,P = 11 f .<br />
Berührungstransformationen bilden eine wichtige Unterklasse der allgemeinen<br />
kanonischen Transformationen. Unitäre Transformationen in der <strong>Quantenmechanik</strong><br />
sind nun insofern das Pendant der klassischen kanonischen Transformationen,<br />
als sie den Kommutator [ˆx i , ˆp j ] = iδ ij , also das quantenmechanische<br />
Pendant der fundamentalen Poisson-Klammer, invariant lassen:<br />
[ˆx ′ i , ˆp′ j ] = ˆx′ iˆp′ j − ˆp′ jˆx′ i = U† (ˆx i UU †ˆp j − ˆp j UU †ˆx i )U<br />
= U † [ˆx i , ˆp j ]U = iδ ij U † U = iδ ij .<br />
Allgemeiner gilt [A ′ 1, A ′ 2] = i für jedes Observablenpaar A 1 und A 2 , das kanonisch<br />
zueinander konjugiert ist: [A 1 , A 2 ] = i.<br />
3.9 Bilder der <strong>Quantenmechanik</strong><br />
In den Untersuchungen des vorigen Abschnitts, die zeigten, dass Transformationen<br />
zwischen Darstellungen notwendigerweise unitär sind, tritt die Zeitvariable<br />
t nicht explizit auf. Unitäre Transformationen, die unterschiedliche Darstellungen<br />
miteinander verknüpfen, sind in der Praxis häufig zeitunabhängig, können<br />
aber durchaus auch explizit von der Zeitvariablen abhängen. In diesem Abschnitt<br />
besprechen wir drei berühmte Darstellungen der <strong>Quantenmechanik</strong>, die<br />
in der Literatur meist als „Bilder“ bezeichnet werden, sowie die explizit zeitabhängigen<br />
unitären Transformationen, die sie miteinander in Verbindung bringen.<br />
Diese drei Bilder sind das Schrödinger-Bild, das Heisenberg-Bild und das<br />
Wechselwirkungsbild.<br />
3.9.1 Das Schrödinger-Bild<br />
Obwohl Schrödingers Bild der <strong>Quantenmechanik</strong>, charakterisiert durch die Schrödinger-Gleichung,<br />
bereits ausführlich zur Sprache gekommen ist, wurde bisher<br />
meist der Spezialfall eines zeitunabhängigen Hamilton-Operators betrachtet.<br />
Hier betrachten wir den allgemeinen Fall eines möglicherweise explizit zeitabhängigen<br />
Hamiltonians. Die Schrödinger-Gleichung lautet für diesen Fall:<br />
i(∂ t ψ)(t) = Ĥ(t)ψ(t) , ψ(t 0) = ψ 0 ,<br />
wobei die (im Folgenden unwichtige) Ortsabhängigkeit der Wellenfunktion unterdrückt<br />
wird. Auch für diesen allgemeinen Fall lässt sich die Lösung der<br />
Schrödinger-Gleichung mit Hilfe eines Zeitentwicklungsoperators Û(t|t 0) als<br />
ψ(t) = Û(t|t 0)ψ 0<br />
darstellen, wobei der Operator Û(t|t 0) die Operatorgleichung<br />
i(∂ t Û)(t|t 0 ) = Ĥ(t)Û(t|t 0) , Û(t 0 |t 0 ) = 11
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 64<br />
erfüllt. Aus dieser Gleichung folgt sofort:<br />
Û(t|t 1 )Û(t 1|t 0 ) = Û(t|t 0) (∀t 1 ∈ R) ,<br />
da beide Glieder die gleiche Schrödinger-Gleichung und die gleiche Anfangsbedingung<br />
für t = t 1 erfüllen. Für t = t 0 folgt insbesondere:<br />
Û(t 1 |t 0 ) −1 = Û(t 0|t 1 ) .<br />
Außerdem folgt durch Kombination der Schrödinger-Gleichung mit ihrem hermitesch<br />
konjugierten Pendant,<br />
−i(∂ t Û † )(t|t 0 ) = Û† (t|t 0 )Ĥ(t) ,<br />
dass Û† Û zeitunabhängig und daher gleich der Identität ist:<br />
i∂ täÛ † (t|t 0 )Û(t|t 0)ç=0 , Û † (t|t 0 )Û(t|t 0) = Û† (t 0 |t 0 )Û(t 0|t 0 ) = 11 .<br />
Folglich ist der Zeitentwicklungsoperator auch für diesen allgemeinen Fall unitär:<br />
Û † (t|t 0 ) = Û(t|t 0) −1 = Û(t 0|t) .<br />
Klarerweise gilt auch Û(t|t 0)Û† (t|t 0 ) = 11 .<br />
Zusammenfassend gilt in der Schrödinger-Theorie (Index „S“) für die Wellenfunktion<br />
ψ S bzw. für Erwartungswerte von Observablen ÔS(x, ˆp, t):<br />
ψ S (t) = Û(t|t 0)ψ 0 , 〈ÔS〉 ψS = (ψ S , ÔSψ S ) ,<br />
wobei die Wellenfunktion also in jedem nicht-trivialen Problem explizit zeitabhängig<br />
ist und die Operatoren zeitabhängig sein können, aber nicht müssen.<br />
3.9.2 Das Heisenberg-Bild<br />
In Heisenbergs Bild der <strong>Quantenmechanik</strong> (Index „H“) sind die Wellenfunktionen<br />
durch<br />
ψ H (t) ≡ Û† (t|t 0 )ψ S (t) = Û† (t|t 0 )Û(t|t 0)ψ 0 = ψ 0<br />
und Operatoren entsprechend durch<br />
Ô H (t|t 0 ) ≡ Û† (t|t 0 )ÔSÛ(t|t 0)<br />
gegeben, so dass Observablen auch im Heisenberg-Bild hermitesch sind und die<br />
Erwartungswerte von Heisenberg-Operatoren in Heisenberg-Zuständen gleich<br />
den entsprechenden Erwartungswerten in der Schrödinger-Theorie sind:<br />
〈ÔH〉 ψH = (ψ H , Û† Ô S Uψ H ) = (Ûψ H, ÔSÛψ H) = (ψ S , ÔSψ S ) = 〈ÔS〉 ψS .<br />
Bemerkenswert ist, dass die Wellenfunktionen im Heisenberg-Bild zeitunabhängig<br />
(und daher gleich der Anfangsbedingung) sind:<br />
i(∂ t ψ H )(t) = 0 , ψ H (t 0 ) = ψ 0<br />
und nun die Operatoren im Allgemeinen eine explizite Zeitabhängigkeit erlangen.<br />
Da die Heisenberg- und Schrödinger-Bilder durch unitäre Transformationen
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 65<br />
miteinander verknüpft sind, sind diese beiden Darstellungen in jeder Hinsicht<br />
äquivalent. Das Heisenberg-Bild hat dennoch einige Vorzüge, die zum Teil praktischen<br />
Charakter haben (es betrifft hier Weiterentwicklungen in der Quantenfeldtheorie)<br />
und zum Teil eher formaler Natur sind. Wir erwähnen hier einige<br />
dieser formalen Aspekte.<br />
Die im Allgemeinen explizit zeitabhängigen Heisenberg-Operatoren erfüllen<br />
eine Bewegungsgleichung, die der Ehrenfest’schen Bewegungsgleichung für Mittelwerte<br />
von Operatoren sehr ähnlich ist,<br />
d<br />
dt ÔH(t|t 0 ) = d dtÛ† (t|t 0 )ÔSÛ(t|t 0)<br />
wobei definiert wurde:<br />
= − 1<br />
i (Û† ĤÔSÛ − Û† ∂ÔS<br />
Ô S ĤÛ) + Û†<br />
∂t Û<br />
= 1<br />
iäÔ H (t|t 0 ), ĤH(t|t 0 )ç+ ∂ÔH<br />
∂t (t|t 0) ,<br />
Ĥ H (t|t 0 ) = Û† (t|t 0 )ĤÛ(t|t 0) ,<br />
∂ÔH<br />
∂t (t|t 0) ≡ Û† (t|t 0 ) ∂ÔS<br />
∂t Û(t|t 0) .<br />
Diese Bewegungsgleichung für Heisenberg-Operatoren wird manchmal als die<br />
Heisenberg-Gleichung bezeichnet. Wir diskutieren drei wichtige Spezialfälle:<br />
• Falls sowohl ∂ t Ô H = 0 als auch [ÔH, ĤH] = 0 gilt, ist ÔH erhalten:<br />
d<br />
dtÔH(t|t 0 ) = 0 .<br />
Folglich ist der Operator ÔH(t|t 0 ) zeitunabhängig: ÔH(t|t 0 ) = ÔH(t 0 |t 0 ) =<br />
Ô S (x, ˆp, t 0 ). Wegen [ÔH, ĤH] = 0 können die Heisenberg-Operatoren ÔH<br />
und ĤH gleichzeitig diagonalisiert werden, besitzen daher zu jedem Zeitpunkt<br />
t einen gemeinsamen vollständigen Satz orthonormaler Eigenfunktionen.<br />
• Falls der Hamilton-Operator Ĥ = H(x, ˆp, t) der Schrödinger-Theorie eine<br />
analytische Funktion ihrer Variablen ist, gilt ĤH = H(ˆx H , ˆp H , t). In diesem<br />
Fall lauten die Heisenberg-Gleichungen für den Ortsoperator ˆx H bzw. den<br />
Impulsoperator ˆp H :<br />
dˆx H<br />
dt<br />
dˆp H<br />
dt<br />
= 1<br />
i [ˆx H, ĤH] = ∂H<br />
∂p (ˆx H, ˆp H , t)<br />
= 1<br />
i [ˆp H, ĤH] = − ∂H<br />
∂x (ˆx H, ˆp H , t)<br />
und sind somit formal identisch mit den Hamilton-Gleichungen der Klassischen<br />
Mechanik. Bei der Herleitung der Heisenberg-Gleichungen für ˆx H<br />
und ˆp H wurde verwendet, dass für alle Operatoren A und B, die mit ihrem<br />
Kommutator [A, B] kommutieren, gilt: [A, f(B)] = [A, B]f ′ (B).<br />
• Falls der Hamilton-Operator der Schrödinger-Theorie nicht explizit zeitabhängig<br />
ist, ∂ t Ĥ = 0, gilt Û(t|t 0) = e −iĤ(t−t0)/ und daher ĤH = Ĥ<br />
und<br />
Ô H = e iĤ(t−t0)/ Ô S e −iĤ(t−t0)/ (∂ t Ĥ = 0) .
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 66<br />
Die Heisenberg-Gleichung lautet nun allgemein:<br />
d<br />
dtÔH(t|t 0 ) = 1<br />
i [ÔH(t|t ∂ÔH<br />
0 ), Ĥ] +<br />
∂t (t|t 0) (∂ t Ĥ = 0) ,<br />
und für den Fall, dass der Schrödinger-Operator ÔS ebenfalls nicht explizit<br />
zeitabhängig ist, folgt<br />
d<br />
dtÔH(t − t 0 ) = 1<br />
i [ÔH(t − t 0 ), Ĥ] (∂ tĤ = 0 , ∂ tÔS = 0) .<br />
Wegen der Translationsinvarianz in der Zeitrichtung hängt der Heisenberg-<br />
Operator ÔH lediglich von der Relativzeit t − t 0 ab.<br />
Für ∂ t Ĥ = 0 ist die Beziehung zwischen den Wellenfunktionen im Schrödingerbzw.<br />
Heisenberg-Bild besonders einfach (nämlich diagonal) in der Energiedarstellung:<br />
ψ S (t) =m<br />
ψ Sm (t)φ (Ĥ)<br />
m , ψ H (t) =m<br />
ψ Hm (t)φ (Ĥ)<br />
m ,<br />
denn wegen Û = diage −iEm(t−t0)/und ψ Sm (t) = e −iEm(t−t0)/ ψ Sm (t 0 ) gilt<br />
ψ Hm (t) = (Û† ) mm ψ Sm (t) = e iEm(t−t0)/ ψ Sm (t) = ψ Sm (t 0 ) .<br />
In diesem Fall wurden die Basisfunktionen φ (Ĥ)<br />
m im Heisenberg-Bild zu jedem<br />
Zeitpunkt gleich gewählt, und folglich sind die Koordinaten {ψ Hm (t)} für alle<br />
t ∈ R zeitunabhängig.<br />
3.9.3 Das Wechselwirkungsbild<br />
Im Wechselwirkungsbild der <strong>Quantenmechanik</strong> wird vorausgesetzt, dass der<br />
Hamilton-Operator der Schrödingertheorie einen zeitunabhängigen und einen<br />
explizit zeitabhängigen Anteil hat:<br />
Ĥ(t) = Ĥ0 + λĤ1(t) (λ ∈ R) .<br />
Dieses Bild ist besonders dann nützlich, wenn der dimensionslose Parameter λ<br />
klein ist (λ ≪ 1), so dass der zeitabhängige Term im Hamilton-Operator störungstheoretisch<br />
behandelt werden kann. Hier betrachten wir den allgemeinen<br />
Fall (λ ∈ R).<br />
Die Schrödinger-Gleichung für den zeitabhängigen Hamilton-Operator Ĥ(t),<br />
i∂ t ψ S = [Ĥ0 + λĤ1(t)]ψ S , ψ S (t 0 ) = ψ 0 ,<br />
kann mit Hilfe der Definitionen<br />
auch als<br />
ψ W (t) ≡ e iĤ0(t−t0)/ ψ S , Ĥ W (t) ≡ e iĤ0(t−t0)/ λĤ1(t)e −iĤ0(t−t0)/<br />
i∂ t ψ W = −Ĥ0ψ W + e iĤ0(t−t0)/ i∂ t ψ S<br />
= −Ĥ0ψ W + [Ĥ0 + ĤW(t)]ψ W<br />
= ĤW(t)ψ W , ψ W (t 0 ) = ψ 0
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 67<br />
geschrieben werden. Die Lösung dieser Bewegungsgleichung hat die Form<br />
ψ W (t) = ÛW(t|t 0 )ψ 0 ,<br />
wobei der unitäre Operator ÛW(t|t 0 ) durch<br />
i(∂ t U W )(t|t 0 ) = ĤW(t)ÛW(t|t 0 ) , Û W (t 0 |t 0 ) = 11<br />
bestimmt ist. Die Operatoren im Wechselwirkungsbild sind entsprechend durch<br />
Ô W (t|t 0 ) ≡ e iĤ0(t−t0)/ Ô S e −iĤ0(t−t0)/<br />
definiert, so dass Mittelwerte im Wechselwirkungsbild gleich den Mittelwerten<br />
im Schrödinger- oder Heisenberg-Bild sind:<br />
〈ÔW〉 ψW = (ψ W , ÔWψ W ) = (ψ S , ÔSψ S ) = 〈ÔS〉 ψS .<br />
Sowohl die Wellenfunktionen als auch die Operatoren sind im Wechselwirkungsbild<br />
also im Allgemeinen explizit zeitabhängig. Die Transformation vom Schrödinger-<br />
zum Wechselwirkungsbild ist lediglich ein Darstellungswechsel und wird<br />
somit durch den unitären Operator e iĤ0(t−t0)/ beschrieben. Analog wird die<br />
Transformation vom Heisenberg- zum Wechselwirkungsbild durch den unitären<br />
Operator ÛW(t|t 0 ) beschrieben.<br />
3.9.4 Explizite Form des Zeitentwicklungsoperators<br />
Wir versuchen nun, explizite Ausdrücke für die Zeitentwicklungsoperatoren Û(t|t 0)<br />
und ÛW(t|t 0 ) zu bestimmen. Durch Integration der Bewegungsgleichung<br />
i(∂ t Û)(t|t 0 ) = Ĥ(t)Û(t|t 0) , Û(t 0 |t 0 ) = 11<br />
entsteht zunächst die Integralgleichung<br />
Û(t|t 0 ) = 11 + 1<br />
it<br />
die iterativ gelöst werden kann:<br />
t 0<br />
dt 1 Ĥ(t 1 )Û(t 1|t 0 ) ,<br />
Û(t|t 0 ) = 11 +<br />
it 1 dt 1 Ĥ(t 1 ) + 1<br />
2t<br />
t 0<br />
(i)<br />
t 0<br />
dt 1t 1<br />
t 0<br />
dt 2 Ĥ(t 1 )Ĥ(t 2)Û(t 2|t 0 )<br />
= · · · =<br />
∞k=0<br />
Û k (t|t 0 ) ,<br />
wobei Û0(t|t 0 ) ≡ 11 und für k ≥ 1:<br />
Û k (t|t 0 ) ≡ 1<br />
(i) kt<br />
t 0<br />
dt 1t 1<br />
t 0<br />
dt 2 · · ·t k−1<br />
t 0<br />
dt k Ĥ(t 1 )Ĥ(t 2) · · · Ĥ(t k)<br />
definiert wurde. Man achte hierbei auf die Reihenfolge der Operatoren Ĥ(t i), die<br />
(für t ≥ t 0 ) insofern nach der Zeit „geordnet“ sind, als die spätere Zeit immer<br />
links von der früheren steht: t 1 > t 2 > · · · > t k . Mit Hilfe des Zeitordnungsoperators<br />
T ,<br />
T [f(t 1 )g(t 2 )] ≡ f(t 1 )g(t 2 )Θ(t 1 − t 2 ) + g(t 2 )f(t 1 )Θ(t 2 − t 1 ) ,
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 68<br />
kann man Û(t|t 0) eleganter darstellen. Es gilt nämlich:<br />
Û 2 (t|t 0 ) = 1<br />
(i) 2t<br />
=<br />
und allgemeiner:<br />
Û k (t|t 0 ) =<br />
t 0<br />
dt 1t 1<br />
1<br />
2t<br />
dt 1t<br />
2!(i) t 0<br />
1<br />
kt<br />
dt 1 · · ·t<br />
k!(i) t 0<br />
t 0<br />
dt 2 Ĥ(t 1 )Ĥ(t 2)<br />
so dass man symbolisch schreiben kann:<br />
t 0<br />
dt 2 T [Ĥ(t 1)Ĥ(t 2)]<br />
t 0<br />
dt k T [Ĥ(t 1)Ĥ(t 2) · · · Ĥ(t k)] ,<br />
1<br />
Û(t|t 0 ) = dt<br />
k!1<br />
it<br />
Tå∞k=0<br />
′ Ĥ(t ′ −iÊt dt<br />
)kè=Tåe ′ Ĥ(t ′ t 0<br />
)/è. (3.20)<br />
t 0<br />
Der Zeitentwicklungsoperator hat für t ≥ t 0 also die Form einer zeitgeordneten<br />
Exponentialfunktion. Für t ≤ t 0 findet man analog<br />
Û(t|t 0 ) = 11 − 1<br />
it 0<br />
t<br />
dt 1 Ĥ(t 1 )Û(t 1|t 0 ) = · · · =<br />
∞k=0<br />
Û k (t|t 0 ) ,<br />
mit Û0(t|t 0 ) ≡ 11 und<br />
Û k (t|t 0 ) =− 1<br />
ikt 0<br />
t<br />
dt 1t 0<br />
t 1<br />
dt 2 · · ·t 0<br />
t k−1<br />
dt k Ĥ(t 1 )Ĥ(t 2) · · · Ĥ(t k) .<br />
Nun steht die spätere Zeit immer rechts von der früheren, so dass man den<br />
Zeitentwicklungsoperator mit Hilfe eines Zeitantiordnungsoperators T ,<br />
T [f(t 1 )g(t 2 )] ≡ f(t 1 )g(t 2 )Θ(t 2 − t 1 ) + g(t 2 )f(t 1 )Θ(t 1 − t 2 ) ,<br />
darstellen kann:<br />
Û k (t|t 0 ) =<br />
und daher gilt:<br />
Û(t|t 0 ) = Tå∞k=0<br />
1<br />
k!(−i) kt 0<br />
t<br />
1<br />
k!− 1<br />
it 0<br />
0<br />
dt 1 · · ·t<br />
dt k T [Ĥ(t1)Ĥ(t 2) · · · Ĥ(t k)] ,<br />
t<br />
t<br />
dt ′ Ĥ(t ′ )kè=Tåe iÊt 0<br />
dt ′ Ĥ(t ′ t<br />
)/è.<br />
Für t ≤ t 0 erhält man somit eine zeit-antigeordnete Exponentialfunktion. Dieses<br />
Ergebnis für Û(t|t 0) mit t ≤ t 0 folgt alternativ auch sofort aus Û(t|t 0) =<br />
=<br />
TäĤ(t 1 )Ĥ(t 2)ç.<br />
Hiermit ist selbstverständlich auch die explizite Form des Zeitentwicklungsoperators<br />
im Wechselwirkungsbild bekannt:<br />
Û(t 0 |t) † in Kombination mit (3.20) und der IdentitätTäĤ(t 1 )Ĥ(t 2)ç†<br />
−iÊt<br />
=Tåe<br />
Û W (t|t 0 )<br />
Tåe iÊt 0<br />
t<br />
t 0<br />
dt ′ Ĥ W(t ′ )/è(t ≥ t 0 )<br />
dt ′ Ĥ W(t ′ )/è(t ≤ t 0 ) .
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 69<br />
Wir werden dieses Ergebnis bei der Behandlung der zeitabhängigen Störungstheorie<br />
in Kapitel 8 gewinnbringend anwenden können. Eine Störungsentwicklung<br />
nach „Potenzen“ von ĤW ist in diesem Fall besonders sinnvoll, da der in ĤW<br />
enthaltene dimensionslose Parameter λ als klein vorausgesetzt wird (λ ≪ 1).<br />
3.10 Der abstrakte Vektorraum<br />
Die Existenz verschiedener Darstellungen, die durch unitäre Transformationen<br />
miteinander verbunden werden können, erinnert stark an den Euklidischen Vektorraum,<br />
d. h. an den linearen Vektorraum mit dem reellen Skalarprodukt aus<br />
der elementaren Geometrie. Auch in diesem Fall hat man unendlich viele Möglichkeiten,<br />
eine orthonormale Basis im Vektorraum zu wählen. Jede Basiswahl<br />
definiert eine Darstellung des Vektorraums mit Hilfe von „Koordinaten“, und<br />
Transformationen von einer Darstellung zu einer anderen werden bestimmt<br />
durch orthogonale Transformationen wie in Abbildung 3.3. Wichtig bei dieser<br />
Analogie ist vor allem, dass das Skalarprodukt zweier abstrakter Vektoren v und<br />
w bereits im Euklidischen Vektorraum definiert ist. Das Skalarprodukt ist somit<br />
darstellungsunabhängig und daher notwendigerweise invariant unter einem<br />
Darstellungswechsel.<br />
e 2<br />
e ′ 2<br />
e ′′<br />
2<br />
v abstrakter Vektor<br />
e 1 Darstellung 1<br />
orth. Transf.<br />
orth. Transf.<br />
e ′ 1 Darstellung 2<br />
e ′′<br />
1 Darstellung 3<br />
Abbildung 3.3: Transformationen im abstrakten Vektorraum<br />
Es ist nun naheliegend, zu versuchen, auch zu den unendlich vielen Darstellungen<br />
der Quantentheorie einen abstrakten Funktionenraum H D zu konstruieren,<br />
der bei geeigneter Basiswahl jede mögliche Spezialdarstellung erzeugt.<br />
Die Einführung eines solchen Funktionenraums hätte offensichtlich Vorteile, da<br />
er darstellungsfreie und somit allgemeingültige Aussagen erlaubt. Andererseits<br />
ist bereits aus der elementaren Geometrie bekannt, dass für bestimmte Anwendungen<br />
geschickt gewählte Spezialdarstellungen rechentechnisch am bequemsten<br />
sind, so dass man auch in der Quantentheorie erwarten kann, bei manchen konkreten<br />
Rechnungen auf Spezialdarstellungen zurückgreifen zu müssen. Die Idee<br />
des abstrakten Funktionenraums stammt von P.A.M. Dirac (1926).<br />
Wir stellen die Funktion, die in der Ortsdarstellung mit ψ(ξ, t), in der Impulsdarstellung<br />
mit ˆψ(k, t), usw., bezeichnet wird, im abstrakten Vektorraum<br />
H D als |ψ〉 dar. Die {|ψ〉} formen einen linearen Vektorraum, da die {ψ}, { ˆψ},<br />
usw. dies in den jeweiligen Darstellungen tun. Zu jedem Vektor |ψ〉 führen wir<br />
nun das lineare Funktional 〈ψ| ein, das für alle |ψ ′ 〉 ∈ H D die folgende Wirkung
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 70<br />
haben soll:<br />
〈ψ| : |ψ ′ 〉 ↦→ (ψ, ψ ′ ) ≡ 〈ψ |ψ ′ 〉 . (3.21)<br />
Hierbei heißt 〈ψ| der zu |ψ〉 duale Vektor; die Gesamtheit aller {〈ψ|} heißt<br />
dementsprechend der duale Vektorraum H D . Gleichung (3.21) definiert das Skalarprodukt<br />
auf dem Produktraum H D ⊗ H D . Da 〈ψ| und |ψ ′ 〉 zusammen ein<br />
„bracket“ 〈ψ |ψ ′ 〉 ergeben, wurden sie von Dirac „bra“ bzw. „ket“ getauft. Wegen<br />
(3.21) können die {|ψ ′ 〉} auch als „Duale der Dualen“, d. h. als lineare Funktionale<br />
auf H D interpretiert werden.<br />
Zwei Funktionale sind besonders wichtig, nämlich diejenigen, welche die<br />
Orts- und die Impulsdarstellung erzeugen. Der Basisvektor 〈x| der Ortsdarstellung<br />
und sein dualer Vektor sind gegeben durch:<br />
〈x| : |ψ〉 ↦→ 〈x|ψ〉 ≡ ψ(x)<br />
|x〉 : 〈ψ| ↦→ 〈ψ |x〉 ≡ ψ ∗ (x) ,<br />
und die Basisvektoren der Impulsdarstellung sind:<br />
〈k| : |ψ〉 ↦→ 〈k|ψ〉 ≡ ˆψ(k)<br />
|k〉 : 〈ψ| ↦→ 〈ψ |k〉 ≡ ˆψ ∗ (k) .<br />
Betrachten wir nun eine vollständige, orthonormale Basis {φ n (x)}, so dass<br />
〈φ m |φ n 〉 = (φ m , φ n ) = δ mn und für alle ψ, ψ ′ :<br />
〈ψ |ψ ′ 〉 = (ψ, ψ ′ ) =n<br />
(ψ, φ n )(φ n , ψ ′ ) = 〈ψ|n<br />
|φ n 〉〈φ n ||ψ ′ 〉<br />
und daher<br />
n<br />
|φ n 〉〈φ n | = 11<br />
gilt. Es folgt, dass die Basisvektoren der Ortsdarstellung orthonormal und vollständig<br />
sind, denn außer<br />
〈ξ |ξ ′ 〉 =n<br />
〈ξ |φ n 〉〈φ n |ξ ′ 〉 =n<br />
φ n (ξ)φ ∗ n (ξ′ ) = δ(ξ − ξ ′ )<br />
gilt auch für alle ψ, ψ ′ :<br />
〈ψ |ψ ′ 〉 = (ψ, ψ ′ ) =dξ ψ ∗ (ξ)ψ ′ (ξ) = 〈ψ|dξ |ξ〉〈ξ||ψ ′ 〉<br />
und daher:<br />
dξ |ξ〉〈ξ| = 11 .<br />
Dies bestätigt unsere Befunde für die Eigenfunktionen χ ξ des Ortsoperators in<br />
Abschnitt [3.5.2]. Analog folgt für die Basisvektoren der Impulsdarstellung im<br />
Limes V → ∞:<br />
〈k|k ′ 〉 = δ(k − k ′ ) ,dk |k〉〈k| = 11 .
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 71<br />
Dies sieht man aus:<br />
〈k|k ′ 〉 =n<br />
〈k|φ n 〉〈φ n |k ′ 〉 =n<br />
ˆφ n (k)ˆφ ∗ n (k′ )<br />
=n<br />
(2π) −dD<br />
dy dy 2 φ n (y 1 )φ ∗ n 1D<br />
(y 2)e i(k′·y 2−k·y 1)<br />
= (2π) −dD<br />
dy e i(k′ −k)·y =<br />
V<br />
(2π) d δ kk ′ = 1<br />
∆k δ kk ′<br />
−→ δ(k − k ′ ) (V → ∞)<br />
und<br />
〈ψ |ψ ′ 〉 = 〈 ˆψ | ˆψ ′ 〉 = (∆k)k<br />
ˆψ ∗ (k) ˆψ ′ (k) =k<br />
(∆k)〈ψ |k〉〈k|ψ ′ 〉 .<br />
Da die letzte Gleichung für alle ψ, ψ ′ gilt, folgt nämlich sofort die Operatoridentität:<br />
11 =k<br />
(∆k)|k〉〈k| −→dk |k〉〈k| (V → ∞) .<br />
Dies bestätigt im abstrakten Vektorraum die Ergebnisse des Abschnitts [3.5.1]<br />
für die Orthonormalität und Vollständigkeit der Basisfunktionen φ k . Andere<br />
wichtige Skalarprodukte im abstrakten Vektorraum sind:<br />
〈ξ |k〉 =n<br />
〈ξ |φ n 〉〈φ n |k〉 =n<br />
φ n (ξ)ˆφ ∗ n (k)<br />
= (2π) −d/2D<br />
dyn<br />
φ n (ξ)φ ∗ n (y)eik·y<br />
= (2π) −d/2D<br />
dy δ(ξ − y)e ik·y = (2π) −d/2 e ik·ξ<br />
und<br />
〈k|ξ〉 = 〈ξ |k〉 ∗ = (2π) −d/2 e −ik·ξ .<br />
Diese Skalarprodukte stellen also im Wesentlichen die Basisfunktionen φ k (ξ)<br />
bzw. ˜φ ξ (k) aus Abschnitt [3.5] dar.<br />
Schließlich sei erwähnt, dass die Wirkung von Operatoren im abstrakten<br />
Vektorraum festliegt, wenn ihre Wirkung in irgendeiner konkreten Darstellung<br />
bekannt ist. Sei zum Beispiel die Wirkung der Observablen A ξ in der Ortsdarstellung<br />
bekannt, dann ist das Pendant A von A ξ im abstrakten Vektorraum:<br />
A|ψ〉 =n<br />
|φ n 〉〈φ n |A|ψ〉 =n<br />
|φ n 〉(φ n , A ξ ψ) ,<br />
wobei die Matrixelemente (φ n , A ξ ψ) explizit bekannt sind. Insbesondere gilt<br />
für den Hamilton-Operator Ĥ im abstrakten Vektorraum, falls der Hamilton-<br />
Operator in der Ortsdarstellung durch Ĥξ gegeben ist:<br />
Ĥ|ψ〉 =dx |x〉〈x|Ĥξψ〉 =dx |x〉(Ĥξψ)(x) ,
----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 72<br />
so dass nun auch die Wirkung von Ĥ explizit bekannt ist. Die Schrödinger-<br />
Gleichung im abstrakten Vektorraum folgt somit als<br />
i∂ t |ψ(t)〉 = i∂ tdx |x〉〈x|ψ(t)〉 =dx |x〉i(∂ t ψ)(x, t)<br />
=dx |x〉(Ĥξψ)(x, t) = Ĥ|ψ(t)〉 .<br />
Außerdem folgen die Matrixelemente 〈x|Ĥ|y〉 des Hamilton-Operators aus<br />
dy 〈x|Ĥ|y〉ψ(y) =dy 〈x|Ĥ|y〉〈y|ψ〉 = 〈x|Ĥ|ψ〉<br />
als<br />
〈x|Ĥ|y〉 = H(x|y) .<br />
=dx ′ 〈x|x ′ 〉(Ĥξψ)(x ′ ) = (Ĥξψ)(x)<br />
=dyH(x|y)ψ(y)<br />
Analog findet man zum Beispiel 〈x|Ût|y〉 = U t (x|y) für den Zeitentwicklungsoperator.<br />
Mit diesem Abschnitt ist die Behandlung des Formalismus der Quantentheorie<br />
abgeschlossen. Im Folgenden werden wir uns zuerst einigen relativ einfachen,<br />
exakt lösbaren Problemen widmen; danach wird als Verfeinerung der<br />
Schrödinger-Theorie der Spin als interner Freiheitsgrad des Elektrons eingeführt.<br />
Als Abschluss sollen Näherungsmethoden, zur Lösung von nicht mehr<br />
exakt lösbaren Problemen, untersucht werden.
Kapitel4<br />
Der harmonische Oszillator<br />
In diesem Kapitel betrachten wir eins der „Paradigmen“ der theoretischen Physik<br />
und insbesondere auch der <strong>Quantenmechanik</strong>, das exakt lösbare Modell des<br />
harmonischen Oszillators:<br />
Ĥ d (ˆp,x) = ˆp2<br />
2m + 1 2 mω2 x 2 (4.1)<br />
mit x = (x 1 , . . . , x d ) und ˆp = (ˆp 1 , . . . , ˆp d ). Der hier betrachtete isotrope harmonische<br />
Oszillator ist ein Sonderfall des allgemeinen Hamilton-Operators<br />
Ĥ d = 1 2 ˆp · M−1 · ˆp + 1 2 x · B · x , (4.2)<br />
wobei die Matrix M reell, symmetrisch und positiv definit und die Matrix B<br />
reell, symmetrisch und positiv semidefinit sein soll. Aus der Theorie der kleinen<br />
Schwingungen in der Theoretischen Mechanik weiß man, dass der Hamiltonian<br />
(4.2) mit Hilfe einer Transformation auf „Normalkoordinaten“ (ˆP,X) diagonalisiert<br />
werden kann:<br />
Ĥ d = 1 2 ˆP 2 + 1 2<br />
dl=1<br />
ω 2 l X2 l , ω l ≥ 0 , X = (X 1 , . . .,X d ) . (4.3)<br />
Die unten für den isotropen Fall (4.1) durchgeführten Rechnungen können leicht<br />
auf den allgemeinen Fall (4.3) verallgemeinert werden. In beiden Fällen ist<br />
das dynamische Problem des harmonischen Oszillators durch die Schrödinger-<br />
Gleichung<br />
i∂ t Ψ = ĤdΨ (4.4)<br />
mit der Anfangsbedingung<br />
Ψ(x, 0) = Ψ 0 (x) (4.5)<br />
definiert; der Definitionsbereich des harmonischen Oszillators umfasst den ganzen<br />
Ortsraum (x ∈Êd ). Das Interesse am harmonischen Oszillator rührt daher,<br />
dass die Dynamik eines beliebigen Systems in der Nähe des Minimums eines<br />
Potentialtopfs approximativ durch den Hamilton-Operator (4.1) oder (4.2) beschrieben<br />
werden kann. Hierbei kann das „System“ ein einzelnes Atom oder Ion
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 74<br />
V (x)<br />
x 0<br />
Abbildung 4.1: Approximation durch einen harmonischen Oszillator<br />
(oder gar ein Elektron) sein. Man kann auch an kollektive Schwingungen makroskopisch<br />
vieler Atome oder Ionen (Gitterschwingungen) denken, wobei das<br />
„System“ also N ≃ 10 23 Teilchen umfasst und x die Auslenkungen aller dieser<br />
Teilchen darstellt: x = (x 1 , . . .,x N ). Da die potentielle Energie 1 2 x · B · x in<br />
diesem Fall sicherlich invariant unter Translationen des gesamten Kristalls<br />
x −→ (x 1 + a,x 2 + a, . . . ,x N + a) ≡ x + A<br />
ist, gilt B · A = 0 und somit auch A · B · A = 0; die Matrix B ist in diesem<br />
Beispiel also tatsächlich nur positiv semidefinit.<br />
Der harmonische Oszillator ist nicht nur für Gitterschwingungen (Phononen)<br />
relevant, sondern auch z. B. für die Beschreibung von Elektronen im Magnetfeld<br />
(„Landau-Niveaus“) und für die Beschreibung der Anregungen des quantisierten<br />
Strahlungsfeldes („Photonen“). Selbstverständlich erfordert auch die Untersuchung<br />
anharmonischer Effekte genaue Kenntnisse des harmonischen Falls, da<br />
der harmonische Oszillator im Allgemeinen als Startpunkt einer störungstheoretischen<br />
Berechnung dient.<br />
Im Folgenden diskutieren wir zuerst einige allgemeine Eigenschaften des<br />
quantenmechanischen harmonischen Oszillators; wir zeigen insbesondere, dass<br />
die exakte Lösung des d-dimensionalen Oszillators aus der Lösung des eindimensionalen<br />
Falles folgt. Dann diskutieren wir die Lösung der Schrödinger-Gleichung<br />
für den eindimensionalen harmonischen Oszillator und die wichtigsten Eigenschaften<br />
der Eigenfunktionen. Hierzu werden wir rein algebraische Methoden<br />
verwenden; in diesem Kontext führen wir auch die Begriffe „Erzeugungs-“ und<br />
„Vernichtungsoperator“ zum ersten Mal ein.<br />
4.1 Der d-dimensionale harmonische Oszillator<br />
Wir betrachten das Modell des harmonischen Oszillators, d. h. die Schrödinger-<br />
Gleichung (4.4) mit dem Hamilton-Operator (4.1) zuerst in beliebigen Raumdimensionen<br />
d und erläutern einige seiner allgemeinen Eigenschaften. Es wird<br />
insbesondere gezeigt, dass der mittlere Aufenthaltsort des quantenmechanischen<br />
Oszillators die klassische Bewegungsgleichung erfüllt, dass die mittlere kinetische<br />
und die mittlere potentielle Energie gleich sind, dass der quantenmechanische<br />
Oszillator das klassische Energieminimum E = 0 nicht erreichen kann und<br />
dass die exakte Lösung des d-dimensionalen harmonischen Oszillators auf die<br />
entsprechende Lösung des eindimensionalen Problems reduziert werden kann.
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 75<br />
Die Zeitabhängigkeit des mittleren Aufenthaltsorts und des mittleren Impulses<br />
des Oszillators folgt sofort aus dem Ehrenfest’schen Theorem:<br />
d〈x〉<br />
dt<br />
= 〈p〉<br />
m , d〈ˆp〉<br />
= 〈−∇V 〉 = −mω 2 〈x〉 .<br />
dt<br />
Kombination beider Gleichungen liefert nämlich die Bewegungsgleichung<br />
d 2 〈x〉<br />
dt 2<br />
mit der Lösung:<br />
= −ω 2 〈x〉<br />
〈x〉 t = 〈x〉 0 cos(ωt) +<br />
ωd〈x〉 1 sin(ωt) .<br />
dt0<br />
Der mittlere Aufenthaltsort und – analog – der mittlere Impuls erfüllen also die<br />
klassische Bewegungsgleichung für den Ortsvektor des klassischen harmonischen<br />
Oszillators.<br />
Aus dem Virialtheorem folgt eine exakte Beziehung zwischen der kinetischen<br />
und der potentiellen Energie des Oszillators in einem stationären Zustand, d. h.<br />
in einem Zustand der Form<br />
Ψ ν (x, t) = e −iEνt/ Φ ν (x) , Ĥ d Φ ν = E ν Φ ν . (4.6)<br />
Man beachte, dass |Ψ ν | 2 in diesem Zustand zeitunabhängig ist. Aus dem Virialtheorem:<br />
0 = d 2<br />
〈x · ˆp〉 =ˆp<br />
· ∇V 〉<br />
dt mò−〈x<br />
folgt sofort, dass für stationäre Zustände<br />
ˆp 2<br />
2mò=〈 1 2 mω2 x 2 〉 (4.7)<br />
gilt, d.h. dass die mittlere kinetische und die mittlere potentielle Energie gleich<br />
sind.<br />
Wir leiten noch eine exakte untere Schranke für die Eigenenergie E ν des stationären<br />
Zustands Ψ ν (x, t) in (4.6) ab. Aus den Vertauschungsrelationen (siehe<br />
S. 24):<br />
[x, Ĥd] = i m ˆp , [ˆp, Ĥd] = −i∇V = −imω 2 x ,<br />
folgt für die Erwartungswerte von ˆp und x im Zustand Ψ:<br />
d. h.<br />
i<br />
m 〈ˆp〉 = (Φ ν, [x, Ĥd]Φ ν ) = 〈x〉E ν − E ν 〈x〉 = 0<br />
−imω 2 〈x〉 = (Φ ν , [ˆp, Ĥd]Φ ν ) = 〈ˆp〉E ν − E ν 〈ˆp〉 = 0 ,<br />
〈ˆp〉 = 0 , 〈x〉 = 0 .
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 76<br />
Da diese Mittelwerte Null sind, folgt mit der Unschärferelation ∆x l ∆p l ≥ 1 2 :<br />
〈ˆp 2 l 〉 = (∆p l) 2 , 〈x 2 l 〉 = (∆x l) 2 ≥ ,<br />
2∆p l2 〉è<br />
und daher<br />
E ν = 〈Ĥd〉 = 〈ˆp2 〉<br />
dl=1å〈ˆp<br />
2m + 1 2 mω2 〈x〉 2 2 l<br />
=<br />
〉<br />
2m + 1 2 mω2 〈x 2 l<br />
=<br />
dl=1å(∆p l ) 2<br />
2m<br />
+ 1 2 mω2 (∆x l ) 2è≥<br />
dl=1å(∆p l ) 2<br />
2m + 2 mω 2<br />
8(∆p l ) 2è.<br />
Die Unschärfen ∆p l im rechten Glied sind zwar unbekannt; trotzdem kann man<br />
eine explizite untere Schranke für E ν aufgrund der Eigenschaft [. . . ] ≥ 1 2 ω<br />
des rechten Glieds herleiten, die sofort aus der Minimierung von [. . .] bezüglich<br />
(∆p l ) 2 folgt. Man erhält daher:<br />
E ν ≥ d ω . (4.8)<br />
2<br />
Wir schließen hieraus, dass es dem quantenmechanischen harmonischen Oszillator<br />
nicht möglich ist, das „klassische“ Energieminimum E = 0 zu erreichen.<br />
Allein wegen der Unschärferelation sind die möglichen Eigenenergien E ν für alle<br />
ν durch d 2ω nach unten beschränkt. Man spricht in diesem Kontext von „Nullpunktsschwingungen“,<br />
die am quantenmechanischen Energieminimum stattfinden.<br />
Außerdem ist es leicht möglich, mit Hilfe des Variationsprinzips eine exakte<br />
obere Schranke für die Grundzustandsenergie E 0 zu bestimmen. Das Variationsprinzip<br />
basiert auf der Ungleichung<br />
〈Ĥ〉 Φ = (Φ, ĤΦ) =ν<br />
≥ E 0ν<br />
(Φ, Φ ν )(Φ ν , ĤΦ) =ν<br />
(Φ, Φ ν )(Φ ν Φ) = E 0 (Φ, Φ) = E 0 ,<br />
E ν |(Φ, Φ ν )| 2<br />
(4.9)<br />
die für jede normierte Wellenfunktion Φ ∈ H gilt. Das Variationsverfahren<br />
bezweckt nun, die Form von Φ so zu wählen, dass man eine möglichst scharfe obere<br />
Schranke für E 0 erhält. Als Variationswellenfunktion für den harmonischen<br />
Oszillator wählen wir ein Wellenpaket mit minimaler Unschärfe, das – wie wir<br />
wissen – eine relativ einfache Gauß’sche Form hat:<br />
Φ s (x) = (πs) −d/4 e −x2 /2s<br />
(s > 0) .<br />
Dieses Wellenpaket ist bereits normiert, d. h. es gilt ‖Φ s ‖ = 1. Einsetzen von Φ s<br />
in die Ungleichung (4.9) liefert nach Auswertung einiger Gauß-Integrale:<br />
E 0 ≤ 〈Ĥ〉 Φ s<br />
= d 2<br />
4ms + 1 4 mω2 s.<br />
Durch Minimierung des rechten Glieds bezüglich des Variationsparameters s<br />
erhält man eine möglichst scharfe obere Schranke für die Grundzustandsenergie.<br />
Als optimalen Wert findet man s = <br />
mω<br />
, und es folgt daher:<br />
E 0 ≤ d1<br />
4 ω + 1 4 ω= d ω . (4.10)<br />
2
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 77<br />
Erstaunlicherweise sind die hier bestimmte obere Schranke und die in (4.8) bestimmte<br />
untere Schranke für die Grundzustandsenergie identisch. Dies kann<br />
jedoch nur bedeuten, dass E 0 exakt gleich d 2ω ist und dass der Grundzustand<br />
des harmonischen Oszillators (oder zumindest einer der möglichen Grundzustände,<br />
falls es mehrere gibt) exakt durch das isotrope<br />
l<br />
Gauß-Paket mit s = <br />
mω<br />
beschrieben wird. 1 Hiermit haben wir bereits einen wichtigen Teil der Lösung<br />
des quantenmechanischen harmonischen Oszillators kennengelernt, aber eben<br />
nur einen Teil: Es fehlen uns noch unendlich viele andere Eigenfunktionen. . .<br />
Wir wenden uns nun der allgemeinen Lösung der Schrödinger-Gleichung für<br />
den harmonischen Oszillator zu. Da der Hamilton-Operator Ĥd in (4.1) als Summe<br />
eindimensionaler Hamilton-Operatoren geschrieben werden kann:<br />
dl=1ˆp<br />
Ĥ d (x, ˆp) = ˆp2<br />
2m + 1 2 mω2 x 2 2 l<br />
=<br />
2m + 1 2 mω2 x 2<br />
=<br />
dl=1<br />
Ĥ 1 (x l , ˆp l ) , Ĥ 1 (x, ˆp) = ˆp2<br />
2m + 1 2 mω2 x 2 ,<br />
sind die Eigenfunktionen von Ĥd einfach Produkte von Eigenfunktionen von Ĥ1:<br />
Φ ν =<br />
dl=1äφ nl (x l )ç≡Φ n (x) , Ĥ 1 φ n = ε n φ n (n ∈Æ) ,<br />
und die Eigenenergien E ν folgen als:<br />
E ν = ε nl ≡ E n .<br />
dl=1<br />
=<br />
Die allgemeine Lösung der Schrödinger-Gleichung zur Anfangsamplitude Ψ 0 (x):<br />
i∂ t Ψ = ĤdΨ , Ψ(x, 0) = Ψ 0 (x) ,<br />
folgt nun aus dem allgemeinen Ergebnis (3.19) auf S. 57 als:<br />
Ψ(x, t) e −iEnt/ Φ n (x)(Φ n , Ψ 0 ) .<br />
n∈Æd<br />
Man sieht also, dass das d-dimensionale Problem auf ein eindimensionales reduziert<br />
werden kann. Unter anderem aus diesem Grund macht es Sinn, das Problem<br />
des eindimensionalen harmonischen Oszillators im Detail zu untersuchen.<br />
Zu lösen ist also das Eigenwertproblem<br />
Ĥ 1 (x, ˆp)φ = − 2 d 2 φ<br />
2m dx 2 + 1 2 mω2 x 2 φ = Eφ , (4.11)<br />
1 Hierbei wird verwendet, dass die Ungleichung 〈Ĥ〉 Φ ≥ E 0 für ∀Φ ∈ H zusammen mit<br />
der Gleichung 〈Ĥ〉 Φ s<br />
= E 0 impliziert, dass Φ s eine Eigenfunktion des Hamilton-Operators<br />
zum Eigenwert E 0 ist: ĤΦs = E 0Φ s. Da Ĥ − E 0 hermitesch und positiv semidefinit ist, folgt<br />
nämlich:<br />
0 ≤ (Φ, ĤΦ) − E 0 (Φ,Φ) = (Φ, (Ĥ − E 0 )Φ) = ‖ÔĤ − E 0 Φ‖ 2<br />
und insbesondere für Φ = Φ s: 0 = ‖ÔĤ − E 0 Φ s‖ 2 . Dies impliziertÔĤ − E 0 Φ s = 0 und<br />
daher (Ĥ − E 0 )Φ s = 0, so dass in der Tat ĤΦ s = E 0 Φ s gilt.
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 78<br />
wobei wir bereits aus (4.8) wissen, dass die möglichen Eigenwerte E im eindimensionalen<br />
Fall von unten durch 1 2ω beschränkt sind.<br />
4.2 Algebraische Lösungsmethode<br />
für den harmonischen Oszillator<br />
Man kann das Eigenwertproblem (4.11) des quantenmechanischen harmonischen<br />
Oszillators kurz und elegant mit Hilfe von algebraischen Überlegungen lösen.<br />
Als Startpunkt betrachten wir den Hamilton-Operator des eindimensionalen<br />
harmonischen Oszillators:<br />
Ĥ = ˆp2<br />
2m + 1 2 mω2 x 2 = 1 2 2ˆp<br />
2ωl 2 + x2<br />
l 2,<br />
l =Ö<br />
mω ,<br />
wobei die Klammer im rechten Glied offensichtlich dimensionslos ist. Wir führen<br />
zwei nicht-hermitesche, dimensionslose Differentialoperatoren a und a † ein, die<br />
adjungiert zueinander sind:<br />
a = √ 1<br />
2x<br />
l + ilˆp a<br />
, † = √ 1<br />
2x<br />
l − ilˆp (a<br />
, † ) † = a .<br />
Diese Operatoren erfüllen offensichtlich †2<br />
die Vertauschungsregeln:<br />
[a, a] = [a † , a † ] = 0 , [a, a † ] = 1 2−<br />
·2[x, i ˆp] = 1 .<br />
Der Hamilton-Operator Ĥ kann mit Hilfe von a und a† auf die folgende Form<br />
gebracht werden:<br />
Ĥ = 1 2 ω− 1 2a − a †2 +<br />
1<br />
2a + a<br />
= 1 2 ωaa † + a † a=ωa † a + 1 2, (4.12)<br />
wobei die Vertauschungsrelation [a, a † ] = 1 verwendet wurde. Im rechten Glied<br />
von (4.12) tritt der hermitesche Operator<br />
ˆn ≡ a † a<br />
auf, der aus Gründen, die erst im Folgenden klar werden, „Besetzungszahloperator“<br />
genannt wird und die Vertauschungsregeln<br />
[ˆn, a † ] = [a † , a † ]a + a † [a, a † ] = a † ,<br />
[ˆn, a] = [a † , a]a + a † [a, a] = −a<br />
erfüllt. Wir untersuchen nun die Eigenwerte und Eigenfunktionen von ˆn:<br />
ˆnφ ν = νφ ν (ν ∈Ê) , (φ ν , φ ν ′) = δ νν ′ .<br />
Die Eigenwerte von ˆn sind offensichtlich nicht-negativ:<br />
ν = (φ ν , a † aφ ν ) = (aφ ν , aφ ν ) = ‖aφ ν ‖ 2 ≥ 0 .
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 79<br />
Tatsächlich ist ν = 0 ein möglicher Eigenwert von ˆn, da die Eigenwertgleichung<br />
aφ 0 = √ l<br />
2x<br />
l 2 + dxφ d<br />
0 = 0<br />
eindeutig durch die normierte Wellenfunktion<br />
φ 0 (x) = l −1/2 π −1/4 e − 1 2 (x/l)2<br />
1<br />
gelöst wird. Außerdem gilt generell: Falls φ ν eine normierte Eigenfunktion zum<br />
Eigenwert ν ist, dann ist a † φ ν / √ ν + 1 eine normierte Eigenfunktion zum Eigenwert<br />
ν + 1. Dies folgt aus:<br />
ˆna † φ ν<br />
√ (a†ˆn + a † )φ ν<br />
√ = (ν + 1)a † φ<br />
ν<br />
ν<br />
√ ν + 1= ν + 1<br />
ν +<br />
unda † φ ν<br />
√ = ν + 12<br />
1<br />
ν + 1a † φ ν , a † ν , (a<br />
φ ν=φ † a + 1)φ<br />
=φ ν , φ ν=1 .<br />
ν + 1<br />
Dieses Ergebnis bedeutet unter anderem auch, dass man sofort einen unendlichen<br />
Satz von normierten Eigenfunktionen kennt:<br />
φ ν = √ 1<br />
ν!a †ν φ0 (ν ∈Æ) .<br />
ν<br />
(4.13)<br />
Umgekehrt gilt auch: Falls φ ν eine normierte Eigenfunktion zum Eigenwert ν<br />
ist, dann ist aφ ν / √ ν eine normierte Eigenfunktion zum Eigenwert ν − 1. Dies<br />
folgt aus<br />
ν<br />
ˆnaφ<br />
√ (aˆn − a)φ ν<br />
ν<br />
√ = (ν − 1)aφ<br />
√ ν= ν<br />
undaφ ν<br />
√ =<br />
ν2<br />
νaφ 1 ν , aφ (φ ν, a † aφ ν )<br />
ν= = 1 .<br />
ν<br />
Die Eigenwerte ν sind nicht-entartet, abgesehen natürlich von einem trivialen<br />
Phasenfaktor in der Wellenfunktion. Dies zeigt man am besten mit vollständiger<br />
Induktion: Die Aussage gilt für ν = 0. Nehmen wir an, sie trifft auf ν − 1 zu, so<br />
dass φ ν−1 durch (4.13) gegeben ist. Dann führt die Annahme, dass es zum Eigenwert<br />
ν außer φ ν in (4.13) noch eine zweite, linear unabhängige Eigenfunktion<br />
˜φ ν gibt, zu einem Widerspruch:<br />
˜φ ν = 1 ν a† a˜φ ν = a†<br />
√ νa˜φ ν<br />
√ ν= a†<br />
√ ν<br />
λφ ν−1 = λφ ν (λ ∈, |λ| = 1) ,<br />
also muss die Aussage auch für ν gelten. Folglich trifft sie auf alle ν ∈Æzu.<br />
Außerdem kann es keine anderen Eigenwerte als {ν ∈Æ} geben, denn nehmen<br />
wir an, dass ν = n + α (n ∈Æ, 0 < α < 1) ein Eigenwert und φ ν = φ n+α<br />
die zugehörige normierte Eigenfunktion ist, dann wäre<br />
a a<br />
√ √ · · · · ·<br />
α α + 1<br />
a<br />
√ α + n<br />
φ n+α =<br />
Γ(α)<br />
Γ(α + n + 1)1/2<br />
a n+1 φ n+α
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 80<br />
eine normierte Eigenfunktion zum Eigenwert α − 1 < 0, in Widerspruch zu<br />
unserem Ergebnis ν ≥ 0. Dies bedeutet, dass wir mit dem Satz {φ ν } in (4.13)<br />
alle möglichen Eigenfunktionen gefunden haben. Es ist nun leicht zu überprüfen,<br />
dass die Eigenfunktionen (4.13) im Ortsraum eine sehr einfache Form haben:<br />
φ n (x) = 1 √<br />
n!<br />
(a † ) n φ 0 = l−1/2 π −1/4<br />
√<br />
2n n!√<br />
2a<br />
†n<br />
e<br />
− 1 2 ξ2<br />
= (−1)n √<br />
l<br />
N nd<br />
dξ − ξn<br />
e −1 2 ξ2<br />
= (−1)n √<br />
l<br />
N n e ξ2 /2åe −ξ2 /2d<br />
dξ − ξe ξ2 /2èn<br />
e −ξ2<br />
= l −1/2 N n e −ξ2 /2å(−1) n dn ξ2<br />
e<br />
= l −1/2 N n H n (ξ)e −ξ2 /2<br />
,<br />
dξ n e−ξ2è<br />
wobei wir ξ ≡ x/l und N n ≡ π −1/4 (2 n n!) −1/2 definierten, und die Rodrigues-<br />
Formel für Hermite-Polynome benutzt wurde. Die entsprechenden Energieeigenwerte<br />
sind nach (4.12) durch E n = (n + 1 2<br />
)ω gegeben. Die explizite Form von<br />
H n (ξ) für n = 0, . . .,3 ist:<br />
H 0 (ξ) = 1 , H 2 (ξ) = 4ξ 2 − 2<br />
H 1 (ξ) = 2ξ , H 3 (ξ) = 8ξ 3 − 12ξ ,<br />
und generell gilt<br />
H n (ξ) ∼ (2ξ) n (n ∈Æ, ξ → ∞)<br />
für große Werte des Arguments ξ.<br />
Es ist auch besonders leicht, mit Hilfe dieser algebraischen Methode Erwartungswerte<br />
von dynamischen Variablen auszurechnen. Man findet zum Beispiel:<br />
1<br />
l 〈x〉 n = 〈 √ 1 2<br />
(a + a † )〉 n = 0 =⇒ 〈x〉 n = 0<br />
il<br />
〈ˆp〉 n = 〈 √ 1 2<br />
(a − a † )〉 n = 0 =⇒ 〈ˆp〉 n = 0<br />
und außerdem:<br />
1<br />
l 2 〈x2 〉 n = 〈 1 2 [a2 + (a † ) 2 + aa † + a † a]〉 n = 〈a † a + 1 2 〉 n = n + 1 2<br />
− l2<br />
2 〈ˆp2 〉 n = 〈 1 2 [a2 + (a † ) 2 − aa † − a † a]〉 n = −〈a † a + 1 2 〉 n = −(n + 1 2 ) ,<br />
so dass das Produkt der Unschärfen im Eigenzustand φ n durch<br />
∆x∆p =〈x 2 〉 n 〈ˆp 2 〉 n =(n + 1 2 )l2 (n + 1 2 )2 /l 2 = (n + 1 2 )<br />
gegeben ist. Dieses Produkt nimmt den nach der Unschärferelation niedrigst<br />
möglichen Wert 1 2 im Grundzustand φ 0 an, der tatsächlich die Gauß’sche Form<br />
hat.
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 81<br />
Ein Wort noch zur Nomenklatur. Die Operatoren a † und a werden Leiteroperatoren<br />
genannt, offensichtlich weil man mit ihrer Hilfe die Energieleiter hinaufoder<br />
herunterklettern kann. Häufig werden a † und a auch als „Erzeugungs-“<br />
bzw. „Vernichtungsoperator“ bezeichnet. Man kann sich fragen, was hier denn<br />
wohl „erzeugt“ und „vernichtet“ wird. Im Falle von Gitterschwingungen werden<br />
die Quanten des harmonischen Oszillators als Phononen bezeichnet; im Falle<br />
des Strahlungsfeldes heißen diese Quanten Photonen. Generalisierend können<br />
wir die Quanten des harmonischen Oszillators als „Anregungen“ bezeichnen; der<br />
Eigenzustand φ ν enthält dann ν Quanten oder Anregungen. Es ist also genau<br />
die Anzahl der Quanten oder Anregungen in einem Eigenzustand des harmonischen<br />
Oszillators, die vom Besetzungszahloperator ˆn „gemessen“ wird, woher<br />
auch dessen Name stammt.<br />
4.3 Die Vollständigkeit der Eigenfunktionen<br />
Wir überprüfen nun die Vollständigkeit der Eigenfunktionen des harmonischen<br />
Oszillators, die gleichbedeutend ist mit der Gültigkeit der Gleichung:<br />
δ(x−y) =<br />
φ n (x)φ<br />
∞n=0<br />
∗ n(y) = 1<br />
l √ 2 −n<br />
n! H n(ξ)H n (η)e −1 2 (ξ2 +η 2) , (4.14)<br />
π∞n=0<br />
wobei wir wieder ξ = x/l und η = y/l definierten. Da<br />
δ(x − y) = δ(l(ξ − η)) = 1 δ(ξ − η)<br />
l<br />
gilt, kann die Vollständigkeitsrelation auch auf die folgende Form gebracht werden:<br />
s n<br />
lim<br />
s↑ 2∞n=0<br />
1 n! H n(ξ)H n (η)= √ πe ξ2 δ(ξ − η) .<br />
Die Summe im linken Glied ist für alle |s| < 1 2<br />
bekannt; es gilt die sehr nützliche<br />
Identität<br />
∞n=0s n<br />
4s<br />
1−4s 2 (sη 2 +sξ 2 −ηξ)<br />
2s<br />
1−4s 2 [(ξ−η)2 −(1−2s)(ξ 2 +η 2 )]<br />
1+2s<br />
n! H 1<br />
n(ξ)H n (η) = √<br />
1 − 4s<br />
2 e−<br />
1<br />
= √<br />
1 − 4s<br />
2 e−<br />
=<br />
1<br />
e−2sξ−η √<br />
ξ<br />
√ 1−4s 22 2 +η 2<br />
−<br />
1 − 4s<br />
2<br />
−→ √ π δ(ξ − η)e ξ2 (s ↑ 1 2 ) ,<br />
(4.15)<br />
aus der man also sofort schließen kann, dass die Eigenfunktionen des harmonischen<br />
Oszillators tatsächlich vollständig sind.<br />
Die Identität (4.15) für Hermite-Polynome kann relativ leicht mit Hilfe der<br />
erzeugenden Funktion hergeleitet werden. Die erzeugende Funktion F(s, ξ) der
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 82<br />
Hermite-Polynome ist durch<br />
F(s, ξ) =<br />
∞n=0<br />
s n<br />
n! H n(ξ) ,<br />
definiert; ihre explizite Form folgt sofort aus der Rodrigues-Formel als<br />
F(s, ξ) = e ξ2 ∞n=0<br />
(−s) n<br />
n!<br />
d n<br />
dξ n e−ξ2 = e ξ2 e −(ξ−s)2 = e −s2 +2sξ<br />
,<br />
(−s)<br />
denn die hierbei auftretende SummeÈ∞<br />
n<br />
n=0 n!<br />
f (n) (ξ) mit f(ξ) = e −ξ2 kann<br />
einfach als Taylor-Entwicklung von e −(ξ−s)2 nach kleinem s aufgefaßt werden.<br />
Außerdem benötigen wir noch eine Integraldarstellung für H n (η), die wiederum<br />
mit Hilfe der Rodrigues-Formel hergeleitet werden kann:<br />
H n (η) = (−1) n dn 1<br />
η2<br />
e √π∞<br />
dη n dt e −t2 +2iηt = √ eη2<br />
dt e<br />
−∞<br />
π∞<br />
−t2 +2iηt (−2it) n .<br />
−∞<br />
Mit Hilfe dieser Integraldarstellung folgt nun sofort:<br />
∞n=0<br />
s n<br />
n! H n(ξ)H n (η) = eη2<br />
√<br />
π∞<br />
= √<br />
π∞<br />
eη2<br />
−∞<br />
= √<br />
π∞<br />
eη2<br />
−∞<br />
= √<br />
π∞<br />
eη2<br />
=<br />
−∞<br />
−∞<br />
dt e −t2 +2iηt<br />
∞n=0<br />
dt e −t2 +2iηt e 2ξ(−2its)−(−2its)2<br />
dt e −(1−4s2 )t 2 +2it(η−2sξ)<br />
dt e −(1−4s2 )ät−i η−2sξ<br />
2ç2 (η−2sξ) 2<br />
1−4s −<br />
1−4s 2<br />
1<br />
√<br />
1 − 4s<br />
2 eη2 − (η−2sξ)2<br />
1−4s 2 =<br />
(−2its) n<br />
H n (ξ)<br />
n!<br />
1<br />
√<br />
1 − 4s<br />
2 e−4s2 ξ 2 +4s 2 η 2 −4sηξ<br />
1−4s 2 ,<br />
und dies ist genau die in der Herleitung der Vollständigkeitsrelation verwendete<br />
Identität (4.15).<br />
4.4 Der Zeitentwicklungsoperator<br />
Dieselbe Identität (4.15) kann dazu verwendet werden, den Zeitentwicklungsoperator<br />
des harmonischen Oszillators zu berechnen. Wir wissen bereits von<br />
S. 58, dass der Zeitentwicklungsoperator Ût = e −iĤt/ auch als Integraloperator<br />
darstellbar ist:<br />
(Ûtψ 0 )(x) =dy U t (x|y)ψ 0 (y) , (4.16)<br />
U t (x|y) =n<br />
e −iEnt/ φ n (x)φ ∗ n(y) .
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 83<br />
Einsetzen der explizit bekannten Wellenfunktionen liefert:<br />
U t (x|y) =<br />
∞n=0<br />
e −1 2 (ξ2 +η 2 )<br />
2 n n! l √ π H n(ξ)H n (η)e −i(n+ 1 2 )ωt<br />
= e−1 2 (ξ2 +η 2 )− 1 2 iωt<br />
√ πl<br />
= √ 1 e −1 2 (ξ2 +η 2 )− 1 2 iωt<br />
√ πl 1 − e<br />
−2iωt<br />
∞n=01<br />
e−iωtn<br />
2<br />
n!<br />
= 1 √ πl<br />
1<br />
√<br />
e<br />
iωt<br />
− e −iωt e−1 21+e −2iωt<br />
H n (ξ)H n (η)<br />
−2iωt<br />
−e<br />
1−e<br />
e −2iωt(ξ 2 +η 2 )+ 2e−iωt<br />
1−e −2iωt ξη<br />
1−e −2iωt(ξ 2 +η 2 2ξη<br />
)+<br />
e iωt −e −iωt<br />
=<br />
1<br />
l2πi sin(ωt) e<br />
i<br />
2sin(ωt) [cos(ωt)(ξ2 +η 2 )−2ξη]<br />
.<br />
In Kombination mit Gleichung (4.16) ist die Zeitentwicklung der Wellenfunktion<br />
des harmonischen Oszillators zu einer beliebigen Anfangsbedingung nun also<br />
explizit bekannt in der Form eines numerisch einfach zu berechnenden Integrals.<br />
Aus der gaußischen Form des Kerns U t x<br />
(x|y) folgt unmittelbar, dass gaußförmige<br />
Wellenpakete unter der vom harmonischen Oszillator definierten Zeitentwicklung<br />
ihre gaußische Form behalten. Betrachten wir ein paar Beispiele:<br />
• Für Wellenpakete der Form<br />
ψ(x, 0) = (l ′ ) −1/2 π −1/4 e −x2 /2(l ′ ) 2 =Öl<br />
l ′ φ 0l<br />
l ′<br />
sagen die Ehrenfest’schen Bewegungsgleichungen<br />
d〈x〉<br />
dt<br />
= 〈ˆp〉<br />
m , d〈ˆp〉<br />
= −mω 2 〈x〉 , 〈x〉 0 = 0 , 〈ˆp〉 0 = 0<br />
dt<br />
voraus, dass das Wellenpaket sich im Mittel überhaupt nicht rührt: 〈x〉 t =<br />
0 , 〈ˆp〉 t = 0. Aus der expliziten Lösung mit Hilfe des Zeitentwicklungsoperators,<br />
1<br />
eäicos(ωt)<br />
2sin(ωt)<br />
ψ(x, t) =<br />
− 1<br />
4a sin 2 (ωt)çξ 2<br />
π 1/42al ′ i sin(ωt)<br />
a ≡ 1 2l<br />
′2<br />
− i cos(ωt)<br />
l 2 sin(ωt),<br />
folgt jedoch, dass die innere Struktur des Wellenpakets sich zeitlich sehr<br />
wohl ändert:<br />
|ψ(x, t)| =<br />
1<br />
π 1/4lσ(t) e−ξ2 /2σ(t) 2<br />
≡l<br />
′2<br />
σ(t) sin 2 (ωt) +l ′<br />
cos<br />
l l2<br />
2 (ωt) .
----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 84<br />
Die Breite der entsprechenden Wahrscheinlichkeitsdichte ist lσ(t)/ √ 2 und<br />
oszilliert mit der Kreisfrequenz 2ω zwischen den Werten l 2 / √ 2l ′ und<br />
l ′ / √ 2 hin und her. Nur für den Spezialfall l ′ = l, d. h. für die Grundzustandswellenfunktion<br />
des harmonischen Oszillators, ist das Wellenpaket<br />
zeitlich stabil.<br />
• Für Wellenpakete, die dieselbe Breite l/ √ 2 wie die Grundzustandswellenfunktion<br />
haben, jedoch anfangs aus der Gleichgewichtslage x = 0 ausgelenkt<br />
sind,<br />
ψ(x, 0) = l −1/2 π −1/4 e −(x−x0)2 /2l 2 = φ 0 (x − x 0 ) ,<br />
folgt aus den Ehrenfest’schen Bewegungsgleichungen<br />
d〈x〉<br />
dt<br />
= 〈ˆp〉<br />
m , d〈ˆp〉<br />
= −mω 2 〈x〉 , 〈x〉 0 = x 0 , 〈ˆp〉 0 = 0 ,<br />
dt<br />
dass sie im Mittel eine harmonische Oszillation der Form 〈x〉 t = x 0 cos(ωt),<br />
〈ˆp〉 t = −mωx 0 sin(ωt) durchführen. Führen wir nun die Hilfsgröße ξ t ≡<br />
ξ 0 e −iωt mit ξ 0 ≡ x 0 /l ein, so findet man mit Hilfe des Zeitentwicklungsoperators<br />
die folgende explizite Gestalt der Wellenfunktion:<br />
ψ(x, t) = e 1 4 (ξ2 t −ξ2 0 )−1 2 iωt φ 0 (x − lξ t )<br />
und somit auch<br />
|ψ(x, t)| = φ 0 (x − x 0 cos(ωt)) .<br />
Wir haben hiermit die außerordentlich interessante Entdeckung gemacht,<br />
dass sich die Form dieses Wellenpakets zeitlich überhaupt nicht ändert:<br />
Es führt eine kohärente Oszillation zwischen den beiden Endpunkten −x 0<br />
und +x 0 aus. Hierbei deutet das Wort „Kohärenz“ an, dass die Phasen<br />
der Beiträge verschiedener Eigenfunktionen zu ψ(x, t) gerade so eingestellt<br />
sind, dass die Form der Startwellenfunktion im Laufe der Zeitentwicklung<br />
beibehalten wird; man bezeichnet derartige Wellenpakete als kohärente<br />
Zustände. Auf dieses Thema kommen wir im Folgenden ausführlich zurück.<br />
Ein paar Worte noch über einige Mittelwerte und über die Energie des<br />
kohärenten Zustands: Die Mittelwerte 〈x〉 t und 〈ˆp〉 t wurden oben bereits<br />
angegeben. Da sich die Form des Wellenpakets zeitlich nicht ändert, gilt<br />
außerdem ∆x = l/ √ 2 und ∆p = / √ 2l und daher:<br />
〈x 2 〉 t = 1 2 l2 + x 2 0 cos 2 (ωt) , 〈ˆp 2 〉 t = m 2 ω 2ä1<br />
2 l2 + x 2 0 sin 2 (ωt)ç.<br />
Kombination der letzten beiden Ergebnisse liefert für die Energie des kohärenten<br />
Zustands:<br />
〈Ĥ〉 ψ = 1<br />
2m〈ˆp 2 〉 t + m 2 ω 2 〈x 2 〉 t= 1 2 mω2 (l 2 + x 2 0 ) .<br />
Dieses Resultat zeigt, dass sich die Energie des kohärenten Zustands im<br />
„klassischen“ Limes l/x 0 =/mωx 2 0 → 0 auf den klassischen Ausdruck<br />
für die Energie eines Oszillators mit der maximalen Auslenkung x 0 reduziert:<br />
E klass = 1 2 mω2 x 2 0 .
Kapitel5<br />
Eindimensionale Systeme<br />
Die formale Lösung der eindimensionalen Schrödinger-Gleichung:<br />
i∂ t ψ(x, t) =äĤψç(x, t) , Ĥ = − 2<br />
+ V (x) , (5.1)<br />
2m ∂x2 ist bekanntlich gegeben durch<br />
∂ 2<br />
ψ(x, t) =n<br />
φ n (x)(φ n , ψ 0 )e −iEnt/ . (5.2)<br />
Hierbei stellt φ n die Eigenfunktion des Hamilton-Operators Ĥ zum Eigenwert<br />
E n dar, und ψ 0 (x) ≡ ψ(x, 0) ist der Anfangszustand. Zwar ist die ganze Dynamik<br />
der Wellenfunktion prinzipiell in (5.2) enthalten, für konkrete Berechnungen<br />
ist diese unendliche Summe, in der sowohl die {φ n } als auch die {E n } meist<br />
nicht explizit bekannt sind, nicht besonders hilfreich. Aus diesem Grunde betrachten<br />
wir nun einige Ideen und Techniken, die (eventuell in Kombination mit<br />
(5.2)) konkrete Information über die Dynamik eindimensionaler physikalischer<br />
Systeme liefern können.<br />
Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es durchaus nicht unrealistisch<br />
ist, quantenmechanische Effekte in (effektiv) eindimensionalen Systemen zu untersuchen.<br />
Manchmal liegt wirklich in sehr guter Näherung ein eindimensionales<br />
Problem vor; man denke z. B. an Schwingungen entlang der Bindungsrichtung<br />
in zweiatomigen Molekülen. Manchmal liegt ein echtes dreidimensionales Problem<br />
vor, das jedoch aufgrund der speziellen Struktur des Hamilton-Operators<br />
Metall A<br />
Metall B<br />
x 3<br />
x 2<br />
x 1<br />
Abbildung 5.1: Grenzfläche im Festkörper als eindimensionales Problem
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 86<br />
auf eindimensionale Probleme zurückgeführt werden kann; ein Beispiel ist der<br />
dreidimensionale harmonische Oszillator. Manchmal auch liegt ein effektiv eindimensionales<br />
Problem vor mit einem Hamilton-Operator, der translationsinvariant<br />
in x 2 - und x 3 -Richtung ist. Man denke z. B. an Streuung von Elektronen<br />
an einer Grenzfläche zwischen zwei Metallen. Obwohl die Anfangsbedingung<br />
ψ 0 (x) in diesem Fall meist nicht translationsinvariant ist, lässt sich doch aus<br />
einer Untersuchung der Dynamik in x 1 -Richtung interessante Information über<br />
die Streuung in d = 3 gewinnen. Tatsächlich kann man einige der im Folgenden<br />
untersuchten eindimensionalen Probleme als Streuung an Grenzflächen oder<br />
Schichten interpretieren. Das Potential V (x) ist in den Anwendungen meist elektrostatischen<br />
Ursprungs.<br />
5.1 Die Eigenwertgleichung<br />
Die Eigenwertgleichung für die Eigenfunktionen des Hamilton-Operators eines<br />
eindimensionalen Systems lautet für den Fall konservativer Kräfte:<br />
d 2 φ<br />
+ V (x)φ = Eφ .<br />
2m dx2 − 2<br />
Wir wissen bereits Einiges über die Lösungen dieses Eigenwertproblems: Die<br />
Eigenfunktionen des Hamilton-Operators können im Allgemeinen reell gewählt<br />
werden, und wir werden im Folgenden davon ausgehen, dass sie auch tatsächlich<br />
reell sind (φ ∈Ê). Außerdem kann man unter relativ schwachen Voraussetzungen<br />
zeigen, dass die Eigenwerte nicht entartet sind und dass der Knotensatz<br />
gilt, der besagt, dass der n-te angeregte Zustand φ n (x) (mit n ∈Æ) genau n<br />
Nullpunkte hat.<br />
Für weitere Betrachtungen ist es nun bequem, die Eigenwertgleichung auf<br />
die alternative Form<br />
d 2<br />
ln |φ| +åd<br />
|φ|è2<br />
dx2 dx ln = 1 d 2 φ<br />
φ dx 2 = −2m 2E − V (x)<br />
zu bringen. Mit Hilfe der Definitionen<br />
d<br />
dx ln |φ| ≡ χ , 2m<br />
2äE − V (x)ç≡q 2 (x)<br />
erhält man nämlich eine recht einfache nicht-lineare Differentialgleichung vom<br />
Riccati-Typ für χ(x):<br />
dχ<br />
dx + χ2 = −q 2 (x) . (5.3)<br />
Hierbei ist es natürlich durchaus möglich, dass in bestimmten Raumbereichen<br />
E < V (x), also q 2 (x) < 0, gilt; in diesem Fall ist die Wellenzahl q(x) imaginär.<br />
Falls χ aus (5.3) bekannt ist, folgt die Wellenfunktion φ aus:<br />
|φ(x)| = eÊx dy χ(y)<br />
,<br />
wobei die Integrationskonstante im Exponenten durch die Normierung von φ<br />
mittelsÊdx |φ| 2 = 1 festgelegt wird.
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 87<br />
Ausgehend von der Riccati-Gleichung (5.3) können wir nun einige allgemeine<br />
Aussagen über das Verhalten der Wellenfunktion φ(x) für |x| → ∞ und für x-<br />
Werte in der Nähe einer Singularität des Potentials machen. Wir diskutieren<br />
zuerst das asymptotische Verhalten für |x| → ∞ und dann das Verhalten von<br />
φ(x) nahe einer Singularität.<br />
5.1.1 Asymptotisches Verhalten von φ(x) für |x| → ∞<br />
Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass nur konservative Kräfte vorliegen<br />
und dass das entsprechende Potential V (x) eine relativ einfache (algebraische)<br />
Form für |x| → ∞ hat:<br />
V (x) ∼ V 0 |x| α (|x| → ∞ ; α > 0 , V 0 > 0) .<br />
Da das rechte Glied der Riccati-Gleichung sich algebraisch verhält für große<br />
x-Werte, −q 2 (x) ∝ |x| α , muß dasselbe auch für das linke Glied gelten, so dass<br />
ln |φ| und daher auch χ sich algebraisch als Funktion von x verhalten müssen:<br />
ln |φ| ∼ −A|x| β (|x| → ∞ ; A > 0 , β > 0) .<br />
Hierbei sind der Exponent β und der Vorfaktor A zunächst unbestimmt; wegen<br />
der Normierbarkeit der Wellenfunktion (|φ| → 0 für |x| → ∞) muß A allerdings<br />
streng positiv sein. Einsetzen dieses asymptotischen Ausdrucks für ln |φ| in die<br />
Riccati-Gleichung liefert:<br />
−Aβ(β − 1)|x| β−2 + A 2 β 2 |x| 2(β−1) ∼ 2m<br />
2V 0 |x| α − E.<br />
Da für alle β > 0 gilt: (β − 2) < 2(β − 1), dominiert für genügend große x<br />
der zweite Term im linken Glied. Ein direkter Vergleich der Exponenten und<br />
Vorfaktoren zeigt nun sofort, dass β und A durch<br />
β = 1 + 1 2 α , A = 1<br />
αÖ2mV 0<br />
1 + 1 <br />
2 2<br />
gegeben sind. Ausgehend von den drei dimensionsbehafteten Größen , m und<br />
V 0 können wir eine charakteristische Länge<br />
l ≡ 2 2+α<br />
2mV 01<br />
definieren, die eine stark vereinfachte Darstellung der Wellenfunktion für große<br />
x ermöglicht:<br />
ln |φ| ∼ − (|x|/l)1+1 2 α<br />
1 + 1 2 α , |φ| ∝ e −(|x|/l)1+α/2 /(1+α/2)<br />
.<br />
Als Beispiele betrachten wir den harmonischen Oszillator, α = 2, und das linear<br />
anwachsende Potential, α = 1. Für α = 2 findet man:<br />
|φ| ∝ e −1 2 (|x|/l)2 , l = 2<br />
2mV 01/4<br />
=Ö<br />
mω ,
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 88<br />
wobei im letzten Schritt (wie üblich beim harmonischen Oszillator) V 0 = 1 2 mω2<br />
gesetzt wurde. Für das asymptotisch linear anwachsende Potential, α = 1, folgt:<br />
|φ| ∝ e −2 3 (|x|/l)3/2 , l = 2<br />
2mV 01/3<br />
.<br />
Der Spezialfall eines streng linearen Potentials, V (x) = V 0 |x|, kann übrigens<br />
exakt gelöst werden; die exakte Lösung bestätigt das gerade hergeleitete asymptotische<br />
Ergebnis.<br />
Für praktische Anwendungen ist auch der Fall α = 0 sehr wichtig, wobei das<br />
Potential also asymptotisch gegen eine Konstante geht: V (x) ∼ V 0 für |x| → ∞.<br />
Wir betrachten insbesondere gebundene Zustände, E < V 0 . Aufgrund der obigen<br />
Ergebnisse für α > 0 machen wir den Ansatz:<br />
ln |φ| ∼ −A|x| (|x| → ∞ ; A > 0) ,<br />
der auf den Ausdruck<br />
0 − E)<br />
A =Ö2m(V<br />
2 ≡ l −1<br />
führt. Die Wellenfunktion ist für α = 0 also asymptotisch durch<br />
2<br />
2m(V 0 − E)<br />
gegeben. Es ist daher klar, dass die Wellenfunktion eines gebundenen Zustands<br />
generell exponentiell abfällt, falls das Potential asymptotisch konstant ist.<br />
Bisher haben wir uns auf das führende asymptotische Verhalten des Potentials<br />
und der Wellenfunktion beschränkt. Falls Zusatzinformation über das<br />
Potential bekannt ist, z.B. wenn ein konkretes Modell vorliegt und V (x) explizit<br />
bekannt ist, kann auch die Wellenfunktion genauer berechnet werden. Als Beispiel<br />
betrachten wir wiederum den harmonischen Oszillator, V (x) = 1 2 mω2 x 2 ,<br />
und machen den präziseren Ansatz:<br />
|φ| ∝ e −|x|/l , l =<br />
ln |φ| ∼ −A|x| 2 + ν ln |x| + Konst. + · · · (|x| → ∞ ; A > 0 , ν > 0) .<br />
Setzen wir diesen Ansatz nun in die Riccati-Gleichung ein und vergleichen wir<br />
die Vorfaktoren der führenden zwei Terme, dann finden wir:<br />
A = 1<br />
2l 2 = mω<br />
2<br />
Die Wellenfunktion ist somit durch<br />
, E = (ν + 1 2 )ω .<br />
|φ(x)| ∼ Konst. × |x| 1 2 (ε−1) e −1 2 (|x|/l)2 (|x| → ∞)<br />
gegeben, wobei ε ≡ 2E<br />
ω<br />
definiert wurde und die multiplikative Konstante durch<br />
die Normierung bestimmt wird. Wir lernen hieraus, dass der Exponent ν in der<br />
Wellenfunktion vollständig durch die Eigenenergie E bestimmt wird.
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 89<br />
5.1.2 Singularitäten in χ(x) nahe x s<br />
Die Riccati-Gleichung (5.3) ist auch gut geeignet für eine Untersuchung von<br />
Singularitäten in der Wellenfunktion aufgrund von Singularitäten im Potential.<br />
Enthält das Potential neben einem regulären (analytischen) Anteil V r (x)<br />
auch einen singulären Anteil:<br />
V (x) = V r (x) + V s Θ(x − x s )|x − x s | α + . . . (α > −1) ,<br />
dann hat χ aufgrund von (5.3) die Singularität:<br />
χ(x) = χ r (x) +<br />
2mV s<br />
2 (α + 1) Θ(x − x s)|x − x s | α+1 + . . . .<br />
Für alle α > −1 ist χ(x) = φ ′ (x)/φ(x) also stetig in x = x s ; folglich ist φ(x)<br />
selbst stetig differenzierbar.<br />
Ein etwas anderes Ergebnis erhält man, falls der singuläre Anteil des Potentials<br />
aus einer Deltafunktion besteht:<br />
V (x) = V r (x) + v s δ(x − x s )<br />
In diesem Fall folgt für χ(x):<br />
χ(x s + 0 + ) − χ(x s − 0 + ) =x s+0 +<br />
oder, anders formuliert:<br />
x s−0 + dy dχ<br />
dy =x s+0 +<br />
x s−0 + dy 2mv s<br />
2 δ(y − x s) ,<br />
φ ′ (x s + 0 + ) − φ ′ (x s − 0 + )<br />
φ(x s )<br />
= 2mv s<br />
2 .<br />
Zwar ist die Wellenfunktion φ auch in diesem Fall stetig, ihre Ableitung macht<br />
jedoch einen Sprung und ist daher unstetig.<br />
5.2 Einige relevante Probleme<br />
Mögliche Fragestellungen bei der Behandlung von eindimensionalen Systemen<br />
sind:<br />
• die Bestimmung von Eigenfunktionen und Eigenwerten in Anwesenheit<br />
eines „Störpotentials“, z. B. im Vergleich mit dem freien Teilchen oder dem<br />
„Teilchen im Kasten“,<br />
• eine Untersuchung von Tunnelprozessen zwischen zwei durch eine Potentialbarriere<br />
getrennten Raumbereichen (NH 3<br />
),<br />
• die Untersuchung von Streuprozessen an einer Potentialbarriere,<br />
• Streuung an periodischen Potentialen,<br />
• Zerfallsprozesse (α-Zerfall).<br />
Einige dieser Themen werden im Folgenden und in der Übung ausführlicher<br />
diskutiert.
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 90<br />
5.3 Einfluss eines Störpotentials<br />
Als „ungestörtes“ Problem betrachten wir ein Teilchen in einem eindimensionalen<br />
Kasten der Länge L. Der ungestörte Hamilton-Operator ist<br />
Ĥ 0 = − 2 ∂ 2<br />
2m ∂x 2 + V (|x| < L/2)<br />
0(x) , V 0 (x) =0<br />
∞ (|x| > L/2) ,<br />
und die Eigenfunktionen sind<br />
φ g k<br />
(x) =Ö2<br />
L cos(kx) , φu k (x) =Ö2<br />
L sin(kx) ,<br />
wobei die Wellenzahl k > 0 durch die Bedingung φ g k (1 2 L) = 0 bzw. φu k (1 2 L) = 0<br />
bestimmt wird. Die Eigenfunktionen sind also gerade („g“) oder ungerade („u“)<br />
Funktionen von x. Dass die Eigenfunktionen gerade oder ungerade sind, bzw.<br />
dass man sie so wählen kann, ist eine allgemeine Eigenschaft von symmetrischen<br />
Potentialen, mit<br />
V (x) = V (−x) (x ∈Ê) .<br />
Ist φ E (x) nämlich eine Eigenfunktion von Ĥ zum Eigenwert E, dann ist φ E(−x)<br />
ebenfalls eine Eigenfunktion zu diesem Eigenwert und dasselbe gilt für<br />
φ g E (x) = φ E (x) + φ E (−x) , φu E (x) = φ E (x) − φ E (−x) .<br />
Führen wir nun ein symmetrisches Störpotential der Form<br />
V s (x) = V s (2x s − x)<br />
ein, dann bleibt die Klassifizierung nach geraden bzw. ungeraden Eigenfunktionen<br />
nur für x s = 0 erhalten, da nur in diesem Fall das Gesamtpotential<br />
V (x) = V 0 (x) + V s (x) symmetrisch ist. Für ein nicht-symmetrisches Störpotential<br />
geht diese Klassifizierung auch für x s = 0 sofort verloren.<br />
In der Literatur sind zwei symmetrische Störpotentiale besonders beliebt:<br />
Zum einen die Potentialschwelle<br />
V s (x) = v s<br />
a Θ1<br />
2 a − |x − x s|,<br />
V s (x)<br />
V s (x)<br />
x s −a/2<br />
x s<br />
x s +a/2<br />
x s<br />
(a) Die Potentialschwelle<br />
(b) Das Deltapotential<br />
Abbildung 5.2: Symmetrische Störpotentiale
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 91<br />
zum anderen das Deltapotential:<br />
V s (x) = v s δ(x − x s ) .<br />
Hierbei kann das Deltapotential natürlich als Grenzfall der Potentialschwelle<br />
im Limes a → 0 angesehen werden. Diese Potentiale sind auch für v s < 0<br />
interessant und physikalisch relevant; statt von einer Potentialschwelle spricht<br />
man in diesem Fall von einem „Potentialtopf“. Im Falle der Potentialschwelle<br />
haben die Eigenfunktionen die Form:<br />
φ(x) = Ae ikx + Be −ikx (x < x s − 1 2a) , k ≡2mE<br />
2<br />
= αe iqx + βe −iqx (|x − x s | < 1 2 a) , q ≡Õ2m(E−v s/a)<br />
2<br />
= Ce ikx + De −ikx (x > x s + 1 2 a) .<br />
Falls E < v s /a gilt, ist q als iκ, mit κ ≡2m( vs<br />
a − E)/2 , zu interpretieren.<br />
Bei x = x s ± 1 2a gelten die Anschlussbedingungen:<br />
φ(x s ± 1 2 a − 0+ ) = φ(x s ± 1 2 a + 0+ )<br />
φ ′ (x s ± 1 2 a − 0+ ) = φ ′ (x s ± 1 2 a + 0+ ) .<br />
Im Falle des Deltapotentials gilt für die Eigenfunktionen:<br />
φ(x) = Ae ikx + Be −ikx (x < x s ) , k =2mE<br />
2<br />
= Ce ikx + De −ikx (x > x s ) .<br />
wobei A, B, C und D durch die Anschlussbedingungen<br />
φ(x s + 0 + ) = φ(x s − 0 + )<br />
φ ′ (x s + 0 + ) − φ ′ (x s − 0 + ) = 2mvs<br />
2 φ(x s )<br />
verknüpft sind.<br />
Im Folgenden werden wir die Eigenfunktionen und Eigenwerte für das Deltapotential<br />
mit x s = 0 näher untersuchen.<br />
5.4 Das Deltapotential im Kasten<br />
Wir untersuchen das Eigenwertproblem<br />
Ĥφ =äĤ 0 + v s δ(x)çφ = Eφ ,<br />
wobei Ĥ0 den Hamilton-Operator für ein Teilchen in einem Kasten [− 1 2 L, 1 2 L]<br />
darstellt. Die Eigenfunktionen sind gerade oder ungerade. Die ungeraden Eigenfunktionen<br />
sind durch<br />
φ u k(x) =Ö2<br />
L sin(kx) , k = 2π n (n = 1, 2, . . .)<br />
L<br />
gegeben, denn diese Funktionen erfüllen die Anschlussbedingungen und die<br />
Randbedingung sin( 1 2kL) = 0. Die geraden Eigenfunktionen haben die Form<br />
φ g k (x) = aåcos(kx) − sin(k|x|)<br />
tan( 1 2 kL)è,
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 92<br />
denn diese Linearkombination von e ikx und e −ikx ist gerade und erfüllt die<br />
Randbedingung φ g k (1 2L) = 0. Die Wellenzahl k folgt aus der Anschlussbedingung<br />
φ g ′ k<br />
(0 + ) − φ g ′ k<br />
(−0 + )<br />
φ g = −k cos(0+ ) − k cos(−0 + )<br />
k (0+ )<br />
tan( 1 2 kL)<br />
und ist also implizit durch<br />
= −2k<br />
tan( 1 2 kL) = 2mv s<br />
2 = 2 l s<br />
, l s ≡ 2<br />
mv s<br />
.<br />
kl s = − tan( 1 2kL) (5.4)<br />
festgelegt. Der Vorfaktor a folgt aus der Normierung:<br />
1 =L/2<br />
dx¬φ g (x)¬2 k = 2|a|<br />
2L/2<br />
dxåcos(kx) + sin(kx) .<br />
−L/2<br />
0<br />
kl sè2<br />
2 <br />
Somit folgt:<br />
1<br />
2L/2<br />
|a| 2 = dxcos 2 (kx) + 2 cos(kx)sin(kx) + sin2 (kx)<br />
0<br />
kl s (kl s )<br />
=L/2<br />
0<br />
dx1 + cos(2kx) + 2 sin(2kx)<br />
kl s<br />
+ 1 − cos(2kx)<br />
(kl s ) 2<br />
= L +<br />
21 1<br />
(kl s ) 2+1 − 1<br />
2sin(kL) + 2 1 − cos(kL)<br />
(kl s ) 2k kl s 2k<br />
.<br />
Nun gilt:<br />
sin(kL) = 2 sin( 1 2 kL)cos(1 2 kL) = 2 tan(1 2 kL)<br />
1 + tan 2 ( 1 2 kL) = 2(−kl s)<br />
1 + (kl s 2<br />
) 2<br />
cos(kL) = 2 cos 2 ( 1 2 kL) − 1 = 2<br />
1 + tan 2 ( 1 2 kL) − 1 = 2<br />
1 + (kl s ) 2 − 1<br />
und daher findet man für die Normierungskonstante a:<br />
1<br />
|a| 2 = L +<br />
2å1 1<br />
(kl s ) 2è+ 1 1<br />
k 2 −<br />
l s2å1<br />
1 + (kl s ) 2è− (kl s) 2 − 1<br />
1 + (kl s )<br />
= L +<br />
2å1 1<br />
(kl s ) 2è+ 1 2(kl s ) 2 − (kl s ) 2 + 1<br />
k 2 l s 1 + (kl s ) 2<br />
= L 2å1 + 1<br />
(kl s ) 2è+ 1<br />
k 2 l s<br />
.<br />
Die möglichen k-Werte können noch am einfachsten grafisch aus (5.4) bestimmt<br />
werden. Hierzu setzt man 1 2ls<br />
2kL ≡ z und löst die Gleichung<br />
L z =<br />
− tan(z).<br />
Wir nehmen hierbei an, dass v s > 0 (d. h. l s > 0) gilt. Die Lösung k = 0<br />
von (5.4) ist in diesem Fall nicht konsistent, da die Anschlussbedingung l s =<br />
− 1 2 L < 0 erfordert. Für v s > 0 sind alle möglichen k-Werte also strikt positiv.<br />
Man sieht sofort, dass<br />
2π<br />
L (n − 1 2 ) < k n < 2π n (n = 1, 2, . . .)<br />
L
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 93<br />
gilt, und findet leicht 1 für große n:<br />
k n = 2π L (n − 1 2 ) + (l s) −1<br />
(n − 1 + . . . (n → ∞) ,<br />
2<br />
)π<br />
so dass in diesem Limes ∆k n = 2π L<br />
gilt. Auch der Limes Limes L → ∞ bei fester<br />
Potentialstärke v s > 0 ist interessant: Man findet in diesem Fall ausgedehnte<br />
Zustände bei k = 2π L n mit n = 1, 2, . . ., und es gilt wiederum ∆k n = 2π L .<br />
Für den entgegengesetzten Fall, v s < 0, gilt l s < 0 und daher 2|ls|<br />
L z = tan(z)<br />
für die Zustände mit E > 0, die man für L → ∞ als „ausgedehnt“ bezeichnet.<br />
Außerdem gibt es „gebundene“ Zustände mit E < 0 und k = iκ, die (mit<br />
1<br />
2|ls|<br />
2κL ≡ ζ) die Gleichung<br />
L<br />
ζ = tanh(ζ) erfüllen. Für L → ∞ bei festem<br />
v s < 0 erhält man ausgedehnte Zustände bei k = 2π L<br />
n mit n = 1, 2, . . . und<br />
2|l<br />
einen gebundenen Zustand bei s|<br />
L ζ ≃ 1 − 2e−2ζ ≃ 1 − 2e −L/|ls| , d. h. bei<br />
κ ≃ 1<br />
|l (1 − s|<br />
n)£ 2e−L/|ls| ).<br />
1 Wir suchen Lösungen von 2ls<br />
L z = −tan(z) mit zn = (n − 1 2 )π + εn und 0 < εn < π 2 für<br />
n = 1, 2, . . .:<br />
2l s 2ls<br />
zn = −<br />
L L¢(n 1 2 )π + εn£=−tan¢(n − 1 1<br />
)π + εn£= 2 tan(ε n)<br />
= 1 + O(ε<br />
ε n¢1 2 (n → ∞) .<br />
Es folgt: ε n = L/(2ls)<br />
(n−<br />
2 1 + O 1<br />
)π n 3¡und daher<br />
k n = 2 L zn = L¢(n 2 − 1 2 )π + εn£= 2π L (n − 1 2 ) + (ls)−1<br />
(n − 1 + O1<br />
)π n 3.<br />
2<br />
2l s<br />
L z<br />
− tan(z)<br />
π<br />
2<br />
3π<br />
2<br />
5π<br />
2<br />
7π<br />
2<br />
z<br />
Abbildung 5.3: Grafische Bestimmung der k-Werte
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 94<br />
φ g<br />
φ u<br />
− 1 2 L 0 1<br />
2 L −1 0 1<br />
2 L<br />
2 L<br />
Abbildung 5.4: Gerade und ungerade Wellenfunktion<br />
5.5 Oszillationen zwischen fast-entarteten<br />
Zuständen<br />
Im Limes v s → ∞ (d. h. l s → 0) sind die Wellenzahlen der niedrigstliegenden<br />
geraden und ungeraden Zustände fast gleich:<br />
k u = 2π L , k g = − 1 l s<br />
tan( 1 2 k gL) = 2π L1 − 2l s<br />
L + . . .,<br />
so dass die Energieniveaus dieser Zustände fast entartet sind:<br />
E u = 2 (k u ) 2<br />
2m<br />
, E g = E u1 − 2l s<br />
L + . . .2<br />
= E u1 − 4l s<br />
L + . . ..<br />
Der gerade Zustand hat also die niedrigere Energie (und ist daher der Grundzustand),<br />
aber die Energiedifferenz zwischen beiden Eigenzuständen wird sehr<br />
klein im Limes einer hohen Potentialbarriere:<br />
∆E ≡ E u − E g = 4l s<br />
L E u + . . . (v s → ∞, l s → 0) .<br />
Die ungerade Wellenfunktion ist gegeben durch:<br />
φ u (x) =Ö2<br />
L sin2πx<br />
L,<br />
und die gerade Wellenfunktion hat für l s → 0 die Form<br />
φ g g l s )<br />
(x) ∼Ö2(k 2 åcos(k g x) + sin(k g|x|)<br />
L<br />
k g l sè∼Ö2<br />
L sin(k g|x|) .<br />
Unser Teilchen befindet sich also in beiden Eigenzuständen mit gleicher Wahrscheinlichkeit<br />
in der linken oder in der rechten Hälfte des Kastens.<br />
Betrachten wir das System bei genügend niedrigen Energien (d. h. bei niedrigen<br />
Temperaturen, in einem schwachenergetischen Strahlungsfeld), dann können<br />
wir alle höher angeregten Zustände vernachlässigen, da sie durch eine Lücke der<br />
Größe 3E u von φ g und φ u getrennt sind. Unser Hilbertraum wird somit effektiv<br />
zweidimensional:<br />
ψ(x, t) = ψ g (t)φ g (x) + ψ u (t)φ u (x) ,
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 95<br />
φ −<br />
φ + −1 0 1<br />
2 L 2 L −1 0 1<br />
2 L<br />
2 L<br />
Abbildung 5.5: Die Linearkombinationen φ + und φ −<br />
und die Schrödinger-Gleichung für die „Koordinaten“ ψ g und ψ u in der {φ g , φ u }-<br />
Basis lautet:<br />
i<br />
dtψ d g g 0<br />
ψ u=E<br />
uψ<br />
0 E<br />
g<br />
Die Lösung hat die vertraute Form:<br />
ψ g (t) = ψ g (0)e −iEgt/<br />
ψ u (t) = ψ u (0)e −iEut/ .<br />
ψ u.<br />
Mit Hilfe dieses Ergebnisses kann man nun auch sofort die Zeitentwicklung für<br />
Linearkombinationen von φ g und φ u bestimmen. Besonders interessant sind:<br />
φ ± ≡ 1 √<br />
2<br />
(φ g ± φ u ) ,<br />
die also den physikalischen Ausgangszustand beschreiben, in dem das Teilchen<br />
sich überwiegend (denn Abbildung 5.5 wird erst im Limes v s → −i(Eu−Eg)t/è<br />
∞ exakt) in der<br />
rechten oder linken Hälfte des Systems befindet. Es sei daran erinnert, dass ein<br />
klassisches Teilchen eine Potentialbarriere, die höher als seine Energie ist, nicht<br />
überwinden kann. Quantenmechanisch findet man z. B. für ψ(x, 0) = φ + (x) das<br />
spektakuläre Ergebnis:<br />
ψ(x, t) = √ 1 e −iEgt/ φ g (x) + √ 1 e −iEut/ φ u (x)<br />
2 2<br />
= 1 2 e−iEgt/åφ +1 + e −i(Eu−Eg)t/+φ −1 − e<br />
= e −1 2 i(Eg+Eu)t/åφ t<br />
t<br />
+ (x)cos∆E<br />
− (x)sin∆E<br />
2+iφ<br />
2è.<br />
Die Lösung oszilliert also mit einer Frequenz ∆E/2 zwischen der linken und der<br />
rechten Hälfte des Systems hin und her. Was klassischen Teilchen nicht möglich<br />
wäre, schaffen Schrödinger-Teilchen durch Quantentunneln. Die Wahrscheinlichkeit,<br />
das Teilchen im Zustand „+“ oder „−“ anzutreffen ist gleich cos 2 ( ∆E t<br />
2 )<br />
bzw. sin 2 ( ∆E t<br />
2<br />
); die Summe dieser Wahrscheinlichkeiten ist natürlich wieder<br />
gleich Eins.<br />
Es ist noch interessant, einen Basiswechsel durchzuführen und neue Koordinaten<br />
ψ ± (t) einzuführen:<br />
ψ(x, t) = ψ + (t)φ + (x) + ψ − (t)φ − (x) , ψ ± (t) = 1 √<br />
2äψ g (t) ± ψ u (t)ç.
--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 96<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
N<br />
H<br />
H<br />
Abbildung 5.6: Tunneleffekt beim NH 3<br />
-Molekül<br />
−<br />
Man findet für die Zeitentwicklung der neuen Koordinaten:<br />
i<br />
dtψ d + 2<br />
ψ −=1<br />
(E g + E u ) − 1 2 (E u − E g )<br />
)ψ +<br />
− 1 2 (E 1<br />
u − E g )<br />
2 (E g + E u ψ<br />
−<br />
=Ē<br />
1 2 Ēψ ∆E<br />
− 1 2 ∆E ψ −.<br />
+<br />
In der {φ + , φ − }-Basis ist die Hamilton-Matrix also nicht-diagonal: Auf der Diagonale<br />
stehen die gemittelten Energien Ē = 1 2 (E g + E u ), und die Nichtdiagonalelemente<br />
beschreiben das Tunneln zwischen den beiden Zuständen φ + und<br />
φ − .<br />
Die oben durchgeführte Berechnung hat eine interessante Anwendung in der<br />
Form des Ammoniakmoleküls NH 3<br />
, das zwei stabile Gleichgewichtslagen aufweist.<br />
Das Stickstoffatom tunnelt also ständig durch die H 3 -Barriere hindurch.<br />
Die Energiedifferenz ist in diesem Fall ∆E ≃ 10 −4 eV ≃ 1, 6 · 10 −23 J, die entsprechende<br />
Wellenlänge λ = hc<br />
∆E ≃ 1, 24 · 10−2 m. Diese Schwingung kann also<br />
mit Mikrowellenstrahlung der Frequenz f = ω 2π ≃ 2, 4·1010 Hz angeregt werden.<br />
Die Energieabsenkung in der geraden Lösung im Vergleich zum atomaren<br />
Limes (v s = ∞, l s = 0) spielt auch eine sehr wichtige Rolle in den Erklärungen<br />
der Molekülbindung (H + 2 -Ion) und der starken Wechselwirkung (Austausch von<br />
Mesonen, Yukawa, 1935).<br />
N
Kapitel6<br />
Das Zentralpotential<br />
In diesem Abschnitt betrachten wir die Schrödinger-Gleichung mit einem kugelsymmetrischen<br />
Potential V (r):<br />
i∂ t ψ =<br />
ˆp2<br />
Ĥψ , Ĥ = + V (r) , r = |x| .<br />
2µ<br />
Diese Form der Schrödinger-Gleichung tritt zum Beispiel im Zweikörperproblem<br />
mit einer Zentralkraft auf, wenn man die Schwerpunktsbewegung absepariert;<br />
der Parameter µ kann dann als „effektive Masse“ interpretiert werden. Mögliche<br />
Anwendungen sind durchaus nicht auf das Zweikörperproblem beschränkt: Man<br />
denke z. B. an (an)harmonische Schwingungen von Teilchen in der Nähe eines<br />
räumlich isotropen Potentialminimums.<br />
6.1 Formale Lösung<br />
Wegen der Kugelsymmetrie des Problems geht man am besten sofort auf Kugelkoordinaten<br />
über:<br />
ˆp = i ∇ = ∂<br />
r<br />
ie<br />
∂r + e 1 ∂<br />
ϑ<br />
r ∂ϑ + e 1 ∂<br />
ϕ<br />
r sin(ϑ) ∂ϕ.<br />
Für den Hamilton-Operator benötigen wir:<br />
ˆp 2 = − 2 ∆ = − 2æ1<br />
r<br />
= (ˆp r ) 2 + ˆL 2<br />
r 2 , ˆp r ≡ ir<br />
2é<br />
∂<br />
r2<br />
+ 1 21 ∂<br />
∂r r sin(ϑ) ∂ϑ sin(ϑ) ∂<br />
∂ϑ + 1 ∂ 2<br />
sin 2 (ϑ) ∂ϕ<br />
∂<br />
∂r r .<br />
Im letzten Schritt wurde die explizite Form des Operators ˆL 2 in Kugelkoordinaten<br />
verwendet:<br />
ˆL 2 = 1 ∂<br />
sin(ϑ) ∂ϑ sin(ϑ) ∂<br />
∂ϑ + 1<br />
sin 2 (ϑ) ∂ϕ 2 .<br />
∂ 2
---------------------------------------------------------------------------------------------------- Ǒ6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 98<br />
Dieser Ausdruck kann leicht durch Quadrieren aus der Definition des Bahndrehimpulses:<br />
ˆL ≡ x × ˆp = r e r × ˆp = ∂<br />
ϕ<br />
ie<br />
∂ϑ − e 1 ∂<br />
ϑ<br />
sin(ϑ) ∂ϕ<br />
= sin(ϕ)<br />
i− ∂<br />
∂ϑ − cos(ϕ)cot(ϑ) ∂<br />
∂ϕ<br />
cos(ϕ) ∂<br />
∂ϑ − sin(ϕ)cot(ϑ) ∂<br />
∂ϕ<br />
∂<br />
∂ϕ<br />
hergeleitet werden. Aus den bereits bekannten Vertauschungsrelationen<br />
[ˆL k , ˆL l ] = iε klmˆLm , ˆL × ˆL = iˆL<br />
und der Rechenregel [BC, A] = [B, A]C + B[C, A] findet man für den Kommutator<br />
von ˆL 2 und ˆL:<br />
[ ˆL 2 , ˆL l ] = [ˆL kˆLk , ˆL l ] = [ˆL k , ˆL l ]ˆL k + ˆL k [ˆL k , ˆL l ]<br />
oder, kurzgefasst:<br />
[ ˆL 2 , ˆL] = 0 .<br />
= iε klmˆLmˆLk + ˆL kˆLm=0 ,<br />
Da die Komponenten ˆL l des Bahndrehimpulses nur von (ϑ, ϕ, ∂<br />
∂ϑ , ∂<br />
∂ϕ ) abhängen,<br />
kommutieren sie sicherlich auch mit r, ˆp r und V (r) und daher mit dem gesamten<br />
Hamilton-Operator:<br />
[ ˆL, Ĥ] = 0 .<br />
Wir schließen hieraus, dass der Bahndrehimpuls in kugelsymmetrischen Problemen<br />
in zweierlei Hinsicht eine zentrale Rolle spielt: nicht nur dominiert er (in<br />
der Form des Operators ˆL 2 ) die Winkelabhängigkeit des Hamilton-Operators:<br />
Ĥ = (ˆp r) 2<br />
2µ<br />
+ V (r) +<br />
ˆL<br />
2<br />
er ist auch eine Erhaltungsgröße:<br />
d<br />
dt 〈ˆL〉 = 1<br />
i 〈[ ˆL, Ĥ]〉 + 〈∂ tˆL〉 = 0 .<br />
2µr 2 , (6.1)<br />
Insofern hat der Bahndrehimpulsoperator ˆL in der <strong>Quantenmechanik</strong> dieselbe<br />
Bedeutung wie der klassische Drehimpuls in der Klassischen Mechanik.<br />
Die folgende Lösungsmethode bietet sich an: Da zum Beispiel die Operatoren<br />
ˆL 2 , ˆL 3 und Ĥ alle miteinander kommutieren, haben sie einen vollständigen Satz<br />
gemeinsamer Eigenfunktionen. Wir bezeichnen die Eigenwerte mit 2 l(l + 1),<br />
m und E νlm , wobei wir nur (o.B.d.A.) annehmen, dass l ≥ 0 gilt:<br />
ˆL 2 φ νlm = 2 l(l + 1)φ νlm (l ≥ 0) (6.2)<br />
ˆL 3 φ νlm = mφ νlm (6.3)<br />
Ĥφ νlm = E νlm φ νlm . (6.4)
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 99<br />
Hierbei ist l die Nebenquantenzahl oder Bahndrehimpulsquantenzahl, und m<br />
heißt magnetische Quantenzahl. Wir werden im Folgenden sehen, dass die Klassifizierung<br />
der Eigenfunktionen mit Hilfe der Quantenzahlen (νlm) eindeutig ist,<br />
d. h. dass der Satz von Operatoren {ˆL 2 , ˆL 3 , Ĥ} vollständig ist. Folglich haben<br />
die Eigenfunktionen die Struktur:<br />
φ νlm (r, Ω) = R νlm (r)Y lm (Ω) , (6.5)<br />
wobei Ω = (ϑ, ϕ) die Raumrichtung festlegt. Hierbei sollen die winkelabhängigen<br />
Funktionen Y lm (Ω) die Eigenwertgleichungen<br />
ˆL 2 Y lm = 2 l(l + 1)Y lm (6.6)<br />
ˆL 3 Y lm = mY lm (6.7)<br />
und die Orthonormalitäts- und Vollständigkeitsbedingungen:<br />
〈Y lm , Y l′ m ′〉 =dΩ Y ∗<br />
lm(Ω)Y l′ m ′(Ω) = δ ll ′δ mm ′<br />
lm<br />
Y lm (Ω)Y ∗<br />
lm(Ω ′ ) = δ(Ω − Ω ′ ) = 1<br />
sin(ϑ) δ(ϑ − ϑ′ )δ(ϕ − ϕ ′ )<br />
erfüllen. Durch Einsetzen der Form (6.5) der Eigenfunktionen in die Schrödinger-<br />
Gleichung (6.4) mit dem Hamilton-Operator (6.1) folgt für den radialen Anteil<br />
der Wellenfunktion:<br />
E νlm R νlm (r) =<br />
1<br />
r )<br />
Y lm (Ω)Ĥφ νlm =(ˆp 2<br />
2µ + V (r) + 2 l(l + 1)<br />
2µr 2R νlm (r) .<br />
Abgesehen vom Zentralpotential V (r), erhält man also ein zusätzliches (ebenfalls<br />
kugelsymmetrisches) Potential 2 l(l+1)/2µr 2 , das von der Zentrifugalkraft<br />
herrührt. Der radiale Anteil muss die Orthonormalitätsbedingung<br />
∞<br />
0<br />
dr r 2 R νlm (r)R ν′ lm(r) = δ νν ′ (∀l, m)<br />
erfüllen, damit die Eigenfunktionen φ νlm orthonormal sind:<br />
dxφ ∗ =dΩ∞<br />
νlm φ ν ′ l ′ m dr r 2 φ ∗ ′ νlm φ ν ′ l ′ m = δ ′ νν ′δ ll ′δ mm ′ .<br />
Außerdem muss<br />
0<br />
ν<br />
R νlm (r)R νlm (r ′ ) = 1 r 2 δ(r − r′ ) (∀l, m)<br />
gelten, damit die Eigenfunktionen φ νlm vollständig sind:<br />
νlm<br />
φ νlm (r, Ω)φ ∗ νlm (r′ , Ω ′ ) =<br />
1<br />
r 2 sin(ϑ) δ(r − r′ )δ(ϑ − ϑ ′ )δ(ϕ − ϕ ′ ) .<br />
Es sei noch darauf hingewiesen, dass der radiale Anteil reell gewählt werden<br />
kann, da das effektive Potential im Hamilton-Operator reell ist; dies wurde oben<br />
bereits verwendet. Außerdem hängen E νlm und R νlm nicht von der Quantenzahl
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 100<br />
m ab, da diese nicht im Hamilton-Operator vorkommt. Wir erhalten daher die<br />
Eigenwertgleichung:<br />
E νl R νl (r) =(ˆp r ) 2<br />
2µ + V (r) + 2 l(l + 1)<br />
2µr 2R νl (r) =äĤ r R νlç(r) . (6.8)<br />
Wurden die Eigenwertprobleme (6.6)–(6.8) gelöst, dann folgt die komplette zeitabhängige<br />
Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Zentralpotential als:<br />
ψ(r, ϑ, ϕ, t) =νlm<br />
e −iE νlt/ φ νlm (φ νlm , ψ 0 ) ,<br />
wobei ψ 0 (x) = ψ(x, 0) den Anfangszustand charakterisiert.<br />
Wir werden im Folgenden zunächst die Beziehung zwischen dem Bahndrehimpulsoperator<br />
ˆL und der Drehgruppe näher beleuchten, dann das Eigenwertproblem<br />
(6.6),(6.7) für die Operatoren ˆL 2 und ˆL 3 untersuchen und schließlich<br />
die radiale Gleichung (6.8) für einige Spezialfälle lösen.<br />
6.2 Die Drehgruppe<br />
Drehungen sind lineare, orthogonale Transformationen mit der Determinanten<br />
1; sie bilden die Gruppe SO(3). Sie werden durch einen Vektor α = αˆα charakterisiert,<br />
wobei<br />
ˆα =cos(ϕ)sin(ϑ)<br />
sin(ϕ)sin(ϑ)<br />
cos(ϑ),|ˆα| = 1<br />
die Drehrichtung bestimmt und α (mit −π < α ≤ π) den Drehwinkel bezeichnet.<br />
Die Gruppe der Drehungen {R(α)} ist kontinuierlich (weil α kontinuierlich<br />
ist) und nicht-abelsch (da im allgemeinen [R(α 1 ), R(α 2 )] ≠ 0 gilt). Für alle<br />
Ortsvektoren x gilt:<br />
x = ˆα(ˆα · x) − ˆα × (ˆα × x)<br />
und daher auch:<br />
R(α)x = ˆα(ˆα · x) − ˆα × (ˆα × x)cos(α) + (ˆα × x)sin(α) ,<br />
ˆα<br />
x<br />
ˆα×x<br />
|ˆα×x|<br />
− ˆα×(ˆα×x)<br />
|ˆα×x|<br />
Abbildung 6.1: Parametrisierung von Drehungen
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 101<br />
n 2<br />
2<br />
so dass eine Drehung über einen kleinen Winkel (n ≫ 1) gegeben ist durch:<br />
Rα<br />
=äˆα(ˆα · x) − ˆα × (ˆα × x)ç+<br />
nx α 2<br />
(ˆα × x) + Oα<br />
n n<br />
= x + α 2<br />
(ˆα × x) + Oα<br />
n n<br />
0<br />
=½+ α 0 − cos(ϑ) sin(ϕ)sin(ϑ)<br />
+Oα 2<br />
cos(ϑ) 0 − cos(ϕ)sin(ϑ)<br />
−sin(ϕ)sin(ϑ) cos(ϕ)sin(ϑ) 0 n 2x<br />
=½− iα · l<br />
n + Oα2<br />
n 2x (n → ∞) ,<br />
wobei wir den Vektor l = (l 1 , l 2 , l 3 ) mittels<br />
0 0<br />
0 i<br />
−i 0<br />
l 1 =0<br />
0 0 −i 2 =0<br />
0 0 0 3 =0<br />
i 0 0<br />
0 i 0,l<br />
−i 0 0,l<br />
0 0<br />
und l † k = l k<br />
definierten. Die volle Drehung um α ist daher gegeben durch:<br />
R(α) =äRα<br />
nçn iα =ä½− ∼ e<br />
−iα·l<br />
(n → ∞) .<br />
Wegen des exponentiellen Charakters dieser Darstellung wird die Drehgruppe<br />
als Lie-Gruppe bezeichnet. Die Matrizen l k (k = 1, 2, 3) heißen die Erzeuger der<br />
Lie-Gruppe. Sie definieren eine Lie-Algebra:<br />
[l k , l l ] = iε klm l m .<br />
· l<br />
n + Oα 2çn 2<br />
n<br />
Es ist wichtig, dass große Drehungen aus kleinen Drehungen aufgebaut werden<br />
können. Lokale Information über die Gruppenstruktur nahe der Identität (α =<br />
0) legt also die globale Gruppenstruktur bereits fest.<br />
Sukzessives Anwenden zweier Drehungen entspricht natürlich wiederum einer<br />
Drehung:<br />
R(α)R(β) = e −iα·l e −iβ·l = e −iγ(α,β)·l = R(γ(α, β)) ,<br />
wobei γ eine analytische Funktion von α und β ist:<br />
γ m (α, β) = α m + β m + 1 2 α kβ l ε klm + 1<br />
12 α kβ l (β s − α s )ε klr ε rsm + . . . .<br />
Der analytische Zusammenhang zwischen (α, β) und γ ist eine wesentliche Eigenschaft<br />
der Lie-Gruppe.<br />
6.3 Drehungen in der <strong>Quantenmechanik</strong><br />
Betrachten wir nun ein quantenmechanisches System, beschrieben durch eine<br />
Wellenfunktion ψ, die die Schrödinger-Gleichung i∂ t ψ = Ĥψ erfüllt. An diesem<br />
System führen wir eine Messung mit Hilfe der Observablen ˆL durch, die<br />
die Eigenwerte λ und die Eigenfunktionen φ λ hat. Die Wahrscheinlichkeit dafür,<br />
den Messwert λ zu erhalten, ist also |(φ λ , ψ)| 2 . Solche Messwahrscheinlichkeiten<br />
müssen natürlich bei Drehungen der Gesamtanordnung (d. h. von System
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 102<br />
plus Messgerät, sog. „aktive“ Drehungen) bzw. des Koordinatensystems (sog.<br />
„passive“ Drehungen) invariant bleiben.<br />
Wir betrachten im Folgenden nur „aktive“ Drehungen (d. h. Drehungen der<br />
Gesamtanordnung). Die Wellenfunktionen vor und nach der Drehung werden<br />
im allgemeinen linear zusammenhängen:<br />
x ′ = R(α)x ⇒ ψ ′ = D(α)ψ , φ ′ λ = D(α)φ λ ,<br />
wobei D(α) ein linearer Operator ist. Dieser Operator D(α) ist notwendigerweise<br />
unitär, da die Normierung für alle möglichen ψ erhalten bleiben soll:<br />
(ψ, ψ) = 1 = (ψ ′ , ψ ′ ) = (Dψ, Dψ) = (ψ, D † Dψ) ⇒ D † D =½.<br />
Die Invarianz der Messergebnisse für alle ψ,<br />
(ψ, ˆLψ) = (ψ ′ , ˆL ′ ψ ′ ) = (Dψ, ˆL ′ Dψ) = (ψ, D † ˆL′ Dψ) ,<br />
bedeutet, dass ˆL wie folgt transformiert wird:<br />
ˆL ′ = D(α) ˆLD(α) † .<br />
Außerdem erzwingt die Gruppenstruktur von SO(3),<br />
R(α)R(β) = R(γ(α, β)) ,<br />
dieselbe Multiplikationsstruktur für die D-Operatoren:<br />
D(α)D(β) = D(γ(α, β)) . (6.9)<br />
(0) ≡ −ij in der Form einer Exponentialfunktion schreiben:<br />
D(α) =äDα<br />
nçn 1 =ä½+ ∼ e<br />
−iα·j<br />
(n → ∞) ,<br />
so dass (6.9) die Form<br />
Falls für alle Drehungen R(α) ein Operator D(α) existiert, so dass (6.9) gilt,<br />
heißen die {D(α)} eine Darstellung der Lie-Gruppe {R(α)}.<br />
Man kann die Operatoren D(α), ähnlich wie die R(α), mit Hilfe der Definition<br />
∂D<br />
∂α<br />
n α ·∂D (0)+Oα 2çn 2<br />
∂α n<br />
e −iα·j e −iβ·j = e −iγ(α,β)·j (6.10)<br />
erhält, wobei j † = j gilt und γ(α, β) bereits aufgrund der Multiplikationsstruktur<br />
der Drehgruppe bekannt ist. Eine Entwicklung von (6.10) für kleine (α, β)<br />
zeigt nun:<br />
−iα m j m − iβ m j m − 1 2 α kβ l [j k , j l ] + . . . =<br />
ln(e −iα·j e −iβ·j ) = −iγ(α, β) · j<br />
= −iäα m + β m + 1 2 α kβ l ε klm + . . .çj m ,<br />
so dass die Erzeuger j der Darstellung {D(α)} exakt dieselben Vertauschungsrelationen<br />
wie diejenigen der Drehungen {R(α)} erfüllen müssen:<br />
[j k , j l ] = iε klm j m . (6.11)
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 103<br />
Umgekehrt gilt, dass j = (j 1 , j 2 , j 3 ) eine Darstellung der Drehgruppe erzeugt,<br />
wenn (6.11) erfüllt ist.<br />
Da die Komponenten 1 ˆL k des Bahndrehimpulses die Vertauschungsrelationen<br />
(6.11) erfüllen, erzeugen sie eine Darstellung<br />
D L (α) = e − i α·ˆL<br />
der Drehgruppe. Die physikalische Relevanz dieser Darstellung wird klar, wenn<br />
wir das Transformationsverhalten einer rein ortsabhängigen Wellenfunktion unter<br />
Drehungen der Gesamtanordnung betrachten. Die Forderung<br />
liefert<br />
d. h.<br />
ψ ′ (x ′ ) = ψ(x) , x ′ = Rα<br />
nx<br />
ψ ′ (x) = ψRα x∼ψx −<br />
n−1 α × n∼ψ(x) x − α × x · ∇ψ(x) ,<br />
n<br />
ψ ′ =1 − α × x<br />
n<br />
wobei benutzt wurde, dass<br />
· ∇ψ =1 − i α · ˆL ∼ e<br />
nψ − iα·ˆL<br />
n ψ ,<br />
(α × x) · ∇ = ε ijk α j x k<br />
∂<br />
∂x i<br />
= ε jki α j x k<br />
∂<br />
∂x i<br />
= α · (x × ∇) = i α · (x × ˆp) = i α · ˆL<br />
gilt. Nach n Drehungen um α n<br />
folgt also:<br />
ψ ′ = e − i α·ˆLψ = D L (α)ψ .<br />
Das Transformationsverhalten von ortsabhängigen Wellenfunktionen unter Drehungen<br />
wird also gänzlich durch ˆL bestimmt.<br />
Ist nun der Hamilton-Operator Ĥ invariant unter Drehungen, dann ist mit<br />
ψ auch ψ ′ = D(α)ψ (für beliebige α) Lösung der Schrödinger-Gleichung:<br />
i∂ t ψ ′ = Ĥψ′ .<br />
Normalerweise gilt ∂ t D(α) = 0; in diesem Fall ist<br />
D(α) −1 ĤD(α) = Ĥ oder [Ĥ, D(α)] = 0<br />
für alle α. Unter Verwendung der Exponentialform der Darstellung, D(α) =<br />
e −iα·j , findet man:<br />
[Ĥ, j] = 0 ,<br />
so dass die Erzeuger j der Darstellung eine Erhaltungsgröße bilden. Insbesondere<br />
gilt dies für den Bahndrehimpuls ˆL im Falle einer rein ortsabhängigen<br />
Wellenfunktion.
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 104<br />
6.4 Das Eigenwertproblem für ˆL 2 und ˆL 3<br />
In diesem Abschnitt untersuchen wir die möglichen Eigenwerte und Eigenfunktionen<br />
der Eigenwertprobleme (6.6),(6.7) für die Operatoren ˆL 2 und ˆL 3 :<br />
ˆL 2 Y lm = 2 l(l + 1)Y lm (l ≥ 0)<br />
ˆL 3 Y lm = mY lm ,<br />
wobei die Eigenfunktionen Y lm (Ω) nur von den Winkelvariablen Ω = (ϑ, ϕ)<br />
abhängen. Wir wissen bereits, dass die Komponenten des Bahndrehimpulses<br />
die Vertauschungsregeln<br />
[ˆL k , ˆL l ] = iε klmˆLm<br />
erfüllen, und dass ˆL 2 mit dem Bahndrehimpuls kommutiert:<br />
[ ˆL 2 , ˆL] = 0 .<br />
Wir führen die Operatoren ˆL + und ˆL − als Linearkombinationen von ˆL 1 und ˆL 2<br />
ein:<br />
ˆL ± ≡ ˆL 1 ± iˆL 2 = e ±iϕ± ∂<br />
∂ϑ + i cot(ϑ) ∂<br />
∂ϕ.<br />
Die Operatoren ˆL + und ˆL − sind hermitesch konjugiert zueinander:<br />
ˆL † + = ˆL − .<br />
Außerdem überprüft man leicht, dass<br />
[ˆL 3 , ˆL ± ] = ±ˆL ± (6.12)<br />
[ˆL + , ˆL − ] = 2ˆL 3 (6.13)<br />
[ ˆL 2 , ˆL ± ] = 0 (6.14)<br />
ˆL 2 = ˆL ∓ˆL± ± ˆL 3 + ˆL 2 3 (6.15)<br />
gilt. Die Notation ˆL ± wird verständlich, wenn man bedenkt, dass (6.12) die<br />
Eigenwertgleichung<br />
ˆL 3 (ˆL ± Y lm ) = (ˆL ±ˆL3 ± ˆL ± )Y lm = (m ± 1)(ˆL ± Y lm )<br />
impliziert, so dass die Operatoren ˆL + und ˆL − aus einer bereits bekannten Eigenfunktion<br />
Y lm eine neue Eigenfunktion erzeugen, nun allerdings mit einem<br />
um Eins erhöhten bzw. erniedrigten m-Wert. Die neue Eigenfunktion ˆL ± Y lm ist<br />
noch nicht normiert. Um die Normierung zu bestimmen, berechnen wir:<br />
〈ˆL ± Y lm , ˆL ± Y lm 〉 = 〈Y lm , ˆL ∓ˆL± Y lm 〉<br />
= 〈Y lm , (ˆL 2 − ˆL 2 3 ∓ ˆL 3 )Y lm 〉 = 2 [l(l + 1) − m 2 ∓ m] .<br />
Wir schließen hieraus, dass (evtl. abgesehen von einem Phasenfaktor)<br />
ˆL (lm)<br />
± Y lm = Y l,m±1 , ˆL(lm) ± ≡<br />
ˆL ±<br />
l(l + 1) − m(m ± 1)<br />
(6.16)
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 105<br />
gilt. Indem wir den Phasenfaktor in (6.16) gleich Eins wählen, werden die (bisher<br />
unbestimmten) relativen Phasen der Eigenfunktionen Y lm für ein fest vorgegebenes<br />
l fixiert. Da die Norm von ˆL ± Y lm natürlich nicht-negativ ist, muss bei<br />
fest vorgegebenem l für alle erlaubten m-Werte<br />
l(l + 1) − m(m + 1) ≥ 0 und l(l + 1) − m(m − 1) ≥ 0<br />
gelten. Es folgt:<br />
l(l + 1) ≥ max{m(m + 1), m(m − 1)} = |m|(|m| + 1)<br />
und daher |m| ≤ l oder auch<br />
−l ≤ m ≤ l .<br />
Sei nun m min der niedrigste und m max der höchste mögliche m-Wert. Damit<br />
ˆL − und ˆL + , wirkend auf Y lmmin bzw. Y lmmax , keine Eigenfunktionen mit noch<br />
niedrigerem bzw. höherem m-Wert erzeugen, muss gelten:<br />
<br />
Y lm =m−1<br />
m ′ =−l<br />
l(l + 1) − m min (m min − 1) = 0 ⇒ m min = −l<br />
l(l + 1) − m max (m max + 1) = 0 ⇒ m max = l .<br />
Falls Y l,−l also bekannt ist, folgen die übrigen Eigenfunktionen (für fest vorgegebenes<br />
l) aus (6.16) als: 1<br />
ˆL (lm′ )<br />
+Y l,−l . (6.17)<br />
Damit 2l-malige Anwendung eines ˆL + -Operators die Eigenfunktion Y ll ergibt,<br />
muss offensichtlich gelten:<br />
2l ∈Æ⇒<br />
entweder: l = 0, 1, 2, . . .<br />
oder: l = 1 2 , 3<br />
2 , 5<br />
2 , . . . . (6.18)<br />
Im Falle des Bahndrehimpulses sind halbzahlige Quantenzahlen (l = 1 2 , 3 2 , . . . )<br />
jedoch unmöglich. Dies sieht man wie folgt: Die ϕ-Abhängigkeit von Y lm kann<br />
aus der explizit bekannten Form von ˆL 3 bestimmt werden, denn die Gleichung<br />
ˆL 3 Y lm = i<br />
∂<br />
∂ϕ Y lm = mY lm<br />
impliziert Y lm (ϑ, ϕ) = e imϕ Y lm (ϑ, 0). Hieraus folgt wieder, dass m unbedingt<br />
ganzzahlig sein muss, sonst wäre die Gleichung<br />
Y lm (ϑ, ϕ) = Y lm (ϑ, ϕ + 2π) = e 2πim Y lm (ϑ, ϕ) ,<br />
nicht konsistent. Die Periodizität der ϕ-Abhängigkeit der Wellenfunktion erfordert<br />
also m ∈und daher auch l ∈Æ, da m bekanntlich nur die Werte<br />
1 Man kann leicht (wie beim harmonischen Oszillator) mit Hilfe von vollständiger Induktion<br />
zeigen, dass die Eigenwerte m nicht entartet sind, d.h., dass es zum Eigenwert m von ˆL 3<br />
keine weiteren Eigenfunktionen gibt. Man verwendet hierzu vollständige Induktion bezüglich<br />
m und benutzt, dass der Eigenwert m = −l nicht entartet ist. Dies folgt aus der expliziten<br />
Berechnung.
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 106<br />
m = −l, −l + 1, . . .,l annehmen kann. Man bezeichnet die Eigenzustände zu<br />
verschiedenen Werten der Nebenquantenzahl l auch mittels:<br />
l = 0 1 2 3 4 5 6 7 . . .<br />
| | | | | | | |<br />
s p d f g h i k . . .<br />
.<br />
Die Eigenfunktion Y l,−l in (6.17) kann für alle l ∈Æaus der Bedingung<br />
ˆL − Y l,−l = 0 berechnet werden. Generell muss gelten:<br />
Y lm (ϑ, ϕ) = e imϕ Y lm (ϑ, 0) ,<br />
damit die Eigenwertgleichung ˆL 3 Y lm = ∂<br />
i ∂ϕ Y lm = mY lm erfüllt ist. Die Bestimmungsgleichung<br />
für Y l,−l lautet also:<br />
0 = ˆL − Y l,−l = e −iϕ− ∂<br />
∂ϑ +<br />
i ∂<br />
tan(ϑ) ∂ϕe −ilϕ Y l,−l (ϑ, 0)<br />
und daher<br />
∂<br />
∂ϑ − l<br />
l,−l (ϑ, 0) = 0 . (6.19)<br />
tan(ϑ)Y<br />
Wir definieren Y l,−l (ϑ, 0) ≡ y l (ϑ). Damit ergibt sich:<br />
1 ∂y l<br />
y l ∂ϑ = ∂<br />
∂ϑ ln(y l) =<br />
l<br />
sin(ϑ) cos(ϑ) = l ∂<br />
∂ϑ ln[sin(ϑ)] ,<br />
so dass mit der Notation ξ ≡ cos(ϑ) für y l (ϑ)<br />
y l (ϑ) = C l [sin(ϑ)] l = C l (1 − ξ 2 ) l/2<br />
folgt. Hierbei ist der Vorfaktor C l durch die Normierung bestimmt:<br />
1 =dΩ |Y l,−l (Ω)| 2 =π<br />
dϑ sin(ϑ)2π<br />
dϕ |y l (ϑ)| 2<br />
0<br />
0<br />
21<br />
= 2π|C l | dξ (1 − ξ 2 ) l ≡ 2π|C l | 2 I l 1<br />
,<br />
−1<br />
wobei das Integral I l sich auch als Betafunktion schreiben läßt:<br />
I l =π<br />
dϑ [sin(ϑ)] 2l+1 = 2π/2<br />
dϑ [sin(ϑ)] 2l+1 = B1<br />
2 , l +<br />
0<br />
= Γ(1 2<br />
)Γ(l + 1)<br />
Γ(l + 3 2 ) .<br />
Nun ist generell Γ(z + 1 2 ) = √ π2 1−2z Γ(2z)/Γ(z), so dass schließlich<br />
2l+1 [Γ(l + 1)]2<br />
I l = 2<br />
Γ(2l + 2) = 2(2l l!) 2<br />
(2l + 1)!<br />
0<br />
gilt und der Vorfaktor C l in y l (ϑ), abgesehen von einem Phasenfaktor, durch<br />
|C l | 2 = 1 (2l + 1)!<br />
(2 l l!) 2 4π
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 107<br />
bestimmt ist. Die normierte Lösung der Differentialgleichung (6.19) lautet daher:<br />
Y l,−l (ϑ, ϕ) = e −ilϕ 1<br />
2 l l!Ö(2l + 1)!<br />
4πäsin(ϑ)çl<br />
In Kombination mit Gleichung (6.17) sind alle Y lm nun prinzipiell bekannt. Die<br />
explizite Form dieser Kugelfunktionen ist:<br />
Y lm (ϑ, ϕ) = (−1) 1 2 (m+|m|) e imϕ2l + 1 (l − |m|)!<br />
4π (l + |m|)! P l|m|(cos(ϑ)) ,<br />
wobei die assoziierten Legendre-Funktionen P lm für m ≥ 0 durch<br />
P lm (ξ) ≡ (1 − ξ2 ) m/2<br />
2 l l!<br />
gegeben sind. Konkret erhält man:<br />
Y 00 = 1 √<br />
4π<br />
Y 10 =Ö3<br />
4π cos(ϑ)<br />
d m+l<br />
dξ m+l (ξ2 − 1) l<br />
Y 11 = −Ö3<br />
8π sin(ϑ)eiϕ<br />
Y 1,−1 = −Y ∗<br />
11 usw.<br />
Interessant ist noch, dass die Parität von Y lm , d. h. das Verhalten unter Raumspiegelungen<br />
am Ursprung, durch die Quantenzahl l bestimmt wird:<br />
(PY lm )(ϑ, ϕ) = Y lm (π − ϑ, ϕ + π) = e imπ (−1) |m|+l Y lm (ϑ, ϕ)<br />
= (−1) l Y lm (ϑ, ϕ) ,<br />
so dass Y lm auch eine Eigenfunktion des Paritätsoperators P zum Eigenwert<br />
(−1) l ist.<br />
Es sei noch hinzugefügt, dass unser Ergebnis für die Eigenwerte von ˆL 2 und<br />
ˆL 3 eine Relevanz hat, die weit über den Spezialfall des Bahndrehimpulses hinausgeht.<br />
Die Argumente, die zu Gleichung (6.18) führen, sind für jeden Operator<br />
Ĵ gültig, dessen Komponenten die Vertauschungsrelationen eines Drehimpulses<br />
erfüllen:<br />
[Ĵk, Ĵl] = iε klm Ĵ m .<br />
Auch in diesem allgemeinen Fall kann man die Eigenwerte von Ĵ2 und Ĵ3 einführen<br />
als:<br />
Ĵ 2 φ jj3 = 2 j(j + 1)φ jj3 (j ≥ 0)<br />
Ĵ 3 φ jj3 = j 3 φ jj3<br />
und man findet:<br />
entweder: j = 0, 1, 2, . . .<br />
oder: j = 1 2 , 3<br />
2 , 5<br />
2 , . . . und j 3 = −j, −j + 1, . . . , j .<br />
Im allgemeinen Fall können halbzahlige j-Werte also keineswegs ausgeschlossen<br />
werden. Wir werden im Folgenden sehen, dass halbzahlige Drehimpulse in der<br />
Physik sogar eine sehr wichtige Rolle spielen.<br />
.
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 108<br />
6.5 Eigenwertgleichung für den radialen<br />
Anteil R νl (r)<br />
Der letzte Punkt auf unserem Programm zur Lösung kugelsymmetrischer Probleme<br />
ist die Untersuchung des Radialanteils R νl (r). Die entsprechende Eigenwertgleichung<br />
ist:<br />
Ĥ r R νl =å(ˆp r ) 2<br />
2µ + V (r) + 2 l(l + 1)<br />
2µr 2èR νl ≡ E νl R νl . (6.20)<br />
Typische Potentiale V (r), die in kugelsymmetrischen Problemen von Interesse<br />
sind, sind z. B. das Kastenpotential, das harmonische Potential und das<br />
Coulomb-Potential:<br />
V Kasten (r) =0 (r < r 0 )<br />
∞ (r > r 0 )<br />
V harm (r) = 1 2 mω2 r 2 .<br />
, V Coulomb (r) = − e2<br />
4πε 0 r<br />
Ein weiteres sehr wichtiges Beispiel sind Van-der-Waals-Kräfte, die durch ein<br />
Potential der Form V (r) ∝ −r −6 (r ≫ a B ) beschrieben werden. Die Wechselwirkung<br />
zwischen Atomen in Edelgasen wird häufig mit einem Lennard-Jones-<br />
Potential beschrieben, V (r) = 4ε[( σ r )12 − ( σ r )6 ], das sowohl die Abstoßung zwischen<br />
Atomen für kleine Abstände und die Van-der-Waals-Anziehung für große<br />
Abstände korrekt reproduziert.<br />
Bei der Untersuchung der Eigenwertgleichung (6.20) beschränken wir uns<br />
auf realistische Potentiale: r 2 V (r) → 0 für r → 0, zumindest wenn V (r) < 0<br />
gilt. 2 In diesem Fall gilt für kleine r:<br />
d. h.<br />
(ˆp r ) 2<br />
2µ R νl ∼ − 2 l(l + 1)<br />
2µr 2 R νl , ˆp r = ∂<br />
ir ∂r r ,<br />
d 2<br />
dr 2 (rR l(l + 1)<br />
νl) ∼<br />
r 2 (rR νl ) .<br />
2 Um zu entscheiden, ob anziehende Potentiale mit r 2 V (r) ↛ 0 für r → 0 physikalisch<br />
sinnvoll sind, betrachten wir eine Variationswellenfunktion der Form φ(r) ≡<br />
1<br />
√ 3/2<br />
Φ(r/r 0 ), wobei Φ(̺) aufgrund der Normierung die Eigenschaft 1 =Êdr |φ(r)| 2 =<br />
4πr<br />
0 Ê∞<br />
dr r 2 r −3<br />
0 0 |Φ(r/r 0)| 2 =Ê∞<br />
d̺ ̺2 |Φ(̺)| 2 hat. Außerdem führen wir die Definitionen<br />
0<br />
̺Φ(̺) ≡ f(̺) und 2mV 0<br />
2 ≡ v 0 ein. Für ein anziehendes Potential der Form V (r) = − V 0<br />
r s (s ><br />
2, V 0 > 0), so dass in der Tat r 2 V (r) ↛ 0 gilt, folgt dann:<br />
〈Ĥ〉 φ =∞<br />
0<br />
=<br />
2m∞<br />
2<br />
dr r 2 Φ ∗ (r/r 0 )å− 2 d 2<br />
2mr dr 2 r − V 0<br />
r sèΦ(r/r 0 )r −3<br />
0<br />
0<br />
d̺ ̺Φ ∗ (̺)å− 1<br />
r 2 0<br />
d 2<br />
d̺2 − v 0<br />
(r sè̺Φ(̺)<br />
0̺)<br />
=<br />
2må1 2 d̺¬df<br />
r0∞<br />
2 −<br />
d̺¬2 v 0<br />
r 0<br />
0∞<br />
s d̺ ̺−s |f| 2è−→ −∞ (r 0 ↓ 0) .<br />
0<br />
Die Form von Φ(̺) oder f(̺) wird hierbei natürlich so gewählt, dass die Integrale existieren. Da<br />
die variationelle Energie 〈Ĥ〉 φ für alle r 0 > 0 eine obere Schranke für die Grundzustandsenergie<br />
E 0 darstellt: E 0 ≤ 〈Ĥ〉 φ , folgt E 0 = −∞, was selbstverständlich als unrealistisch einzustufen<br />
ist. Attraktive Potentiale mit s > 2 sind somit unphysikalisch.
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 109<br />
Die Lösung hat für alle l ∈ N (d. h. insbesondere auch für den Spezialfall l = 0,<br />
den man gesondert betrachten sollte,) die Form:<br />
rR νl ∼ Ar l+1 oder rR νl ∼ Ar −l (r ↓ 0) ,<br />
allerdings ist die zweite Lösung physikalisch nicht akzeptabel, da die Lösung für<br />
l ≥ 1 nicht normierbar ist:<br />
∞<br />
0<br />
dr r 2 [R νl (r)] 2 dråA<br />
lè2<br />
= ∞ (l ≥ 1)<br />
∼0 r<br />
und für l = 0 die Schrödinger-Gleichung nicht erfüllt:<br />
[Ĥφ ν00](r) ∼å− 2<br />
2m ∆ + V (r)èA √<br />
4πr<br />
∼ √ A<br />
4πå4π 2<br />
2m δ(x) + V (r)1 ν0 φ ν00 ∼<br />
rè≠E E ν0A<br />
√ .<br />
4πr<br />
Es wurde hierbei ∆ 1 r<br />
= −4πδ(x) benutzt. Es folgt also, dass für kleine r<br />
R νl (r) ∼ A νl r l (r ↓ 0) (6.21)<br />
gilt. Die Berechnung für kleine r zeigt übrigens, dass es zweckmäßig ist, eine<br />
Hilfsfunktion<br />
u νl (r) ≡ rR νl (r)<br />
einzuführen, die die eindimensionale Schrödinger-Gleichung<br />
å− 2<br />
d 2<br />
2µ dr 2 + V (r) + 2 l(l + 1)<br />
2µr 2èu νl = E νl u νl<br />
und die üblichen Orthonormalitäts- und Vollständigkeitsbedingungen:<br />
∞<br />
0<br />
ν<br />
dr u νl (r)u ν′ l(r) = δ νν ′<br />
u νl (r)u νl (r ′ ) = δ(r − r ′ )<br />
(∀l)<br />
erfüllt. 3 Aufgrund von (6.21) verhält sich die Hilfsfunktion u νl (r) für kleine r<br />
wie<br />
u νl (r) ∼ A νl r l+1 (r ↓ 0) .<br />
Das Verhalten für große r ist bereits aus der Übung bekannt: Falls<br />
V (r) ∼ V 0 r α (r → ∞)<br />
3 Aus der Übung ist bekannt, dass die Eigenenergien nicht entartet sind, falls V (r) → ∞<br />
für |r| → ∞. Für r < 0 können wir formal V (r) = ∞ setzen, da sowieso u(0) = 0 gilt.<br />
Für r → ∞ ergibt sich entweder automatisch V (r) → ∞ (Teilchen im Kasten, harmonischer<br />
Oszillator), oder man führt als Hilfsmittel einen endlichen Kasten ein, um die Wellenfunktion<br />
normierbar zu machen (Wasserstoffproblem). In allen Fällen folgt also die Nichtentartung der<br />
Energieniveaus.
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 110<br />
gilt, folgt<br />
R νl (r) = 1 r u νl(r) ∝ e −(r/l0)1+ 1 2 α /(1+ 1 2 α) , l 0 = 2<br />
2µV 01<br />
2+α<br />
.<br />
Im Spezialfall V (r) → 0 für r → ∞ gilt für Bindungszustände (E < 0):<br />
und daher:<br />
u ′′<br />
νl (r) ∼ κ2 u νl (r) , κ ≡Ö2µ|E|<br />
2 ,<br />
R νl (r) = 1 r u νl(r) ∝ e −κr (r → ∞) .<br />
Für Energien E > 0 hat man in diesem Spezialfall ausgedehnte Zustände.<br />
Wir kehren zurück zur Eigenwertgleichung (6.20) für R νl (r) und diskutieren<br />
nun das exakt lösbare Beispiel des Wasserstoffproblems.<br />
6.6 Das Wasserstoffproblem<br />
Das Potential eines Elektrons im Feld eines positiv geladenen Kerns ist<br />
V (r) = eΦ(r) = − Ze2<br />
4πε 0 r<br />
.<br />
Es ist im Folgenden zweckmäßig, die Feinstrukturkonstante α und den Bohrradius<br />
a B einzuführen:<br />
α ≡<br />
e2<br />
4πε 0 c<br />
, a B ≡ 4πε 0 2<br />
m e e 2 , a ≡ m e<br />
µ a B .<br />
Man kann die Energieeigenwerte des Wasserstoffproblems dann darstellen als:<br />
E = − Z2<br />
2µ Ry≡− Z2<br />
ry (n = 1, 2, . . .) , (6.22)<br />
n m e n2 wobei die Rydberg-Konstante durch<br />
Ry = 1 2 α2 m e c 2 =<br />
e2 2<br />
=<br />
8πε 0 a B 2m e (a B ) 2 ≃ 13, 6 eV ≃ 2, 18 · 10−18 J<br />
gegeben ist. Wiederum hängt die Energie nur von der Hauptquantenzahl n (und<br />
nicht von l) ab.<br />
Um (6.22) zu überprüfen, betrachten wir diese Gleichung als Definition von<br />
n und zeigen, dass notwendigerweise n = 1, 2, . . . gilt. Die radiale Schrödinger-<br />
Gleichung lautet:<br />
0 =åd 2<br />
dr 2 + 2 d<br />
r dr + 2µ<br />
2E + Ze2<br />
4πε 0 r − 2 l(l + 1)<br />
=åd 2<br />
dr 2 + 2 r<br />
d<br />
dr −<br />
2µr 2èR<br />
Z2<br />
n 2 a 2 + 2Z l(l + 1)<br />
−<br />
ar r 2èR .
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 111<br />
Wir führen nun eine dimensionslose Länge z ≡ 2Zr<br />
na<br />
ein, damit R(r) für große z<br />
dieselbe z-Abhängigkeit hat wie für den harmonischen Oszillator:<br />
R(r) ∝´r l ∝ z l (z ↓ 0)<br />
e −κr = e − Z na r = e − 1 2 z (z → ∞)<br />
.<br />
Wenn man mit z( na<br />
2Z )2 multipliziert folgt:<br />
0 =åz d2<br />
dz 2 + 2 d dz − 1 l(l + 1)<br />
z + n − .<br />
4 zèR<br />
Wir machen den Ansatz:<br />
R(r) = z l w(z)e − 1 2 z (6.23)<br />
und finden einen Spezialfall der Kummer’schen Differentialgleichung:<br />
0 = zw ′′ + (B − z)w ′ − Aw , A = l + 1 − n , B = 2(l + 1) .<br />
Man kann die Lösung mit der Eigenschaft 0 < |w(0)| < ∞ mit Hilfe eines<br />
Potenzreihenansatzes bestimmen. Das Ergebnis ([1], (13.1.2)) ist als die Kummer’sche<br />
Funktion 4 bekannt und hat die Form:<br />
w(z) = w(0)M(A, B, z) = w(0)<br />
∞k=0<br />
(A) k z k<br />
(B) k k!<br />
,<br />
wobei (A) k das sogenannte Pochhammer-Symbol ist: 5<br />
(A) k ≡ A(A + 1) · · · (A + k − 1) , (A) 0 = 1 .<br />
Man überprüft leicht, dass die Kummer’sche Funktion in der Tat die Kummer’sche<br />
Differentialgleichung erfüllt:<br />
1<br />
w(0) [zw′′ + (B − z)w ′ − Aw]<br />
=<br />
∞k=2<br />
(A) k<br />
k(k − 1) zk−1<br />
+ (B − z)<br />
(B) k k!<br />
∞k=1<br />
(A) k<br />
k zk−1<br />
− A<br />
(B) k k!<br />
∞k=0<br />
(A) k z k<br />
(B) k k!<br />
=<br />
=<br />
∞k=1å(A) k+1<br />
(B + k) − (A) k<br />
(A + k)èz k<br />
(B) k+1 (B) k k! + B (A) 1<br />
− A (A) 0<br />
(B) 1 (B) 0<br />
∞k=1å(A) k+1<br />
− (A) k+1<br />
(B) k (B) kèz k<br />
k! + A − A = 0 .<br />
Die bislang unbestimmte Integrationskonstante w(0) folgt aus der Normierung.<br />
Falls nun nicht (A) k = 0 gilt für irgendein k ∈Æ, wird die Potenzreihe nicht<br />
abgebrochen, und es folgt nach [1], Formel (13.1.4):<br />
w(z) ∼ w(0) Γ(B)<br />
Γ(A) zA−B e z (z → ∞) ,<br />
4 eine spezielle konfluente hypergeometrische Funktion.<br />
5 Das Pochhammer-Symbol ist natürlich eng mit der Gammafunktion verknüpft. Es gilt der<br />
einfache Zusammenhang: (A) k = Γ(A+k)<br />
Γ(A) .
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 112<br />
so dass R(r) insgesamt nicht normierbar ist: R(r) ∝ e Zr/na für r → ∞. Folglich<br />
muss (A) k = 0 gelten für irgendein k ∈Æ, so dass A eine nicht-positive ganze<br />
Zahl ist. Die einzige physikalisch akzeptable Lösung ist daher:<br />
(n − l − 1)!<br />
w(z) = w(0)M(l + 1 − n, 2l + 2, z) = w(0) L (2l+1)<br />
n−l−1<br />
(z) , (6.24)<br />
(2l + 2) n−l−1<br />
wobei unbedingt (n − l − 1) ∈Ægelten soll, damit R(r) normierbar ist, und<br />
w(0) aus der Normierung bestimmt wird.<br />
Wir konnten also bestätigen, dass notwendigerweise (n − 1) ∈Ægilt, was<br />
(6.22) beweist. Die erlaubten Nebenquantenzahlen sind für festes n gegeben<br />
durch l = 0, 1, . . .,n − 1. Wir finden also insgesamt für den radialen Anteil der<br />
Wellenfunktion des Wasserstoffproblems:<br />
R nl (r) = w(0)z l e −1 2 z (n − l − 1)!<br />
L (2l+1)<br />
n−l−1<br />
(2l + 2) (z) ,<br />
n−l−1<br />
z = 2Zr<br />
na ,<br />
wobei L (α)<br />
n (x) ein verallgemeinertes Laguerre-Polynom 6 darstellt. Im Grundzustand<br />
(n = 1, l = 0) gilt zum Beispiel:<br />
R 10 (r) = w(0)e − 1 2 z = 2Z<br />
a3/2<br />
e<br />
−Zr/a<br />
Man sieht, dass die Wellenfunktion umso stärker lokalisiert ist, je größer die<br />
Kernladung ist.<br />
Für E > 0 erhält man ausgedehnte Zustände. Die explizite Form dieser<br />
Zustände folgt noch am einfachsten, wenn man in (6.22) n → −iν setzt:<br />
E = − Z2 Z2<br />
ry = ry (ν > 0)<br />
n2 ν2 und in (6.23) und (6.24):<br />
R(r) = const. · ζ l e −1 2 iζ M(l + 1 + iν, 2l + 2, iζ)<br />
κaè<br />
mit ζ = 2Zr<br />
νa = 2κr und κ =2µE/2 .<br />
Die Kummer’sche Funktion M mit diesen Parameterwerten ist bekannt als<br />
die (reguläre) Coulomb-Wellenfunktion ([1], Kapitel 14). Das asymptotische Verhalten<br />
für große Abstände vom Kern (ζ → ∞, d. h. r → ∞) folgt mit ν = Z κa<br />
als:<br />
R(r) ∝ 1 κr sinåκr + Z κa ln(2κr) − π 2 l + arg Γl + 1 − i Z (6.25)<br />
und zeigt, wie erwartet, dass die Wellenfunktion nicht normierbar ist. Man kann<br />
dieses Problem natürlich leicht beheben, indem man ein endliches sphärisches<br />
.<br />
6 Die explizite Form dieser Polynome ist nach [1], Formel (22.3.9) durch:<br />
L (α)<br />
n (x) =<br />
(−1)<br />
nm=0<br />
mn + α<br />
n − mx m<br />
m!<br />
mit α > −1 gegeben.
---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 113<br />
Normierungsvolumen mit Radius r 0 einführt und fordert, dass die Wellenfunktionen<br />
auf dem Rand dieses Volumens Null sind. An geeigneter Stelle nimmt<br />
man dann den Limes r 0 → ∞.<br />
Interessant ist noch, dass (6.25) sich durch das Auftreten des logarithmischen<br />
Terms sogar für beliebig große Abstände vom analogen Resultat für ein freies<br />
Teilchen unterscheidet. Hier äußert sich die Langreichweitigkeit der Coulomb-<br />
Wechselwirkung.<br />
Zusammenfassend ist die Lösung des Wasserstoffproblems in der nichtrelativistischen<br />
<strong>Quantenmechanik</strong>,<br />
i∂ t ψ =åˆp 2<br />
gegeben durch:<br />
2µ + V (r)èψ , V (r) = − Ze2<br />
4πε 0 r ,<br />
ψ(r, t) =nlm<br />
e −iEnt/ φ nlm (φ nlm , ψ 0 ) ,<br />
wobei ψ 0 den Anfangszustand bezeichnet,<br />
E n = − Z2<br />
n 2 ry = − Z2 µ<br />
n 2 m e<br />
Ry<br />
die (l-unabhängigen) Eigenenergien darstellt, und die Struktur der stationären<br />
Zustände durch:<br />
φ nlm (r) = R nl (r)Y lm (ϑ, ϕ)<br />
gegeben ist. Hierbei gilt im diskreten Teil des Spektrums (n = 1, 2, . . .):<br />
l = 0, 1, . . ., n − 1 , m = −l, −l + 1, . . ., l<br />
und im kontinuierlichen Teil des Spektrums (n = −iν, ν > 0) einfach l ∈Æ,<br />
−l ≤ m ≤ l.
Kapitel7<br />
Der Spin<br />
7.1 Das Wasserstoffatom im Magnetfeld<br />
Der Hamilton-Operator des Wasserstoffatoms (Z = 1) in Anwesenheit eines<br />
elektromagnetischen Felds ist:<br />
1 − eA(x 1 , t)ç2<br />
2 − |e|A(x 2 , t)ç2<br />
Ĥ =äˆp<br />
+äˆp<br />
+ V (|x 1 − x 2 |)<br />
2m 1<br />
2m 2<br />
+ eΦ(x 1 , t) + |e|Φ(x 2 , t) ,<br />
wobei die Koordinaten des Elektrons bzw. des Protons mit den Indizes 1 bzw.<br />
2 bezeichnet werden. Da die Potentiale A(x, t) und Φ(x, t) im Allgemeinen explizit<br />
ortsabhängig sind, kann man die Schwerpunkts- und Relativkoordinaten<br />
nicht separieren, wie dies beim Wasserstoffproblem in Abwesenheit eines Feldes<br />
möglich war. Wenn wir den vollen Hamilton-Operator im Folgenden also durch<br />
den Hamiltonian<br />
Ĥ =äˆp − eA(x, t)ç2<br />
2m<br />
+ V (r) + eΦ(x, t) , r = |x| , (7.1)<br />
ersetzen, dann ist nicht von einer exakten Transformation die Rede, sondern<br />
von einer sehr guten Näherung, wobei das Proton als unendlich schwer angesehen<br />
(m 2 /m 1 ≃ 2000) und im Ursprung lokalisiert gedacht wird. Der Hamilton-<br />
Operator (7.1) berücksichtigt also nur die elektronischen Freiheitsgrade.<br />
In der Coulomb-Eichung (∇ · A = 0) gilt ˆp · A = A · ˆp, so dass (7.1) sich<br />
reduziert auf:<br />
Ĥ = ˆp2<br />
2m − e e2<br />
A · ˆp +<br />
m 2m A2 + V (r) + eΦ(x, t) . (7.2)<br />
Es ist instruktiv, den Spezialfall eines konstanten und räumlich homogenen Magnetfelds<br />
zu betrachten:<br />
A(x, t) = A(x) = 1 2B × x , eΦ(x, t) = 0 .<br />
Man überprüft leicht, dass sowohl ∇ ×A = B als auch ∇ ·A = 0 gilt. Es folgt:<br />
Ĥ = ˆp2<br />
2m − e<br />
2m B · ˆL + e2<br />
8m (B × x)2 + V (r) . (7.3)
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 115<br />
e<br />
Der Vorfaktor<br />
2m des B · ˆL-Terms wird als gyromagnetisches Verhältnis bezeichnet;<br />
dies ist das Verhältnis zwischen dem Drehimpuls ˆL und dem damit<br />
verknüpften magnetischen Moment: ˆµ Bahn =<br />
e ˆL. 2m<br />
Der Einfluss des dritten<br />
Terms im rechten Glied von (7.3), proportional zu B 2 , ist meist klein. Physikalisch<br />
ist er dennoch interessant, da er den atomaren Diamagnetismus erklärt.<br />
Unter Vernachlässigung des B 2 -Terms erhalten wir den Hamilton-Operator<br />
Ĥ = Ĥ0 −<br />
e<br />
2m B · ˆL ,<br />
Ĥ 0 = ˆp2<br />
2m + V (r) ,<br />
der also für nicht allzu starke Magnetfelder eine gute Beschreibung des Wasserstoffatoms<br />
darstellt. Wählen wir nun die e 3 -Achse in Richtung des Magnetfelds<br />
B, so dass B = Be 3 gilt, dann reduziert sich der Hamiltonian auf:<br />
Ĥ = Ĥ 0 −<br />
e<br />
2m BˆL 3 . (7.4)<br />
Die gemeinsamen Eigenfunktionen φ nlm von Ĥ0, ˆL 2 und ˆL 3 sind aus der Behandlung<br />
des Wasserstoffproblems in Abwesenheit eines Magnetfelds bekannt.<br />
Die Energieeigenwerte von (7.4) folgen sofort als:<br />
wobei<br />
E nlm = E n + ω L m (m = −l, . . .,l) , (7.5)<br />
ω L = |e|B<br />
2m<br />
die Larmor-Frequenz darstellt und E n die bereits bekannte Eigenenergie von<br />
Ĥ 0 ist. Aus dem Ergebnis (7.5) folgt, dass die Energieniveaus im Magnetfeld<br />
aufgespalten sind:<br />
∆E ≡ E nl,m+1 − E nlm = ω L .<br />
Diese Energieaufspaltung ist natürlich auch in den Spektrallinien sichtbar und<br />
wird als „normaler Zeeman-Effekt“ bezeichnet. Für dessen Entdeckung und Erklärung<br />
haben P. Zeeman und der Theoretiker H.A. Lorentz 1902 den Nobelpreis<br />
erhalten. Zur Illustration sind die Energieniveaus für ein d-Elektron (l = 2) in<br />
Abbildung 7.1 dargestellt.<br />
Die experimentelle Realität ist übrigens deutlich komplizierter als sie in diesem<br />
Bild dargestellt wurde. Zusätzlich zum normalen Zeeman-Effekt tritt noch<br />
eine weitere Aufspaltung der Energieniveaus (7.5) in jeweils zwei neue Niveaus<br />
auf, die als „anomaler Zeeman-Effekt“ bekannt ist. Als Beispiel sei das Resultat<br />
für Elektronen in einem (l = 0)-Zustand gezeigt (vgl. Abbildung 7.2). Aus<br />
diesem (zunächst übrigens unverstandenen) Befund folgt, dass das Elektron offenbar<br />
einen inneren Freiheitsgrad mit zwei möglichen Eigenzuständen hat.<br />
E n<br />
(B = 0)<br />
(Vorhersage B ≠ 0)<br />
∆E = ¯hω L<br />
Abbildung 7.1: Aufspaltung der Energieniveaus für l = 2
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 116<br />
E n=5<br />
(B = 0) (Erwartung B ≠ 0)<br />
(Experiment B ≠ 0)<br />
∆E = 2¯hω L<br />
Abbildung 7.2: Anomaler Zeeman-Effekt für l = 0<br />
Die Frage nach der Natur dieses inneren Freiheitsgrads wurde erst drei Jahre<br />
später beantwortet, als Goudsmit und Uhlenbeck im Herbst 1925 die Eigenrotation<br />
des Elektrons mit der Drehimpulsquantenzahl s = 1 2<br />
und dem gyromagnetischen<br />
Faktor g = 2 postulierten („Spin“). Im Januar desselben Jahres hatte<br />
auch de Laer Kronig diesen Vorschlag gemacht; er wurde allerdings durch Pauli<br />
(aufgrund inkorrekter Argumente) von einer Publikation abgehalten. Das neue<br />
Konzept des „Spins“ erklärte auch im Nachhinein das Stern-Gerlach-Experiment<br />
(1922) an Silberatomen in einem inhomogenen Magnetfeld, in dem ein Bündel<br />
einfallender Atome aufgrund der Anwesenheit eines elektronischen magnetischen<br />
Moments aufgespalten wird. Silberatome ([Kr]4d 10 5s 1 ) sind wasserstoffähnlich,<br />
dadurch dass sie (abgesehen von einigen vollen Schalen, die den Kern abschirmen)<br />
nur ein einziges Valenzelektron in einer s-Schale enthalten.<br />
Die quantenmechanische Beschreibung des „Spins“, d. h. der Eigenrotation,<br />
erfolgt mit Hilfe eines Zusatzterms im Hamilton-Operator, der analog zur Ankopplung<br />
des Bahndrehimpulses an das Magnetfeld konstruiert wird:<br />
Ĥ B = Ĥ0 −<br />
e<br />
2m B · ˆL − g e<br />
2m B · Ŝ . (7.6)<br />
Hierbei soll der Operator Ŝ ein Drehimpuls mit der Quantenzahl s = 1 2 sein:<br />
Ŝ × Ŝ = iŜ bzw. [Ŝk,<br />
Ŝ 2 = s(s + 1) 2 11 = 3 4 2 11 .<br />
Ŝl] = iε klm Ŝ m<br />
Wir wählen die e 3 -Achse wieder in Richtung des Magnetfelds B, damit der<br />
Hamilton-Operator die einfache Form<br />
Ĥ ‖ = Ĥ0 + ω L (ˆL 3 + gŜ3) (g = 2) (7.7)<br />
erhält. Aus dem Postulat, dass der Drehimpuls Ŝ die Quantenzahl s = 1 2 hat,<br />
folgt, dass die Eigenwerte von Ŝ3 durch ±s, d. h. durch ± 1 2, gegeben sind.<br />
Bezeichnen wir die entsprechenden Eigenvektoren von Ŝ3 als χ ± , dann gilt also:<br />
Ŝ 3 χ + = + 1 2 χ +<br />
Ŝ 3 χ − = − 1 2 χ −Ŝ 3 χ λ = λ 1 2 χ λ (λ = ±) .<br />
Wegen der Hermitezität der Observablen Ŝ3 müssen die Eigenvektoren χ λ orthonormal<br />
sein:<br />
χ † λ · χ λ ′ = δ λλ ′ (λ, λ′ = ±) .<br />
Wegen der endlichen Dimensionalität des Hilbert-Raums sind sie auch vollständig:λ<br />
χ λ χ † λ = 11 .
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 117<br />
Die Eigenfunktionen des Gesamt-Hamilton-Operators sind nun Kombinationen<br />
aus den φ nlm und den Spineigenvektoren χ λ :<br />
Φ nlmλ (x) = φ nlm (x)χ λ (λ = ±) , (7.8)<br />
und die entsprechenden Eigenenergien sind:<br />
E nlmλ = E n + ω L (m + λ 1 2 g).<br />
Wegen des Postulats g = 2 führt der Spin zu einer Energieaufspaltung<br />
E nlm+ − E nlm− = gω L = 2ω L ,<br />
=<br />
im Einklang mit dem Stern-Gerlach-Experiment.<br />
Die Eigenfunktionen (7.8) des Hamilton-Operators (7.7) mit B = Be 3 sind<br />
gemeinsame Eigenfunktionen der Operatoren Ĥ0, ˆL2 , ˆL 3 , Ŝ2 und Ŝ3. Da Ŝ2<br />
proportional zur Identität (und daher eine triviale Funktion<br />
0<br />
der übrigen Operatoren)<br />
ist, Ŝ2 = 3 4 2 11, bilden Ĥ0, ˆL 2 , ˆL 3 und Ŝ3 einen vollständigen Satz. Die<br />
Lösung der Schrödinger-Gleichung mit dem Hamilton-Operator (7.7) lautet:<br />
Ψ(x, t) e −iEnlmλt/ Φ nlmλ (x)Φ nlmλ ,Ψ<br />
nlmλ<br />
≡λ<br />
ψ λ (x, t)χ λ . (7.9)<br />
wobei Ψ 0 den Anfangszustand darstellt:<br />
Ψ 0 (x) ≡ Ψ(x, 0) =λ<br />
ψ λ (x, 0)χ λ .<br />
Die Normierung der Wellenfunktion Ψ(x, t) ist nun durch eine Summe über<br />
beide Spinrichtungen gegeben:<br />
‖Ψ‖ 2 = (Ψ,Ψ) =λλ ′dxψ λ (x, t) ∗ ψ λ ′(x, t)χ † λ · χ λ ′<br />
=λdx |ψ λ (x, t)| 2 = 1 . (7.10)<br />
Im Falle des Hamiltonians (7.7) mit B = Be 3 sind Übergänge zwischen den<br />
beiden Spinrichtungen λ = ± nicht möglich, so dass die GewichteÊdx |ψ λ | 2 der<br />
beiden Spinrichtungen auch separat erhalten sind. Man bezeichnet λ als „gute<br />
Quantenzahl“, was bedeutet, dass λ der Eigenwert eines Operators ist, der mit<br />
dem Hamiltonian kommutiert. Hier gilt zum Beispiel [Ĥ‖, Ŝ3] = 0.<br />
Es ist klar, dass die allgemeine zeitabhängige Lösung (7.9) der Schrödinger-<br />
Gleichung mit dem Hamilton-Operator (7.6) nur deshalb relativ leicht bestimmt<br />
werden konnte, weil das Magnetfeld orts- und zeitunabhängig und das elektrische<br />
Feld gleich Null angesetzt wurden. Das allgemeine Problem, d. h. die verallgemeinerte<br />
Schrödinger-Gleichung<br />
i∂ t Ψ = ĤΨ ,<br />
Ĥ =äˆp − eA(x, t)ç2<br />
2m<br />
+ eΦ(x, t) − g e B(x, t) · Ŝ ,<br />
2m
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 118<br />
die üblicherweise als Pauli-Gleichung bezeichnet wird, ist natürlich erheblich<br />
schwieriger, und man kann nur in Spezialfällen exakte Lösungen erzielen. Die<br />
zweikomponentige Spinwellenfunktion<br />
Ψ(x, t) =λ<br />
ψ λ (x, t)χ λ<br />
wird Pauli zu Ehren als Pauli-Spinor bezeichnet.<br />
7.2 Eine Matrixdarstellung für Ŝ<br />
Häufig wählt man die Eigenfunktionen χ λ als Basis des zweidimensionalen<br />
Hilbert-Raums der Spinwellenfunktionen:<br />
χ + =1<br />
0,χ − =0<br />
1,<br />
so dass die allgemeine zweikomponentige Spinwellenfunktion als<br />
Ψ(x, t) ψ λ (x, t)χ λ =ψ + (x, ψ − (x, t)<br />
=λ<br />
geschrieben werden kann. In dieser Basis hat die Spinkomponente Ŝ3 offensichtlich<br />
die Matrixdarstellung:<br />
Ŝ 3 = 1 2 1 0<br />
0 −1.<br />
Um die Matrixdarstellungen von Ŝ1 und Ŝ2 zu bestimmen, definieren wir die<br />
Leiteroperatoren<br />
Ŝ ± ≡ Ŝ1 ± iŜ2 (Ŝ† + = Ŝ−) .<br />
Dieselben Argumente, die im Falle des Drehimpulses zum Schluss führten, dass<br />
ˆL ± Y lm = l(l + 1) − m(m ± 1)Y l,m±1<br />
gilt, liefern nun mit l → s = 1 2 und m → s 3 = ± 1 2 :<br />
Ŝ + χ + = 0 , Ŝ + χ − = χ +<br />
0<br />
Ŝ − χ − = 0 , Ŝ − χ + = χ − ,<br />
so dass Ŝ± die Matrixdarstellung<br />
1<br />
0<br />
Ŝ + = 0<br />
0 0,Ŝ − = 0<br />
1<br />
hat. Folglich sind Ŝ1 und Ŝ2 durch<br />
Ŝ 1 = 1 2 (Ŝ+ + Ŝ−) = 10 1<br />
2 1 0,Ŝ 2 = 1 2i (Ŝ+ − Ŝ−) = 10 −i<br />
2 i<br />
0
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 119<br />
gegeben. Führen wir also die Pauli-Matrizen<br />
1<br />
−i<br />
0<br />
σ 1 =0<br />
1 0,σ 2 =0<br />
i 0,σ 3 =1<br />
0 −1<br />
ein, dann hat der Spinoperator Ŝ die Matrixdarstellung:<br />
Ŝ = 1 2 σ , σ ≡σ 1<br />
σ 2<br />
σ 3.<br />
Die Pauli-Matrizen erfüllen bekanntlich die Vertauschungsrelationen:<br />
[σ k , σ l ] = 2iε klm σ m , (7.11)<br />
oder, anders dargestellt: σ × σ = 2iσ.<br />
Mit Hilfe der expliziten Darstellung Ŝ = 1 2σ für den Spinoperator kann die<br />
Dynamik eines lokalisierten Spins (also ohne Ortsabhängigkeit der Wellenfunktion)<br />
nun relativ leicht berechnet werden. In diesem Fall lautet die Schrödinger-<br />
(oder Pauli-) Gleichung:<br />
i∂ t Ψ = −g e<br />
2mäB(t) · ŜçΨ , Ψ(0) ≡ Ψ 0 . (7.12)<br />
Zum Beispiel für ein zeitunabhängiges Magnetfeld, B(t) = B ˆB und daher: Ĥ =<br />
gω L (ˆB · Ŝ), folgt die Lösung von (7.12) für beliebige Ψ 0 einfach als:<br />
Ψ(t) = e −iĤt/ Ψ 0 = e −iωLt(ˆB·σ) Ψ 0 (g = 2)<br />
=äcos(ω L t)11 − i sin(ω L t)(ˆB · σ)çΨ 0 ,<br />
wobei verwendet wurde, dass für beliebige Magnetfeldrichtungen ˆB die Identität<br />
(ˆB · σ) 2 = 11 gilt. Beispielsweise entspricht die Anfangsbedingung Ψ 0 = ( 1 0 )<br />
einem Spinzustand, der „in x 3<br />
)<br />
-Richtung polarisiert“ ist: 〈Ŝ〉 t=0 = 1 2 ê 3. Die<br />
Erhaltungsgröße Energie ist folglich durch<br />
〈Ĥ〉 t = 〈Ĥ〉 t=0 = gω L ˆB · 〈 Ŝ〉 t=0 = ω L ˆB3<br />
gegeben. Die zeitabhängige Wellenfunktion folgt als<br />
Ψ(t) =cos(ω L t) − i sin(ω L t) ˆB 3<br />
sin(ω L t)( ˆB 2 − i ˆB 1<br />
und ist selbstverständlich auf Eins normiert:<br />
‖Ψ(t)‖ 2 = cos 2 (ω L t) + sin 2 (ω L t)( ˆB 3 2 + ˆB 2 2 + ˆB 1) 2 = 1 .<br />
Die Erwartungswerte der Komponenten des Spinoperators sind durch<br />
〈Ŝ3〉 = 1Ψ(t)†1 0<br />
2<br />
〈Ŝ1〉 = · · · = 1 2 sin(2ω L t) ˆB 2 + [1 − cos(2ω L t)] ˆB 3 ˆB1<br />
〈Ŝ2〉 = · · · = 1 2 − sin(2ω L t) ˆB 1 + [1 − cos(2ω L t)] ˆB 3 ˆB2<br />
0 −1Ψ(t) = 1 2 1 − [1 − cos(2ω L t)]1 − ˆB 2 3
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 120<br />
gegeben. Bemerkenswerterweise ist 〈Ŝ〉 als Funktion der Zeit π ω L<br />
-periodisch, obwohl<br />
die Spinwellenfunktion Ψ(t) selbst lediglich 2π<br />
ω L<br />
-periodisch ist: Ψt + π ω L=<br />
−Ψ(t), und daher: Ψt + 2π<br />
ω L=Ψ(t). Interessant ist außerdem, dass der Erwartungswert<br />
des Spinoperators um das Magnetfeld B präzediert:<br />
d〈Ŝk〉<br />
dt<br />
und daher:<br />
d〈Ŝ〉<br />
dt<br />
= 1 1<br />
〈[Ŝk, Ĥ]〉 =<br />
i i gω L ˆB l 〈[Ŝk, Ŝl]〉<br />
= gω L ˆBl ε klm 〈Ŝm〉 = gω L (ˆB × 〈Ŝ〉) k<br />
= 2ω L ˆB × 〈 Ŝ〉 .<br />
Es folgt:<br />
d<br />
dt 〈Ŝ〉2 = 4ω L 〈Ŝ〉 ·ˆB × 〈 Ŝ〉=0, so dass 〈Ŝ〉2 erhalten ist: 〈Ŝ〉2 t =<br />
〈Ŝ〉2 t=0 = (1 2 )2 .<br />
Unitär äquivalente Matrixdarstellungen für Ŝ<br />
Als Bemerkung sei hinzugefügt, dass man die Eigenspinoren χ ± von Ŝ3 nicht<br />
gleich den Basisvektoren ( 1 0 ) und ( 0 1 ) wählen muss, sondern durchaus auch ganz<br />
anders definieren kann, wie z. B. durch χ + ≡ U † ( 1 0 ) und χ − ≡ U † ( 0 1 ) mit U<br />
unitär, U † U = 11, und ansonsten beliebig. Bei dieser Wahl der Basisvektoren<br />
ist die Matrixdarstellung des Spinoperators durch Ŝ = 1 2 σ′ mit σ ′ ≡ U † σU<br />
gegeben, wobei σ der Standarddarstellung der Pauli-Matrizen entspricht. Man<br />
überprüft leicht, dass σ ′ die üblichen Vertauschungsrelationen erfüllt:<br />
[σ ′ k , σ′ l ] = 2iε klmσ ′ m , σ′ × σ ′ = 2iσ ′ ,<br />
so dass für den Spinoperator wie üblich Ŝ × Ŝ = iŜ gilt.<br />
7.2.1 Der gyromagnetische Faktor g=2<br />
Der Wert g = 2 des gyromagnetischen Faktors eines Elektrons, das von der<br />
Pauli-Gleichung beschrieben wird, war zunächst eines der Postulate von Goudsmit<br />
und Uhlenbeck (1925). Später konnte P.A.M. Dirac (1928) den Wert g = 2<br />
für Elektronen mit Hilfe seiner relativistischen Wellengleichung beschreiben.<br />
Diese Vorhersage der Dirac-Theorie bedeutet natürlich nicht, dass die Eigenschaft<br />
„Spin“ oder der gyromagnetische Faktor g = 2 inhärent relativistische<br />
Effekte sind. Ganz im Gegenteil: Die Pauli-Gleichung beschreibt ausdrücklich<br />
nicht-relativistische Teilchen; auch ein ruhendes Teilchen kann eine nicht-triviale<br />
Spindynamik aufweisen. Außerdem kann der Wert g = 2 innerhalb der nichtrelativistischen<br />
Pauli-Theorie völlig analog zur Herleitung innerhalb der Dirac-<br />
Theorie erklärt werden, wie wir im Folgenden sehen werden.<br />
Über die Dirac-Gleichung für ein geladenes Teilchen im elektromagnetischen<br />
Feld muss man hierzu lediglich wissen, dass sie vollständig durch zwei Prinzipien<br />
festgelegt ist: ein geeignetes Korrespondenzprinzip der Form<br />
E → i∂ t = ic∂ 0 , p k → ˆp k = i ∂ k = −i∂ k (7.13)
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 121<br />
und das Prinzip der minimalen Kopplung<br />
i∂ t → i∂ t − eΦ , ˆp → ˆp − eA , (7.14)<br />
oder kurz: ∂ ν → (∂ ν + ie<br />
c A ν) ≡ D ν mit A ν ≡ g νρ A ρ und A ρ = (Φ, cA). Der<br />
wesentliche Punkt ist nun, dass nicht der StandardausdruckE<br />
c2<br />
= p 2 +(m 0 c) 2<br />
„geeignet“ ist als Basis für das Korrespondenzprinzip, 1 sondern stattdessen der<br />
äquivalente Ausdruck<br />
∅ 2 =E<br />
11 2 − (σ · p)(σ · p) − (m 0 c)<br />
c2<br />
2 11 2<br />
=E<br />
c 11 pE<br />
2 − σ ·<br />
c 11 2 + σ · p−(m 0 c) 2 11 2 ,<br />
(7.15)<br />
der die für (s = 1 2<br />
)-Spinoren benötigte (2×2)-Matrixstruktur bereits beinhaltet.<br />
Es wurde die Operatoridentität:<br />
(σ · â)(σ · ˆb) = (â · ˆb)11 2 + i(â × ˆb) · σ (7.16)<br />
verwendet, die für beliebige Operatoren â = (â 1 , â 2 , â 3 ) und ˆb = (ˆb 1 ,ˆb 2 ,ˆb 3 ) gilt,<br />
die mit den Pauli-Matrizen σ kommutieren. Insbesondere gilt also (σ · p) 2 =<br />
p 2 11 2 . Einsetzen von (7.13) in (7.15) liefert nun sofort die freie Van-der-Waerden-<br />
Gleichung für einen (s = 1 2<br />
)-Spinor φ:<br />
ä(∂ 0 + σ k ∂ k )(∂ 0 − σ k ∂ k ) + µ 2çφ = 0 , µ ≡ m 0c<br />
, (7.17)<br />
<br />
die äquivalent zur freien Dirac-Gleichung ist. Die freie Van-der-Waerden- (und<br />
daher auch die freie Dirac-) Gleichung ist somit durch die charakteristische<br />
Länge µ −1 =<br />
<br />
m = αa 0c B = λ– Compton charakterisiert. Das Prinzip der minimalen<br />
Kopplung (7.14), eingesetzt in (7.17), liefert nun die Van-der-Waerden-<br />
Gleichung<br />
ä(D 0 + σ k D k )(D 0 − σ k D k ) + µ 2çφ = 0 ,<br />
die äquivalent zur Dirac-Gleichung für ein geladenes (s = 1 2<br />
)-Teilchen in einem<br />
elektromagnetischen Feld ist.<br />
Wir lernen hieraus Folgendes: Um die nicht-relativistische Pauli-Gleichung<br />
einschließlich des gyromagnetischen Faktors g = 2 herzuleiten, müssen wir also<br />
lediglich eine auf (s = 1 2<br />
)-Teilchen zugeschnittene Form der Energie-Impuls-<br />
Dispersion wählen, also nicht E = p2<br />
2m ,2 sondern<br />
E11 2 =<br />
(σ · p)(σ · p)<br />
2m<br />
,<br />
1 Dieser Standardausdruck<br />
E<br />
c¡2 = p 2 +(m 0 c) 2 führt zusammen mit dem Korrespondenzprinzip<br />
(7.13) auf die freie Klein-Gordon-Gleichung (∂ ν∂ ν + µ 2 )ψ = 0, die (s = 0)-Teilchen<br />
beschreibt. Mit Hilfe des Prinzips der minimalen Kopplung erhält man dann die Klein-Gordon-<br />
Gleichung (D νD ν + µ 2 )ψ = 0 für geladene (s = 0)-Teilchen in Wechselwirkung mit einem<br />
elektromagnetischen Feld.<br />
2 Diese Wahl der Energie-Impuls-Dispersion würde bekanntlich auf die Schrödinger-<br />
Gleichung [für (s = 0)-Teilchen] führen, die somit als nicht-relativistische Variante der Klein-<br />
Gordon-Gleichung angesehen werden kann.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 122<br />
und dann das Korrespondenzprinzip,<br />
i∂ t Ψ =<br />
(σ · ˆp)(σ · ˆp)<br />
Ψ ,<br />
2m<br />
sowie das Prinzip der minimalen Kopplung,<br />
(i∂ t − eΦ)Ψ = 1 [σ · (ˆp − eA)] [σ · (ˆp − eA)]Ψ<br />
2m<br />
− eA)<br />
=(ˆp 2<br />
2m<br />
11 2 + i<br />
2m [(ˆp − eA) × (ˆp − eA)] · σΨ ,<br />
anwenden. Mit Hilfe der Operatoridentität<br />
i<br />
e<br />
(ˆp − eA) × (ˆp − eA) = −<br />
2m 2m B · σ = −g e B · Ŝ (g = 2)<br />
2m<br />
(7.18)<br />
folgt nun sofort die Pauli-Gleichung i∂ t Ψ = ĤΨ, wobei der Hamilton-Operator<br />
Ĥ einen Zeeman-Term mit dem korrekten gyromagnetischen Faktor g = 2 enthält.<br />
Insofern reicht „Pauli-Theorie“ für die Herleitung von g = 2; Dirac-Theorie<br />
ist nicht erforderlich.<br />
7.3 Transformationsverhalten von Spinoren unter<br />
Drehungen<br />
Der Vergleich von (7.11) mit unseren Ergebnissen für mögliche Darstellungen<br />
der Drehgruppe zeigt, dass die Komponenten des Vektors j = ( 1 2 σ 1, 1 2 σ 2, 1 2 σ 3),<br />
die die Vertauschungsrelationen<br />
[j k , j l ] = iε klm j m<br />
erfüllen, die Erzeuger einer zweidimensionalen Darstellung der Drehgruppe sind.<br />
Eine Drehung R(α) ∈ SO(3) entspricht in dieser Darstellung der 2 × 2-Matrix:<br />
D S (α) = e −iα·j = e − 1 2 iα·σ .<br />
Die Darstellung D S (α) ist von großer physikalischer Bedeutung, da sie das<br />
Transformationsverhalten von reinen Spinwellenfunktionen (ohne Ortsabhängigkeit)<br />
bestimmt:<br />
ψ 1 (t)<br />
ψ 2 (t)=Ψ(t)<br />
R(α)<br />
−→ Ψ ′ (t) = e −1 2 iα·σ Ψ(t) = D S (α)Ψ(t) . (7.19)<br />
Das entsprechende Transformationsverhalten von Operatoren, die nur auf die<br />
Spinfreiheitsgrade einwirken, ist durch<br />
ˆL<br />
R(α)<br />
−→ ˆL ′ = D S (α) ˆLD S (α) †<br />
gegeben. Insbesondere wird der Hamilton-Operator für einen Spin in einem konstanten<br />
Magnetfeld wie folgt transformiert:<br />
Ĥ = −g e<br />
2m B · Ŝ<br />
R(α)<br />
−→<br />
Ĥ′ = −g e<br />
2m B · Ŝ′
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 123<br />
mit Ŝ′ = D S (α)ŜD S(α) † . Andererseits muss man offensichtlich fordern, dass<br />
der Hamilton-Operator Ĥ′ nach einer Drehung R(α) der Gesamtanordnung die<br />
Form<br />
Ĥ ′ = −g e<br />
e<br />
[R(α)B] · Ŝ = −g<br />
2m 2m B · [R(α)−1 Ŝ]<br />
hat, so dass unbedingt<br />
D S (α)ŜD S(α) † = R(α) −1 Ŝ (7.20)<br />
gelten muss. Die Gleichung (7.20) ist von großer Bedeutung, da sie die bereits<br />
erwähnte Form D S<br />
]<br />
(α) = e − 1 k<br />
2 iα·σ der Transformationsmatrizen für Spinwellenfunktionen<br />
erzwingt. Dies sieht man aus der folgenden Gleichungskette für kleine<br />
Drehungen (n ≫ 1):<br />
D Sα<br />
l D Sα =11 −<br />
nŜ<br />
n† i<br />
2n α kσ k1<br />
2 σ l11 + i<br />
2n α kσ<br />
= 1 2 σ l − i<br />
2n α k[σ k , σ<br />
m m<br />
l<br />
= 1 2 σ l − i<br />
2n α k2iε klm σ<br />
= 1 2 σ l − 1 n ε lkmα k σ<br />
= 1 2 σ − α n × =åRα<br />
σl<br />
n−1<br />
Ŝèl<br />
,<br />
die man auch von rechts nach links lesen kann. Nach n-maliger Anwendung einer<br />
Drehung Rα<br />
n−1<br />
erhält man das Ergebnis (7.20).<br />
Die explizite Form der Transformationsmatrizen D S (α) kann auch leicht<br />
explizit berechnet werden:<br />
D S (α) = e −1 2 iα·σ<br />
=cos( 1 2 α) − i cos(ϑ)sin(1 2 α) −i sin(ϑ)e−iϕ sin( 1 2 α)<br />
−i sin(ϑ)e iϕ sin( 1 2 α) cos(1 2 α) + i α).<br />
cos(ϑ)sin(1 2<br />
Interessant an diesem Ergebnis ist, dass eine Drehung im Ortsraum um einen<br />
Winkel α = 2π, unabhängig von der Richtung ˆα der Drehachse, im Funktionenraum<br />
der Multiplikation mit −1 entspricht: 3<br />
D S (2πˆα) = −11 , D S (4πˆα) = +11 . (7.21)<br />
Erst eine Drehung um 4π stellt die Ausgangswellenfunktion wieder her. Diese<br />
Vorhersage bezüglich des Vorzeichens der Spinwellenfunktion bei aktiven Drehungen<br />
kann in Interferenzexperimenten überprüft und tatsächlich bestätigt<br />
werden.<br />
Bisher haben wir nur ortsunabhängige Spinwellenfunktionen betrachtet. Eine<br />
Spinwellenfunktion, die außerdem ortsabhängig ist: Ψ = Ψ(x, t), wird zusätzlich<br />
gemäß der Darstellung D L (α) = e −iα·ˆL/ transformiert. Insgesamt erhält<br />
3 Zu beachten ist übrigens, dass Operatoren sich bei einer Drehung um 2π nicht ändern:<br />
ˆL ′ = D LS (2πˆα) ˆLD LS (2π ˆα) † = (−11) ˆL(−11) = ˆL.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 124<br />
man daher für das Transformationsverhalten von Spinwellenfunktionen unter<br />
Drehungen R(α) im Ortsraum:<br />
ψ 1 (x, t)<br />
ψ 2 (x, t)=Ψ(x, t)<br />
R(α)<br />
−→ Ψ ′ (x, t) = e −iα·(−1ˆL+ 1<br />
2 σ) Ψ(x, t)<br />
≡ D LS (α)Ψ(x, t) . (7.22)<br />
Es ist klar, dass auch ortsabhängige Spinwellenfunktionen die Eigenschaft (7.21)<br />
besitzen, da die Gesamttransformation D LS (α) = D L (α)D S (α) sich für α =<br />
2πˆα auf D LS (2πˆα) = −11 und für α = 4πˆα auf D LS (4πˆα) = 11 reduziert.<br />
Operatoren werden generell gemäß<br />
ˆL<br />
R(α)<br />
−→ ˆL ′ = D LS (α) ˆLD LS (α) †<br />
transformiert. Dies gilt natürlich insbesondere auch für den Hamilton-Operator.<br />
Unitär äquivalente Darstellungen<br />
In diesem Abschnitt haben wir, ausgehend von der Standarddarstellung σ der<br />
Pauli-Matrizen, die zweiwertige Darstellung D S (α) = e −1 2 iα·σ der Drehgruppe<br />
behandelt, die das Transformationsverhalten von Spinwellenfunktionen unter<br />
Drehungen (mit)bestimmt. Hätte man eine unitär äquivalente Matrixdarstellung<br />
σ ′ = U † σU mit U † U = 11 für die Pauli-Matrizen gewählt, so hätte man auch<br />
eine andere, unitär äquivalente Darstellung D ′ S (α) für die Transformation der<br />
Spinwellenfunktionen unter Drehungen erhalten:<br />
D ′ S(α) = U † D S (α)U = U † e − 1 2 iα·σ U = e −1 2 iα·σ′ .<br />
Da unitäre Transformationen die Norm der Wellenfunktion und alle Erwartungswerte<br />
invariant lassen, sind die unitär äquivalenten Darstellungen D S (α) und<br />
D ′ S (α) in der Tat auch physikalisch äquivalent.
Kapitel8<br />
Störungstheorie<br />
8.1 Grundlagen der Störungstheorie<br />
Bisher haben wir uns überwiegend (aber nicht ausschließlich) mit exakt lösbaren<br />
Modellen in der <strong>Quantenmechanik</strong> beschäftigt. Man denke an den harmonischen<br />
Oszillator, an das „freie Teilchen“ oder an das Wasserstoffatom. Bei realen Gitterschwingungen<br />
gibt es jedoch auch anharmonische Effekte, die vielleicht klein,<br />
aber sicherlich nicht gleich Null sind. Genauso gibt es in der Realität keine freien<br />
Teilchen, da immer „störende“ Einflüsse vorliegen; zum Beispiel kann ein geladenes<br />
Teilchen (wie ein Elektron oder ein Proton) nicht rigoros vom Strahlungsfeld<br />
entkoppelt gedacht werden. Ähnliches gilt für das Wasserstoffatom, das in ständiger<br />
Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld steht; man denke hierbei an die<br />
statische Einwirkung von (klassischen) magnetischen oder elektrischen Feldern<br />
oder an dynamische Vorgänge, wie die Emission oder Absorption von Quanten<br />
des Strahlungsfeldes (also Photonen). Normalerweise kann man solche Zusatzeffekte<br />
im Hamilton-Operator nicht mehr exakt behandeln. Falls sie numerisch<br />
klein sind, bietet sich jedoch eine störungstheoretische Behandlung, d. h. eine<br />
Entwicklung des „gestörten“ Hamilton-Operators um den „ungestörten“ und exakt<br />
lösbaren Grenzfall an.<br />
Betrachten wir also einen Hamilton-Operator der Form<br />
Ĥ = Ĥ0 + λĤ1 (|λ| ≪ 1) , (8.1)<br />
wobei Ĥ0 exakt diagonalisierbar ist, so dass seine Eigenwerte und Eigenfunktionen<br />
bekannt sind:<br />
Ĥ 0 φ ni = E (0)<br />
n φ ni (i = 1, . . .,g n ) . (8.2)<br />
Hierbei soll E n (0) < E (0)<br />
n ⇐⇒ n < ′ n′ gelten. Es ist hierbei durchaus möglich,<br />
dass die Energieeigenwerte von Ĥ0 entartet sind, man denke hierbei an den dreidimensionalen<br />
harmonischen Oszillator oder an das Wasserstoffatom; in beiden<br />
Fällen hängen die Eigenenergien E n<br />
(0) nicht von den Quantenzahlen l und m ab.<br />
Im Allgemeinen soll das n-te Energieniveau in (8.2) g n -fach entartet sein. Die<br />
ungestörten Eigenfunktionen sind orthonormal<br />
(φ ni , φ n′ i ′) = δ nn ′δ ii ′
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 126<br />
und vollständig:<br />
φ ni (x)φ ni (y)<br />
ni<br />
∗ = δ(x − y) .<br />
Der Störterm λĤ1 in (8.1) wird die Eigenenergien und Eigenfunktionen des<br />
Hamilton-Operators im Allgemeinen ändern:<br />
ĤΦ nα (λ) = E nα (λ)Φ nα (λ) (α = 1, . . .,g n ) .<br />
Man erwartet natürlich, dass für λ → 0:<br />
E nα (λ) → E (0)<br />
n , Φ nα (λ) →i<br />
C αi φ ni<br />
gilt mit CC † =½, damit die {Φ nα (0)} orthonormal sind:<br />
Φ nα (0), Φ nβ (0)=ii ′ C ∗ αiC βi ′φ (0)<br />
ni , φ(0) ni ′=i<br />
C ∗ αiC βi<br />
=i<br />
C βi (C † ) iα = (CC † ) βα = δ αβ .<br />
Es ist durchaus denkbar, dass Energieniveaus, die für λ = 0 nicht-entartet<br />
sind, sich für einen endlichen λ-Wert kreuzen, wie in Abbildung 8.1 (n = 1 und<br />
n = 2) gezeigt. Man erwartet dann Resonanzeffekte und einen Zusammenbruch<br />
E(λ)<br />
g 4 = 2<br />
E (0)<br />
4<br />
E (0)<br />
3<br />
g 3 = 2<br />
E (0)<br />
2<br />
E (0)<br />
1<br />
g 1 = 1<br />
g 2 = 1<br />
0<br />
λ k<br />
λ<br />
Abbildung 8.1: Verschiedene Arten der Störungen von Energieniveaus<br />
der Störungstheorie nahe λ k . Alternativ ist es möglich, dass ein Energieniveau<br />
entartet ist und die Störung λĤ1 diese Entartung aufhebt (n = 3). Es ist jedoch<br />
auch möglich, dass eine Entartung vom Störterm nicht aufgehoben wird, z. B.<br />
wenn Ĥ0 und Ĥ1 dieselbe Symmetrie haben (n = 4 in der Abbildung).<br />
Der Parameter λ in (8.1) soll „klein“ sein, wobei „klein“ so etwa bedeutet,<br />
dass die Energieniveaus E nα (λ) sich als Funktion von λ nicht kreuzen sollen. In<br />
der Abbildung soll für n = 1, 2 also λ λ k gelten. Falls Ĥ1 so gewählt wird, dass<br />
seine Matrixelemente mit der typischen Energiedifferenz ∆E n = E (0)<br />
n+1 − E(0) n<br />
vergleichbar sind, soll |λ| ≪ 1 gelten. Wir nehmen im Folgenden zunächst an,<br />
dass das n-te Energieniveau nicht-entartet ist (g n = 1) und betrachten später<br />
den entarteten Fall.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 127<br />
8.2 Rayleigh-Schrödinger-Störungstheorie<br />
(nicht entartet)<br />
Wir nehmen also an, dass die Eigenenergie E (0)<br />
n<br />
Ĥ 0 φ n = E (0)<br />
n φ n (g n = 1) .<br />
nicht entartet ist:<br />
Die übrigen Energieniveaus (n ′ ≠ n) dürfen durchaus entartet sein und sind somit<br />
durch (8.2) gegeben. Wie bezeichnen die Eigenfunktionen zum n-ten Energieeigenwert<br />
E n von Ĥ als Φ n(λ):<br />
ĤΦ n (λ) = E n (λ)Φ n (λ) (8.3)<br />
und entwickeln Φ n und E n nach Potenzen von λ:<br />
E n (λ) = E<br />
∞m=0<br />
+<br />
n (m) λ m , Φ n (λ)) = φ<br />
∞m=0<br />
(m)<br />
n λ m , φ (0)<br />
n ≡ φ n . (8.4)<br />
Die zentrale Idee ist hierbei, die φ (m)<br />
n als<br />
φ (m)<br />
n = φ n (φ n , φ (m) φ n ′ i ′φ n ′ i ′, φ(m)<br />
n ′ ≠n,i ′<br />
≡ c (0m) φ n γ (m)<br />
n ′ i φ ′ n ′ i ′<br />
n ′ ≠n,i ′<br />
zu schreiben und die c (0m) und γ (m)<br />
n ′ i<br />
iterativ zu bestimmen. Wir fordern nun,<br />
′<br />
dass Φ n<br />
<br />
(λ) für alle λ ≥ 0 normiert ist:<br />
<br />
(m1)<br />
1 = (Φ n , Φ n ) =<br />
m1+m2φ n , φ (m2)<br />
= λ<br />
∞m=0 m n<br />
m 1+m 2=mφ<br />
n (m1) , φ n,<br />
(m2)<br />
d. h., dass für alle m ≥ 1<br />
c (m1m2) = 0 , c (mm′) =φ (m)<br />
n , )<br />
(8.5)<br />
φ(m′<br />
m 1+m 2=m<br />
gilt. Außerdem wählen wir die Phase von Φ n (λ) so, dass<br />
Imφ n , Φ n (λ)=0<br />
+<br />
n )<br />
∞<br />
λ<br />
m 1,m 2=0<br />
gilt. Es folgt für alle m ≥ 1:<br />
0 = Imφ n , φ (m)<br />
n=Im(c (0m) ) = Im(c (m0) )<br />
und daher, aufgrund von (8.5):<br />
n<br />
n<br />
c (0m) = c (m0) = − 1 2<br />
m−1<br />
c<br />
m (m′ ,m−m ′ )<br />
′ =1<br />
. (8.6)
ç<br />
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 128<br />
Um eine Bestimmungsgleichung für die Korrekturen φ (m)<br />
n zur ungestörten<br />
Wellenfunktion φ n<br />
∞<br />
zu erhalten, setzen wir die Entwicklung (8.4) in (8.3) ein.<br />
Aus dem linken Glied erhält man:<br />
ĤΦ n = (Ĥ0 + λĤ1) λ<br />
∞m=0<br />
m φ (m)<br />
n = Ĥ0φ n<br />
<br />
+ λ<br />
∞m=1<br />
mäĤ 0 φ (m) (m−1)<br />
n + Ĥ1φ n<br />
und aus dem rechten Glied:<br />
E n Φ n = λ m1+m2 E n<br />
(m1) φ (m2)<br />
n = λ<br />
m 1,m 2=0<br />
∞m=0 m E n<br />
(m1) φ n (m2) .<br />
m 1+m 2=m<br />
Ein Vergleich der Koeffizienten von λ m im linken und im rechten Glied liefert<br />
für m = 0 genau die Eigenwertgleichung Ĥ0φ n = E (0)<br />
n φ n und für m ≥ 1:<br />
m−1 Ĥ 0 − E nφ (0) (m)<br />
n + Ĥ1φ(m−1)<br />
n = E n (m) φ n + E<br />
m (m′ )<br />
n φ (m−m′ )<br />
n . (8.7)<br />
′ =1<br />
Die Bildung eines Skalarprodukts mit der ungestörten Wellenfunktion φ n liefert<br />
nun:<br />
E (m)<br />
n<br />
=φ n ,<br />
m−1<br />
Ĥ1φ(m−1)<br />
n<br />
− E<br />
m (m′ )<br />
n c (0,m−m′ )<br />
′ =1<br />
. (8.8)<br />
n<br />
Dies ist eine weitere Bestimmungsgleichung, neben (8.6), die rekursiv gelöst<br />
werden kann. Alternativ können wir das Skalarprodukt von (8.7) mit φ n′ i ′ (n′ ≠<br />
n, i ′ = 1, . . .,g n ′) bilden: Mit der Definition<br />
γ (m)<br />
n ′ i ≡φ ′ n ′ i ′, φ(m)<br />
(8.9)<br />
erhalten wir:<br />
m−1 E (0)<br />
n − ′ E(0) nγ (m)<br />
n ′ i +φ ′ n ′ i ′, Ĥ1φ(m−1)<br />
n<br />
=<br />
m<br />
+<br />
E (m′ )<br />
n γ (m−m′ )<br />
n ′ i . (8.10)<br />
′<br />
′ =1<br />
Aus dieser Gleichung kann γ (m)<br />
n ′ i<br />
rekursiv berechnet werden. Die Korrekturen<br />
′<br />
φ (m)<br />
n zur ungestörten Wellenfunktion folgen nun schließlich aus:<br />
φ (m)<br />
n = φ nφ n , φ (m) φ n ′ i ′φ n ′ i ′, φ(m)<br />
n ′ ≠n,i ′<br />
= c (0m) φ n n ′ i φ ′ n ′ i . (8.11)<br />
′<br />
n+<br />
n ′ ≠n,i ′ γ (m)<br />
n<br />
Wir können nun einen Algorithmus zur Berechnung der Korrekturen E n<br />
(m) zur<br />
Eigenenergie E n<br />
(0) und φ (m)<br />
n zur ungestörten Wellenfunktion φ n formulieren (vgl.<br />
Algorithmus 8.1 auf S. 129).<br />
Im Prinzip kann man so bis zur unendlichen Ordnung der Störungstheorie<br />
weiteriterieren. In der Praxis wird der Rechenaufwand schnell so groß, dass der<br />
Iterationsprozess beendet werden muss. Außerdem hat man häufig mit „asymptotischen<br />
Reihen“ zu tun, was bedeutet, dass die störungstheoretischen Ergebnisse<br />
(bei festem λ) ab einer gewissen Ordnung immer ungenauer werden, je<br />
mehr Ordnungen man berücksichtigt.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 129<br />
Daten für m = 0<br />
(E n , φ n , E n ′, φ n ′ i ′, c(00) = 1, γ (0)<br />
8.6<br />
c (0,m+1) = c (m+1,0)<br />
8.8<br />
n ′ i = 0) E n<br />
(m+1)<br />
′ 8.10<br />
m = m + 1<br />
γ (m+1)<br />
n ′ i ′<br />
8.5 8.11<br />
φ (m+1)<br />
n<br />
Algorithmus 8.1: Nicht-entartete Rayleigh-Schrödinger-Störungstheorie<br />
Als Beispiel für eine wohldefinierte Funktion, deren Entwicklung nach einem<br />
kleinen Parameter auf eine asymptotische Reihe führt, betrachten wir das<br />
Integral:<br />
I(λ) =∞<br />
dxe −x2 −λx 4 2<br />
.<br />
−∞<br />
Für schwache Kopplung (0 < λ ≪ 1) hat man mit x ≡ √ y:<br />
(−λ)<br />
I(λ) =<br />
n!∞<br />
∞n=0<br />
n<br />
dxx 4n (−λ)<br />
e −x2 =<br />
−∞<br />
n!∞<br />
∞n=0<br />
n<br />
dy y 2n− 1 2 e<br />
−y<br />
0<br />
(−λ) n<br />
= Γ2n + 1<br />
n!<br />
∞n=0<br />
und für starke Kopplung (λ → ∞) mit x = λ − 1 4 y und y = z<br />
1<br />
4 :<br />
I(λ) = λ − 4∞<br />
1 dy e 1 −λ− 2 y 2 −y 4 = 2λ − 1 4<br />
= 2λ − 1 4<br />
= 1 2 λ− 1 4<br />
−∞<br />
∞n=0−λ − 1 2n<br />
n!<br />
∞<br />
∞n=0−λ − 1 2n<br />
n!<br />
0<br />
dz<br />
4z 3 4<br />
z n 2 e<br />
−z<br />
Γn<br />
2 + 1 4.<br />
∞n=0−λ − 1 2n<br />
n!<br />
∞<br />
0<br />
dy y 2n e −y4<br />
Für starke Kopplung liegt eine Taylorreihe in λ − 1 2 mit Konvergenzradius ∞ vor:<br />
Γn<br />
2 + 1 ∼n<br />
4/n!<br />
2 4n<br />
+ 1 2 − 1 4e −( n 2 + 1 4) /n<br />
n+ 1 2 e<br />
−n<br />
∼ e 2n<br />
2n<br />
n 2 − 1 4<br />
n −(n+ 1 2 ) ∼ e n 2 2<br />
− n 2 + 1 4 n<br />
− n 2 −3 4 .<br />
Für schwache Kopplung hat man jedoch eine asymptotische Reihe mit Konvergenzradius<br />
Null:<br />
Γ2n + 1 2/n! ∼2n + 1 22n<br />
e<br />
−(2n+ 1 2 ) /n n+1 2 e<br />
−n<br />
= 2 2n n n− 1 21 + 1<br />
2<br />
4n4n<br />
e −(n+ 1 2 ) ∼ 2 2n e −n n n− 1 2 .
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 130<br />
In diesem Fall ist die asymptotische Reihe als<br />
I(λ) ∼<br />
Nn=0<br />
N+1 (−λ) n<br />
Γ2n + 1<br />
n! 2+Oλ (λ → 0)<br />
zu interpretieren.<br />
In der Praxis funktioniert der Algorithmus 8.1 auf Seite 129 wie folgt: Zuerst<br />
findet man aufgrund von (8.6):<br />
c (01) = c (10) = 0<br />
und dann aufgrund von (8.8):<br />
E n (1) =φ n , Ĥ1φ n.<br />
n<br />
(8.12)<br />
Hiermit hat man bereits ein sehr wichtiges Ergebnis erhalten: Die Korrektur<br />
erster Ordnung zur Eigenenergie E n<br />
(0) ist einfach gleich dem Erwartungswert<br />
des Störterms im ungestörten Zustand. Aus (8.10) folgt dann:<br />
γ (1) =φ n ′ i ′, Ĥ1φ<br />
n<br />
n ′ i ′<br />
E n (0) − E (0)<br />
n ′<br />
n=<br />
und daher, aufgrund von (8.11):<br />
φ ′φ (1)<br />
n ′ i ′, Ĥ1φ<br />
φ<br />
n ′ ≠n,i E n (0) − E (0) n′ i ′ . (8.13)<br />
n ′<br />
Mit Hilfe von (8.5) findet man:<br />
c (11) =φ (1)<br />
n , φ ′¬φ (1)<br />
n′ i ′, Ĥ1φ n¬2<br />
n ′ ≠n,i<br />
E n (0) − E (0)<br />
′2 ,<br />
n<br />
so dass aufgrund von (8.6):<br />
n=<br />
′¬φ n ′ i ′, Ĥ1φ n¬2<br />
n ′ ≠n,i<br />
E n (0) − E (0)<br />
′2 .<br />
n<br />
Aus (8.8) ergibt sich nun die Korrektur zweiter Ordnung zur Eigenenergie:<br />
E n (2) =φ (1) n , Ĥ1φ ′¬φ n′ i ′, Ĥ1φ n¬2<br />
′<br />
.<br />
n ′ ≠n,i E n (0) − E (0)<br />
n ′<br />
Aus (8.10) erhält man noch:<br />
(1)<br />
i ′, Ĥ1φ n−E n (1) γ (1)<br />
n ′ i<br />
n =<br />
c (02) = c (20) = − 1 2 c(11) = − 1 2<br />
γ (2)<br />
n ′ i ′ = 1<br />
E (0)<br />
n − E (0)<br />
n ′φ<br />
=<br />
1<br />
E (0)<br />
n − E (0)<br />
n′<br />
(φ n ′′ i ′′, Ĥ1φ n )(φ n ′ i ′, Ĥ1φ n ′′ i ′′)<br />
n ′′ ≠n,i E (0)<br />
′′ n − E (0)<br />
n ′å<br />
n ′′<br />
− (φ n, Ĥ1φ n )(φ n′ i ′, Ĥ1φ n )<br />
è,<br />
E n (0) − E (0)<br />
n ′
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 131<br />
+<br />
so dass aufgrund von (8.11):<br />
φ (2)<br />
n ′ i ′φ n ′ i ′<br />
gilt. Insgesamt erhalten wir also für die „gestörte“ Wellenfunktion:<br />
Φ n (λ) =ä1 + λ 2 c (02)çφ (1)<br />
n n<br />
n ′ ≠n,i ′äλγ ′ i + ′ λ2 γ (2)<br />
n ′ i ′çφ n ′ i ′ + Oλ<br />
3.<br />
+<br />
n = c (02) φ n γ (2)<br />
n ′ ≠n,i ′<br />
Aus diesem Ergebnis ist ersichtlich, dass in jeder Ordnung der Störungstheorie<br />
ein Faktor der Form<br />
(φ a , Ĥ1φ b )<br />
E (0)<br />
n − E (0)<br />
b<br />
hinzu kommt. Dieser Faktor wird groß, falls zwei Energieniveaus nahe zusammenrücken,<br />
dass heißt, wenn eine Fast-Entartung vorliegt. Wie man im Falle<br />
einer Entartung vorgeht, wird im übernächsten Abschnitt erklärt.<br />
8.3 Beispiele<br />
Anharmonischer Oszillator<br />
Wir betrachten zuerst den eindimensionalen anharmonischen Oszillator, der<br />
durch einen Zusatzterm +λx 4 im Hamilton-Operator charakterisiert wird:<br />
Ĥ = Ĥ0 + λx 4 , Ĥ 0 = ˆp2<br />
2m + 1 2 mω2 x 2 =ˆn + 1 2ω ,<br />
wobei bekanntlich ˆn = a † a und a = √ 1 2<br />
( x l +i lˆp <br />
) gilt. Die ungestörten Eigenwerte<br />
sind E n (0) = (n+ 1 2 )ω, die ungestörten Eigenfunktionen φ n = √ 1<br />
n!<br />
(a † ) n φ 0 . Unter<br />
Berücksichtigung der Störung folgt für die Eigenwerte:<br />
mit<br />
E n = E (0)<br />
n + λE (1)<br />
n + λ 2 E (2)<br />
n + . . . ,<br />
E n (1) = (φ n, x 4 φ n ) , E n<br />
(2) =n ′ ≠n<br />
und für die Eigenfunktionen:<br />
mit<br />
Φ n = φ n + λφ (1)<br />
n + . . .<br />
φ (1)<br />
n<br />
=n ′ ≠n<br />
Man findet leicht:<br />
E (1)<br />
n<br />
(φ n ′, x 4 φ n )<br />
φ<br />
E n (0) − E (0) n ′ .<br />
n ′<br />
|(φ n ′, x 4 φ n )| 2<br />
E (0)<br />
n − E (0)<br />
n ′<br />
= 〈x 4 〉 n =l<br />
√<br />
24<br />
〈(a + a † ) 4 〉 n = l4 4 3(2n2 + 2n + 1) ,
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 132<br />
wobei<br />
〈(a + a † ) 4 〉 n =äa 2 + a † a + aa † +<br />
n<br />
(a † ) 2çäa<br />
(φ n ′, x 4 φ n ) = l4 n ′, (a + a<br />
4φ † ) 4 φ<br />
= 〈a 2 (a † ) 2 + (2ˆn + 1) 2 + (a † ) 2 a 2 〉 n<br />
2 + (2ˆn + 1) + (a † ) 2çòn<br />
= 〈a(a † a + 1)a † + (2ˆn + 1) 2 + a † (aa † − 1)a〉 n<br />
= 〈(ˆn + 1) 2 + (ˆn + 1) + (2ˆn + 1) 2 + ˆn 2 − ˆn〉 n<br />
= 〈6ˆn 2 + 6ˆn + 3〉 = 3(2n 2 + 2n + 1)<br />
verwendet wurde. Weiter ergibt sich<br />
n<br />
= l4 n ′,a<br />
4φ 4 +äa 2 (2ˆn + 1) + (2ˆn + 1)a 2ç+(2ˆn + 1) 2<br />
+ä(a † ) 2 (2ˆn + 1) + (2ˆn + 1)(a † ) 2ç+(a † ) 4φ<br />
= l4 4ån(n − 1)(n − 2)(n − 3)δ n′ ,n−4<br />
+ 4(n − 1 2 )n(n − 1)δ n′ ,n−2<br />
+ (2n + 1) 2 δ n′ ,n + 4(n + 3 2 )(n + 1)(n + 2)δ n′ ,n+2<br />
+(n + 1)(n + 2)(n + 3)(n + 4)δ n′ ,n+4è.<br />
Das Interessante am letzten Ergebnis ist, dass, aufgrund der Anharmonizität<br />
+λx 4 , nur bestimmte Übergänge n → n ′ überhaupt möglich sind. Eine solche<br />
Beschränkung auf mögliche Zustände n ′ mit Matrixelementen (φ n ′, Ĥ1φ n ) ≠ 0<br />
heißt eine Auswahlregel. Als Konsequenz findet man:<br />
φ (1)<br />
n<br />
= l4<br />
4ωå1<br />
4n(n − 1)(n − 2)(n − 3)φ n−4 + 2(n − 1 2 )n(n − 1)φ n−2<br />
− 2(n + 3 2 )(n + 1)(n + 2)φ n+2<br />
− 1 4(n + 1)(n + 2)(n + 3)(n + 4)φ n+4è,<br />
so dass in erster Ordnung der Störungstheorie nur vier benachbarte Zustände<br />
von φ n „beigemischt“ werden. Außerdem findet man für die Korrektur zweiter<br />
Ordnung zur Energie:<br />
E n (2) = l8 |(φ n ′, (a + a † ) 4 φ n )| 2<br />
n − n 16ωn ′ = l8 1<br />
− 1)(n − 2)(n − 3)<br />
16ω 4än(n ′ ≠n<br />
+ 2 · 16(n − 1 2 )2 n(n − 1) − 2 · 16(n + 3 2 )2 (n + 1)(n + 2)<br />
− (n + 1)(n + 2)(n + 3)(n + 4)ç<br />
= − l8<br />
8ωä34n 3 + 51n 2 + 59n + 21ç.<br />
Im Allgemeinen muss E n<br />
(2) für den Grundzustand (n = 0) eine nicht-positive<br />
Größe sein. Hier sieht man, dass dies für den anharmonischen Oszillator sogar<br />
für alle n ∈Ægilt.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 133<br />
Es ist durchaus interessant, das bisher erzielte perturbative Ergebnis für die<br />
Grundzustandsenergie des harmonischen Oszillators,<br />
E n=0 = 1 2 ω + 3 4 l4 λ − 21l8<br />
8ω λ2 + O(λ 3 ) ,<br />
mit den Ergebnissen anderer Näherungsverfahren zu vergleichen: Mit Hilfe des<br />
Variationsprinzips, E n=0 ≤ 〈Ĥ〉 ψ für alle ψ ∈ H, kann man leicht eine exakte<br />
obere Schranke für die Grundzustandsenergie bestimmen. Wählen wir zum<br />
Beispiel<br />
ψ s (x) = (πs) −1/4 e −x2 /2s<br />
als unsere Variationswellenfunktion, dann erhalten wir zunächst (für einen beliebigen<br />
Variationsparameter s):<br />
E n=0 ≤ 〈Ĥ〉 ψ s<br />
= 2<br />
4ms + 1 2 mω2 s + 3 4 λs2 .<br />
Minimiert man das rechte Glied nun bezüglich s und setzt man den optimalen<br />
s-Wert in die obere Schranke ein, so erhält man die Ungleichung<br />
E n=0 ≤ 1 2 ω + 3 4 l4 λ − 9l8<br />
4ω λ2 + . . . .<br />
Ein Vergleich mit dem störungstheoretischen Ergebnis zeigt, dass die Variationsrechnung<br />
die erste Ordnung der Störungstheorie korrekt reproduziert; die<br />
zweite Ordnung ist jedoch ungenau. Es ist offensichtlich immer möglich, die<br />
erste Ordnung der Störungstheorie mit Hilfe einer Variationsrechnung zu reproduzieren,<br />
z. B. wenn man als Variationswellenfunktion den (bekannten) exakten<br />
Grundzustand des ungestörten Problems wählt. Ein zweites Näherungsverfahren,<br />
mit dem wir hier vergleichen möchten, ist die bereits in Abschnitt [5.1]<br />
vorgestellte Methode zur Konstruktion einer exakten unteren Schranke für die<br />
Grundzustandsenergie. Um dieses Verfahren anwenden zu können, müssen wir<br />
zusätzlich nähern:<br />
〈x 4 〉 =(x 2 − 〈x 2 〉) 2ò+〈x 2 〉 2 ≥ 〈x 2 〉 2<br />
und erhalten die Ungleichung:<br />
〈Ĥ〉 ψ ≥<br />
2<br />
8ms + 1 2 mω2 s + λs 2 , s ≡ 〈x 2 〉 ψ<br />
für alle ψ ∈ H. Minimierung des rechten Glieds liefert daher eine exakte untere<br />
Schranke für die Energie eines beliebigen Zustands und daher auch für die<br />
Grundzustandsenergie:<br />
E n=0 ≥ 1 2 ω + 1 4 l4 λ −<br />
l8<br />
4ω λ2 + . . . .<br />
Es ist bemerkenswert, dass diese untere Schranke bereits in erster Ordnung<br />
vom störungstheoretischen Ergebnis abweicht. Der Grund hierfür ist, dass die<br />
Abschätzung 〈x 4 〉 ≥ 〈x 2 〉 2 zwar exakt für alle ψ ∈ H, aber für den tatsächlichen<br />
Grundzustand leider recht ungenau ist.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 134<br />
Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass man in jeder Form einer Störungstheorie<br />
einen dimensionslosen Entwicklungsparameter benötigt, der klein<br />
im Vergleich zu Eins sein muss. Die Amplitude λ des Störterms im Hamilton-<br />
Operator hat die Dimension Energie/(Länge) 4 und kann somit nicht der eigentliche<br />
Entwicklungsparameter sein. Man überzeugt sich leicht (aufgrund von<br />
Dimensionsüberlegungen oder eines Vergleichs der verschiedenen Terme der Störungsreihe<br />
für E n=0 ), dass der gesuchte dimensionslose Parameter im Falle des<br />
anharmonischen Oszillators durch λl 4 /ω gegeben ist.<br />
Atomarer Diamagnetismus<br />
Als zweites Beispiel einer Anwendung der nicht-entarteten Störungstheorie betrachten<br />
wie den „atomaren Diamagnetismus“ des Grundzustands des Wasserstoffatoms<br />
(n = 1, l = m = 0). Der Hamilton-Operator hat einschließlich des<br />
Störterms die Form<br />
Ĥ = Ĥ‖ + e2 B 2<br />
8m e<br />
(e 3 × x) 2 = Ĥ‖ + e2 B 2<br />
wobei der ungestörte Hamilton-Operator durch<br />
8m e<br />
(x 2 1 + x 2 2) ,<br />
Ĥ ‖ = ˆp2<br />
2m e<br />
+ V (r) + ω L (ˆL 3 + gŜ3) , ω L = |e|B<br />
2m e<br />
gegeben ist und angenommen wird, dass das Magnetfeld entlang der x 3 -Achse<br />
gerichtet ist. Im Allgemeinen sind die Eigenfunktionen und Eigenwerte von Ĥ‖<br />
durch<br />
Φ (0)<br />
nlmλ = φ nlmχ λ , E (0)<br />
nlmλ = E n + ω L (m + λ 1 2 g)<br />
gegeben. Der Grundzustand (nlm) = (100) ist nicht-entartet:<br />
Φ (0)<br />
100λ = φ 100χ λ = R 10 (r)Y 00 (Ω)χ λ ,<br />
mit R 10 (r) = 2a −3/2<br />
B<br />
e −r/aB und Y 00 (Ω) = 1/ √ 4π. Die „gestörten“ Eigenenergien<br />
sind in Störungsenergie erster Ordnung durch:<br />
E 100λ = E (0)<br />
100λ + e2 B 2<br />
8m e<br />
(Φ (0)<br />
100λ , (x2 1 + x 2 2)Φ (0)<br />
100λ )<br />
= E (0)<br />
100λ + e2 B 2<br />
8m e<br />
(φ 100 , (x 2 1 + x2 2 )φ 100)<br />
= E (0)<br />
100λ + e2 B 2<br />
gegeben. Hierbei ist:<br />
∞<br />
0<br />
8m e∞<br />
0<br />
dr r 4 |R 10 (r)| 2 〈Y 00 , sin 2 (ϑ)Y 00 〉<br />
dr r 4 |R 10 (r)| 2 = 4<br />
3∞<br />
dr r 4 e −2r/aB = 4<br />
3a B<br />
dxx<br />
(a B ) (a B ) 25∞<br />
4 e −x<br />
0<br />
= 1 8 (a B) 2 Γ(5) = 3(a B ) 2<br />
0
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 135<br />
und<br />
〈Y 00 , sin 2 (ϑ)Y 00 〉 = 1<br />
4π2π<br />
0<br />
=<br />
2π<br />
1<br />
0<br />
=<br />
21<br />
1<br />
−1<br />
so dass insgesamt für g = 2 folgt: 1<br />
E 100λ = E 1 + λω L + e2 B 2<br />
dϕπ<br />
dϑ sin 3 (ϑ)<br />
0<br />
dϑ sin(ϑ)[1 − cos 2 (ϑ)] (cos(ϑ) ≡ x)<br />
dx(1 − x 2 ) =1<br />
dx(1 − x 2 ) = 2 3<br />
0<br />
4m e<br />
(a B ) 2 = E 1 + ω Lλ1 + ω L<br />
2Ry.<br />
Aus diesem Ergebnis geht bereits hervor, dass der dimensionslose Parameter,<br />
der klein sein soll, damit die Störungsreihe konvergiert, durch<br />
ω L<br />
Ry2<br />
≃1<br />
2 · 10−5 B<br />
Tesla2<br />
gegeben ist. Für alle im Labor realisierbaren Magnetfelder ist dies in der Tat<br />
eine sehr kleine Zahl.<br />
Aus der Grundzustandsenergie kann man leicht das induzierte magnetische<br />
Moment berechnen:<br />
µ = − ∂E 100λ<br />
∂B<br />
|e|<br />
= −λ − e2 B<br />
(a B ) 2 .<br />
2m e 2m e<br />
Demzufolge ist die magnetische Suszeptibilität des Grundzustandes negativ:<br />
χ = ∂µ<br />
∂B = −e2 (a B ) 2<br />
2m e<br />
< 0 ,<br />
so dass dieser Zustand tatsächlich diamagnetisch ist. Zu beachten ist, dass nur<br />
die Bahnfreiheitsgrade (und nicht der Spin) zur Suszeptibilität beitragen.<br />
Van-der-Waals- und Multipolkräfte<br />
Als drittes Beispiel zur nicht-entarteten Störungstheorie betrachten wir die<br />
Wechselwirkung zweier weit voneinander entfernter Atome oder Moleküle. Hierbei<br />
bedeutet „weit entfernt“, dass der Abstand der beiden Massenschwerpunkte<br />
X 1 und X 2 der Atome (oder Moleküle) groß im Vergleich zum Bohrradius sein<br />
soll: X ≡ |X| ≫ a B mit X ≡ X 2 − X 1 . Wir werden im Folgenden übrigens<br />
feststellen, dass der Abstand X auch wieder nicht allzu groß sein darf, damit<br />
keine Retardierungseffekte auftreten.<br />
,<br />
1 Es gilt:<br />
e 2 B 2<br />
4m e<br />
(a B ) 2 = 1 2 |e|B<br />
2m e2 2m e(a B ) 2<br />
2 = 1 2 (ω L) 2 1<br />
Ry<br />
,<br />
mit ω L<br />
Ry = |e|<br />
2m e<br />
B<br />
Ry ≃ 10−23 B Ry ≃ 10−23 B/2, 18 · 10 −18 ≃ 1 2 · 10−5 B (B in Tesla).
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 136<br />
Der Einfachheit halber betrachten wir die Wechselwirkung zweier wasserstoffähnlicher<br />
Atome, wobei wir lediglich die Dynamik der beiden Valenzelektronen<br />
explizit berücksichtigen und die eventuellen inneren Elektronen zusammen<br />
mit den Atomkernen als effektive Kerne der Ladung +|e| auffassen werden. 2 Der<br />
Hamilton-Operator für dieses Zwei-Atom-System lautet somit<br />
Ĥ = Ĥ1 + Ĥ2 + V (x 1 ,x 2 ;X) ,<br />
wobei Ĥ1 und Ĥ2 die Beiträge der isolierten Atome mit den Massenschwerpunkten<br />
X 1 und X 2 darstellen:<br />
Ĥ i = ˆp2 i e 2<br />
−<br />
2m e 4πε 0 |x i |<br />
(i = 1, 2)<br />
und V (x 1 ,x 2 ;X) die Wechselwirkungsterme enthält:<br />
V (x 1 ,x 2 ;X) ≡<br />
e2<br />
4πε 01<br />
X + 1<br />
|X + x 2 − x 1 | − 1<br />
|X + x 2 | − 1<br />
|X − x 1 |.<br />
Hierbei stellen x 1 und x 2 die Abstände der beiden Valenzelektronen zu ihren<br />
jeweiligen Kernen dar. Die Dynamik der (im Vergleich zu den Elektronen sehr<br />
schweren) Kerne wird in dieser Betrachtung vernachlässigt.<br />
Aufgrund der Form von V (x 1 ,x 2 ;X) ist klar, dass die Wechselwirkung der<br />
beiden Atome für X ≫ a B sehr schwach ist, so dass man ihre Effekte mit Hilfe<br />
der Störungstheorie untersuchen kann. Bei der Durchführung der Störungstheorie<br />
ist es hilfreich, die verschiedenen in V (x 1 ,x 2 ;X) enthaltenen Beiträge nach<br />
Potenzen von |x1| |x2|<br />
X<br />
bzw.<br />
X<br />
(d.h. nach Potenzen von aB X<br />
) zu klassifizieren. Hierzu<br />
definieren wir ˆX ≡ X/X und führen eine Taylor-Entwicklung durch:<br />
X<br />
|X − x| = X<br />
√<br />
X2 − 2X · x + x = 1<br />
√ , y = − 2 ˆX · x<br />
2 1 + y X<br />
(1 + y) −1/2 =<br />
+x<br />
X2<br />
∞n=0− 1 2<br />
ny n = 1 − 1 2 y + 3 8 y2 − 5 16 y3 + 35<br />
128 y4 + . . . .<br />
Das Resultat dieser Taylor-Entwicklung lautet<br />
V (x 1 ,x 2 ;X) = V DD + V DQ + V QQ + V DO Oåa B<br />
+<br />
mit den Definitionen<br />
e2<br />
V DD = −<br />
4πε 0 X 3 x 1 · (3 ˆX ˆX − 11) · x 2<br />
e 2<br />
X6<br />
Ryè<br />
V DQ =<br />
4πε 0 X 4 [x 1iA ij1j 2<br />
Q j1j 2<br />
(x 2 ) − x 2j A ji1i 2<br />
Q i1i 2<br />
(x 1 )]<br />
e 2<br />
V QQ =<br />
4πε 0 X 5 Q i 1i 2<br />
(x 1 )B i1i 2j 1j 2<br />
Q j1j 2<br />
(x 2 )<br />
V DO =<br />
e 2<br />
4πε 0 X 5 [x 1iC ij1j 2j 3<br />
O j1j 2j 3<br />
(x 2 ) + x 2j C ji1i 2i 3<br />
O i1i 2i 3<br />
(x 1 )]<br />
2 Es ist klar, dass man die Ladungsfluktuationen der inneren Elektronen in einer realistischen<br />
Berechnung der interatomaren Kräfte sorgfältiger behandeln muss. Auch die eventuellen<br />
inneren Elektronen werden sicherlich einen Beitrag zur Van-der-Waals-Kraft liefern.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 137<br />
und<br />
Q i1i 2<br />
(x) ≡ 3 2 x i 1<br />
x i2 − 1 2 x2 δ i1i 2<br />
, Sp[Q(x)] = 0<br />
O i1i 2i 3<br />
(x) ≡ 5 2 x i 1<br />
x i2 x i3 − 1 2 (x i 1<br />
δ i2i 3<br />
+ x i2 δ i1i 3<br />
+ x i3 δ i1i 2<br />
)<br />
Die Beiträge V DD , D DQ , V QQ und V DO stellen physikalisch die Dipol-Dipol-,<br />
Dipol-Quadrupol-, Quadrupol-Quadrupol- und Dipol-Oktupol-Wechselwirkung<br />
der beiden Atome dar. Die genaue Form der Koeffizienten A ij1j 2<br />
und C ij1j 2j 3<br />
ist im Folgenden nicht relevant. Im Hinblick auf das Folgende sei jedoch die<br />
explizite Form von B i1i 2j 1j 2<br />
erwähnt:<br />
B i1i 2j 1j 2<br />
= 35<br />
3 ˆX i1 ˆXi2 ˆXj1 ˆXj2 + 1 3 (δ i 1i 2<br />
δ j1j 2<br />
+ δ i1j 1<br />
δ i2j 2<br />
+ δ i1j 2<br />
δ i2j 1<br />
)<br />
− 5 3 (δ i 1i 2<br />
ˆXj1 ˆXj2 + δ j1j 2<br />
ˆXi1 ˆXi2 + δ i2j 2<br />
ˆXi1 ˆXj1 + δ i2j 1<br />
ˆXi1 ˆXj2<br />
+ δ i1j 2<br />
ˆXi2 ˆXj1 + δ i1j 1<br />
ˆXi2 ˆXj2 ) .<br />
Interessant ist noch, dass die Koeffizienten A, B und C nur von der Richtung ˆX<br />
der Verbindungslinie der beiden atomaren Massenschwerpunkte abhängig sind.<br />
Van-der-Waals-Kräfte<br />
Nehmen wir nun zuerst an, die Valenzelektronen befinden sich in der ns-Schale<br />
(n ∈ N + , l = 0, m = 0). Beispiele solcher Atome sind H (n = 1), Li (n = 2)<br />
und Na (n = 3), aber auch Ag ([Kr]4d 10 5s 1 ) und Au ([Xe]4f 14 5d 10 6s 1 ). Die Ladungs(wahrscheinlichkeits)dichte<br />
der entsprechenden Valenzelektronen ist somit<br />
winkelunabhängig und durch<br />
|φ n00 (x)| 2 = 1<br />
4π |R n0(x)| 2 ≡ 1<br />
4π ρ n(x)<br />
gegeben. Die Winkelunabhängigkeit der Ladungsverteilung solcher s-Zustände<br />
hat zur Konsequenz, dass der Beitrag der ersten Ordnung der Störungstheorie<br />
zur Grundzustandsenergie rigoros Null ist:<br />
〈ns, ns|V (x 1 ,x 2 ;X)|ns, ns〉 =dx 1dx 2<br />
1<br />
(4π) 2 ρ n (x 1 )ρ n (x 2 )V (x 1 ,x 2 ;X)<br />
=∞<br />
dx 1∞<br />
0<br />
0<br />
dx 2 x 2 1 x2 2 ρ n(x 1 )ρ n (x 2 ) 〈V (x 1 ,x 2 ;X)〉 Ω1,Ω 2<br />
= 0 ,<br />
wobei definiert wurde: 〈A(x)〉 Ω<br />
≡ 1<br />
4πÊdΩ A(x). Dies sieht man sofort aus der<br />
Identität<br />
1<br />
|X + x|óΩ<br />
die als Konsequenz<br />
=<br />
4πdΩ<br />
1 1<br />
|X + x|<br />
=<br />
4πXπ 1 dϑ sin(ϑ)2π<br />
dϕ<br />
0<br />
= 1<br />
2X1<br />
−1<br />
dy<br />
0<br />
(wähle o.B.d.A.: ˆX = ê 3 )<br />
1<br />
Õ1 + 2 x·ê3<br />
X<br />
1<br />
Õ1 + 2 x X y +x<br />
X2 = 1 X ,<br />
+x<br />
X2<br />
〈V (x 1 ,x 2 ;X)〉 Ω1,Ω 2<br />
= e2 X<br />
+<br />
4πε 0 X1<br />
|X + x 2 − x 1 | − X<br />
|X + x 2 | − X<br />
|X − x 1 |óΩ 1,Ω 2<br />
= e2<br />
(1 + 1 − 1 − 1) = 0<br />
4πε 0 X
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 138<br />
hat. In Störungstheorie zweiter Ordnung erhält man für die Bindungsenergie<br />
der beiden Valenzelektronen:<br />
E = 2E ns −νν ′ |〈νν ′ |V |ns, ns〉| 2<br />
E ν + E ν ′ − 2E ns<br />
,<br />
wobei nur über unbesetzte Zustände (ν, ν ′ ) zu summieren ist, für die also im Falle<br />
realer Atome E ν +E ν ′ > 2E ns gilt. Unter der Voraussetzung, dass der Abstand<br />
der beiden Atome genügend groß ist (X ≫ a B ), reicht es aus, den führenden<br />
Term V DD im Wechselwirkungspotential V (x 1 ,x 2 ;X) zu berücksichtigen, und<br />
man erhält für die Bindungsenergie der Valenzelektronen:<br />
E = 2E ns − Konst ×a B<br />
X6<br />
Ry ≡ 2Ens + W(X) .<br />
Die Interpretation dieses Ergebnisses ist also, dass Ladungsfluktuationen in den<br />
beiden Atomen durch die Coulomb-Wechselwirkung miteinander korreliert sind<br />
und (zumindest für s-Zustände) zu einer effektiven Anziehung der Atome führen,<br />
die durch das Potential W(X) beschrieben werden kann. Diese effektive<br />
Anziehung aufgrund von Ladungsfluktuationen ist als die Van-der-Waals-<br />
Wechselwirkung bekannt. Die dimensionslose Konstante in W(X) hat den numerischen<br />
Wert Konst ≃ 6, 5 für Wasserstoff (H); für die Edelgase He/Ar/Kr<br />
findet man die Werte Konst ≃ 1, 5/68/130.<br />
Bei der Berechnung der Van-der-Waals-Kräfte wird also explizit (bereits im<br />
Hamilton-Operator) vorausgesetzt, dass die Coulomb-Wechselwirkung zwischen<br />
den Valenzelektronen instantan erfolgt. Wegen der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit<br />
kann diese Annahme nur für nicht allzu große Abstände zwischen<br />
den beiden Atomen korrekt sein: X X c ; für größere Abstände (X X c )<br />
erwartet man Retardierungseffekte. Als Kriterium für das Auftreten von Retardierungseffekten<br />
nehmen wir an, dass die für den Austausch von Information<br />
zwischen den beiden Atomen erforderliche Zeit 1 cX nicht größer sein darf als<br />
die typische Umlaufzeit rn<br />
v n<br />
eines Valenzelektrons in der ns-Schale. Hierbei folgen<br />
der Radius r n der Elektronenbahn und die typische Geschwindigkeit v n<br />
eines Elektrons näherungsweise aus dem Bohr’schen Atommodell als v n = αc<br />
n<br />
und r n = n 2 a B . Man erhält daher die Abschätzung X c ≃ n3 a B<br />
α<br />
, wobei α die<br />
Feinstrukturkonstante darstellt. Für X X c findet man unter Berücksichtigung<br />
von Retardierungseffekten („Casimir-Kräfte“) für das effektive Potential:<br />
W(X) = −Konst ×a BX7<br />
Ry.<br />
Multipolkräfte<br />
Nehmen wir nun alternativ an, dass sich die Valenzelektronen der H-ähnlichen<br />
Atome in np-Zuständen befinden (n ≥ 2, l = 1, m ∈ {−1, 0, 1}). Beispiele sind<br />
B (n = 2), Al (n = 3) und Ga (n = 4). Für np-Zustände gilt im Allgemeinen<br />
nicht, dass der Beitrag erster Ordnung zur Grundzustandsenergie Null ergibt:<br />
〈n1m, n1m ′ |V |n1m, n1m ′ 〉 ≠ 0 ,<br />
so dass die Störungstheorie erster Ordnung zur Untersuchung der interatomaren<br />
Kräfte in diesem Falle ausreicht. Es gibt hierbei jedoch eine Komplikation:<br />
Unsere bisherige Störungstheorie ist nur für die Untersuchung nichtentarteter
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 139<br />
Niveaus geeignet, und bei Paaren von Atomen in np-Zuständen liegt wegen<br />
(m, m ′ ) ∈ {−1, 0, 1} eindeutig eine Entartung vor. Nun gibt es natürlich auch<br />
eine Variante der Störungstheorie, die für entartete Niveaus geeignet ist (s. Abschnitt<br />
[8.4]); die Berechnungen werden dann jedoch recht kompliziert. Um die<br />
Darstellung einfach zu halten und dennoch die wesentlichen Eigenschaften von<br />
Multipolkräften vorführen zu können, ändern wir die physikalische Situation<br />
leicht ab, indem wir ein Magnetfeld anlegen:<br />
Ĥ = Ĥ1 + Ĥ2 + V (x 1 ,x 2 ;X) ,<br />
nun aber mit<br />
Ĥ i = ˆp2 i<br />
2m e<br />
−<br />
e 2<br />
4πε 0 |x i | −<br />
e<br />
2m e<br />
B · (ˆL i + gŜi) (i = 1, 2) ,<br />
wobei das Magnetfeld in x 3 -Richtung gewählt wird: B = Bê 3 . Die Eigenenergien<br />
des Hamilton-Operators Ĥi 1<br />
sind daher durch E n + ω L (m i + λ i 2g) gegeben, so<br />
dass die Entartung aufgehoben und der eindeutige Grundzustand im Unterraum<br />
mit l i = 1 durch (m i , λ i ) = (−1, −) gegeben wird. Der Spinfreiheitsgrad wird<br />
im Folgenden keine Rolle mehr spielen.<br />
Da die Quantenzahlen (nlm) = (n1, −1) nun festliegen, kann auch die Ladungs(wahrscheinlichkeits)dichte<br />
der np-Zustände explizit bestimmt werden:<br />
ρ n (x) = |φ n1,−1 (x)| 2 = |R n1 (x)| 2 |Y 1,−1 (Ω)| 2 = 3<br />
8π sin2 (ϑ)|R n1 (x)| 2 .<br />
WegenÊdx ρ n (x)x = 0 fallen alle Dipolbeiträge bei der Berechnung des Matrixelements<br />
erster Ordnung weg:<br />
〈V 〉 = 〈(n1, −1), (n1, −1)|V |(n1, −1), (n1, −1)〉<br />
=dx 1dx 2 ρ n (x 1 )ρ n (x 2 )(V DD + V DQ + V QQ + V DO + . . .)<br />
=dx 1dx 2 ρ n (x 1 )ρ n (x 2 )(V QQ + . . . )<br />
=<br />
e 2<br />
4πε 0 X 5 Q i 1i 2<br />
B i1i 2j 1j 2<br />
Q j1j 2<br />
+ . . . .<br />
Im letzten Schritt wurde der Quadrupoltensor Q i1i 2<br />
≡Êdx ρ n (x)Q i1i 2<br />
(x) der<br />
Ladungsverteilung definiert, der mittels expliziter Durchführung der Winkelintegrationen<br />
leicht zu<br />
Q i1i 2<br />
= 1 10 〈x2 〉 n1 (−2) δi 1 3 δ i1i 2<br />
, 〈x 2 〉 n1 ≡∞<br />
dx x 4 |R n1 (x)| 2<br />
berechnet werden kann. Einsetzen in den Ausdruck für das Matrixelement 〈V 〉<br />
liefert:<br />
0<br />
mit<br />
〈V 〉 =<br />
e 2<br />
4πε 0 X 5 (〈x2 〉 n1 ) 2 F( ˆX)<br />
F( ˆX) ≡ 3<br />
100 (35 ˆX 4 3 − 30 ˆX 2 3 + 3) ,
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 140<br />
so dass die Bindungsenergie der beiden Valenzelektronen durch die Coulomb-<br />
Wechselwirkung der Atome zu<br />
e 2<br />
E = 2(E n − 2ω L ) +<br />
4πε 0 X 5(〈x2 〉 n1 ) 2 F( ˆX)<br />
≡ 2(E n − 2ω L ) + W(X)<br />
modifiziert wird.<br />
Aus dieser Berechnung lernen wir zweierlei: Erstens sind die Quadrupol-<br />
Quadrupol-Kräfte für np-Zustände von Ordnunga BX5<br />
Ry und somit grundsätzlich<br />
stärker als die Van-der-Waals-Kräfte, die aufgrund der Dipol-Dipol-<br />
Wechselwirkung sicherlich auch für np-Zustände in Störungstheorie zweiter Ordnung<br />
auftreten werden. Zweitens lernen wir, dass die Quadrupol-Quadrupol-<br />
Kräfte explizit von der Ausrichtung ˆX der Verbindungslinie der beiden Atome<br />
abhängig sind, und dass eine Mittelung des Potentials über alle möglichen Ausrichtungen<br />
des Vektors ˆX Null ergibt: 〈W(X)〉 ˆX<br />
= 0. Dies impliziert Folgendes:<br />
Wenn nur zwei lokalisierte Atome (oder Moleküle) mit Bahndrehimpuls ungleich<br />
Null (hier: l = 1) miteinander wechselwirken, wird die Quadrupol-Quadrupol-<br />
Kraft über die Van-der-Waals-Kraft dominieren. Falls jedoch ein Gas oder eine<br />
Flüssigkeit vorliegt, wird jedes Atom (oder Molekül) mit vielen anderen wechselwirken,<br />
so dass es effektiv eine über alle Raumrichtungen gemittelte Kraft<br />
spürt; in diesem Fall ist die gemittelte Quadrupol-Quadrupol-Kraft Null und<br />
dominiert die Van-der-Waals-Kraft.<br />
Abschließend kann man sich noch fragen, wie stark das angelegte Magnetfeld<br />
sein muss, damit die ungestörten Niveaus genügend weit voneinander getrennt<br />
sind und man die nicht-entartete Störungstheorie anwenden kann. Das Kriterium<br />
hierfür lautet, dass die typische Energieaufspaltung ω L im Magnetfeld<br />
deutlich größer als die typische Wechselwirkungsenergiea BX5<br />
Ry der beiden<br />
Atome sein muss. Nun ist bereits aus der Behandlung des atomaren Diamagnetismus<br />
bekannt, dass ωL<br />
Ry ≃ 1 2 · 10−5 B/Tesla (und somit für starke Felder:<br />
ω L<br />
Ry 10−3 ) gilt. Aus der Bedingunga BX5<br />
≪<br />
ω L<br />
Ry<br />
folgt daher, dass für starke<br />
Magnetfelder etwa X 10a B gelten muss. Dies kann als eine durchaus realistische<br />
Anforderung eingestuft werden. Retardierungseffekte treten ja, wie wir<br />
wissen, erst für deutlich größere interatomare Abstände auf.<br />
8.4 Störungstheorie für entartete Zustände<br />
Aus der Diskussion des Wasserstoffatoms im Magnetfeld ist bereits klar, dass<br />
Entartung von ungestörten Energieniveaus ein häufiges Phänomen ist. In diesem<br />
Abschnitt zeigen wir, wie man in diesem Fall vorgeht.<br />
Wir nehmen nun also an, dass das Energieniveau mit der Quantenzahl n<br />
entartet ist:<br />
Ĥ 0 φ ni = E (0)<br />
n φ ni (i = 1, . . .,g n ; g n > 1) .<br />
Die Konstruktion des Algorithmus für den nicht-entarteten Fall kann mit einigen<br />
Änderungen auch für entartete Energieniveaus übernommen werden: Aus der<br />
Normierungsbedingung (Φ ni (λ), Φ ni (λ)) = 1 und aus der Bedingung für die
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 141<br />
Phase, Im(φ ni , Φ ni (λ)) = 0, folgt nun:<br />
c (0m)<br />
i<br />
m−1<br />
= c (m0)<br />
i<br />
= − 1 2<br />
c<br />
m (m′ ,m−m ′ )<br />
i<br />
, c (mm′ )<br />
i<br />
≡φ (m)<br />
ni<br />
, φ (m′ )<br />
ni, (8.14)<br />
′ =1<br />
und Gleichung (8.7) wird einfach ersetzt durch:<br />
m−1<br />
(Ĥ0 − E n (0) )φ(m) (m−1)<br />
ni<br />
+ Ĥ1φ<br />
ni<br />
= E (m)<br />
ni<br />
φ ni + E<br />
m (m′ )<br />
ni<br />
φ (m−m′ )<br />
ni<br />
.<br />
′ =1<br />
Aus dieser Gleichung folgt durch Bildung eines Skalarprodukts mit φ ni :<br />
E (m)<br />
ni =φ ni ,<br />
durch Bildung eines Skalarprodukts mit φ ni ′ für i ′ ≠ i:<br />
(i<br />
m−1<br />
(m−1) Ĥ1φ ni<br />
− E<br />
m (m′ )<br />
ni c (0,m−m′ )<br />
i , (8.15)<br />
′ =1<br />
m−1<br />
(m−1)<br />
φ ni ′, Ĥ1φ ni<br />
= E<br />
m (m′ )<br />
niφ ni ′, φ (m−m′ )<br />
ni ′ =1<br />
und durch Bildung eines Skalarprodukts mit φ n′ i ′ für n′ ≠ n:<br />
(E (0)<br />
n ′<br />
γ (m)<br />
n ′ i ′<br />
′ ≠ i) (8.16)<br />
m−1<br />
− E(0) n )γ(m) n ′ i +φ (m−1)<br />
′ n′ i ′, Ĥ1φ ni<br />
= E<br />
m (m′ )<br />
ni γ (m−m′ )<br />
n ′ i , (8.17)<br />
′<br />
′ =1<br />
≡φ n′ i ′, φ(m) ni.<br />
Ein sehr wichtiges Element der Störungstheorie für entartete Zustände folgt<br />
sofort aus den Gleichungen (8.15) und (8.16) für m = 1:<br />
(φ ni ′, Ĥ1φ ni ) = 0 (i ′ ≠ i) , E (1)<br />
ni = (φ ni , Ĥ1φ ni ) ,<br />
oder zusammenfassend:<br />
(φ ni ′, Ĥ1φ ni ) = E (1)<br />
ni δ ii ′ .<br />
Damit man überhaupt Störungstheorie anwenden kann, muss der Störterm also<br />
unbedingt diagonal sein im Unterraum des Hilbert-Raums H zum Energieeigenwert<br />
E n<br />
(0) von Ĥ0. Projizieren wir den vollen Hamilton-Operator Ĥ also auf<br />
diesen Unterraum:<br />
Ĥ (n) ≡ ˆP n ĤˆP n , ˆPn ψ =<br />
g<br />
φ ni ′(φ ni ′, ψ) ,<br />
′ =1<br />
ni<br />
dann gilt:<br />
Ĥ (n) φ n ′ i ′ = 0 (n′ ≠ n) ,<br />
Ĥ (n) φ ni = (E (0)<br />
n<br />
+ λE(1) ni )φ ni (i = 1, . . .,g n ) .
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 142<br />
Dies bedeutet jedoch, dass die Eigenfunktionen Φ ni (λ) des vollen Problems lediglich<br />
Komponenten in der Richtung von φ ni oder φ n′ i ′ für n′ ≠ n, aber nicht<br />
in der Richtung φ ni ′ (i ′ ≠ i) enthalten können:<br />
Φ ni (λ) =<br />
∞m=0<br />
λ m φ (m)<br />
ni , φ (m)<br />
ni = c (0m)<br />
+<br />
i φ ni γ (m)<br />
n ′ ≠n,i ′<br />
n ′ i ′ φ n ′ i ′ . (8.18)<br />
Die Gleichungen (8.14)–(8.18) formen einen geschlossenen Satz, der iterativ gelöst<br />
werden kann. Der entsprechende Algorithmus hat dann die Form, wie sie<br />
unter Algorithmus 8.2 dargestellt ist.<br />
Diagonalisiere Ĥ(n) ,<br />
falls nicht-diagonal<br />
Bestimme die Daten für m = 0<br />
in der Basis, in der Ĥ(n) diagonal ist<br />
8.14<br />
8.15<br />
8.17<br />
m = m + 1<br />
c (0,m+1)<br />
i<br />
= c (m+1,0)<br />
i<br />
E (m+1)<br />
ni<br />
γ (m+1)<br />
n ′ i ′<br />
8.18<br />
φ (m+1)<br />
ni<br />
Algorithmus 8.2: Entartete Störungstheorie<br />
λ<br />
Konkret gilt also für m = 1:<br />
c (01)<br />
i = c (10)<br />
i = 0 , γ (1)<br />
n ′ i = (φ n ′ i ′, Ĥ1φ ni )<br />
′<br />
E n (0) − E (0)<br />
n ′<br />
und daher für die Wellenfunktion:<br />
(φ n<br />
Φ ni (λ) = φ ni + ′ i ′, Ĥ1φ ni )<br />
φ<br />
n ′ ≠n,i E (0)<br />
′ n − E (0) n′ i ′ + O(λ2 ) .<br />
n ′<br />
Die Korrektur zweiter Ordnung zur Eigenenergie ist im entarteten Fall durch<br />
E (2)<br />
(1)<br />
ni =φ ni , Ĥ1φ<br />
ni=<br />
|(φ n′ i ′, Ĥ1φ ni )| 2<br />
n ′ ≠n,i E (0)<br />
′ n − E (0)<br />
gegeben. Im Prinzip kann man so eine beliebige Ordnung der Störungsreihe mit<br />
Hilfe des Iterationsalgorithmus berechnen.<br />
8.5 Beispiel: Der Stark-Effekt<br />
Der Stark-Effekt, die Aufspaltung der Spektrallinien im elektrischen Feld, wurde<br />
1913 von Johannes Stark (damals an der T. H. Aachen) an den Spektrallinien<br />
des Wasserstoffs entdeckt; später hat man erkannt, dass dieses Phänomen auch<br />
bei anderen Atomen auftritt. Unter anderem für diese Entdeckung erhielt Stark<br />
1919 den Nobelpreis für Physik.<br />
n ′
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 143<br />
Der Hamilton-Operator für ein Wasserstoffatom im elektrischen Feld lautet:<br />
Ĥ = Ĥ0 + λĤ1 , Ĥ 0 = ˆp2<br />
2m e<br />
+ V (r) , λĤ1 = −eEx 3 .<br />
Hierbei wurde das elektrische Feld in x 3 -Richtung gewählt. Wir werden im Folgenden<br />
zwar sehen, dass der kleine Parameter λ und der Störterm Ĥ1 konkret<br />
durch<br />
λ = |e|a BE<br />
Ry<br />
, Ĥ 1 = x 3<br />
a B<br />
Ry<br />
gegeben sind, aber es ist bequemer mit der Kombination λĤ1 zu rechnen. Da<br />
der Hamilton-Operator spinunabhängig ist, reicht es, nur eine der beiden Spinkomponenten<br />
(also entweder φ nlm χ + oder φ nlm χ − ) zu betrachten. Der Spinfreiheitsgrad<br />
spielt im Folgenden keine Rolle und kann ohne Weiteres vernachlässigt<br />
werden.<br />
Betrachten wir zunächst den Grundzustand des Wasserstoffatoms, (nlm) =<br />
(100). Dieser Zustand ist nicht-entartet; man kann daher nicht-entartete Störungstheorie<br />
anwenden. Da der Grundzustand gerade Parität hat (Pφ 100 =<br />
+φ 100 , wegen l = 0) ist der Erwartungswert des Operators λĤ1 (mit ungerader<br />
Parität) im Grundzustand exakt Null:<br />
λE (1)<br />
100 = (φ 100, λĤ1φ 100 ) = −eE(φ 100 , x 3 φ 100 ) = 0 ,<br />
so dass es im Grundzustand keinen linearen Stark-Effekt gibt. Wir werden am<br />
Ende dieses Abschnitts sehen, dass es in diesem Fall sehr wohl einen quadratischen<br />
Stark-Effekt (proportional zu E 2 ) gibt.<br />
Um einen linearen Stark-Effekt zu erhalten, benötigt man offensichtlich Zustände<br />
unterschiedlicher Parität, d. h. Zustände mit gleichem n, jedoch mit unterschiedlichen<br />
Werten von (−1) l . Diese Situation tritt zuerst für n = 2 auf. Da<br />
die vier möglichen Zustände mit n = 2 (wir vernachlässigen ja den Spin) alle<br />
entartet sind:<br />
Ĥ 0 φ 2lm = E 2 φ 2lm [(lm) = (00), (10), (11), (1, −1)] ,<br />
benötigt man Störungstheorie für entartete Zustände. Da das Matrixelement<br />
〈Y lm , x 3 Y l′ m ′〉 nur für ungerades l −l′ und m −m ′ = 0 ungleich Null ist, hat der<br />
Störterm im Unterraum n = 2 die Matrixform<br />
Wegen<br />
0 (φ<br />
ˆP 2 λĤ1ˆP 2 = −eE<br />
200 , x 3 φ 210 ) 0 0<br />
(φ 210 , x 3 φ 200 ) 0 0 0<br />
0 0 0 0<br />
0 0 0 0à.<br />
φ 200 (x) = R 20 (r)Y 00 (Ω)<br />
R 20 (r) =<br />
1<br />
√<br />
2a<br />
3/2<br />
B1 − r<br />
2a Be −r/2aB , R 21 (r) =<br />
, φ 210 (x) = R 21 (r)Y 10 (Ω)<br />
1<br />
2 √ 6a 3/2<br />
B<br />
Y 00 = 1 √<br />
4π<br />
, Y 10 =Ö3<br />
4π cos(ϑ)<br />
r<br />
a B<br />
e −r/2aB
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 144<br />
sind beide nicht-verschwindenden Matrixelemente reell und daher gleich. Eine<br />
explizite Berechnung liefert:<br />
(φ 210 , x 3 φ 200 ) = (φ 200 , x 3 φ 210 ) =∞<br />
dr r 3 R 21 (r)R 20 (r)〈Y 10 , cos(ϑ)Y 00 〉<br />
=<br />
1<br />
2 √ 6a 3/2<br />
B<br />
×2π<br />
0<br />
= 1 4 a B∞<br />
0<br />
0<br />
1<br />
√ dr r<br />
3/2 2a 0<br />
B∞<br />
3 r −<br />
a B1<br />
dϑ sin(ϑ)Ö3<br />
0<br />
0<br />
dxx 41 − x 2e −x 1 21<br />
−1<br />
1<br />
dϕπ<br />
r<br />
2a Be −r/aB<br />
1<br />
4π cos2 (ϑ) √<br />
4π<br />
dy y 2<br />
= a B<br />
12 (Γ(5) − 1 2 Γ(6)) = 1<br />
12 a B(24 − 60) = −3a B .<br />
In der Basis {φ 200 , φ 210 , φ 211 , φ 21,−1 } gilt daher:<br />
ˆP 2 λĤ1ˆP 2 = 3eEa Bσ 1 0<br />
0 0,σ 1 =0 1<br />
und in der Basis { 1 √<br />
2<br />
(φ 200 + φ 210 ),<br />
1 √2 (φ 200 − φ 210 ), φ 211 , φ 21,−1 }:<br />
ˆP 2 λĤ1ˆP 2 = 3eEa Bσ 3 0<br />
0 0,σ 3 =1 0<br />
0 −1.<br />
Die möglichen Energien sind (bis zur ersten Ordnung) also gegeben durch:<br />
B<br />
E = E 2 +´3eEa<br />
0<br />
1 +´−3λ<br />
0<br />
4<br />
−3eEa Bµ=Ry−<br />
+3λµ,<br />
mit λ = |e|Ea B /Ry. Der numerische Wert dieses kleinen Parameters hängt<br />
natürlich von E ab:<br />
λ ≃ 1, 6 · 10−19 × 5, 3 · 10 −11<br />
2, 18 · 10 −18 E ≃ 4 · 10 −12 E ,<br />
wobei Feldstärken bis 10 7 –10 8 V/m durchaus möglich sind. Da Ry einer Wellenlänge<br />
von λ Ry = 2πc<br />
ω<br />
= 2πc<br />
Ry<br />
≃ 10 −7 m entspricht, stimmt 1 4Ry mit einer<br />
Wellenlänge von ungefähr ˜λ = 4 · 10 −7 m überein; die relative Änderung der<br />
Wellenlänge ist<br />
∆˜λ<br />
˜λ = ∆ω<br />
ω = ∆E<br />
E = 12λ ≃ 5 · 10−11 E ,<br />
so dass für starke Felder durchaus ∆˜λ/˜λ ≃ 5 ·10 −3 , also ∆˜λ ≃ 2 nm möglich ist.<br />
Die Basis { 1 √<br />
2<br />
(φ 200 + φ 210 ),<br />
1 √2 (φ 200 − φ 210 ), φ 211 , φ 21,−1 } ist der geeignete<br />
Startpunkt für eine entartete Störungstheorie höherer Ordnung, da in diesem<br />
Fall λĤ1 diagonal ist. Die Energieaufspaltung ist in Abbildung 8.2 dargestellt.<br />
Der Zustand 1 √<br />
2<br />
(φ 200 + φ 210 ) hat hierbei, wegen e < 0, die niedrigste Energie.<br />
Wir betrachten schließlich noch einmal den Grundzustand des Wasserstoffatoms<br />
(n = 1, l = m = 0) und zeigen, dass dieser Zustand sehr wohl einen
=<br />
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 145<br />
quadratischen Stark-Effekt aufweist. Die Korrektur zweiter Ordnung zur ungestörten<br />
Grundzustandsenergie ist:<br />
λ 2 E (2) |(φ ν , λĤ1φ 100 )| 2<br />
|(φ ν , x 3 φ 100 )| 2<br />
100<br />
ν≠(100)<br />
E (0)<br />
100 − E(0) ν<br />
E (0)<br />
100 − . (8.19)<br />
E(0) ν<br />
Wir benutzen nun, dass der Operator<br />
Ô ≡ − m ea B<br />
2r<br />
2 + a Bx 3<br />
die besonders hilfreiche Eigenschaft:<br />
[Ô, Ĥ]φ 100 = x 3 φ 100<br />
= e 2 E 2<br />
ν≠(100)<br />
hat. Dies kann man z. B. wie folgt einsehen: Mit<br />
[x 3 , ˆp 3 ] = i ,<br />
[r, ˆp r ] = i∂<br />
∂r r − 1 ∂<br />
r ∂r r2= + r<br />
i1 ∂ ∂r − 2 − r ∂r=i ∂ ,<br />
der Rechenregel [AB, C] = A[B, C] + [A, C]B und dem Hamilton-Operator<br />
Ĥ = ˆp2 + V (r) = (ˆp r) 2<br />
+ ˆL 2<br />
2m e 2m e 2m e r 2 + e<br />
V (r)<br />
folgt nämlich:<br />
3Ó<br />
[Ô, Ĥ] = −m ea B<br />
2 + a ˆp 2<br />
Bx 3 ,<br />
2m<br />
= − a B<br />
2Òr<br />
2 2 + a B[x 3 , ˆp 2 ] + [ r 2 + a B, ˆp 2 ]x<br />
= − a B<br />
2Ò−r<br />
3Ó 3Ó 3Ó<br />
2 2 + a B[ ˆp 2 3 , x 3] − 1 2 [ ˆp2 r , r]x<br />
= − a B<br />
2Ò−r<br />
2 2 + a B(−2iˆp 3 ) − 1 2 (−2iˆp r)x<br />
= −i a Òr B<br />
2 + a Bˆp 3 + 1 2 ˆp rx<br />
2r<br />
|210〉, |200〉<br />
|211〉, |21, −1〉<br />
(E = 0)<br />
(E ≠ 0)<br />
1 √<br />
2<br />
(|200〉 − |210〉)<br />
|211〉, |21, −1〉<br />
1 √<br />
2<br />
(|200〉 + |210〉)<br />
Abbildung 8.2: Energieaufspaltung beim Stark-Effekt
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 146<br />
und daher:<br />
∂<br />
∂r + 1 cos(ϑ) ∂<br />
2 r ∂r r2φ 100<br />
= −a B cos(ϑ)år<br />
2 + a B∂<br />
∂r + 1 + 1 2 r ∂rèφ ∂ 100<br />
Br<br />
[Ô, Ĥ]φ 100 = −a<br />
2 + a 3<br />
Bx<br />
r<br />
= −a B cos(ϑ)å(r + a B ) ∂ ∂r + 1èφ 100<br />
= −a B cos(ϑ)å(r + a B )− 1<br />
a B+1èφ 100<br />
= r cos(ϑ)φ 100 = x 3 φ 100 .<br />
Hierbei wurde die Gleichung ∂ ∂r φ 100 = − 1<br />
a B<br />
φ 100 verwendet. Mit der Beziehung<br />
(φ ν , x 3 φ 100 ) = (φ ν , [Ô, Ĥ]φ 100) = (E (0)<br />
100 − E(0) ν )(φ ν , Ôφ kann man die Gleichung (8.19) auch als<br />
λ 2 E (2)<br />
(φ 100 , x 3 φ ν )(φ ν , Ôφ 100)<br />
= e 2 E 2ä(φ 100 , x 3 Ôφ 100 ) − (φ 100 , x 3 φ 100 )(φ 100 , 100)ç<br />
Ôφ<br />
100 = e2 E 2<br />
ν≠(100)<br />
= e 2 E 2 (φ 100 , x 3 Ôφ 100 )<br />
schreiben. Im letzten Schritt wurde verwendet, dass die {φ ν }, die sowohl die<br />
gebundenen als auch die ausgedehnten Zustände enthalten, vollständig sind und<br />
dass der zweite Term wegen der geraden Parität von φ 100 Null ist. Aus der<br />
expliziten Form der Grundzustandswellenfunktion:<br />
φ 100 (x) = R 10 (r)Y 00 (Ω) , R 10 (r) = 2 e −r/aB , Y<br />
a 3/2<br />
00 (Ω) = √ 1 ,<br />
B<br />
4π<br />
folgt leicht:<br />
λ 2 E (2)<br />
100 = −m ea B<br />
2 e 2 E 2φ 100 ,r<br />
2 + a Bx 2 3 100<br />
φ<br />
= − m ea B<br />
3 2 e2 E 2φ 100 ,r<br />
2 + a Br 2 φ 100=− 9 8<br />
so dass insgesamt mit λ = |e|Ea B /Ry:<br />
E 100 = E 1 + λ 2 E (2)<br />
100 = −(1 + 9 8 λ2 )Ry<br />
gilt. Die Polarisation des Grundzustandes folgt als:<br />
P = − ∂E 100<br />
∂E = 9 (ea B ) 2 E<br />
4 Ry<br />
und die Polarisierbarkeit ist daher durch:<br />
gegeben.<br />
α = ∂P<br />
∂E = 9 (ea B ) 2<br />
4 Ry<br />
,<br />
(ea B E) 2<br />
Ry<br />
,
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 147<br />
8.6 Zeitabhängige Störungstheorie<br />
Manchmal ist eine Störung nicht zeitunabhängig, wie wir bisher angenommen<br />
haben, sondern explizit zeitabhängig. Der Hamilton-Operator lautet in diesem<br />
Fall:<br />
Ĥ = Ĥ0 + λĤ1(t) .<br />
Ein wichtiges Beispiel ist die Wechselwirkung eines Atoms bzw. eines atomaren<br />
Elektrons mit dem Strahlungsfeld. Der Störterm hat in diesem Fall die Form:<br />
λĤ1(t) = − e e2<br />
A(x, t) · ˆp + [A(x, t)]2<br />
m 2m<br />
mit<br />
0 1<br />
A(x, t) = cÖµ<br />
√<br />
2V<br />
kα (t)e ωkäa ik·x + a † kα (t)e−ik·xçε (kα) ,<br />
k≠0,α<br />
wobei ε (kα) ein Polarisationsvektor ist und a kα (t) = a kα e −iω kt Photonen mit<br />
dem Wellenvektor k und der Polarisationsrichtung α vernichtet. Bei der Herleitung<br />
des Störterms wird die Coulomb-Eichung benutzt. Da das elektromagnetische<br />
Feld aus unendlich vielen Moden aufgebaut ist, die alle mit einer charakteristischen<br />
Frequenz ω k = c|k| oszillieren, ist der Störterm sicherlich zeitabhängig.<br />
Da jede Mode im Störterm eine strikt periodische Zeitabhängigkeit aufweist<br />
und die verschiedenen Moden in führender Ordnung separat behandelt werden<br />
können, ist die periodische Störung,<br />
Ĥ 1 (t) = Ĥ1(0)e ±iωt (ω > 0) ,<br />
in der zeitabhängigen Störungstheorie von besonderem Interesse.<br />
Startpunkt unserer Untersuchung der Struktur der Störungsreihe ist – wie<br />
immer – die Schrödinger-Gleichung:<br />
i∂ t ψ = [Ĥ 0 + λĤ 1 (t)]ψ , ψ(x, 0) = ψ 0 (x) . (8.20)<br />
Wir gehen nun auf das „Wechselwirkungsbild“ über:<br />
ψ = e −iĤ0t/ χ , χ(x, 0) ≡ χ 0 (x) = ψ 0 (x) . (8.21)<br />
Die Motivation für die Einführung des Wechselwirkungsbildes ist, dass die neue<br />
Funktion χ(x, t) in (8.21) für λ = 0 strikt zeitunabhängig wäre. Daher erwartet<br />
man, dass χ für kleine λ nur schwach mit der Zeit variiert. Einsetzen von (8.21)<br />
in (8.20) liefert:<br />
d. h.<br />
e −iĤ0t/ i∂ t χ + Ĥ0ψ = Ĥ0ψ + λĤ1(t)e −iĤ0t/ χ ,<br />
i∂ t χ = ĤW(t)χ , Ĥ W (t) ≡ e iĤ0t/ λĤ1(t)e −iĤ0t/ ,<br />
bzw. nach einer Integration:<br />
χ(t) = χ 0 +<br />
it 1 dt 1 Ĥ W (t 1 )χ(t 1 ) . (8.22)<br />
0
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 148<br />
Diese Integralgleichung für χ kann iterativ gelöst werden:<br />
χ(t) = χ 0 +<br />
it 1 dt 1 Ĥ W (t 1 )χ 0<br />
0<br />
+ 1<br />
2t 1<br />
dt 1t<br />
dt 2 Ĥ W (t 1 )Ĥ W (t 2 )χ(t 2 )<br />
(i) 0 0<br />
1<br />
∞k=1<br />
kt<br />
=ä½+<br />
1<br />
k−1<br />
dt 1t<br />
dt 2 · · ·t<br />
dt k Ĥ W (t 1 )ĤW(t 2 ) · · ·<br />
(i) 0 0 0<br />
· · · ĤW(t k )çχ 0<br />
Û k (t)èχ 0 ≡ ≡å∞k=0 ÛW(t)χ 0 . (8.23)<br />
Natürlich ist ÛW(t) nichts anderes als der Zeitentwicklungsoperator im Wechselwirkungsbild.<br />
Er erfüllt die Gleichung<br />
i∂ t Û = ĤW(t)Û(t) , Û(0) =½.<br />
Mit Hilfe des Zeitordnungsoperators T ,<br />
T [f(t 1 )g(t 2 )] ≡ f(t 1 )g(t 2 )Θ(t 1 − t 2 ) + g(t 2 )f(t 1 )Θ(t 2 − t 1 ) ,<br />
kann man Û(t) eleganter darstellen. Es gilt nämlich:<br />
Û 2 (t) = 1<br />
2t<br />
(i)<br />
und allgemeiner:<br />
0<br />
1<br />
2t<br />
=<br />
2!(i)<br />
dt 1t 1<br />
0<br />
0<br />
dt 1t<br />
0<br />
dt 2 Ĥ W (t 1 )ĤW(t 2 )<br />
dt 2 T [ĤW(t 1 )ĤW(t 2 )]<br />
1<br />
kt<br />
Û k (t) = dt 1 · · ·t<br />
dt k T [ĤW(t 1 )ĤW(t 2 ) · · ·ĤW(t k )] ,<br />
k!(i)<br />
so dass man symbolisch schreiben kann:<br />
Û(t) = Tå∞k=0<br />
0<br />
1<br />
k!1<br />
it<br />
0<br />
0<br />
dt ′ Ĥ W (t ′ )kè=Tåe −iÊt<br />
0 dt′ Ĥ W(t ′ )/è.<br />
Der Zeitentwicklungsoperator hat im Wechselwirkungsbild also die Form einer<br />
zeitgeordneten Exponentialfunktion. Formal wird die Lösung von (8.20) also<br />
durch (8.23) gegeben.<br />
Um mehr Einsicht in die physikalischen Eigenschaften der Lösung zu erlangen,<br />
beschränken wir uns auf die ersten zwei Ordnungen:<br />
χ(t) = [½+Û1(t) + Û2(t)]χ 0 + O(λ 3 ) (8.24)<br />
und entwickeln χ(t) nach den zeitunabhängigen Eigenfunktionen {φ n } von Ĥ0:<br />
χ(t) =n<br />
c n (t)φ n , Ĥ 0 φ n = E n φ n . (8.25)
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 149<br />
Der Einfachheit halber nehmen wir außerdem an, dass das System sich für t = 0<br />
in einem Eigenzustand von Ĥ0 befindet:<br />
ψ 0 (x) = χ 0 (x) = φ l (x) .<br />
Einsetzen von (8.25) in (8.24) liefert aufgrund der Vollständigkeit der {φ m }:<br />
c n (t) = δ nl +<br />
it 1 dt 1 (φ n , ĤW(t 1 )φ l )<br />
0<br />
+ 1<br />
2t<br />
(i)<br />
0<br />
1<br />
dt 1t<br />
dt<br />
0<br />
2m<br />
≡ c (0)<br />
n (t) + c (1)<br />
n (t) + c (2)<br />
n (t) + . . . .<br />
Einsetzen der Definition von ĤW(t) liefert:<br />
(φ n , ĤW(t 1 )φ m )(φ m , ĤW(t 2 )φ l ) + . . .<br />
und<br />
c (1)<br />
n<br />
it<br />
(t) = λ dt 1 (φ n , Ĥ1(t 1 )φ l )e i(En−E l)t 1/<br />
c (2)<br />
n (t) = λ2<br />
0<br />
2mt 1<br />
dt 1t<br />
(i) 0 0<br />
dt 2 (φ n , Ĥ1(t 1 )φ m )<br />
× (φ m , Ĥ1(t 2 )φ l )e i [(En−Em)t1+(Em−E l)t 2]<br />
.<br />
Für den Spezialfall einer periodischen Störung, Ĥ1(t) = Ĥ1(0)e ±iωt , der für die<br />
Emission oder Absorption von Photonen durch ein Atom relevant ist, folgt für<br />
die Übergangsamplitude c (1)<br />
n (t):<br />
c (1)<br />
n (t) = 1<br />
i (φ n, λĤ1(0)φ l )t<br />
0<br />
dt 1 e i(En−E l±ω)t 1/<br />
und daher für die Übergangswahrscheinlichkeit:<br />
|c (1)<br />
n (t)|2 = 1 2¬t<br />
2 |(φ n, λĤ1(0)φ l )| dt 1 e 2iαt1¬2<br />
,<br />
0<br />
mit 2α ≡ 1 (E n − E l<br />
t<br />
± ω). Hierbei gilt:<br />
= sin2 (αt)<br />
πα 2 πt .<br />
t<br />
Wegen<br />
lim dα<br />
t→∞∞<br />
sin2 (αt)<br />
−∞ πα 2 f(α) = lim dx<br />
t t→∞∞<br />
sin2 (x)<br />
fx<br />
−∞ πx 2<br />
= f(0) dx<br />
π∞<br />
sin2 (x)<br />
x 2 = f(0) ,<br />
¬t<br />
dt 1 e 2iαt1¬2 =¬e2iαt − 1 sin =<br />
0<br />
2iα¬2 2 (αt)<br />
α 2<br />
−∞<br />
für beliebige Funktionen f, gilt im Langzeitlimes:<br />
sin 2 (αt)<br />
n − E l ± ω<br />
lim<br />
t→∞ πα 2 = δ(α) = δE<br />
=2 δ(E n − E l ± ω) .<br />
t<br />
2
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 150<br />
Die Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit vom Anfangszustand φ l zum<br />
Endzustand φ n ist daher gegeben durch:<br />
|c (1)<br />
n (t)|2 /t = 2π |(φ n, λĤ1(0)φ l )| 2 δ(E n − E l ± ω) .<br />
Dieses Ergebnis, das zuerst von W. Pauli hergeleitet wurde, ist gemeinhin als<br />
Fermis „Goldene Regel“ bekannt.
Literaturverzeichnis<br />
[1] M. Abramowitz I.A. Stegun. Handbook of Mathematical Functions. Dover<br />
Publications, Dover, 1965.<br />
[2] M. Abramowitz I.A. Stegun. Pocketbook of Mathematical Functions. Harri<br />
Deutsch, Frankfurt/Main, 1986.<br />
[3] P.A.M. Dirac. The Principles of Quantum Mechanics. Clarendon Press,<br />
Oxford, 1958.<br />
[4] R.P. Feynman R.B Leighton M. Sands. The Feynman Lectures On Physics,<br />
volume 3. Addison Wesley Publishing Company, Reading, MA, 1970.<br />
[5] L.D. Landau E.M. Lifschitz. Lehrbuch der theoretischen Physik, Band 3.<br />
Akademie-Verlag, Berlin, 1988.<br />
[6] E. Merzbacher. Quantum Mechanics. Wiley, New York, 1970.<br />
[7] A. Messiah. <strong>Quantenmechanik</strong>, Band 1. de Gruyter, Berlin, 1991.<br />
[8] A. Messiah. <strong>Quantenmechanik</strong>, Band 2. de Gruyter, Berlin, 1990.<br />
[9] W. Pauli. Wave Mechanics. Dover, New York, 2000.<br />
[10] F. Scheck. Theoretische Physik 2. Springer Verlag, Berlin, 2000.<br />
[11] F. Schwabl. <strong>Quantenmechanik</strong>. Springer Verlag, Berlin, 2002.<br />
[12] R. Shankar. Principles of Quantum Mechanics. Plenum Press, New York,<br />
1980.
Index<br />
α-Zerfall, 89<br />
abstrakter Vektorraum, 69<br />
adjungierter Operator, 39<br />
aktive Drehung, 102<br />
Algebraische Methode, 78<br />
Algorithmus<br />
entartete Störungstheorie, 140,<br />
142<br />
Rayleigh-Schrödinger-<br />
Störungstheorie, 128–130<br />
Ammoniakmolekül, 96<br />
Anharmonischer Oszillator, 131<br />
anomaler Zeeman-Effekt, 115<br />
Anschlussbedingungen, 89<br />
Deltapotential, 91<br />
Potentialschwelle, 91<br />
asymptotische Reihe, 128<br />
Beispiel, 129<br />
atomarer Diamagnetismus, 115, 134<br />
Auswahlregel, 132<br />
Bahndrehimpuls, 98, 104<br />
als Erhaltungsgröße, 103<br />
Eigenfunktionen, 104<br />
Bahndrehimpulsoperator, 22, 24<br />
Bahndrehimpulsquantenzahl, 99<br />
Balmer-Formel, 7, 9<br />
Besetzungszahloperator, 78, 81<br />
Betafunktion, 106<br />
Bohr<br />
Atommodell, 7<br />
Quantisierungsbedingung, 8<br />
Radius, 8, 8, 110<br />
Born<br />
Interpretation von |ψ| 2 , 9<br />
„bra“, 70<br />
Compton-Effekt, 6<br />
Comptonwellenlänge, 7, 8<br />
Coulomb<br />
Eichung, 114<br />
Potential, 108<br />
Wellenfunktion, 112<br />
Darstellung, 60, 122<br />
der Lie-Gruppe, 102<br />
Energiedarstellung, 59<br />
im Vergleich, 60<br />
unitär äquivalente, 124<br />
Wechsel der, 60<br />
Darstellung der Deltafunktion, 46<br />
Darstellungswechsel, 60<br />
De Broglie-Wellenlänge, 9<br />
Deltafunktion, 46<br />
eines Operators, 54<br />
Deltapotential, 91, 91<br />
Anschlussbedingungen, 91<br />
Eigenfunktionen, 91<br />
deterministisch, 3<br />
diamagnetisch, 135<br />
Diamagnetismus<br />
atomarer, 115, 134<br />
diskretes Spektrum, 113<br />
Dispersionsrelation, 13<br />
Drehgruppe, 100, 101<br />
SO(3), 100<br />
Erzeuger, 122<br />
Drehimpuls, 27, 29, 115<br />
Drehmoment, 27<br />
Drehung, 101<br />
aktive, 102<br />
passive, 102<br />
dualer<br />
Vektor, 70<br />
Vektorraum, 70<br />
Dualismus, 7<br />
Dualität des Lichts, 7<br />
effektives Potential, 99<br />
152
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- INDEX 153<br />
Ehrenfest’sches Theorem, 27<br />
Eigenfunktionen, 47<br />
Bahndrehimpuls, 104<br />
Eigenrotation des Elektrons, 116<br />
Eigenwert, 55<br />
Einheitsoperator, 38<br />
Einstein<br />
Summationskonvention, 26<br />
elektrisches Feld, 143<br />
elektromagnetische Wellen, 4<br />
elektromagnetisches Feld, 147<br />
Hamilton-Funktion, 14<br />
Hamilton-Operator, 14<br />
Stromdichte, 21<br />
Elektron, 114<br />
Eigenrotation, 116<br />
Elektronenradius, klassischer, 8<br />
Energieaufspaltung<br />
Stark-Effekt, 142, 145<br />
Zeeman-Effekt, 115, 117<br />
Energiedarstellung, 59<br />
entartete Störungstheorie, 140<br />
Algorithmus, 140, 142<br />
Entartung, 56, 140<br />
Fast-Entartung, 131<br />
Störungstheorie, 125<br />
Erhaltungsgröße<br />
Bahndrehimpuls, 103<br />
bei Drehungen, 103<br />
Erwartungswert, 39<br />
Erzeugungsoperator, 74<br />
fast-entartete Zustände, 94<br />
Fast-Entartung, 131<br />
Feinstrukturkonstante, 8, 8, 110<br />
Fermis Goldene Regel, 150<br />
Fourier-Analyse, 46<br />
freie Teilchen, 13<br />
Funktionen<br />
von Operatoren, 54<br />
Funktionenraum, 36, 53<br />
Gauß-Paket<br />
isotropes, 42<br />
Gesamtwahrscheinlichkeit, 19<br />
Geschwindigkeitsoperator, 22, 26<br />
Gitterschwingungen, 74<br />
Goldene Regel, 150<br />
Grenzfläche, 86<br />
Grundzustand<br />
Wasserstoffproblem, 134, 143, 145<br />
Grundzustandsenergie, 108<br />
gyromagnetischer Faktor, 116<br />
gyromagnetisches Verhältnis, 115<br />
Hamilton<br />
Bewegungsgleichungen, 3<br />
Funktion, 3<br />
Funktion im elm. Feld, 14<br />
Hamilton-Operator, 14<br />
als Integral-Operator, 57<br />
Eigenfunktionen, 47<br />
für viele Teilchen, 34<br />
Hermitezität, 24<br />
im elm. Feld, 14<br />
Kommutatoren, 24<br />
Zentralpotential, 98<br />
harmonische Analyse, 45, 46<br />
Harmonischer Oszillator, 73, 125<br />
d-dimensional, 74<br />
Algebraische Methode, 78<br />
Anharmonischer, 131<br />
Eigenfunktionen, 80<br />
Energieeigenwerte, 80<br />
Mittelwerte, 75<br />
Vollständigkeit der Eigenfunktionen,<br />
81<br />
Zeitentwicklung, 82<br />
harmonisches Potential, 108<br />
Hauptquantenzahl, 110<br />
Heisenberg<br />
Unschärferelation, 39<br />
hermitesche Operatoren, 53<br />
Hermitezität, 39<br />
des Hamilton-Operators, 24<br />
Hilbert-Raum, 36<br />
Hohlraumstrahlung, 5<br />
Identität<br />
für Hermite-Polynome, 81<br />
Jacobi-, 24<br />
Impuls<br />
kinetischer, 22<br />
Impulsdarstellung, 69<br />
Impulsoperator, 13<br />
Eigenfunktionen, 47<br />
Interferenz, 5<br />
isotropes Gauß-Paket, 42<br />
Jacobi-Identität, 24
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- INDEX 154<br />
Kasten, 43<br />
Kastenpotential, 108<br />
„ket“, 70<br />
kinetischer Impuls, 22<br />
klassische Teilchen, 3<br />
klassischer Elektronenradius, 8<br />
klassischer Limes, 27<br />
Kommutator, 22, 23<br />
Bahndrehimpuls, 24<br />
Hamilton-Operator, 24<br />
konfluente hypergeometrische<br />
Funktion, 111<br />
kontinuierlich, 100<br />
Kontinuitätsgleichung, 10, 20<br />
Vielteilchen, 34<br />
Koordinatentransformation, 62<br />
Korrespondenzprinzip, 13<br />
Kugelfunktion, 107<br />
Parität, 107<br />
Kummer’sche<br />
Differentialgleichung, 111<br />
Funktion, 111, 112<br />
Ladungsdichte, 22<br />
Lagrange<br />
Funktion, 3<br />
Gleichungen, 3<br />
Laguerre-Polynom<br />
verallgemeinertes, 112<br />
Landau-Niveaus, 74<br />
Larmor-Frequenz, 115<br />
Leiteroperatoren, 81, 118<br />
Lennard-Jones-Potenial, 108<br />
Lie-Algebra, 101<br />
Lie-Gruppe, 101<br />
Darstellung, 102<br />
Erzeuger, 101<br />
linear, 36<br />
Operator, 38<br />
linearer Raum, 36<br />
Lorentz-Kraft, 29<br />
Magnetfeld, 114<br />
atomarer Diamagnetismus, 134<br />
Larmor-Frequenz, 115<br />
Wasserstoffproblem im, 114<br />
Zeeman-Effekt, 115<br />
magnetische Quantenzahl, 99<br />
magnetische Suszeptibilität, 135<br />
magnetisches Moment, 115, 135<br />
Maxwell-Gleichungen, 4<br />
Messung, 55<br />
Mittelwerte<br />
Zeitentwicklung, 24<br />
Nebenquantenzahl, 99, 106, 112<br />
nicht-abelsch, 100<br />
nichtrelativistischer Limes, 12<br />
normaler Zeeman-Effekt, 115<br />
Normalkoordinaten, 73<br />
Normierung, 9, 117<br />
Nulloperator, 38<br />
Nullpunktsschwingung, 76<br />
Observable, 39, 53, 55<br />
Operator<br />
adjungiert, 39<br />
Bahndrehimpuls, 22<br />
Erwartungswert, 39<br />
Geschwindigkeit, 22, 26<br />
Hamilton, 14<br />
hermitesch, 53<br />
Impuls, 13<br />
Linearer, 38<br />
Ort, 22<br />
Spin, 116<br />
Spin in Matrixform, 118<br />
vollständiger Satz, 59, 117<br />
Operatorfunktionen, 54<br />
orthogonale Transformationen, 100<br />
orthonormal, 49, 53<br />
Orthonormalität, 53<br />
Ortsdarstellung, 60, 69<br />
Ortseigenfunktionen, 49<br />
Ortsoperator, 22<br />
Eigenfunktionen, 48<br />
Oszillationen, 94<br />
Ammoniakmolekül, 96<br />
Oszillator<br />
anharmonischer, 131<br />
harmonischer, 73<br />
Parität, 107, 143<br />
Parseval’sches Theorem, 51<br />
passive Drehung, 102<br />
Pauli<br />
Gleichung, 118<br />
Matrizen, 119<br />
Spinor, 118<br />
periodische Störung, 147, 149
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- INDEX 155<br />
periodisches Potential, 89<br />
Phononen, 74, 81<br />
Photoeffekt, 6<br />
Photonen, 6, 7, 74, 81<br />
Absorption, 149<br />
Emission, 149<br />
Planck<br />
Strahlungsgesetz, 6<br />
Wirkungsquantum, 6<br />
Pochhammer-Symbol, 111<br />
Polarisation, 146<br />
Polarisierbarkeit, 146<br />
Postulate der <strong>Quantenmechanik</strong>, 55<br />
Potential<br />
Coulomb-Potential, 108<br />
Deltapotential, 91<br />
effektives, 99<br />
harmonisches, 108<br />
Kastenpotential, 108<br />
Lennard-Jones, 108<br />
periodisches, 89<br />
Potentialschwelle, 90<br />
Potentialtopf, 91<br />
realistisches, 108<br />
Zentralpotential, 97<br />
Potentialbarriere, 89<br />
Projektor, 56<br />
Propagator, 48<br />
Proton, 114<br />
quadratisch integrierbar, 36, 38<br />
Quantentunneln, 95<br />
Quantenzahlen<br />
Bahndrehimpuls, 99<br />
Hauptquantenzahl, 110<br />
Klassifizierung der Eigenfunktionen,<br />
99<br />
magnetische, 99<br />
Nebenquantenzahl, 99, 106, 112<br />
Randbedingung<br />
fest, 44<br />
periodisch, 44<br />
Rayleigh-Jeans<br />
Strahlungsgesetz, 6<br />
Rayleigh-Schrödinger-Störungstheorie,<br />
127<br />
Algorithmus, 128–130<br />
realistisches Potential, 108<br />
Riccati-Gleichung, 86<br />
Rydberg-Konstante, 110<br />
Satz<br />
orthonormal, 49<br />
vollständig, 49, 59<br />
Schrödingergleichung, 13<br />
Vielteilchen, 34<br />
Schwarz’sche Ungleichung, 37<br />
Schwingung<br />
kleine, 73<br />
Singularitäten im Potential, 89<br />
Skalarprodukt, 36<br />
Eigenschaften, 37<br />
im k-Raum, 50<br />
SO(3), 100<br />
Spin, 114, 116<br />
Spinoperator, 116<br />
Matrixdarstellung, 118<br />
Spinor<br />
Pauli-Spinor, 118<br />
Störpotential, 90<br />
Störung<br />
periodische, 147, 149<br />
Störungstheorie, 125<br />
Algorithmus für entartete Zustände,<br />
140, 142<br />
entartete Zustände, 140<br />
Entartung, 125<br />
nicht-entartet, 127<br />
Rayleigh-Schrödinger, 127<br />
Rayleigh-Schrödinger-<br />
Algorithmus, 128–130<br />
Wechselwirkungsbild, 147<br />
zeitabhängig, 147<br />
Zusammenbruch, 126<br />
Stark-Effekt, 142<br />
Energieaufspaltung, 145<br />
linearer, 143<br />
quadratischer, 143, 145<br />
Stern-Gerlach-Experiment, 115, 117<br />
Strahlungsfeld, 81<br />
Strahlungsgesetz<br />
Max Planck, 6<br />
Rayleigh-Jeans, 6<br />
Wien, 6<br />
Streuung, 89<br />
Summationskonvention, 26<br />
Teilchen im Kasten, 43<br />
Theorem
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- INDEX 156<br />
Ehrenfest, 27<br />
Parseval, 51<br />
Virialtheorem, 28<br />
Transformationsverhalten, 103<br />
Tunneleffekt, 95<br />
beim NH 3<br />
-Molekül, 96<br />
Tunnelprozess, 89<br />
Übergangsamplitude, 149<br />
Übergangswahrscheinlichkeit, 149<br />
unitär, 62<br />
unitär äquivalent, 124<br />
unitärer Raum, 38<br />
Unschärfe, 40<br />
Minimale, 40<br />
Relation, 39, 76<br />
Van-der-Waals-Kräfte, 108<br />
Variationswellenfunktion, 108<br />
Vektorraum<br />
abstrakter, 69<br />
dualer, 70<br />
verallgemeinertes Laguerre-Polynom,<br />
112<br />
Vernichtungsoperator, 74<br />
Vertauschungsrelationen, 22<br />
Vielteilchen<br />
Hamilton-Operator, 34<br />
Kontinuitätsgleichung, 34<br />
Schrödingergleichung, 34<br />
Wellenfunktion, 34<br />
Vielteilchen-Systeme, 34<br />
Virialtheorem, 28<br />
beim harmonischen Oszillator,<br />
75<br />
vollständig, 49, 53<br />
vollständiger Raum, 38<br />
vollständiger Satz<br />
von Operatoren, 59, 117<br />
Vollständigkeit, 53<br />
im Magnetfeld, 114<br />
Lösung, 113<br />
Spektrum, 113<br />
Stark-Effekt, 143<br />
Wechselwirkungsbild, 147<br />
Zeitentwicklungsoperator, 148<br />
Welle-Teilchen-Dualismus, 7, 9<br />
Wellen<br />
elektromagnetische, 4<br />
Wellenfunktion, 9<br />
Transformationsverhalten, 103<br />
Vielteilchen, 34<br />
Wellengleichung, 12<br />
Wellenpaket<br />
gaußförmig, 41<br />
Wien<br />
Strahlungsgesetz, 6<br />
Zeeman-Effekt<br />
anomaler, 115<br />
normaler, 115<br />
Zeitabhängige Störungstheorie, 147<br />
Zeitentwicklung<br />
von Mittelwerten, 24<br />
Zeitentwicklungsoperator, 48, 58<br />
Harmonischer Oszillator, 82<br />
im Wechselwirkungsbild, 148<br />
Zeitordnungsoperator, 148<br />
Zentralpotential, 97<br />
Hamilton-Operator, 98<br />
Wasserstoffproblem, 110<br />
Zentrifugalkraft, 99<br />
Zerfallsprozess, 89<br />
Zweikörperproblem, 97<br />
Wahrscheinlichkeits<br />
Dichte ̺, 20<br />
Erhaltung, 19<br />
Stromdichte j, 20<br />
Wasserstoffatom, siehe Wasserstoffproblem<br />
Wasserstoffproblem, 110, 125<br />
elektr. Feld, 143<br />
Grundzustand, 134, 143, 145