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Quantenmechanik I - KOMET 337

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<strong>Quantenmechanik</strong> I<br />

Skript zur Vorlesung von Prof. Dr. Petervan Dongen<br />

WS 2005/06<br />

Institut für Physik<br />

Staudingerweg 7, 55099 Mainz<br />

Copyright c○2002 Peter van Dongen, Mainz, Germany<br />

letzte Aktualisierung: 16. März 2006


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 1<br />

1 Einführung 2<br />

1.1 Die klassische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

1.2 Experimente an quantenmechanischen Systemen . . . . . . . 5<br />

1.2.1 Hohlraumstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.2.2 Photoelektrischer Effekt . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.2.3 Compton-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.3 Die Dualität der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

1.4 Bedingungen an eine nicht-relativistische Quantentheorie . . . 10<br />

2 Die Wellengleichung 12<br />

2.1 Konstruktion einer Wellengleichung . . . . . . . . . . . . 12<br />

2.2 Ein einfaches Beispiel: freies Teilchen in einer Dimension (d = 1) 15<br />

2.2.1 Gauß’sche Wellenpakete . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

2.2.2 Lösung für eine allgemeine Anfangsbedingung . . . . . 18<br />

2.3 Wahrscheinlichkeitserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

2.4 Vertauschungsrelationen und Kommutatoren . . . . . . . . . 22<br />

2.5 Das Ehrenfest’sche Theorem . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

2.6 Der klassische Limes („ → 0“) . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

2.7 Nichtrelativistische Quantensysteme mehrerer Teilchen . . . . 34<br />

3 Formale Struktur der <strong>Quantenmechanik</strong> 36<br />

3.1 Der quantenmechanische Funktionenraum . . . . . . . . . . 36<br />

3.2 Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

3.3 Die Heisenberg’schen Unschärferelationen . . . . . . . . . . 39<br />

3.4 Die Unschärferelation ∆E∆t ≥ 1 2 . . . . . . . . . . . . 42<br />

3.5 Operatoren im Hilbertraum: Ein konkretes Beispiel . . . . . . 43<br />

3.5.1 Entwicklung nach Basisfunktionen . . . . . . . . . 45<br />

3.5.2 Operatoren im Hilbert-Raum . . . . . . . . . . . . 47<br />

3.6 Operatoren im Hilbert-Raum: Das allgemeine Schema . . . . 51<br />

3.7 Vollständige Sätze von kommutierenden Operatoren . . . . . 59<br />

3.8 Darstellungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

3.9 Bilder der <strong>Quantenmechanik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

3.9.1 Das Schrödinger-Bild . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

3.9.2 Das Heisenberg-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

3.9.3 Das Wechselwirkungsbild . . . . . . . . . . . . . 66


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ INHALTSVERZEICHNIS ii<br />

3.9.4 Explizite Form des Zeitentwicklungsoperators . . . . . 67<br />

3.10 Der abstrakte Vektorraum . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

4 Der harmonische Oszillator 73<br />

4.1 Der d-dimensionale harmonische Oszillator . . . . . . . . . 74<br />

4.2 Algebraische Lösungsmethode für den harmonischen Oszillator 78<br />

4.3 Die Vollständigkeit der Eigenfunktionen . . . . . . . . . . . 81<br />

4.4 Der Zeitentwicklungsoperator . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

5 Eindimensionale Systeme 85<br />

5.1 Die Eigenwertgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />

5.1.1 Asymptotisches Verhalten von φ(x) für |x| → ∞ . . . 87<br />

5.1.2 Singularitäten in χ(x) nahe x s . . . . . . . . . . . . 89<br />

5.2 Einige relevante Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

5.3 Einfluss eines Störpotentials . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

5.4 Das Deltapotential im Kasten . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

5.5 Oszillationen zwischen fast-entarteten Zuständen . . . . . . . 94<br />

6 Das Zentralpotential 97<br />

6.1 Formale Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

6.2 Die Drehgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />

6.3 Drehungen in der <strong>Quantenmechanik</strong> . . . . . . . . . . . . 101<br />

6.4 Das Eigenwertproblem für ˆL 2 und ˆL 3 . . . . . . . . . . . . 104<br />

6.5 Eigenwertgleichung für den radialen Anteil R νl (r) . . . . . . 108<br />

6.6 Das Wasserstoffproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />

7 Der Spin 114<br />

7.1 Das Wasserstoffatom im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . 114<br />

7.2 Eine Matrixdarstellung für Ŝ . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />

7.2.1 Der gyromagnetische Faktor g=2 . . . . . . . . . . 120<br />

7.3 Transformationsverhalten von Spinoren unter Drehungen . . . 122<br />

8 Störungstheorie 125<br />

8.1 Grundlagen der Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

8.2 Rayleigh-Schrödinger-Störungstheorie (nicht entartet) . . . . . 127<br />

8.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

8.4 Störungstheorie für entartete Zustände . . . . . . . . . . . 140<br />

8.5 Beispiel: Der Stark-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

8.6 Zeitabhängige Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />

Literaturverzeichnis 151<br />

Index 152


Vorwort<br />

Dieses Skript ist die aktualisierte L A TEX-Version der Notizen, die ich im Laufe<br />

des WS 2001/2002 zur Vorbereitung einer Kursvorlesung <strong>Quantenmechanik</strong> I<br />

vor Mainzer Studierenden geschrieben habe. Für die Fertigstellung des „Compuskripts“<br />

möchte ich mich ganz herzlich bei meinen zwei Stützen, Elvira Helf<br />

und Florian Jung, bedanken. Frau Helf hat sich um den Text gekümmert, Herr<br />

Jung um die Formeln, die Grafiken und das Layout. Die Verantwortung für den<br />

Inhalt liegt natürlich bei mir. Sollte der Leserin oder dem Leser eine Unstimmigkeit<br />

auffallen, bitte ich um eine Mitteilung (peter.vandongen@uni-mainz.de).<br />

Die elektronische Version dieses Skripts findet man auf der Homepage meiner<br />

Gruppe (http://komet<strong>337</strong>.physik.uni-mainz.de/Group/).<br />

Der Inhalt der Vorlesung entspricht dem Mainzer Theoriekanon und somit<br />

– vermutlich – dem Kanon fast jeder einführenden Vorlesung über Quantentheorie<br />

auf der Welt: Nach einer kurzen Einführung und Motivation wird der<br />

Formalismus der <strong>Quantenmechanik</strong> aufgebaut, der anhand einfacher Beispiele<br />

erläutert und dann am harmonischen Oszillator, an eindimensionalen Systemen<br />

und an Zentralpotentialen erprobt wird. Im Rahmen der Diskussion zentralsymmetrischer<br />

Probleme werden die Drehgruppe, der Elektronenspin und die<br />

Pauli-Gleichung behandelt. Eine Darstellung störungstheoretischer Methoden,<br />

einschließlich der Herleitung von Fermis „goldener Regel“, schließt den Stoff ab.<br />

Wenn der Inhalt schon weitestgehend durch offensichtliche Prioritäten und<br />

den knappen Zeitrahmen festgelegt ist, kann man zumindest eigene Akzente<br />

setzen: Die allgemeine Struktur eines Problems (oder einer Klasse von Problemen)<br />

war mir wichtiger als die Details einer speziellen Lösung. Wichtiger als die<br />

unerläßliche (und oft elegante) Mathematik war mir die zugrundeliegende Physik.<br />

Wenn nur möglich habe ich Zusammenhänge und mögliche Anwendungen<br />

hervorgehoben.<br />

Ich hoffe, dass dieses Skript sich zumindest für Mainzer Studierende als nützlich<br />

erweist, und wünsche ihnen viel Erfolg und auch Spaß bei der Erforschung<br />

der Quantenwelt.<br />

Mainz, im November 2005<br />

P.G.J. van Dongen


Kapitel1<br />

Einführung<br />

Die <strong>Quantenmechanik</strong> ist die Theorie des Kleinen; die Theorie der Atome, der<br />

Elektronen, der Nukleonen, der Photonen und Phononen. Darüber hinaus ist<br />

die <strong>Quantenmechanik</strong> manchmal auch die Theorie des Großen, wenn mikroskopische<br />

Freiheitsgrade sich kollektiv verhalten und ein „makroskopisches Quantenphänomen“<br />

bilden: Man denke an Supraleitung und Suprafluidität oder an<br />

den gebrochenzahligen Quanten-Hall-Effekt. Auch bei diesen makroskopischen<br />

Phänomenen ist es jedoch unbedingt erforderlich, die Physik auf atomarer Skala<br />

zu verstehen. Hierbei kann man „atomare Skala“ in erster Näherung so übersetzen,<br />

dass die klassische Physik ihre Gültigkeit verliert und die <strong>Quantenmechanik</strong><br />

unerlässlich wird, wenn die typische Wirkung eines Problems, also das Produkt<br />

der typischen Längenskala mit dem typischen Impuls, nicht mehr viel größer als<br />

das Planck’sche Wirkungsquantum ist. Häufig ist diese Faustregel zu schwach:<br />

Elektronen in Metallen, relativistische Elektronen in einem „weißen Zwerg“ oder<br />

generell relativistische Elementarteilchen in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld<br />

können nicht klassisch behandelt werden.<br />

Die <strong>Quantenmechanik</strong> liefert keineswegs nur eine quantitativ bessere Beschreibung<br />

von Phänomenen auf atomarer Skala, sie ändert auch unsere Konzepte<br />

der mikroskopischen Welt. Sie beschreibt Teilchen, und die Beschreibung<br />

zeigt, dass die Teilchen zugleich auch als Wellen zu interpretieren sind. Sie beschreibt<br />

elektromagnetische Wellen, und zeigt dabei, dass die Wellen aus einzelnen<br />

Photonen aufgebaut sind, die z. T. auch Teilchencharakter besitzen. Die<br />

<strong>Quantenmechanik</strong> verkörpert daher die Teilchen-Welle-Dualität der mikroskopischen<br />

Natur, die von der klassischen Mechanik oder auch von der klassischen<br />

Theorie des Elektromagnetismus, der Maxwell-Theorie, nicht beschrieben werden<br />

kann.<br />

Um die Gegenüberstellung von klassischer Physik einerseits und Quantenphysik<br />

andererseits deutlicher zu machen, diskutieren wir zuerst die Struktur der<br />

klassischen Theorie und dann einige Phänomene aus dem Bereich der Quantentheorie,<br />

die mit klassischen Interpretationen unverträglich sind.


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 3<br />

1.1 Die klassische Theorie<br />

◮ Teilchen: Die klassische Beschreibung der Teilchen erfolgt mit Hilfe der<br />

Mechanik. Die Lagrange-Formulierung der theoretischen Mechanik basiert auf<br />

der Lagrange-Funktion, also z. B.<br />

L(x,ẋ; t) = T(ẋ) − V (x,ẋ; t) ,<br />

die eine Funktion der Koordinaten x, der Geschwindigkeiten ẋ und eventuell<br />

der Zeit t ist. Die kinetische Energie ist üblicherweise quadratisch in den Geschwindigkeiten,<br />

also T(ẋ) = 1 2 mẋ2 , falls m die Masse des Teilchens darstellt.<br />

Seine Dynamik wird durch die Lagrange-Gleichungen beschrieben:<br />

d ∂L<br />

dt ∂ẋ − ∂L<br />

∂x = 0 ,<br />

für eine quadratische kinetische Energie also<br />

mẍ = − ∂V<br />

∂x + d ∂V<br />

dt ∂ẋ<br />

.<br />

Die klassische Dynamik eines Teilchens ist daher rein deterministisch: Gibt man<br />

die Koordinaten und Geschwindigkeiten x(t 0 ) und ẋ(t 0 ) zu einer gewissen Zeit<br />

t 0 vor, dann liegt die ganze Zukunft (t > t 0 ) und auch die ganze Vergangenheit<br />

(t < t 0 ) des Teilchens im Detail fest.<br />

Die Hamilton-Formulierung der Theoretischen Mechanik ist für die <strong>Quantenmechanik</strong><br />

mindestens so wichtig wie der Lagrange-Formalismus. Sie basiert<br />

auf der Hamilton-Funktion:<br />

H(x,p; t) = p · ẋ − L(x,ẋ; t) ,<br />

die von den Koordinaten x und den kanonisch konjugierten Impulsen p =<br />

∂L/∂ẋ, sowie eventuell von der Zeit t abhängig ist. Die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen<br />

lauten:<br />

ṗ = − ∂H<br />

∂x<br />

, ẋ = ∂H<br />

∂p . (1.1)<br />

Wir werden im Folgenden sehen, dass die Hamilton-Funktion H und die dyna-<br />

Abbildung 1.1: Teilchencharakter beim Doppelspalt (keine Interferenz)


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 4<br />

mischen Variablen x und p in der <strong>Quantenmechanik</strong> durch Operatoren ersetzt<br />

werden und dass die Bewegungsgleichungen (1.1) nur noch „im Mittel“ gelten.<br />

Als einfaches (jedoch für die <strong>Quantenmechanik</strong> sehr wichtiges) Beispiel einer<br />

Lagrange-Funktion mit explizit zeit- und geschwindigkeitsabhängigem Potential<br />

V (x,ẋ; t) betrachten wir ein Teilchen der Ladung q im elektromagnetischen Feld:<br />

V (x,ẋ; t) = q[Φ(x, t) − ẋ · A(x, t)] .<br />

Der kanonisch konjugierte Impuls ist in diesem Fall durch<br />

p = ∂L = mẋ + qA(x, t)<br />

∂ẋ<br />

gegeben. Da das Vektorpotential nicht eichinvariant ist, gilt das Gleiche i.A. für<br />

den kanonischen Impuls. Der kinetische Impuls π, der durch<br />

p − qA(x, t) = mẋ ≡ π<br />

definiert ist und offensichtlich einer Observablen (Meßgröße) entspricht, ist jedoch<br />

eichinvariant. Die Kombination p − qA(x, t), die die lineare Ankopplung<br />

des kanonischen Impulses an das Vektorpotential beschreibt, ist in allen Bereichen<br />

der Theoretischen Physik sehr wichtig und wird als „minimale Kopplung“<br />

bezeichnet. Die Hamilton-Funktion des geladenen Teilchens folgt als:<br />

H(x,p; t) =<br />

[p − qA(x, t)]2<br />

2m<br />

+ qΦ(x, t) = π2<br />

+ qΦ(x, t) .<br />

2m<br />

Auch die Hamilton-Funktion ist i.A. nicht eichinvariant.<br />

◮ Wellen: Die klassische Beschreibung elektromagnetischer Wellen erfolgt mit<br />

Hilfe der Maxwell-Gleichungen. Außerhalb der Quellen sind die Ladungs- und<br />

Stromdichten Null, so dass<br />

∇ · E = 1 ε 0<br />

ρ = 0<br />

∇ · B = 0<br />

∇ × E + ∂B<br />

∂t = 0<br />

∇ × B − 1 c 2 ∂E<br />

∂t = µ 0j = 0<br />

gilt. Aufgrund dieser Gleichungen erfüllt das elektrische Feld E eine Wellengleichung<br />

1 ∂ 2 E<br />

c 2 ∂t 2 = ∇ × ∂B = −∇ × (∇ × E) = ∆E − ∇ (∇ · E) = ∆E ,<br />

∂t<br />

und analog gilt für das B-Feld bzw. für das Vektorpotential A: 1<br />

∆B = 1 c 2 ∂ 2 B<br />

∂t 2 , ∆A = 1 c 2 ∂ 2 A<br />

∂t 2 .<br />

Jede der Komponenten von E, B und A erfüllt daher eine Gleichung der Struktur<br />

∆u = 1 c 2 ∂ 2 u<br />

∂t 2 ,<br />

1 Außerhalb der Quellen erhält man eine Wellengleichung für A, sowohl in der Lorentz- als<br />

auch in der Coulomb-Eichung. Für das skalare Potential folgt Φ = 0 in der Coulomb- und<br />

□Φ = 0 (also ebenfalls eine Wellengleichung) in der Lorentz-Eichung.


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 5<br />

mit u = E i , B i , A i (i = 1, 2, 3). Die Lösung breitet sich daher wellenartig aus.<br />

Die Welle u(x, t) liegt erst bei Vorgabe von u(x, t 0 ) und ∂ t u(x, t 0 ) eindeutig fest<br />

und wird somit – anders als das oben diskutierte Teilchen – durch unendlich<br />

viele Freiheitsgrade charakterisiert. Im Gegensatz zum Teilchen, welches diskrete<br />

Einschläge im Detektor verursacht, ist das Signal der Welle stetig und kann<br />

beliebig stark oder schwach sein. Anders als beim Teilchen gibt es für die Welle<br />

keine scharfen Bahnen und ist die Frage nach der „Herkunft“ des Signals daher<br />

nicht sinnvoll. Insbesondere kann man beim Doppelspaltexperiment nicht sagen,<br />

ob die Welle durch den einen oder den anderen Spalt gegangen ist: Beide Spalte<br />

tragen zum Signal im Detektor bei, d. h. im Gegensatz zum Teilchen ist die im<br />

Detektor registrierte Intensität nicht die Summe der Intensitäten der Signale<br />

der beiden Spalte. Stattdessen misst man im Wesentlichen das Betragsquadrat<br />

der überlagerten Amplituden<br />

Intensität = |u 1 + u 2 | 2 = |u 1 | 2 + |u 2 | 2 + u ∗ 1u 2 + u ∗ 2u 1 .<br />

Die letzten beiden Terme führen zur Interferenz im Beugungsbild, ein Phänomen,<br />

welches bei klassischen Teilchen nicht auftritt.<br />

Im Folgenden wird nun anhand von Experimenten gezeigt, dass sowohl die<br />

klassische Mechanik als auch die klassische Theorie des Elektromagnetismus<br />

im Quantenbereich abgeändert werden müssen und dass in diesem Bereich der<br />

Teilchen- und der Wellencharakter verschmelzen.<br />

1.2 Experimente an quantenmechanischen<br />

Systemen<br />

Wir fassen einige wesentliche Entdeckungen in überwiegend chronologischer Reihenfolge<br />

kurz zusammen.<br />

1.2.1 Hohlraumstrahlung<br />

In einem Hohlraum der Temperatur T ist die Zustandsdichte der Moden des<br />

elektrischen Feldes gegeben durch:<br />

ν(ω) =<br />

ω2<br />

2π 2 c 3 .<br />

Abbildung 1.2: Wellencharakter beim Doppelspalt (Interferenz)


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 6<br />

Temperatur T<br />

Abbildung 1.3: Hohlraumstrahlung<br />

Experimentell findet man nun für die Energiedichte u(ω) pro Volumeneinheit:<br />

Rayleigh-Jeans: u(ω) ∼ 2ν(ω)k B T (ω → 0)<br />

Wien: u(ω) ∼ 2ν(ω)Aωe −gω/T (ω → ∞) .<br />

Hieraus leitete Max Planck 1900 das nach ihm benannte Strahlungsgesetz her:<br />

ω<br />

u(ω) = 2ν(ω)<br />

e ω/kBT − 1<br />

; = 1, 05 · 10 −34 Js . (1.2)<br />

Der Vorfaktor 2 in diesen Ausdrücken rührt von den zwei möglichen Polarisationsrichtungen<br />

her. Abgesehen von diesem Faktor und der Zustandsdichte<br />

pro Volumeneinheit ν(ω) enthält u(ω) nach Planck also auch die Energie eines<br />

Quantums des Strahlungsfelds, ω, und die Besetzungswahrscheinlichkeit einer<br />

Mode mit Frequenz ω, die gleich (e ω/kBT −1) −1 ist. Der letzte Faktor sollte erst<br />

1924 durch die Arbeiten von Bose und Einstein verständlicher werden. Plancks<br />

wesentlicher Beitrag zur <strong>Quantenmechanik</strong> ist wohl die Einführung eines endlichen<br />

Energiequantums des Strahlungsfeldes und einer neuen Naturkonstanten,<br />

die unabhängig vom Material des Hohlraums ist. Plancks Interpretation der<br />

Strahlungsformel in Termen von Oszillatoren in der Wand des Hohlraums wurde<br />

1905 von Einstein korrigiert.<br />

1.2.2 Photoelektrischer Effekt<br />

Der photoelektrische Effekt wurde 1887 von Heinrich Hertz entdeckt. Dieser Effekt<br />

beinhaltet das Emittieren von Elektronen durch eine mit Licht der Frequenz<br />

ω bestrahlte metallischen Anode. Die Experimente können zusammengefasst<br />

werden in der Formel<br />

eV 0 = ω − W = 1 2 mv2 El ,<br />

wobei W die Austrittsarbeit des Metalls und V 0 die Potentialdifferenz zwischen<br />

Kathode und Anode ist, die den Strom der aus der Anode ausgetretenen Elektronen<br />

(mit der kinetischen Energie 1 2 mv2 El<br />

) gerade umkehrt. Aufgrund dieser<br />

Ergebnisse, die in der klassischen Wellentheorie des Elektromagnetismus unverständlich<br />

sind, führte Einstein die Hypothese ein, dass Licht aus Photonen der<br />

Energie ω und des Impulses ω/c besteht.<br />

1.2.3 Compton-Effekt<br />

Dass Photonen real existieren wurde erst 1922 vom amerikanischen Physiker A.<br />

H. Compton gezeigt. Compton fand, dass Röntgen-Strahlen an freien Elektronen


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 7<br />

E<br />

0<br />

E 3<br />

E 2<br />

Grundzustand<br />

E 1<br />

Abbildung 1.4: Darstellung der Energieniveaus<br />

wie Teilchen mit der Energie ω und dem Impuls ω/c gestreut werden, genau<br />

wie Einstein es vorhergesagt hatte.<br />

Aus den relativistischen Gleichungen für Energie- und Impulserhaltung folgt<br />

sofort die Änderung der Wellenlänge des Photons zu:<br />

λ ′ − λ = 4πλ– Compton sin 2 (ϑ/2) , (1.3)<br />

wobei λ– Compton = /mc die nach Compton benannte Wellenlänge ist. Das Experiment<br />

bestätigt diese These und zeigt also, zusammen betrachtet mit dem<br />

Planckschen Strahlungsgesetz und dem photoelektrischen Effekt, dass elektromagnetische<br />

Strahlung (Licht) nicht nur Welleneigenschaften sondern auch Teilchencharakter<br />

und somit eine Dualität besitzt.<br />

1.3 Die Dualität der Materie<br />

Ebenso wie Licht Wellen- und Teilcheneigenschaften aufweist, zeigt auch die<br />

Materie, die klassisch durch individuelle Teilchen mit wohldefinierten Orts- und<br />

Impulskoordinaten beschrieben wird, eine Dualität in dem Sinne, dass massebehaftete<br />

Teilchen im Quantenbereich Welleneigenschaften aufweisen. Dies wurde<br />

zum ersten Mal 1913 klar, als Niels Bohr sein quasiklassisches Atommodell konstruierte.<br />

Das zentrale experimentelle Faktum ist, dass die elektronischen Energieniveaus<br />

diskretisiert sind, im Gegensatz zu den Energieniveaus des klassischen<br />

Analogons, die kontinuierlich verteilt sind. Man denke hierbei z. B. an das Zweikörperproblem,<br />

das quantenmechanisch im Wasserstoffatom und klassisch (näherungsweise)<br />

im Erde-Mond-System realisiert ist. Schematisch sind die möglichen<br />

Energieniveaus wie in Abbildung 2<br />

1.4 darstellbar. Bei Strahlungsübergängen<br />

zwischen zwei Energieniveaus (E n → E m ) tritt ein Photon der Energie<br />

ω nm = E n − E m (1.4)<br />

aus. Aufgrund der experimentell gemessenen Frequenzen ω nm schlug J. J. Balmer<br />

1885 die Formel<br />

ω nm = const. ×1<br />

m 2 − 1 n


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 8<br />

vor. Die Balmer-Formel wurde dann 1913 von N. Bohr aus der Quantisierungsbedingung<br />

Áds p = nh (n = 1, 2, . . .) (1.5)<br />

für die Gesamtwirkung einer Elektronenbahn hergeleitet. 2 Die Zusatzbedingung<br />

(1.5) sollte in Bohrs quasiklassischem Modell die quantenmechanisch relevanten<br />

Elektronenbahnen aus allen nach der Newton’schen Mechanik möglichen Bahnen<br />

auswählen.<br />

Für Kreisbahnen funktioniert Bohrs Argument folgendermaßen: Aus der<br />

Quantisierungsbedingung (1.5) folgt die Beziehung mv n r n = n zwischen der<br />

Geschwindigkeit des Elektrons v n und dem Radius r n der n-ten Bahn (n =<br />

1, 2, . . .). Außerdem halten sich für eine stationäre Bahn die Coulomb- und die<br />

Zentrifugalkraft die Waage:<br />

e 2<br />

4πε 0 r 2 n<br />

Es folgt sofort<br />

v n =<br />

= mv2 n<br />

r n<br />

.<br />

e2<br />

4πε 0 n<br />

; r n = 4πε 0n 2 2<br />

me 2 .<br />

Mit Hilfe der Definition der (dimensionslosen) Feinstrukturkonstanten<br />

α ≡<br />

e2<br />

4πε 0 c<br />

und des Bohr’schen Radius<br />

a B ≡ 4πε 0 2<br />

me 2<br />

vereinfachen sich diese Ausdrücke zu<br />

v n = α n c ; r n = a B n 2 ,<br />

so dass die Bindungsenergien von Elektronen im Wasserstoffatom durch<br />

E n = 1 2 mv2 n −<br />

e2<br />

4πε 0 r n<br />

= − 1 2 mv2 n = − 1 2 α2 mc 2 1 n 2<br />

gegeben sind 3 . Die entsprechenden Frequenzen bei Strahlungsübergängen sind<br />

also<br />

ω nm = E n − E m<br />

<br />

= α2 mc 2<br />

21<br />

m 2 − 1 n 2,<br />

2 Historisch etwas genauer: Bohr hat eine Quantisierungsbedingung verwendet, die zu (1.5)<br />

äquivalent ist; die Form (1.5) stammt von Sommerfeld.<br />

3 Die numerischen Werte der Feinstrukturkonstanten und des Bohr’schen Radius sind<br />

α ≈ 0, 00729735 ≈ 1/137 bzw. a B ≈ 5, 29177 · 10 −11 m. Aus der Formel v n = αc/n folgt<br />

daher, dass sich typische elektronische Geschwindigkeiten (auch im Festkörper) im Prozentbereich<br />

der Lichtgeschwindigkeit bewegen, und aus dem Ausdruck r n = a B n 2 , dass die typische<br />

Ausdehnung einer elektronischen Bahn der typischen Atomgröße entspricht. Der Bohr-Radius<br />

ist mit der Compton-Wellenlänge gemäß λ– Compton = αa B = und dem klassischen Elektronenradius<br />

mittels r e = α 2 a B<br />

mc<br />

verknüpft.


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 9<br />

im Einklang mit der Balmer-Formel. Der Grund, weshalb die Bohr’sche Quantisierungsbedingung<br />

(1.5) wesentlich durch die Wellennatur der Elektronen bedingt<br />

ist, sollte allerdings erst 1923 durch die Arbeiten von L. V. de Broglie klar<br />

werden.<br />

Ab 1921 befasste sich L. V. de Broglie mit der dualen Natur des Lichts und<br />

– im Nachhinein würde man sagen: konsequenterweise – auch der Materie. Die<br />

Proportionalität der Vierervektoren<br />

E/c<br />

p=ω/c<br />

k,<br />

die zunächst nur für Licht gilt, wurde von ihm auch für massebehaftete Teilchen<br />

postuliert. Dementsprechend sollte ein Teilchen mit Energie E und Impuls<br />

p (linkes Glied) einer Welle mit Frequenz ω und Wellenvektor k (rechtes Glied)<br />

entsprechen. Dieser revolutionäre Gedanke machte auch Bohrs Quantisierungsbedingung<br />

(1.5) sofort verständlich. Da der Impuls mit der Wellenlänge gemäß<br />

p = k = h/λ zusammenhängt, lautet die Gleichung (1.5) auch<br />

Áds<br />

λ = n<br />

und besagt also lediglich, dass eine stationäre Bahn eine ganzzahlige Anzahl Wellenlängen<br />

enthalten soll. De Broglies Arbeiten wurden 1923/24 in den Comptes<br />

Rendus der französischen Akademie der Wissenschaften publiziert. Der experimentelle<br />

Nachweis elektronischer Interferenzerscheinungen wurde 1927 von C. J.<br />

Davisson und L. H. Germer sowie unabhängig von G. P. Thomson geliefert (nach<br />

Vorläuferarbeiten 1923 von C. J. Davisson und C. H. Kunsman bzw. 1925 von<br />

W. Elsasser).<br />

Im Wesentlichen passiert bei der Elektronen- oder Neutronenbeugung genau<br />

dasselbe wie bei der Lichtstreuung. In einem Doppelspaltgedankenexperiment<br />

(reale Streuexperimente mit Materiewellen werden an Kristallen durchgeführt)<br />

würde man ein Ergebnis wie in Abbildung 1.2 auf Seite 5 erhalten. Wird die<br />

Materiewelle mit Hilfe einer Wellenfunktion ψ beschrieben, dann sollte die Intensität<br />

– ähnlich wie für elektromagnetische Wellen – proportional zum Betragsquadrat<br />

der Wellenfunktion, d. h. zu |ψ(x, t)| 2 sein.<br />

Diese Intensität kann jedoch nicht als die Ladungsdichte des gestreuten Teilchens<br />

interpretiert werden, da – im Falle der Elektronenbeugung – die Ausdehnung<br />

eines einzelnen Elektrons beim Einschlag sehr viel geringer ist als die<br />

Ausdehnung des Beugungsmusters, und – im Falle der Neutronenbeugung – die<br />

Ladungsdichte eines Neutrons natürlich gleich Null ist. Die Intensität kommt<br />

nicht durch Interferenz mehrerer Elektronenwellen zustande: Man erhält dasselbe<br />

Beugungsbild bei sehr geringer Intensität der Quelle, so dass nur einzelne<br />

Elektronen im Detektor eintreffen.<br />

Man interpretiert die Intensität |ψ(x, t)| 2 daher als die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

für die Anwesenheit eines Elektrons (oder Neutrons) am Ort x zur Zeit<br />

t („Born’sche Interpretation der Wellenfunktion“, M. Born, 1926). Das Integral<br />

Êdx |ψ(x, t)| 2 ist dementsprechend die Wahrscheinlichkeit für die Anwesenheit<br />

des Elektrons irgendwo im Raum zum Zeitpunkt t, die ja offensichtlich gleich<br />

Eins ist. Dies motiviert die Normierungsbedingung<br />

dx |ψ(x, t)| 2 = 1 (1.6)


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 10<br />

der quantenmechanischen Wellenfunktion. Die Interpretation von ρ(x, t) =<br />

|ψ(x, t)| 2 als Wahrscheinlichkeitsdichte und das Erhaltungsgesetz (1.6) der Gesamtwahrscheinlichkeit<br />

suggerieren die Existenz einer assoziierten Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />

j(x, t), die gemäß<br />

d<br />

dx ρ(x, t) = dS · j(x, t) (1.7)<br />

dtD<br />

−∂D<br />

mit ρ(x, t) verknüpft ist. Gleichung (1.7) bringt zum Ausdruck, dass eine zeitliche<br />

Änderung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens im Raumbereich<br />

D mit einem Wahrscheinlichkeitsstrom durch die Oberfläche ∂D von D einhergehen<br />

muss. Die Bilanzgleichung (1.7) kann mit Hilfe des Gauß’schen Satzes<br />

auch in der Form<br />

dx∂ρ<br />

D ∂t + ∇ · j=0<br />

geschrieben werden, und da der Raumbereich D in dieser Gleichung beliebig ist,<br />

muss auch<br />

∂ρ<br />

∂t + ∇ · j = 0 , ρ = |ψ|2 (1.8)<br />

gelten. Wir kommen so zum Schluss, dass die Born’sche Interpretation der Wellenfunktion<br />

die Existenz einer Kontinuitätsgleichung der Form (1.8) impliziert.<br />

Die Struktur einer physikalisch sinnvollen Quantentheorie muss daher so sein,<br />

dass die Kontinuitätsgleichung (1.8) automatisch aus ihr folgt. Es ist übrigens<br />

klar, dass Gleichung (1.8) umgekehrt auch das Erhaltungsgesetz (1.6) impliziert:<br />

d<br />

dtR 3 dx ρ(x, t) = −R 3 dx ∇ · j(x, t) = −∂R 3 dS · j(x, t) = 0 ,<br />

da die Wahrscheinlichkeitsstromdichte j(x, t) in realen Systemen im Unendlichen<br />

gleich Null ist.<br />

1.4 Bedingungen an eine<br />

nicht-relativistische Quantentheorie<br />

Wir können die bisher dargestellten experimentellen und theoretischen Überlegungen<br />

zusammenfassen und daraus Forderungen an eine nicht-relativistische<br />

Quantentheorie ableiten:<br />

1. Auch massebehaftete Teilchen sollen mit Hilfe einer Wellenfunktion, die<br />

wir im Folgenden mit ψ bezeichnen, beschrieben werden.<br />

2. Die Theorie ist durch eine nicht-relativistische Wellengleichung charakterisiert,<br />

mit deren Hilfe die Wellenfunktionen bestimmt werden.<br />

3. Freie Teilchen werden mit Hilfe von Überlagerungen von ebenen Wellen<br />

der Form e i(k·x−ω kt) beschrieben. Die Wellengleichung muss daher linear<br />

sein.


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. EINFÜHRUNG 11<br />

4. Es gilt Teilchenzahlerhaltung, die formal durch das Erhaltungsgesetz (1.6)<br />

und die Kontinuitätsgleichung (1.8) ausgedrückt wird. Die einfachste mögliche<br />

Wellengleichung, die eine Kontinuitätsgleichung der Form (1.8) erlaubt,<br />

ist die lineare, homogene, partielle Differentialgleichung erster Ordnung<br />

in der Zeit: ∂ t ψ = ˆDψ, wobei ˆD ein noch zu bestimmender Differentialoperator<br />

ist, der nur von den Ortsableitungen ∇ und eventuell von<br />

den Orts- und Zeitvariablen (x, t) abhängig ist. In diesem Fall erhält man<br />

nämlich eine Gleichung der Form<br />

∂ t ρ = ∂ t (ψ ∗ ψ) = (∂ t ψ) ∗ ψ + ψ ∗ (∂ t ψ) = (ˆDψ) ∗ ψ + ψ ∗ (ˆDψ) ,<br />

die eventuell (d. h. bei geeigneter Wahl von ˆD) als Kontinuitätsgleichung<br />

geschrieben werden kann.<br />

Es gibt selbstverständlich noch etliche weitere Anforderungen an eine physikalisch<br />

akzeptable Quantentheorie:<br />

• Da die Dynamik makroskopischer Körper bekanntlich mit extrem hoher<br />

Genauigkeit durch die Klassische Mechanik beschrieben wird, muß die<br />

nicht-relativistische Quantentheorie in einem geeigneten klassischen Limes<br />

(„ → 0 “) die Ergebnisse der Klassischen Mechanik reproduzieren.<br />

• Außerdem müssen alle Vorhersagen der Quantentheorie für meßbare Größen<br />

(„Observablen“), ähnlich wie diejenigen der Klassischen Mechanik,<br />

eichinvariant sein.<br />

• Ähnlich wie in der Klassischen Mechanik müssen Vorhersagen für abgeschlossene<br />

Systeme auch in der <strong>Quantenmechanik</strong> Galilei-invariant sein;<br />

für Teilsysteme sind die äußeren Felder bei Koordinatentransformationen<br />

entsprechend mitzutransformieren.<br />

• Falls dies für das klassische Analogon gilt, soll auch die quantenmechanische<br />

Beschreibung invariant unter Zeitumkehr sein.<br />

• Außerdem stellt sich die Frage, ob bzw. inwiefern auch in der <strong>Quantenmechanik</strong><br />

ein Kanonischer Formalismus mit Variationsprinzipien und geeigneten<br />

Lagrange- und Hamilton-Formulierungen existiert.<br />

• Die Quantentheorie muß natürlich auf Systeme mehrerer Teilchen oder auf<br />

relativistische Systeme erweiterbar sein.<br />

Und die allerwichtigste Bedingung, die man an eine physikalisch akzeptable<br />

Quantentheorie stellen muß, ist wohl, dass sie im Einklang mit dem Experiment<br />

ist!


Kapitel2<br />

Die Wellengleichung<br />

In diesem Kapitel formulieren wir die Basisgleichungen der Quantentheorie und<br />

untersuchen ihre elementaren Eigenschaften. Zuerst konstruieren wir eine Wellengleichung,<br />

die die in Kapitel 1 formulierten Anforderungen erfüllt, und untersuchen<br />

ihre Vorhersagen für den allereinfachsten Fall: das freie Teilchen. Anschließend<br />

kontrollieren wir, dass diese Wellengleichung die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />

erhält (siehe Gleichung (1.6)) und sich in einem geeigneten „klassischen<br />

Limes“ auf die Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik reduziert. Außerdem<br />

wird überprüft, ob die Einteilchenquantenmechanik im Prinzip auch auf<br />

Vielteilchensysteme verallgemeinert werden könnte.<br />

2.1 Konstruktion einer Wellengleichung<br />

Wir konstruieren zunächst eine Wellengleichung zur Beschreibung der Dynamik<br />

freier Teilchen. Teilchen unter der Einwirkung von Kräften, die aus einem<br />

Potential hergeleitet werden können, werden danach betrachtet.<br />

Aufgrund der theoretischen Ideen von L. V. de Broglie und ihrer experimentellen<br />

Bestätigung sind wir zum Schluss gekommen, dass freie Teilchen mit Hilfe<br />

von Überlagerungen von ebenen Wellen beschrieben werden sollten:<br />

ψ rel (x, t) = (2π) −d/2dk ˆψ 0 (k)e i(k·x−ωrel k t) ,<br />

wobei der Wellenvektor k und die Frequenz ωk<br />

rel mit dem Impuls p und der<br />

relativistischen Energie E rel =Ôp 2 c 2 + m 2 c 4 gemäß<br />

k = p ,<br />

ω rel<br />

k = E rel<br />

k =Ô 2 c 2 k 2 + m 2 c 4 .<br />

zusammenhängen. Für die Herleitung einer nicht-relativistischen Wellengleichung<br />

ist es natürlich völlig ausreichend, den relativistischen Energieausdruck<br />

für kleine Impulse p = |p| ≪ mc zu entwickeln:<br />

E rel<br />

k = mc 2 + 2 k 2<br />

2m + · · · ≡ mc2 + E k + . . . ,<br />

wobei die Korrekturterme im nicht-relativistischen Limes vernachlässigt werden<br />

können. Entsprechend folgt:<br />

ωk rel = mc2<br />

<br />

+ k2<br />

2m + · · · ≡ mc2<br />

+ ω k + . . . ,


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 13<br />

so dass die Energie mit der Frequenz auch im nicht-relativistischen Fall gemäß<br />

E k = ω k<br />

verknüpft ist. Wir können somit eine nicht-relativistische Wellenfunktion<br />

ψ(x, t) = (2π) −d/2dk ˆψ 0 (k)e i(k·x−ω kt)<br />

einführen, die mit ψ rel gemäß<br />

ψ rel (x, t) = e −imc2 t/ ψ(x, t) [1 + . . .]<br />

verknüpft ist. Im nicht-relativistischen Limes sind ψ rel und ψ äquivalent. Der<br />

einzige Unterschied ist eine Verschiebung des Energienullpunktes.<br />

Unser Ziel ist nun, eine Wellengleichung für ψ herzuleiten. Zu diesem Zweck<br />

benötigen wir lediglich die Dispersionsrelation E k = 2 k 2 /2m, die im Hinblick<br />

auf (1.8) so mit der Wellenfunktion ψ(x, t) zu kombinieren ist, dass die resultierende<br />

Wellengleichung eine partielle Differentialgleichung erster Ordnung in<br />

der Zeitvariablen t ist:<br />

0 = (2π) −d/2dk ˆψ 0 (k)ω k − 2 k 2<br />

2me i(k·x−ω kt)<br />

= (2π) −d/2dk ˆψ 0 (k)i ∂ ∂t + 2<br />

2m ∆e i(k·x−ω kt)<br />

=i ∂ ∂t + 2<br />

2m ∆ψ(x, t) .<br />

Für freie Teilchen gilt daher:<br />

i ∂ ∂t ψ = − 2<br />

∆ψ . (2.1)<br />

2m<br />

Diese Gleichung wird als die Schrödinger-Gleichung für freie Teilchen bezeichnet.<br />

Es gibt also eine einfache Korrespondenz zwischen klassisch vertrauten Größen<br />

wie Energie und Impuls und den Differentialoperatoren in der Wellengleichung.<br />

Es gelten die Ersetzungen:<br />

E −→ i ∂ ∂t ≡ Ê<br />

p −→ i ∇ ≡ ˆp ,<br />

wobei ˆp als Impulsoperator bezeichnet wird. Man spricht manchmal auch von<br />

einem Korrespondenzprinzip 1 bei der Konstruktion einer Wellengleichung. Die<br />

Schrödingergleichung (2.1) hat offenbar die Form<br />

i∂ t ψ = Ĥψ , (2.2)<br />

1 Dieses Prinzip sollte jedoch nicht mit dem „Bohr’schen Korrespondenzprinzip“ verwechselt<br />

werden, welches besagt, dass die <strong>Quantenmechanik</strong> sich für „große Quantenzahlen“ auf die<br />

Klassische Mechanik reduziert.


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 14<br />

wobei der Operator Ĥ für freie Teilchen durch<br />

Ĥ = ˆp2<br />

2m = − 2<br />

2m ∆ (2.3)<br />

gegeben ist. Es ist bemerkenswert, dass der Operator Ĥ, der ja eine mit der<br />

Wellenfunktion ψ verknüpfte Energie erzeugt, dieselbe Form wie die klassische<br />

Hamilton-Funktion H 0 (p) für freie Teilchen hat, falls man in der Hamilton-<br />

Funktion p durch ˆp ersetzt:<br />

Ĥ = H 0 (ˆp) , H 0 (p) ≡ p 2 /2m .<br />

Daher wird Ĥ als Hamilton-Operator bezeichnet. Diese Ergebnisse lassen sich<br />

sofort verallgemeinern auf Teilchen in einem ortsunabhängigen Potential: Ausgehend<br />

von der Energiedispersion E k = 2 k 2<br />

2m + E 0 erhält man den Hamilton-<br />

Operator Ĥ = H 0(ˆp) + E 0 .<br />

In der klassischen Mechanik ist die Verallgemeinerung von (2.2) auf Teilchen<br />

unter Einwirkung von Kräften wohlbekannt. Konservative Kräfte F = −∇V<br />

werden durch die Hamilton-Funktion H(x,p) = p 2 /2m+V (x) beschrieben. Daher<br />

erwartet man in der quantenmechanischen Theorie einen Hamilton-Operator<br />

der Form<br />

Ĥ = H 0 (ˆp) + V (x) = ˆp2 + V (x) . (2.4)<br />

2m<br />

Die klassische Hamilton-Funktion für geladene Teilchen der Ladung q im elektromagnetischen<br />

Feld ist<br />

H(x,p) = 1<br />

2m [p − qA(x, t)]2 + qΦ(x, t) ,<br />

wobei Φ und A das skalare Potential bzw. das Vektorpotential darstellen. Dementsprechend<br />

erwartet man im quantenmechanischen Fall<br />

Ĥ = 1<br />

2m [ˆp − qA(x, t)]2 + qΦ(x, t) , (2.5)<br />

wobei das Produkt (ˆp − qA) 2 als (ˆp − qA)(ˆp − qA) zu interpretieren ist. Die<br />

Schrödinger-Gleichung (2.2) mit dem Hamilton-Operator (2.3),(2.4) oder (2.5),<br />

abhängig von der physikalischen Situation, formt die Basis der nichtrelativistischen<br />

<strong>Quantenmechanik</strong>. Es ist klar, dass elektromagnetische Kräfte in der<br />

<strong>Quantenmechanik</strong> wichtiger (d. h. prominenter) als Kräfte nicht-elektromagnetischer<br />

Natur sind. Man denke nur an typische Probleme aus der Festkörperoder<br />

Atomphysik, die nahezu alle durch elektromagnetische Wechselwirkung<br />

erklärt werden können. Ausnahmsweise sind auch andere Kräfte interessant:<br />

Man kann z. B. die Dynamik eines quantenmechanischen Teilchens im Gravitationsfeld<br />

untersuchen oder die starke Wechselwirkung zwischen einem Proton<br />

und einem Neutron in einem Deuteron. In solchen Fällen benötigt man<br />

einen Hamilton-Operator der Form (2.4). Außerdem ist klar, dass der Hamilton-<br />

Operator (2.5) für elektromagnetische Kräfte sich im Spezialfall A = 0, ∂Φ<br />

∂t = 0<br />

auf die Form (2.4) mit V (x) = qΦ(x) reduziert.


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 15<br />

2.2 Ein einfaches Beispiel:<br />

freies Teilchen in einer Dimension (d = 1)<br />

Das Ziel dieses Abschnitts ist, die Schrödinger-Gleichung eines freien Teilchens<br />

in einer Dimension (d = 1),<br />

i∂ t ψ =<br />

2 ∂ 2 ψ<br />

Ĥψ = −<br />

2m ∂x 2 , (2.6)<br />

für eine beliebige Anfangsbedingung ψ(x, 0) ≡ ψ 0 (x) zu lösen und die physikalischen<br />

Eigenschaften der Lösung als Funktion der Zeit zu untersuchen.<br />

Wegen der Translationsinvarianz der Schrödinger-Gleichung (2.6) für das<br />

freie Teilchen ist es vorteilhaft, eine Fourier-Transformation durchzuführen:<br />

ψ(x, t) = 1 √<br />

2πdk ˆψ(k, t)e ikx<br />

ˆψ(k, t) = 1 √<br />

2πdx ψ(x, t)e −ikx .<br />

Da ψ(x, t) die Schrödinger-Gleichung erfüllt:<br />

∂ 2<br />

0 =i∂ t + 2<br />

2m ∂x 2ψ(x, t)<br />

= 1 √<br />

2πdki∂ t − 2 k 2<br />

2mˆψ(k, t)e ikx ,<br />

erhält man nach einer inversen Fourier-Transformation die folgende einfache<br />

Gleichung für ˆψ(k, t):<br />

∂ t ˆψ = −iωk ˆψ , ωk = k2<br />

2m .<br />

Die Lösung lautet:<br />

ˆψ(k, t) = ˆψ(k, 0) e −iω kt<br />

,<br />

so dass man allgemein für die Wellenfunktion des freien Teilchens das Ergebnis<br />

ψ(x, t) = 1 √<br />

2πdk ˆψ(k, 0) e i(kx−ω kt)<br />

(2.7)<br />

erhält, das im Folgenden zunächst für den Spezialfall Gauß’scher Wellenpakete<br />

und dann auch für eine allgemeine Anfangsform des Wellenpakets untersucht<br />

wird.<br />

2.2.1 Gauß’sche Wellenpakete<br />

Wir untersuchen die Dynamik des freien Teilchens nun zuerst für den Spezialfall<br />

des 1-dimensionalen Gauß-Pakets, das durch die Anfangsbedingung:<br />

ˆψ(k, 0) = B e −A(k−k0)2 (A ∈ R + )


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 16<br />

definiert ist, wobei B eine Normierungskonstante darstellt und A die Dimension<br />

[(Länge) 2 ] hat. Führen wir die Notation A = l 2 ein, so läßt sich l als die Breite<br />

des Wellenpakets im Ortsraum z.Z. t = 0 interpretieren.<br />

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude des Wellenpakets folgt nun als:<br />

ψ(x, t) = B √<br />

2πdk e −A(k−k0)2 +ikx−iω k t<br />

= √ B<br />

it<br />

−[(A+<br />

e 2m)k<br />

2πdk 2 −bk+Ak0] 2 , b ≡ 2Ak 0 + ix<br />

=<br />

B<br />

Õ2A +<br />

2me −Ak2 0 +b2 /[4(A+ 2m)] it<br />

,<br />

it<br />

und man erhält daher für die Wahrscheinlichkeitsdichte:<br />

|ψ(x, t)| 2 =<br />

|B| 2<br />

2ÕA 2 +t<br />

2m2 e−q(x,t) ,<br />

wobei die Definition<br />

q(x, t) ≡ (x − 2iAk 0) 2<br />

4A +<br />

2m+ (x + 2iAk 0) 2<br />

it 4A − it<br />

2m+ 2Ak 2 0<br />

verwendet wurde. Führen wir noch die Funktion<br />

A(t) ≡ A +t<br />

2m2 1<br />

A<br />

ein, die sich also für t = 0 auf A reduziert: A(0) = A, so folgt:<br />

q(x, t) = (x − v 0t) 2<br />

2A(t)<br />

, v 0 ≡ k 0<br />

m ,<br />

und man findet, dass die Wahrscheinlichkeitsdichte im Ortsraum für alle Zeiten<br />

t ≥ 0 eine einfache Gauß’sche Form hat:<br />

|ψ(x, t)| 2 =<br />

|B| 2<br />

2AA(t) e−(x−v0t)2 /2A(t)<br />

.<br />

Der Betrag der Normierungskonstanten B in der Wellenfunktion folgt aus<br />

1 =dx |ψ(x, t)| 2 |B| 2<br />

=<br />

e<br />

2AA(t)dx −(x−v0t)2 /2A(t)<br />

|B| 2<br />

=<br />

e<br />

2AA(t)2A(t)dy −y2 = |B| 2π<br />

2A<br />

als<br />

|B| =2A<br />

π1/4<br />

,


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 17<br />

wobei die Phase von B also unbestimmt bleibt. Insgesamt erhält man daher für<br />

die Wahrscheinlichkeitsdichte im Ortsraum:<br />

|ψ(x, t)| 2 =<br />

1<br />

2πA(t) e−(x−v0t)2 /2A(t)<br />

.<br />

Die Wahrscheinlichkeitsdichte ist somit maximal für x = v 0 t, und wir können<br />

schließen, dass sich das Wellenpaket mit der konstanten Geschwindigkeit v 0<br />

durch den Raum bewegt, wobei es allerdings ständig die Form ändert. Um diese<br />

Formänderungen zu untersuchen, betrachten wir einige Momente der Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

im Orts- und im Impulsraum.<br />

Der mittlere Aufenthaltsort des freien Teilchens folgt als:<br />

〈x〉 ≡dx x|ψ(x, t)| 2 = v 0 t ,<br />

und seine Breite ist durch<br />

∆x ≡〈(x − v 0 t) 2 〉 =ådx (x − v 0 t) 2 |ψ(x, t)| 2è1/2 =A(t)<br />

gegeben. 2 Wir stellen fest, dass das Wellenpaket sich im Laufe der Zeit ständig<br />

ausdehnt, so dass es förmlich „zerfließt“:<br />

∼√<br />

∆x =A +t<br />

2m2 1 A = constt ≪ t Z ≡ 2mA<br />

A t √1<br />

2m A<br />

(t ≫ t Z ) .<br />

Die Verteilung im k-Raum ist zeitunabhängig, | ˆψ(k, t)| 2 = |B| 2 e −2A(k−k0)2 ,<br />

und hat insbesondere den zeitunabhängigen Mittelwert 〈k〉 = k 0 und die zeitunabhängige<br />

Breite ∆k = √ 1<br />

4A<br />

. Für das Produkt der „Unschärfen“ ∆x und ∆p<br />

im Orts- und Impulsraum findet man daher:<br />

∆x∆p = ∆x∆k = 1 2 1 +t<br />

t Z2<br />

> 1 2 .<br />

Dieses Produkt ist also minimal für t = 0 und steigt für alle t > 0 streng<br />

monoton an. Insbesondere findet man für t ≫ t Z :<br />

∆x(t) ∼ t<br />

m ∆k(0) = t m ∆p(0) (t ≫ t Z) ,<br />

so dass die Breite des Wellenpakets im Langzeitlimes (für t ≫ t Z ) um so schneller<br />

anwächst, um so schmäler es anfangs (für t ≪ t Z ) ist.<br />

<br />

2 Implizit wird hier verwendet, dass der Mittelwert eines Operators ˆX im Orts- oder ˆK im<br />

Impulsraum in der <strong>Quantenmechanik</strong> allgemein durch<br />

〈ˆX〉 ≡Êdx ψ ∗ (x, t)[ˆXψ](x, t) , 〈ˆK〉 ≡Êdk ψ ∗ (k, t)[ˆKψ](k, t)<br />

gegeben ist. Die Mittelwertbestimmung ist hier jedoch sehr einfach, da die „Operatoren“ ˆX, ˆK<br />

in den hier diskutierten Fällen reelle Zahlen sind: ˆX = x , (x − v 0 t) 2 bzw. ˆK = k , (k − k 0 ) 2 .


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 18<br />

2.2.2 Lösung für eine allgemeine Anfangsbedingung<br />

Wir betrachten noch einmal das allgemeine Ergebnis (2.7) für die Wellenfunktion<br />

ψ(x, t) mit einer beliebigen Anfangsbedingung ψ 0 (x):<br />

ψ(x, t) = 1 √<br />

2πdk ˆψ(k, 0)e i(kx−ω kt) .<br />

Da ˆψ(k, 0) die inverse Fourier-Transformierte von ψ 0 (x) ist,<br />

ˆψ(k, 0) = 1 √<br />

2πdy ψ 0 (y)e −iky ,<br />

kann dieses Ergebnis auch in der Form<br />

mit<br />

ψ(x, t) =dy U t (x|y)ψ 0 (y) (2.8)<br />

U t (x|y) ≡ 1<br />

2πdk e ik(x−y)−iω kt<br />

= 1<br />

2πdk e − it<br />

2m[k 2 − 2m t k(x−y)]<br />

=m<br />

2πit1/2<br />

e<br />

im<br />

2t (x−y)2 ≡ K(x − y, t)<br />

(2.9)<br />

dargestellt werden. In der Herleitung von (2.9) haben wir die bekannten Resultate<br />

für Gauß-Integrale mit komplexen Parametern verwendet. Wegen der<br />

Translationsinvarianz des Hamilton-Operators für freie Teilchen hängt die Funktion<br />

U t (x|y) nur vom Relativvektor x − y ab. Das Ergebnis (2.8) mit U t (x|y) =<br />

K(x − y, t) in (2.9) stellt die gesuchte Lösung des Anfangswertproblems (2.6)<br />

mit einer beliebigen Anfangsamplitude ψ 0 (x) der Wellenfunktion dar.<br />

Die Form (2.8) der Lösung der Schrödinger-Gleichung ist hochinteressant,<br />

da sie zeigt, dass die Wellenfunktion ψ zu einer beliebigen Zeit t für eine beliebige<br />

Anfangsamplitude ψ 0 durch Anwendung eines relativ einfachen linearen<br />

Integraloperators aus ψ 0 berechnet werden kann:<br />

ψ(x, t) = [Ûtψ 0 ](x) , [Ûtψ 0 ](x) ≡dy U t (x|y)ψ 0 (y) . (2.10)<br />

Da der Operator Ût mit dem Integralkern U t (x|y) in (2.9) die Zeitentwicklung<br />

der Wellenfunktion ψ(x, t) vollständig bestimmt, wird er üblicherweise als der<br />

Zeitentwicklungsoperator des freien Teilchens bezeichnet.<br />

Wir betrachten die Eigenschaften von Ût und U t (x|y) nun etwas genauer:<br />

Aus der Definition von U t (x|y) in Gleichung (2.9) folgt sofort, dass für t = 0:<br />

U 0 (x|y) = 1<br />

2πdk e ik(x−y) = δ(x − y)<br />

und daher auch Û0 = 11 gilt. Für alle t ≠ 0 erfüllt U t (und somit auch Ût) die<br />

freie Schrödinger-Gleichung:<br />

ä(i∂ t − Ĥ)Ûtψ 0ç(x) =dyä(i∂ t − Ĥ)U tç(x|y)ψ 0 (y)<br />

=dy1<br />

2πdkω k − 2 k 2<br />

2me ik(x−y)−iω ktψ 0 (y) = 0 ,


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 19<br />

d. h.<br />

i∂ t U t = ĤU t , i∂ t Û t = ĤÛt ,<br />

wobei ĤU t so zu interpretieren ist, dass der Hamilton-Operator<br />

Abhängigkeit von U t (x|y) wirkt. Außerdem gilt<br />

Ĥ auf die x-<br />

Û t1 Û t2 = Ût 1+t 2<br />

,<br />

da beide Glieder das Anfangswertproblem<br />

i∂ t1 ˆV = ĤˆV , ˆVt1=0 = Ût 2<br />

lösen. Insbesondere gilt daher ÛtÛ−t = Û−tÛt = 11 und somit Û−1 t<br />

aus der Definition von U t (x|y) in (2.9) folgt:<br />

U −1<br />

t (x|y) = U −t (x|y) = [U t (y|x)] ∗ = U † t (x|y) ,<br />

= Û−t. Da<br />

gilt schließlich noch ÛtÛ† t = Û† tÛt = 11.3 Der Zeitentwicklungsoperator ist also<br />

unitär und erfüllt die Schrödinger-Gleichung zum Anfangswert 11. Wir werden<br />

im Folgenden sehen, dass diese Eigenschaften des Zeitentwicklungsoperators viel<br />

allgemeiner, d. h. nicht nur für das freie Teilchen in einer Dimension, gelten.<br />

Man hätte den Zeitentwicklungsoperator Ût im Prinzip auch durch naive<br />

Integration der Schrödinger-Gleichung (2.6) erhalten können:<br />

ψ(x, t) = [Ûtψ 0 ](x) , Û t ≡ e −iĤt/ , (2.11)<br />

wobei die Exponentialfunktion des Hamilton-Operators wie üblich durch die<br />

entsprechende Potenzreihe definiert ist:<br />

e −iĤt/ =<br />

∞n=0<br />

(−iĤt/)<br />

n<br />

n!<br />

. (2.12)<br />

In der Tat ist die formale Lösung (2.11) der Schrödinger-Gleichung oft recht<br />

nützlich. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die konkrete Darstellung (2.12)<br />

für praktische Anwendungen sehr unbequem ist, da das rechte Glied Ableitungen<br />

beliebig hoher Ordnung enthält. Für praktische Zwecke ist die Darstellung (2.8)-<br />

(2.10) daher wesentlich nützlicher.<br />

2.3 Wahrscheinlichkeitserhaltung<br />

Die Wellengleichung (2.2) mit dem Hamilton-Operator (2.3),(2.4) oder (2.5) sollte<br />

die GesamtwahrscheinlichkeitÊdx |ψ(x, t)| 2 erhalten, damit die Theorie physikalisch<br />

sinnvoll ist. Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass diese Bedingung<br />

3 Hierbei wird der zu einem Operator  hermitesch konjugierte Operator † allgemein durch<br />

Êdx ψ ∗ 1 († ψ 2 ) ≡Êdx (Âψ 1) ∗ ψ 2 (∀ψ 1 , ψ 2 )<br />

definiert. Falls † =  gilt, heißt der Operator  „hermitesch“.


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 20<br />

für Gauß’sche Wellenpakete tatsächlich erfüllt ist. Dass sie auch allgemein erfüllt<br />

ist, kann leicht nachgeprüft werden. Wir gehen zuerst von einem Hamilton-<br />

Operator der Form (2.4) aus. Aus der Schrödinger-Gleichung ∂ t ψ = iĤψ 1 bzw.<br />

aus der komplex konjugierten Gleichung ∂ t ψ ∗ = − 1<br />

iĤψ∗ folgt:<br />

d<br />

dtdxψ ∗ (x, t)ψ(x, t) =dx(∂ t ψ ∗ )ψ + ψ ∗ (∂ t ψ)<br />

= 1<br />

idx−(Ĥψ∗ )ψ + ψ (Ĥψ)<br />

∗<br />

= 1<br />

idx−ψ ∗ (Ĥψ) + ψ∗ (Ĥψ)=0 ,<br />

wobei im vorletzten Schritt partiell integriert wurde. Die Gesamtwahrscheinlichkeit,<br />

ein Teilchen, das zur Zeit t = 0 im System anwesend war, zu einer<br />

späteren Zeit irgendwo im Raum anzutreffen, ist also in der Tat zeitunabhängig<br />

und daher gleich Eins:<br />

dx |ψ(x, t)| 2 = const. = 1 . (2.13)<br />

In Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes, d. h. für Ĥ = 1<br />

2m (ˆp − qA)2 +<br />

qΦ, findet man dasselbe Ergebnis.<br />

Bei der obigen Herleitung des Erhaltungsgesetzes für die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />

wurde die Hermitezität des Hamilton-Operators verwendet:<br />

Êdxψ ∗ 1(Ĥ† ψ 2 ) ≡Êdx(Ĥψ 1) ∗ ψ 2 =Êdxψ ∗ 1(Ĥψ 2) (∀ψ 1 , ψ 2 ) ,<br />

und daher auch:<br />

Ĥ † = Ĥ .<br />

Diese Eigenschaft lässt sich z. B. für Ĥ = ˆp2<br />

2m<br />

+ V (x) sehr leicht explizit überprüfen:dx<br />

(Ĥψ 1) ∗ ψ 2 1∗<br />

=dx− 2<br />

2m ∆ + V (x)ψ ψ 2<br />

=dx ψ1− ∗ 2<br />

2m ∆ + V (x)ψ 2 =dx ψ 1Ĥψ ∗ 2 .<br />

Auch für den Hamilton-Operator Ĥ = 1<br />

2m (ˆp − qA)2 + qΦ weist man die Hermitezität<br />

leicht nach. Es sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass alle<br />

Operatoren in der <strong>Quantenmechanik</strong>, die physikalische Messgrößen darstellen,<br />

„hermitesch“ sind.<br />

Das Erhaltungsgesetz (2.13) für die Gesamtwahrscheinlichkeit, ein Teilchen<br />

irgendwo im System zu finden, suggeriert die Existenz einer Kontinuitätsgleichung<br />

der Form<br />

∂̺<br />

∂t + ∇ · j = 0 ; ̺ = |ψ(x, t)|2 , (2.14)<br />

wobei ̺(x, t) also die Wahrscheinlichkeitsdichte und j(x, t) die Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />

darstellt. Aus der Kontinuitätsgleichung (2.14) folgt sofort das<br />

Erhaltungsgesetz (2.13):<br />

d<br />

dx |ψ(x, t)| 2 = dx∇ · j = dS · j = 0 ,<br />

dtD<br />

−D<br />

−∂D


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 21<br />

wobei erstens angenommen wird, dass D =Êd gilt, so dass ∂D im Unendlichen<br />

liegt, und zweitens, dass j(x, t) für |x| = ∞ gleich Null ist. Die letzte Bedingung<br />

ist in fast allen physikalisch relevanten Problemen gewährleistet, insbesondere<br />

dann, wenn die Anfangsdichte |ψ(x, 0)| 2 räumlich lokalisiert ist.<br />

Wir konstruieren die Wahrscheinlichkeitsstromdichte j(x, t) nun explizit und<br />

nehmen hierzu an, dass der Hamilton-Operator die Form<br />

Ĥ = ˆp2<br />

2m + V (x)<br />

besitzt. Aus der Schrödinger-Gleichung i∂ t ψ = Ĥψ bzw. aus −i∂ tψ ∗ = Ĥψ∗<br />

folgt sofort:<br />

∂̺<br />

∂t = ∂ t(ψ ∗ ψ) = (∂ t ψ ∗ )ψ + ψ ∗ (∂ t ψ) = − 1<br />

i(Ĥψ∗ )ψ − ψ (Ĥψ)<br />

∗<br />

=<br />

2mi(∆ψ ∗ )ψ − ψ ∗ (∆ψ)=− <br />

2mi ∇ ·ψ ∗ (∇ψ) − (∇ψ )ψ<br />

∗<br />

= −∇ · j ,<br />

d.h. ∂ t̺ + ∇ · j = 0, mit<br />

j = <br />

2miψ ∗ (∇ψ) − (∇ψ ∗ )ψ,<br />

so dass in der Tat eine Kontinuitätsgleichung gilt. Die Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />

j lässt sich sehr einfach physikalisch interpretieren: Führen wir den<br />

Geschwindigkeitsoperator als ˆv ≡ ˆp/m ein, so folgt aus der Beziehung<br />

j = 1<br />

2m [ψ∗ (ˆpψ) + (ˆpψ) ∗ ψ] = 1 m Re(ψ∗ˆpψ) = Re(ψ ∗ˆvψ) ,<br />

dass j im Wesentlichen die Geschwindigkeitsdichte des Teilchens darstellt. Das<br />

Integral von j über den Ortsraum ist dementsprechend gleich der mittleren Geschwindigkeit<br />

des Teilchens:<br />

Êdx j(x, t) = 1 m Re (Êdx ψ ∗ˆpψ) = 1 m Re(〈ˆp〉) = 1 m<br />

〈ˆp〉 = 〈ˆv〉 ,<br />

wobei verwendet wurde, dass 〈ˆp〉 wegen der Hermitezität des Operators ˆp reell<br />

ist:<br />

〈ˆp〉 ∗ =Êdx (ˆpψ) ∗ ψ =Êdx ψ ∗ (ˆpψ) = 〈ˆp〉 .<br />

In Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes, d. h. für den Hamilton-Operator<br />

Ĥ = 1<br />

2m (ˆp − qA)2 + qΦ<br />

findet man ähnliche Ergebnisse, nur ist die Form der Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />

in diesem Fall explizit vom Vektorpotential A abhängig. Aus der Schrödinger-Gleichung<br />

folgt nun:<br />

−i∂ t ψ ∗ =´å1<br />

2m<br />

i ∇ − qA2 + qΦèψµ∗<br />

=å1<br />

2m (ˆp + qA)2 + qΦèψ ∗ ,


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 22<br />

so dass mit der Definition j 0 ≡<br />

<br />

2mi [ψ∗ (∇ψ) − (∇ψ ∗ )ψ] gilt:<br />

∂̺<br />

∂t = − iå1 1<br />

2m (ˆp + qA)2 ψ ∗ + qΦψ ∗èψ − ψ ∗å1<br />

2m (ˆp − qA)2 ψ + qΦψè<br />

= −∇ · j 0 −<br />

2miÒˆp q · (Aψ ∗ ) + A · (ˆpψ ∗ )ψ<br />

+ ψ ∗ˆp · (Aψ) + A · (ˆpψ)Ó<br />

= −∇ · j 0 + q m A ·(∇ψ ∗ )ψ + ψ ∗ (∇ψ)+ q<br />

2m 2(∇ · A)ψ∗ ψ<br />

= −∇ · j 0 + q m ∇ · (Aψ∗ ψ)<br />

= −∇ ·j 0 − q m Aψ∗ ψ.<br />

Allgemein, d. h. in Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes, ist die Wahrscheinlichkeitsstromdichte<br />

also durch<br />

j = <br />

2miψ ∗ (∇ψ) − (∇ψ ∗ )ψ− q m Aψ∗ ψ (2.15)<br />

gegeben. Definieren wir den kinetischen Impuls als<br />

ˆπ ≡ ˆp − qA ,<br />

dann folgt mit<br />

sofort<br />

j = 1<br />

2mψ ∗ (ˆpψ) + (ˆpψ) ∗ ψ− q m Aψ∗ ψ<br />

j = 1<br />

2mψ ∗ (ˆπψ) + (ˆπψ) ∗ ψ= 1 m Re (ψ∗ ˆπψ) . (2.16)<br />

Da der Operator ˆπ/m ≡ ˆv wiederum die Geschwindigkeit des Teilchens beschreibt<br />

4 , ist klar, dass j auch in Anwesenheit von elektromagnetischen Feldern<br />

im Wesentlichen eine Geschwindigkeitsdichte darstellt. Die Form (2.16) zeigt,<br />

dass die experimentell messbare Größe j(x, t) in der Tat eichinvariant ist.<br />

Es sei noch hinzugefügt, dass die Ladungswahrscheinlichkeitsdichte und die<br />

Ladungswahrscheinlichkeitsstromdichte des Teilchens einfach durch q̺(x, t) bzw.<br />

q j(x, t) gegeben sind.<br />

2.4 Vertauschungsrelationen und Kommutatoren<br />

Es ist in der <strong>Quantenmechanik</strong> von wesentlicher Bedeutung, dass die dynamischen<br />

Variablen wie der Impuls ˆp oder der Bahndrehimpuls x × ˆp Operatoren<br />

und keine Zahlen sind. Ähnliches gilt wohlgemerkt auch für den Operator x, der<br />

bisher zwar aus reellen Zahlen aufgebaut ist, aber in allgemeineren Darstellungen<br />

(s.u.) ebenfalls den Charakter eines Operators erhält.<br />

4 Für A = 0 vereinfacht sich die allgemeine Definition ˆv ≡ ˆπ/m zu ˆv ≡ ˆp/m (siehe vorher).


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 23<br />

Der Operatorcharakter der dynamischen Variablen bringt mit sich, dass die<br />

Reihenfolge, in der sie auftreten, wichtig ist. Es gilt z. B.:<br />

x iˆp i ψ = i x ∂<br />

i ψ ≠ ∂<br />

(x i ψ) = ˆp i (x i ψ) ,<br />

∂x i i ∂x i<br />

oder kurzgefasst x iˆp i ≠ ˆp i x i , so dass x i und ˆp i „nicht miteinander vertauschen“.<br />

Etwas allgemeiner gilt:<br />

oder auch:<br />

(x iˆp j − ˆp j x i )ψ = ∂<br />

i −<br />

ix ∂ x iψ<br />

∂x j ∂x j<br />

= ix i<br />

∂<br />

∂x j<br />

− δ ij − x i<br />

∂<br />

∂x jψ<br />

= iδ ij ψ ,<br />

(x iˆp j − ˆp j x i ) = iδ ij .<br />

Analog zeigt man leicht, dass<br />

f(x)ˆp j − ˆp j f(x) = i ∂f<br />

∂x j<br />

(x)<br />

gilt. Um diese und andere Operatoridentitäten bequem zusammenfassen zu könne,<br />

führt man den Kommutator [A, B] zweier Größen A und B als<br />

[A, B] ≡ AB − BA<br />

ein und schreibt damit die obigen Beziehungen als:<br />

und<br />

[x i , ˆp j ] = iδ ij (2.17)<br />

[f(x), ˆp] = i∇f(x) . (2.18)<br />

Kommutatoren von Ortskoordinaten sind gleich Null:<br />

[x i , x j ] = 0 .<br />

Das Gleiche gilt auch für die Komponenten des Impulsoperators:<br />

[ ˆp i , ˆp j ] = 0 .<br />

Der Kommutator hat einige interessante und nützliche Eigenschaften:<br />

[A, B] = −[B, A] (2.19)<br />

[A, λB] = λ[A, B] (λ ∈) (2.20)<br />

[A, B + C] = [A, B] + [A, C] (2.21)<br />

[A, BC] = ABC − BCA = [A, B]C + B[A, C] (2.22)<br />

[[A, B] , C] + [[B, C] , A] + [[C, A] , B] = 0 , (2.23)


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 24<br />

wobei (2.23) als Jacobi-Identität bekannt ist.<br />

Auch andere physikalische Größen führen wegen ihres Operatorcharakters<br />

zu nichttrivialen Kommutatoren. Wir erwähnen hier insbesondere den Bahndrehimpuls<br />

ˆL = x × ˆp, dessen Definition durch den entsprechenden Ausdruck<br />

in der klassischen Mechanik motiviert wird. Mit Hilfe von ˆL i = ε ikl x kˆp l findet<br />

man für den Kommutator von ˆL i mit den Komponenten des Ortsvektors:<br />

[ˆL i , x j ] = ε ikl [x kˆp l , x j ] = −ε ikl [x j , x kˆp l ] = −ε ikl x k [x j , ˆp l ]<br />

= −ε ikl x k iδ jl = −iε ikj x k<br />

= iε ijk x k . (2.24)<br />

Interessanterweise findet man ähnliche Ausdrücke auch für den Kommutator<br />

von ˆL i mit ˆp j und ˆL j :<br />

[ˆL i , ˆp j ] = iε ijkˆp k (2.25)<br />

[ˆL i , ˆL j ] = iε ijkˆLk . (2.26)<br />

Mit Hilfe einfacher Umformungen kann man die Gleichungen (2.24)–(2.26) auch<br />

kompakter schreiben:<br />

1<br />

2ˆL × x + x × ˆL=ix<br />

1<br />

2ˆL × ˆp + ˆp × ˆL=iˆp<br />

ˆL × ˆL = iˆL ,<br />

denn es gilt z.B.<br />

ˆL × x + x × ˆLl = ε lij[ˆL i , x j ] = iε lij ε ijk x k = 2iδ kl x k = 2ix l .<br />

Diese letzten Ergebnisse zeigen noch einmal klar, dass vertraute Formeln aus<br />

der Vektorrechnung, wie a × b = −b × a und a × a = 0, im Allgemeinen nicht<br />

auf Operatoren erweitert werden können.<br />

Kommutatoren mit dem Hamilton-Operator sind besonders wichtig, da sie<br />

die Zeitentwicklung von Mittelwerten der Form<br />

〈Ô〉 ≡dxψ ∗ (x, t)äÔ(x, ˆp; t)ψç(x, t)<br />

bestimmen. Dies sieht man sofort aus:<br />

d<br />

dt 〈Ô〉 =dx(∂ t ψ ∗ )Ôψ + ψ∗ (∂ t Ô)ψ + ψ ∗ Ô(∂ t ψ)<br />

= 1<br />

idx−(Ĥψ)∗ Ôψ + ψ ∗ Ô(Ĥψ)+〈 ∂Ô<br />

∂t 〉<br />

=<br />

idxψ 1<br />

∗ ∂Ô<br />

(ÔĤ − ĤÔ)ψ+〈<br />

∂t 〉<br />

= 1 〈[Ô, Ĥ]〉 + 〈∂Ô<br />

i ∂t 〉 .<br />

Hierbei geht wiederum wesentlich die Hermitezität des Hamilton-Operators<br />

dx(Ĥψ 1) ∗ ψ 2 =dxψ ∗ 1(Ĥψ 2)


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 25<br />

ein. Insbesondere gilt für Ô = Ĥ:<br />

d<br />

dt 〈Ĥ〉 = 1 〈[Ĥ, Ĥ]〉 + 〈∂Ĥ<br />

i ∂t 〉 = 〈∂Ĥ ∂t 〉 ,<br />

so dass die Energie 〈Ĥ〉 erhalten ist, falls Ĥ nicht explizit von der Zeit abhängt:<br />

∂Ĥ<br />

d〈Ô〉<br />

∂t<br />

= 0. Allgemein gilt, dass 〈Ô〉 erhalten ist, falls<br />

dt<br />

= 0 gilt für alle möglichen<br />

quantenmechanischen Zustände ψ. Es folgt, dass 〈Ô〉 dann und nur dann<br />

eine Erhaltungsgröße ist, falls die Operatoridentität<br />

1 ∂Ô<br />

[Ô, Ĥ] +<br />

i ∂t = 0<br />

erfüllt ist. In praktischen Anwendungen gilt häufig,<br />

Ô1ç<br />

dass Ô nicht explizit zeitabhängig<br />

ist: ∂Ô<br />

∂t<br />

= 0; in diesem Fall ist 〈Ô〉 für alle ψ erhalten, falls Ô mit dem<br />

Hamilton-Operator kommutiert: [Ô, Ĥ] = 0. Falls 〈Ô1〉 und 〈Ô2〉 beide erhalten<br />

sind, d.h. falls sowohl<br />

1<br />

∂Ô1<br />

i<br />

[Ô1, Ĥ] +<br />

∂t<br />

= 0 als auch 1<br />

i [Ô2, Ĥ2] + ∂Ô2<br />

∂t<br />

= 0<br />

gilt, ist übrigens auch der Mittelwert 〈[Ô1, Ô2]〉 des Kommutators dieser beider<br />

Operatoren für alle ψ erhalten. Dies folgt sofort aus der Jacobi-Identität (2.23):<br />

1<br />

∂[Ô1, Ô2]<br />

Ô2], Ĥç+ = −<br />

iä[Ô1, 1 Ĥ],<br />

∂t iä[Ô2,<br />

−<br />

iä[Ĥ, 1 Ô1], Ô2ç+æ∂Ô1<br />

∂t , Ô2é+æÔ 1 ,<br />

∂té<br />

∂Ô2<br />

=æ∂Ô2<br />

∂t , Ô1é−æ∂Ô1<br />

∂t , Ô2é+æ∂Ô1<br />

∂t , Ô2é+æÔ 1 ,<br />

∂té<br />

∂Ô2<br />

= 0 .<br />

Aus zwei bekannten Erhaltungsgrößen kann man also durch Kommutatorbildung<br />

im Prinzip neue Erhaltungsgrößen konstruieren.<br />

Es sei noch darauf hingewiesen, dass das Auftreten von Kommutatoren in<br />

der Zeitentwicklung von Mittelwerten 〈Ô〉 in der <strong>Quantenmechanik</strong> stark analog<br />

zum Auftreten von Poisson-Klammern in klassischen Bewegungsgleichungen ist:<br />

dO(x,p; t)<br />

dt<br />

= {O, H} + ∂O<br />

∂t<br />

, {A, B} ≡k∂A<br />

∂x k<br />

∂B<br />

∂p k<br />

− ∂A<br />

∂p k<br />

∂B<br />

∂x k.<br />

Man kann in der Tat zeigen, dass sich Mittelwerte von Kommutatoren im „klassischen<br />

Limes“ auf die Poisson-Klammern der Klassischen Mechanik reduzieren.<br />

Auch die Poisson-Klammern besitzen die algebraischen Eigenschaften (2.19)-<br />

(2.23), und da sie insbesondere die Jacobi-Identität erfüllen, gilt auch in der<br />

Klassischen Mechanik, dass die Poisson-Klammer {O 1 , O 2 } zweier Erhaltungsgrößen<br />

O 1 und O 2 wiederum eine Erhaltungsgröße ist („Poisson’sches Theorem“).<br />

Der allgemeine Ausdruck<br />

d<br />

dt 〈Ô〉 = 1 〈[Ô, Ĥ]〉 + 〈∂Ô<br />

i ∂t 〉 (2.27)


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 26<br />

kann natürlich dazu verwendet werden, die Zeitentwicklung von wichtigen Mittelwerten,<br />

wie z. B. von 〈x〉,〈ˆp〉,〈ˆπ〉 und 〈ˆL〉 zu untersuchen.<br />

]<br />

Dies wird im Folgenden<br />

auch geschehen. Als Vorbereitung auf diese Untersuchung bestimmen<br />

wir zuerst die Kommutatoren des Hamilton-Operators mit den wichtigsten dynamischen<br />

Variablen.<br />

Wir betrachten zuerst den Fall konservativer Kräfte, d. h. den Hamilton-<br />

Operator Ĥ = ˆp2 /2m + V (x). Aus der Vertauschungsrelation [x i , ˆp j ] = iδ ij<br />

und der Rechenregel [A, B 2 ] = [A, B]B + B[A, B] folgt sofort:<br />

[x i , Ĥ] = 1<br />

2m [x i, ˆp 2 ] =<br />

2m[x 1<br />

i , ˆp j ] ˆp j + ˆp j [x i , ˆp j<br />

= i<br />

2m 2δ ij ˆp j = i m ˆp i = iˆv i (2.28)<br />

und daher<br />

[x, Ĥ] = i ˆp = iˆv .<br />

m<br />

Hierbei wurde die Einstein’sche Summationskonvention, ˆp 2 = ˆp j ˆp j , usw., verwendet.<br />

Ĥ]<br />

Für den Kommutator von Ĥ und ˆp findet man:<br />

[ˆp, Ĥ] = [ˆp, ˆp 2<br />

+ V (x)] = [ˆp, V (x)] = −i∇V (x) = iF(x) (2.29)<br />

2m<br />

und analog folgt für den Kommutator von Ĥ und ˆL mit Hilfe der Rechenregel<br />

[BC, A] = [B, A]C + B[C, A]:<br />

[ˆL i , Ĥ] = ε ijk[x j ˆp k , Ĥ] = ε ijk[x j , Ĥ] ˆp k + x j [ ˆp k ,<br />

= ε ijki<br />

m ˆp jˆp k + x j iF k (x)<br />

und daher<br />

[ ˆL, Ĥ] = ix × F(x) ≡ iM(x) , (2.30)<br />

wobei M = x × F das Drehmoment darstellt.<br />

Wir fassen die wichtigsten Kommutatoren für den Fall elektromagnetischer<br />

Kräfte kurz zusammen. Die elementaren Vertauschungsregeln für die Koordinaten<br />

x und die kinetischen Impulse ˆπ = ˆp − qA sind durch:<br />

[x i , x j ] = 0 , [x i , ˆπ j ] = iδ ij , [ˆπ i , ˆπ j ] = iqε ijk B k<br />

gegeben, wobei B k die Komponenten des Magnetfelds bezeichnet. Etwas allgemeiner<br />

gilt:<br />

[f(x), ˆπ] = i∇f(x) .<br />

Mit Hilfe dieser Vertauschungsbeziehungen und mit den Rechenregeln für Kommutatoren<br />

findet man nun leicht:<br />

[x, Ĥ] = i ˆπ = iˆv<br />

m<br />

[ ˆπ, Ĥ] = i1<br />

2q(ˆv × B − B × ˆv) − q∇Φ<br />

[x × ˆπ,<br />

Ĥ] = ix ×1<br />

2q(ˆv × B − B × ˆv) − q∇Φ,<br />

wobei ˆv = ˆπ/m = 1 m<br />

(ˆp − qA) wiederum der Geschwindigkeitsoperator ist.


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 27<br />

2.5 Das Ehrenfest’sche Theorem<br />

Die nichtrelativistische <strong>Quantenmechanik</strong> soll sich in einem geeigneten „klassischen<br />

Limes“ natürlich auf die klassische Mechanik reduzieren. Einen ersten<br />

Hinweis darauf, dass diese Bedingung in der Tat erfüllt ist, liefert das Ehrenfest’sche<br />

Theorem, das besagt, dass die klassischen Bewegungsgleichungen, also<br />

z. B. ẋ = ∂H/∂p und ṗ = −∂H/∂x, in der Quantentheorie für die Mittelwerte<br />

dieser Größen gelten. Die Bewegungsgleichungen der Quantentheorie enthalten<br />

gemäß Gleichung (2.27) Erwartungswerte von Kommutatoren mit dem<br />

Hamilton-Operator.<br />

Wir betrachten zuerst den einfachsten Fall, Ĥ = ˆp2<br />

2m<br />

+V (x), und folgern aus<br />

(2.28), dass die Geschwindigkeit d dt<br />

〈x〉 gleich dem Erwartungswert von ˆp/m ist:<br />

d<br />

dt 〈x〉 = 1 〈ˆp〉 = 〈ˆv〉 , (2.31)<br />

m<br />

und aus (2.29), dass die Zeitableitung des Impulses gleich dem Erwartungswert<br />

der Kraft ist:<br />

d<br />

〈ˆp〉 = 〈−∇V (x)〉 = 〈F(x)〉 . (2.32)<br />

dt<br />

Diese Gleichungen sind das quantenmechanische Pendant zu den klassischen Bewegungsgleichungen<br />

ẋ = p/m und ṗ = −∇V . Anders als in der klassischen Mechanik<br />

ist der Satz von Bewegungsgleichungen (2.31), (2.32) nicht geschlossen.<br />

Um die klassischen Hamilton-Gleichungen aus (2.31), (2.32) zurückzuerhalten,<br />

muss man nähern: 〈F(x)〉 ≈ F(〈x〉), und diese Näherung ist im Allgemeinen nur<br />

dann gültig, wenn die Ausdehnung der Wahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens<br />

sehr viel kleiner 5 ist als die typische Längenskala, auf der sich die Kraft F(x)<br />

ändert.<br />

Für einige wenige Modelle sind die Bewegungsgleichungen (2.31) und (2.32)<br />

exakt lösbar: Zum Beispiel gilt F(x) = 0 für das freie Teilchen, und man findet<br />

sofort, dass der Impuls erhalten ist, 〈ˆp〉 t = 〈ˆp〉 0 , und sich der mittlere<br />

Aufenthaltsort mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, 〈x〉 t = 〈ˆp〉 0 t/m. Ein<br />

weiteres Beispiel ist die konstante (d.h. ortsunabhängige) Kraft, F(x) = F,<br />

die zu den wohlbekannten klassischen Lösungen 〈ˆp〉 t = 〈ˆp〉 0 + Ft und 〈x〉 t =<br />

t<br />

〈x〉 0 + 〈ˆp〉 0 m + F t2<br />

2m<br />

führt. Ein drittes Beispiel ist der harmonische Oszillator,<br />

V (x) = 1 2 mω2 x 2 und somit F(x) = −mω 2 x, für den sich Gleichung (2.32) auf<br />

d<br />

dt 〈ˆp〉 = −mω2 〈x〉 vereinfacht. Das Gleichungspaar (2.31) und (2.32) ist daher<br />

leicht geschlossen lösbar; wiederum haben die Lösungen 〈x〉 t und 〈ˆp〉 t die<br />

wohlbekannte oszillierende Form der klassischen Lösung.<br />

Das Pendant zur klassischen Beziehung ˙L = M zwischen der zeitlichen Änderung<br />

des Drehimpulses und dem Drehmoment folgt aus (2.30) als:<br />

d<br />

dt 〈ˆL〉 = 〈x × [−∇V (x)]〉 = 〈x × F(x)〉 = 〈M(x)〉 .<br />

5 Genau genommen müsste für jede Komponente F i (i = 1, 2,3) der Kraft stets<br />

− 〈x〉) · (∇∇F i )(〈x〉) · (x − 〈x〉)«≪ F i 〈x〉¡<br />

gelten.Å(x


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG<br />

i<br />

28<br />

Eine weitere Bewegungsgleichung folgt aus<br />

[x iˆp i , Ĥ] = [x i, Ĥ] ˆp i + x i [ ˆp i , Ĥ] = i m ˆp2 i + x i i− ∂V<br />

∂x<br />

als<br />

2<br />

d 1<br />

〈x · ˆp〉 = 〈[x · ˆp, Ĥ]〉 = 2ˆp<br />

· ∇V 〉 .<br />

dt i 2mò−〈x<br />

In einem stationären Zustand ist die linke Seite dieser Bewegungsgleichung Null,<br />

und es folgt die Beziehung<br />

E kin =ˆp 2<br />

2mò=− 1 〈x · F〉 ,<br />

2<br />

die als das quantenmechanische Virialtheorem bezeichnet wird. Das Virialtheorem<br />

trifft in leicht abgewandelter Form auch zu für zeitgemittelte Größen bei<br />

einer quantenmechanischen Bewegung in einem begrenzten Raumbereich: Bei einer<br />

solchen begrenzten Bewegung sind die möglichen Funktionswerte von 〈x · ˆp〉<br />

beschränkt, so dass bei einer Mittelung über ein genügend langes Zeitintervall<br />

gilt:<br />

d<br />

1<br />

〈x · ˆp〉 ≡ lim dt<br />

dt T →∞ TT<br />

d 〈x · ˆp〉<br />

0 dt<br />

= lim<br />

T →∞<br />

〈x · ˆp〉 T − 〈x · ˆp〉 0<br />

T<br />

= 0 .<br />

Die zeitgemittelte kinetische Energie ist daher in einfacher Weise mit dem Virial<br />

1<br />

〈x · F〉 verknüpft:<br />

2m 〈ˆp2 〉 = − 1 2<br />

〈x · F〉.<br />

Als Beispiel betrachten wir ein sphärisch symmetrisches Potential der Form<br />

V (x) = V 0 x α mit x ≡ |x|. Da allzu stark singuläre attraktive Potentiale physikalisch<br />

uninteressant und mathematisch problematisch sind (s. später), fordern<br />

wir α > −2, falls V 0 < 0 gilt. Es folgt F = −∇V = −αV 0 x α−2 x und daher:<br />

d〈x〉<br />

dt<br />

= 〈ˆp〉<br />

m , d〈ˆp〉<br />

= −αV 0 〈x α−2 x〉 ,<br />

dt<br />

d〈ˆL〉<br />

dt<br />

= 0<br />

sowie<br />

E kin = α 2 V 0〈x α 〉 = α 2 〈V (x)〉 = α 2 E pot .<br />

Wie man sieht, ist der mittlere Drehimpuls 〈ˆL〉 für alle α eine Erhaltungsgröße,<br />

wie auch in der klassischen Mechanik. Außerdem ist bereits an dieser Stelle klar,<br />

dass das harmonische Potential V (x) = V 0 x 2 auch in der <strong>Quantenmechanik</strong> eine<br />

Ausnahmeposition einnimmt: Für α = 2 sind die Bewegungsgleichungen für 〈x〉<br />

und 〈ˆp〉 geschlossen lösbar und sind die mittleren kinetischen und potentiellen<br />

Energien exakt gleich.<br />

Wir fassen die quantenmechanischen Bewegungsgleichungen für geladene<br />

Teilchen im elektromagnetischen Feld zusammen. Für die zeitlichen Änderungen<br />

des gemittelten Ortsvektors bzw. kinetischen Impulses gilt<br />

d<br />

dt 〈x〉 = 1<br />

i 〈[x, Ĥ]〉 = 1 〈ˆπ〉 = 〈ˆv〉<br />

m


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 29<br />

bzw.<br />

d<br />

dt 〈ˆπ〉 = 1<br />

∂A<br />

〈[ ˆπ, Ĥ]〉 +−q Lor 〉 ,<br />

i ∂tò=〈ˆF<br />

wobei der quantenmechanische Operator, der das Pendant zur klassischen Lorentz-<br />

Kraft formt, gegeben ist durch:<br />

ˆF Lor = qE + 1 2<br />

(ˆv × B − B × ˆv)<br />

mit ˆv = ˆπ/m. Hierbei dürfen E(x, t) und B(x, t) durchaus explizit orts- und<br />

zeitabhängig sein.<br />

Für den Spezialfall eines konstanten (d.h. orts- und zeitunabhängigen) elektrischen<br />

oder magnetischen Feldes erhält man die Bewegungsgleichungen<br />

bzw.<br />

d<br />

dt 〈x〉 = 1 m 〈ˆπ〉 , d<br />

〈ˆπ〉 = qE<br />

dt<br />

d<br />

dt 〈x〉 = 1 m 〈ˆπ〉 , d<br />

dt 〈ˆπ〉 = q m 〈ˆπ〉 × B ,<br />

die zeigen, dass 〈x〉 und 〈ˆπ〉 in diesen beiden Fällen die klassischen Bewegungsgleichungen<br />

erfüllen: Im Falle eines orts- und zeitunabhängigen Magnetfeldes<br />

präzediert der Impuls 〈ˆπ〉 mit der Frequenz qB/m um die B-Richtung. Die<br />

quantenmechanische Variante des klassischen Drehimpulses mr × ṙ ist x × ˆπ,<br />

dessen Mittelwert für allgemeine elektromagnetische Kräfte die Bewegungsgleichung<br />

d<br />

dt 〈x × ˆπ〉 = 〈x × ˆF Lor 〉 = 〈 ˆM Lor 〉<br />

erfüllt. Beide Seiten dieser Gleichung hängen nur von x, ˆπ und t ab und sind<br />

somit manifest eichinvariant. Außerdem findet man<br />

d<br />

dt 〈x · ˆπ〉 = 1 m 〈ˆπ2 〉 + 〈x · ˆF Lor 〉 ,<br />

so dass zeitgemittelt für eine Bewegung in einem beschränkten Raumbereich<br />

1<br />

2m 〈ˆπ2 〉 = − 1 2 〈x · ˆF Lor 〉<br />

gilt. Die mittlere kinetische Energie ist daher wiederum in einfacher Weise mit<br />

dem Virial 〈x · ˆF〉 verknüpft.<br />

2.6 Der klassische Limes („ → 0“)<br />

Das Ehrenfest’sche Theorem suggeriert, dass sich die quantenmechanische Beschreibung<br />

mit Hilfe der Schrödinger-Gleichung in einem geeigneten Limes, der<br />

gemeinhin als „ → 0“ bezeichnet wird, auf die klassischen Bewegungsgleichungen<br />

der Newton’schen Mechanik reduzieren sollte. In diesem Abschnitt zeigen<br />

wir, dass dies (bei geeigneter Interpretation von „ → 0“) in der Tat der Fall


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 30<br />

ist. Konkret wird gezeigt, dass sich die Phase der Wellenfunktion im klassischen<br />

Limes auf die Hamilton’sche Wirkungsfunktion reduziert und dass die mit der<br />

Wellenfunktion verknüpfte Wahrscheinlichkeitsdichte die Kontinuitätsgleichung<br />

einer klassischen Flüssigkeit erfüllt.<br />

Zuerst sei in Erinnerung gerufen, dass die Hamilton’sche Wirkungsfunktion<br />

eines klassisch mechanischen Systems,<br />

Σ (x2,t2)<br />

(x ≡ 1,t 1) S(x2,t2) (x [x 2<br />

1,t 1) φ] =t<br />

dt L (x φ (t),ẋ φ (t), t) ,<br />

t 1<br />

durch den Wert des Wirkungsfunktionals für die physikalische Bahn x φ (t) durch<br />

die Punkte (x 1 , t 1 ) und (x 2 , t 2 ) gegeben ist. Falls nicht die Lagrange-, sondern<br />

die Hamilton-Funktion vorgegeben ist, kann man die Wirkungsfunktion äquivalent<br />

auch aus der Wirkung des modifizierten Hamilton’schen Prinzips berechnen:<br />

Σ (x2,t2) (x2,t2)<br />

(x 1,t 1)<br />

≡ ˜S<br />

(x [x 2<br />

1,t 1) φ,p φ ] =t<br />

dt [ẋ φ (t) · p φ (t) − H(x φ (t),p φ (t), t)] .<br />

t 1<br />

Vereinfachend schreibt man oft:<br />

Σ(x, t) ≡ Σ (x,t)<br />

(x 1,t 1)<br />

,<br />

wobei die Koordinaten des Startpunktes (x 1 , t 1 ) also als implizite Parameter<br />

der Funktion Σ(x, t) aufgefaßt werden. Es gilt<br />

∂Σ<br />

∂x (x φ, t) = p φ ,<br />

∂Σ<br />

∂t (x φ, t) = −H(x φ ,p φ , t) ,<br />

so dass die Funktion Σ(x, t) die partielle Differentialgleichung<br />

∂Σ ∂Σ<br />

(x, t) + Hx,<br />

∂t ∂x (x, t), t=0 (2.33)<br />

erfüllt, die als Hamilton-Jacobi-Gleichung bezeichnet wird. Für ein freies Teilchen,<br />

also mit H = H 0 (p) = p 2 /2m, findet man als Ergebnis für die Wirkungsfunktion:<br />

Σ (x2,t2)<br />

(x 1,t 1) = m(x 2 − x 1 ) 2<br />

2(t 2 − t 1 )<br />

. (2.34)<br />

Für kompliziertere Probleme, wie z.B. für ein geladenes Teilchen (Ladung q,<br />

Masse m) unter der Einwirkung elektromagnetischer und zusätzlicher wirbelfreier<br />

Kräfte,<br />

H(x,p, t) =<br />

[p − qA(x, t)]2<br />

2m<br />

+ ¯V (x, t) , ¯V (x, t) ≡ qΦ(x, t) + V (x, t) ,<br />

läßt sich die Wirkungsfunktion im Allgemeinen nicht so einfach berechnen. Stets<br />

gilt jedoch, dass die Wirkungsfunktion sich für kurze Zeitintervalle (t 2 ↓ t 1 bei<br />

festem Relativvektor x 2 − x 1 ) auf diejenige des freien Teilchens reduziert,<br />

(t 2 − t 1 )Σ (x2,t2)<br />

(x 1,t 1) ∼ 1 2 m(x 2 − x 1 ) 2 (t 2 ↓ t 1 ) ,<br />

da die in diesem Grenzfall auftretenden Impulse sehr groß sind und daher die<br />

Hamilton-Funktion dominieren: H(x,p, t) ∼ H 0 (p) für t 2 ↓ t 1 .


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 31<br />

Wir betrachten nun das quantenmechanische Analogon, d.h. ein geladenes<br />

Teilchen, dessen Wellenfunktion die Schrödinger-Gleichung<br />

i∂ t ψ = Ĥψ , Ĥ = 1<br />

2m [ˆp − qA(x, t)]2 + ¯V (x, t) (2.35)<br />

erfüllt. Außerdem soll die „Bahn“ des Teilchens die gleichen Start- und Endpunkte<br />

wie das klassische Pendant besitzen:<br />

〈x〉 t1 = x 1 , 〈x〉 t2 = x 2 . (2.36)<br />

Auch für das Schrödinger-Teilchen erwartet man, dass es sich im Kurzzeitlimes<br />

(also für hohe Impulse: Ĥ ∼ H 0 (ˆp) = ˆp 2 /2m) effektiv frei verhält und<br />

somit dasselbe Verhalten aufweist wie ein freies isotropes Gaußpaket mit dem<br />

Wellenvektor k 0 ≡ m(x 2 − x 1 )/(t 2 − t 1 ):<br />

ψ(x, t) =å√<br />

2πl1 + i δt<br />

t Zè−d/2<br />

exp− (δx − 2il 2 k 0 ) 2<br />

4l 2 (1 + iδt/t Z ) − l 2 k 2 0. (2.37)<br />

Hierbei wurde δx ≡ x − x 1 und δt ≡ t − t 1 definiert. Außerdem stellt √ dl die<br />

Anfangsbreite des Wellenpaketes dar und t Z die Zeit, nach der es zerfließt:<br />

√<br />

dl =〈(δx) 2 〉 t1 , t Z = 2ml 2<br />

Für den allgemeinen Fall (2.35) nehmen wir an, dass typische Eigenschaften<br />

und Meßgrößen des Teilchens, wie die Masse m, der kinetische Impuls π φ (t) =<br />

p φ (t)−qA(x φ (t), t), die kinetische Energie E kin = 1<br />

2m [π φ(t)] 2 und die potentielle<br />

Energie ¯V (x φ (t), t) sowie der Relativvektor x 2 −x 1 ≡ x 21 und das Zeitintervall<br />

t 2 − t 1 ≡ t 21 im Limes → 0 alle endlich bleiben.<br />

Um nun die Dynamik der Wellenfunktion ψ(x, t) im klassischen Limes zu<br />

untersuchen, schreiben wir die Schrödinger-Gleichung (2.35) zuerst um als Differentialgleichung<br />

für die Größe i ln(ψ):<br />

<br />

−∂ tä<br />

i ln(ψ)ç= 1 ψ (i∂ tψ) = 1 ψĤψ<br />

(2.38)<br />

=<br />

2mä∇ 1 lnψ−qAç2 i +<br />

<br />

∆<br />

2mi i lnψ+ ¯V − q<br />

2mi ∇ · A .<br />

Es ist naheliegend, die Kombination i<br />

ln(ψ) zu betrachten, da man erwartet,<br />

dass der Impulsoperator ˆp = i<br />

∇ im klassischen Limes durch den (endlichen)<br />

klassischen kanonischen Impulsvektor p ersetzt werden kann: ˆpψ → pψ, d.h.<br />

1 ˆpψ = ∇<br />

ψ i lnψ→p .<br />

Damit p endlich ist, muß i<br />

ln(ψ) im klassischen Limes gegen einen endlichen<br />

Grenzwert streben, den wir als S 0 bezeichnen werden. Es soll also ∇S 0 = p<br />

gelten, und da p ein reeller Vektor ist, muß auch S 0 reell sein. Andererseits muß<br />

ln(ψ) im Limes → 0 auch einen endlichen Realteil besitzen, den wir als S 1<br />

bezeichnen werden, damit die Wellenfunktion in diesem Limes korrekt normiert<br />

bleibt:Êdx |ψ| 2 =Êdx e 2S1(x,t) = 1. Wir machen daher den Ansatz:<br />

<br />

i ln(ψ) = S 0 + i S 1 + · · · ( → 0) (2.39)<br />

.


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 32<br />

mit S 0 und S 1 reell und endlich. Im Limes → 0 soll Re(· · · ) klein im Vergleich<br />

zu S 0 und analog Im(· · · ) klein im Vergleich zu S 1 sein. Einsetzen von (2.39)<br />

in (2.38) liefert unter Vernachlässigung der Quantenkorrekturen (· · · ):<br />

−∂ tS 0 + i S 1=<br />

2mä∇S 1 0 + i S 1−qAç2<br />

+ <br />

2mi ∆S 0 + i S 1+ ¯V<br />

1ç<br />

− q<br />

2mi ∇ · A .<br />

Ein Vergleich der Real- bzw. Imaginärteile der beiden Glieder ergibt<br />

−∂ t S 0 = 1<br />

2m (∇S 0 − qA) 2 + ¯V − 2mä(∇S 2 1 ) 2 + ∆S<br />

und<br />

−∂ t S 1 = mä(∇S 1 0 − qA) · ∇S 1 + 1 2 ∆S 0 − 1 2q∇ · Aç.<br />

Die erste der beiden Gleichungen liefert im Limes → 0 :<br />

0 = ∂ t S 0 + 1<br />

2m (∇S 0 − qA) 2 + ¯V = ∂ t S 0 + H(x, ∇S 0 , t) (2.40)<br />

und erfüllt also die Hamilton-Jacobi-Gleichung. Wir können S 0 daher in der Tat<br />

mit der Hamilton’schen Wirkungsfunktion identifizieren. Die zweite der beiden<br />

Gleichungen kann mit Hilfe der Substitution S 1 (x, t) = 1 2<br />

ln[ρ(x, t)] auch als<br />

0 = ∂ t ρ + 1 m [(∇S 0 − qA) · ∇ρ + ρ∆S 0 − qρ∇ · A]<br />

= ∂ t ρ + 1 m ∇ · [(∇S 0 − qA) ρ] = ∂ t ρ + 1 m∇ · [(p − qA)ρ]<br />

= ∂ t ρ + 1 m ∇ · (πρ) = ∂ tρ + ∇ · (vρ) (2.41)<br />

geschrieben werden und hat also die Form einer Kontinuitätsgleichung für die<br />

Dichte einer mit der Geschwindigkeit v(x,t) strömenden klassischen Flüssigkeit,<br />

wobei v = 1 m (∇S 0 − qA) aus der Lösung der Hamilton-Jacobi-Gleichung (2.40)<br />

zu bestimmen ist. Mit Hilfe der Methode der charakteristischen Kurven ist diese<br />

Kontinuitätsgleichung lösbar, falls der Anfangswert ρ(x, 0) ≡ ρ 0 (x) vorgegeben<br />

ist. Zusammenfassend stellen wir also fest, dass die Wellenfunktion ψ(x, t) im<br />

klassischen Limes die Form<br />

ψ(x, t) =ρ(x, t) expi<br />

[Σ(x, t) + · · ·] (2.42)<br />

erhält, wobei Σ(x, t) die Hamilton’sche Wirkungsfunktion und ρ(x, t) = |ψ(x, t)| 2<br />

die Wahrscheinlichkeitsdichte des Wellenpaketes darstellt. Quantenkorrekturen<br />

wurden bei der Herleitung von (2.42) also vernachlässigt.<br />

Zwei Bemerkungen seien hinzugefügt: Erstens kann der klassische Limes natürlich<br />

nicht wirklich durch eine Entwicklung nach Potenzen des Planck’schen<br />

Wirkungsquantums dargestellt werden („Limes → 0“), da dieses Wirkungsquantum<br />

dimensionsbehaftet ist. Asymptotische Entwicklungen sind Entwicklungen<br />

nach einem kleinen dimensionslosen Parameter. Es wird daher unsere<br />

Aufgabe sein, genauer zu definieren, im Vergleich zu welchen anderen Größen<br />

mit der Dimension einer Wirkung klein sein soll. Zweitens sei darauf hingewiesen,<br />

dass auch die Breite √ dl des Wellenpaketes im Vergleich zu makroskopischen<br />

Abständen gegen Null streben muß, damit die quantenmechanische<br />

Zeitentwicklung sich im klassischen Limes auf die Trajektorie eines klassischen


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 33<br />

Punktteilchens reduziert. Andererseits kann l auch wieder nicht allzu klein gewählt<br />

werden, da die für das Zerfließen des Teilchens charakteristische Zeit<br />

t Z = 2ml 2 / auf jeden Fall groß im Vergleich zur makroskopischen Zeitskala<br />

t 2 − t 1 sein muß. Intuitiv ist klar, dass die Wahl von l die Quantenkorrekturen<br />

(· · · ) im Exponenten in entscheidend beeinflussen wird.<br />

Um den klassischen Limes genau zu definieren, führen wir x 21 ≡ |x 2 −x 1 | als<br />

typischen makroskopischen Abstand, t 21 = t 2 − t 1 als typische makroskopische<br />

Zeit, π 21 ≡ |π 21 | mit π 21 ≡ mx 21 /t 21 als typischen kinetischen Impuls und<br />

E 21 ≡ (π 21 ) 2 /2m als typische kinetische Energie für die quantenmechanische<br />

Bewegung eines Wellenpaketes von (x 1 , t 1 ) zu (x 2 , t 2 ) ein. Wir erhalten somit die<br />

folgenden Anforderungen an den klassischen Limes dieser quantenmechanischen<br />

Bewegung:<br />

(i) Die Breite √ dl des Wellenpaketes soll viel kleiner als der typische makroskopische<br />

Abstand x 21 sein, so dass l/x 21 = ml/π 21 t 21 ≡ ε 1 ein dimensionsloser<br />

kleiner Parameter ist.<br />

(ii) Die makroskopische Zeit t 21 soll viel kleiner als die für das Zerfließen des<br />

Wellenpaketes charakteristische Zeit t Z = 2ml 2 / sein, so dass 2t 21 /t Z =<br />

t 21 /ml 2 ≡ ε 2 ein zweiter dimensionsloser kleiner Parameter ist.<br />

(iii) Typische makroskopische Wirkungen wie x 21 π 21 oder E 21 t 21 sollten groß<br />

sein im Vergleich zu , so dass /x 21 π 21 = m/(π 21 ) 2 t 21 ≡ ε 3 ein dimensionsloser<br />

kleiner Parameter ist.<br />

(iv) Der typische kinetische Impuls π 21 des Teilchens soll viel größer sein als<br />

h/l, d.h. die de-Broglie-Wellenlänge h/π 21 soll viel kleiner als l sein, damit<br />

das Teilchen sich klassisch verhält. Folglich ist /π 21 l ≡ ε 4 ein weiterer<br />

dimensionsloser kleiner Parameter. Dasselbe Kriterium ε 4 ≪ 1 resultiert<br />

aus der Forderung, dass die typische intrinsische Energie 2 /2ml 2 des<br />

Wellenpaketes viel kleiner als seine kinetische Energie E 21 ist.<br />

Die kleinen Parameter ε 1 , ε 2 , ε 3 und ε 4 sind jedoch nicht alle voneinander<br />

unabhängig: Man zeigt leicht, dass ε 3 = (ε 1 ) 2 ε 2 bzw. ε 4 = ε 1 ε 2 gilt. Also können<br />

nur die Kriterien (i) und (ii) als unabhängig angesehen werden. Dass diese beiden<br />

Kriterien wirklich physikalisch unterschiedlich sind, folgt daraus, dass sie eine<br />

obere bzw. untere Schranke für l definieren:<br />

Öt 21<br />

≪Öt 21<br />

= l = π 21t 21<br />

m mε 2 m ε 1 ≪ π 21t 21<br />

.<br />

m<br />

Hiermit ist klar, welchen Anforderungen l im klassischen Limes genügen muss.<br />

Der Einfachheit halber wählen wir im Folgenden einen einzigen kleinen Parameter<br />

ε ≪ 1 und setzen ε 1 ≡ ε 1/4 und ε 2 ≡ ε 1/2 , so dass das Verhältnis von <br />

zu makroskopischen Wirkungen genau gleich ε 3 = (ε 1 ) 2 ε 2 = ε ist. Der klassische<br />

Limes ist daher gleichbedeutend mit dem Limes ε → 0. Durch Elimination von<br />

ε aus den beiden Gleichungen<br />

t 21<br />

m1/2<br />

ε −1/4 = l = π 21t 21<br />

m ε1/4<br />

erhält man l = 1/4 (t 21 /m) 3/4 (π 21 ) 1/2 , so dass bei dieser Wahl von ε 1 und ε 2<br />

im Limes → 0 formal l = O( 1/4 ) gilt.


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 34<br />

2.7 Nichtrelativistische Quantensysteme<br />

mehrerer Teilchen<br />

Systeme mehrerer Teilchen werden völlig analog durch eine Vielteilchenwellenfunktion<br />

Ψ(x 1 , . . .,x N ; t), eine Vielteilchen-Schrödinger-Gleichung<br />

i∂ t Ψ(x 1 , . . .,x N ; t) =äĤΨç(x 1 , . . . ,x N ; t)<br />

und einen Vielteilchen-Hamilton-Operator<br />

ˆp<br />

Ĥ =<br />

Nl=1<br />

2 l<br />

+ V (x 1 , . . . ,x N<br />

2m<br />

l<br />

; t)<br />

l<br />

bzw. (für elektromagnetische Kräfte)<br />

Nl=1(ˆp l − q l A l ) 2<br />

Ĥ =<br />

+ q l Φ<br />

2m l<br />

beschrieben, wobei ˆp l ≡ ∂<br />

i ∂x l<br />

, A l = A(x l , t) und Φ l = Φ(x l , t) gilt. Wiederum<br />

ist die Gesamtwahrscheinlichkeit erhalten:<br />

dx 1 . . .dx N |Ψ(x 1 , . . .,x N ; t)| 2 = 1 ,<br />

und es gilt eine entsprechende Kontinuitätsgleichung für die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

ρ = |Ψ| 2 :<br />

∂ρ<br />

∂t<br />

Nl=1<br />

+ ∂<br />

· j l = 0 , j l ≡ Re(Ψ ∗ˆv l Ψ) ,<br />

∂x l<br />

wobei wir definierten: ˆv l ≡ ˆπ l /m l und ˆπ l ≡ ˆp l − q l A l .<br />

Aus der Kontinuitätsgleichung des N-Teilchen-Systems kann nun leicht eine<br />

Gleichung für die Einteilchendichten<br />

̺(1) ≡dx 2 . . .dx N |Ψ| 2<br />

j (1) ≡dx 2 . . .dx N Re(Ψ ∗ˆv 1 Ψ)<br />

hergeleitet werden. Man findet wie erwartet, dass die übliche Kontinuitätsgleichung<br />

∂̺(1)<br />

∂t<br />

(x 1 , t) + ∂<br />

∂x 1<br />

· j (1) (x 1 , t) = 0<br />

gilt, wobei die Wahrscheinlichkeitsstromdichte j (1) wiederum die Form einer<br />

Geschwindigkeitsdichte hat. Integration über x 1 liefert:<br />

dx 1 ̺(1) (x 1 , t) = 1 ,<br />

was lediglich besagt, dass einzelne Teilchen auch in der Vielteilchen-Schrödinger-<br />

Theorie nicht verloren gehen. Es sollte übrigens bereits an dieser Stelle darauf


------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. DIE WELLENGLEICHUNG 35<br />

hingewiesen werden, dass Wellenfunktionen, die identische Teilchen beschreiben,<br />

nur eine sehr spezielle Symmetrie haben können. Hierbei gibt es einen<br />

wesentlichen Unterschied zwischen den sogenannten Bosonen und den Fermionen:<br />

Die Vielteilchenwellenfunktion für N bosonische Teilchen (man denke an<br />

4 He-Atome oder π-Mesonen) ist symmetrisch unter Vertauschung der Koordinaten<br />

zweier Teilchen, diejenige für N Fermionen (z. B. 3 He-Atome, Protonen,<br />

Elektronen oder Neutronen) dagegen antisymmetrisch. Es gibt einen engen<br />

Zusammenhang zwischen dem bosonischen oder fermionischen Charakter eines<br />

Teilchens und seinem intrinsischen Drehimpuls („Spin“). Auf alle diese Themen<br />

kommen wir später noch ausführlich zurück.


Kapitel3<br />

Formale Struktur der<br />

<strong>Quantenmechanik</strong><br />

Nachdem wir im vorigen Kapitel bereits die Basisgleichungen der nicht-relativistischen<br />

<strong>Quantenmechanik</strong> und einige ihrer Eigenschaften kennengelernt haben,<br />

ist es nun an der Zeit, die mathematische Struktur des quantenmechanischen<br />

Formalismus näher zu erforschen. Wir diskutieren den Funktionenraum der möglichen<br />

Lösungen der Schrödinger-Gleichung und die Eigenschaften von linearen<br />

Operatoren auf diesem Raum. Aus dieser Untersuchung von linearen Operatoren<br />

folgen u. a. die Heisenberg’schen Unschärferelationen. Als Beispiel für die Wirkung<br />

von linearen Operatoren im Funktionenraum diskutieren wir das „Teilchen<br />

im Kasten“. Diese und allgemeinere Betrachtungen gestatten dann eine präzise<br />

Formulierung der Basisprinzipien („Postulate“) der <strong>Quantenmechanik</strong>. Unsere<br />

Untersuchung der formalen Struktur der <strong>Quantenmechanik</strong> führt schließlich<br />

zum Konzept des abstrakten Vektorraums, das eine kompakte, elegante und allgemeingültige<br />

Formulierung der Wirkung von Operatoren im Funktionenraum<br />

ermöglicht.<br />

3.1 Der quantenmechanische Funktionenraum<br />

Der Funktionenraum der <strong>Quantenmechanik</strong> ist mathematisch gesprochen ein<br />

Hilbert-Raum, d. h. ein vollständiger, unitärer, linearer Raum mit (komplexem)<br />

Skalarprodukt. Das Skalarprodukt ist im Falle der <strong>Quantenmechanik</strong> durch das<br />

folgende Integral gegeben:<br />

(ψ 1 , ψ 2 ) ≡dxψ ∗ 1(x)ψ 2 (x) . (3.1)<br />

Beispiele solcher Integrale haben wir bereits vorher in der Form der Normierungsbedingung<br />

1 =Êdx |ψ(x)| 2 = (ψ, ψ) und der Definition von Mittelwerten<br />

Êdxψ ∗ Ôψ = (ψ, Ôψ) kennengelernt.<br />

Wir erklären die wichtigsten Begriffe:<br />

◮ Der Hilbert-Raum H der quadratisch integrierbaren Wellenfunktionen ist<br />

linear, weil er die folgenden Eigenschaften hat:<br />

a) ψ 1 , ψ 2 ∈ H ⇒ ψ 1 + ψ 2 ∈ H,


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 37<br />

b) ψ ∈ H, α ∈⇒αψ ∈ H,<br />

so dass aufgrund von a) und b) auch<br />

ψ 1,2 ∈ H, α 1,2 ∈⇒α 1 ψ 1 + α 2 ψ 2 ∈ H<br />

gilt (dies entspricht dem Superpositionsprinzip der <strong>Quantenmechanik</strong>).<br />

c) ∃0 ∈ H mit ψ + 0 = ψ,<br />

d) ∀ψ ∈ H ∃ψ ′ ∈ H, s. d. ψ + ψ ′ = 0,<br />

und für alle ψ, ψ 1 , ψ 2 , ψ 3 ∈ H, α, β ∈gilt:<br />

e) ψ 1 + ψ 2 = ψ 2 + ψ 1 , (Kommutativität)<br />

f) (ψ 1 + ψ 2 ) + ψ 3 = ψ 1 + (ψ 2 + ψ 3 ), (Assoziativität)<br />

g) 1 · ψ = ψ,<br />

h) α(βψ) = (αβ)ψ,<br />

i) (α + β)ψ = αψ + βψ,<br />

j) α(ψ 1 + ψ 2 ) = αψ 1 + αψ 2 .<br />

◮ Das vorher eingeführte „Skalarprodukt“,<br />

(ψ 1 , ψ 2 ) ≡dxψ ∗ 1(x)ψ 2 (x) ,<br />

ist tatsächlich auch im Sinne der Mathematik ein Skalarprodukt, da das Integral<br />

im rechten Glied folgende Eigenschaften hat:<br />

a) (ψ, ψ) ∈Ê, (ψ, ψ) ≥ 0,<br />

b) (ψ, ψ) = 0 ⇔ ψ = 0,<br />

c) (ψ 1 , ψ 2 ) = (ψ 2 , ψ 1 ) ∗ ,<br />

d) (ψ 1 , α 2 ψ 2 + α 3 ψ 3 ) = α 2 (ψ 1 , ψ 2 ) + α 3 (ψ 1 , ψ 3 ).<br />

In einem Raum mit Skalarprodukt gilt:<br />

(α 1 ψ 1 + α 2 ψ 2 , ψ 3 ) = α ∗ 1 (ψ 1, ψ 3 ) + α ∗ 2 (ψ 2, ψ 3 ) ,<br />

wie sich sofort aus den Eigenschaften c) und d) des Skalarprodukts ergibt. Weiterhin<br />

gilt die Schwarz’sche Ungleichung,<br />

|(ψ 1 , ψ 2 )| 2 ≤ (ψ 1 , ψ 1 )(ψ 2 , ψ 2 ) , (3.2)<br />

welche sich folgendermaßen beweisen lässt: Sie ist offensichtlich korrekt für ψ 1 =<br />

0. Für ψ 1 ≠ 0 zerlegen wir ψ 2<br />

2<br />

in Anteile parallel zu, bzw. senkrecht auf ψ 1 :<br />

ψ 2 = λψ 1 + ψ2 ⊥ , (ψ 1 , ψ2 ⊥ ) = 0 , λ = (ψ 1, ψ 2 )<br />

.<br />

(ψ 1 , ψ 1 )<br />

Daher gilt:<br />

(ψ 1 , ψ 1 )(ψ 2 , ψ 2 ) = (ψ 1 , ψ 1 )λψ 1 + ψ2 ⊥ , λψ 1 + ψ ⊥<br />

= (ψ 1 , ψ 1 )ä|λ| 2 (ψ 1 , ψ 1 ) + (ψ ⊥ 2 , ψ⊥ 2 )ç<br />

≥ (ψ 1 , ψ 1 ) 2 |λ| 2 = |(ψ 1 , ψ 2 )| 2 ,


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 38<br />

und dies ist genau die Schwarz’sche Ungleichung. Die Ungleichung wird dann<br />

und nur dann zu einer Gleichung, wenn ψ ⊥ 2 = 0 bzw. ψ 2 = λψ 1 gilt, d. h. wenn<br />

ψ 1 und ψ 2 proportional sind.<br />

◮ Der Hilbert-Raum ist unitär, da die Norm gemäß ‖ψ‖ ≡(ψ, ψ) mit dem<br />

Skalarprodukt verknüpft ist. Die Norm ist daher invariant unter unitären Transformationen.<br />

◮ Der Hilbert-Raum H ist vollständig, so dass jede Wellenfunktion ψ als Linearkombination<br />

gewisser orthonormaler Basiselemente ψ n geschrieben werden<br />

kann:<br />

ψ =<br />

α n ψ n , (ψ m , ψ n ) = δ mn , α n = (ψ n , ψ)<br />

∞n=1<br />

und ihre Norm durch ‖ψ‖ =<br />

È∞<br />

n=1 |α n| 2¡1/2 gegeben ist.<br />

1<br />

Die Hilbert-Räume der quadratisch integrierbaren Funktionen auf dem Intervall<br />

[a, b] bzw. (−∞, ∞) werden mit L 2 ([a, b]) bzw. kurz L 2 bezeichnet.<br />

3.2 Lineare Operatoren<br />

Ein Operator A : H → H heißt linear, wenn für alle ψ 1 , ψ 2 ∈ H, α, β ∈gilt:<br />

A(αψ 1 + βψ 2 ) = α(Aψ 1 ) + β(Aψ 2 ) .<br />

Die Wirkung der Operatoren cA, A 1 + A 2 , A 1 A 2 ist wie folgt definiert:<br />

(cA)ψ = c(Aψ)<br />

(A 1 + A 2 )ψ = A 1 ψ + A 2 ψ<br />

(A 1 A 2 )ψ = A 1 (A 2 ψ) ,<br />

und alle diese Operatoren sind linear. Der Einheits- und der Nulloperator sind<br />

definiert durch:<br />

11ψ = ψ ∀ψ ,<br />

0ψ = 0 ∀ψ .<br />

Im Allgemeinen gilt AB−BA ≡ [A, B] ≠ 0. Operatoren können selbstverständlich<br />

auch in Skalarprodukten auftreten:<br />

(ψ 1 , Aψ 2 ) =dxψ ∗ 1 (x)(Aψ 2 )(x) ,<br />

(A 1 ψ 1 , A 2 ψ 2 ) =dx(A 1 ψ 1 ) ∗ (x)(A 2 ψ 2 )(x) .<br />

1 Genau genommen wird Vollständigkeit eines metrischen Raumes X dadurch definiert, dass<br />

jede Cauchy-Folge in X konvergieren soll. Für den Spezialfall eines Hilbert-Raums H ̸= {0},<br />

dessen Metrik aus einem Skalarprodukt hergeleitet wird, impliziert die Vollständigkeit von H<br />

jedoch die Existenz eines vollständigen orthonormalen Satzes {ψ n}, so dass jede Wellenfunktion<br />

ψ ∈ H in der Form ψ =È∞<br />

αnψn geschrieben werden kann. Die Existenz vollständiger<br />

n=1<br />

orthonormaler Sätze von Basisfunktionen ist in der <strong>Quantenmechanik</strong> von fundamentaler Bedeutung.


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 39<br />

Insbesondere schreiben wir für den Erwartungswert des Operators A im Zustand<br />

ψ:<br />

〈A〉 =<br />

(ψ, Aψ)<br />

(ψ, ψ)<br />

,<br />

so dass für auf Eins normierte Wellenfunktionen 〈A〉 = (ψ, Aψ) gilt.<br />

Der zu A adjungierte Operator A † wird für alle ψ 1 , ψ 2 durch:<br />

(ψ 1 , A † ψ 2 ) ≡ (Aψ 1 , ψ 2 )<br />

oder äquivalent durch:<br />

(A † ψ 1 , ψ 2 ) ≡ (ψ 1 , Aψ 2 )<br />

definiert. Aus der Identität<br />

(ψ 1 , (A † ) † ψ 2 ) = (A † ψ 1 , ψ 2 ) = (ψ 1 , Aψ 2 ) (∀ψ 1 , ψ 2 )<br />

folgt sofort: (A † ) † = A. Aus<br />

((AB) † ψ 1 , ψ 2 ) = (ψ 1 , ABψ 2 ) = (B † A † ψ 1 , ψ 2 ) (∀ψ 1 , ψ 2 )<br />

folgt außerdem: (AB) † = B † A † . Ein Operator mit der Eigenschaft A = A † heißt<br />

hermitesch; die Eigenschaft selbst wird als Hermitezität bezeichnet. Es ist zu<br />

beachten, dass das Produkt AB zweier hermitescher Operatoren A und B nur<br />

dann hermitesch ist, falls ihr Kommutator Null ist: 0 = AB − BA = [A,B].<br />

Beispiele für hermitesche Operatoren sind x, ˆp und Ĥ :<br />

(xψ 1 , ψ 2 ) =dx(xψ 1 ) ∗ (x)ψ 2 (x) =dxψ ∗ 1 (x)xψ 2 (x) = (ψ 1,xψ 2 ) ,<br />

(ˆpψ 1 , ψ 2 ) =dx(ˆpψ 1 ) ∗ (x)ψ 2 (x) =dxψ ∗ 1 (x)ˆpψ 2 (x) = (ψ 1, ˆpψ 2 ) ,<br />

(Ĥψ 1, ψ 2 ) =dx(Ĥψ 1) ∗ (x)ψ 2 (x) =dxψ ∗ 1 (x)Ĥψ 2 (x) = (ψ 1, Ĥψ 2) .<br />

Alle „Observablen“ – d. h. den Messgrößen entsprechende Operatoren – sind<br />

hermitesch.<br />

3.3 Die Heisenberg’schen Unschärferelationen<br />

Wir betrachten zwei hermitesche Operatoren A und B, ihre Erwartungswerte in<br />

einem normierten Zustand ψ,<br />

〈A〉 ψ = (ψ, Aψ) , 〈B〉 ψ = (ψ, Bψ) ,<br />

ihre Abweichungen vom Mittelwert: 2<br />

δA ≡ A − 〈A〉 ψ , δB ≡ B − 〈B〉 ψ<br />

2 Da A hermitesch ist, ist 〈A〉 ψ reell: 〈A〉 ψ = (ψ, Aψ) = (A † ψ, ψ) = (Aψ, ψ) = (ψ, Aψ) ∗ =<br />

〈A〉 ∗ . Somit ist auch δA hermitesch.<br />

ψ


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 40<br />

und ihre Unschärfen:<br />

∆A ≡〈(δA) 2 〉 ψ , ∆B ≡〈(δB) 2 〉 ψ .<br />

Die Unschärferelation besagt nun, dass das Produkt ∆A∆B nach unten beschränkt<br />

ist:<br />

∆A∆B ≥ 1 2 |〈[A, B]〉 ψ| . (3.3)<br />

Die Interpretation dieser Ungleichung ist, dass man die Observablen A und B<br />

nicht gleichzeitig scharf messen kann, wenn der Erwartungswert des Kommutators<br />

[A, B] für alle normierten ψ ungleich Null ist.<br />

Man beweist die Unschärferelation (3.3) wie folgt:<br />

(∆A) 2 (∆B) 2 =ψ, (δA) 2 ψψ, (δB) 2 ψ=(δAψ, ∗ç<br />

δAψ) (δBψ, δBψ)<br />

≥ | (δAψ, δBψ) | 2 = |(ψ, δAδBψ)| 2<br />

≥ | Im(ψ, δAδBψ) | 2 = 1 4 |〈[A, B]〉 ψ| 2 ,<br />

wobei in der vorletzten Zeile die Schwarz’sche Ungleichung und im letzten<br />

Schritt die Identität:<br />

Im(ψ, δAδBψ) = 2iä(ψ, 1 δAδBψ) − (ψ, δAδBψ)<br />

= 2iä(ψ, 1 δAδBψ) − (δAδBψ, = 2iä(ψ, 1 δAδBψ) − (ψ, δBδAψ)ç<br />

= 1 2i (ψ, [δA, δB]ψ) = 1 2i<br />

(ψ, [A, B]ψ)<br />

= 1 2i 〈[A, B]〉 ψ<br />

verwendet wurde und analog gilt: Re (ψ, δAδBψ) = 1 2 〈(δAδB + δBδA)〉 ψ.<br />

„Minimale Unschärfe“ liegt vor, wenn das Gleichzeichen in der Unschärferelation<br />

gilt:<br />

∆A∆B = 1 2 |〈[A, B]〉 ψ| .<br />

Dies erfordert zum einen, dass die Schwarz’sche Ungleichung zu einer Gleichung<br />

wird, d. h. dass δAψ und δBψ proportional sind:<br />

δBψ = λδAψ (λ ∈) ;<br />

andererseits muss (ψ, δAδBψ) rein imaginär sein, d. h. es gilt:<br />

0 = (ψ, (δAδB + δBδA)ψ) = (δAψ, δBψ) + (δBψ, δAψ)<br />

= (λ + λ ∗ )(δAψ, δAψ) = (λ + λ ∗ )(∆A) 2 .<br />

Folglich ist für minimale Unschärfe λ rein imaginär: λ = ±i|λ|. Die Bedingung<br />

δBψ = ±i|λ|δAψ<br />

wird so zur Bestimmungsgleichung für mögliche Zustände minimaler Unschärfe.<br />

Als ergänzende Bemerkung sei hinzugefügt, dass die Umkehrung der Unschärferelation<br />

nicht unbedingt zutrifft: Es ist im Allgemeinen nicht so, dass


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 41<br />

[A, B] = 0 impliziert, dass die Observablen A und B für alle ψ auch gleichzeitig<br />

scharf messbar sind. Dies gilt im Allgemeinen nur für spezielle ψ, die<br />

„gemeinsamen Eigenfunktionen“ von A und B. Für Linearkombinationen solcher<br />

gemeinsamer Eigenfunktionen zu verschiedenen Eigenwerten gilt jedoch im<br />

Allgemeinen ∆A∆B ≠ 0.<br />

Als erstes Beispiel betrachten wir einen Operator A, der nicht explizit zeitabhängig<br />

ist: ∂A<br />

∂t<br />

= 0 , und wir wählen B = Ĥ. Es folgt:<br />

∆A∆Ĥ ≥ 1<br />

2¬〈[A, Ĥ]〉 ψ¬= 1 2 ¬d〈A〉 ψ<br />

dt¬. (3.4)<br />

Beispielsweise hätte man für A = x i :<br />

∆x i ∆Ĥ ≥<br />

<br />

2m |〈ˆp i〉 ψ | = 1 2 ¬d〈x i 〉 ψ<br />

dt¬. (3.5)<br />

Wir werden im nächsten Abschnitt sehen, dass die Ungleichungen (3.4) und (3.5)<br />

im Allgemeinen sehr nützlich sind. Für stationäre Zustände ψ sind sie jedoch<br />

nicht besonders hilfreich, da die rechten Glieder der beiden Ungleichungen in<br />

diesem Falle Null und die Ungleichungen selbst somit trivial sind.<br />

Als zweites, sehr wichtiges Beispiel diskutieren wir das Operatorenpaar<br />

A = x i , B = ˆp j ,<br />

das die folgende Unschärferelation erfüllt:<br />

∆x i ∆p j ≥ 1 2 |〈[x i, ˆp j ]〉 ψ | = 1 2 |〈iδ ij〉 ψ | = 1 2 δ ij .<br />

Der gleichen Raumrichtung entsprechende Orts- und Impulskoordinaten (i = j)<br />

sind also nicht gleichzeitig scharf messbar:<br />

∆x i ∆p i ≥ 1 2 <br />

(i = 1, . . .,d)<br />

im Gegensatz zu ungleichen Koordinaten (i ≠ j), die gleichzeitig scharf messbar<br />

sind.<br />

Wir bestimmen nun die Form des Wellenpakets mit minimaler Unschärfe in<br />

jeder der d ausgewählten Raumrichtungen, so dass für alle i = 1, . . .,d:<br />

∆x i ∆p i = 1 2 <br />

gelten soll. Die Bestimmungsgleichungen für ψ lauten daher:<br />

∂<br />

<br />

− 〈ˆp i 〉 ψψ = δˆp i ψ = ±i<br />

i ∂x i (l i ) 2 δx <br />

iψ = ±i<br />

(l i ) 2 (x i − 〈x i 〉 ψ )ψ ,<br />

mit i = 1, . . . , d und |λ i | ≡ /(l i ) 2 . Es ergibt sich somit:<br />

ψ(x) ∝ e ∓ 1<br />

2(l i ) 2 (xi−〈xi〉 ψ) 2 +i〈ˆp i〉 ψ x i/<br />

(i = 1, . . .,d) .<br />

Wegen der Normierbarkeit der Wellenfunktion ist nur die Wahl λ i = +i|λ i |<br />

akzeptabel. Die Wellenfunktion mit minimaler Unschärfe hat also i.A. die Form<br />

eines anisotropen Gauß-Pakets:<br />

ψ(x) = Be − 1 2Èd<br />

i=1 (xi−〈xi〉 ψ) 2 /(l i) 2 +i〈ˆp〉 ψ·x/<br />

,


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 42<br />

wobei der Vorfaktor B aus der Normierung zu bestimmen ist.<br />

Wird die stärkere Forderung auferlegt, dass die Unschärfe in jeder Raumrichtung<br />

(also nicht nur entlang den Koordinatenachsen) minimal sein soll, so<br />

dass für alle Einheitsvektoren e gilt: ∆(x ·e)∆(ˆp ·e) = 1 2, dann findet man als<br />

Lösung das isotrope Gauß-Paket mit l i = l für alle i = 1, . . .,d.<br />

3.4 Die Unschärferelation ∆E∆t ≥ 1 2 <br />

Neben der Heisenberg’schen Unschärferelation ∆A∆B ≥ 1 2 |〈[A, B]〉 ψ| wird<br />

auch des Öfteren eine Unschärferelation der Form ∆E ∆t ≥ 1 2 angegeben,<br />

die die Energie und die Zeit miteinander verknüpft. Es ist a priori klar, dass<br />

die Energie-Zeit-Unschärferelation einen ganz anderen Charakter als die Heisenberg’schen<br />

Relationen hat: Die Zeit ist ja keine dynamische Variable oder<br />

Messgröße, die in der <strong>Quantenmechanik</strong> mit Hilfe eines Operators zu beschreiben<br />

wäre, sondern lediglich ein Parameter, als Funktion dessen die dynamischen<br />

Variablen Ort, Impuls, Energie, usw., zu untersuchen sind.<br />

Die Unschärferelation ∆E ∆t ≥ 1 2 ist daher ganz anders und zwar wie folgt<br />

zu interpretieren: Aus dem vorigen Abschnitt (s. Gleichung (3.4)) mit A = Ô<br />

wissen wir, dass die Heisenberg’sche Unschärferelation für das Operatorenpaar<br />

(Ĥ, Ô) allgemein<br />

∆Ĥ∆Ô ≥ 1¬d〈Ô〉<br />

2<br />

dt¬<br />

lautet. Mit den Definitionen<br />

∆E ≡ ∆Ĥ , (∆t) Ô ≡ ∆Ô<br />

|d〈Ô〉/dt|<br />

folgt daher sofort die Energie-Zeit-Unschärferelation<br />

∆E(∆t)Ô ≥ 1 2 .<br />

Diese Herleitung der Energie-Zeit-Unschärferelation zeigt klar, dass die „Unschärfe“<br />

der Zeit tatsächlich durch die Unschärfe des Operators Ô bedingt ist,<br />

und natürlich auch, dass (∆t)Ô entscheidend von der Wahl von Ô abhängig ist.<br />

Als einfaches Beispiel betrachten wir ein freies Teilchen der Masse m in einer<br />

Dimension, und fragen uns, wieviel Zeit das Teilchen benötigt, einen speziellen<br />

Punkt x 0 zu passieren. Als Maß für dieses Zeitintervall könnte man z. B.<br />

(∆t) x =<br />

∆x<br />

|d〈x〉/dt|<br />

nehmen, da ∆x die typische Ausdehnung des Teilchens und¬d〈x〉<br />

dt¬seine Geschwindigkeit<br />

darstellen. Aufgrund der Energie-Zeit-Unschärferelation muss nun<br />

unbedingt ∆E(∆t) x ≥ 1 2 gelten. Man kann diese Unschärferelation z. B. für<br />

Gauß’sche Wellenpakete mit der Anfangsbedingung<br />

ψ(k, 0) = B e −A(k−k0)2 bzw. ψ(x, 0) = B √<br />

2A<br />

e − x2<br />

4A +ik0x


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 43<br />

explizit überprüfen. Für diesen Spezialfall wissen wir bereits, dass<br />

und somit<br />

∆x =A +t<br />

2m2 1<br />

A , d〈x〉<br />

= k 0<br />

dt m<br />

(∆t) x = m +t<br />

2m2 1<br />

|k 0 |A<br />

A<br />

gilt. Um die Frage nach der Zeit zu beantworten, die das Wellenpaket benötigt,<br />

den Punkt x 0 zu passieren, muss man lediglich wegen 〈x〉 = k 0 t/m die Zeitvariable<br />

t in diesem Ausdruck für (∆t) x durch mx 0 /k 0 ersetzen. Die Energie des<br />

Wellenpakets und die Unschärfe in seiner Energie folgen als<br />

E =dk ω k | ˆψ(k, t)| 2 =<br />

2mk 2<br />

0<br />

4A<br />

2 + 1<br />

und<br />

∆E =ådk (ω k − E) 2 | ˆψ(k, t)| 2è1/2<br />

= 2 |k 0 |<br />

2m √ A1 + 1<br />

8Ak 2 01/2<br />

Verwenden wir noch, dass die typische Ausdehnung des Wellenpakets im k-<br />

Raum durch ∆k = 1<br />

2 √ und typische Zeit, nach der das Wellenpaket zerfließt,<br />

A<br />

durch t Z = 2mA<br />

<br />

gegeben sind, so findet man<br />

+ 2∆k 1<br />

021<br />

k<br />

∆E(∆t) x = 1 2 ×1 +t<br />

t Z2.<br />

Dieses exakte Ergebnis bestätigt einerseits die Unschärferelation ∆E(∆t) x ≥<br />

1<br />

2 , zeigt jedoch andererseits auch, dass das Produkt ∆E(∆t) x im nicht-klassischen<br />

Regime (t ≫ t Z ) und für anfangs räumlich stark lokalisierte Wellenpakete<br />

mit niedriger Geschwindigkeit∆k<br />

|k ≫ 1erheblich 0|<br />

größer als 1 2 sein kann. Die<br />

physikalische Interpretation der Unschärferelation ∆E(∆t) x ≥ 1 2, die aus dem<br />

obigen Beispiel hervorgeht, ist schließlich, dass eine Energiemessung mit der<br />

Genauigkeit ∆E an einem Wellenpaket notwendigerweise mindestens die Zeit<br />

∆t ≥ 1 2/∆E dauern muss.<br />

.<br />

3.5 Operatoren im Hilbertraum:<br />

Ein konkretes Beispiel<br />

Eins der einfachsten exakt lösbaren Probleme aus der Quantentheorie mit einer<br />

nicht-trivialen Potentialfunktion (V (x) ≠ 0) ist wohl das berühmte „Teilchen im<br />

Kasten“: Das Teilchen ist eingeschlossen in einem üblicherweise als quaderförmig<br />

angenommenen Kasten:<br />

D =ä− 1 2 L, 1 2 Lçd<br />

, Volumen V = L d


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 44<br />

und erfüllt im Inneren des Kastens die freie Schrödinger-Gleichung:<br />

i∂ t ψ = − 2<br />

2m ∆ψ .<br />

Das „Teilchen“ verdankt seine Popularität übrigens keineswegs nur seiner Lösbarkeit<br />

mit elementarsten Mitteln. Das Modell eines näherungsweise freien Teilchens<br />

in einem endlichen Volumen hat auch durchaus wichtige Anwendungen.<br />

Man denke an Elektronen in einem einfachen Metall, an freie Elektronen im<br />

Inneren eines heißen Sterns (z. B. eines Weißen Zwergs) oder an bosonische Teilchen<br />

in einem Bose-Einstein-Kondensat. Falls erforderlich ist es auch durchaus<br />

möglich, Teilchen in nicht-quaderförmigen Kästen zu untersuchen. Insbesondere<br />

für Volumina, die groß sind im Vergleich zu mikroskopischen Abmessungen, ist<br />

die genaue Form des Kastens jedoch meistens unerheblich.<br />

Zur Lösung der Schrödinger-Gleichung benötigen wir noch eine Rand- und<br />

eine Anfangsbedingung. Zwei mögliche Randbedingungen sind in der Literatur<br />

über das „Teilchen im Kasten“ besonders prominent: die festen und die periodischen<br />

Randbedingungen. Die festen Randbedingungen sind konzeptionell am<br />

einfachsten; man fordert, dass auf dem Rand<br />

ψ(x, t) = 0<br />

(x ∈ ∂D)<br />

gelten soll. Diese Bedingung bedeutet physikalisch, dass sich am Rand unendlich<br />

hohe Potentialwände befinden:<br />

Ĥ = − 2<br />

2m ∆ + V (x) ; V (x) =0 (x ∈ D)<br />

∞ (x ∉ D)<br />

.<br />

Wegen der unendlich hohen Potentialwände am Rand ist die feste Randbedingung<br />

offensichtlich nicht translationsinvariant. Bei der periodischen Randbedingung<br />

wird dagegen angenommen, dass für alle x ∈ D<br />

ψ(x + Le l , t) = ψ(x, t)<br />

(l = 1, . . .,d)<br />

gilt, wobei e l einen Basisvektor in x l -Richtung darstellt.<br />

L<br />

x 2<br />

x 1<br />

0<br />

L<br />

Abbildung 3.1: Das Teilchen im Kasten


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 45<br />

x 1<br />

x 2<br />

Abbildung 3.2: Periodische Randbedingungen<br />

Grafisch bedeutet diese Randbedingung, dass das Teilchen sich auf einem<br />

d-dimensionalen Torus bewegt. Die periodische Randbedingung ist streng genommen<br />

meist nicht realistisch und findet ihre Daseinsberechtigung darin, dass<br />

die genaue Form der Randbedingung für große Volumina völlig unwichtig ist<br />

und dass die periodische Randbedingung wegen ihrer Translationsinvarianz für<br />

manche Zwecke leichter zu implementieren ist als die feste Variante. Welche<br />

Randbedingung auch gewählt wird, die Anfangsbedingung<br />

ψ(x, 0) = ψ 0 (x)<br />

muss natürlich kompatibel mit ihr sein. Hier konzentrieren wir uns auf die periodische<br />

Randbedingung; die feste Variante wird in der Übung näher untersucht.<br />

3.5.1 Entwicklung nach Basisfunktionen<br />

Da die Wellenfunktion ψ(x, t) im Falle der periodischen Randbedingung eine<br />

periodische Funktion des Ortes mit Periode L in jeder Raumrichtung ist, kann<br />

man die harmonische Analyse anwenden. Die Basisfunktionen der harmonischen<br />

Analyse,<br />

φ k (x) ≡ 1 √<br />

V<br />

e ik·x ,<br />

erfüllen die periodische Randbedingung ψ(x+Le l ) = ψ(x) dann und nur dann,<br />

wenn jede Komponente von k ein ganzes Vielfaches von 2π L ist:<br />

k = 2π L n (n ∈d ) ,<br />

denn dann gilt:<br />

φ k (x + Le l ) = φ k (x)e iLk·e l<br />

= φ k (x)e 2πin l<br />

= φ k (x) .<br />

Das Volumen pro k-Punkt im k-Raum ist<br />

∆k =2π<br />

Ld<br />

= (2π)d<br />

V<br />

.


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK<br />

l<br />

46<br />

Man überprüft leicht, dass die φ k (x) orthonormal sind:<br />

(φ k1 , φ k2 ) dxφ ≡D<br />

∗ k 1<br />

(x)φ k2<br />

(x) = 1 dl=11<br />

2 L<br />

dx l e i(k 2l−k 1l )x<br />

V − 1 2 L<br />

= 1 V<br />

dl=1Lδ k1l k 2l=δ k1k 2<br />

.<br />

Der Satz von Dirichlet in der harmonischen Analyse besagt nun, dass die Wellenfunktion<br />

ψ(x, t) unter relativ schwachen Voraussetzungen nach den orthonormalen<br />

Basisfunktionen φ k (x) entwickelt werden kann:<br />

ψ(x, t) = (2π)d/2<br />

V<br />

k<br />

ˆψ(k, t)e ik·x =2π<br />

Ld/2k<br />

ˆψ(k, t)φ k (x) , (3.6)<br />

ˆψ(k, t) = (2π) −d/2D dy ψ(y, t)e −ik·y<br />

=L<br />

2πd/2D<br />

dy ψ(y, t)φ ∗ k(y) . (3.7)<br />

Wir überprüfen, dass die Formeln (3.6) und (3.7) im Limes V → ∞ die üblichen<br />

Regeln für Fourier-Transformationen ergeben:<br />

ψ(x, t) = (2π) −d/2k<br />

(∆k) ˆψ(k, t)e ik·x → (2π) −d/2dk ˆψ(k, t)e ik·x ,<br />

ˆψ(k, t) = (2π) −d/2D dy ψ(y, t)e −ik·y → (2π) −d/2dy ψ(y, t)e −ik·y .<br />

Durch Einsetzen von (3.7) in (3.6) erhält man eine wichtige Darstellung der<br />

Deltafunktion:<br />

ψ(x, t) dy ψ(y, =D<br />

t)åk<br />

φ k (x)φ ∗ k(y)è, (3.8)<br />

bzw.k<br />

φ k (x)φ ∗ k (y) = δ(x − y) . (3.9)<br />

Dieses Resultat impliziert, dass der Einheitsoperator als Summe der Projektionen<br />

auf die einzelnen Basisfunktionen geschrieben werden kann:<br />

f(x) = (11f)(x) =D<br />

dy δ(x − y)f(y)<br />

=k<br />

φ k dy φ (x)D<br />

∗ k(y)f(y) =k<br />

φ k (x)(φ k , f)<br />

oder äquivalent:<br />

f =k<br />

(φ k , f)φ k .


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 47<br />

Die Identität (3.9) ist gleichbedeutend mit dem Dirichtlet’schen Satz, der besagt,<br />

dass bei der Entwicklung der Wellenfunktion ψ nach dem Basissatz {φ k }<br />

keine Information verloren geht. Da ψ vollständig darstellbar ist als Linearkombination<br />

von φ k -Beiträgen, wird (3.9) als Vollständigkeitsrelation bezeichnet.<br />

Der Satz {φ k } ist also orthonormal und vollständig. Da der lineare Raum aller<br />

möglichen periodischen, quadratisch integrierbaren Wellenfunktionen ψ also ein<br />

komplexes Skalarprodukt, eine hierauf basierende Norm und einen vollständigen<br />

Satz orthonormaler Basiselemente besitzt, ist im Titel dieses Abschnitts zurecht<br />

von einem Hilbert-Raum die Rede.<br />

3.5.2 Operatoren im Hilbert-Raum<br />

Betrachten wir nun Operatoren in diesem Hilbert-Raum, insbesondere den Impulsoperator<br />

ˆp und den Hamilton-Operator Ĥ. Interessanterweise sind alle Basisfunktionen<br />

φ k Eigenfunktionen des Impulsoperators:<br />

(ˆpφ k )(x) = i ∇ 1 √<br />

V<br />

e ik·x = k 1 √<br />

V<br />

e ik·x = kφ k (x) .<br />

Der entsprechende Eigenwert ist offenbar k = p. Umgekehrt zeigt man leicht,<br />

dass alle periodischen Eigenfunktionen des Impulsoperators die Form φ k (x) mit<br />

k = 2π L<br />

n haben. Es folgt also, dass der hermitesche Operator ˆp (zumindest im<br />

Falle des „Teilchens“ mit periodischen Randbedingungen) einen vollständigen,<br />

orthonormalen Satz von Eigenfunktionen hat. Die entsprechenden Eigenwerte<br />

k sind hierbei nicht entartet, d. h. es gibt keine zwei Eigenfunktionen mit demselben<br />

Impulseigenwert. Es sei noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass<br />

die allgemeine Wellenfunktion ψ im letzten Abschnitt also offenbar nach den<br />

Eigenfunktionen φ k des Impulsoperators entwickelt wurde und dass die Fourier-<br />

Koeffizienten ˆψ(k, t) die entsprechenden Amplituden („Koordinaten“) in dieser<br />

Entwicklung darstellen.<br />

Der Hamilton-Operator hat überall auf dem Torus [− 1 2 L, 1 2 L]d die Form<br />

− 2<br />

2m ∆ und ist somit translationsinvariant. Alle Elemente des Basissatzes {φ k}<br />

sind Eigenfunktionen des Hamilton-Operators:<br />

(Ĥφ k)(x) = − 2<br />

2m (∆φ k)(x) = 2 k 2<br />

2m φ k(x) ≡ ε k φ k (x) , (3.10)<br />

und wegen der Vollständigkeit des Satzes {φ k } gibt es keine weiteren unabhängigen<br />

Eigenfunktionen. Die Eigenwerte des Hamilton-Operators sind entartet,<br />

da ε k für k = 2π L n und z. B. alle n = ±e l (l = 1, . . .,d) denselben Wert hat.<br />

Es ist übrigens kein Zufall, dass Ĥ und ˆp dieselben Eigenfunktionen haben; dies<br />

ist eine direkte Konsequenz davon, dass Ĥ und ˆp kommutieren, [Ĥ, ˆp] = 0, und<br />

die Eigenwerte von ˆp nicht-entartet sind. Aus<br />

0 = [Ĥ, ˆp]φ k = k(Ĥφ k) − ˆp(Ĥφ k)<br />

folgt nämlich sofort, dass Ĥφ k eine Eigenfunktion von ˆp zum Eigenwert k und<br />

somit proportional zu φ k sein muss.<br />

Aus der Eigenwertgleichung (3.10) und dem Dirichlet’schen Satz (3.8) folgt<br />

außerdem, dass die allgemeine Lösung der Schrödinger-Gleichung für das „Teilchen“<br />

zur Anfangsamplitude ψ 0 (x) gegeben ist durch:<br />

ψ(x, t) =k<br />

e −iε kt/ φ k (x)(φ k , ψ 0 ) ,


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 48<br />

denn diese Wellenfunktion erfüllt offensichtlich die Randbedingung und außerdem<br />

die Anfangsbedingung<br />

ψ(x, 0) =k<br />

φ k (x)(φ k , ψ 0 ) = ψ 0 (x)<br />

sowie die Schrödinger-Gleichung:<br />

i∂ t ψ =k<br />

ε k e −iε kt/ φ k (φ k , ψ 0 )<br />

=k<br />

e −iε kt/ (Ĥφ k)(φ k , ψ 0 ) = Ĥψ .<br />

Außerdem ist zu beachten, dass die Lösung der Schrödinger-Gleichung eindeutig<br />

ist, denn die Annahme des Gegenteils:<br />

i∂ t ψ 1 = Ĥψ 1 , ψ 1 (x, 0) = ψ 0 (x) + Randbedingung<br />

i∂ t ψ 2 = Ĥψ 2 , ψ 2 (x, 0) = ψ 0 (x) + Randbedingung<br />

mit ψ 1 ≠ ψ 2 führt sofort zu einem Widerspruch: Für ψ ≡ ψ 1 − ψ 2 gilt dann<br />

nämlich<br />

i∂ t ψ = Ĥψ , ψ(x, 0) = 0 + Randbedingung ,<br />

so dass die Teilchenzahlerhaltung ∂ tÊD dx |ψ|2 = 0 der Wellenfunktion ψ zur<br />

Folge hat, dass ψ 1 und ψ 2 notwendigerweise gleich sind: Wegen<br />

dx |ψ(x, t)|<br />

D<br />

2 dx |ψ(x, 0)| =D 2 = 0<br />

folgt nämlich ψ(x, t) = 0. Aufgrund dieser Überlegungen können wir also einen<br />

Operator Ût:<br />

mit<br />

ψ(x, t) = (Ûtψ 0 )(x) ≡D<br />

dy Ût(x|y)ψ 0 (y)<br />

Û t (x|y) ≡k<br />

e −iε kt/ φ k (x)φ ∗ k(y)<br />

definieren, der die Zeitentwicklung von ψ für eine beliebige Anfangsbedingung<br />

ψ 0 vollständig festlegt und dementsprechend als Zeitentwicklungsoperator bezeichnet<br />

wird.<br />

Schließlich betrachten wir einen dritten hermiteschen Operator im Hilbert-<br />

Raum, den Ortsoperator ˆx, der eine beliebige ortsabhängige Funktion mit dem<br />

Ortsvektor x multipliziert: (ˆxf)(x) = xf(x). Auch dieser lineare Operator im<br />

Hilbert-Raum kann für alle x ∈ D als Integraloperator („Matrix“) geschrieben<br />

werden:<br />

(ˆxf)(x) =D<br />

dy X(x,y)f(y) , X(x,y) = yδ(x − y) .<br />

Die Wirkung des Ortsoperators ist nur im Ortsraum einfach. Zum Beispiel findet<br />

man im k-Raum für ein Teilchen in einem unendlich ausgedehnten Kasten (V →


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 49<br />

∞), dass der Ortsoperator durch die Ableitung bezüglich des Wellenvektors k<br />

bestimmt ist:<br />

(ˆx ˆψ)(k, t) = 1<br />

(2π) d/2dyyψ(y, t)e −ik·y = i ∂ ∂k ˆψ(k, t) ,<br />

so dass ˆx = i ∂ ∂k<br />

generell:<br />

gilt. Für das Teilchen in einem endlichen Kasten erhält man<br />

(ˆx ˆψ)(k, t) = 1<br />

(2π) d/2D<br />

dyyψ(y, t)e −ik·y = 1 Vk ′<br />

ˆψ(k ′ , dyye t)D<br />

i(k′ −k)·y<br />

=k ′ (∆k)A(k ′ ,k) ˆψ(k ′ , t) , A(k ′ ,k) = 1<br />

(2π) ddyye i(k′ −k)·y ,<br />

so dass der Ortsoperator als Matrix dargestellt werden kann: ˆx = (∆k)A. Mit<br />

Hilfe des Ortsoperators kann die Wirkung des Hamilton-Operators im Falle<br />

konservativer Kräfte allgemein als<br />

Ĥψ =ˆp 2<br />

2m + V (ˆx)ψ<br />

geschrieben werden, und auch im Falle elektromagnetischer Kräfte ist lediglich<br />

die Ortsvariable x in Ĥ durch ˆx zu ersetzen.<br />

Ähnlich wie der Impuls- und der Hamilton-Operator ist auch der Ortsoperator<br />

ˆx hermitesch:<br />

(ψ 1 , ˆxψ 2 ) =D<br />

dxψ ∗ 1 (x)xψ 2 (x) = (ˆxψ 1, ψ 2 ) ,<br />

und ähnlich wie ˆp und Ĥ hat auch ˆx einen vollständigen orthonormalen Satz<br />

von Eigenfunktionen. Um dies zu zeigen, suchen wir Lösungen der Eigenwertgleichung<br />

(ˆxχ ξ )(x) = xχ ξ (x) = ξχ ξ (x) ,<br />

wobei χ ξ (x) also eine Eigenfunktion des Ortsoperators und ξ den entsprechenden<br />

Eigenwert bezeichnet. Offensichtlich kann der Träger von χ ξ (x) nur aus<br />

einem einzigen Punkt bestehen. Tatsächlich ist die Lösung:<br />

χ ξ (x) = δ(x − ξ) .<br />

Die {χ ξ (x)} werden Ortseigenfunktionen genannt. Dieser Satz ist orthonormal:<br />

(χ ξ1 , χ ξ2 ) dxχ =D<br />

∗ ξ 1<br />

(x)χ ξ2<br />

(x) dxδ(x − ξ 1 )δ(x − ξ 2 ) = δ(ξ 1 − ξ 2 )<br />

=D<br />

und vollständig:<br />

dξ χ ξ (x)χ<br />

D<br />

∗ ξ(y) = δ(x − y) ,<br />

so dass jede Wellenfunktion ψ(x, t) nach diesen Basisfunktionen entwickelt werden<br />

kann:<br />

ψ(x, t) =D<br />

dξ ψ(ξ, t)χ ξ (x) . (3.11)


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 50<br />

Es gibt keinen gemeinsamen vollständigen Satz von Eigenfunktionen des Ortsund<br />

Impulsoperators oder des Orts- und des Hamilton-Operators, da diese Operatoren<br />

nicht miteinander kommutieren.<br />

Gleichung (3.11) ist einerseits natürlich sehr einfach, andererseits aber auch<br />

sehr wichtig, da sie erstmals klar zeigt, dass die Quantentheorie in mehreren<br />

äquivalenten, jedoch gänzlich unterschiedlichen „Sprachen“ (die üblicherweise<br />

als Darstellungen bezeichnet werden) formuliert werden kann: Man kann die<br />

Wellenfunktion des quantenmechanischen Teilchens nicht nur nach den Eigenfunktionen<br />

des Impulsoperators, sondern äquivalent auch nach denjenigen des<br />

Ortsoperators entwickeln. Im einen Fall erhält man als Entwicklungskoeffizienten<br />

den Satz { ˆψ(k, t)}, im anderen die Zahlen {ψ(ξ, t)}. Die Beschreibung mit<br />

Hilfe der Koordinaten { ˆψ(k, t)} wird als Impulsdarstellung, diejenige mit Hilfe<br />

von {ψ(ξ, t)} als Ortsdarstellung bezeichnet. Entsprechend gibt es zwei Hilberträume:<br />

Neben dem Hilbert-Raum H x der quadratisch integrierbaren Wellenfunktionen<br />

{ψ(ξ, t)} im Ortsraum führen wir den Hilbert-Raum H k der quadratisch<br />

summierbaren Wellenfunktionen { ˆψ(k, t)} im k-Raum ein. Es ist zu<br />

beachten, dass diese Hilbert-Räume wegen der unterschiedlichen Definitionsbereiche<br />

D = [− 1 2 L, 1 2 L]d ←→k = 2π L n¬n ∈d<br />

gänzlich unterschiedlich sind und dass sie durch die Fourier-Transformation F V<br />

im Volumen V ,<br />

(F V ψ)(k, t) = (2π) −d/2D dξ ψ(ξ, t)e −ik·ξ = ˆψ(k, t) ,<br />

ein-eindeutig aufeinander abgebildet werden.<br />

Wir befassen uns abschließend etwas genauer mit der Struktur des Hilbert-<br />

Raums H k und mit der Fourier-Transformation, die H k mit H x verknüpft. Das<br />

Skalarprodukt in H k ist durch<br />

〈 ˆψ 1 , ˆψ 2 〉 ≡k<br />

(∆k) ˆψ ∗ 1(k, t) ˆψ 2 (k, t) , ∆k = (2π)d<br />

V<br />

definiert. Eine orthonormale Basis bezüglich dieses Skalarprodukts ist<br />

˜φ x (k) = (2π) −d/2 e −ik·x ,<br />

(3.12)<br />

denn es gilt:<br />

〈˜φ x1 , ˜φ x2 〉 = (2π) −d ∆kk<br />

e ik·(x1−x2) =k<br />

φ k (x 1 )φ ∗ k(x 2 ) = δ(x 1 − x 2 ) .<br />

Ausserdem ist diese Basis vollständig:<br />

dx<br />

D<br />

˜φ x (k 1 )˜φ ∗ x (k 2) = (2π) −dD<br />

dxe i(k2−k1)·x =<br />

V<br />

(2π) d δ k 1k 2<br />

−→ δ(k 1 − k 2 ) (V → ∞) ,<br />

so dass ˆψ(k, t) nach dieser Basis entwickelt werden kann:<br />

ˆψ(k, t) = (2π) −d/2D<br />

dy ψ(y, t)e −ik·y = 1 VD<br />

dyk ′<br />

ˆψ(k ′ , t)e i(k′ −k)·y<br />

= ˆψ(k ∆kD<br />

dyk ′ , t)˜φ y (k)˜φ ∗ y(k ′ ) dy =D ˜φ y (k)〈˜φ y , ˆψ〉 .<br />


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 51<br />

Mit der Definition (3.12) des Skalarprodukts im k-Raum folgt das Parseval’sche<br />

Theorem aus (3.6) als:<br />

(ψ 1 , ψ 2 ) = (2π)d<br />

Vk 1k 2<br />

ˆψ∗ 1 (k 1 , t) ˆψ 2 (k 2 , t)(φ k1 , φ k2 )<br />

= (∆k)k<br />

ˆψ ∗ 1 (k, t) ˆψ 2 (k, t) = 〈 ˆψ 1 , ˆψ 2 〉 .<br />

Insbesondere folgt nun mit ψ 1 = ψ 2 ≡ ψ:<br />

‖ψ‖ 2 = (ψ, ψ) = 〈 ˆψ, ˆψ〉 = 〈F V ψ, F V ψ〉 = ‖F V ψ‖ 2 ,<br />

so dass die Fourier-Transformation isometrisch ist. Außerdem folgt aus dem<br />

Parseval’schen Theorem:<br />

(ψ 1 , F −1<br />

V ˆψ 2 ) = 〈F V ψ 1 , ˆψ 2 〉 , (F −1<br />

V ˆψ 1 , ψ 2 ) = 〈 ˆψ 1 , F V ψ 2 〉 .<br />

Führen wir nun - wie üblich - den zu F V (Hilbert-)adjungierten Operator F † V<br />

ein:<br />

dann folgt:<br />

(F † V ˆψ 1 , ψ 2 ) = 〈 ˆψ 1 , F V ψ 2 〉 ,<br />

F † V = F −1<br />

V<br />

, F † V F V = 11 H x<br />

, F V<br />

F † V = 11 H k<br />

,<br />

so dass wir lernen, dass die Fourier- und die inverse Fourier-Transformation<br />

auch unitär sind. Dies ist ein erstes Beispiel der allgemeinen Regel, dass die Koordinaten<br />

unterschiedlicher Darstellungen der <strong>Quantenmechanik</strong> durch unitäre<br />

Transformationen miteinander verknüpft sind.<br />

Die in diesem Abschnitt erzielten Ergebnisse für die unterschiedlichen quantenmechanischen<br />

Beschreibungen in H x und H k und die Abbildungen dieser<br />

beiden Hilbert-Räume aufeinander mit Hilfe von Fourier-Transformationen sind<br />

kompakt noch einmal in der Tabelle 3.1 zusammengefasst.<br />

3.6 Operatoren im Hilbert-Raum:<br />

Das allgemeine Schema<br />

Aus den vorigen Abschnitten und insbesondere aus dem Beispiel des Teilchens<br />

im Kasten geht hervor, dass physikalische Messgrößen (Energie, Impuls,. . . ) in<br />

der <strong>Quantenmechanik</strong> mit Hilfe von Operatoren (Hamilton-Operator, Impulsoperator,.<br />

. . ) beschrieben werden. Eine Konsequenz der Postulate der <strong>Quantenmechanik</strong><br />

ist, dass der Erwartungswert einer physikalischen Messgröße im<br />

normierten Zustand ψ gleich dem Mittelwert des entsprechenden Operators,<br />

(ψ, Aψ), in diesem Zustand ist. Da Messwerte natürlich reell sind, muss auch<br />

(ψ, Aψ) für alle möglichen ψ reell sein:<br />

(ψ, Aψ) = (ψ, Aψ) ∗ = (Aψ, ψ) = (ψ, A † ψ) .


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 52<br />

Tabelle 3.1: Vergleich der Eigenschaften im Orts- und Impulsraum<br />

Formulierung im Ortsraum<br />

Wellenfunktionen ψ : D → C ˆψ : ˆD → C<br />

ψ(ξ, t)) Koordinaten von ψ in der<br />

Basis der EFn von ˆx<br />

Formulierung im Impulsraum<br />

ˆψ(k, t)) Koordinaten von ψ in der<br />

Basis der EFn von ˆp<br />

∈d ∞<br />

Definitionsbereiche D = {x| 0 < x l ≤ L} ˆD =k = 2π L n¬n<br />

Hilbert-Raum H x = {ψ| (ψ, ψ) < ∞} H k =ˆψ| 〈 ˆψ, ˆψ〉 <<br />

Skalarprodukt (ψ 1 , ψ 2 ) =ÊD dxψ∗ 1 (x)ψ 2 (x) 〈 ˆψ 1 , ˆψ 2 〉 =Èk (∆k) ˆψ ∗ 1 (k) ˆψ 2 (k)<br />

Fourier-<br />

Transformation<br />

Basisfunktionen der<br />

Fourier-Analyse<br />

F V : H x → H k<br />

φ k (x) ≡ 1 √<br />

V<br />

e ik·x<br />

F † V : H k → H x<br />

˜φx (k) = (2π) −d/2 e −ik·x<br />

Orthonormalität<br />

der Basisfunktionen (φ k 1<br />

, φ k2 ) = δ k1k 2 〈˜φ x1 , ˜φ x2 〉 = δ(x 1 − x 2 )<br />

Vollständigkeit der<br />

Basisfunktionen<br />

Èk φ k (x)φ∗ k (y) = δ(x − y) ÊD dx ˜φ x (k 1 )˜φ ∗ x (k 2) = (∆k) −1 δ k1k 2<br />

Impulsoperator ˆp<br />

<br />

i<br />

∂<br />

∂x<br />

k<br />

Hamilton-Operator<br />

Ĥ<br />

− 2<br />

2m ∆ 2 k 2<br />

2m ≡ ε k<br />

Ortsoperator ˆx x i ∂<br />

∂k<br />

(für V → ∞)<br />

Schrödinger-<br />

Gleichung<br />

Zeitentwicklungsoperator<br />

i∂ t ψ = − 2<br />

2m ∆ψ<br />

(Ûtψ 0 )(x) =ÊD dy U t(x|y)ψ 0 (y)<br />

U t (x|y) =Èk e−iε kt/ φ k (x)φ ∗ k (y)<br />

i∂ t ˆψ = ε k ˆψ<br />

(Ût ˆψ 0 )(k) = e −iε kt/ ˆψ0 (k)


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 53<br />

Insbesondere muss dies gelten für den Zustand ψ = ψ 1 +λψ 2 mit λ = λ R +iλ I ∈<br />

und λ R,I ∈Ê:<br />

0 = (ψ, (A − A † )ψ) = λ(ψ 1 , (A − A † )ψ 2 ) + λ ∗ (ψ 2 , (A − A † )ψ 1 )<br />

= λ R S + + iλ I S − , S ± = (ψ 1 , (A − A † )ψ 2 ) ± (ψ 2 , (A − A † )ψ 1 ) .<br />

Da λ R und λ I unabhängig voneinander variiert werden können, müssen S + und<br />

S − beide Null sein und daher auch:<br />

0 = 1 2 (S + + S − ) = (ψ 1 , (A − A † )ψ 2 )<br />

gelten. Da dieses Resultat für alle ψ 1 und ψ 2 gilt, folgt für alle ψ 2 :<br />

(A − A † )ψ 2 = 0 ,<br />

und dies wiederum impliziert die Operatoridentität<br />

A = A † .<br />

Wir haben also das wichtige Ergebnis erzielt, dass physikalische Messgrößen<br />

notwendigerweise hermiteschen Operatoren entsprechen. Auf solche Operatoren<br />

werden wir uns im Folgenden konzentrieren.<br />

Betrachten wir nun eine orthonormale vollständige Basis im Hilbert-Raum<br />

aller möglichen quadratisch integrierbaren Wellenfunktionen. Diese Basis sei<br />

{φ n }. Bezüglich dieser Basis kann jeder hermitesche Operator durch eine hermitesche<br />

Matrix A dargestellt werden:<br />

A mn ≡ (φ m , Aφ n ) = (Aφ m , φ n ) = (φ n , Aφ m ) ∗ = A ∗ nm = (A T ) ∗ mn = (A † ) mn .<br />

In einem endlichdimensionalen Vektorraum wüsste man nun genau, was zu tun<br />

wäre: Man könnte A mit Hilfe einer unitären Transformation diagonalisieren:<br />

A D mn = (U T ) ∗ mαA αβ U βn = (U † AU) mn = a m δ mn .<br />

In einem N-dimensionalen Raum hätte A also N reelle Eigenwerte a i und eine<br />

orthonormale, vollständige Basis von N Eigenvektoren α i .<br />

Im unendlich-dimensionalen Funktionenraum kann man die Orthonormalität<br />

der Eigenfunktionen hermitescher Operatoren im allgemeinen leicht realisieren.<br />

Ihre Vollständigkeit ist aufgrund physikalischer Argumente zwar sehr plausibel,<br />

sie lässt sich im Einzelfall jedoch mathematisch nicht immer leicht nachweisen.<br />

Ein hermitescher Operator A mit einem orthonormalen und vollständigen Satz<br />

von Eigenfunktionen {φ (A)<br />

n } wird als „Observable“ bezeichnet. Es gilt dann also:<br />

Aφ (A)<br />

n<br />

= a n φ (A)<br />

n (3.13)<br />

für alle n, wobei die Eigenfunktionen φ (A)<br />

n<br />

orthonormal<br />

(φ (A)<br />

m , φ(A) n ) = δ mn (3.14)<br />

und vollständig<br />

n<br />

φ (A)<br />

n (x)φ (A)∗<br />

n (y) = δ(x − y) (3.15)


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 54<br />

sind. Hierbei ist anzumerken, dass die Orthonormalität (3.14) eine sofortige<br />

Konsequenz der Hermitezität von A ist. Die Eigenfunktionen φ (A)<br />

m und φ (A)<br />

n<br />

sind nämlich automatisch orthogonal:<br />

0 = (φ(A) m , Aφ (A)<br />

n<br />

a n − a m<br />

) − (Aφ (A)<br />

m , φ (A)<br />

n )<br />

= a n − a ∗ m<br />

a n − a m<br />

(φ (A)<br />

m , φ(A) n<br />

) = (φ(A) m , φ(A) n ) ,<br />

vorausgesetzt, dass die (reellen) Eigenwerte a m und a n verschieden sind (a m ≠<br />

a n ). Falls Entartung vorliegt (a m = a n ), kann man den Unterraum von Eigenfunktionen<br />

{φ (A)<br />

l<br />

| a l = a m } mit Hilfe des Gram-Schmidt-Verfahrens orthonormalisieren.<br />

Auf die Vollständigkeitsbedingung (3.15) und ihre physikalische<br />

Plausibilität kommen wir später noch zurück.<br />

In der <strong>Quantenmechanik</strong> werden Funktionen von Messgrößen durch Funktionen<br />

von Operatoren beschrieben. Ist A zum Beispiel eine Observable mit<br />

Eigenfunktionen φ (A)<br />

n und Eigenwerten a n , dann gilt:<br />

A m φ (A)<br />

n<br />

f(A)φ (A)<br />

n<br />

= (a n ) m φ (A)<br />

n<br />

= f(a n )φ (A)<br />

n .<br />

Insbesondere hat die Deltafunktion<br />

δ(A − a) ≡ 1<br />

2πdτ e i(A−a)τ<br />

die folgende Wirkung in Integralen:<br />

da f(a)δ(A − a) = f(A)<br />

bzw. auf die Eigenfunktionen der Observablen A:<br />

δ(A − a)φ (A)<br />

n<br />

= δ(a n − a)φ (A)<br />

n .<br />

Aufgrund Vollständigkeit der {φ (A)<br />

n } kann man einen beliebigen Zustand ψ<br />

schreiben als<br />

ψ =m<br />

c m φ (A)<br />

m , c m = (φ (A)<br />

m , ψ) ,<br />

und aufgrund der Orthonormalität der Eigenfunktionen {φ (A)<br />

n } gilt für die Norm<br />

von ψ:<br />

‖ψ‖ 2 =m<br />

|c m | 2 .<br />

Diese letzte Gleichung kann auch so interpretiert werden, dass die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />

dafür, dass das Teilchen sich irgendwo im Raum befindet, gleich<br />

der Summe der Wahrscheinlichkeitsbeiträge |c m | 2 der einzelnen Eigenfunktionen<br />

ist. Aus der Entwicklung von ψ nach den Eigenfunktionen {φ (A)<br />

n } folgt, dass<br />

der Erwartungswert 〈f(A)〉 ψ einer beliebigen Funktion f(A) durch:<br />

〈f(A)〉 ψ = (ψ, f(A)ψ) =da f(a)ψ, δ(A − a)ψ=da f(a)w ψ (a)


=<br />

----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK<br />

2<br />

55<br />

gegeben ist, wobei<br />

w ψ (a) ≡ 〈δ(A − a)〉 ψ c ∗ m 1<br />

c m2φ (A)<br />

m 1<br />

, δ(A − a)φ (A)<br />

m<br />

m 1m 2<br />

(3.16)<br />

|c m | 2 δ(a m − a)<br />

=m<br />

die Wahrscheinlichkeitsdichte dafür ist, dass A im (normierten) Zustand ψ den<br />

Eigenwert a annimmt. Daher gilt:<br />

〈f(A)〉 ψ =m<br />

|c m | 2 f(a m ) ,<br />

ein Ergebnis, das zeigt, dass man bei einer Messung von f(A) mit Wahrscheinlichkeit<br />

|c m | 2 den Messwert f(a m ) erhält.<br />

Die Form des Ergebnisses (3.16) führt also zu den folgenden wichtigen Schlussfolgerungen:<br />

Bei einer Messung von A oder f(A) im Zustand ψ misst man einen<br />

der Eigenwerte a m von A. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Eigenwert<br />

a m gemessen wird, ist |c m | 2 . Nach einer Messung mit dem Ergebnis a m weiß<br />

man mit Sicherheit, dass sich das System im Zustand φ (A)<br />

m befindet. Durch die<br />

Messung des Eigenwerts a m wird also eine Änderung der Wellenfunktion von ψ<br />

zu φ (A)<br />

m hervorgerufen. Da die Messung irgendeinen Eigenwert a m liefern und<br />

nach der Messung irgendeine Eigenfunktion φ (A)<br />

m vorliegen soll, kann ψ nicht<br />

orthogonal auf allen {φ (A)<br />

n } stehen. Da aber alle ψ ∈ H prinzipiell physikalisch<br />

akzeptable Zustände sind, muss das orthogonale Komplement der {φ (A)<br />

n } in H<br />

leer sein. Der Satz {φ (A)<br />

n } sollte somit aufgrund physikalischer Messbarkeitsargumente<br />

vollständig sein.<br />

Da einige Glieder dieser logischen Kette bestenfalls Plausibilitätsargumente<br />

darstellen und nicht rigoros aus Grundlagen hergeleitet werden können, fasst<br />

man die wesentlichen Ingredienzen der Quantentheorie üblicherweise in der Form<br />

der folgenden Postulate zusammen, die zuerst von J. von Neumann (1932) aufgestellt<br />

wurden:<br />

1. Quantenmechanische Zustände werden durch Wellenfunktionen ψ(x, t) dargestellt.<br />

2. Die Zeitentwicklung dieser Wellenfunktionen wird durch die Schrödinger-<br />

Gleichung<br />

i ∂ψ<br />

∂t = Ĥψ<br />

mit geeignetem Hamilton-Operator Ĥ beschrieben.<br />

3. Messgrößen werden durch „Observablen“ d. h. durch hermitesche Operatoren<br />

mit einem orthonormalen, vollständigen Satz von Eigenfunktionen,<br />

dargestellt. Funktionen von Messgrößen entsprechen Funktionen der zugehörigen<br />

Observablen.<br />

4. Die möglichen Ergebnisse bei der Messung einer physikalischen Größe sind<br />

die Eigenwerte a m der entsprechenden Observablen A.


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 56<br />

<br />

5. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung der Eigenwert a m gemessen<br />

wird, ist<br />

|c m | 2 = |(φ (A)<br />

m , ψ)| 2 ,<br />

wenn a m nicht entartet ist, und<br />

|(φ (A)<br />

m , ′ ψ)|2<br />

{m ′ | a m ′=a m}<br />

im Falle einer Entartung.<br />

6. Ist der Eigenwert a<br />

<br />

m von A das Ergebnis einer Messung, so geht die Wellenfunktion<br />

ψ bei dieser Messung in die Eigenfunktion φ (A)<br />

m über, falls a m<br />

nicht entartet ist. Im Falle einer Entartung geht ψ über in<br />

ψ ′ = ˆP m ψ/(ψ, ˆP m ψ)<br />

mit<br />

ˆP m ψ ≡ φ (A)<br />

m ′ (φ(A) m , ψ) ,<br />

′<br />

{m ′ | a m ′=a m}<br />

wobei ˆP m als der Projektor auf den Unterraum von H zum Eigenwert a m<br />

anzusehen ist.<br />

Nehmen wir nun an, eine Messung der Observable A liefere das Ergebnis a m .<br />

Es ist klar, dass eine sofortige Wiederholung der Messung von A wiederum das<br />

Ergebnis a m liefern muß, da die Wellenfunktion bei der ersten Messung in die<br />

Eigenfunktion φ (A)<br />

m übergegangen ist. Analog würde eine n-fache sofortige Wiederholung<br />

der Messung von A gemäß dem letzten Postulat stets das Ergebnis<br />

a m liefern. Aufgrund dieser Überlegungen ist klar, dass die im letzten Postulat<br />

betrachtete „Messung“ tatsächlich eine idealisierte Messung ist, bei der der Einfluß<br />

der (makroskopischen) Meßapparatur auf das quantenmechanische System<br />

vernachlässigt wird. Zum Beispiel würde dies bei einer Impulsmessung mit Hilfe<br />

des Compton-Effekts heißen, dass die Frequenz ω der verwendeten Strahlung<br />

als klein angesehen werden kann, so dass der reale Meßvorgang erst im Limes<br />

ω → 0 eine „idealisierte Messung“ definiert. Bei der Beschreibung realer Experimente<br />

müßte man also unbedingt auch die Wechselwirkung zwischen dem<br />

quantenmechanische System und der Meßapparatur berücksichtigen, und dies<br />

würde offensichtlich auch eine Modifizierung des letzten Postulats erfordern.<br />

In diesem Abschnitt wurde implizit angenommen, dass das Spektrum von<br />

A diskret ist. Die Erweiterung der Theorie auf kontinuierliche oder gemischt<br />

diskrete und kontinuierliche Spektren ist ohne weiteres möglich.<br />

Beispiel: Der Hamilton-Operator<br />

Aufgrund der vorangegangenen allgemeinen Überlegungen erwartet man, dass<br />

auch der Hamilton-Operator, die Observable, die die Messgröße „Energie“ repräsentiert,<br />

einen orthonormalen, vollständigen Satz von Eigenfunktionen<br />

Ĥφ (Ĥ)<br />

n<br />

= E n φ (Ĥ)<br />

n (3.17)


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 57<br />

besitzt, mit<br />

(φ (Ĥ)<br />

m , φ(Ĥ) n ) = δ mn ,n<br />

φ (Ĥ)<br />

n (x)φ(Ĥ)∗ n (y) = δ(x − y) .<br />

Diese Eigenfunktionen sollen auch die eventuellen Randbedingungen erfüllen; im<br />

Normalfall bedeutet dies, dass sie im Bereich {x ∈Êd } quadratisch integrierbar<br />

sind. Das Eigenwertproblem (3.17) wird manchmal als die „zeitunabhängige<br />

Schrödinger-Gleichung“ bezeichnet.<br />

Falls Ĥ also einen orthonormalen, vollständigen Satz von Eigenfunktionen<br />

{φ (Ĥ)<br />

n } besitzt und diese Eigenfunktionen {φ (Ĥ)<br />

n } sowie die Eigenwerte {E n } bekannt<br />

sind, kann man den Hamilton-Operator auch als Integral-Operator schreiben:<br />

(Ĥψ)(x) =n<br />

E n φ (Ĥ)<br />

n (x)(φ(Ĥ) n , ψ) ,<br />

d. h.<br />

(Ĥψ)(x) =dy H(x|y)ψ(y) , H(x|y) =n<br />

E n φ (Ĥ)<br />

n (x)φ n (Ĥ)∗ (y) .<br />

Man überprüft nämlich leicht, dass diese Darstellung für jede Basisfunktion φ (Ĥ)<br />

m<br />

und daher auch für beliebige Linearkombinationen ψ =Èm c mφ (Ĥ)<br />

m das richtige<br />

Ergebnis Ĥφ(Ĥ) m = E m φ (Ĥ)<br />

m liefert. Etwas allgemeiner gilt für eine beliebige<br />

Funktion f(Ĥ) des Hamilton-Operators:<br />

äf(Ĥ)ψç(x) =n<br />

f(E n )φ (Ĥ)<br />

n<br />

(x)(φ(Ĥ) , ψ) , (3.18)<br />

n<br />

denn auch dies liefert für alle φ (Ĥ)<br />

m das richtige Ergebnis. Die Darstellung (3.18)<br />

ermöglicht sofort die allgemeine Lösung der Schrödinger-Gleichung zur Anfangsamplitude<br />

ψ 0 ,<br />

i∂ t ψ = Ĥψ , ψ(x, 0) = ψ 0(x) ,<br />

zumindest für den Fall eines zeitunabhängigen Hamilton-Operators mit einem<br />

vollständigen Satz von Eigenfunktionen:<br />

ψ(x, t) =äe −iĤt/ ψ 0ç(x)<br />

=n<br />

e −iEnt/ φ (Ĥ)<br />

n (x)(φ (Ĥ)<br />

n , ψ 0 ) . (3.19)<br />

Diese Wellenfunktion ψ(x, t) erfüllt die Randbedingung, die Anfangsbedingung:<br />

ψ(x, 0) =n<br />

φ (Ĥ)<br />

n<br />

(x)dy φ (Ĥ)∗ (y)ψ 0 (y) =dy δ(x − y)ψ 0 (y) = ψ 0 (x)<br />

n<br />

und die Schrödinger-Gleichung:<br />

i∂ t ψ =n<br />

E n e −iEnt/ φ (Ĥ)<br />

n (x)(φ (Ĥ)<br />

n , ψ 0 ) = (Ĥψ)(x, t) ;


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 58<br />

außerdem weist man leicht die Eindeutigkeit der Lösung der Schrödinger-Gleichung<br />

nach. Der Operator Ût ≡ e −iĤt/ , der die Zeitentwicklung der Wellenfunktion<br />

beschreibt und dessen Integraldarstellung durch<br />

(Ûtψ 0 )(x) =dy U t (x|y)ψ 0 (y) ,<br />

U t (x|y) =n<br />

e −iEnt/ φ (Ĥ)<br />

n<br />

(x)φ(Ĥ)∗ n<br />

(y)<br />

gegeben ist, wird auch in diesem allgemeinen Fall aus naheliegenden Gründen<br />

„Zeitentwicklungsoperator“ genannt.<br />

Die allgemeine zeitabhängige Lösung (3.19) der Schrödinger-Gleichung kann<br />

alternativ in der Form<br />

ψ(x, t) =dE e −iEt/ ψ E (x) ,<br />

ψ E (x) ≡n<br />

δ(E − E n )φ (Ĥ)<br />

n (x)(φ(Ĥ) n , ψ 0) ≡ (ÛEψ 0 )(x) ,<br />

also als Fourier-Transformierte einer orts- und energieabhängigen Wellenfunktion<br />

ψ E (x), dargestellt werden. Hierbei erfüllt ψ E die Fourier-transformierte<br />

Wellengleichung<br />

Ĥψ E = Eψ E ,<br />

die genau die Form der „zeitunabhängigen“ Schrödinger-Gleichung (3.17) hat.<br />

Man sieht also, dass die „zeitunabhängige“ und die „normale“ Schrödinger-Gleichung<br />

im Wesentlichen dieselbe physikalische Information enthalten, da sie durch<br />

Fourier-Transformationen miteinander verknüpft sind. Die inverse Transformation,<br />

die ψ auf ψ E abbildet, ist durch<br />

ψ E (x) =<br />

2πdt 1 e iEt/ ψ(x, t) =<br />

2πdt 1 e iEt/ (Ûtψ 0 )(x)<br />

gegeben. Man erhält somit einen sehr einfachen und intuitiv leicht nachvollziehbaren<br />

Ausdruck für den Operator ÛE:<br />

Û E =<br />

2πdt 1 e iEt/ Û t =<br />

2πdt 1 e i(E−Ĥ)t/ = δ(E − Ĥ) ,<br />

der die Beziehung<br />

(ψ 0 , ψ E ) = (ψ 0 , ÛEψ 0 ) = 〈ÛE〉 ψ0 = 〈δ(E − Ĥ)〉 ψ 0<br />

= w ψ0 (E)<br />

zwischen der Fourier-transformierten Wellenfunktion ψ E und der Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

w ψ0 (E) der Energieeigenwerte impliziert. Der Operator ÛE, die<br />

Wellenfunktion ψ E und die Wahrscheinlichkeitsdichte w ψ0 (E) erfüllen die Normierungsbedingungen:<br />

dE ÛE = 11 ,<br />

dE ψ E = ψ 0 ,<br />

dE w ψ0 (E) = 1 .<br />

Als einfaches Beispiel der Fourier-Transformation bezüglich der Zeit erwähnen<br />

wir stationäre Zustände, die durch die Wellenfunktionen<br />

ψ(x, t) = e −iEnt/ φ (Ĥ)<br />

n (x) , ψ E(x) = δ(E − E n )φ (Ĥ)<br />

n (x)<br />

beschrieben werden. In diesem Fall gilt ψ 0 (x) = φ (Ĥ)<br />

n (x) für die Anfangsbedingung<br />

und w ψ0 (E) = δ(E − E n ) für die Wahrscheinlichkeitsdichte der Energieeigenwerte.


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 59<br />

3.7 Vollständige Sätze<br />

ψ<br />

von<br />

kommutierenden Operatoren<br />

Es ist oft bequem, die Funktionen einer vollständigen Basis nach ihren Eigenwerten<br />

zu katalogisieren. Nun ist es jedoch denkbar, dass ein einzelner Operator<br />

A für diesen Katalogisierungsprozess nicht ausreicht, da seine Eigenwerte {a k }<br />

entartet sind, so dass die Dimension des Unterraums<br />

U (A)<br />

k<br />

≡ψ ∈ H¬Aψ = a k<br />

für irgendein k größer als 1 ist. In diesem Fall sucht man eine zweite Observable<br />

B, die mit A kommutiert. Aus<br />

0 = [A, B]φ (A)<br />

k<br />

folgt sofort, dass<br />

Bφ (A)<br />

k<br />

∈ U (A)<br />

k<br />

= A(Bφ (A)<br />

k<br />

) − a k Bφ (A)<br />

k<br />

gilt. Falls a k nicht entartet ist, folgt hieraus, dass φ (A)<br />

k<br />

auch Eigenvektor von<br />

B ist. Im Falle der Entartung kann man den hermiteschen Operator B in U (A)<br />

k<br />

mit Hilfe einer unitären Transformation diagonalisieren. Man erhält so neue<br />

Eigenfunktionen φ (AB)<br />

kl<br />

mit der Eigenschaft<br />

Aφ (AB)<br />

kl<br />

= a k<br />

φ (AB)<br />

kl<br />

, Bφ (AB)<br />

kl<br />

= b l<br />

φ (AB)<br />

kl<br />

,<br />

die also mit Hilfe der Eigenwerte {a k b l } katalogisiert werden können. Falls auch<br />

der Satz {a k b l } nicht ausreicht, um die Eigenfunktionen eindeutig zu identifizieren,<br />

sucht man eine dritte Observable C, eine vierte D, usw., bis der Satz<br />

{a k b l c m d n . . . } ausreicht, um die Eigenfunktionen eindeutig zu bestimmen.<br />

Ein Satz von kommutierenden Observablen {A, B, C, D, . . . }, der eine solche<br />

eindeutige Katalogisierung ermöglicht, heißt vollständig.<br />

Anwendung findet dieses Verfahren z. B. bei der Klassifizierung von Elektronenzuständen<br />

in der Atomphysik. In diesem Fall entspricht der Operator<br />

A normalerweise dem Hamilton-Operator. Man erhält dementsprechend eine<br />

dritte Darstellung (neben der Orts- und der Impulsdarstellung). Dies ist die<br />

Energiedarstellung mit den Basisfunktionen {φ Eν (x)}, wobei die Energie E der<br />

Eigenwert von Ĥ ist:<br />

Ĥφ Eν = Eφ Eν , (φ Eν , φ E′ ν ′) = δ EE ′δ νν ′<br />

und ν die Eigenwerte eventueller anderer Operatoren B, C, . . . symbolisiert, die<br />

mit Ĥ und untereinander kommutieren. In der Praxis könnte ν z. B. die Eigenwerte<br />

geeigneter Funktionen des Bahndrehimpulses und des Spinoperators<br />

darstellen. Man kann eine beliebige Funktion ψ also nach φ Eν entwickeln:<br />

ψ(x, t) =Eν<br />

˜ψ Eν (t)φ Eν (x) .<br />

Das Skalarprodukt wird durch:<br />

(ψ 1 , ψ 2 ) =Eν<br />

˜ψ ∗ 1,Eν ˜ψ 2,Eν ≡ { ˜ψ 1 , ˜ψ 2 }


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 60<br />

definiert, und der zugehörige Hilbertraum ist:<br />

H Eν =Ò˜ψ¬‖ ˜ψ‖ Eν ={ ˜ψ, ˜ψ} < ∞Ó.<br />

Die Struktur der Darstellung H Eν ist im allgemeinen gänzlich von den jeweiligen<br />

Strukturen von H x und H k verschieden.<br />

Wir haben nun bereits drei unterschiedliche Darstellungen kennen gelernt:<br />

die Orts-, Impuls- und Energiedarstellungen. In Tabelle 3.2 vergleichen wir diese<br />

drei Darstellungen für den Hamilton-Operator Ĥ = ˆp2 /2m + V (x) mit periodischen<br />

Randbedingungen. Hierbei soll auch V (x) natürlich periodisch sein:<br />

V (x±Le l ) = V (x). Wir betrachten ein großes jedoch endliches Volumen, damit<br />

φ k (x) normierbar ist.<br />

3.8 Darstellungswechsel<br />

Wir wissen bereits, dass die Fourier-Transformation, die die „Koordinaten“ ψ(ξ, t)<br />

in der Ortsdarstellung in die neuen „Koordinaten“ ˆψ(k, t) in der Impulsdarstellung<br />

überführt, eine unitäre Transformation ist. In diesem Abschnitt untersuchen<br />

wir, inwiefern dieses Ergebnis sich auf Transformationen zwischen beliebigen<br />

Darstellungen verallgemeinern lässt.<br />

Wir betrachten hierzu zwei Basen von Eigenfunktionen {φ m (x)} und {φ ′ α(x)},<br />

die orthonormal:<br />

(φ m , φ n ) = δ mn , (φ ′ α , φ′ β ) = δ αβ<br />

und vollständig<br />

m<br />

φ m (x)φ ∗ m (y) = δ(x − y) =α<br />

φ ′ α (x)φ′∗ α (y)<br />

sind, so dass jede Funktion ψ ∈ H x nach den {φ m } und den {φ ′ α } entwickelt<br />

werden kann:<br />

ψ(x, t) =m<br />

ψ m φ m (x) =α<br />

ψ ′ α φ′ α (x) .<br />

Die Funktion ψ wird in diesen beiden Darstellungen also durch die „Koordinaten“<br />

{ψ m } ≡ ψ und {ψ ′ α} ≡ ψ ′ charakterisiert, und die Sätze aller ψ und ψ ′<br />

formen Hilbert-Räume H und H ′ mit Skalarprodukten<br />

〈ψ 1 , ψ 2 〉 =m<br />

ψ ∗ 1m ψ 2m , {ψ′ 1 , ψ′ 2 } =α<br />

ψ ′∗<br />

1α ψ′ 2α .<br />

Für fest vorgegebene Funktionen ψ 1 und ψ 2 sind diese Skalarprodukte wegen<br />

der Orthonormalität der {φ m } bzw. {φ ′ α} gleich dem Skalarprodukt in H x :<br />

(ψ 1 , ψ 2 ) = 〈ψ 1 , ψ 2 〉 = {ψ ′ 1, ψ ′ 2} .<br />

Wir definieren nun:<br />

(φ m , φ ′ α) ≡ U mα .


Eigenwertgleichung<br />

Eigenfunktionen<br />

Wellenfunktion<br />

ψ(x, t)<br />

Skalarprodukt<br />

Hilbert-<br />

Raum<br />

Tabelle 3.2: Vergleich der wichtigsten Darstellungen<br />

Ortsdarstellung Impulsdarstellung Energiedarstellung<br />

ˆxχ ξ (x) ≡ xχ ξ (x) = ξχ ξ (x) ˆpφ k (x) ≡ i ∇φ k(x) = kφ k (x) Ĥφ Eν (x) = Eφ Eν (x)<br />

χ ξ (x) = δ(x − ξ) φ k (x) = 1 √<br />

V<br />

e ik·x<br />

Êdξ ψ(ξ, t)χ ξ (x)<br />

√<br />

∆kÈk ˆψ(k, t)φ k (x)<br />

i.a. nicht explizit bekannt<br />

ÈEν ˜ψ Eν φ Eν (x)<br />

(ψ 1 , ψ 2 ) =Êdξ ψ ∗ 1(ξ, t)ψ 2 (ξ, t) 〈 ˆψ 1 , ˆψ 2 〉 =Èk (∆k) ˆψ ∗ 1 (k, t) ˆψ 2 (k, t) { ˜ψ 1 , ˜ψ 2 } =ÈEν ˜ψ ∗ 1,Eν ˜ψ 2,Eν<br />

H x = {ψ | ‖ψ‖ x =(ψ, ψ) < ∞} H k = { ˆψ | ‖ ˆψ‖ k =〈 ˆψ, ˆψ〉 < ∞} H Eν = { ˜ψ | ‖ ˜ψ‖ Eν ={ ˜ψ, ˜ψ} < ∞}<br />

----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 61


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 62<br />

Wegen der Vollständigkeit der {φ m } kann man φ ′ α nach diesem Satz entwickeln;<br />

umgekehrt kann φ m nach den {φ ′ α } entwickelt werden:<br />

φ ′ α =m<br />

φ m (φ m , φ ′ α ) =m<br />

U mα φ m<br />

φ m =α<br />

φ ′ α(φ ′ α, φ m ) =α<br />

U ∗ mαφ ′ α .<br />

Die „Koordinaten“ ψ und ψ ′ werden also gemäß<br />

ψ m = (φ m , ψ) =α<br />

U mα (φ ′ α , ψ) =α<br />

U mα ψ ′ α<br />

ψ ′ α = (φ ′ α, ψ) =m<br />

U ∗ mα(φ m , ψ) =m<br />

(U † ) αm ψ m<br />

transformiert. In Vektornotation lauten diese Formeln:<br />

ψ = Uψ ′ , ψ ′ = U † ψ .<br />

Für alle ψ ∈ H und ψ ′ ∈ H ′ gilt:<br />

ψ ′ = U −1 ψ = U † ψ , ψ = Uψ ′ = (U † ) −1 ψ ′ ,<br />

so dass die Koordinatentransformation U offenbar unitär ist:<br />

UU † = 11 H , U † U = 11 H ′ ,<br />

wobei der (Hilbert-)adjungierte Operator U † im Falle einer Transformation zwischen<br />

Darstellungen also die folgenden Eigenschaften hat:<br />

〈ψ 1 , Uψ ′ 2 〉 = {U† ψ 1 , ψ ′ 2 } , {ψ′ 1 , U† ψ 2 } = 〈Uψ ′ 1 , ψ 2 〉 .<br />

Ähnliche Beziehungen fanden wir vorher für die Fourier-Transformation, die die<br />

Koordinaten in H x mit denjenigen in H k in Verbindung bringt.<br />

Auch das Transformationsverhalten von Observablen lässt sich leicht bestimmen.<br />

Sei A eine Observable wirkend auf H und A ′ das Pendant wirkend auf H ′ .<br />

Da physikalische Messwerte darstellungsunabhängig sein müssen, gilt:<br />

{ψ ′ , A ′ ψ ′ } = 〈ψ, Aψ〉 (∀ψ)<br />

und daher (analog zur Herleitung in Abschnitt [3.6] auf S. 53) auch<br />

{ψ ′ 1 , A′ ψ ′ 2 } = 〈ψ 1 , Aψ 2 〉 (∀ψ 1,2 ) .<br />

Hieraus können wir schließen, dass:<br />

{ψ ′ 1, A ′ ψ ′ 2} = 〈Uψ ′ 1, AUψ ′ 2〉 = {ψ ′ 1, U † AUψ ′ 2} (∀ψ ′ 1,2)<br />

gilt. Es folgt also, dass Observablen gemäß<br />

A ′ = U † AU<br />

transformiert werden. Das Fazit ist daher, dass unitäre Transformationen bei<br />

einem Darstellungswechsel das Transformationsverhalten von Koordinaten und<br />

Observablen bestimmen.


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 63<br />

Aus der Klassischen Mechanik ist bekannt, dass die fundamentalen Poisson-<br />

Klammern invariant sind unter „Berührungstransformationen“ (engl.: contact<br />

transformations) von alten Variablen (Q,P) zu neuen Variablen ( ¯Q, ¯P):<br />

¨¯Q, ¯Q©Q,P = ∅ f ,¨¯P, ¯P©Q,P = ∅ f ,¨¯Q, ¯P©Q,P = 11 f .<br />

Berührungstransformationen bilden eine wichtige Unterklasse der allgemeinen<br />

kanonischen Transformationen. Unitäre Transformationen in der <strong>Quantenmechanik</strong><br />

sind nun insofern das Pendant der klassischen kanonischen Transformationen,<br />

als sie den Kommutator [ˆx i , ˆp j ] = iδ ij , also das quantenmechanische<br />

Pendant der fundamentalen Poisson-Klammer, invariant lassen:<br />

[ˆx ′ i , ˆp′ j ] = ˆx′ iˆp′ j − ˆp′ jˆx′ i = U† (ˆx i UU †ˆp j − ˆp j UU †ˆx i )U<br />

= U † [ˆx i , ˆp j ]U = iδ ij U † U = iδ ij .<br />

Allgemeiner gilt [A ′ 1, A ′ 2] = i für jedes Observablenpaar A 1 und A 2 , das kanonisch<br />

zueinander konjugiert ist: [A 1 , A 2 ] = i.<br />

3.9 Bilder der <strong>Quantenmechanik</strong><br />

In den Untersuchungen des vorigen Abschnitts, die zeigten, dass Transformationen<br />

zwischen Darstellungen notwendigerweise unitär sind, tritt die Zeitvariable<br />

t nicht explizit auf. Unitäre Transformationen, die unterschiedliche Darstellungen<br />

miteinander verknüpfen, sind in der Praxis häufig zeitunabhängig, können<br />

aber durchaus auch explizit von der Zeitvariablen abhängen. In diesem Abschnitt<br />

besprechen wir drei berühmte Darstellungen der <strong>Quantenmechanik</strong>, die<br />

in der Literatur meist als „Bilder“ bezeichnet werden, sowie die explizit zeitabhängigen<br />

unitären Transformationen, die sie miteinander in Verbindung bringen.<br />

Diese drei Bilder sind das Schrödinger-Bild, das Heisenberg-Bild und das<br />

Wechselwirkungsbild.<br />

3.9.1 Das Schrödinger-Bild<br />

Obwohl Schrödingers Bild der <strong>Quantenmechanik</strong>, charakterisiert durch die Schrödinger-Gleichung,<br />

bereits ausführlich zur Sprache gekommen ist, wurde bisher<br />

meist der Spezialfall eines zeitunabhängigen Hamilton-Operators betrachtet.<br />

Hier betrachten wir den allgemeinen Fall eines möglicherweise explizit zeitabhängigen<br />

Hamiltonians. Die Schrödinger-Gleichung lautet für diesen Fall:<br />

i(∂ t ψ)(t) = Ĥ(t)ψ(t) , ψ(t 0) = ψ 0 ,<br />

wobei die (im Folgenden unwichtige) Ortsabhängigkeit der Wellenfunktion unterdrückt<br />

wird. Auch für diesen allgemeinen Fall lässt sich die Lösung der<br />

Schrödinger-Gleichung mit Hilfe eines Zeitentwicklungsoperators Û(t|t 0) als<br />

ψ(t) = Û(t|t 0)ψ 0<br />

darstellen, wobei der Operator Û(t|t 0) die Operatorgleichung<br />

i(∂ t Û)(t|t 0 ) = Ĥ(t)Û(t|t 0) , Û(t 0 |t 0 ) = 11


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 64<br />

erfüllt. Aus dieser Gleichung folgt sofort:<br />

Û(t|t 1 )Û(t 1|t 0 ) = Û(t|t 0) (∀t 1 ∈ R) ,<br />

da beide Glieder die gleiche Schrödinger-Gleichung und die gleiche Anfangsbedingung<br />

für t = t 1 erfüllen. Für t = t 0 folgt insbesondere:<br />

Û(t 1 |t 0 ) −1 = Û(t 0|t 1 ) .<br />

Außerdem folgt durch Kombination der Schrödinger-Gleichung mit ihrem hermitesch<br />

konjugierten Pendant,<br />

−i(∂ t Û † )(t|t 0 ) = Û† (t|t 0 )Ĥ(t) ,<br />

dass Û† Û zeitunabhängig und daher gleich der Identität ist:<br />

i∂ täÛ † (t|t 0 )Û(t|t 0)ç=0 , Û † (t|t 0 )Û(t|t 0) = Û† (t 0 |t 0 )Û(t 0|t 0 ) = 11 .<br />

Folglich ist der Zeitentwicklungsoperator auch für diesen allgemeinen Fall unitär:<br />

Û † (t|t 0 ) = Û(t|t 0) −1 = Û(t 0|t) .<br />

Klarerweise gilt auch Û(t|t 0)Û† (t|t 0 ) = 11 .<br />

Zusammenfassend gilt in der Schrödinger-Theorie (Index „S“) für die Wellenfunktion<br />

ψ S bzw. für Erwartungswerte von Observablen ÔS(x, ˆp, t):<br />

ψ S (t) = Û(t|t 0)ψ 0 , 〈ÔS〉 ψS = (ψ S , ÔSψ S ) ,<br />

wobei die Wellenfunktion also in jedem nicht-trivialen Problem explizit zeitabhängig<br />

ist und die Operatoren zeitabhängig sein können, aber nicht müssen.<br />

3.9.2 Das Heisenberg-Bild<br />

In Heisenbergs Bild der <strong>Quantenmechanik</strong> (Index „H“) sind die Wellenfunktionen<br />

durch<br />

ψ H (t) ≡ Û† (t|t 0 )ψ S (t) = Û† (t|t 0 )Û(t|t 0)ψ 0 = ψ 0<br />

und Operatoren entsprechend durch<br />

Ô H (t|t 0 ) ≡ Û† (t|t 0 )ÔSÛ(t|t 0)<br />

gegeben, so dass Observablen auch im Heisenberg-Bild hermitesch sind und die<br />

Erwartungswerte von Heisenberg-Operatoren in Heisenberg-Zuständen gleich<br />

den entsprechenden Erwartungswerten in der Schrödinger-Theorie sind:<br />

〈ÔH〉 ψH = (ψ H , Û† Ô S Uψ H ) = (Ûψ H, ÔSÛψ H) = (ψ S , ÔSψ S ) = 〈ÔS〉 ψS .<br />

Bemerkenswert ist, dass die Wellenfunktionen im Heisenberg-Bild zeitunabhängig<br />

(und daher gleich der Anfangsbedingung) sind:<br />

i(∂ t ψ H )(t) = 0 , ψ H (t 0 ) = ψ 0<br />

und nun die Operatoren im Allgemeinen eine explizite Zeitabhängigkeit erlangen.<br />

Da die Heisenberg- und Schrödinger-Bilder durch unitäre Transformationen


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 65<br />

miteinander verknüpft sind, sind diese beiden Darstellungen in jeder Hinsicht<br />

äquivalent. Das Heisenberg-Bild hat dennoch einige Vorzüge, die zum Teil praktischen<br />

Charakter haben (es betrifft hier Weiterentwicklungen in der Quantenfeldtheorie)<br />

und zum Teil eher formaler Natur sind. Wir erwähnen hier einige<br />

dieser formalen Aspekte.<br />

Die im Allgemeinen explizit zeitabhängigen Heisenberg-Operatoren erfüllen<br />

eine Bewegungsgleichung, die der Ehrenfest’schen Bewegungsgleichung für Mittelwerte<br />

von Operatoren sehr ähnlich ist,<br />

d<br />

dt ÔH(t|t 0 ) = d dtÛ† (t|t 0 )ÔSÛ(t|t 0)<br />

wobei definiert wurde:<br />

= − 1<br />

i (Û† ĤÔSÛ − Û† ∂ÔS<br />

Ô S ĤÛ) + Û†<br />

∂t Û<br />

= 1<br />

iäÔ H (t|t 0 ), ĤH(t|t 0 )ç+ ∂ÔH<br />

∂t (t|t 0) ,<br />

Ĥ H (t|t 0 ) = Û† (t|t 0 )ĤÛ(t|t 0) ,<br />

∂ÔH<br />

∂t (t|t 0) ≡ Û† (t|t 0 ) ∂ÔS<br />

∂t Û(t|t 0) .<br />

Diese Bewegungsgleichung für Heisenberg-Operatoren wird manchmal als die<br />

Heisenberg-Gleichung bezeichnet. Wir diskutieren drei wichtige Spezialfälle:<br />

• Falls sowohl ∂ t Ô H = 0 als auch [ÔH, ĤH] = 0 gilt, ist ÔH erhalten:<br />

d<br />

dtÔH(t|t 0 ) = 0 .<br />

Folglich ist der Operator ÔH(t|t 0 ) zeitunabhängig: ÔH(t|t 0 ) = ÔH(t 0 |t 0 ) =<br />

Ô S (x, ˆp, t 0 ). Wegen [ÔH, ĤH] = 0 können die Heisenberg-Operatoren ÔH<br />

und ĤH gleichzeitig diagonalisiert werden, besitzen daher zu jedem Zeitpunkt<br />

t einen gemeinsamen vollständigen Satz orthonormaler Eigenfunktionen.<br />

• Falls der Hamilton-Operator Ĥ = H(x, ˆp, t) der Schrödinger-Theorie eine<br />

analytische Funktion ihrer Variablen ist, gilt ĤH = H(ˆx H , ˆp H , t). In diesem<br />

Fall lauten die Heisenberg-Gleichungen für den Ortsoperator ˆx H bzw. den<br />

Impulsoperator ˆp H :<br />

dˆx H<br />

dt<br />

dˆp H<br />

dt<br />

= 1<br />

i [ˆx H, ĤH] = ∂H<br />

∂p (ˆx H, ˆp H , t)<br />

= 1<br />

i [ˆp H, ĤH] = − ∂H<br />

∂x (ˆx H, ˆp H , t)<br />

und sind somit formal identisch mit den Hamilton-Gleichungen der Klassischen<br />

Mechanik. Bei der Herleitung der Heisenberg-Gleichungen für ˆx H<br />

und ˆp H wurde verwendet, dass für alle Operatoren A und B, die mit ihrem<br />

Kommutator [A, B] kommutieren, gilt: [A, f(B)] = [A, B]f ′ (B).<br />

• Falls der Hamilton-Operator der Schrödinger-Theorie nicht explizit zeitabhängig<br />

ist, ∂ t Ĥ = 0, gilt Û(t|t 0) = e −iĤ(t−t0)/ und daher ĤH = Ĥ<br />

und<br />

Ô H = e iĤ(t−t0)/ Ô S e −iĤ(t−t0)/ (∂ t Ĥ = 0) .


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 66<br />

Die Heisenberg-Gleichung lautet nun allgemein:<br />

d<br />

dtÔH(t|t 0 ) = 1<br />

i [ÔH(t|t ∂ÔH<br />

0 ), Ĥ] +<br />

∂t (t|t 0) (∂ t Ĥ = 0) ,<br />

und für den Fall, dass der Schrödinger-Operator ÔS ebenfalls nicht explizit<br />

zeitabhängig ist, folgt<br />

d<br />

dtÔH(t − t 0 ) = 1<br />

i [ÔH(t − t 0 ), Ĥ] (∂ tĤ = 0 , ∂ tÔS = 0) .<br />

Wegen der Translationsinvarianz in der Zeitrichtung hängt der Heisenberg-<br />

Operator ÔH lediglich von der Relativzeit t − t 0 ab.<br />

Für ∂ t Ĥ = 0 ist die Beziehung zwischen den Wellenfunktionen im Schrödingerbzw.<br />

Heisenberg-Bild besonders einfach (nämlich diagonal) in der Energiedarstellung:<br />

ψ S (t) =m<br />

ψ Sm (t)φ (Ĥ)<br />

m , ψ H (t) =m<br />

ψ Hm (t)φ (Ĥ)<br />

m ,<br />

denn wegen Û = diage −iEm(t−t0)/und ψ Sm (t) = e −iEm(t−t0)/ ψ Sm (t 0 ) gilt<br />

ψ Hm (t) = (Û† ) mm ψ Sm (t) = e iEm(t−t0)/ ψ Sm (t) = ψ Sm (t 0 ) .<br />

In diesem Fall wurden die Basisfunktionen φ (Ĥ)<br />

m im Heisenberg-Bild zu jedem<br />

Zeitpunkt gleich gewählt, und folglich sind die Koordinaten {ψ Hm (t)} für alle<br />

t ∈ R zeitunabhängig.<br />

3.9.3 Das Wechselwirkungsbild<br />

Im Wechselwirkungsbild der <strong>Quantenmechanik</strong> wird vorausgesetzt, dass der<br />

Hamilton-Operator der Schrödingertheorie einen zeitunabhängigen und einen<br />

explizit zeitabhängigen Anteil hat:<br />

Ĥ(t) = Ĥ0 + λĤ1(t) (λ ∈ R) .<br />

Dieses Bild ist besonders dann nützlich, wenn der dimensionslose Parameter λ<br />

klein ist (λ ≪ 1), so dass der zeitabhängige Term im Hamilton-Operator störungstheoretisch<br />

behandelt werden kann. Hier betrachten wir den allgemeinen<br />

Fall (λ ∈ R).<br />

Die Schrödinger-Gleichung für den zeitabhängigen Hamilton-Operator Ĥ(t),<br />

i∂ t ψ S = [Ĥ0 + λĤ1(t)]ψ S , ψ S (t 0 ) = ψ 0 ,<br />

kann mit Hilfe der Definitionen<br />

auch als<br />

ψ W (t) ≡ e iĤ0(t−t0)/ ψ S , Ĥ W (t) ≡ e iĤ0(t−t0)/ λĤ1(t)e −iĤ0(t−t0)/<br />

i∂ t ψ W = −Ĥ0ψ W + e iĤ0(t−t0)/ i∂ t ψ S<br />

= −Ĥ0ψ W + [Ĥ0 + ĤW(t)]ψ W<br />

= ĤW(t)ψ W , ψ W (t 0 ) = ψ 0


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 67<br />

geschrieben werden. Die Lösung dieser Bewegungsgleichung hat die Form<br />

ψ W (t) = ÛW(t|t 0 )ψ 0 ,<br />

wobei der unitäre Operator ÛW(t|t 0 ) durch<br />

i(∂ t U W )(t|t 0 ) = ĤW(t)ÛW(t|t 0 ) , Û W (t 0 |t 0 ) = 11<br />

bestimmt ist. Die Operatoren im Wechselwirkungsbild sind entsprechend durch<br />

Ô W (t|t 0 ) ≡ e iĤ0(t−t0)/ Ô S e −iĤ0(t−t0)/<br />

definiert, so dass Mittelwerte im Wechselwirkungsbild gleich den Mittelwerten<br />

im Schrödinger- oder Heisenberg-Bild sind:<br />

〈ÔW〉 ψW = (ψ W , ÔWψ W ) = (ψ S , ÔSψ S ) = 〈ÔS〉 ψS .<br />

Sowohl die Wellenfunktionen als auch die Operatoren sind im Wechselwirkungsbild<br />

also im Allgemeinen explizit zeitabhängig. Die Transformation vom Schrödinger-<br />

zum Wechselwirkungsbild ist lediglich ein Darstellungswechsel und wird<br />

somit durch den unitären Operator e iĤ0(t−t0)/ beschrieben. Analog wird die<br />

Transformation vom Heisenberg- zum Wechselwirkungsbild durch den unitären<br />

Operator ÛW(t|t 0 ) beschrieben.<br />

3.9.4 Explizite Form des Zeitentwicklungsoperators<br />

Wir versuchen nun, explizite Ausdrücke für die Zeitentwicklungsoperatoren Û(t|t 0)<br />

und ÛW(t|t 0 ) zu bestimmen. Durch Integration der Bewegungsgleichung<br />

i(∂ t Û)(t|t 0 ) = Ĥ(t)Û(t|t 0) , Û(t 0 |t 0 ) = 11<br />

entsteht zunächst die Integralgleichung<br />

Û(t|t 0 ) = 11 + 1<br />

it<br />

die iterativ gelöst werden kann:<br />

t 0<br />

dt 1 Ĥ(t 1 )Û(t 1|t 0 ) ,<br />

Û(t|t 0 ) = 11 +<br />

it 1 dt 1 Ĥ(t 1 ) + 1<br />

2t<br />

t 0<br />

(i)<br />

t 0<br />

dt 1t 1<br />

t 0<br />

dt 2 Ĥ(t 1 )Ĥ(t 2)Û(t 2|t 0 )<br />

= · · · =<br />

∞k=0<br />

Û k (t|t 0 ) ,<br />

wobei Û0(t|t 0 ) ≡ 11 und für k ≥ 1:<br />

Û k (t|t 0 ) ≡ 1<br />

(i) kt<br />

t 0<br />

dt 1t 1<br />

t 0<br />

dt 2 · · ·t k−1<br />

t 0<br />

dt k Ĥ(t 1 )Ĥ(t 2) · · · Ĥ(t k)<br />

definiert wurde. Man achte hierbei auf die Reihenfolge der Operatoren Ĥ(t i), die<br />

(für t ≥ t 0 ) insofern nach der Zeit „geordnet“ sind, als die spätere Zeit immer<br />

links von der früheren steht: t 1 > t 2 > · · · > t k . Mit Hilfe des Zeitordnungsoperators<br />

T ,<br />

T [f(t 1 )g(t 2 )] ≡ f(t 1 )g(t 2 )Θ(t 1 − t 2 ) + g(t 2 )f(t 1 )Θ(t 2 − t 1 ) ,


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 68<br />

kann man Û(t|t 0) eleganter darstellen. Es gilt nämlich:<br />

Û 2 (t|t 0 ) = 1<br />

(i) 2t<br />

=<br />

und allgemeiner:<br />

Û k (t|t 0 ) =<br />

t 0<br />

dt 1t 1<br />

1<br />

2t<br />

dt 1t<br />

2!(i) t 0<br />

1<br />

kt<br />

dt 1 · · ·t<br />

k!(i) t 0<br />

t 0<br />

dt 2 Ĥ(t 1 )Ĥ(t 2)<br />

so dass man symbolisch schreiben kann:<br />

t 0<br />

dt 2 T [Ĥ(t 1)Ĥ(t 2)]<br />

t 0<br />

dt k T [Ĥ(t 1)Ĥ(t 2) · · · Ĥ(t k)] ,<br />

1<br />

Û(t|t 0 ) = dt<br />

k!1<br />

it<br />

Tå∞k=0<br />

′ Ĥ(t ′ −iÊt dt<br />

)kè=Tåe ′ Ĥ(t ′ t 0<br />

)/è. (3.20)<br />

t 0<br />

Der Zeitentwicklungsoperator hat für t ≥ t 0 also die Form einer zeitgeordneten<br />

Exponentialfunktion. Für t ≤ t 0 findet man analog<br />

Û(t|t 0 ) = 11 − 1<br />

it 0<br />

t<br />

dt 1 Ĥ(t 1 )Û(t 1|t 0 ) = · · · =<br />

∞k=0<br />

Û k (t|t 0 ) ,<br />

mit Û0(t|t 0 ) ≡ 11 und<br />

Û k (t|t 0 ) =− 1<br />

ikt 0<br />

t<br />

dt 1t 0<br />

t 1<br />

dt 2 · · ·t 0<br />

t k−1<br />

dt k Ĥ(t 1 )Ĥ(t 2) · · · Ĥ(t k) .<br />

Nun steht die spätere Zeit immer rechts von der früheren, so dass man den<br />

Zeitentwicklungsoperator mit Hilfe eines Zeitantiordnungsoperators T ,<br />

T [f(t 1 )g(t 2 )] ≡ f(t 1 )g(t 2 )Θ(t 2 − t 1 ) + g(t 2 )f(t 1 )Θ(t 1 − t 2 ) ,<br />

darstellen kann:<br />

Û k (t|t 0 ) =<br />

und daher gilt:<br />

Û(t|t 0 ) = Tå∞k=0<br />

1<br />

k!(−i) kt 0<br />

t<br />

1<br />

k!− 1<br />

it 0<br />

0<br />

dt 1 · · ·t<br />

dt k T [Ĥ(t1)Ĥ(t 2) · · · Ĥ(t k)] ,<br />

t<br />

t<br />

dt ′ Ĥ(t ′ )kè=Tåe iÊt 0<br />

dt ′ Ĥ(t ′ t<br />

)/è.<br />

Für t ≤ t 0 erhält man somit eine zeit-antigeordnete Exponentialfunktion. Dieses<br />

Ergebnis für Û(t|t 0) mit t ≤ t 0 folgt alternativ auch sofort aus Û(t|t 0) =<br />

=<br />

TäĤ(t 1 )Ĥ(t 2)ç.<br />

Hiermit ist selbstverständlich auch die explizite Form des Zeitentwicklungsoperators<br />

im Wechselwirkungsbild bekannt:<br />

Û(t 0 |t) † in Kombination mit (3.20) und der IdentitätTäĤ(t 1 )Ĥ(t 2)ç†<br />

−iÊt<br />

=Tåe<br />

Û W (t|t 0 )<br />

Tåe iÊt 0<br />

t<br />

t 0<br />

dt ′ Ĥ W(t ′ )/è(t ≥ t 0 )<br />

dt ′ Ĥ W(t ′ )/è(t ≤ t 0 ) .


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 69<br />

Wir werden dieses Ergebnis bei der Behandlung der zeitabhängigen Störungstheorie<br />

in Kapitel 8 gewinnbringend anwenden können. Eine Störungsentwicklung<br />

nach „Potenzen“ von ĤW ist in diesem Fall besonders sinnvoll, da der in ĤW<br />

enthaltene dimensionslose Parameter λ als klein vorausgesetzt wird (λ ≪ 1).<br />

3.10 Der abstrakte Vektorraum<br />

Die Existenz verschiedener Darstellungen, die durch unitäre Transformationen<br />

miteinander verbunden werden können, erinnert stark an den Euklidischen Vektorraum,<br />

d. h. an den linearen Vektorraum mit dem reellen Skalarprodukt aus<br />

der elementaren Geometrie. Auch in diesem Fall hat man unendlich viele Möglichkeiten,<br />

eine orthonormale Basis im Vektorraum zu wählen. Jede Basiswahl<br />

definiert eine Darstellung des Vektorraums mit Hilfe von „Koordinaten“, und<br />

Transformationen von einer Darstellung zu einer anderen werden bestimmt<br />

durch orthogonale Transformationen wie in Abbildung 3.3. Wichtig bei dieser<br />

Analogie ist vor allem, dass das Skalarprodukt zweier abstrakter Vektoren v und<br />

w bereits im Euklidischen Vektorraum definiert ist. Das Skalarprodukt ist somit<br />

darstellungsunabhängig und daher notwendigerweise invariant unter einem<br />

Darstellungswechsel.<br />

e 2<br />

e ′ 2<br />

e ′′<br />

2<br />

v abstrakter Vektor<br />

e 1 Darstellung 1<br />

orth. Transf.<br />

orth. Transf.<br />

e ′ 1 Darstellung 2<br />

e ′′<br />

1 Darstellung 3<br />

Abbildung 3.3: Transformationen im abstrakten Vektorraum<br />

Es ist nun naheliegend, zu versuchen, auch zu den unendlich vielen Darstellungen<br />

der Quantentheorie einen abstrakten Funktionenraum H D zu konstruieren,<br />

der bei geeigneter Basiswahl jede mögliche Spezialdarstellung erzeugt.<br />

Die Einführung eines solchen Funktionenraums hätte offensichtlich Vorteile, da<br />

er darstellungsfreie und somit allgemeingültige Aussagen erlaubt. Andererseits<br />

ist bereits aus der elementaren Geometrie bekannt, dass für bestimmte Anwendungen<br />

geschickt gewählte Spezialdarstellungen rechentechnisch am bequemsten<br />

sind, so dass man auch in der Quantentheorie erwarten kann, bei manchen konkreten<br />

Rechnungen auf Spezialdarstellungen zurückgreifen zu müssen. Die Idee<br />

des abstrakten Funktionenraums stammt von P.A.M. Dirac (1926).<br />

Wir stellen die Funktion, die in der Ortsdarstellung mit ψ(ξ, t), in der Impulsdarstellung<br />

mit ˆψ(k, t), usw., bezeichnet wird, im abstrakten Vektorraum<br />

H D als |ψ〉 dar. Die {|ψ〉} formen einen linearen Vektorraum, da die {ψ}, { ˆψ},<br />

usw. dies in den jeweiligen Darstellungen tun. Zu jedem Vektor |ψ〉 führen wir<br />

nun das lineare Funktional 〈ψ| ein, das für alle |ψ ′ 〉 ∈ H D die folgende Wirkung


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 70<br />

haben soll:<br />

〈ψ| : |ψ ′ 〉 ↦→ (ψ, ψ ′ ) ≡ 〈ψ |ψ ′ 〉 . (3.21)<br />

Hierbei heißt 〈ψ| der zu |ψ〉 duale Vektor; die Gesamtheit aller {〈ψ|} heißt<br />

dementsprechend der duale Vektorraum H D . Gleichung (3.21) definiert das Skalarprodukt<br />

auf dem Produktraum H D ⊗ H D . Da 〈ψ| und |ψ ′ 〉 zusammen ein<br />

„bracket“ 〈ψ |ψ ′ 〉 ergeben, wurden sie von Dirac „bra“ bzw. „ket“ getauft. Wegen<br />

(3.21) können die {|ψ ′ 〉} auch als „Duale der Dualen“, d. h. als lineare Funktionale<br />

auf H D interpretiert werden.<br />

Zwei Funktionale sind besonders wichtig, nämlich diejenigen, welche die<br />

Orts- und die Impulsdarstellung erzeugen. Der Basisvektor 〈x| der Ortsdarstellung<br />

und sein dualer Vektor sind gegeben durch:<br />

〈x| : |ψ〉 ↦→ 〈x|ψ〉 ≡ ψ(x)<br />

|x〉 : 〈ψ| ↦→ 〈ψ |x〉 ≡ ψ ∗ (x) ,<br />

und die Basisvektoren der Impulsdarstellung sind:<br />

〈k| : |ψ〉 ↦→ 〈k|ψ〉 ≡ ˆψ(k)<br />

|k〉 : 〈ψ| ↦→ 〈ψ |k〉 ≡ ˆψ ∗ (k) .<br />

Betrachten wir nun eine vollständige, orthonormale Basis {φ n (x)}, so dass<br />

〈φ m |φ n 〉 = (φ m , φ n ) = δ mn und für alle ψ, ψ ′ :<br />

〈ψ |ψ ′ 〉 = (ψ, ψ ′ ) =n<br />

(ψ, φ n )(φ n , ψ ′ ) = 〈ψ|n<br />

|φ n 〉〈φ n ||ψ ′ 〉<br />

und daher<br />

n<br />

|φ n 〉〈φ n | = 11<br />

gilt. Es folgt, dass die Basisvektoren der Ortsdarstellung orthonormal und vollständig<br />

sind, denn außer<br />

〈ξ |ξ ′ 〉 =n<br />

〈ξ |φ n 〉〈φ n |ξ ′ 〉 =n<br />

φ n (ξ)φ ∗ n (ξ′ ) = δ(ξ − ξ ′ )<br />

gilt auch für alle ψ, ψ ′ :<br />

〈ψ |ψ ′ 〉 = (ψ, ψ ′ ) =dξ ψ ∗ (ξ)ψ ′ (ξ) = 〈ψ|dξ |ξ〉〈ξ||ψ ′ 〉<br />

und daher:<br />

dξ |ξ〉〈ξ| = 11 .<br />

Dies bestätigt unsere Befunde für die Eigenfunktionen χ ξ des Ortsoperators in<br />

Abschnitt [3.5.2]. Analog folgt für die Basisvektoren der Impulsdarstellung im<br />

Limes V → ∞:<br />

〈k|k ′ 〉 = δ(k − k ′ ) ,dk |k〉〈k| = 11 .


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 71<br />

Dies sieht man aus:<br />

〈k|k ′ 〉 =n<br />

〈k|φ n 〉〈φ n |k ′ 〉 =n<br />

ˆφ n (k)ˆφ ∗ n (k′ )<br />

=n<br />

(2π) −dD<br />

dy dy 2 φ n (y 1 )φ ∗ n 1D<br />

(y 2)e i(k′·y 2−k·y 1)<br />

= (2π) −dD<br />

dy e i(k′ −k)·y =<br />

V<br />

(2π) d δ kk ′ = 1<br />

∆k δ kk ′<br />

−→ δ(k − k ′ ) (V → ∞)<br />

und<br />

〈ψ |ψ ′ 〉 = 〈 ˆψ | ˆψ ′ 〉 = (∆k)k<br />

ˆψ ∗ (k) ˆψ ′ (k) =k<br />

(∆k)〈ψ |k〉〈k|ψ ′ 〉 .<br />

Da die letzte Gleichung für alle ψ, ψ ′ gilt, folgt nämlich sofort die Operatoridentität:<br />

11 =k<br />

(∆k)|k〉〈k| −→dk |k〉〈k| (V → ∞) .<br />

Dies bestätigt im abstrakten Vektorraum die Ergebnisse des Abschnitts [3.5.1]<br />

für die Orthonormalität und Vollständigkeit der Basisfunktionen φ k . Andere<br />

wichtige Skalarprodukte im abstrakten Vektorraum sind:<br />

〈ξ |k〉 =n<br />

〈ξ |φ n 〉〈φ n |k〉 =n<br />

φ n (ξ)ˆφ ∗ n (k)<br />

= (2π) −d/2D<br />

dyn<br />

φ n (ξ)φ ∗ n (y)eik·y<br />

= (2π) −d/2D<br />

dy δ(ξ − y)e ik·y = (2π) −d/2 e ik·ξ<br />

und<br />

〈k|ξ〉 = 〈ξ |k〉 ∗ = (2π) −d/2 e −ik·ξ .<br />

Diese Skalarprodukte stellen also im Wesentlichen die Basisfunktionen φ k (ξ)<br />

bzw. ˜φ ξ (k) aus Abschnitt [3.5] dar.<br />

Schließlich sei erwähnt, dass die Wirkung von Operatoren im abstrakten<br />

Vektorraum festliegt, wenn ihre Wirkung in irgendeiner konkreten Darstellung<br />

bekannt ist. Sei zum Beispiel die Wirkung der Observablen A ξ in der Ortsdarstellung<br />

bekannt, dann ist das Pendant A von A ξ im abstrakten Vektorraum:<br />

A|ψ〉 =n<br />

|φ n 〉〈φ n |A|ψ〉 =n<br />

|φ n 〉(φ n , A ξ ψ) ,<br />

wobei die Matrixelemente (φ n , A ξ ψ) explizit bekannt sind. Insbesondere gilt<br />

für den Hamilton-Operator Ĥ im abstrakten Vektorraum, falls der Hamilton-<br />

Operator in der Ortsdarstellung durch Ĥξ gegeben ist:<br />

Ĥ|ψ〉 =dx |x〉〈x|Ĥξψ〉 =dx |x〉(Ĥξψ)(x) ,


----------------------------------------------- 3. FORMALE STRUKTUR DER QUANTENMECHANIK 72<br />

so dass nun auch die Wirkung von Ĥ explizit bekannt ist. Die Schrödinger-<br />

Gleichung im abstrakten Vektorraum folgt somit als<br />

i∂ t |ψ(t)〉 = i∂ tdx |x〉〈x|ψ(t)〉 =dx |x〉i(∂ t ψ)(x, t)<br />

=dx |x〉(Ĥξψ)(x, t) = Ĥ|ψ(t)〉 .<br />

Außerdem folgen die Matrixelemente 〈x|Ĥ|y〉 des Hamilton-Operators aus<br />

dy 〈x|Ĥ|y〉ψ(y) =dy 〈x|Ĥ|y〉〈y|ψ〉 = 〈x|Ĥ|ψ〉<br />

als<br />

〈x|Ĥ|y〉 = H(x|y) .<br />

=dx ′ 〈x|x ′ 〉(Ĥξψ)(x ′ ) = (Ĥξψ)(x)<br />

=dyH(x|y)ψ(y)<br />

Analog findet man zum Beispiel 〈x|Ût|y〉 = U t (x|y) für den Zeitentwicklungsoperator.<br />

Mit diesem Abschnitt ist die Behandlung des Formalismus der Quantentheorie<br />

abgeschlossen. Im Folgenden werden wir uns zuerst einigen relativ einfachen,<br />

exakt lösbaren Problemen widmen; danach wird als Verfeinerung der<br />

Schrödinger-Theorie der Spin als interner Freiheitsgrad des Elektrons eingeführt.<br />

Als Abschluss sollen Näherungsmethoden, zur Lösung von nicht mehr<br />

exakt lösbaren Problemen, untersucht werden.


Kapitel4<br />

Der harmonische Oszillator<br />

In diesem Kapitel betrachten wir eins der „Paradigmen“ der theoretischen Physik<br />

und insbesondere auch der <strong>Quantenmechanik</strong>, das exakt lösbare Modell des<br />

harmonischen Oszillators:<br />

Ĥ d (ˆp,x) = ˆp2<br />

2m + 1 2 mω2 x 2 (4.1)<br />

mit x = (x 1 , . . . , x d ) und ˆp = (ˆp 1 , . . . , ˆp d ). Der hier betrachtete isotrope harmonische<br />

Oszillator ist ein Sonderfall des allgemeinen Hamilton-Operators<br />

Ĥ d = 1 2 ˆp · M−1 · ˆp + 1 2 x · B · x , (4.2)<br />

wobei die Matrix M reell, symmetrisch und positiv definit und die Matrix B<br />

reell, symmetrisch und positiv semidefinit sein soll. Aus der Theorie der kleinen<br />

Schwingungen in der Theoretischen Mechanik weiß man, dass der Hamiltonian<br />

(4.2) mit Hilfe einer Transformation auf „Normalkoordinaten“ (ˆP,X) diagonalisiert<br />

werden kann:<br />

Ĥ d = 1 2 ˆP 2 + 1 2<br />

dl=1<br />

ω 2 l X2 l , ω l ≥ 0 , X = (X 1 , . . .,X d ) . (4.3)<br />

Die unten für den isotropen Fall (4.1) durchgeführten Rechnungen können leicht<br />

auf den allgemeinen Fall (4.3) verallgemeinert werden. In beiden Fällen ist<br />

das dynamische Problem des harmonischen Oszillators durch die Schrödinger-<br />

Gleichung<br />

i∂ t Ψ = ĤdΨ (4.4)<br />

mit der Anfangsbedingung<br />

Ψ(x, 0) = Ψ 0 (x) (4.5)<br />

definiert; der Definitionsbereich des harmonischen Oszillators umfasst den ganzen<br />

Ortsraum (x ∈Êd ). Das Interesse am harmonischen Oszillator rührt daher,<br />

dass die Dynamik eines beliebigen Systems in der Nähe des Minimums eines<br />

Potentialtopfs approximativ durch den Hamilton-Operator (4.1) oder (4.2) beschrieben<br />

werden kann. Hierbei kann das „System“ ein einzelnes Atom oder Ion


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 74<br />

V (x)<br />

x 0<br />

Abbildung 4.1: Approximation durch einen harmonischen Oszillator<br />

(oder gar ein Elektron) sein. Man kann auch an kollektive Schwingungen makroskopisch<br />

vieler Atome oder Ionen (Gitterschwingungen) denken, wobei das<br />

„System“ also N ≃ 10 23 Teilchen umfasst und x die Auslenkungen aller dieser<br />

Teilchen darstellt: x = (x 1 , . . .,x N ). Da die potentielle Energie 1 2 x · B · x in<br />

diesem Fall sicherlich invariant unter Translationen des gesamten Kristalls<br />

x −→ (x 1 + a,x 2 + a, . . . ,x N + a) ≡ x + A<br />

ist, gilt B · A = 0 und somit auch A · B · A = 0; die Matrix B ist in diesem<br />

Beispiel also tatsächlich nur positiv semidefinit.<br />

Der harmonische Oszillator ist nicht nur für Gitterschwingungen (Phononen)<br />

relevant, sondern auch z. B. für die Beschreibung von Elektronen im Magnetfeld<br />

(„Landau-Niveaus“) und für die Beschreibung der Anregungen des quantisierten<br />

Strahlungsfeldes („Photonen“). Selbstverständlich erfordert auch die Untersuchung<br />

anharmonischer Effekte genaue Kenntnisse des harmonischen Falls, da<br />

der harmonische Oszillator im Allgemeinen als Startpunkt einer störungstheoretischen<br />

Berechnung dient.<br />

Im Folgenden diskutieren wir zuerst einige allgemeine Eigenschaften des<br />

quantenmechanischen harmonischen Oszillators; wir zeigen insbesondere, dass<br />

die exakte Lösung des d-dimensionalen Oszillators aus der Lösung des eindimensionalen<br />

Falles folgt. Dann diskutieren wir die Lösung der Schrödinger-Gleichung<br />

für den eindimensionalen harmonischen Oszillator und die wichtigsten Eigenschaften<br />

der Eigenfunktionen. Hierzu werden wir rein algebraische Methoden<br />

verwenden; in diesem Kontext führen wir auch die Begriffe „Erzeugungs-“ und<br />

„Vernichtungsoperator“ zum ersten Mal ein.<br />

4.1 Der d-dimensionale harmonische Oszillator<br />

Wir betrachten das Modell des harmonischen Oszillators, d. h. die Schrödinger-<br />

Gleichung (4.4) mit dem Hamilton-Operator (4.1) zuerst in beliebigen Raumdimensionen<br />

d und erläutern einige seiner allgemeinen Eigenschaften. Es wird<br />

insbesondere gezeigt, dass der mittlere Aufenthaltsort des quantenmechanischen<br />

Oszillators die klassische Bewegungsgleichung erfüllt, dass die mittlere kinetische<br />

und die mittlere potentielle Energie gleich sind, dass der quantenmechanische<br />

Oszillator das klassische Energieminimum E = 0 nicht erreichen kann und<br />

dass die exakte Lösung des d-dimensionalen harmonischen Oszillators auf die<br />

entsprechende Lösung des eindimensionalen Problems reduziert werden kann.


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 75<br />

Die Zeitabhängigkeit des mittleren Aufenthaltsorts und des mittleren Impulses<br />

des Oszillators folgt sofort aus dem Ehrenfest’schen Theorem:<br />

d〈x〉<br />

dt<br />

= 〈p〉<br />

m , d〈ˆp〉<br />

= 〈−∇V 〉 = −mω 2 〈x〉 .<br />

dt<br />

Kombination beider Gleichungen liefert nämlich die Bewegungsgleichung<br />

d 2 〈x〉<br />

dt 2<br />

mit der Lösung:<br />

= −ω 2 〈x〉<br />

〈x〉 t = 〈x〉 0 cos(ωt) +<br />

ωd〈x〉 1 sin(ωt) .<br />

dt0<br />

Der mittlere Aufenthaltsort und – analog – der mittlere Impuls erfüllen also die<br />

klassische Bewegungsgleichung für den Ortsvektor des klassischen harmonischen<br />

Oszillators.<br />

Aus dem Virialtheorem folgt eine exakte Beziehung zwischen der kinetischen<br />

und der potentiellen Energie des Oszillators in einem stationären Zustand, d. h.<br />

in einem Zustand der Form<br />

Ψ ν (x, t) = e −iEνt/ Φ ν (x) , Ĥ d Φ ν = E ν Φ ν . (4.6)<br />

Man beachte, dass |Ψ ν | 2 in diesem Zustand zeitunabhängig ist. Aus dem Virialtheorem:<br />

0 = d 2<br />

〈x · ˆp〉 =ˆp<br />

· ∇V 〉<br />

dt mò−〈x<br />

folgt sofort, dass für stationäre Zustände<br />

ˆp 2<br />

2mò=〈 1 2 mω2 x 2 〉 (4.7)<br />

gilt, d.h. dass die mittlere kinetische und die mittlere potentielle Energie gleich<br />

sind.<br />

Wir leiten noch eine exakte untere Schranke für die Eigenenergie E ν des stationären<br />

Zustands Ψ ν (x, t) in (4.6) ab. Aus den Vertauschungsrelationen (siehe<br />

S. 24):<br />

[x, Ĥd] = i m ˆp , [ˆp, Ĥd] = −i∇V = −imω 2 x ,<br />

folgt für die Erwartungswerte von ˆp und x im Zustand Ψ:<br />

d. h.<br />

i<br />

m 〈ˆp〉 = (Φ ν, [x, Ĥd]Φ ν ) = 〈x〉E ν − E ν 〈x〉 = 0<br />

−imω 2 〈x〉 = (Φ ν , [ˆp, Ĥd]Φ ν ) = 〈ˆp〉E ν − E ν 〈ˆp〉 = 0 ,<br />

〈ˆp〉 = 0 , 〈x〉 = 0 .


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 76<br />

Da diese Mittelwerte Null sind, folgt mit der Unschärferelation ∆x l ∆p l ≥ 1 2 :<br />

〈ˆp 2 l 〉 = (∆p l) 2 , 〈x 2 l 〉 = (∆x l) 2 ≥ ,<br />

2∆p l2 〉è<br />

und daher<br />

E ν = 〈Ĥd〉 = 〈ˆp2 〉<br />

dl=1å〈ˆp<br />

2m + 1 2 mω2 〈x〉 2 2 l<br />

=<br />

〉<br />

2m + 1 2 mω2 〈x 2 l<br />

=<br />

dl=1å(∆p l ) 2<br />

2m<br />

+ 1 2 mω2 (∆x l ) 2è≥<br />

dl=1å(∆p l ) 2<br />

2m + 2 mω 2<br />

8(∆p l ) 2è.<br />

Die Unschärfen ∆p l im rechten Glied sind zwar unbekannt; trotzdem kann man<br />

eine explizite untere Schranke für E ν aufgrund der Eigenschaft [. . . ] ≥ 1 2 ω<br />

des rechten Glieds herleiten, die sofort aus der Minimierung von [. . .] bezüglich<br />

(∆p l ) 2 folgt. Man erhält daher:<br />

E ν ≥ d ω . (4.8)<br />

2<br />

Wir schließen hieraus, dass es dem quantenmechanischen harmonischen Oszillator<br />

nicht möglich ist, das „klassische“ Energieminimum E = 0 zu erreichen.<br />

Allein wegen der Unschärferelation sind die möglichen Eigenenergien E ν für alle<br />

ν durch d 2ω nach unten beschränkt. Man spricht in diesem Kontext von „Nullpunktsschwingungen“,<br />

die am quantenmechanischen Energieminimum stattfinden.<br />

Außerdem ist es leicht möglich, mit Hilfe des Variationsprinzips eine exakte<br />

obere Schranke für die Grundzustandsenergie E 0 zu bestimmen. Das Variationsprinzip<br />

basiert auf der Ungleichung<br />

〈Ĥ〉 Φ = (Φ, ĤΦ) =ν<br />

≥ E 0ν<br />

(Φ, Φ ν )(Φ ν , ĤΦ) =ν<br />

(Φ, Φ ν )(Φ ν Φ) = E 0 (Φ, Φ) = E 0 ,<br />

E ν |(Φ, Φ ν )| 2<br />

(4.9)<br />

die für jede normierte Wellenfunktion Φ ∈ H gilt. Das Variationsverfahren<br />

bezweckt nun, die Form von Φ so zu wählen, dass man eine möglichst scharfe obere<br />

Schranke für E 0 erhält. Als Variationswellenfunktion für den harmonischen<br />

Oszillator wählen wir ein Wellenpaket mit minimaler Unschärfe, das – wie wir<br />

wissen – eine relativ einfache Gauß’sche Form hat:<br />

Φ s (x) = (πs) −d/4 e −x2 /2s<br />

(s > 0) .<br />

Dieses Wellenpaket ist bereits normiert, d. h. es gilt ‖Φ s ‖ = 1. Einsetzen von Φ s<br />

in die Ungleichung (4.9) liefert nach Auswertung einiger Gauß-Integrale:<br />

E 0 ≤ 〈Ĥ〉 Φ s<br />

= d 2<br />

4ms + 1 4 mω2 s.<br />

Durch Minimierung des rechten Glieds bezüglich des Variationsparameters s<br />

erhält man eine möglichst scharfe obere Schranke für die Grundzustandsenergie.<br />

Als optimalen Wert findet man s = <br />

mω<br />

, und es folgt daher:<br />

E 0 ≤ d1<br />

4 ω + 1 4 ω= d ω . (4.10)<br />

2


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 77<br />

Erstaunlicherweise sind die hier bestimmte obere Schranke und die in (4.8) bestimmte<br />

untere Schranke für die Grundzustandsenergie identisch. Dies kann<br />

jedoch nur bedeuten, dass E 0 exakt gleich d 2ω ist und dass der Grundzustand<br />

des harmonischen Oszillators (oder zumindest einer der möglichen Grundzustände,<br />

falls es mehrere gibt) exakt durch das isotrope<br />

l<br />

Gauß-Paket mit s = <br />

mω<br />

beschrieben wird. 1 Hiermit haben wir bereits einen wichtigen Teil der Lösung<br />

des quantenmechanischen harmonischen Oszillators kennengelernt, aber eben<br />

nur einen Teil: Es fehlen uns noch unendlich viele andere Eigenfunktionen. . .<br />

Wir wenden uns nun der allgemeinen Lösung der Schrödinger-Gleichung für<br />

den harmonischen Oszillator zu. Da der Hamilton-Operator Ĥd in (4.1) als Summe<br />

eindimensionaler Hamilton-Operatoren geschrieben werden kann:<br />

dl=1ˆp<br />

Ĥ d (x, ˆp) = ˆp2<br />

2m + 1 2 mω2 x 2 2 l<br />

=<br />

2m + 1 2 mω2 x 2<br />

=<br />

dl=1<br />

Ĥ 1 (x l , ˆp l ) , Ĥ 1 (x, ˆp) = ˆp2<br />

2m + 1 2 mω2 x 2 ,<br />

sind die Eigenfunktionen von Ĥd einfach Produkte von Eigenfunktionen von Ĥ1:<br />

Φ ν =<br />

dl=1äφ nl (x l )ç≡Φ n (x) , Ĥ 1 φ n = ε n φ n (n ∈Æ) ,<br />

und die Eigenenergien E ν folgen als:<br />

E ν = ε nl ≡ E n .<br />

dl=1<br />

=<br />

Die allgemeine Lösung der Schrödinger-Gleichung zur Anfangsamplitude Ψ 0 (x):<br />

i∂ t Ψ = ĤdΨ , Ψ(x, 0) = Ψ 0 (x) ,<br />

folgt nun aus dem allgemeinen Ergebnis (3.19) auf S. 57 als:<br />

Ψ(x, t) e −iEnt/ Φ n (x)(Φ n , Ψ 0 ) .<br />

n∈Æd<br />

Man sieht also, dass das d-dimensionale Problem auf ein eindimensionales reduziert<br />

werden kann. Unter anderem aus diesem Grund macht es Sinn, das Problem<br />

des eindimensionalen harmonischen Oszillators im Detail zu untersuchen.<br />

Zu lösen ist also das Eigenwertproblem<br />

Ĥ 1 (x, ˆp)φ = − 2 d 2 φ<br />

2m dx 2 + 1 2 mω2 x 2 φ = Eφ , (4.11)<br />

1 Hierbei wird verwendet, dass die Ungleichung 〈Ĥ〉 Φ ≥ E 0 für ∀Φ ∈ H zusammen mit<br />

der Gleichung 〈Ĥ〉 Φ s<br />

= E 0 impliziert, dass Φ s eine Eigenfunktion des Hamilton-Operators<br />

zum Eigenwert E 0 ist: ĤΦs = E 0Φ s. Da Ĥ − E 0 hermitesch und positiv semidefinit ist, folgt<br />

nämlich:<br />

0 ≤ (Φ, ĤΦ) − E 0 (Φ,Φ) = (Φ, (Ĥ − E 0 )Φ) = ‖ÔĤ − E 0 Φ‖ 2<br />

und insbesondere für Φ = Φ s: 0 = ‖ÔĤ − E 0 Φ s‖ 2 . Dies impliziertÔĤ − E 0 Φ s = 0 und<br />

daher (Ĥ − E 0 )Φ s = 0, so dass in der Tat ĤΦ s = E 0 Φ s gilt.


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 78<br />

wobei wir bereits aus (4.8) wissen, dass die möglichen Eigenwerte E im eindimensionalen<br />

Fall von unten durch 1 2ω beschränkt sind.<br />

4.2 Algebraische Lösungsmethode<br />

für den harmonischen Oszillator<br />

Man kann das Eigenwertproblem (4.11) des quantenmechanischen harmonischen<br />

Oszillators kurz und elegant mit Hilfe von algebraischen Überlegungen lösen.<br />

Als Startpunkt betrachten wir den Hamilton-Operator des eindimensionalen<br />

harmonischen Oszillators:<br />

Ĥ = ˆp2<br />

2m + 1 2 mω2 x 2 = 1 2 2ˆp<br />

2ωl 2 + x2<br />

l 2,<br />

l =Ö<br />

mω ,<br />

wobei die Klammer im rechten Glied offensichtlich dimensionslos ist. Wir führen<br />

zwei nicht-hermitesche, dimensionslose Differentialoperatoren a und a † ein, die<br />

adjungiert zueinander sind:<br />

a = √ 1<br />

2x<br />

l + ilˆp a<br />

, † = √ 1<br />

2x<br />

l − ilˆp (a<br />

, † ) † = a .<br />

Diese Operatoren erfüllen offensichtlich †2<br />

die Vertauschungsregeln:<br />

[a, a] = [a † , a † ] = 0 , [a, a † ] = 1 2−<br />

·2[x, i ˆp] = 1 .<br />

Der Hamilton-Operator Ĥ kann mit Hilfe von a und a† auf die folgende Form<br />

gebracht werden:<br />

Ĥ = 1 2 ω− 1 2a − a †2 +<br />

1<br />

2a + a<br />

= 1 2 ωaa † + a † a=ωa † a + 1 2, (4.12)<br />

wobei die Vertauschungsrelation [a, a † ] = 1 verwendet wurde. Im rechten Glied<br />

von (4.12) tritt der hermitesche Operator<br />

ˆn ≡ a † a<br />

auf, der aus Gründen, die erst im Folgenden klar werden, „Besetzungszahloperator“<br />

genannt wird und die Vertauschungsregeln<br />

[ˆn, a † ] = [a † , a † ]a + a † [a, a † ] = a † ,<br />

[ˆn, a] = [a † , a]a + a † [a, a] = −a<br />

erfüllt. Wir untersuchen nun die Eigenwerte und Eigenfunktionen von ˆn:<br />

ˆnφ ν = νφ ν (ν ∈Ê) , (φ ν , φ ν ′) = δ νν ′ .<br />

Die Eigenwerte von ˆn sind offensichtlich nicht-negativ:<br />

ν = (φ ν , a † aφ ν ) = (aφ ν , aφ ν ) = ‖aφ ν ‖ 2 ≥ 0 .


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 79<br />

Tatsächlich ist ν = 0 ein möglicher Eigenwert von ˆn, da die Eigenwertgleichung<br />

aφ 0 = √ l<br />

2x<br />

l 2 + dxφ d<br />

0 = 0<br />

eindeutig durch die normierte Wellenfunktion<br />

φ 0 (x) = l −1/2 π −1/4 e − 1 2 (x/l)2<br />

1<br />

gelöst wird. Außerdem gilt generell: Falls φ ν eine normierte Eigenfunktion zum<br />

Eigenwert ν ist, dann ist a † φ ν / √ ν + 1 eine normierte Eigenfunktion zum Eigenwert<br />

ν + 1. Dies folgt aus:<br />

ˆna † φ ν<br />

√ (a†ˆn + a † )φ ν<br />

√ = (ν + 1)a † φ<br />

ν<br />

ν<br />

√ ν + 1= ν + 1<br />

ν +<br />

und­a † φ ν<br />

√ = ν + 1­2<br />

1<br />

ν + 1a † φ ν , a † ν , (a<br />

φ ν=φ † a + 1)φ<br />

=φ ν , φ ν=1 .<br />

ν + 1<br />

Dieses Ergebnis bedeutet unter anderem auch, dass man sofort einen unendlichen<br />

Satz von normierten Eigenfunktionen kennt:<br />

φ ν = √ 1<br />

ν!a †ν φ0 (ν ∈Æ) .<br />

ν<br />

(4.13)<br />

Umgekehrt gilt auch: Falls φ ν eine normierte Eigenfunktion zum Eigenwert ν<br />

ist, dann ist aφ ν / √ ν eine normierte Eigenfunktion zum Eigenwert ν − 1. Dies<br />

folgt aus<br />

ν<br />

ˆnaφ<br />

√ (aˆn − a)φ ν<br />

ν<br />

√ = (ν − 1)aφ<br />

√ ν= ν<br />

und­aφ ν<br />

√ =<br />

ν­2<br />

νaφ 1 ν , aφ (φ ν, a † aφ ν )<br />

ν= = 1 .<br />

ν<br />

Die Eigenwerte ν sind nicht-entartet, abgesehen natürlich von einem trivialen<br />

Phasenfaktor in der Wellenfunktion. Dies zeigt man am besten mit vollständiger<br />

Induktion: Die Aussage gilt für ν = 0. Nehmen wir an, sie trifft auf ν − 1 zu, so<br />

dass φ ν−1 durch (4.13) gegeben ist. Dann führt die Annahme, dass es zum Eigenwert<br />

ν außer φ ν in (4.13) noch eine zweite, linear unabhängige Eigenfunktion<br />

˜φ ν gibt, zu einem Widerspruch:<br />

˜φ ν = 1 ν a† a˜φ ν = a†<br />

√ νa˜φ ν<br />

√ ν= a†<br />

√ ν<br />

λφ ν−1 = λφ ν (λ ∈, |λ| = 1) ,<br />

also muss die Aussage auch für ν gelten. Folglich trifft sie auf alle ν ∈Æzu.<br />

Außerdem kann es keine anderen Eigenwerte als {ν ∈Æ} geben, denn nehmen<br />

wir an, dass ν = n + α (n ∈Æ, 0 < α < 1) ein Eigenwert und φ ν = φ n+α<br />

die zugehörige normierte Eigenfunktion ist, dann wäre<br />

a a<br />

√ √ · · · · ·<br />

α α + 1<br />

a<br />

√ α + n<br />

φ n+α =<br />

Γ(α)<br />

Γ(α + n + 1)1/2<br />

a n+1 φ n+α


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 80<br />

eine normierte Eigenfunktion zum Eigenwert α − 1 < 0, in Widerspruch zu<br />

unserem Ergebnis ν ≥ 0. Dies bedeutet, dass wir mit dem Satz {φ ν } in (4.13)<br />

alle möglichen Eigenfunktionen gefunden haben. Es ist nun leicht zu überprüfen,<br />

dass die Eigenfunktionen (4.13) im Ortsraum eine sehr einfache Form haben:<br />

φ n (x) = 1 √<br />

n!<br />

(a † ) n φ 0 = l−1/2 π −1/4<br />

√<br />

2n n!√<br />

2a<br />

†n<br />

e<br />

− 1 2 ξ2<br />

= (−1)n √<br />

l<br />

N nd<br />

dξ − ξn<br />

e −1 2 ξ2<br />

= (−1)n √<br />

l<br />

N n e ξ2 /2åe −ξ2 /2d<br />

dξ − ξe ξ2 /2èn<br />

e −ξ2<br />

= l −1/2 N n e −ξ2 /2å(−1) n dn ξ2<br />

e<br />

= l −1/2 N n H n (ξ)e −ξ2 /2<br />

,<br />

dξ n e−ξ2è<br />

wobei wir ξ ≡ x/l und N n ≡ π −1/4 (2 n n!) −1/2 definierten, und die Rodrigues-<br />

Formel für Hermite-Polynome benutzt wurde. Die entsprechenden Energieeigenwerte<br />

sind nach (4.12) durch E n = (n + 1 2<br />

)ω gegeben. Die explizite Form von<br />

H n (ξ) für n = 0, . . .,3 ist:<br />

H 0 (ξ) = 1 , H 2 (ξ) = 4ξ 2 − 2<br />

H 1 (ξ) = 2ξ , H 3 (ξ) = 8ξ 3 − 12ξ ,<br />

und generell gilt<br />

H n (ξ) ∼ (2ξ) n (n ∈Æ, ξ → ∞)<br />

für große Werte des Arguments ξ.<br />

Es ist auch besonders leicht, mit Hilfe dieser algebraischen Methode Erwartungswerte<br />

von dynamischen Variablen auszurechnen. Man findet zum Beispiel:<br />

1<br />

l 〈x〉 n = 〈 √ 1 2<br />

(a + a † )〉 n = 0 =⇒ 〈x〉 n = 0<br />

il<br />

〈ˆp〉 n = 〈 √ 1 2<br />

(a − a † )〉 n = 0 =⇒ 〈ˆp〉 n = 0<br />

und außerdem:<br />

1<br />

l 2 〈x2 〉 n = 〈 1 2 [a2 + (a † ) 2 + aa † + a † a]〉 n = 〈a † a + 1 2 〉 n = n + 1 2<br />

− l2<br />

2 〈ˆp2 〉 n = 〈 1 2 [a2 + (a † ) 2 − aa † − a † a]〉 n = −〈a † a + 1 2 〉 n = −(n + 1 2 ) ,<br />

so dass das Produkt der Unschärfen im Eigenzustand φ n durch<br />

∆x∆p =〈x 2 〉 n 〈ˆp 2 〉 n =(n + 1 2 )l2 (n + 1 2 )2 /l 2 = (n + 1 2 )<br />

gegeben ist. Dieses Produkt nimmt den nach der Unschärferelation niedrigst<br />

möglichen Wert 1 2 im Grundzustand φ 0 an, der tatsächlich die Gauß’sche Form<br />

hat.


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 81<br />

Ein Wort noch zur Nomenklatur. Die Operatoren a † und a werden Leiteroperatoren<br />

genannt, offensichtlich weil man mit ihrer Hilfe die Energieleiter hinaufoder<br />

herunterklettern kann. Häufig werden a † und a auch als „Erzeugungs-“<br />

bzw. „Vernichtungsoperator“ bezeichnet. Man kann sich fragen, was hier denn<br />

wohl „erzeugt“ und „vernichtet“ wird. Im Falle von Gitterschwingungen werden<br />

die Quanten des harmonischen Oszillators als Phononen bezeichnet; im Falle<br />

des Strahlungsfeldes heißen diese Quanten Photonen. Generalisierend können<br />

wir die Quanten des harmonischen Oszillators als „Anregungen“ bezeichnen; der<br />

Eigenzustand φ ν enthält dann ν Quanten oder Anregungen. Es ist also genau<br />

die Anzahl der Quanten oder Anregungen in einem Eigenzustand des harmonischen<br />

Oszillators, die vom Besetzungszahloperator ˆn „gemessen“ wird, woher<br />

auch dessen Name stammt.<br />

4.3 Die Vollständigkeit der Eigenfunktionen<br />

Wir überprüfen nun die Vollständigkeit der Eigenfunktionen des harmonischen<br />

Oszillators, die gleichbedeutend ist mit der Gültigkeit der Gleichung:<br />

δ(x−y) =<br />

φ n (x)φ<br />

∞n=0<br />

∗ n(y) = 1<br />

l √ 2 −n<br />

n! H n(ξ)H n (η)e −1 2 (ξ2 +η 2) , (4.14)<br />

π∞n=0<br />

wobei wir wieder ξ = x/l und η = y/l definierten. Da<br />

δ(x − y) = δ(l(ξ − η)) = 1 δ(ξ − η)<br />

l<br />

gilt, kann die Vollständigkeitsrelation auch auf die folgende Form gebracht werden:<br />

s n<br />

lim<br />

s↑ 2∞n=0<br />

1 n! H n(ξ)H n (η)= √ πe ξ2 δ(ξ − η) .<br />

Die Summe im linken Glied ist für alle |s| < 1 2<br />

bekannt; es gilt die sehr nützliche<br />

Identität<br />

∞n=0s n<br />

4s<br />

1−4s 2 (sη 2 +sξ 2 −ηξ)<br />

2s<br />

1−4s 2 [(ξ−η)2 −(1−2s)(ξ 2 +η 2 )]<br />

1+2s<br />

n! H 1<br />

n(ξ)H n (η) = √<br />

1 − 4s<br />

2 e−<br />

1<br />

= √<br />

1 − 4s<br />

2 e−<br />

=<br />

1<br />

e−2sξ−η √<br />

ξ<br />

√ 1−4s 22 2 +η 2<br />

−<br />

1 − 4s<br />

2<br />

−→ √ π δ(ξ − η)e ξ2 (s ↑ 1 2 ) ,<br />

(4.15)<br />

aus der man also sofort schließen kann, dass die Eigenfunktionen des harmonischen<br />

Oszillators tatsächlich vollständig sind.<br />

Die Identität (4.15) für Hermite-Polynome kann relativ leicht mit Hilfe der<br />

erzeugenden Funktion hergeleitet werden. Die erzeugende Funktion F(s, ξ) der


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 82<br />

Hermite-Polynome ist durch<br />

F(s, ξ) =<br />

∞n=0<br />

s n<br />

n! H n(ξ) ,<br />

definiert; ihre explizite Form folgt sofort aus der Rodrigues-Formel als<br />

F(s, ξ) = e ξ2 ∞n=0<br />

(−s) n<br />

n!<br />

d n<br />

dξ n e−ξ2 = e ξ2 e −(ξ−s)2 = e −s2 +2sξ<br />

,<br />

(−s)<br />

denn die hierbei auftretende SummeÈ∞<br />

n<br />

n=0 n!<br />

f (n) (ξ) mit f(ξ) = e −ξ2 kann<br />

einfach als Taylor-Entwicklung von e −(ξ−s)2 nach kleinem s aufgefaßt werden.<br />

Außerdem benötigen wir noch eine Integraldarstellung für H n (η), die wiederum<br />

mit Hilfe der Rodrigues-Formel hergeleitet werden kann:<br />

H n (η) = (−1) n dn 1<br />

η2<br />

e √π∞<br />

dη n dt e −t2 +2iηt = √ eη2<br />

dt e<br />

−∞<br />

π∞<br />

−t2 +2iηt (−2it) n .<br />

−∞<br />

Mit Hilfe dieser Integraldarstellung folgt nun sofort:<br />

∞n=0<br />

s n<br />

n! H n(ξ)H n (η) = eη2<br />

√<br />

π∞<br />

= √<br />

π∞<br />

eη2<br />

−∞<br />

= √<br />

π∞<br />

eη2<br />

−∞<br />

= √<br />

π∞<br />

eη2<br />

=<br />

−∞<br />

−∞<br />

dt e −t2 +2iηt<br />

∞n=0<br />

dt e −t2 +2iηt e 2ξ(−2its)−(−2its)2<br />

dt e −(1−4s2 )t 2 +2it(η−2sξ)<br />

dt e −(1−4s2 )ät−i η−2sξ<br />

2ç2 (η−2sξ) 2<br />

1−4s −<br />

1−4s 2<br />

1<br />

√<br />

1 − 4s<br />

2 eη2 − (η−2sξ)2<br />

1−4s 2 =<br />

(−2its) n<br />

H n (ξ)<br />

n!<br />

1<br />

√<br />

1 − 4s<br />

2 e−4s2 ξ 2 +4s 2 η 2 −4sηξ<br />

1−4s 2 ,<br />

und dies ist genau die in der Herleitung der Vollständigkeitsrelation verwendete<br />

Identität (4.15).<br />

4.4 Der Zeitentwicklungsoperator<br />

Dieselbe Identität (4.15) kann dazu verwendet werden, den Zeitentwicklungsoperator<br />

des harmonischen Oszillators zu berechnen. Wir wissen bereits von<br />

S. 58, dass der Zeitentwicklungsoperator Ût = e −iĤt/ auch als Integraloperator<br />

darstellbar ist:<br />

(Ûtψ 0 )(x) =dy U t (x|y)ψ 0 (y) , (4.16)<br />

U t (x|y) =n<br />

e −iEnt/ φ n (x)φ ∗ n(y) .


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 83<br />

Einsetzen der explizit bekannten Wellenfunktionen liefert:<br />

U t (x|y) =<br />

∞n=0<br />

e −1 2 (ξ2 +η 2 )<br />

2 n n! l √ π H n(ξ)H n (η)e −i(n+ 1 2 )ωt<br />

= e−1 2 (ξ2 +η 2 )− 1 2 iωt<br />

√ πl<br />

= √ 1 e −1 2 (ξ2 +η 2 )− 1 2 iωt<br />

√ πl 1 − e<br />

−2iωt<br />

∞n=01<br />

e−iωtn<br />

2<br />

n!<br />

= 1 √ πl<br />

1<br />

√<br />

e<br />

iωt<br />

− e −iωt e−1 21+e −2iωt<br />

H n (ξ)H n (η)<br />

−2iωt<br />

−e<br />

1−e<br />

e −2iωt(ξ 2 +η 2 )+ 2e−iωt<br />

1−e −2iωt ξη<br />

1−e −2iωt(ξ 2 +η 2 2ξη<br />

)+<br />

e iωt −e −iωt<br />

=<br />

1<br />

l2πi sin(ωt) e<br />

i<br />

2sin(ωt) [cos(ωt)(ξ2 +η 2 )−2ξη]<br />

.<br />

In Kombination mit Gleichung (4.16) ist die Zeitentwicklung der Wellenfunktion<br />

des harmonischen Oszillators zu einer beliebigen Anfangsbedingung nun also<br />

explizit bekannt in der Form eines numerisch einfach zu berechnenden Integrals.<br />

Aus der gaußischen Form des Kerns U t x<br />

(x|y) folgt unmittelbar, dass gaußförmige<br />

Wellenpakete unter der vom harmonischen Oszillator definierten Zeitentwicklung<br />

ihre gaußische Form behalten. Betrachten wir ein paar Beispiele:<br />

• Für Wellenpakete der Form<br />

ψ(x, 0) = (l ′ ) −1/2 π −1/4 e −x2 /2(l ′ ) 2 =Öl<br />

l ′ φ 0l<br />

l ′<br />

sagen die Ehrenfest’schen Bewegungsgleichungen<br />

d〈x〉<br />

dt<br />

= 〈ˆp〉<br />

m , d〈ˆp〉<br />

= −mω 2 〈x〉 , 〈x〉 0 = 0 , 〈ˆp〉 0 = 0<br />

dt<br />

voraus, dass das Wellenpaket sich im Mittel überhaupt nicht rührt: 〈x〉 t =<br />

0 , 〈ˆp〉 t = 0. Aus der expliziten Lösung mit Hilfe des Zeitentwicklungsoperators,<br />

1<br />

eäicos(ωt)<br />

2sin(ωt)<br />

ψ(x, t) =<br />

− 1<br />

4a sin 2 (ωt)çξ 2<br />

π 1/42al ′ i sin(ωt)<br />

a ≡ 1 2l<br />

′2<br />

− i cos(ωt)<br />

l 2 sin(ωt),<br />

folgt jedoch, dass die innere Struktur des Wellenpakets sich zeitlich sehr<br />

wohl ändert:<br />

|ψ(x, t)| =<br />

1<br />

π 1/4lσ(t) e−ξ2 /2σ(t) 2<br />

≡l<br />

′2<br />

σ(t) sin 2 (ωt) +l ′<br />

cos<br />

l l2<br />

2 (ωt) .


----------------------------------------------------------------------------------- 4. DER HARMONISCHE OSZILLATOR 84<br />

Die Breite der entsprechenden Wahrscheinlichkeitsdichte ist lσ(t)/ √ 2 und<br />

oszilliert mit der Kreisfrequenz 2ω zwischen den Werten l 2 / √ 2l ′ und<br />

l ′ / √ 2 hin und her. Nur für den Spezialfall l ′ = l, d. h. für die Grundzustandswellenfunktion<br />

des harmonischen Oszillators, ist das Wellenpaket<br />

zeitlich stabil.<br />

• Für Wellenpakete, die dieselbe Breite l/ √ 2 wie die Grundzustandswellenfunktion<br />

haben, jedoch anfangs aus der Gleichgewichtslage x = 0 ausgelenkt<br />

sind,<br />

ψ(x, 0) = l −1/2 π −1/4 e −(x−x0)2 /2l 2 = φ 0 (x − x 0 ) ,<br />

folgt aus den Ehrenfest’schen Bewegungsgleichungen<br />

d〈x〉<br />

dt<br />

= 〈ˆp〉<br />

m , d〈ˆp〉<br />

= −mω 2 〈x〉 , 〈x〉 0 = x 0 , 〈ˆp〉 0 = 0 ,<br />

dt<br />

dass sie im Mittel eine harmonische Oszillation der Form 〈x〉 t = x 0 cos(ωt),<br />

〈ˆp〉 t = −mωx 0 sin(ωt) durchführen. Führen wir nun die Hilfsgröße ξ t ≡<br />

ξ 0 e −iωt mit ξ 0 ≡ x 0 /l ein, so findet man mit Hilfe des Zeitentwicklungsoperators<br />

die folgende explizite Gestalt der Wellenfunktion:<br />

ψ(x, t) = e 1 4 (ξ2 t −ξ2 0 )−1 2 iωt φ 0 (x − lξ t )<br />

und somit auch<br />

|ψ(x, t)| = φ 0 (x − x 0 cos(ωt)) .<br />

Wir haben hiermit die außerordentlich interessante Entdeckung gemacht,<br />

dass sich die Form dieses Wellenpakets zeitlich überhaupt nicht ändert:<br />

Es führt eine kohärente Oszillation zwischen den beiden Endpunkten −x 0<br />

und +x 0 aus. Hierbei deutet das Wort „Kohärenz“ an, dass die Phasen<br />

der Beiträge verschiedener Eigenfunktionen zu ψ(x, t) gerade so eingestellt<br />

sind, dass die Form der Startwellenfunktion im Laufe der Zeitentwicklung<br />

beibehalten wird; man bezeichnet derartige Wellenpakete als kohärente<br />

Zustände. Auf dieses Thema kommen wir im Folgenden ausführlich zurück.<br />

Ein paar Worte noch über einige Mittelwerte und über die Energie des<br />

kohärenten Zustands: Die Mittelwerte 〈x〉 t und 〈ˆp〉 t wurden oben bereits<br />

angegeben. Da sich die Form des Wellenpakets zeitlich nicht ändert, gilt<br />

außerdem ∆x = l/ √ 2 und ∆p = / √ 2l und daher:<br />

〈x 2 〉 t = 1 2 l2 + x 2 0 cos 2 (ωt) , 〈ˆp 2 〉 t = m 2 ω 2ä1<br />

2 l2 + x 2 0 sin 2 (ωt)ç.<br />

Kombination der letzten beiden Ergebnisse liefert für die Energie des kohärenten<br />

Zustands:<br />

〈Ĥ〉 ψ = 1<br />

2m〈ˆp 2 〉 t + m 2 ω 2 〈x 2 〉 t= 1 2 mω2 (l 2 + x 2 0 ) .<br />

Dieses Resultat zeigt, dass sich die Energie des kohärenten Zustands im<br />

„klassischen“ Limes l/x 0 =/mωx 2 0 → 0 auf den klassischen Ausdruck<br />

für die Energie eines Oszillators mit der maximalen Auslenkung x 0 reduziert:<br />

E klass = 1 2 mω2 x 2 0 .


Kapitel5<br />

Eindimensionale Systeme<br />

Die formale Lösung der eindimensionalen Schrödinger-Gleichung:<br />

i∂ t ψ(x, t) =äĤψç(x, t) , Ĥ = − 2<br />

+ V (x) , (5.1)<br />

2m ∂x2 ist bekanntlich gegeben durch<br />

∂ 2<br />

ψ(x, t) =n<br />

φ n (x)(φ n , ψ 0 )e −iEnt/ . (5.2)<br />

Hierbei stellt φ n die Eigenfunktion des Hamilton-Operators Ĥ zum Eigenwert<br />

E n dar, und ψ 0 (x) ≡ ψ(x, 0) ist der Anfangszustand. Zwar ist die ganze Dynamik<br />

der Wellenfunktion prinzipiell in (5.2) enthalten, für konkrete Berechnungen<br />

ist diese unendliche Summe, in der sowohl die {φ n } als auch die {E n } meist<br />

nicht explizit bekannt sind, nicht besonders hilfreich. Aus diesem Grunde betrachten<br />

wir nun einige Ideen und Techniken, die (eventuell in Kombination mit<br />

(5.2)) konkrete Information über die Dynamik eindimensionaler physikalischer<br />

Systeme liefern können.<br />

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es durchaus nicht unrealistisch<br />

ist, quantenmechanische Effekte in (effektiv) eindimensionalen Systemen zu untersuchen.<br />

Manchmal liegt wirklich in sehr guter Näherung ein eindimensionales<br />

Problem vor; man denke z. B. an Schwingungen entlang der Bindungsrichtung<br />

in zweiatomigen Molekülen. Manchmal liegt ein echtes dreidimensionales Problem<br />

vor, das jedoch aufgrund der speziellen Struktur des Hamilton-Operators<br />

Metall A<br />

Metall B<br />

x 3<br />

x 2<br />

x 1<br />

Abbildung 5.1: Grenzfläche im Festkörper als eindimensionales Problem


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 86<br />

auf eindimensionale Probleme zurückgeführt werden kann; ein Beispiel ist der<br />

dreidimensionale harmonische Oszillator. Manchmal auch liegt ein effektiv eindimensionales<br />

Problem vor mit einem Hamilton-Operator, der translationsinvariant<br />

in x 2 - und x 3 -Richtung ist. Man denke z. B. an Streuung von Elektronen<br />

an einer Grenzfläche zwischen zwei Metallen. Obwohl die Anfangsbedingung<br />

ψ 0 (x) in diesem Fall meist nicht translationsinvariant ist, lässt sich doch aus<br />

einer Untersuchung der Dynamik in x 1 -Richtung interessante Information über<br />

die Streuung in d = 3 gewinnen. Tatsächlich kann man einige der im Folgenden<br />

untersuchten eindimensionalen Probleme als Streuung an Grenzflächen oder<br />

Schichten interpretieren. Das Potential V (x) ist in den Anwendungen meist elektrostatischen<br />

Ursprungs.<br />

5.1 Die Eigenwertgleichung<br />

Die Eigenwertgleichung für die Eigenfunktionen des Hamilton-Operators eines<br />

eindimensionalen Systems lautet für den Fall konservativer Kräfte:<br />

d 2 φ<br />

+ V (x)φ = Eφ .<br />

2m dx2 − 2<br />

Wir wissen bereits Einiges über die Lösungen dieses Eigenwertproblems: Die<br />

Eigenfunktionen des Hamilton-Operators können im Allgemeinen reell gewählt<br />

werden, und wir werden im Folgenden davon ausgehen, dass sie auch tatsächlich<br />

reell sind (φ ∈Ê). Außerdem kann man unter relativ schwachen Voraussetzungen<br />

zeigen, dass die Eigenwerte nicht entartet sind und dass der Knotensatz<br />

gilt, der besagt, dass der n-te angeregte Zustand φ n (x) (mit n ∈Æ) genau n<br />

Nullpunkte hat.<br />

Für weitere Betrachtungen ist es nun bequem, die Eigenwertgleichung auf<br />

die alternative Form<br />

d 2<br />

ln |φ| +åd<br />

|φ|è2<br />

dx2 dx ln = 1 d 2 φ<br />

φ dx 2 = −2m 2E − V (x)<br />

zu bringen. Mit Hilfe der Definitionen<br />

d<br />

dx ln |φ| ≡ χ , 2m<br />

2äE − V (x)ç≡q 2 (x)<br />

erhält man nämlich eine recht einfache nicht-lineare Differentialgleichung vom<br />

Riccati-Typ für χ(x):<br />

dχ<br />

dx + χ2 = −q 2 (x) . (5.3)<br />

Hierbei ist es natürlich durchaus möglich, dass in bestimmten Raumbereichen<br />

E < V (x), also q 2 (x) < 0, gilt; in diesem Fall ist die Wellenzahl q(x) imaginär.<br />

Falls χ aus (5.3) bekannt ist, folgt die Wellenfunktion φ aus:<br />

|φ(x)| = eÊx dy χ(y)<br />

,<br />

wobei die Integrationskonstante im Exponenten durch die Normierung von φ<br />

mittelsÊdx |φ| 2 = 1 festgelegt wird.


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 87<br />

Ausgehend von der Riccati-Gleichung (5.3) können wir nun einige allgemeine<br />

Aussagen über das Verhalten der Wellenfunktion φ(x) für |x| → ∞ und für x-<br />

Werte in der Nähe einer Singularität des Potentials machen. Wir diskutieren<br />

zuerst das asymptotische Verhalten für |x| → ∞ und dann das Verhalten von<br />

φ(x) nahe einer Singularität.<br />

5.1.1 Asymptotisches Verhalten von φ(x) für |x| → ∞<br />

Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass nur konservative Kräfte vorliegen<br />

und dass das entsprechende Potential V (x) eine relativ einfache (algebraische)<br />

Form für |x| → ∞ hat:<br />

V (x) ∼ V 0 |x| α (|x| → ∞ ; α > 0 , V 0 > 0) .<br />

Da das rechte Glied der Riccati-Gleichung sich algebraisch verhält für große<br />

x-Werte, −q 2 (x) ∝ |x| α , muß dasselbe auch für das linke Glied gelten, so dass<br />

ln |φ| und daher auch χ sich algebraisch als Funktion von x verhalten müssen:<br />

ln |φ| ∼ −A|x| β (|x| → ∞ ; A > 0 , β > 0) .<br />

Hierbei sind der Exponent β und der Vorfaktor A zunächst unbestimmt; wegen<br />

der Normierbarkeit der Wellenfunktion (|φ| → 0 für |x| → ∞) muß A allerdings<br />

streng positiv sein. Einsetzen dieses asymptotischen Ausdrucks für ln |φ| in die<br />

Riccati-Gleichung liefert:<br />

−Aβ(β − 1)|x| β−2 + A 2 β 2 |x| 2(β−1) ∼ 2m<br />

2V 0 |x| α − E.<br />

Da für alle β > 0 gilt: (β − 2) < 2(β − 1), dominiert für genügend große x<br />

der zweite Term im linken Glied. Ein direkter Vergleich der Exponenten und<br />

Vorfaktoren zeigt nun sofort, dass β und A durch<br />

β = 1 + 1 2 α , A = 1<br />

αÖ2mV 0<br />

1 + 1 <br />

2 2<br />

gegeben sind. Ausgehend von den drei dimensionsbehafteten Größen , m und<br />

V 0 können wir eine charakteristische Länge<br />

l ≡ 2 2+α<br />

2mV 01<br />

definieren, die eine stark vereinfachte Darstellung der Wellenfunktion für große<br />

x ermöglicht:<br />

ln |φ| ∼ − (|x|/l)1+1 2 α<br />

1 + 1 2 α , |φ| ∝ e −(|x|/l)1+α/2 /(1+α/2)<br />

.<br />

Als Beispiele betrachten wir den harmonischen Oszillator, α = 2, und das linear<br />

anwachsende Potential, α = 1. Für α = 2 findet man:<br />

|φ| ∝ e −1 2 (|x|/l)2 , l = 2<br />

2mV 01/4<br />

=Ö<br />

mω ,


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 88<br />

wobei im letzten Schritt (wie üblich beim harmonischen Oszillator) V 0 = 1 2 mω2<br />

gesetzt wurde. Für das asymptotisch linear anwachsende Potential, α = 1, folgt:<br />

|φ| ∝ e −2 3 (|x|/l)3/2 , l = 2<br />

2mV 01/3<br />

.<br />

Der Spezialfall eines streng linearen Potentials, V (x) = V 0 |x|, kann übrigens<br />

exakt gelöst werden; die exakte Lösung bestätigt das gerade hergeleitete asymptotische<br />

Ergebnis.<br />

Für praktische Anwendungen ist auch der Fall α = 0 sehr wichtig, wobei das<br />

Potential also asymptotisch gegen eine Konstante geht: V (x) ∼ V 0 für |x| → ∞.<br />

Wir betrachten insbesondere gebundene Zustände, E < V 0 . Aufgrund der obigen<br />

Ergebnisse für α > 0 machen wir den Ansatz:<br />

ln |φ| ∼ −A|x| (|x| → ∞ ; A > 0) ,<br />

der auf den Ausdruck<br />

0 − E)<br />

A =Ö2m(V<br />

2 ≡ l −1<br />

führt. Die Wellenfunktion ist für α = 0 also asymptotisch durch<br />

2<br />

2m(V 0 − E)<br />

gegeben. Es ist daher klar, dass die Wellenfunktion eines gebundenen Zustands<br />

generell exponentiell abfällt, falls das Potential asymptotisch konstant ist.<br />

Bisher haben wir uns auf das führende asymptotische Verhalten des Potentials<br />

und der Wellenfunktion beschränkt. Falls Zusatzinformation über das<br />

Potential bekannt ist, z.B. wenn ein konkretes Modell vorliegt und V (x) explizit<br />

bekannt ist, kann auch die Wellenfunktion genauer berechnet werden. Als Beispiel<br />

betrachten wir wiederum den harmonischen Oszillator, V (x) = 1 2 mω2 x 2 ,<br />

und machen den präziseren Ansatz:<br />

|φ| ∝ e −|x|/l , l =<br />

ln |φ| ∼ −A|x| 2 + ν ln |x| + Konst. + · · · (|x| → ∞ ; A > 0 , ν > 0) .<br />

Setzen wir diesen Ansatz nun in die Riccati-Gleichung ein und vergleichen wir<br />

die Vorfaktoren der führenden zwei Terme, dann finden wir:<br />

A = 1<br />

2l 2 = mω<br />

2<br />

Die Wellenfunktion ist somit durch<br />

, E = (ν + 1 2 )ω .<br />

|φ(x)| ∼ Konst. × |x| 1 2 (ε−1) e −1 2 (|x|/l)2 (|x| → ∞)<br />

gegeben, wobei ε ≡ 2E<br />

ω<br />

definiert wurde und die multiplikative Konstante durch<br />

die Normierung bestimmt wird. Wir lernen hieraus, dass der Exponent ν in der<br />

Wellenfunktion vollständig durch die Eigenenergie E bestimmt wird.


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 89<br />

5.1.2 Singularitäten in χ(x) nahe x s<br />

Die Riccati-Gleichung (5.3) ist auch gut geeignet für eine Untersuchung von<br />

Singularitäten in der Wellenfunktion aufgrund von Singularitäten im Potential.<br />

Enthält das Potential neben einem regulären (analytischen) Anteil V r (x)<br />

auch einen singulären Anteil:<br />

V (x) = V r (x) + V s Θ(x − x s )|x − x s | α + . . . (α > −1) ,<br />

dann hat χ aufgrund von (5.3) die Singularität:<br />

χ(x) = χ r (x) +<br />

2mV s<br />

2 (α + 1) Θ(x − x s)|x − x s | α+1 + . . . .<br />

Für alle α > −1 ist χ(x) = φ ′ (x)/φ(x) also stetig in x = x s ; folglich ist φ(x)<br />

selbst stetig differenzierbar.<br />

Ein etwas anderes Ergebnis erhält man, falls der singuläre Anteil des Potentials<br />

aus einer Deltafunktion besteht:<br />

V (x) = V r (x) + v s δ(x − x s )<br />

In diesem Fall folgt für χ(x):<br />

χ(x s + 0 + ) − χ(x s − 0 + ) =x s+0 +<br />

oder, anders formuliert:<br />

x s−0 + dy dχ<br />

dy =x s+0 +<br />

x s−0 + dy 2mv s<br />

2 δ(y − x s) ,<br />

φ ′ (x s + 0 + ) − φ ′ (x s − 0 + )<br />

φ(x s )<br />

= 2mv s<br />

2 .<br />

Zwar ist die Wellenfunktion φ auch in diesem Fall stetig, ihre Ableitung macht<br />

jedoch einen Sprung und ist daher unstetig.<br />

5.2 Einige relevante Probleme<br />

Mögliche Fragestellungen bei der Behandlung von eindimensionalen Systemen<br />

sind:<br />

• die Bestimmung von Eigenfunktionen und Eigenwerten in Anwesenheit<br />

eines „Störpotentials“, z. B. im Vergleich mit dem freien Teilchen oder dem<br />

„Teilchen im Kasten“,<br />

• eine Untersuchung von Tunnelprozessen zwischen zwei durch eine Potentialbarriere<br />

getrennten Raumbereichen (NH 3<br />

),<br />

• die Untersuchung von Streuprozessen an einer Potentialbarriere,<br />

• Streuung an periodischen Potentialen,<br />

• Zerfallsprozesse (α-Zerfall).<br />

Einige dieser Themen werden im Folgenden und in der Übung ausführlicher<br />

diskutiert.


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 90<br />

5.3 Einfluss eines Störpotentials<br />

Als „ungestörtes“ Problem betrachten wir ein Teilchen in einem eindimensionalen<br />

Kasten der Länge L. Der ungestörte Hamilton-Operator ist<br />

Ĥ 0 = − 2 ∂ 2<br />

2m ∂x 2 + V (|x| < L/2)<br />

0(x) , V 0 (x) =0<br />

∞ (|x| > L/2) ,<br />

und die Eigenfunktionen sind<br />

φ g k<br />

(x) =Ö2<br />

L cos(kx) , φu k (x) =Ö2<br />

L sin(kx) ,<br />

wobei die Wellenzahl k > 0 durch die Bedingung φ g k (1 2 L) = 0 bzw. φu k (1 2 L) = 0<br />

bestimmt wird. Die Eigenfunktionen sind also gerade („g“) oder ungerade („u“)<br />

Funktionen von x. Dass die Eigenfunktionen gerade oder ungerade sind, bzw.<br />

dass man sie so wählen kann, ist eine allgemeine Eigenschaft von symmetrischen<br />

Potentialen, mit<br />

V (x) = V (−x) (x ∈Ê) .<br />

Ist φ E (x) nämlich eine Eigenfunktion von Ĥ zum Eigenwert E, dann ist φ E(−x)<br />

ebenfalls eine Eigenfunktion zu diesem Eigenwert und dasselbe gilt für<br />

φ g E (x) = φ E (x) + φ E (−x) , φu E (x) = φ E (x) − φ E (−x) .<br />

Führen wir nun ein symmetrisches Störpotential der Form<br />

V s (x) = V s (2x s − x)<br />

ein, dann bleibt die Klassifizierung nach geraden bzw. ungeraden Eigenfunktionen<br />

nur für x s = 0 erhalten, da nur in diesem Fall das Gesamtpotential<br />

V (x) = V 0 (x) + V s (x) symmetrisch ist. Für ein nicht-symmetrisches Störpotential<br />

geht diese Klassifizierung auch für x s = 0 sofort verloren.<br />

In der Literatur sind zwei symmetrische Störpotentiale besonders beliebt:<br />

Zum einen die Potentialschwelle<br />

V s (x) = v s<br />

a Θ1<br />

2 a − |x − x s|,<br />

V s (x)<br />

V s (x)<br />

x s −a/2<br />

x s<br />

x s +a/2<br />

x s<br />

(a) Die Potentialschwelle<br />

(b) Das Deltapotential<br />

Abbildung 5.2: Symmetrische Störpotentiale


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 91<br />

zum anderen das Deltapotential:<br />

V s (x) = v s δ(x − x s ) .<br />

Hierbei kann das Deltapotential natürlich als Grenzfall der Potentialschwelle<br />

im Limes a → 0 angesehen werden. Diese Potentiale sind auch für v s < 0<br />

interessant und physikalisch relevant; statt von einer Potentialschwelle spricht<br />

man in diesem Fall von einem „Potentialtopf“. Im Falle der Potentialschwelle<br />

haben die Eigenfunktionen die Form:<br />

φ(x) = Ae ikx + Be −ikx (x < x s − 1 2a) , k ≡2mE<br />

2<br />

= αe iqx + βe −iqx (|x − x s | < 1 2 a) , q ≡Õ2m(E−v s/a)<br />

2<br />

= Ce ikx + De −ikx (x > x s + 1 2 a) .<br />

Falls E < v s /a gilt, ist q als iκ, mit κ ≡2m( vs<br />

a − E)/2 , zu interpretieren.<br />

Bei x = x s ± 1 2a gelten die Anschlussbedingungen:<br />

φ(x s ± 1 2 a − 0+ ) = φ(x s ± 1 2 a + 0+ )<br />

φ ′ (x s ± 1 2 a − 0+ ) = φ ′ (x s ± 1 2 a + 0+ ) .<br />

Im Falle des Deltapotentials gilt für die Eigenfunktionen:<br />

φ(x) = Ae ikx + Be −ikx (x < x s ) , k =2mE<br />

2<br />

= Ce ikx + De −ikx (x > x s ) .<br />

wobei A, B, C und D durch die Anschlussbedingungen<br />

φ(x s + 0 + ) = φ(x s − 0 + )<br />

φ ′ (x s + 0 + ) − φ ′ (x s − 0 + ) = 2mvs<br />

2 φ(x s )<br />

verknüpft sind.<br />

Im Folgenden werden wir die Eigenfunktionen und Eigenwerte für das Deltapotential<br />

mit x s = 0 näher untersuchen.<br />

5.4 Das Deltapotential im Kasten<br />

Wir untersuchen das Eigenwertproblem<br />

Ĥφ =äĤ 0 + v s δ(x)çφ = Eφ ,<br />

wobei Ĥ0 den Hamilton-Operator für ein Teilchen in einem Kasten [− 1 2 L, 1 2 L]<br />

darstellt. Die Eigenfunktionen sind gerade oder ungerade. Die ungeraden Eigenfunktionen<br />

sind durch<br />

φ u k(x) =Ö2<br />

L sin(kx) , k = 2π n (n = 1, 2, . . .)<br />

L<br />

gegeben, denn diese Funktionen erfüllen die Anschlussbedingungen und die<br />

Randbedingung sin( 1 2kL) = 0. Die geraden Eigenfunktionen haben die Form<br />

φ g k (x) = aåcos(kx) − sin(k|x|)<br />

tan( 1 2 kL)è,


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 92<br />

denn diese Linearkombination von e ikx und e −ikx ist gerade und erfüllt die<br />

Randbedingung φ g k (1 2L) = 0. Die Wellenzahl k folgt aus der Anschlussbedingung<br />

φ g ′ k<br />

(0 + ) − φ g ′ k<br />

(−0 + )<br />

φ g = −k cos(0+ ) − k cos(−0 + )<br />

k (0+ )<br />

tan( 1 2 kL)<br />

und ist also implizit durch<br />

= −2k<br />

tan( 1 2 kL) = 2mv s<br />

2 = 2 l s<br />

, l s ≡ 2<br />

mv s<br />

.<br />

kl s = − tan( 1 2kL) (5.4)<br />

festgelegt. Der Vorfaktor a folgt aus der Normierung:<br />

1 =L/2<br />

dx¬φ g (x)¬2 k = 2|a|<br />

2L/2<br />

dxåcos(kx) + sin(kx) .<br />

−L/2<br />

0<br />

kl sè2<br />

2 <br />

Somit folgt:<br />

1<br />

2L/2<br />

|a| 2 = dxcos 2 (kx) + 2 cos(kx)sin(kx) + sin2 (kx)<br />

0<br />

kl s (kl s )<br />

=L/2<br />

0<br />

dx1 + cos(2kx) + 2 sin(2kx)<br />

kl s<br />

+ 1 − cos(2kx)<br />

(kl s ) 2<br />

= L +<br />

21 1<br />

(kl s ) 2+1 − 1<br />

2sin(kL) + 2 1 − cos(kL)<br />

(kl s ) 2k kl s 2k<br />

.<br />

Nun gilt:<br />

sin(kL) = 2 sin( 1 2 kL)cos(1 2 kL) = 2 tan(1 2 kL)<br />

1 + tan 2 ( 1 2 kL) = 2(−kl s)<br />

1 + (kl s 2<br />

) 2<br />

cos(kL) = 2 cos 2 ( 1 2 kL) − 1 = 2<br />

1 + tan 2 ( 1 2 kL) − 1 = 2<br />

1 + (kl s ) 2 − 1<br />

und daher findet man für die Normierungskonstante a:<br />

1<br />

|a| 2 = L +<br />

2å1 1<br />

(kl s ) 2è+ 1 1<br />

k 2 −<br />

l s2å1<br />

1 + (kl s ) 2è− (kl s) 2 − 1<br />

1 + (kl s )<br />

= L +<br />

2å1 1<br />

(kl s ) 2è+ 1 2(kl s ) 2 − (kl s ) 2 + 1<br />

k 2 l s 1 + (kl s ) 2<br />

= L 2å1 + 1<br />

(kl s ) 2è+ 1<br />

k 2 l s<br />

.<br />

Die möglichen k-Werte können noch am einfachsten grafisch aus (5.4) bestimmt<br />

werden. Hierzu setzt man 1 2ls<br />

2kL ≡ z und löst die Gleichung<br />

L z =<br />

− tan(z).<br />

Wir nehmen hierbei an, dass v s > 0 (d. h. l s > 0) gilt. Die Lösung k = 0<br />

von (5.4) ist in diesem Fall nicht konsistent, da die Anschlussbedingung l s =<br />

− 1 2 L < 0 erfordert. Für v s > 0 sind alle möglichen k-Werte also strikt positiv.<br />

Man sieht sofort, dass<br />

2π<br />

L (n − 1 2 ) < k n < 2π n (n = 1, 2, . . .)<br />

L


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 93<br />

gilt, und findet leicht 1 für große n:<br />

k n = 2π L (n − 1 2 ) + (l s) −1<br />

(n − 1 + . . . (n → ∞) ,<br />

2<br />

)π<br />

so dass in diesem Limes ∆k n = 2π L<br />

gilt. Auch der Limes Limes L → ∞ bei fester<br />

Potentialstärke v s > 0 ist interessant: Man findet in diesem Fall ausgedehnte<br />

Zustände bei k = 2π L n mit n = 1, 2, . . ., und es gilt wiederum ∆k n = 2π L .<br />

Für den entgegengesetzten Fall, v s < 0, gilt l s < 0 und daher 2|ls|<br />

L z = tan(z)<br />

für die Zustände mit E > 0, die man für L → ∞ als „ausgedehnt“ bezeichnet.<br />

Außerdem gibt es „gebundene“ Zustände mit E < 0 und k = iκ, die (mit<br />

1<br />

2|ls|<br />

2κL ≡ ζ) die Gleichung<br />

L<br />

ζ = tanh(ζ) erfüllen. Für L → ∞ bei festem<br />

v s < 0 erhält man ausgedehnte Zustände bei k = 2π L<br />

n mit n = 1, 2, . . . und<br />

2|l<br />

einen gebundenen Zustand bei s|<br />

L ζ ≃ 1 − 2e−2ζ ≃ 1 − 2e −L/|ls| , d. h. bei<br />

κ ≃ 1<br />

|l (1 − s|<br />

n)£ 2e−L/|ls| ).<br />

1 Wir suchen Lösungen von 2ls<br />

L z = −tan(z) mit zn = (n − 1 2 )π + εn und 0 < εn < π 2 für<br />

n = 1, 2, . . .:<br />

2l s 2ls<br />

zn = −<br />

L L¢(n 1 2 )π + εn£=−tan¢(n − 1 1<br />

)π + εn£= 2 tan(ε n)<br />

= 1 + O(ε<br />

ε n¢1 2 (n → ∞) .<br />

Es folgt: ε n = L/(2ls)<br />

(n−<br />

2 1 + O 1<br />

)π n 3¡und daher<br />

k n = 2 L zn = L¢(n 2 − 1 2 )π + εn£= 2π L (n − 1 2 ) + (ls)−1<br />

(n − 1 + O1<br />

)π n 3.<br />

2<br />

2l s<br />

L z<br />

− tan(z)<br />

π<br />

2<br />

3π<br />

2<br />

5π<br />

2<br />

7π<br />

2<br />

z<br />

Abbildung 5.3: Grafische Bestimmung der k-Werte


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 94<br />

φ g<br />

φ u<br />

− 1 2 L 0 1<br />

2 L −1 0 1<br />

2 L<br />

2 L<br />

Abbildung 5.4: Gerade und ungerade Wellenfunktion<br />

5.5 Oszillationen zwischen fast-entarteten<br />

Zuständen<br />

Im Limes v s → ∞ (d. h. l s → 0) sind die Wellenzahlen der niedrigstliegenden<br />

geraden und ungeraden Zustände fast gleich:<br />

k u = 2π L , k g = − 1 l s<br />

tan( 1 2 k gL) = 2π L1 − 2l s<br />

L + . . .,<br />

so dass die Energieniveaus dieser Zustände fast entartet sind:<br />

E u = 2 (k u ) 2<br />

2m<br />

, E g = E u1 − 2l s<br />

L + . . .2<br />

= E u1 − 4l s<br />

L + . . ..<br />

Der gerade Zustand hat also die niedrigere Energie (und ist daher der Grundzustand),<br />

aber die Energiedifferenz zwischen beiden Eigenzuständen wird sehr<br />

klein im Limes einer hohen Potentialbarriere:<br />

∆E ≡ E u − E g = 4l s<br />

L E u + . . . (v s → ∞, l s → 0) .<br />

Die ungerade Wellenfunktion ist gegeben durch:<br />

φ u (x) =Ö2<br />

L sin2πx<br />

L,<br />

und die gerade Wellenfunktion hat für l s → 0 die Form<br />

φ g g l s )<br />

(x) ∼Ö2(k 2 åcos(k g x) + sin(k g|x|)<br />

L<br />

k g l sè∼Ö2<br />

L sin(k g|x|) .<br />

Unser Teilchen befindet sich also in beiden Eigenzuständen mit gleicher Wahrscheinlichkeit<br />

in der linken oder in der rechten Hälfte des Kastens.<br />

Betrachten wir das System bei genügend niedrigen Energien (d. h. bei niedrigen<br />

Temperaturen, in einem schwachenergetischen Strahlungsfeld), dann können<br />

wir alle höher angeregten Zustände vernachlässigen, da sie durch eine Lücke der<br />

Größe 3E u von φ g und φ u getrennt sind. Unser Hilbertraum wird somit effektiv<br />

zweidimensional:<br />

ψ(x, t) = ψ g (t)φ g (x) + ψ u (t)φ u (x) ,


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 95<br />

φ −<br />

φ + −1 0 1<br />

2 L 2 L −1 0 1<br />

2 L<br />

2 L<br />

Abbildung 5.5: Die Linearkombinationen φ + und φ −<br />

und die Schrödinger-Gleichung für die „Koordinaten“ ψ g und ψ u in der {φ g , φ u }-<br />

Basis lautet:<br />

i<br />

dtψ d g g 0<br />

ψ u=E<br />

uψ<br />

0 E<br />

g<br />

Die Lösung hat die vertraute Form:<br />

ψ g (t) = ψ g (0)e −iEgt/<br />

ψ u (t) = ψ u (0)e −iEut/ .<br />

ψ u.<br />

Mit Hilfe dieses Ergebnisses kann man nun auch sofort die Zeitentwicklung für<br />

Linearkombinationen von φ g und φ u bestimmen. Besonders interessant sind:<br />

φ ± ≡ 1 √<br />

2<br />

(φ g ± φ u ) ,<br />

die also den physikalischen Ausgangszustand beschreiben, in dem das Teilchen<br />

sich überwiegend (denn Abbildung 5.5 wird erst im Limes v s → −i(Eu−Eg)t/è<br />

∞ exakt) in der<br />

rechten oder linken Hälfte des Systems befindet. Es sei daran erinnert, dass ein<br />

klassisches Teilchen eine Potentialbarriere, die höher als seine Energie ist, nicht<br />

überwinden kann. Quantenmechanisch findet man z. B. für ψ(x, 0) = φ + (x) das<br />

spektakuläre Ergebnis:<br />

ψ(x, t) = √ 1 e −iEgt/ φ g (x) + √ 1 e −iEut/ φ u (x)<br />

2 2<br />

= 1 2 e−iEgt/åφ +1 + e −i(Eu−Eg)t/+φ −1 − e<br />

= e −1 2 i(Eg+Eu)t/åφ t<br />

t<br />

+ (x)cos∆E<br />

− (x)sin∆E<br />

2+iφ<br />

2è.<br />

Die Lösung oszilliert also mit einer Frequenz ∆E/2 zwischen der linken und der<br />

rechten Hälfte des Systems hin und her. Was klassischen Teilchen nicht möglich<br />

wäre, schaffen Schrödinger-Teilchen durch Quantentunneln. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

das Teilchen im Zustand „+“ oder „−“ anzutreffen ist gleich cos 2 ( ∆E t<br />

2 )<br />

bzw. sin 2 ( ∆E t<br />

2<br />

); die Summe dieser Wahrscheinlichkeiten ist natürlich wieder<br />

gleich Eins.<br />

Es ist noch interessant, einen Basiswechsel durchzuführen und neue Koordinaten<br />

ψ ± (t) einzuführen:<br />

ψ(x, t) = ψ + (t)φ + (x) + ψ − (t)φ − (x) , ψ ± (t) = 1 √<br />

2äψ g (t) ± ψ u (t)ç.


--------------------------------------------------------------------------------------------- 5. EINDIMENSIONALE SYSTEME 96<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

N<br />

H<br />

H<br />

Abbildung 5.6: Tunneleffekt beim NH 3<br />

-Molekül<br />

−<br />

Man findet für die Zeitentwicklung der neuen Koordinaten:<br />

i<br />

dtψ d + 2<br />

ψ −=1<br />

(E g + E u ) − 1 2 (E u − E g )<br />

)ψ +<br />

− 1 2 (E 1<br />

u − E g )<br />

2 (E g + E u ψ<br />

−<br />

=Ē<br />

1 2 Ēψ ∆E<br />

− 1 2 ∆E ψ −.<br />

+<br />

In der {φ + , φ − }-Basis ist die Hamilton-Matrix also nicht-diagonal: Auf der Diagonale<br />

stehen die gemittelten Energien Ē = 1 2 (E g + E u ), und die Nichtdiagonalelemente<br />

beschreiben das Tunneln zwischen den beiden Zuständen φ + und<br />

φ − .<br />

Die oben durchgeführte Berechnung hat eine interessante Anwendung in der<br />

Form des Ammoniakmoleküls NH 3<br />

, das zwei stabile Gleichgewichtslagen aufweist.<br />

Das Stickstoffatom tunnelt also ständig durch die H 3 -Barriere hindurch.<br />

Die Energiedifferenz ist in diesem Fall ∆E ≃ 10 −4 eV ≃ 1, 6 · 10 −23 J, die entsprechende<br />

Wellenlänge λ = hc<br />

∆E ≃ 1, 24 · 10−2 m. Diese Schwingung kann also<br />

mit Mikrowellenstrahlung der Frequenz f = ω 2π ≃ 2, 4·1010 Hz angeregt werden.<br />

Die Energieabsenkung in der geraden Lösung im Vergleich zum atomaren<br />

Limes (v s = ∞, l s = 0) spielt auch eine sehr wichtige Rolle in den Erklärungen<br />

der Molekülbindung (H + 2 -Ion) und der starken Wechselwirkung (Austausch von<br />

Mesonen, Yukawa, 1935).<br />

N


Kapitel6<br />

Das Zentralpotential<br />

In diesem Abschnitt betrachten wir die Schrödinger-Gleichung mit einem kugelsymmetrischen<br />

Potential V (r):<br />

i∂ t ψ =<br />

ˆp2<br />

Ĥψ , Ĥ = + V (r) , r = |x| .<br />

2µ<br />

Diese Form der Schrödinger-Gleichung tritt zum Beispiel im Zweikörperproblem<br />

mit einer Zentralkraft auf, wenn man die Schwerpunktsbewegung absepariert;<br />

der Parameter µ kann dann als „effektive Masse“ interpretiert werden. Mögliche<br />

Anwendungen sind durchaus nicht auf das Zweikörperproblem beschränkt: Man<br />

denke z. B. an (an)harmonische Schwingungen von Teilchen in der Nähe eines<br />

räumlich isotropen Potentialminimums.<br />

6.1 Formale Lösung<br />

Wegen der Kugelsymmetrie des Problems geht man am besten sofort auf Kugelkoordinaten<br />

über:<br />

ˆp = i ∇ = ∂<br />

r<br />

ie<br />

∂r + e 1 ∂<br />

ϑ<br />

r ∂ϑ + e 1 ∂<br />

ϕ<br />

r sin(ϑ) ∂ϕ.<br />

Für den Hamilton-Operator benötigen wir:<br />

ˆp 2 = − 2 ∆ = − 2æ1<br />

r<br />

= (ˆp r ) 2 + ˆL 2<br />

r 2 , ˆp r ≡ ir<br />

2é<br />

∂<br />

r2<br />

+ 1 21 ∂<br />

∂r r sin(ϑ) ∂ϑ sin(ϑ) ∂<br />

∂ϑ + 1 ∂ 2<br />

sin 2 (ϑ) ∂ϕ<br />

∂<br />

∂r r .<br />

Im letzten Schritt wurde die explizite Form des Operators ˆL 2 in Kugelkoordinaten<br />

verwendet:<br />

ˆL 2 = 1 ∂<br />

sin(ϑ) ∂ϑ sin(ϑ) ∂<br />

∂ϑ + 1<br />

sin 2 (ϑ) ∂ϕ 2 .<br />

∂ 2


---------------------------------------------------------------------------------------------------- Ǒ6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 98<br />

Dieser Ausdruck kann leicht durch Quadrieren aus der Definition des Bahndrehimpulses:<br />

ˆL ≡ x × ˆp = r e r × ˆp = ∂<br />

ϕ<br />

ie<br />

∂ϑ − e 1 ∂<br />

ϑ<br />

sin(ϑ) ∂ϕ<br />

= sin(ϕ)<br />

i− ∂<br />

∂ϑ − cos(ϕ)cot(ϑ) ∂<br />

∂ϕ<br />

cos(ϕ) ∂<br />

∂ϑ − sin(ϕ)cot(ϑ) ∂<br />

∂ϕ<br />

∂<br />

∂ϕ<br />

hergeleitet werden. Aus den bereits bekannten Vertauschungsrelationen<br />

[ˆL k , ˆL l ] = iε klmˆLm , ˆL × ˆL = iˆL<br />

und der Rechenregel [BC, A] = [B, A]C + B[C, A] findet man für den Kommutator<br />

von ˆL 2 und ˆL:<br />

[ ˆL 2 , ˆL l ] = [ˆL kˆLk , ˆL l ] = [ˆL k , ˆL l ]ˆL k + ˆL k [ˆL k , ˆL l ]<br />

oder, kurzgefasst:<br />

[ ˆL 2 , ˆL] = 0 .<br />

= iε klmˆLmˆLk + ˆL kˆLm=0 ,<br />

Da die Komponenten ˆL l des Bahndrehimpulses nur von (ϑ, ϕ, ∂<br />

∂ϑ , ∂<br />

∂ϕ ) abhängen,<br />

kommutieren sie sicherlich auch mit r, ˆp r und V (r) und daher mit dem gesamten<br />

Hamilton-Operator:<br />

[ ˆL, Ĥ] = 0 .<br />

Wir schließen hieraus, dass der Bahndrehimpuls in kugelsymmetrischen Problemen<br />

in zweierlei Hinsicht eine zentrale Rolle spielt: nicht nur dominiert er (in<br />

der Form des Operators ˆL 2 ) die Winkelabhängigkeit des Hamilton-Operators:<br />

Ĥ = (ˆp r) 2<br />

2µ<br />

+ V (r) +<br />

ˆL<br />

2<br />

er ist auch eine Erhaltungsgröße:<br />

d<br />

dt 〈ˆL〉 = 1<br />

i 〈[ ˆL, Ĥ]〉 + 〈∂ tˆL〉 = 0 .<br />

2µr 2 , (6.1)<br />

Insofern hat der Bahndrehimpulsoperator ˆL in der <strong>Quantenmechanik</strong> dieselbe<br />

Bedeutung wie der klassische Drehimpuls in der Klassischen Mechanik.<br />

Die folgende Lösungsmethode bietet sich an: Da zum Beispiel die Operatoren<br />

ˆL 2 , ˆL 3 und Ĥ alle miteinander kommutieren, haben sie einen vollständigen Satz<br />

gemeinsamer Eigenfunktionen. Wir bezeichnen die Eigenwerte mit 2 l(l + 1),<br />

m und E νlm , wobei wir nur (o.B.d.A.) annehmen, dass l ≥ 0 gilt:<br />

ˆL 2 φ νlm = 2 l(l + 1)φ νlm (l ≥ 0) (6.2)<br />

ˆL 3 φ νlm = mφ νlm (6.3)<br />

Ĥφ νlm = E νlm φ νlm . (6.4)


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 99<br />

Hierbei ist l die Nebenquantenzahl oder Bahndrehimpulsquantenzahl, und m<br />

heißt magnetische Quantenzahl. Wir werden im Folgenden sehen, dass die Klassifizierung<br />

der Eigenfunktionen mit Hilfe der Quantenzahlen (νlm) eindeutig ist,<br />

d. h. dass der Satz von Operatoren {ˆL 2 , ˆL 3 , Ĥ} vollständig ist. Folglich haben<br />

die Eigenfunktionen die Struktur:<br />

φ νlm (r, Ω) = R νlm (r)Y lm (Ω) , (6.5)<br />

wobei Ω = (ϑ, ϕ) die Raumrichtung festlegt. Hierbei sollen die winkelabhängigen<br />

Funktionen Y lm (Ω) die Eigenwertgleichungen<br />

ˆL 2 Y lm = 2 l(l + 1)Y lm (6.6)<br />

ˆL 3 Y lm = mY lm (6.7)<br />

und die Orthonormalitäts- und Vollständigkeitsbedingungen:<br />

〈Y lm , Y l′ m ′〉 =dΩ Y ∗<br />

lm(Ω)Y l′ m ′(Ω) = δ ll ′δ mm ′<br />

lm<br />

Y lm (Ω)Y ∗<br />

lm(Ω ′ ) = δ(Ω − Ω ′ ) = 1<br />

sin(ϑ) δ(ϑ − ϑ′ )δ(ϕ − ϕ ′ )<br />

erfüllen. Durch Einsetzen der Form (6.5) der Eigenfunktionen in die Schrödinger-<br />

Gleichung (6.4) mit dem Hamilton-Operator (6.1) folgt für den radialen Anteil<br />

der Wellenfunktion:<br />

E νlm R νlm (r) =<br />

1<br />

r )<br />

Y lm (Ω)Ĥφ νlm =(ˆp 2<br />

2µ + V (r) + 2 l(l + 1)<br />

2µr 2R νlm (r) .<br />

Abgesehen vom Zentralpotential V (r), erhält man also ein zusätzliches (ebenfalls<br />

kugelsymmetrisches) Potential 2 l(l+1)/2µr 2 , das von der Zentrifugalkraft<br />

herrührt. Der radiale Anteil muss die Orthonormalitätsbedingung<br />

∞<br />

0<br />

dr r 2 R νlm (r)R ν′ lm(r) = δ νν ′ (∀l, m)<br />

erfüllen, damit die Eigenfunktionen φ νlm orthonormal sind:<br />

dxφ ∗ =dΩ∞<br />

νlm φ ν ′ l ′ m dr r 2 φ ∗ ′ νlm φ ν ′ l ′ m = δ ′ νν ′δ ll ′δ mm ′ .<br />

Außerdem muss<br />

0<br />

ν<br />

R νlm (r)R νlm (r ′ ) = 1 r 2 δ(r − r′ ) (∀l, m)<br />

gelten, damit die Eigenfunktionen φ νlm vollständig sind:<br />

νlm<br />

φ νlm (r, Ω)φ ∗ νlm (r′ , Ω ′ ) =<br />

1<br />

r 2 sin(ϑ) δ(r − r′ )δ(ϑ − ϑ ′ )δ(ϕ − ϕ ′ ) .<br />

Es sei noch darauf hingewiesen, dass der radiale Anteil reell gewählt werden<br />

kann, da das effektive Potential im Hamilton-Operator reell ist; dies wurde oben<br />

bereits verwendet. Außerdem hängen E νlm und R νlm nicht von der Quantenzahl


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 100<br />

m ab, da diese nicht im Hamilton-Operator vorkommt. Wir erhalten daher die<br />

Eigenwertgleichung:<br />

E νl R νl (r) =(ˆp r ) 2<br />

2µ + V (r) + 2 l(l + 1)<br />

2µr 2R νl (r) =äĤ r R νlç(r) . (6.8)<br />

Wurden die Eigenwertprobleme (6.6)–(6.8) gelöst, dann folgt die komplette zeitabhängige<br />

Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Zentralpotential als:<br />

ψ(r, ϑ, ϕ, t) =νlm<br />

e −iE νlt/ φ νlm (φ νlm , ψ 0 ) ,<br />

wobei ψ 0 (x) = ψ(x, 0) den Anfangszustand charakterisiert.<br />

Wir werden im Folgenden zunächst die Beziehung zwischen dem Bahndrehimpulsoperator<br />

ˆL und der Drehgruppe näher beleuchten, dann das Eigenwertproblem<br />

(6.6),(6.7) für die Operatoren ˆL 2 und ˆL 3 untersuchen und schließlich<br />

die radiale Gleichung (6.8) für einige Spezialfälle lösen.<br />

6.2 Die Drehgruppe<br />

Drehungen sind lineare, orthogonale Transformationen mit der Determinanten<br />

1; sie bilden die Gruppe SO(3). Sie werden durch einen Vektor α = αˆα charakterisiert,<br />

wobei<br />

ˆα =cos(ϕ)sin(ϑ)<br />

sin(ϕ)sin(ϑ)<br />

cos(ϑ),|ˆα| = 1<br />

die Drehrichtung bestimmt und α (mit −π < α ≤ π) den Drehwinkel bezeichnet.<br />

Die Gruppe der Drehungen {R(α)} ist kontinuierlich (weil α kontinuierlich<br />

ist) und nicht-abelsch (da im allgemeinen [R(α 1 ), R(α 2 )] ≠ 0 gilt). Für alle<br />

Ortsvektoren x gilt:<br />

x = ˆα(ˆα · x) − ˆα × (ˆα × x)<br />

und daher auch:<br />

R(α)x = ˆα(ˆα · x) − ˆα × (ˆα × x)cos(α) + (ˆα × x)sin(α) ,<br />

ˆα<br />

x<br />

ˆα×x<br />

|ˆα×x|<br />

− ˆα×(ˆα×x)<br />

|ˆα×x|<br />

Abbildung 6.1: Parametrisierung von Drehungen


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 101<br />

n 2<br />

2<br />

so dass eine Drehung über einen kleinen Winkel (n ≫ 1) gegeben ist durch:<br />

Rα<br />

=äˆα(ˆα · x) − ˆα × (ˆα × x)ç+<br />

nx α 2<br />

(ˆα × x) + Oα<br />

n n<br />

= x + α 2<br />

(ˆα × x) + Oα<br />

n n<br />

0<br />

=½+ α 0 − cos(ϑ) sin(ϕ)sin(ϑ)<br />

+Oα 2<br />

cos(ϑ) 0 − cos(ϕ)sin(ϑ)<br />

−sin(ϕ)sin(ϑ) cos(ϕ)sin(ϑ) 0 n 2x<br />

=½− iα · l<br />

n + Oα2<br />

n 2x (n → ∞) ,<br />

wobei wir den Vektor l = (l 1 , l 2 , l 3 ) mittels<br />

0 0<br />

0 i<br />

−i 0<br />

l 1 =0<br />

0 0 −i 2 =0<br />

0 0 0 3 =0<br />

i 0 0<br />

0 i 0,l<br />

−i 0 0,l<br />

0 0<br />

und l † k = l k<br />

definierten. Die volle Drehung um α ist daher gegeben durch:<br />

R(α) =äRα<br />

nçn iα =ä½− ∼ e<br />

−iα·l<br />

(n → ∞) .<br />

Wegen des exponentiellen Charakters dieser Darstellung wird die Drehgruppe<br />

als Lie-Gruppe bezeichnet. Die Matrizen l k (k = 1, 2, 3) heißen die Erzeuger der<br />

Lie-Gruppe. Sie definieren eine Lie-Algebra:<br />

[l k , l l ] = iε klm l m .<br />

· l<br />

n + Oα 2çn 2<br />

n<br />

Es ist wichtig, dass große Drehungen aus kleinen Drehungen aufgebaut werden<br />

können. Lokale Information über die Gruppenstruktur nahe der Identität (α =<br />

0) legt also die globale Gruppenstruktur bereits fest.<br />

Sukzessives Anwenden zweier Drehungen entspricht natürlich wiederum einer<br />

Drehung:<br />

R(α)R(β) = e −iα·l e −iβ·l = e −iγ(α,β)·l = R(γ(α, β)) ,<br />

wobei γ eine analytische Funktion von α und β ist:<br />

γ m (α, β) = α m + β m + 1 2 α kβ l ε klm + 1<br />

12 α kβ l (β s − α s )ε klr ε rsm + . . . .<br />

Der analytische Zusammenhang zwischen (α, β) und γ ist eine wesentliche Eigenschaft<br />

der Lie-Gruppe.<br />

6.3 Drehungen in der <strong>Quantenmechanik</strong><br />

Betrachten wir nun ein quantenmechanisches System, beschrieben durch eine<br />

Wellenfunktion ψ, die die Schrödinger-Gleichung i∂ t ψ = Ĥψ erfüllt. An diesem<br />

System führen wir eine Messung mit Hilfe der Observablen ˆL durch, die<br />

die Eigenwerte λ und die Eigenfunktionen φ λ hat. Die Wahrscheinlichkeit dafür,<br />

den Messwert λ zu erhalten, ist also |(φ λ , ψ)| 2 . Solche Messwahrscheinlichkeiten<br />

müssen natürlich bei Drehungen der Gesamtanordnung (d. h. von System


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 102<br />

plus Messgerät, sog. „aktive“ Drehungen) bzw. des Koordinatensystems (sog.<br />

„passive“ Drehungen) invariant bleiben.<br />

Wir betrachten im Folgenden nur „aktive“ Drehungen (d. h. Drehungen der<br />

Gesamtanordnung). Die Wellenfunktionen vor und nach der Drehung werden<br />

im allgemeinen linear zusammenhängen:<br />

x ′ = R(α)x ⇒ ψ ′ = D(α)ψ , φ ′ λ = D(α)φ λ ,<br />

wobei D(α) ein linearer Operator ist. Dieser Operator D(α) ist notwendigerweise<br />

unitär, da die Normierung für alle möglichen ψ erhalten bleiben soll:<br />

(ψ, ψ) = 1 = (ψ ′ , ψ ′ ) = (Dψ, Dψ) = (ψ, D † Dψ) ⇒ D † D =½.<br />

Die Invarianz der Messergebnisse für alle ψ,<br />

(ψ, ˆLψ) = (ψ ′ , ˆL ′ ψ ′ ) = (Dψ, ˆL ′ Dψ) = (ψ, D † ˆL′ Dψ) ,<br />

bedeutet, dass ˆL wie folgt transformiert wird:<br />

ˆL ′ = D(α) ˆLD(α) † .<br />

Außerdem erzwingt die Gruppenstruktur von SO(3),<br />

R(α)R(β) = R(γ(α, β)) ,<br />

dieselbe Multiplikationsstruktur für die D-Operatoren:<br />

D(α)D(β) = D(γ(α, β)) . (6.9)<br />

(0) ≡ −ij in der Form einer Exponentialfunktion schreiben:<br />

D(α) =äDα<br />

nçn 1 =ä½+ ∼ e<br />

−iα·j<br />

(n → ∞) ,<br />

so dass (6.9) die Form<br />

Falls für alle Drehungen R(α) ein Operator D(α) existiert, so dass (6.9) gilt,<br />

heißen die {D(α)} eine Darstellung der Lie-Gruppe {R(α)}.<br />

Man kann die Operatoren D(α), ähnlich wie die R(α), mit Hilfe der Definition<br />

∂D<br />

∂α<br />

n α ·∂D (0)+Oα 2çn 2<br />

∂α n<br />

e −iα·j e −iβ·j = e −iγ(α,β)·j (6.10)<br />

erhält, wobei j † = j gilt und γ(α, β) bereits aufgrund der Multiplikationsstruktur<br />

der Drehgruppe bekannt ist. Eine Entwicklung von (6.10) für kleine (α, β)<br />

zeigt nun:<br />

−iα m j m − iβ m j m − 1 2 α kβ l [j k , j l ] + . . . =<br />

ln(e −iα·j e −iβ·j ) = −iγ(α, β) · j<br />

= −iäα m + β m + 1 2 α kβ l ε klm + . . .çj m ,<br />

so dass die Erzeuger j der Darstellung {D(α)} exakt dieselben Vertauschungsrelationen<br />

wie diejenigen der Drehungen {R(α)} erfüllen müssen:<br />

[j k , j l ] = iε klm j m . (6.11)


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 103<br />

Umgekehrt gilt, dass j = (j 1 , j 2 , j 3 ) eine Darstellung der Drehgruppe erzeugt,<br />

wenn (6.11) erfüllt ist.<br />

Da die Komponenten 1 ˆL k des Bahndrehimpulses die Vertauschungsrelationen<br />

(6.11) erfüllen, erzeugen sie eine Darstellung<br />

D L (α) = e − i α·ˆL<br />

der Drehgruppe. Die physikalische Relevanz dieser Darstellung wird klar, wenn<br />

wir das Transformationsverhalten einer rein ortsabhängigen Wellenfunktion unter<br />

Drehungen der Gesamtanordnung betrachten. Die Forderung<br />

liefert<br />

d. h.<br />

ψ ′ (x ′ ) = ψ(x) , x ′ = Rα<br />

nx<br />

ψ ′ (x) = ψRα x∼ψx −<br />

n−1 α × n∼ψ(x) x − α × x · ∇ψ(x) ,<br />

n<br />

ψ ′ =1 − α × x<br />

n<br />

wobei benutzt wurde, dass<br />

· ∇ψ =1 − i α · ˆL ∼ e<br />

nψ − iα·ˆL<br />

n ψ ,<br />

(α × x) · ∇ = ε ijk α j x k<br />

∂<br />

∂x i<br />

= ε jki α j x k<br />

∂<br />

∂x i<br />

= α · (x × ∇) = i α · (x × ˆp) = i α · ˆL<br />

gilt. Nach n Drehungen um α n<br />

folgt also:<br />

ψ ′ = e − i α·ˆLψ = D L (α)ψ .<br />

Das Transformationsverhalten von ortsabhängigen Wellenfunktionen unter Drehungen<br />

wird also gänzlich durch ˆL bestimmt.<br />

Ist nun der Hamilton-Operator Ĥ invariant unter Drehungen, dann ist mit<br />

ψ auch ψ ′ = D(α)ψ (für beliebige α) Lösung der Schrödinger-Gleichung:<br />

i∂ t ψ ′ = Ĥψ′ .<br />

Normalerweise gilt ∂ t D(α) = 0; in diesem Fall ist<br />

D(α) −1 ĤD(α) = Ĥ oder [Ĥ, D(α)] = 0<br />

für alle α. Unter Verwendung der Exponentialform der Darstellung, D(α) =<br />

e −iα·j , findet man:<br />

[Ĥ, j] = 0 ,<br />

so dass die Erzeuger j der Darstellung eine Erhaltungsgröße bilden. Insbesondere<br />

gilt dies für den Bahndrehimpuls ˆL im Falle einer rein ortsabhängigen<br />

Wellenfunktion.


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 104<br />

6.4 Das Eigenwertproblem für ˆL 2 und ˆL 3<br />

In diesem Abschnitt untersuchen wir die möglichen Eigenwerte und Eigenfunktionen<br />

der Eigenwertprobleme (6.6),(6.7) für die Operatoren ˆL 2 und ˆL 3 :<br />

ˆL 2 Y lm = 2 l(l + 1)Y lm (l ≥ 0)<br />

ˆL 3 Y lm = mY lm ,<br />

wobei die Eigenfunktionen Y lm (Ω) nur von den Winkelvariablen Ω = (ϑ, ϕ)<br />

abhängen. Wir wissen bereits, dass die Komponenten des Bahndrehimpulses<br />

die Vertauschungsregeln<br />

[ˆL k , ˆL l ] = iε klmˆLm<br />

erfüllen, und dass ˆL 2 mit dem Bahndrehimpuls kommutiert:<br />

[ ˆL 2 , ˆL] = 0 .<br />

Wir führen die Operatoren ˆL + und ˆL − als Linearkombinationen von ˆL 1 und ˆL 2<br />

ein:<br />

ˆL ± ≡ ˆL 1 ± iˆL 2 = e ±iϕ± ∂<br />

∂ϑ + i cot(ϑ) ∂<br />

∂ϕ.<br />

Die Operatoren ˆL + und ˆL − sind hermitesch konjugiert zueinander:<br />

ˆL † + = ˆL − .<br />

Außerdem überprüft man leicht, dass<br />

[ˆL 3 , ˆL ± ] = ±ˆL ± (6.12)<br />

[ˆL + , ˆL − ] = 2ˆL 3 (6.13)<br />

[ ˆL 2 , ˆL ± ] = 0 (6.14)<br />

ˆL 2 = ˆL ∓ˆL± ± ˆL 3 + ˆL 2 3 (6.15)<br />

gilt. Die Notation ˆL ± wird verständlich, wenn man bedenkt, dass (6.12) die<br />

Eigenwertgleichung<br />

ˆL 3 (ˆL ± Y lm ) = (ˆL ±ˆL3 ± ˆL ± )Y lm = (m ± 1)(ˆL ± Y lm )<br />

impliziert, so dass die Operatoren ˆL + und ˆL − aus einer bereits bekannten Eigenfunktion<br />

Y lm eine neue Eigenfunktion erzeugen, nun allerdings mit einem<br />

um Eins erhöhten bzw. erniedrigten m-Wert. Die neue Eigenfunktion ˆL ± Y lm ist<br />

noch nicht normiert. Um die Normierung zu bestimmen, berechnen wir:<br />

〈ˆL ± Y lm , ˆL ± Y lm 〉 = 〈Y lm , ˆL ∓ˆL± Y lm 〉<br />

= 〈Y lm , (ˆL 2 − ˆL 2 3 ∓ ˆL 3 )Y lm 〉 = 2 [l(l + 1) − m 2 ∓ m] .<br />

Wir schließen hieraus, dass (evtl. abgesehen von einem Phasenfaktor)<br />

ˆL (lm)<br />

± Y lm = Y l,m±1 , ˆL(lm) ± ≡<br />

ˆL ±<br />

l(l + 1) − m(m ± 1)<br />

(6.16)


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 105<br />

gilt. Indem wir den Phasenfaktor in (6.16) gleich Eins wählen, werden die (bisher<br />

unbestimmten) relativen Phasen der Eigenfunktionen Y lm für ein fest vorgegebenes<br />

l fixiert. Da die Norm von ˆL ± Y lm natürlich nicht-negativ ist, muss bei<br />

fest vorgegebenem l für alle erlaubten m-Werte<br />

l(l + 1) − m(m + 1) ≥ 0 und l(l + 1) − m(m − 1) ≥ 0<br />

gelten. Es folgt:<br />

l(l + 1) ≥ max{m(m + 1), m(m − 1)} = |m|(|m| + 1)<br />

und daher |m| ≤ l oder auch<br />

−l ≤ m ≤ l .<br />

Sei nun m min der niedrigste und m max der höchste mögliche m-Wert. Damit<br />

ˆL − und ˆL + , wirkend auf Y lmmin bzw. Y lmmax , keine Eigenfunktionen mit noch<br />

niedrigerem bzw. höherem m-Wert erzeugen, muss gelten:<br />

<br />

Y lm =m−1<br />

m ′ =−l<br />

l(l + 1) − m min (m min − 1) = 0 ⇒ m min = −l<br />

l(l + 1) − m max (m max + 1) = 0 ⇒ m max = l .<br />

Falls Y l,−l also bekannt ist, folgen die übrigen Eigenfunktionen (für fest vorgegebenes<br />

l) aus (6.16) als: 1<br />

ˆL (lm′ )<br />

+Y l,−l . (6.17)<br />

Damit 2l-malige Anwendung eines ˆL + -Operators die Eigenfunktion Y ll ergibt,<br />

muss offensichtlich gelten:<br />

2l ∈Æ⇒<br />

entweder: l = 0, 1, 2, . . .<br />

oder: l = 1 2 , 3<br />

2 , 5<br />

2 , . . . . (6.18)<br />

Im Falle des Bahndrehimpulses sind halbzahlige Quantenzahlen (l = 1 2 , 3 2 , . . . )<br />

jedoch unmöglich. Dies sieht man wie folgt: Die ϕ-Abhängigkeit von Y lm kann<br />

aus der explizit bekannten Form von ˆL 3 bestimmt werden, denn die Gleichung<br />

ˆL 3 Y lm = i<br />

∂<br />

∂ϕ Y lm = mY lm<br />

impliziert Y lm (ϑ, ϕ) = e imϕ Y lm (ϑ, 0). Hieraus folgt wieder, dass m unbedingt<br />

ganzzahlig sein muss, sonst wäre die Gleichung<br />

Y lm (ϑ, ϕ) = Y lm (ϑ, ϕ + 2π) = e 2πim Y lm (ϑ, ϕ) ,<br />

nicht konsistent. Die Periodizität der ϕ-Abhängigkeit der Wellenfunktion erfordert<br />

also m ∈und daher auch l ∈Æ, da m bekanntlich nur die Werte<br />

1 Man kann leicht (wie beim harmonischen Oszillator) mit Hilfe von vollständiger Induktion<br />

zeigen, dass die Eigenwerte m nicht entartet sind, d.h., dass es zum Eigenwert m von ˆL 3<br />

keine weiteren Eigenfunktionen gibt. Man verwendet hierzu vollständige Induktion bezüglich<br />

m und benutzt, dass der Eigenwert m = −l nicht entartet ist. Dies folgt aus der expliziten<br />

Berechnung.


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 106<br />

m = −l, −l + 1, . . .,l annehmen kann. Man bezeichnet die Eigenzustände zu<br />

verschiedenen Werten der Nebenquantenzahl l auch mittels:<br />

l = 0 1 2 3 4 5 6 7 . . .<br />

| | | | | | | |<br />

s p d f g h i k . . .<br />

.<br />

Die Eigenfunktion Y l,−l in (6.17) kann für alle l ∈Æaus der Bedingung<br />

ˆL − Y l,−l = 0 berechnet werden. Generell muss gelten:<br />

Y lm (ϑ, ϕ) = e imϕ Y lm (ϑ, 0) ,<br />

damit die Eigenwertgleichung ˆL 3 Y lm = ∂<br />

i ∂ϕ Y lm = mY lm erfüllt ist. Die Bestimmungsgleichung<br />

für Y l,−l lautet also:<br />

0 = ˆL − Y l,−l = e −iϕ− ∂<br />

∂ϑ +<br />

i ∂<br />

tan(ϑ) ∂ϕe −ilϕ Y l,−l (ϑ, 0)<br />

und daher<br />

∂<br />

∂ϑ − l<br />

l,−l (ϑ, 0) = 0 . (6.19)<br />

tan(ϑ)Y<br />

Wir definieren Y l,−l (ϑ, 0) ≡ y l (ϑ). Damit ergibt sich:<br />

1 ∂y l<br />

y l ∂ϑ = ∂<br />

∂ϑ ln(y l) =<br />

l<br />

sin(ϑ) cos(ϑ) = l ∂<br />

∂ϑ ln[sin(ϑ)] ,<br />

so dass mit der Notation ξ ≡ cos(ϑ) für y l (ϑ)<br />

y l (ϑ) = C l [sin(ϑ)] l = C l (1 − ξ 2 ) l/2<br />

folgt. Hierbei ist der Vorfaktor C l durch die Normierung bestimmt:<br />

1 =dΩ |Y l,−l (Ω)| 2 =π<br />

dϑ sin(ϑ)2π<br />

dϕ |y l (ϑ)| 2<br />

0<br />

0<br />

21<br />

= 2π|C l | dξ (1 − ξ 2 ) l ≡ 2π|C l | 2 I l 1<br />

,<br />

−1<br />

wobei das Integral I l sich auch als Betafunktion schreiben läßt:<br />

I l =π<br />

dϑ [sin(ϑ)] 2l+1 = 2π/2<br />

dϑ [sin(ϑ)] 2l+1 = B1<br />

2 , l +<br />

0<br />

= Γ(1 2<br />

)Γ(l + 1)<br />

Γ(l + 3 2 ) .<br />

Nun ist generell Γ(z + 1 2 ) = √ π2 1−2z Γ(2z)/Γ(z), so dass schließlich<br />

2l+1 [Γ(l + 1)]2<br />

I l = 2<br />

Γ(2l + 2) = 2(2l l!) 2<br />

(2l + 1)!<br />

0<br />

gilt und der Vorfaktor C l in y l (ϑ), abgesehen von einem Phasenfaktor, durch<br />

|C l | 2 = 1 (2l + 1)!<br />

(2 l l!) 2 4π


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 107<br />

bestimmt ist. Die normierte Lösung der Differentialgleichung (6.19) lautet daher:<br />

Y l,−l (ϑ, ϕ) = e −ilϕ 1<br />

2 l l!Ö(2l + 1)!<br />

4πäsin(ϑ)çl<br />

In Kombination mit Gleichung (6.17) sind alle Y lm nun prinzipiell bekannt. Die<br />

explizite Form dieser Kugelfunktionen ist:<br />

Y lm (ϑ, ϕ) = (−1) 1 2 (m+|m|) e imϕ2l + 1 (l − |m|)!<br />

4π (l + |m|)! P l|m|(cos(ϑ)) ,<br />

wobei die assoziierten Legendre-Funktionen P lm für m ≥ 0 durch<br />

P lm (ξ) ≡ (1 − ξ2 ) m/2<br />

2 l l!<br />

gegeben sind. Konkret erhält man:<br />

Y 00 = 1 √<br />

4π<br />

Y 10 =Ö3<br />

4π cos(ϑ)<br />

d m+l<br />

dξ m+l (ξ2 − 1) l<br />

Y 11 = −Ö3<br />

8π sin(ϑ)eiϕ<br />

Y 1,−1 = −Y ∗<br />

11 usw.<br />

Interessant ist noch, dass die Parität von Y lm , d. h. das Verhalten unter Raumspiegelungen<br />

am Ursprung, durch die Quantenzahl l bestimmt wird:<br />

(PY lm )(ϑ, ϕ) = Y lm (π − ϑ, ϕ + π) = e imπ (−1) |m|+l Y lm (ϑ, ϕ)<br />

= (−1) l Y lm (ϑ, ϕ) ,<br />

so dass Y lm auch eine Eigenfunktion des Paritätsoperators P zum Eigenwert<br />

(−1) l ist.<br />

Es sei noch hinzugefügt, dass unser Ergebnis für die Eigenwerte von ˆL 2 und<br />

ˆL 3 eine Relevanz hat, die weit über den Spezialfall des Bahndrehimpulses hinausgeht.<br />

Die Argumente, die zu Gleichung (6.18) führen, sind für jeden Operator<br />

Ĵ gültig, dessen Komponenten die Vertauschungsrelationen eines Drehimpulses<br />

erfüllen:<br />

[Ĵk, Ĵl] = iε klm Ĵ m .<br />

Auch in diesem allgemeinen Fall kann man die Eigenwerte von Ĵ2 und Ĵ3 einführen<br />

als:<br />

Ĵ 2 φ jj3 = 2 j(j + 1)φ jj3 (j ≥ 0)<br />

Ĵ 3 φ jj3 = j 3 φ jj3<br />

und man findet:<br />

entweder: j = 0, 1, 2, . . .<br />

oder: j = 1 2 , 3<br />

2 , 5<br />

2 , . . . und j 3 = −j, −j + 1, . . . , j .<br />

Im allgemeinen Fall können halbzahlige j-Werte also keineswegs ausgeschlossen<br />

werden. Wir werden im Folgenden sehen, dass halbzahlige Drehimpulse in der<br />

Physik sogar eine sehr wichtige Rolle spielen.<br />

.


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 108<br />

6.5 Eigenwertgleichung für den radialen<br />

Anteil R νl (r)<br />

Der letzte Punkt auf unserem Programm zur Lösung kugelsymmetrischer Probleme<br />

ist die Untersuchung des Radialanteils R νl (r). Die entsprechende Eigenwertgleichung<br />

ist:<br />

Ĥ r R νl =å(ˆp r ) 2<br />

2µ + V (r) + 2 l(l + 1)<br />

2µr 2èR νl ≡ E νl R νl . (6.20)<br />

Typische Potentiale V (r), die in kugelsymmetrischen Problemen von Interesse<br />

sind, sind z. B. das Kastenpotential, das harmonische Potential und das<br />

Coulomb-Potential:<br />

V Kasten (r) =0 (r < r 0 )<br />

∞ (r > r 0 )<br />

V harm (r) = 1 2 mω2 r 2 .<br />

, V Coulomb (r) = − e2<br />

4πε 0 r<br />

Ein weiteres sehr wichtiges Beispiel sind Van-der-Waals-Kräfte, die durch ein<br />

Potential der Form V (r) ∝ −r −6 (r ≫ a B ) beschrieben werden. Die Wechselwirkung<br />

zwischen Atomen in Edelgasen wird häufig mit einem Lennard-Jones-<br />

Potential beschrieben, V (r) = 4ε[( σ r )12 − ( σ r )6 ], das sowohl die Abstoßung zwischen<br />

Atomen für kleine Abstände und die Van-der-Waals-Anziehung für große<br />

Abstände korrekt reproduziert.<br />

Bei der Untersuchung der Eigenwertgleichung (6.20) beschränken wir uns<br />

auf realistische Potentiale: r 2 V (r) → 0 für r → 0, zumindest wenn V (r) < 0<br />

gilt. 2 In diesem Fall gilt für kleine r:<br />

d. h.<br />

(ˆp r ) 2<br />

2µ R νl ∼ − 2 l(l + 1)<br />

2µr 2 R νl , ˆp r = ∂<br />

ir ∂r r ,<br />

d 2<br />

dr 2 (rR l(l + 1)<br />

νl) ∼<br />

r 2 (rR νl ) .<br />

2 Um zu entscheiden, ob anziehende Potentiale mit r 2 V (r) ↛ 0 für r → 0 physikalisch<br />

sinnvoll sind, betrachten wir eine Variationswellenfunktion der Form φ(r) ≡<br />

1<br />

√ 3/2<br />

Φ(r/r 0 ), wobei Φ(̺) aufgrund der Normierung die Eigenschaft 1 =Êdr |φ(r)| 2 =<br />

4πr<br />

0 Ê∞<br />

dr r 2 r −3<br />

0 0 |Φ(r/r 0)| 2 =Ê∞<br />

d̺ ̺2 |Φ(̺)| 2 hat. Außerdem führen wir die Definitionen<br />

0<br />

̺Φ(̺) ≡ f(̺) und 2mV 0<br />

2 ≡ v 0 ein. Für ein anziehendes Potential der Form V (r) = − V 0<br />

r s (s ><br />

2, V 0 > 0), so dass in der Tat r 2 V (r) ↛ 0 gilt, folgt dann:<br />

〈Ĥ〉 φ =∞<br />

0<br />

=<br />

2m∞<br />

2<br />

dr r 2 Φ ∗ (r/r 0 )å− 2 d 2<br />

2mr dr 2 r − V 0<br />

r sèΦ(r/r 0 )r −3<br />

0<br />

0<br />

d̺ ̺Φ ∗ (̺)å− 1<br />

r 2 0<br />

d 2<br />

d̺2 − v 0<br />

(r sè̺Φ(̺)<br />

0̺)<br />

=<br />

2må1 2 d̺¬df<br />

r0∞<br />

2 −<br />

d̺¬2 v 0<br />

r 0<br />

0∞<br />

s d̺ ̺−s |f| 2è−→ −∞ (r 0 ↓ 0) .<br />

0<br />

Die Form von Φ(̺) oder f(̺) wird hierbei natürlich so gewählt, dass die Integrale existieren. Da<br />

die variationelle Energie 〈Ĥ〉 φ für alle r 0 > 0 eine obere Schranke für die Grundzustandsenergie<br />

E 0 darstellt: E 0 ≤ 〈Ĥ〉 φ , folgt E 0 = −∞, was selbstverständlich als unrealistisch einzustufen<br />

ist. Attraktive Potentiale mit s > 2 sind somit unphysikalisch.


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 109<br />

Die Lösung hat für alle l ∈ N (d. h. insbesondere auch für den Spezialfall l = 0,<br />

den man gesondert betrachten sollte,) die Form:<br />

rR νl ∼ Ar l+1 oder rR νl ∼ Ar −l (r ↓ 0) ,<br />

allerdings ist die zweite Lösung physikalisch nicht akzeptabel, da die Lösung für<br />

l ≥ 1 nicht normierbar ist:<br />

∞<br />

0<br />

dr r 2 [R νl (r)] 2 dråA<br />

lè2<br />

= ∞ (l ≥ 1)<br />

∼0 r<br />

und für l = 0 die Schrödinger-Gleichung nicht erfüllt:<br />

[Ĥφ ν00](r) ∼å− 2<br />

2m ∆ + V (r)èA √<br />

4πr<br />

∼ √ A<br />

4πå4π 2<br />

2m δ(x) + V (r)1 ν0 φ ν00 ∼<br />

rè≠E E ν0A<br />

√ .<br />

4πr<br />

Es wurde hierbei ∆ 1 r<br />

= −4πδ(x) benutzt. Es folgt also, dass für kleine r<br />

R νl (r) ∼ A νl r l (r ↓ 0) (6.21)<br />

gilt. Die Berechnung für kleine r zeigt übrigens, dass es zweckmäßig ist, eine<br />

Hilfsfunktion<br />

u νl (r) ≡ rR νl (r)<br />

einzuführen, die die eindimensionale Schrödinger-Gleichung<br />

å− 2<br />

d 2<br />

2µ dr 2 + V (r) + 2 l(l + 1)<br />

2µr 2èu νl = E νl u νl<br />

und die üblichen Orthonormalitäts- und Vollständigkeitsbedingungen:<br />

∞<br />

0<br />

ν<br />

dr u νl (r)u ν′ l(r) = δ νν ′<br />

u νl (r)u νl (r ′ ) = δ(r − r ′ )<br />

(∀l)<br />

erfüllt. 3 Aufgrund von (6.21) verhält sich die Hilfsfunktion u νl (r) für kleine r<br />

wie<br />

u νl (r) ∼ A νl r l+1 (r ↓ 0) .<br />

Das Verhalten für große r ist bereits aus der Übung bekannt: Falls<br />

V (r) ∼ V 0 r α (r → ∞)<br />

3 Aus der Übung ist bekannt, dass die Eigenenergien nicht entartet sind, falls V (r) → ∞<br />

für |r| → ∞. Für r < 0 können wir formal V (r) = ∞ setzen, da sowieso u(0) = 0 gilt.<br />

Für r → ∞ ergibt sich entweder automatisch V (r) → ∞ (Teilchen im Kasten, harmonischer<br />

Oszillator), oder man führt als Hilfsmittel einen endlichen Kasten ein, um die Wellenfunktion<br />

normierbar zu machen (Wasserstoffproblem). In allen Fällen folgt also die Nichtentartung der<br />

Energieniveaus.


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 110<br />

gilt, folgt<br />

R νl (r) = 1 r u νl(r) ∝ e −(r/l0)1+ 1 2 α /(1+ 1 2 α) , l 0 = 2<br />

2µV 01<br />

2+α<br />

.<br />

Im Spezialfall V (r) → 0 für r → ∞ gilt für Bindungszustände (E < 0):<br />

und daher:<br />

u ′′<br />

νl (r) ∼ κ2 u νl (r) , κ ≡Ö2µ|E|<br />

2 ,<br />

R νl (r) = 1 r u νl(r) ∝ e −κr (r → ∞) .<br />

Für Energien E > 0 hat man in diesem Spezialfall ausgedehnte Zustände.<br />

Wir kehren zurück zur Eigenwertgleichung (6.20) für R νl (r) und diskutieren<br />

nun das exakt lösbare Beispiel des Wasserstoffproblems.<br />

6.6 Das Wasserstoffproblem<br />

Das Potential eines Elektrons im Feld eines positiv geladenen Kerns ist<br />

V (r) = eΦ(r) = − Ze2<br />

4πε 0 r<br />

.<br />

Es ist im Folgenden zweckmäßig, die Feinstrukturkonstante α und den Bohrradius<br />

a B einzuführen:<br />

α ≡<br />

e2<br />

4πε 0 c<br />

, a B ≡ 4πε 0 2<br />

m e e 2 , a ≡ m e<br />

µ a B .<br />

Man kann die Energieeigenwerte des Wasserstoffproblems dann darstellen als:<br />

E = − Z2<br />

2µ Ry≡− Z2<br />

ry (n = 1, 2, . . .) , (6.22)<br />

n m e n2 wobei die Rydberg-Konstante durch<br />

Ry = 1 2 α2 m e c 2 =<br />

e2 2<br />

=<br />

8πε 0 a B 2m e (a B ) 2 ≃ 13, 6 eV ≃ 2, 18 · 10−18 J<br />

gegeben ist. Wiederum hängt die Energie nur von der Hauptquantenzahl n (und<br />

nicht von l) ab.<br />

Um (6.22) zu überprüfen, betrachten wir diese Gleichung als Definition von<br />

n und zeigen, dass notwendigerweise n = 1, 2, . . . gilt. Die radiale Schrödinger-<br />

Gleichung lautet:<br />

0 =åd 2<br />

dr 2 + 2 d<br />

r dr + 2µ<br />

2E + Ze2<br />

4πε 0 r − 2 l(l + 1)<br />

=åd 2<br />

dr 2 + 2 r<br />

d<br />

dr −<br />

2µr 2èR<br />

Z2<br />

n 2 a 2 + 2Z l(l + 1)<br />

−<br />

ar r 2èR .


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 111<br />

Wir führen nun eine dimensionslose Länge z ≡ 2Zr<br />

na<br />

ein, damit R(r) für große z<br />

dieselbe z-Abhängigkeit hat wie für den harmonischen Oszillator:<br />

R(r) ∝´r l ∝ z l (z ↓ 0)<br />

e −κr = e − Z na r = e − 1 2 z (z → ∞)<br />

.<br />

Wenn man mit z( na<br />

2Z )2 multipliziert folgt:<br />

0 =åz d2<br />

dz 2 + 2 d dz − 1 l(l + 1)<br />

z + n − .<br />

4 zèR<br />

Wir machen den Ansatz:<br />

R(r) = z l w(z)e − 1 2 z (6.23)<br />

und finden einen Spezialfall der Kummer’schen Differentialgleichung:<br />

0 = zw ′′ + (B − z)w ′ − Aw , A = l + 1 − n , B = 2(l + 1) .<br />

Man kann die Lösung mit der Eigenschaft 0 < |w(0)| < ∞ mit Hilfe eines<br />

Potenzreihenansatzes bestimmen. Das Ergebnis ([1], (13.1.2)) ist als die Kummer’sche<br />

Funktion 4 bekannt und hat die Form:<br />

w(z) = w(0)M(A, B, z) = w(0)<br />

∞k=0<br />

(A) k z k<br />

(B) k k!<br />

,<br />

wobei (A) k das sogenannte Pochhammer-Symbol ist: 5<br />

(A) k ≡ A(A + 1) · · · (A + k − 1) , (A) 0 = 1 .<br />

Man überprüft leicht, dass die Kummer’sche Funktion in der Tat die Kummer’sche<br />

Differentialgleichung erfüllt:<br />

1<br />

w(0) [zw′′ + (B − z)w ′ − Aw]<br />

=<br />

∞k=2<br />

(A) k<br />

k(k − 1) zk−1<br />

+ (B − z)<br />

(B) k k!<br />

∞k=1<br />

(A) k<br />

k zk−1<br />

− A<br />

(B) k k!<br />

∞k=0<br />

(A) k z k<br />

(B) k k!<br />

=<br />

=<br />

∞k=1å(A) k+1<br />

(B + k) − (A) k<br />

(A + k)èz k<br />

(B) k+1 (B) k k! + B (A) 1<br />

− A (A) 0<br />

(B) 1 (B) 0<br />

∞k=1å(A) k+1<br />

− (A) k+1<br />

(B) k (B) kèz k<br />

k! + A − A = 0 .<br />

Die bislang unbestimmte Integrationskonstante w(0) folgt aus der Normierung.<br />

Falls nun nicht (A) k = 0 gilt für irgendein k ∈Æ, wird die Potenzreihe nicht<br />

abgebrochen, und es folgt nach [1], Formel (13.1.4):<br />

w(z) ∼ w(0) Γ(B)<br />

Γ(A) zA−B e z (z → ∞) ,<br />

4 eine spezielle konfluente hypergeometrische Funktion.<br />

5 Das Pochhammer-Symbol ist natürlich eng mit der Gammafunktion verknüpft. Es gilt der<br />

einfache Zusammenhang: (A) k = Γ(A+k)<br />

Γ(A) .


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 112<br />

so dass R(r) insgesamt nicht normierbar ist: R(r) ∝ e Zr/na für r → ∞. Folglich<br />

muss (A) k = 0 gelten für irgendein k ∈Æ, so dass A eine nicht-positive ganze<br />

Zahl ist. Die einzige physikalisch akzeptable Lösung ist daher:<br />

(n − l − 1)!<br />

w(z) = w(0)M(l + 1 − n, 2l + 2, z) = w(0) L (2l+1)<br />

n−l−1<br />

(z) , (6.24)<br />

(2l + 2) n−l−1<br />

wobei unbedingt (n − l − 1) ∈Ægelten soll, damit R(r) normierbar ist, und<br />

w(0) aus der Normierung bestimmt wird.<br />

Wir konnten also bestätigen, dass notwendigerweise (n − 1) ∈Ægilt, was<br />

(6.22) beweist. Die erlaubten Nebenquantenzahlen sind für festes n gegeben<br />

durch l = 0, 1, . . .,n − 1. Wir finden also insgesamt für den radialen Anteil der<br />

Wellenfunktion des Wasserstoffproblems:<br />

R nl (r) = w(0)z l e −1 2 z (n − l − 1)!<br />

L (2l+1)<br />

n−l−1<br />

(2l + 2) (z) ,<br />

n−l−1<br />

z = 2Zr<br />

na ,<br />

wobei L (α)<br />

n (x) ein verallgemeinertes Laguerre-Polynom 6 darstellt. Im Grundzustand<br />

(n = 1, l = 0) gilt zum Beispiel:<br />

R 10 (r) = w(0)e − 1 2 z = 2Z<br />

a3/2<br />

e<br />

−Zr/a<br />

Man sieht, dass die Wellenfunktion umso stärker lokalisiert ist, je größer die<br />

Kernladung ist.<br />

Für E > 0 erhält man ausgedehnte Zustände. Die explizite Form dieser<br />

Zustände folgt noch am einfachsten, wenn man in (6.22) n → −iν setzt:<br />

E = − Z2 Z2<br />

ry = ry (ν > 0)<br />

n2 ν2 und in (6.23) und (6.24):<br />

R(r) = const. · ζ l e −1 2 iζ M(l + 1 + iν, 2l + 2, iζ)<br />

κaè<br />

mit ζ = 2Zr<br />

νa = 2κr und κ =2µE/2 .<br />

Die Kummer’sche Funktion M mit diesen Parameterwerten ist bekannt als<br />

die (reguläre) Coulomb-Wellenfunktion ([1], Kapitel 14). Das asymptotische Verhalten<br />

für große Abstände vom Kern (ζ → ∞, d. h. r → ∞) folgt mit ν = Z κa<br />

als:<br />

R(r) ∝ 1 κr sinåκr + Z κa ln(2κr) − π 2 l + arg Γl + 1 − i Z (6.25)<br />

und zeigt, wie erwartet, dass die Wellenfunktion nicht normierbar ist. Man kann<br />

dieses Problem natürlich leicht beheben, indem man ein endliches sphärisches<br />

.<br />

6 Die explizite Form dieser Polynome ist nach [1], Formel (22.3.9) durch:<br />

L (α)<br />

n (x) =<br />

(−1)<br />

nm=0<br />

mn + α<br />

n − mx m<br />

m!<br />

mit α > −1 gegeben.


---------------------------------------------------------------------------------------------------- 6. DAS ZENTRALPOTENTIAL 113<br />

Normierungsvolumen mit Radius r 0 einführt und fordert, dass die Wellenfunktionen<br />

auf dem Rand dieses Volumens Null sind. An geeigneter Stelle nimmt<br />

man dann den Limes r 0 → ∞.<br />

Interessant ist noch, dass (6.25) sich durch das Auftreten des logarithmischen<br />

Terms sogar für beliebig große Abstände vom analogen Resultat für ein freies<br />

Teilchen unterscheidet. Hier äußert sich die Langreichweitigkeit der Coulomb-<br />

Wechselwirkung.<br />

Zusammenfassend ist die Lösung des Wasserstoffproblems in der nichtrelativistischen<br />

<strong>Quantenmechanik</strong>,<br />

i∂ t ψ =åˆp 2<br />

gegeben durch:<br />

2µ + V (r)èψ , V (r) = − Ze2<br />

4πε 0 r ,<br />

ψ(r, t) =nlm<br />

e −iEnt/ φ nlm (φ nlm , ψ 0 ) ,<br />

wobei ψ 0 den Anfangszustand bezeichnet,<br />

E n = − Z2<br />

n 2 ry = − Z2 µ<br />

n 2 m e<br />

Ry<br />

die (l-unabhängigen) Eigenenergien darstellt, und die Struktur der stationären<br />

Zustände durch:<br />

φ nlm (r) = R nl (r)Y lm (ϑ, ϕ)<br />

gegeben ist. Hierbei gilt im diskreten Teil des Spektrums (n = 1, 2, . . .):<br />

l = 0, 1, . . ., n − 1 , m = −l, −l + 1, . . ., l<br />

und im kontinuierlichen Teil des Spektrums (n = −iν, ν > 0) einfach l ∈Æ,<br />

−l ≤ m ≤ l.


Kapitel7<br />

Der Spin<br />

7.1 Das Wasserstoffatom im Magnetfeld<br />

Der Hamilton-Operator des Wasserstoffatoms (Z = 1) in Anwesenheit eines<br />

elektromagnetischen Felds ist:<br />

1 − eA(x 1 , t)ç2<br />

2 − |e|A(x 2 , t)ç2<br />

Ĥ =äˆp<br />

+äˆp<br />

+ V (|x 1 − x 2 |)<br />

2m 1<br />

2m 2<br />

+ eΦ(x 1 , t) + |e|Φ(x 2 , t) ,<br />

wobei die Koordinaten des Elektrons bzw. des Protons mit den Indizes 1 bzw.<br />

2 bezeichnet werden. Da die Potentiale A(x, t) und Φ(x, t) im Allgemeinen explizit<br />

ortsabhängig sind, kann man die Schwerpunkts- und Relativkoordinaten<br />

nicht separieren, wie dies beim Wasserstoffproblem in Abwesenheit eines Feldes<br />

möglich war. Wenn wir den vollen Hamilton-Operator im Folgenden also durch<br />

den Hamiltonian<br />

Ĥ =äˆp − eA(x, t)ç2<br />

2m<br />

+ V (r) + eΦ(x, t) , r = |x| , (7.1)<br />

ersetzen, dann ist nicht von einer exakten Transformation die Rede, sondern<br />

von einer sehr guten Näherung, wobei das Proton als unendlich schwer angesehen<br />

(m 2 /m 1 ≃ 2000) und im Ursprung lokalisiert gedacht wird. Der Hamilton-<br />

Operator (7.1) berücksichtigt also nur die elektronischen Freiheitsgrade.<br />

In der Coulomb-Eichung (∇ · A = 0) gilt ˆp · A = A · ˆp, so dass (7.1) sich<br />

reduziert auf:<br />

Ĥ = ˆp2<br />

2m − e e2<br />

A · ˆp +<br />

m 2m A2 + V (r) + eΦ(x, t) . (7.2)<br />

Es ist instruktiv, den Spezialfall eines konstanten und räumlich homogenen Magnetfelds<br />

zu betrachten:<br />

A(x, t) = A(x) = 1 2B × x , eΦ(x, t) = 0 .<br />

Man überprüft leicht, dass sowohl ∇ ×A = B als auch ∇ ·A = 0 gilt. Es folgt:<br />

Ĥ = ˆp2<br />

2m − e<br />

2m B · ˆL + e2<br />

8m (B × x)2 + V (r) . (7.3)


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 115<br />

e<br />

Der Vorfaktor<br />

2m des B · ˆL-Terms wird als gyromagnetisches Verhältnis bezeichnet;<br />

dies ist das Verhältnis zwischen dem Drehimpuls ˆL und dem damit<br />

verknüpften magnetischen Moment: ˆµ Bahn =<br />

e ˆL. 2m<br />

Der Einfluss des dritten<br />

Terms im rechten Glied von (7.3), proportional zu B 2 , ist meist klein. Physikalisch<br />

ist er dennoch interessant, da er den atomaren Diamagnetismus erklärt.<br />

Unter Vernachlässigung des B 2 -Terms erhalten wir den Hamilton-Operator<br />

Ĥ = Ĥ0 −<br />

e<br />

2m B · ˆL ,<br />

Ĥ 0 = ˆp2<br />

2m + V (r) ,<br />

der also für nicht allzu starke Magnetfelder eine gute Beschreibung des Wasserstoffatoms<br />

darstellt. Wählen wir nun die e 3 -Achse in Richtung des Magnetfelds<br />

B, so dass B = Be 3 gilt, dann reduziert sich der Hamiltonian auf:<br />

Ĥ = Ĥ 0 −<br />

e<br />

2m BˆL 3 . (7.4)<br />

Die gemeinsamen Eigenfunktionen φ nlm von Ĥ0, ˆL 2 und ˆL 3 sind aus der Behandlung<br />

des Wasserstoffproblems in Abwesenheit eines Magnetfelds bekannt.<br />

Die Energieeigenwerte von (7.4) folgen sofort als:<br />

wobei<br />

E nlm = E n + ω L m (m = −l, . . .,l) , (7.5)<br />

ω L = |e|B<br />

2m<br />

die Larmor-Frequenz darstellt und E n die bereits bekannte Eigenenergie von<br />

Ĥ 0 ist. Aus dem Ergebnis (7.5) folgt, dass die Energieniveaus im Magnetfeld<br />

aufgespalten sind:<br />

∆E ≡ E nl,m+1 − E nlm = ω L .<br />

Diese Energieaufspaltung ist natürlich auch in den Spektrallinien sichtbar und<br />

wird als „normaler Zeeman-Effekt“ bezeichnet. Für dessen Entdeckung und Erklärung<br />

haben P. Zeeman und der Theoretiker H.A. Lorentz 1902 den Nobelpreis<br />

erhalten. Zur Illustration sind die Energieniveaus für ein d-Elektron (l = 2) in<br />

Abbildung 7.1 dargestellt.<br />

Die experimentelle Realität ist übrigens deutlich komplizierter als sie in diesem<br />

Bild dargestellt wurde. Zusätzlich zum normalen Zeeman-Effekt tritt noch<br />

eine weitere Aufspaltung der Energieniveaus (7.5) in jeweils zwei neue Niveaus<br />

auf, die als „anomaler Zeeman-Effekt“ bekannt ist. Als Beispiel sei das Resultat<br />

für Elektronen in einem (l = 0)-Zustand gezeigt (vgl. Abbildung 7.2). Aus<br />

diesem (zunächst übrigens unverstandenen) Befund folgt, dass das Elektron offenbar<br />

einen inneren Freiheitsgrad mit zwei möglichen Eigenzuständen hat.<br />

E n<br />

(B = 0)<br />

(Vorhersage B ≠ 0)<br />

∆E = ¯hω L<br />

Abbildung 7.1: Aufspaltung der Energieniveaus für l = 2


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 116<br />

E n=5<br />

(B = 0) (Erwartung B ≠ 0)<br />

(Experiment B ≠ 0)<br />

∆E = 2¯hω L<br />

Abbildung 7.2: Anomaler Zeeman-Effekt für l = 0<br />

Die Frage nach der Natur dieses inneren Freiheitsgrads wurde erst drei Jahre<br />

später beantwortet, als Goudsmit und Uhlenbeck im Herbst 1925 die Eigenrotation<br />

des Elektrons mit der Drehimpulsquantenzahl s = 1 2<br />

und dem gyromagnetischen<br />

Faktor g = 2 postulierten („Spin“). Im Januar desselben Jahres hatte<br />

auch de Laer Kronig diesen Vorschlag gemacht; er wurde allerdings durch Pauli<br />

(aufgrund inkorrekter Argumente) von einer Publikation abgehalten. Das neue<br />

Konzept des „Spins“ erklärte auch im Nachhinein das Stern-Gerlach-Experiment<br />

(1922) an Silberatomen in einem inhomogenen Magnetfeld, in dem ein Bündel<br />

einfallender Atome aufgrund der Anwesenheit eines elektronischen magnetischen<br />

Moments aufgespalten wird. Silberatome ([Kr]4d 10 5s 1 ) sind wasserstoffähnlich,<br />

dadurch dass sie (abgesehen von einigen vollen Schalen, die den Kern abschirmen)<br />

nur ein einziges Valenzelektron in einer s-Schale enthalten.<br />

Die quantenmechanische Beschreibung des „Spins“, d. h. der Eigenrotation,<br />

erfolgt mit Hilfe eines Zusatzterms im Hamilton-Operator, der analog zur Ankopplung<br />

des Bahndrehimpulses an das Magnetfeld konstruiert wird:<br />

Ĥ B = Ĥ0 −<br />

e<br />

2m B · ˆL − g e<br />

2m B · Ŝ . (7.6)<br />

Hierbei soll der Operator Ŝ ein Drehimpuls mit der Quantenzahl s = 1 2 sein:<br />

Ŝ × Ŝ = iŜ bzw. [Ŝk,<br />

Ŝ 2 = s(s + 1) 2 11 = 3 4 2 11 .<br />

Ŝl] = iε klm Ŝ m<br />

Wir wählen die e 3 -Achse wieder in Richtung des Magnetfelds B, damit der<br />

Hamilton-Operator die einfache Form<br />

Ĥ ‖ = Ĥ0 + ω L (ˆL 3 + gŜ3) (g = 2) (7.7)<br />

erhält. Aus dem Postulat, dass der Drehimpuls Ŝ die Quantenzahl s = 1 2 hat,<br />

folgt, dass die Eigenwerte von Ŝ3 durch ±s, d. h. durch ± 1 2, gegeben sind.<br />

Bezeichnen wir die entsprechenden Eigenvektoren von Ŝ3 als χ ± , dann gilt also:<br />

Ŝ 3 χ + = + 1 2 χ +<br />

Ŝ 3 χ − = − 1 2 χ −Ŝ 3 χ λ = λ 1 2 χ λ (λ = ±) .<br />

Wegen der Hermitezität der Observablen Ŝ3 müssen die Eigenvektoren χ λ orthonormal<br />

sein:<br />

χ † λ · χ λ ′ = δ λλ ′ (λ, λ′ = ±) .<br />

Wegen der endlichen Dimensionalität des Hilbert-Raums sind sie auch vollständig:λ<br />

χ λ χ † λ = 11 .


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 117<br />

Die Eigenfunktionen des Gesamt-Hamilton-Operators sind nun Kombinationen<br />

aus den φ nlm und den Spineigenvektoren χ λ :<br />

Φ nlmλ (x) = φ nlm (x)χ λ (λ = ±) , (7.8)<br />

und die entsprechenden Eigenenergien sind:<br />

E nlmλ = E n + ω L (m + λ 1 2 g).<br />

Wegen des Postulats g = 2 führt der Spin zu einer Energieaufspaltung<br />

E nlm+ − E nlm− = gω L = 2ω L ,<br />

=<br />

im Einklang mit dem Stern-Gerlach-Experiment.<br />

Die Eigenfunktionen (7.8) des Hamilton-Operators (7.7) mit B = Be 3 sind<br />

gemeinsame Eigenfunktionen der Operatoren Ĥ0, ˆL2 , ˆL 3 , Ŝ2 und Ŝ3. Da Ŝ2<br />

proportional zur Identität (und daher eine triviale Funktion<br />

0<br />

der übrigen Operatoren)<br />

ist, Ŝ2 = 3 4 2 11, bilden Ĥ0, ˆL 2 , ˆL 3 und Ŝ3 einen vollständigen Satz. Die<br />

Lösung der Schrödinger-Gleichung mit dem Hamilton-Operator (7.7) lautet:<br />

Ψ(x, t) e −iEnlmλt/ Φ nlmλ (x)Φ nlmλ ,Ψ<br />

nlmλ<br />

≡λ<br />

ψ λ (x, t)χ λ . (7.9)<br />

wobei Ψ 0 den Anfangszustand darstellt:<br />

Ψ 0 (x) ≡ Ψ(x, 0) =λ<br />

ψ λ (x, 0)χ λ .<br />

Die Normierung der Wellenfunktion Ψ(x, t) ist nun durch eine Summe über<br />

beide Spinrichtungen gegeben:<br />

‖Ψ‖ 2 = (Ψ,Ψ) =λλ ′dxψ λ (x, t) ∗ ψ λ ′(x, t)χ † λ · χ λ ′<br />

=λdx |ψ λ (x, t)| 2 = 1 . (7.10)<br />

Im Falle des Hamiltonians (7.7) mit B = Be 3 sind Übergänge zwischen den<br />

beiden Spinrichtungen λ = ± nicht möglich, so dass die GewichteÊdx |ψ λ | 2 der<br />

beiden Spinrichtungen auch separat erhalten sind. Man bezeichnet λ als „gute<br />

Quantenzahl“, was bedeutet, dass λ der Eigenwert eines Operators ist, der mit<br />

dem Hamiltonian kommutiert. Hier gilt zum Beispiel [Ĥ‖, Ŝ3] = 0.<br />

Es ist klar, dass die allgemeine zeitabhängige Lösung (7.9) der Schrödinger-<br />

Gleichung mit dem Hamilton-Operator (7.6) nur deshalb relativ leicht bestimmt<br />

werden konnte, weil das Magnetfeld orts- und zeitunabhängig und das elektrische<br />

Feld gleich Null angesetzt wurden. Das allgemeine Problem, d. h. die verallgemeinerte<br />

Schrödinger-Gleichung<br />

i∂ t Ψ = ĤΨ ,<br />

Ĥ =äˆp − eA(x, t)ç2<br />

2m<br />

+ eΦ(x, t) − g e B(x, t) · Ŝ ,<br />

2m


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 118<br />

die üblicherweise als Pauli-Gleichung bezeichnet wird, ist natürlich erheblich<br />

schwieriger, und man kann nur in Spezialfällen exakte Lösungen erzielen. Die<br />

zweikomponentige Spinwellenfunktion<br />

Ψ(x, t) =λ<br />

ψ λ (x, t)χ λ<br />

wird Pauli zu Ehren als Pauli-Spinor bezeichnet.<br />

7.2 Eine Matrixdarstellung für Ŝ<br />

Häufig wählt man die Eigenfunktionen χ λ als Basis des zweidimensionalen<br />

Hilbert-Raums der Spinwellenfunktionen:<br />

χ + =1<br />

0,χ − =0<br />

1,<br />

so dass die allgemeine zweikomponentige Spinwellenfunktion als<br />

Ψ(x, t) ψ λ (x, t)χ λ =ψ + (x, ψ − (x, t)<br />

=λ<br />

geschrieben werden kann. In dieser Basis hat die Spinkomponente Ŝ3 offensichtlich<br />

die Matrixdarstellung:<br />

Ŝ 3 = 1 2 1 0<br />

0 −1.<br />

Um die Matrixdarstellungen von Ŝ1 und Ŝ2 zu bestimmen, definieren wir die<br />

Leiteroperatoren<br />

Ŝ ± ≡ Ŝ1 ± iŜ2 (Ŝ† + = Ŝ−) .<br />

Dieselben Argumente, die im Falle des Drehimpulses zum Schluss führten, dass<br />

ˆL ± Y lm = l(l + 1) − m(m ± 1)Y l,m±1<br />

gilt, liefern nun mit l → s = 1 2 und m → s 3 = ± 1 2 :<br />

Ŝ + χ + = 0 , Ŝ + χ − = χ +<br />

0<br />

Ŝ − χ − = 0 , Ŝ − χ + = χ − ,<br />

so dass Ŝ± die Matrixdarstellung<br />

1<br />

0<br />

Ŝ + = 0<br />

0 0,Ŝ − = 0<br />

1<br />

hat. Folglich sind Ŝ1 und Ŝ2 durch<br />

Ŝ 1 = 1 2 (Ŝ+ + Ŝ−) = 10 1<br />

2 1 0,Ŝ 2 = 1 2i (Ŝ+ − Ŝ−) = 10 −i<br />

2 i<br />

0


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 119<br />

gegeben. Führen wir also die Pauli-Matrizen<br />

1<br />

−i<br />

0<br />

σ 1 =0<br />

1 0,σ 2 =0<br />

i 0,σ 3 =1<br />

0 −1<br />

ein, dann hat der Spinoperator Ŝ die Matrixdarstellung:<br />

Ŝ = 1 2 σ , σ ≡σ 1<br />

σ 2<br />

σ 3.<br />

Die Pauli-Matrizen erfüllen bekanntlich die Vertauschungsrelationen:<br />

[σ k , σ l ] = 2iε klm σ m , (7.11)<br />

oder, anders dargestellt: σ × σ = 2iσ.<br />

Mit Hilfe der expliziten Darstellung Ŝ = 1 2σ für den Spinoperator kann die<br />

Dynamik eines lokalisierten Spins (also ohne Ortsabhängigkeit der Wellenfunktion)<br />

nun relativ leicht berechnet werden. In diesem Fall lautet die Schrödinger-<br />

(oder Pauli-) Gleichung:<br />

i∂ t Ψ = −g e<br />

2mäB(t) · ŜçΨ , Ψ(0) ≡ Ψ 0 . (7.12)<br />

Zum Beispiel für ein zeitunabhängiges Magnetfeld, B(t) = B ˆB und daher: Ĥ =<br />

gω L (ˆB · Ŝ), folgt die Lösung von (7.12) für beliebige Ψ 0 einfach als:<br />

Ψ(t) = e −iĤt/ Ψ 0 = e −iωLt(ˆB·σ) Ψ 0 (g = 2)<br />

=äcos(ω L t)11 − i sin(ω L t)(ˆB · σ)çΨ 0 ,<br />

wobei verwendet wurde, dass für beliebige Magnetfeldrichtungen ˆB die Identität<br />

(ˆB · σ) 2 = 11 gilt. Beispielsweise entspricht die Anfangsbedingung Ψ 0 = ( 1 0 )<br />

einem Spinzustand, der „in x 3<br />

)<br />

-Richtung polarisiert“ ist: 〈Ŝ〉 t=0 = 1 2 ê 3. Die<br />

Erhaltungsgröße Energie ist folglich durch<br />

〈Ĥ〉 t = 〈Ĥ〉 t=0 = gω L ˆB · 〈 Ŝ〉 t=0 = ω L ˆB3<br />

gegeben. Die zeitabhängige Wellenfunktion folgt als<br />

Ψ(t) =cos(ω L t) − i sin(ω L t) ˆB 3<br />

sin(ω L t)( ˆB 2 − i ˆB 1<br />

und ist selbstverständlich auf Eins normiert:<br />

‖Ψ(t)‖ 2 = cos 2 (ω L t) + sin 2 (ω L t)( ˆB 3 2 + ˆB 2 2 + ˆB 1) 2 = 1 .<br />

Die Erwartungswerte der Komponenten des Spinoperators sind durch<br />

〈Ŝ3〉 = 1Ψ(t)†1 0<br />

2<br />

〈Ŝ1〉 = · · · = 1 2 sin(2ω L t) ˆB 2 + [1 − cos(2ω L t)] ˆB 3 ˆB1<br />

〈Ŝ2〉 = · · · = 1 2 − sin(2ω L t) ˆB 1 + [1 − cos(2ω L t)] ˆB 3 ˆB2<br />

0 −1Ψ(t) = 1 2 1 − [1 − cos(2ω L t)]1 − ˆB 2 3


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 120<br />

gegeben. Bemerkenswerterweise ist 〈Ŝ〉 als Funktion der Zeit π ω L<br />

-periodisch, obwohl<br />

die Spinwellenfunktion Ψ(t) selbst lediglich 2π<br />

ω L<br />

-periodisch ist: Ψt + π ω L=<br />

−Ψ(t), und daher: Ψt + 2π<br />

ω L=Ψ(t). Interessant ist außerdem, dass der Erwartungswert<br />

des Spinoperators um das Magnetfeld B präzediert:<br />

d〈Ŝk〉<br />

dt<br />

und daher:<br />

d〈Ŝ〉<br />

dt<br />

= 1 1<br />

〈[Ŝk, Ĥ]〉 =<br />

i i gω L ˆB l 〈[Ŝk, Ŝl]〉<br />

= gω L ˆBl ε klm 〈Ŝm〉 = gω L (ˆB × 〈Ŝ〉) k<br />

= 2ω L ˆB × 〈 Ŝ〉 .<br />

Es folgt:<br />

d<br />

dt 〈Ŝ〉2 = 4ω L 〈Ŝ〉 ·ˆB × 〈 Ŝ〉=0, so dass 〈Ŝ〉2 erhalten ist: 〈Ŝ〉2 t =<br />

〈Ŝ〉2 t=0 = (1 2 )2 .<br />

Unitär äquivalente Matrixdarstellungen für Ŝ<br />

Als Bemerkung sei hinzugefügt, dass man die Eigenspinoren χ ± von Ŝ3 nicht<br />

gleich den Basisvektoren ( 1 0 ) und ( 0 1 ) wählen muss, sondern durchaus auch ganz<br />

anders definieren kann, wie z. B. durch χ + ≡ U † ( 1 0 ) und χ − ≡ U † ( 0 1 ) mit U<br />

unitär, U † U = 11, und ansonsten beliebig. Bei dieser Wahl der Basisvektoren<br />

ist die Matrixdarstellung des Spinoperators durch Ŝ = 1 2 σ′ mit σ ′ ≡ U † σU<br />

gegeben, wobei σ der Standarddarstellung der Pauli-Matrizen entspricht. Man<br />

überprüft leicht, dass σ ′ die üblichen Vertauschungsrelationen erfüllt:<br />

[σ ′ k , σ′ l ] = 2iε klmσ ′ m , σ′ × σ ′ = 2iσ ′ ,<br />

so dass für den Spinoperator wie üblich Ŝ × Ŝ = iŜ gilt.<br />

7.2.1 Der gyromagnetische Faktor g=2<br />

Der Wert g = 2 des gyromagnetischen Faktors eines Elektrons, das von der<br />

Pauli-Gleichung beschrieben wird, war zunächst eines der Postulate von Goudsmit<br />

und Uhlenbeck (1925). Später konnte P.A.M. Dirac (1928) den Wert g = 2<br />

für Elektronen mit Hilfe seiner relativistischen Wellengleichung beschreiben.<br />

Diese Vorhersage der Dirac-Theorie bedeutet natürlich nicht, dass die Eigenschaft<br />

„Spin“ oder der gyromagnetische Faktor g = 2 inhärent relativistische<br />

Effekte sind. Ganz im Gegenteil: Die Pauli-Gleichung beschreibt ausdrücklich<br />

nicht-relativistische Teilchen; auch ein ruhendes Teilchen kann eine nicht-triviale<br />

Spindynamik aufweisen. Außerdem kann der Wert g = 2 innerhalb der nichtrelativistischen<br />

Pauli-Theorie völlig analog zur Herleitung innerhalb der Dirac-<br />

Theorie erklärt werden, wie wir im Folgenden sehen werden.<br />

Über die Dirac-Gleichung für ein geladenes Teilchen im elektromagnetischen<br />

Feld muss man hierzu lediglich wissen, dass sie vollständig durch zwei Prinzipien<br />

festgelegt ist: ein geeignetes Korrespondenzprinzip der Form<br />

E → i∂ t = ic∂ 0 , p k → ˆp k = i ∂ k = −i∂ k (7.13)


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 121<br />

und das Prinzip der minimalen Kopplung<br />

i∂ t → i∂ t − eΦ , ˆp → ˆp − eA , (7.14)<br />

oder kurz: ∂ ν → (∂ ν + ie<br />

c A ν) ≡ D ν mit A ν ≡ g νρ A ρ und A ρ = (Φ, cA). Der<br />

wesentliche Punkt ist nun, dass nicht der StandardausdruckE<br />

c2<br />

= p 2 +(m 0 c) 2<br />

„geeignet“ ist als Basis für das Korrespondenzprinzip, 1 sondern stattdessen der<br />

äquivalente Ausdruck<br />

∅ 2 =E<br />

11 2 − (σ · p)(σ · p) − (m 0 c)<br />

c2<br />

2 11 2<br />

=E<br />

c 11 pE<br />

2 − σ ·<br />

c 11 2 + σ · p−(m 0 c) 2 11 2 ,<br />

(7.15)<br />

der die für (s = 1 2<br />

)-Spinoren benötigte (2×2)-Matrixstruktur bereits beinhaltet.<br />

Es wurde die Operatoridentität:<br />

(σ · â)(σ · ˆb) = (â · ˆb)11 2 + i(â × ˆb) · σ (7.16)<br />

verwendet, die für beliebige Operatoren â = (â 1 , â 2 , â 3 ) und ˆb = (ˆb 1 ,ˆb 2 ,ˆb 3 ) gilt,<br />

die mit den Pauli-Matrizen σ kommutieren. Insbesondere gilt also (σ · p) 2 =<br />

p 2 11 2 . Einsetzen von (7.13) in (7.15) liefert nun sofort die freie Van-der-Waerden-<br />

Gleichung für einen (s = 1 2<br />

)-Spinor φ:<br />

ä(∂ 0 + σ k ∂ k )(∂ 0 − σ k ∂ k ) + µ 2çφ = 0 , µ ≡ m 0c<br />

, (7.17)<br />

<br />

die äquivalent zur freien Dirac-Gleichung ist. Die freie Van-der-Waerden- (und<br />

daher auch die freie Dirac-) Gleichung ist somit durch die charakteristische<br />

Länge µ −1 =<br />

<br />

m = αa 0c B = λ– Compton charakterisiert. Das Prinzip der minimalen<br />

Kopplung (7.14), eingesetzt in (7.17), liefert nun die Van-der-Waerden-<br />

Gleichung<br />

ä(D 0 + σ k D k )(D 0 − σ k D k ) + µ 2çφ = 0 ,<br />

die äquivalent zur Dirac-Gleichung für ein geladenes (s = 1 2<br />

)-Teilchen in einem<br />

elektromagnetischen Feld ist.<br />

Wir lernen hieraus Folgendes: Um die nicht-relativistische Pauli-Gleichung<br />

einschließlich des gyromagnetischen Faktors g = 2 herzuleiten, müssen wir also<br />

lediglich eine auf (s = 1 2<br />

)-Teilchen zugeschnittene Form der Energie-Impuls-<br />

Dispersion wählen, also nicht E = p2<br />

2m ,2 sondern<br />

E11 2 =<br />

(σ · p)(σ · p)<br />

2m<br />

,<br />

1 Dieser Standardausdruck<br />

E<br />

c¡2 = p 2 +(m 0 c) 2 führt zusammen mit dem Korrespondenzprinzip<br />

(7.13) auf die freie Klein-Gordon-Gleichung (∂ ν∂ ν + µ 2 )ψ = 0, die (s = 0)-Teilchen<br />

beschreibt. Mit Hilfe des Prinzips der minimalen Kopplung erhält man dann die Klein-Gordon-<br />

Gleichung (D νD ν + µ 2 )ψ = 0 für geladene (s = 0)-Teilchen in Wechselwirkung mit einem<br />

elektromagnetischen Feld.<br />

2 Diese Wahl der Energie-Impuls-Dispersion würde bekanntlich auf die Schrödinger-<br />

Gleichung [für (s = 0)-Teilchen] führen, die somit als nicht-relativistische Variante der Klein-<br />

Gordon-Gleichung angesehen werden kann.


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 122<br />

und dann das Korrespondenzprinzip,<br />

i∂ t Ψ =<br />

(σ · ˆp)(σ · ˆp)<br />

Ψ ,<br />

2m<br />

sowie das Prinzip der minimalen Kopplung,<br />

(i∂ t − eΦ)Ψ = 1 [σ · (ˆp − eA)] [σ · (ˆp − eA)]Ψ<br />

2m<br />

− eA)<br />

=(ˆp 2<br />

2m<br />

11 2 + i<br />

2m [(ˆp − eA) × (ˆp − eA)] · σΨ ,<br />

anwenden. Mit Hilfe der Operatoridentität<br />

i<br />

e<br />

(ˆp − eA) × (ˆp − eA) = −<br />

2m 2m B · σ = −g e B · Ŝ (g = 2)<br />

2m<br />

(7.18)<br />

folgt nun sofort die Pauli-Gleichung i∂ t Ψ = ĤΨ, wobei der Hamilton-Operator<br />

Ĥ einen Zeeman-Term mit dem korrekten gyromagnetischen Faktor g = 2 enthält.<br />

Insofern reicht „Pauli-Theorie“ für die Herleitung von g = 2; Dirac-Theorie<br />

ist nicht erforderlich.<br />

7.3 Transformationsverhalten von Spinoren unter<br />

Drehungen<br />

Der Vergleich von (7.11) mit unseren Ergebnissen für mögliche Darstellungen<br />

der Drehgruppe zeigt, dass die Komponenten des Vektors j = ( 1 2 σ 1, 1 2 σ 2, 1 2 σ 3),<br />

die die Vertauschungsrelationen<br />

[j k , j l ] = iε klm j m<br />

erfüllen, die Erzeuger einer zweidimensionalen Darstellung der Drehgruppe sind.<br />

Eine Drehung R(α) ∈ SO(3) entspricht in dieser Darstellung der 2 × 2-Matrix:<br />

D S (α) = e −iα·j = e − 1 2 iα·σ .<br />

Die Darstellung D S (α) ist von großer physikalischer Bedeutung, da sie das<br />

Transformationsverhalten von reinen Spinwellenfunktionen (ohne Ortsabhängigkeit)<br />

bestimmt:<br />

ψ 1 (t)<br />

ψ 2 (t)=Ψ(t)<br />

R(α)<br />

−→ Ψ ′ (t) = e −1 2 iα·σ Ψ(t) = D S (α)Ψ(t) . (7.19)<br />

Das entsprechende Transformationsverhalten von Operatoren, die nur auf die<br />

Spinfreiheitsgrade einwirken, ist durch<br />

ˆL<br />

R(α)<br />

−→ ˆL ′ = D S (α) ˆLD S (α) †<br />

gegeben. Insbesondere wird der Hamilton-Operator für einen Spin in einem konstanten<br />

Magnetfeld wie folgt transformiert:<br />

Ĥ = −g e<br />

2m B · Ŝ<br />

R(α)<br />

−→<br />

Ĥ′ = −g e<br />

2m B · Ŝ′


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 123<br />

mit Ŝ′ = D S (α)ŜD S(α) † . Andererseits muss man offensichtlich fordern, dass<br />

der Hamilton-Operator Ĥ′ nach einer Drehung R(α) der Gesamtanordnung die<br />

Form<br />

Ĥ ′ = −g e<br />

e<br />

[R(α)B] · Ŝ = −g<br />

2m 2m B · [R(α)−1 Ŝ]<br />

hat, so dass unbedingt<br />

D S (α)ŜD S(α) † = R(α) −1 Ŝ (7.20)<br />

gelten muss. Die Gleichung (7.20) ist von großer Bedeutung, da sie die bereits<br />

erwähnte Form D S<br />

]<br />

(α) = e − 1 k<br />

2 iα·σ der Transformationsmatrizen für Spinwellenfunktionen<br />

erzwingt. Dies sieht man aus der folgenden Gleichungskette für kleine<br />

Drehungen (n ≫ 1):<br />

D Sα<br />

l D Sα =11 −<br />

nŜ<br />

n† i<br />

2n α kσ k1<br />

2 σ l11 + i<br />

2n α kσ<br />

= 1 2 σ l − i<br />

2n α k[σ k , σ<br />

m m<br />

l<br />

= 1 2 σ l − i<br />

2n α k2iε klm σ<br />

= 1 2 σ l − 1 n ε lkmα k σ<br />

= 1 2 σ − α n × =åRα<br />

σl<br />

n−1<br />

Ŝèl<br />

,<br />

die man auch von rechts nach links lesen kann. Nach n-maliger Anwendung einer<br />

Drehung Rα<br />

n−1<br />

erhält man das Ergebnis (7.20).<br />

Die explizite Form der Transformationsmatrizen D S (α) kann auch leicht<br />

explizit berechnet werden:<br />

D S (α) = e −1 2 iα·σ<br />

=cos( 1 2 α) − i cos(ϑ)sin(1 2 α) −i sin(ϑ)e−iϕ sin( 1 2 α)<br />

−i sin(ϑ)e iϕ sin( 1 2 α) cos(1 2 α) + i α).<br />

cos(ϑ)sin(1 2<br />

Interessant an diesem Ergebnis ist, dass eine Drehung im Ortsraum um einen<br />

Winkel α = 2π, unabhängig von der Richtung ˆα der Drehachse, im Funktionenraum<br />

der Multiplikation mit −1 entspricht: 3<br />

D S (2πˆα) = −11 , D S (4πˆα) = +11 . (7.21)<br />

Erst eine Drehung um 4π stellt die Ausgangswellenfunktion wieder her. Diese<br />

Vorhersage bezüglich des Vorzeichens der Spinwellenfunktion bei aktiven Drehungen<br />

kann in Interferenzexperimenten überprüft und tatsächlich bestätigt<br />

werden.<br />

Bisher haben wir nur ortsunabhängige Spinwellenfunktionen betrachtet. Eine<br />

Spinwellenfunktion, die außerdem ortsabhängig ist: Ψ = Ψ(x, t), wird zusätzlich<br />

gemäß der Darstellung D L (α) = e −iα·ˆL/ transformiert. Insgesamt erhält<br />

3 Zu beachten ist übrigens, dass Operatoren sich bei einer Drehung um 2π nicht ändern:<br />

ˆL ′ = D LS (2πˆα) ˆLD LS (2π ˆα) † = (−11) ˆL(−11) = ˆL.


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 7. DER SPIN 124<br />

man daher für das Transformationsverhalten von Spinwellenfunktionen unter<br />

Drehungen R(α) im Ortsraum:<br />

ψ 1 (x, t)<br />

ψ 2 (x, t)=Ψ(x, t)<br />

R(α)<br />

−→ Ψ ′ (x, t) = e −iα·(−1ˆL+ 1<br />

2 σ) Ψ(x, t)<br />

≡ D LS (α)Ψ(x, t) . (7.22)<br />

Es ist klar, dass auch ortsabhängige Spinwellenfunktionen die Eigenschaft (7.21)<br />

besitzen, da die Gesamttransformation D LS (α) = D L (α)D S (α) sich für α =<br />

2πˆα auf D LS (2πˆα) = −11 und für α = 4πˆα auf D LS (4πˆα) = 11 reduziert.<br />

Operatoren werden generell gemäß<br />

ˆL<br />

R(α)<br />

−→ ˆL ′ = D LS (α) ˆLD LS (α) †<br />

transformiert. Dies gilt natürlich insbesondere auch für den Hamilton-Operator.<br />

Unitär äquivalente Darstellungen<br />

In diesem Abschnitt haben wir, ausgehend von der Standarddarstellung σ der<br />

Pauli-Matrizen, die zweiwertige Darstellung D S (α) = e −1 2 iα·σ der Drehgruppe<br />

behandelt, die das Transformationsverhalten von Spinwellenfunktionen unter<br />

Drehungen (mit)bestimmt. Hätte man eine unitär äquivalente Matrixdarstellung<br />

σ ′ = U † σU mit U † U = 11 für die Pauli-Matrizen gewählt, so hätte man auch<br />

eine andere, unitär äquivalente Darstellung D ′ S (α) für die Transformation der<br />

Spinwellenfunktionen unter Drehungen erhalten:<br />

D ′ S(α) = U † D S (α)U = U † e − 1 2 iα·σ U = e −1 2 iα·σ′ .<br />

Da unitäre Transformationen die Norm der Wellenfunktion und alle Erwartungswerte<br />

invariant lassen, sind die unitär äquivalenten Darstellungen D S (α) und<br />

D ′ S (α) in der Tat auch physikalisch äquivalent.


Kapitel8<br />

Störungstheorie<br />

8.1 Grundlagen der Störungstheorie<br />

Bisher haben wir uns überwiegend (aber nicht ausschließlich) mit exakt lösbaren<br />

Modellen in der <strong>Quantenmechanik</strong> beschäftigt. Man denke an den harmonischen<br />

Oszillator, an das „freie Teilchen“ oder an das Wasserstoffatom. Bei realen Gitterschwingungen<br />

gibt es jedoch auch anharmonische Effekte, die vielleicht klein,<br />

aber sicherlich nicht gleich Null sind. Genauso gibt es in der Realität keine freien<br />

Teilchen, da immer „störende“ Einflüsse vorliegen; zum Beispiel kann ein geladenes<br />

Teilchen (wie ein Elektron oder ein Proton) nicht rigoros vom Strahlungsfeld<br />

entkoppelt gedacht werden. Ähnliches gilt für das Wasserstoffatom, das in ständiger<br />

Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld steht; man denke hierbei an die<br />

statische Einwirkung von (klassischen) magnetischen oder elektrischen Feldern<br />

oder an dynamische Vorgänge, wie die Emission oder Absorption von Quanten<br />

des Strahlungsfeldes (also Photonen). Normalerweise kann man solche Zusatzeffekte<br />

im Hamilton-Operator nicht mehr exakt behandeln. Falls sie numerisch<br />

klein sind, bietet sich jedoch eine störungstheoretische Behandlung, d. h. eine<br />

Entwicklung des „gestörten“ Hamilton-Operators um den „ungestörten“ und exakt<br />

lösbaren Grenzfall an.<br />

Betrachten wir also einen Hamilton-Operator der Form<br />

Ĥ = Ĥ0 + λĤ1 (|λ| ≪ 1) , (8.1)<br />

wobei Ĥ0 exakt diagonalisierbar ist, so dass seine Eigenwerte und Eigenfunktionen<br />

bekannt sind:<br />

Ĥ 0 φ ni = E (0)<br />

n φ ni (i = 1, . . .,g n ) . (8.2)<br />

Hierbei soll E n (0) < E (0)<br />

n ⇐⇒ n < ′ n′ gelten. Es ist hierbei durchaus möglich,<br />

dass die Energieeigenwerte von Ĥ0 entartet sind, man denke hierbei an den dreidimensionalen<br />

harmonischen Oszillator oder an das Wasserstoffatom; in beiden<br />

Fällen hängen die Eigenenergien E n<br />

(0) nicht von den Quantenzahlen l und m ab.<br />

Im Allgemeinen soll das n-te Energieniveau in (8.2) g n -fach entartet sein. Die<br />

ungestörten Eigenfunktionen sind orthonormal<br />

(φ ni , φ n′ i ′) = δ nn ′δ ii ′


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 126<br />

und vollständig:<br />

φ ni (x)φ ni (y)<br />

ni<br />

∗ = δ(x − y) .<br />

Der Störterm λĤ1 in (8.1) wird die Eigenenergien und Eigenfunktionen des<br />

Hamilton-Operators im Allgemeinen ändern:<br />

ĤΦ nα (λ) = E nα (λ)Φ nα (λ) (α = 1, . . .,g n ) .<br />

Man erwartet natürlich, dass für λ → 0:<br />

E nα (λ) → E (0)<br />

n , Φ nα (λ) →i<br />

C αi φ ni<br />

gilt mit CC † =½, damit die {Φ nα (0)} orthonormal sind:<br />

Φ nα (0), Φ nβ (0)=ii ′ C ∗ αiC βi ′φ (0)<br />

ni , φ(0) ni ′=i<br />

C ∗ αiC βi<br />

=i<br />

C βi (C † ) iα = (CC † ) βα = δ αβ .<br />

Es ist durchaus denkbar, dass Energieniveaus, die für λ = 0 nicht-entartet<br />

sind, sich für einen endlichen λ-Wert kreuzen, wie in Abbildung 8.1 (n = 1 und<br />

n = 2) gezeigt. Man erwartet dann Resonanzeffekte und einen Zusammenbruch<br />

E(λ)<br />

g 4 = 2<br />

E (0)<br />

4<br />

E (0)<br />

3<br />

g 3 = 2<br />

E (0)<br />

2<br />

E (0)<br />

1<br />

g 1 = 1<br />

g 2 = 1<br />

0<br />

λ k<br />

λ<br />

Abbildung 8.1: Verschiedene Arten der Störungen von Energieniveaus<br />

der Störungstheorie nahe λ k . Alternativ ist es möglich, dass ein Energieniveau<br />

entartet ist und die Störung λĤ1 diese Entartung aufhebt (n = 3). Es ist jedoch<br />

auch möglich, dass eine Entartung vom Störterm nicht aufgehoben wird, z. B.<br />

wenn Ĥ0 und Ĥ1 dieselbe Symmetrie haben (n = 4 in der Abbildung).<br />

Der Parameter λ in (8.1) soll „klein“ sein, wobei „klein“ so etwa bedeutet,<br />

dass die Energieniveaus E nα (λ) sich als Funktion von λ nicht kreuzen sollen. In<br />

der Abbildung soll für n = 1, 2 also λ λ k gelten. Falls Ĥ1 so gewählt wird, dass<br />

seine Matrixelemente mit der typischen Energiedifferenz ∆E n = E (0)<br />

n+1 − E(0) n<br />

vergleichbar sind, soll |λ| ≪ 1 gelten. Wir nehmen im Folgenden zunächst an,<br />

dass das n-te Energieniveau nicht-entartet ist (g n = 1) und betrachten später<br />

den entarteten Fall.


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 127<br />

8.2 Rayleigh-Schrödinger-Störungstheorie<br />

(nicht entartet)<br />

Wir nehmen also an, dass die Eigenenergie E (0)<br />

n<br />

Ĥ 0 φ n = E (0)<br />

n φ n (g n = 1) .<br />

nicht entartet ist:<br />

Die übrigen Energieniveaus (n ′ ≠ n) dürfen durchaus entartet sein und sind somit<br />

durch (8.2) gegeben. Wie bezeichnen die Eigenfunktionen zum n-ten Energieeigenwert<br />

E n von Ĥ als Φ n(λ):<br />

ĤΦ n (λ) = E n (λ)Φ n (λ) (8.3)<br />

und entwickeln Φ n und E n nach Potenzen von λ:<br />

E n (λ) = E<br />

∞m=0<br />

+<br />

n (m) λ m , Φ n (λ)) = φ<br />

∞m=0<br />

(m)<br />

n λ m , φ (0)<br />

n ≡ φ n . (8.4)<br />

Die zentrale Idee ist hierbei, die φ (m)<br />

n als<br />

φ (m)<br />

n = φ n (φ n , φ (m) φ n ′ i ′φ n ′ i ′, φ(m)<br />

n ′ ≠n,i ′<br />

≡ c (0m) φ n γ (m)<br />

n ′ i φ ′ n ′ i ′<br />

n ′ ≠n,i ′<br />

zu schreiben und die c (0m) und γ (m)<br />

n ′ i<br />

iterativ zu bestimmen. Wir fordern nun,<br />

′<br />

dass Φ n<br />

<br />

(λ) für alle λ ≥ 0 normiert ist:<br />

<br />

(m1)<br />

1 = (Φ n , Φ n ) =<br />

m1+m2φ n , φ (m2)<br />

= λ<br />

∞m=0 m n<br />

m 1+m 2=mφ<br />

n (m1) , φ n,<br />

(m2)<br />

d. h., dass für alle m ≥ 1<br />

c (m1m2) = 0 , c (mm′) =φ (m)<br />

n , )<br />

(8.5)<br />

φ(m′<br />

m 1+m 2=m<br />

gilt. Außerdem wählen wir die Phase von Φ n (λ) so, dass<br />

Imφ n , Φ n (λ)=0<br />

+<br />

n )<br />

∞<br />

λ<br />

m 1,m 2=0<br />

gilt. Es folgt für alle m ≥ 1:<br />

0 = Imφ n , φ (m)<br />

n=Im(c (0m) ) = Im(c (m0) )<br />

und daher, aufgrund von (8.5):<br />

n<br />

n<br />

c (0m) = c (m0) = − 1 2<br />

m−1<br />

c<br />

m (m′ ,m−m ′ )<br />

′ =1<br />

. (8.6)


ç<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 128<br />

Um eine Bestimmungsgleichung für die Korrekturen φ (m)<br />

n zur ungestörten<br />

Wellenfunktion φ n<br />

∞<br />

zu erhalten, setzen wir die Entwicklung (8.4) in (8.3) ein.<br />

Aus dem linken Glied erhält man:<br />

ĤΦ n = (Ĥ0 + λĤ1) λ<br />

∞m=0<br />

m φ (m)<br />

n = Ĥ0φ n<br />

<br />

+ λ<br />

∞m=1<br />

mäĤ 0 φ (m) (m−1)<br />

n + Ĥ1φ n<br />

und aus dem rechten Glied:<br />

E n Φ n = λ m1+m2 E n<br />

(m1) φ (m2)<br />

n = λ<br />

m 1,m 2=0<br />

∞m=0 m E n<br />

(m1) φ n (m2) .<br />

m 1+m 2=m<br />

Ein Vergleich der Koeffizienten von λ m im linken und im rechten Glied liefert<br />

für m = 0 genau die Eigenwertgleichung Ĥ0φ n = E (0)<br />

n φ n und für m ≥ 1:<br />

m−1 Ĥ 0 − E nφ (0) (m)<br />

n + Ĥ1φ(m−1)<br />

n = E n (m) φ n + E<br />

m (m′ )<br />

n φ (m−m′ )<br />

n . (8.7)<br />

′ =1<br />

Die Bildung eines Skalarprodukts mit der ungestörten Wellenfunktion φ n liefert<br />

nun:<br />

E (m)<br />

n<br />

=φ n ,<br />

m−1<br />

Ĥ1φ(m−1)<br />

n<br />

− E<br />

m (m′ )<br />

n c (0,m−m′ )<br />

′ =1<br />

. (8.8)<br />

n<br />

Dies ist eine weitere Bestimmungsgleichung, neben (8.6), die rekursiv gelöst<br />

werden kann. Alternativ können wir das Skalarprodukt von (8.7) mit φ n′ i ′ (n′ ≠<br />

n, i ′ = 1, . . .,g n ′) bilden: Mit der Definition<br />

γ (m)<br />

n ′ i ≡φ ′ n ′ i ′, φ(m)<br />

(8.9)<br />

erhalten wir:<br />

m−1 E (0)<br />

n − ′ E(0) nγ (m)<br />

n ′ i +φ ′ n ′ i ′, Ĥ1φ(m−1)<br />

n<br />

=<br />

m<br />

+<br />

E (m′ )<br />

n γ (m−m′ )<br />

n ′ i . (8.10)<br />

′<br />

′ =1<br />

Aus dieser Gleichung kann γ (m)<br />

n ′ i<br />

rekursiv berechnet werden. Die Korrekturen<br />

′<br />

φ (m)<br />

n zur ungestörten Wellenfunktion folgen nun schließlich aus:<br />

φ (m)<br />

n = φ nφ n , φ (m) φ n ′ i ′φ n ′ i ′, φ(m)<br />

n ′ ≠n,i ′<br />

= c (0m) φ n n ′ i φ ′ n ′ i . (8.11)<br />

′<br />

n+<br />

n ′ ≠n,i ′ γ (m)<br />

n<br />

Wir können nun einen Algorithmus zur Berechnung der Korrekturen E n<br />

(m) zur<br />

Eigenenergie E n<br />

(0) und φ (m)<br />

n zur ungestörten Wellenfunktion φ n formulieren (vgl.<br />

Algorithmus 8.1 auf S. 129).<br />

Im Prinzip kann man so bis zur unendlichen Ordnung der Störungstheorie<br />

weiteriterieren. In der Praxis wird der Rechenaufwand schnell so groß, dass der<br />

Iterationsprozess beendet werden muss. Außerdem hat man häufig mit „asymptotischen<br />

Reihen“ zu tun, was bedeutet, dass die störungstheoretischen Ergebnisse<br />

(bei festem λ) ab einer gewissen Ordnung immer ungenauer werden, je<br />

mehr Ordnungen man berücksichtigt.


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 129<br />

Daten für m = 0<br />

(E n , φ n , E n ′, φ n ′ i ′, c(00) = 1, γ (0)<br />

8.6<br />

c (0,m+1) = c (m+1,0)<br />

8.8<br />

n ′ i = 0) E n<br />

(m+1)<br />

′ 8.10<br />

m = m + 1<br />

γ (m+1)<br />

n ′ i ′<br />

8.5 8.11<br />

φ (m+1)<br />

n<br />

Algorithmus 8.1: Nicht-entartete Rayleigh-Schrödinger-Störungstheorie<br />

Als Beispiel für eine wohldefinierte Funktion, deren Entwicklung nach einem<br />

kleinen Parameter auf eine asymptotische Reihe führt, betrachten wir das<br />

Integral:<br />

I(λ) =∞<br />

dxe −x2 −λx 4 2<br />

.<br />

−∞<br />

Für schwache Kopplung (0 < λ ≪ 1) hat man mit x ≡ √ y:<br />

(−λ)<br />

I(λ) =<br />

n!∞<br />

∞n=0<br />

n<br />

dxx 4n (−λ)<br />

e −x2 =<br />

−∞<br />

n!∞<br />

∞n=0<br />

n<br />

dy y 2n− 1 2 e<br />

−y<br />

0<br />

(−λ) n<br />

= Γ2n + 1<br />

n!<br />

∞n=0<br />

und für starke Kopplung (λ → ∞) mit x = λ − 1 4 y und y = z<br />

1<br />

4 :<br />

I(λ) = λ − 4∞<br />

1 dy e 1 −λ− 2 y 2 −y 4 = 2λ − 1 4<br />

= 2λ − 1 4<br />

= 1 2 λ− 1 4<br />

−∞<br />

∞n=0−λ − 1 2n<br />

n!<br />

∞<br />

∞n=0−λ − 1 2n<br />

n!<br />

0<br />

dz<br />

4z 3 4<br />

z n 2 e<br />

−z<br />

Γn<br />

2 + 1 4.<br />

∞n=0−λ − 1 2n<br />

n!<br />

∞<br />

0<br />

dy y 2n e −y4<br />

Für starke Kopplung liegt eine Taylorreihe in λ − 1 2 mit Konvergenzradius ∞ vor:<br />

Γn<br />

2 + 1 ∼n<br />

4/n!<br />

2 4n<br />

+ 1 2 − 1 4e −( n 2 + 1 4) /n<br />

n+ 1 2 e<br />

−n<br />

∼ e 2n<br />

2n<br />

n 2 − 1 4<br />

n −(n+ 1 2 ) ∼ e n 2 2<br />

− n 2 + 1 4 n<br />

− n 2 −3 4 .<br />

Für schwache Kopplung hat man jedoch eine asymptotische Reihe mit Konvergenzradius<br />

Null:<br />

Γ2n + 1 2/n! ∼2n + 1 22n<br />

e<br />

−(2n+ 1 2 ) /n n+1 2 e<br />

−n<br />

= 2 2n n n− 1 21 + 1<br />

2<br />

4n4n<br />

e −(n+ 1 2 ) ∼ 2 2n e −n n n− 1 2 .


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 130<br />

In diesem Fall ist die asymptotische Reihe als<br />

I(λ) ∼<br />

Nn=0<br />

N+1 (−λ) n<br />

Γ2n + 1<br />

n! 2+Oλ (λ → 0)<br />

zu interpretieren.<br />

In der Praxis funktioniert der Algorithmus 8.1 auf Seite 129 wie folgt: Zuerst<br />

findet man aufgrund von (8.6):<br />

c (01) = c (10) = 0<br />

und dann aufgrund von (8.8):<br />

E n (1) =φ n , Ĥ1φ n.<br />

n<br />

(8.12)<br />

Hiermit hat man bereits ein sehr wichtiges Ergebnis erhalten: Die Korrektur<br />

erster Ordnung zur Eigenenergie E n<br />

(0) ist einfach gleich dem Erwartungswert<br />

des Störterms im ungestörten Zustand. Aus (8.10) folgt dann:<br />

γ (1) =φ n ′ i ′, Ĥ1φ<br />

n<br />

n ′ i ′<br />

E n (0) − E (0)<br />

n ′<br />

n=<br />

und daher, aufgrund von (8.11):<br />

φ ′φ (1)<br />

n ′ i ′, Ĥ1φ<br />

φ<br />

n ′ ≠n,i E n (0) − E (0) n′ i ′ . (8.13)<br />

n ′<br />

Mit Hilfe von (8.5) findet man:<br />

c (11) =φ (1)<br />

n , φ ′¬φ (1)<br />

n′ i ′, Ĥ1φ n¬2<br />

n ′ ≠n,i<br />

E n (0) − E (0)<br />

′2 ,<br />

n<br />

so dass aufgrund von (8.6):<br />

n=<br />

′¬φ n ′ i ′, Ĥ1φ n¬2<br />

n ′ ≠n,i<br />

E n (0) − E (0)<br />

′2 .<br />

n<br />

Aus (8.8) ergibt sich nun die Korrektur zweiter Ordnung zur Eigenenergie:<br />

E n (2) =φ (1) n , Ĥ1φ ′¬φ n′ i ′, Ĥ1φ n¬2<br />

′<br />

.<br />

n ′ ≠n,i E n (0) − E (0)<br />

n ′<br />

Aus (8.10) erhält man noch:<br />

(1)<br />

i ′, Ĥ1φ n−E n (1) γ (1)<br />

n ′ i<br />

n =<br />

c (02) = c (20) = − 1 2 c(11) = − 1 2<br />

γ (2)<br />

n ′ i ′ = 1<br />

E (0)<br />

n − E (0)<br />

n ′φ<br />

=<br />

1<br />

E (0)<br />

n − E (0)<br />

n′<br />

(φ n ′′ i ′′, Ĥ1φ n )(φ n ′ i ′, Ĥ1φ n ′′ i ′′)<br />

n ′′ ≠n,i E (0)<br />

′′ n − E (0)<br />

n ′å<br />

n ′′<br />

− (φ n, Ĥ1φ n )(φ n′ i ′, Ĥ1φ n )<br />

è,<br />

E n (0) − E (0)<br />

n ′


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 131<br />

+<br />

so dass aufgrund von (8.11):<br />

φ (2)<br />

n ′ i ′φ n ′ i ′<br />

gilt. Insgesamt erhalten wir also für die „gestörte“ Wellenfunktion:<br />

Φ n (λ) =ä1 + λ 2 c (02)çφ (1)<br />

n n<br />

n ′ ≠n,i ′äλγ ′ i + ′ λ2 γ (2)<br />

n ′ i ′çφ n ′ i ′ + Oλ<br />

3.<br />

+<br />

n = c (02) φ n γ (2)<br />

n ′ ≠n,i ′<br />

Aus diesem Ergebnis ist ersichtlich, dass in jeder Ordnung der Störungstheorie<br />

ein Faktor der Form<br />

(φ a , Ĥ1φ b )<br />

E (0)<br />

n − E (0)<br />

b<br />

hinzu kommt. Dieser Faktor wird groß, falls zwei Energieniveaus nahe zusammenrücken,<br />

dass heißt, wenn eine Fast-Entartung vorliegt. Wie man im Falle<br />

einer Entartung vorgeht, wird im übernächsten Abschnitt erklärt.<br />

8.3 Beispiele<br />

Anharmonischer Oszillator<br />

Wir betrachten zuerst den eindimensionalen anharmonischen Oszillator, der<br />

durch einen Zusatzterm +λx 4 im Hamilton-Operator charakterisiert wird:<br />

Ĥ = Ĥ0 + λx 4 , Ĥ 0 = ˆp2<br />

2m + 1 2 mω2 x 2 =ˆn + 1 2ω ,<br />

wobei bekanntlich ˆn = a † a und a = √ 1 2<br />

( x l +i lˆp <br />

) gilt. Die ungestörten Eigenwerte<br />

sind E n (0) = (n+ 1 2 )ω, die ungestörten Eigenfunktionen φ n = √ 1<br />

n!<br />

(a † ) n φ 0 . Unter<br />

Berücksichtigung der Störung folgt für die Eigenwerte:<br />

mit<br />

E n = E (0)<br />

n + λE (1)<br />

n + λ 2 E (2)<br />

n + . . . ,<br />

E n (1) = (φ n, x 4 φ n ) , E n<br />

(2) =n ′ ≠n<br />

und für die Eigenfunktionen:<br />

mit<br />

Φ n = φ n + λφ (1)<br />

n + . . .<br />

φ (1)<br />

n<br />

=n ′ ≠n<br />

Man findet leicht:<br />

E (1)<br />

n<br />

(φ n ′, x 4 φ n )<br />

φ<br />

E n (0) − E (0) n ′ .<br />

n ′<br />

|(φ n ′, x 4 φ n )| 2<br />

E (0)<br />

n − E (0)<br />

n ′<br />

= 〈x 4 〉 n =l<br />

√<br />

24<br />

〈(a + a † ) 4 〉 n = l4 4 3(2n2 + 2n + 1) ,


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 132<br />

wobei<br />

〈(a + a † ) 4 〉 n =äa 2 + a † a + aa † +<br />

n<br />

(a † ) 2çäa<br />

(φ n ′, x 4 φ n ) = l4 n ′, (a + a<br />

4φ † ) 4 φ<br />

= 〈a 2 (a † ) 2 + (2ˆn + 1) 2 + (a † ) 2 a 2 〉 n<br />

2 + (2ˆn + 1) + (a † ) 2çòn<br />

= 〈a(a † a + 1)a † + (2ˆn + 1) 2 + a † (aa † − 1)a〉 n<br />

= 〈(ˆn + 1) 2 + (ˆn + 1) + (2ˆn + 1) 2 + ˆn 2 − ˆn〉 n<br />

= 〈6ˆn 2 + 6ˆn + 3〉 = 3(2n 2 + 2n + 1)<br />

verwendet wurde. Weiter ergibt sich<br />

n<br />

= l4 n ′,a<br />

4φ 4 +äa 2 (2ˆn + 1) + (2ˆn + 1)a 2ç+(2ˆn + 1) 2<br />

+ä(a † ) 2 (2ˆn + 1) + (2ˆn + 1)(a † ) 2ç+(a † ) 4φ<br />

= l4 4ån(n − 1)(n − 2)(n − 3)δ n′ ,n−4<br />

+ 4(n − 1 2 )n(n − 1)δ n′ ,n−2<br />

+ (2n + 1) 2 δ n′ ,n + 4(n + 3 2 )(n + 1)(n + 2)δ n′ ,n+2<br />

+(n + 1)(n + 2)(n + 3)(n + 4)δ n′ ,n+4è.<br />

Das Interessante am letzten Ergebnis ist, dass, aufgrund der Anharmonizität<br />

+λx 4 , nur bestimmte Übergänge n → n ′ überhaupt möglich sind. Eine solche<br />

Beschränkung auf mögliche Zustände n ′ mit Matrixelementen (φ n ′, Ĥ1φ n ) ≠ 0<br />

heißt eine Auswahlregel. Als Konsequenz findet man:<br />

φ (1)<br />

n<br />

= l4<br />

4ωå1<br />

4n(n − 1)(n − 2)(n − 3)φ n−4 + 2(n − 1 2 )n(n − 1)φ n−2<br />

− 2(n + 3 2 )(n + 1)(n + 2)φ n+2<br />

− 1 4(n + 1)(n + 2)(n + 3)(n + 4)φ n+4è,<br />

so dass in erster Ordnung der Störungstheorie nur vier benachbarte Zustände<br />

von φ n „beigemischt“ werden. Außerdem findet man für die Korrektur zweiter<br />

Ordnung zur Energie:<br />

E n (2) = l8 |(φ n ′, (a + a † ) 4 φ n )| 2<br />

n − n 16ωn ′ = l8 1<br />

− 1)(n − 2)(n − 3)<br />

16ω 4än(n ′ ≠n<br />

+ 2 · 16(n − 1 2 )2 n(n − 1) − 2 · 16(n + 3 2 )2 (n + 1)(n + 2)<br />

− (n + 1)(n + 2)(n + 3)(n + 4)ç<br />

= − l8<br />

8ωä34n 3 + 51n 2 + 59n + 21ç.<br />

Im Allgemeinen muss E n<br />

(2) für den Grundzustand (n = 0) eine nicht-positive<br />

Größe sein. Hier sieht man, dass dies für den anharmonischen Oszillator sogar<br />

für alle n ∈Ægilt.


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 133<br />

Es ist durchaus interessant, das bisher erzielte perturbative Ergebnis für die<br />

Grundzustandsenergie des harmonischen Oszillators,<br />

E n=0 = 1 2 ω + 3 4 l4 λ − 21l8<br />

8ω λ2 + O(λ 3 ) ,<br />

mit den Ergebnissen anderer Näherungsverfahren zu vergleichen: Mit Hilfe des<br />

Variationsprinzips, E n=0 ≤ 〈Ĥ〉 ψ für alle ψ ∈ H, kann man leicht eine exakte<br />

obere Schranke für die Grundzustandsenergie bestimmen. Wählen wir zum<br />

Beispiel<br />

ψ s (x) = (πs) −1/4 e −x2 /2s<br />

als unsere Variationswellenfunktion, dann erhalten wir zunächst (für einen beliebigen<br />

Variationsparameter s):<br />

E n=0 ≤ 〈Ĥ〉 ψ s<br />

= 2<br />

4ms + 1 2 mω2 s + 3 4 λs2 .<br />

Minimiert man das rechte Glied nun bezüglich s und setzt man den optimalen<br />

s-Wert in die obere Schranke ein, so erhält man die Ungleichung<br />

E n=0 ≤ 1 2 ω + 3 4 l4 λ − 9l8<br />

4ω λ2 + . . . .<br />

Ein Vergleich mit dem störungstheoretischen Ergebnis zeigt, dass die Variationsrechnung<br />

die erste Ordnung der Störungstheorie korrekt reproduziert; die<br />

zweite Ordnung ist jedoch ungenau. Es ist offensichtlich immer möglich, die<br />

erste Ordnung der Störungstheorie mit Hilfe einer Variationsrechnung zu reproduzieren,<br />

z. B. wenn man als Variationswellenfunktion den (bekannten) exakten<br />

Grundzustand des ungestörten Problems wählt. Ein zweites Näherungsverfahren,<br />

mit dem wir hier vergleichen möchten, ist die bereits in Abschnitt [5.1]<br />

vorgestellte Methode zur Konstruktion einer exakten unteren Schranke für die<br />

Grundzustandsenergie. Um dieses Verfahren anwenden zu können, müssen wir<br />

zusätzlich nähern:<br />

〈x 4 〉 =(x 2 − 〈x 2 〉) 2ò+〈x 2 〉 2 ≥ 〈x 2 〉 2<br />

und erhalten die Ungleichung:<br />

〈Ĥ〉 ψ ≥<br />

2<br />

8ms + 1 2 mω2 s + λs 2 , s ≡ 〈x 2 〉 ψ<br />

für alle ψ ∈ H. Minimierung des rechten Glieds liefert daher eine exakte untere<br />

Schranke für die Energie eines beliebigen Zustands und daher auch für die<br />

Grundzustandsenergie:<br />

E n=0 ≥ 1 2 ω + 1 4 l4 λ −<br />

l8<br />

4ω λ2 + . . . .<br />

Es ist bemerkenswert, dass diese untere Schranke bereits in erster Ordnung<br />

vom störungstheoretischen Ergebnis abweicht. Der Grund hierfür ist, dass die<br />

Abschätzung 〈x 4 〉 ≥ 〈x 2 〉 2 zwar exakt für alle ψ ∈ H, aber für den tatsächlichen<br />

Grundzustand leider recht ungenau ist.


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 134<br />

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass man in jeder Form einer Störungstheorie<br />

einen dimensionslosen Entwicklungsparameter benötigt, der klein<br />

im Vergleich zu Eins sein muss. Die Amplitude λ des Störterms im Hamilton-<br />

Operator hat die Dimension Energie/(Länge) 4 und kann somit nicht der eigentliche<br />

Entwicklungsparameter sein. Man überzeugt sich leicht (aufgrund von<br />

Dimensionsüberlegungen oder eines Vergleichs der verschiedenen Terme der Störungsreihe<br />

für E n=0 ), dass der gesuchte dimensionslose Parameter im Falle des<br />

anharmonischen Oszillators durch λl 4 /ω gegeben ist.<br />

Atomarer Diamagnetismus<br />

Als zweites Beispiel einer Anwendung der nicht-entarteten Störungstheorie betrachten<br />

wie den „atomaren Diamagnetismus“ des Grundzustands des Wasserstoffatoms<br />

(n = 1, l = m = 0). Der Hamilton-Operator hat einschließlich des<br />

Störterms die Form<br />

Ĥ = Ĥ‖ + e2 B 2<br />

8m e<br />

(e 3 × x) 2 = Ĥ‖ + e2 B 2<br />

wobei der ungestörte Hamilton-Operator durch<br />

8m e<br />

(x 2 1 + x 2 2) ,<br />

Ĥ ‖ = ˆp2<br />

2m e<br />

+ V (r) + ω L (ˆL 3 + gŜ3) , ω L = |e|B<br />

2m e<br />

gegeben ist und angenommen wird, dass das Magnetfeld entlang der x 3 -Achse<br />

gerichtet ist. Im Allgemeinen sind die Eigenfunktionen und Eigenwerte von Ĥ‖<br />

durch<br />

Φ (0)<br />

nlmλ = φ nlmχ λ , E (0)<br />

nlmλ = E n + ω L (m + λ 1 2 g)<br />

gegeben. Der Grundzustand (nlm) = (100) ist nicht-entartet:<br />

Φ (0)<br />

100λ = φ 100χ λ = R 10 (r)Y 00 (Ω)χ λ ,<br />

mit R 10 (r) = 2a −3/2<br />

B<br />

e −r/aB und Y 00 (Ω) = 1/ √ 4π. Die „gestörten“ Eigenenergien<br />

sind in Störungsenergie erster Ordnung durch:<br />

E 100λ = E (0)<br />

100λ + e2 B 2<br />

8m e<br />

(Φ (0)<br />

100λ , (x2 1 + x 2 2)Φ (0)<br />

100λ )<br />

= E (0)<br />

100λ + e2 B 2<br />

8m e<br />

(φ 100 , (x 2 1 + x2 2 )φ 100)<br />

= E (0)<br />

100λ + e2 B 2<br />

gegeben. Hierbei ist:<br />

∞<br />

0<br />

8m e∞<br />

0<br />

dr r 4 |R 10 (r)| 2 〈Y 00 , sin 2 (ϑ)Y 00 〉<br />

dr r 4 |R 10 (r)| 2 = 4<br />

3∞<br />

dr r 4 e −2r/aB = 4<br />

3a B<br />

dxx<br />

(a B ) (a B ) 25∞<br />

4 e −x<br />

0<br />

= 1 8 (a B) 2 Γ(5) = 3(a B ) 2<br />

0


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 135<br />

und<br />

〈Y 00 , sin 2 (ϑ)Y 00 〉 = 1<br />

4π2π<br />

0<br />

=<br />

2π<br />

1<br />

0<br />

=<br />

21<br />

1<br />

−1<br />

so dass insgesamt für g = 2 folgt: 1<br />

E 100λ = E 1 + λω L + e2 B 2<br />

dϕπ<br />

dϑ sin 3 (ϑ)<br />

0<br />

dϑ sin(ϑ)[1 − cos 2 (ϑ)] (cos(ϑ) ≡ x)<br />

dx(1 − x 2 ) =1<br />

dx(1 − x 2 ) = 2 3<br />

0<br />

4m e<br />

(a B ) 2 = E 1 + ω Lλ1 + ω L<br />

2Ry.<br />

Aus diesem Ergebnis geht bereits hervor, dass der dimensionslose Parameter,<br />

der klein sein soll, damit die Störungsreihe konvergiert, durch<br />

ω L<br />

Ry2<br />

≃1<br />

2 · 10−5 B<br />

Tesla2<br />

gegeben ist. Für alle im Labor realisierbaren Magnetfelder ist dies in der Tat<br />

eine sehr kleine Zahl.<br />

Aus der Grundzustandsenergie kann man leicht das induzierte magnetische<br />

Moment berechnen:<br />

µ = − ∂E 100λ<br />

∂B<br />

|e|<br />

= −λ − e2 B<br />

(a B ) 2 .<br />

2m e 2m e<br />

Demzufolge ist die magnetische Suszeptibilität des Grundzustandes negativ:<br />

χ = ∂µ<br />

∂B = −e2 (a B ) 2<br />

2m e<br />

< 0 ,<br />

so dass dieser Zustand tatsächlich diamagnetisch ist. Zu beachten ist, dass nur<br />

die Bahnfreiheitsgrade (und nicht der Spin) zur Suszeptibilität beitragen.<br />

Van-der-Waals- und Multipolkräfte<br />

Als drittes Beispiel zur nicht-entarteten Störungstheorie betrachten wir die<br />

Wechselwirkung zweier weit voneinander entfernter Atome oder Moleküle. Hierbei<br />

bedeutet „weit entfernt“, dass der Abstand der beiden Massenschwerpunkte<br />

X 1 und X 2 der Atome (oder Moleküle) groß im Vergleich zum Bohrradius sein<br />

soll: X ≡ |X| ≫ a B mit X ≡ X 2 − X 1 . Wir werden im Folgenden übrigens<br />

feststellen, dass der Abstand X auch wieder nicht allzu groß sein darf, damit<br />

keine Retardierungseffekte auftreten.<br />

,<br />

1 Es gilt:<br />

e 2 B 2<br />

4m e<br />

(a B ) 2 = 1 2 |e|B<br />

2m e2 2m e(a B ) 2<br />

2 = 1 2 (ω L) 2 1<br />

Ry<br />

,<br />

mit ω L<br />

Ry = |e|<br />

2m e<br />

B<br />

Ry ≃ 10−23 B Ry ≃ 10−23 B/2, 18 · 10 −18 ≃ 1 2 · 10−5 B (B in Tesla).


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 136<br />

Der Einfachheit halber betrachten wir die Wechselwirkung zweier wasserstoffähnlicher<br />

Atome, wobei wir lediglich die Dynamik der beiden Valenzelektronen<br />

explizit berücksichtigen und die eventuellen inneren Elektronen zusammen<br />

mit den Atomkernen als effektive Kerne der Ladung +|e| auffassen werden. 2 Der<br />

Hamilton-Operator für dieses Zwei-Atom-System lautet somit<br />

Ĥ = Ĥ1 + Ĥ2 + V (x 1 ,x 2 ;X) ,<br />

wobei Ĥ1 und Ĥ2 die Beiträge der isolierten Atome mit den Massenschwerpunkten<br />

X 1 und X 2 darstellen:<br />

Ĥ i = ˆp2 i e 2<br />

−<br />

2m e 4πε 0 |x i |<br />

(i = 1, 2)<br />

und V (x 1 ,x 2 ;X) die Wechselwirkungsterme enthält:<br />

V (x 1 ,x 2 ;X) ≡<br />

e2<br />

4πε 01<br />

X + 1<br />

|X + x 2 − x 1 | − 1<br />

|X + x 2 | − 1<br />

|X − x 1 |.<br />

Hierbei stellen x 1 und x 2 die Abstände der beiden Valenzelektronen zu ihren<br />

jeweiligen Kernen dar. Die Dynamik der (im Vergleich zu den Elektronen sehr<br />

schweren) Kerne wird in dieser Betrachtung vernachlässigt.<br />

Aufgrund der Form von V (x 1 ,x 2 ;X) ist klar, dass die Wechselwirkung der<br />

beiden Atome für X ≫ a B sehr schwach ist, so dass man ihre Effekte mit Hilfe<br />

der Störungstheorie untersuchen kann. Bei der Durchführung der Störungstheorie<br />

ist es hilfreich, die verschiedenen in V (x 1 ,x 2 ;X) enthaltenen Beiträge nach<br />

Potenzen von |x1| |x2|<br />

X<br />

bzw.<br />

X<br />

(d.h. nach Potenzen von aB X<br />

) zu klassifizieren. Hierzu<br />

definieren wir ˆX ≡ X/X und führen eine Taylor-Entwicklung durch:<br />

X<br />

|X − x| = X<br />

√<br />

X2 − 2X · x + x = 1<br />

√ , y = − 2 ˆX · x<br />

2 1 + y X<br />

(1 + y) −1/2 =<br />

+x<br />

X2<br />

∞n=0− 1 2<br />

ny n = 1 − 1 2 y + 3 8 y2 − 5 16 y3 + 35<br />

128 y4 + . . . .<br />

Das Resultat dieser Taylor-Entwicklung lautet<br />

V (x 1 ,x 2 ;X) = V DD + V DQ + V QQ + V DO Oåa B<br />

+<br />

mit den Definitionen<br />

e2<br />

V DD = −<br />

4πε 0 X 3 x 1 · (3 ˆX ˆX − 11) · x 2<br />

e 2<br />

X6<br />

Ryè<br />

V DQ =<br />

4πε 0 X 4 [x 1iA ij1j 2<br />

Q j1j 2<br />

(x 2 ) − x 2j A ji1i 2<br />

Q i1i 2<br />

(x 1 )]<br />

e 2<br />

V QQ =<br />

4πε 0 X 5 Q i 1i 2<br />

(x 1 )B i1i 2j 1j 2<br />

Q j1j 2<br />

(x 2 )<br />

V DO =<br />

e 2<br />

4πε 0 X 5 [x 1iC ij1j 2j 3<br />

O j1j 2j 3<br />

(x 2 ) + x 2j C ji1i 2i 3<br />

O i1i 2i 3<br />

(x 1 )]<br />

2 Es ist klar, dass man die Ladungsfluktuationen der inneren Elektronen in einer realistischen<br />

Berechnung der interatomaren Kräfte sorgfältiger behandeln muss. Auch die eventuellen<br />

inneren Elektronen werden sicherlich einen Beitrag zur Van-der-Waals-Kraft liefern.


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 137<br />

und<br />

Q i1i 2<br />

(x) ≡ 3 2 x i 1<br />

x i2 − 1 2 x2 δ i1i 2<br />

, Sp[Q(x)] = 0<br />

O i1i 2i 3<br />

(x) ≡ 5 2 x i 1<br />

x i2 x i3 − 1 2 (x i 1<br />

δ i2i 3<br />

+ x i2 δ i1i 3<br />

+ x i3 δ i1i 2<br />

)<br />

Die Beiträge V DD , D DQ , V QQ und V DO stellen physikalisch die Dipol-Dipol-,<br />

Dipol-Quadrupol-, Quadrupol-Quadrupol- und Dipol-Oktupol-Wechselwirkung<br />

der beiden Atome dar. Die genaue Form der Koeffizienten A ij1j 2<br />

und C ij1j 2j 3<br />

ist im Folgenden nicht relevant. Im Hinblick auf das Folgende sei jedoch die<br />

explizite Form von B i1i 2j 1j 2<br />

erwähnt:<br />

B i1i 2j 1j 2<br />

= 35<br />

3 ˆX i1 ˆXi2 ˆXj1 ˆXj2 + 1 3 (δ i 1i 2<br />

δ j1j 2<br />

+ δ i1j 1<br />

δ i2j 2<br />

+ δ i1j 2<br />

δ i2j 1<br />

)<br />

− 5 3 (δ i 1i 2<br />

ˆXj1 ˆXj2 + δ j1j 2<br />

ˆXi1 ˆXi2 + δ i2j 2<br />

ˆXi1 ˆXj1 + δ i2j 1<br />

ˆXi1 ˆXj2<br />

+ δ i1j 2<br />

ˆXi2 ˆXj1 + δ i1j 1<br />

ˆXi2 ˆXj2 ) .<br />

Interessant ist noch, dass die Koeffizienten A, B und C nur von der Richtung ˆX<br />

der Verbindungslinie der beiden atomaren Massenschwerpunkte abhängig sind.<br />

Van-der-Waals-Kräfte<br />

Nehmen wir nun zuerst an, die Valenzelektronen befinden sich in der ns-Schale<br />

(n ∈ N + , l = 0, m = 0). Beispiele solcher Atome sind H (n = 1), Li (n = 2)<br />

und Na (n = 3), aber auch Ag ([Kr]4d 10 5s 1 ) und Au ([Xe]4f 14 5d 10 6s 1 ). Die Ladungs(wahrscheinlichkeits)dichte<br />

der entsprechenden Valenzelektronen ist somit<br />

winkelunabhängig und durch<br />

|φ n00 (x)| 2 = 1<br />

4π |R n0(x)| 2 ≡ 1<br />

4π ρ n(x)<br />

gegeben. Die Winkelunabhängigkeit der Ladungsverteilung solcher s-Zustände<br />

hat zur Konsequenz, dass der Beitrag der ersten Ordnung der Störungstheorie<br />

zur Grundzustandsenergie rigoros Null ist:<br />

〈ns, ns|V (x 1 ,x 2 ;X)|ns, ns〉 =dx 1dx 2<br />

1<br />

(4π) 2 ρ n (x 1 )ρ n (x 2 )V (x 1 ,x 2 ;X)<br />

=∞<br />

dx 1∞<br />

0<br />

0<br />

dx 2 x 2 1 x2 2 ρ n(x 1 )ρ n (x 2 ) 〈V (x 1 ,x 2 ;X)〉 Ω1,Ω 2<br />

= 0 ,<br />

wobei definiert wurde: 〈A(x)〉 Ω<br />

≡ 1<br />

4πÊdΩ A(x). Dies sieht man sofort aus der<br />

Identität<br />

1<br />

|X + x|óΩ<br />

die als Konsequenz<br />

=<br />

4πdΩ<br />

1 1<br />

|X + x|<br />

=<br />

4πXπ 1 dϑ sin(ϑ)2π<br />

dϕ<br />

0<br />

= 1<br />

2X1<br />

−1<br />

dy<br />

0<br />

(wähle o.B.d.A.: ˆX = ê 3 )<br />

1<br />

Õ1 + 2 x·ê3<br />

X<br />

1<br />

Õ1 + 2 x X y +x<br />

X2 = 1 X ,<br />

+x<br />

X2<br />

〈V (x 1 ,x 2 ;X)〉 Ω1,Ω 2<br />

= e2 X<br />

+<br />

4πε 0 X1<br />

|X + x 2 − x 1 | − X<br />

|X + x 2 | − X<br />

|X − x 1 |óΩ 1,Ω 2<br />

= e2<br />

(1 + 1 − 1 − 1) = 0<br />

4πε 0 X


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 138<br />

hat. In Störungstheorie zweiter Ordnung erhält man für die Bindungsenergie<br />

der beiden Valenzelektronen:<br />

E = 2E ns −νν ′ |〈νν ′ |V |ns, ns〉| 2<br />

E ν + E ν ′ − 2E ns<br />

,<br />

wobei nur über unbesetzte Zustände (ν, ν ′ ) zu summieren ist, für die also im Falle<br />

realer Atome E ν +E ν ′ > 2E ns gilt. Unter der Voraussetzung, dass der Abstand<br />

der beiden Atome genügend groß ist (X ≫ a B ), reicht es aus, den führenden<br />

Term V DD im Wechselwirkungspotential V (x 1 ,x 2 ;X) zu berücksichtigen, und<br />

man erhält für die Bindungsenergie der Valenzelektronen:<br />

E = 2E ns − Konst ×a B<br />

X6<br />

Ry ≡ 2Ens + W(X) .<br />

Die Interpretation dieses Ergebnisses ist also, dass Ladungsfluktuationen in den<br />

beiden Atomen durch die Coulomb-Wechselwirkung miteinander korreliert sind<br />

und (zumindest für s-Zustände) zu einer effektiven Anziehung der Atome führen,<br />

die durch das Potential W(X) beschrieben werden kann. Diese effektive<br />

Anziehung aufgrund von Ladungsfluktuationen ist als die Van-der-Waals-<br />

Wechselwirkung bekannt. Die dimensionslose Konstante in W(X) hat den numerischen<br />

Wert Konst ≃ 6, 5 für Wasserstoff (H); für die Edelgase He/Ar/Kr<br />

findet man die Werte Konst ≃ 1, 5/68/130.<br />

Bei der Berechnung der Van-der-Waals-Kräfte wird also explizit (bereits im<br />

Hamilton-Operator) vorausgesetzt, dass die Coulomb-Wechselwirkung zwischen<br />

den Valenzelektronen instantan erfolgt. Wegen der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit<br />

kann diese Annahme nur für nicht allzu große Abstände zwischen<br />

den beiden Atomen korrekt sein: X X c ; für größere Abstände (X X c )<br />

erwartet man Retardierungseffekte. Als Kriterium für das Auftreten von Retardierungseffekten<br />

nehmen wir an, dass die für den Austausch von Information<br />

zwischen den beiden Atomen erforderliche Zeit 1 cX nicht größer sein darf als<br />

die typische Umlaufzeit rn<br />

v n<br />

eines Valenzelektrons in der ns-Schale. Hierbei folgen<br />

der Radius r n der Elektronenbahn und die typische Geschwindigkeit v n<br />

eines Elektrons näherungsweise aus dem Bohr’schen Atommodell als v n = αc<br />

n<br />

und r n = n 2 a B . Man erhält daher die Abschätzung X c ≃ n3 a B<br />

α<br />

, wobei α die<br />

Feinstrukturkonstante darstellt. Für X X c findet man unter Berücksichtigung<br />

von Retardierungseffekten („Casimir-Kräfte“) für das effektive Potential:<br />

W(X) = −Konst ×a BX7<br />

Ry.<br />

Multipolkräfte<br />

Nehmen wir nun alternativ an, dass sich die Valenzelektronen der H-ähnlichen<br />

Atome in np-Zuständen befinden (n ≥ 2, l = 1, m ∈ {−1, 0, 1}). Beispiele sind<br />

B (n = 2), Al (n = 3) und Ga (n = 4). Für np-Zustände gilt im Allgemeinen<br />

nicht, dass der Beitrag erster Ordnung zur Grundzustandsenergie Null ergibt:<br />

〈n1m, n1m ′ |V |n1m, n1m ′ 〉 ≠ 0 ,<br />

so dass die Störungstheorie erster Ordnung zur Untersuchung der interatomaren<br />

Kräfte in diesem Falle ausreicht. Es gibt hierbei jedoch eine Komplikation:<br />

Unsere bisherige Störungstheorie ist nur für die Untersuchung nichtentarteter


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 139<br />

Niveaus geeignet, und bei Paaren von Atomen in np-Zuständen liegt wegen<br />

(m, m ′ ) ∈ {−1, 0, 1} eindeutig eine Entartung vor. Nun gibt es natürlich auch<br />

eine Variante der Störungstheorie, die für entartete Niveaus geeignet ist (s. Abschnitt<br />

[8.4]); die Berechnungen werden dann jedoch recht kompliziert. Um die<br />

Darstellung einfach zu halten und dennoch die wesentlichen Eigenschaften von<br />

Multipolkräften vorführen zu können, ändern wir die physikalische Situation<br />

leicht ab, indem wir ein Magnetfeld anlegen:<br />

Ĥ = Ĥ1 + Ĥ2 + V (x 1 ,x 2 ;X) ,<br />

nun aber mit<br />

Ĥ i = ˆp2 i<br />

2m e<br />

−<br />

e 2<br />

4πε 0 |x i | −<br />

e<br />

2m e<br />

B · (ˆL i + gŜi) (i = 1, 2) ,<br />

wobei das Magnetfeld in x 3 -Richtung gewählt wird: B = Bê 3 . Die Eigenenergien<br />

des Hamilton-Operators Ĥi 1<br />

sind daher durch E n + ω L (m i + λ i 2g) gegeben, so<br />

dass die Entartung aufgehoben und der eindeutige Grundzustand im Unterraum<br />

mit l i = 1 durch (m i , λ i ) = (−1, −) gegeben wird. Der Spinfreiheitsgrad wird<br />

im Folgenden keine Rolle mehr spielen.<br />

Da die Quantenzahlen (nlm) = (n1, −1) nun festliegen, kann auch die Ladungs(wahrscheinlichkeits)dichte<br />

der np-Zustände explizit bestimmt werden:<br />

ρ n (x) = |φ n1,−1 (x)| 2 = |R n1 (x)| 2 |Y 1,−1 (Ω)| 2 = 3<br />

8π sin2 (ϑ)|R n1 (x)| 2 .<br />

WegenÊdx ρ n (x)x = 0 fallen alle Dipolbeiträge bei der Berechnung des Matrixelements<br />

erster Ordnung weg:<br />

〈V 〉 = 〈(n1, −1), (n1, −1)|V |(n1, −1), (n1, −1)〉<br />

=dx 1dx 2 ρ n (x 1 )ρ n (x 2 )(V DD + V DQ + V QQ + V DO + . . .)<br />

=dx 1dx 2 ρ n (x 1 )ρ n (x 2 )(V QQ + . . . )<br />

=<br />

e 2<br />

4πε 0 X 5 Q i 1i 2<br />

B i1i 2j 1j 2<br />

Q j1j 2<br />

+ . . . .<br />

Im letzten Schritt wurde der Quadrupoltensor Q i1i 2<br />

≡Êdx ρ n (x)Q i1i 2<br />

(x) der<br />

Ladungsverteilung definiert, der mittels expliziter Durchführung der Winkelintegrationen<br />

leicht zu<br />

Q i1i 2<br />

= 1 10 〈x2 〉 n1 (−2) δi 1 3 δ i1i 2<br />

, 〈x 2 〉 n1 ≡∞<br />

dx x 4 |R n1 (x)| 2<br />

berechnet werden kann. Einsetzen in den Ausdruck für das Matrixelement 〈V 〉<br />

liefert:<br />

0<br />

mit<br />

〈V 〉 =<br />

e 2<br />

4πε 0 X 5 (〈x2 〉 n1 ) 2 F( ˆX)<br />

F( ˆX) ≡ 3<br />

100 (35 ˆX 4 3 − 30 ˆX 2 3 + 3) ,


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 140<br />

so dass die Bindungsenergie der beiden Valenzelektronen durch die Coulomb-<br />

Wechselwirkung der Atome zu<br />

e 2<br />

E = 2(E n − 2ω L ) +<br />

4πε 0 X 5(〈x2 〉 n1 ) 2 F( ˆX)<br />

≡ 2(E n − 2ω L ) + W(X)<br />

modifiziert wird.<br />

Aus dieser Berechnung lernen wir zweierlei: Erstens sind die Quadrupol-<br />

Quadrupol-Kräfte für np-Zustände von Ordnunga BX5<br />

Ry und somit grundsätzlich<br />

stärker als die Van-der-Waals-Kräfte, die aufgrund der Dipol-Dipol-<br />

Wechselwirkung sicherlich auch für np-Zustände in Störungstheorie zweiter Ordnung<br />

auftreten werden. Zweitens lernen wir, dass die Quadrupol-Quadrupol-<br />

Kräfte explizit von der Ausrichtung ˆX der Verbindungslinie der beiden Atome<br />

abhängig sind, und dass eine Mittelung des Potentials über alle möglichen Ausrichtungen<br />

des Vektors ˆX Null ergibt: 〈W(X)〉 ˆX<br />

= 0. Dies impliziert Folgendes:<br />

Wenn nur zwei lokalisierte Atome (oder Moleküle) mit Bahndrehimpuls ungleich<br />

Null (hier: l = 1) miteinander wechselwirken, wird die Quadrupol-Quadrupol-<br />

Kraft über die Van-der-Waals-Kraft dominieren. Falls jedoch ein Gas oder eine<br />

Flüssigkeit vorliegt, wird jedes Atom (oder Molekül) mit vielen anderen wechselwirken,<br />

so dass es effektiv eine über alle Raumrichtungen gemittelte Kraft<br />

spürt; in diesem Fall ist die gemittelte Quadrupol-Quadrupol-Kraft Null und<br />

dominiert die Van-der-Waals-Kraft.<br />

Abschließend kann man sich noch fragen, wie stark das angelegte Magnetfeld<br />

sein muss, damit die ungestörten Niveaus genügend weit voneinander getrennt<br />

sind und man die nicht-entartete Störungstheorie anwenden kann. Das Kriterium<br />

hierfür lautet, dass die typische Energieaufspaltung ω L im Magnetfeld<br />

deutlich größer als die typische Wechselwirkungsenergiea BX5<br />

Ry der beiden<br />

Atome sein muss. Nun ist bereits aus der Behandlung des atomaren Diamagnetismus<br />

bekannt, dass ωL<br />

Ry ≃ 1 2 · 10−5 B/Tesla (und somit für starke Felder:<br />

ω L<br />

Ry 10−3 ) gilt. Aus der Bedingunga BX5<br />

≪<br />

ω L<br />

Ry<br />

folgt daher, dass für starke<br />

Magnetfelder etwa X 10a B gelten muss. Dies kann als eine durchaus realistische<br />

Anforderung eingestuft werden. Retardierungseffekte treten ja, wie wir<br />

wissen, erst für deutlich größere interatomare Abstände auf.<br />

8.4 Störungstheorie für entartete Zustände<br />

Aus der Diskussion des Wasserstoffatoms im Magnetfeld ist bereits klar, dass<br />

Entartung von ungestörten Energieniveaus ein häufiges Phänomen ist. In diesem<br />

Abschnitt zeigen wir, wie man in diesem Fall vorgeht.<br />

Wir nehmen nun also an, dass das Energieniveau mit der Quantenzahl n<br />

entartet ist:<br />

Ĥ 0 φ ni = E (0)<br />

n φ ni (i = 1, . . .,g n ; g n > 1) .<br />

Die Konstruktion des Algorithmus für den nicht-entarteten Fall kann mit einigen<br />

Änderungen auch für entartete Energieniveaus übernommen werden: Aus der<br />

Normierungsbedingung (Φ ni (λ), Φ ni (λ)) = 1 und aus der Bedingung für die


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 141<br />

Phase, Im(φ ni , Φ ni (λ)) = 0, folgt nun:<br />

c (0m)<br />

i<br />

m−1<br />

= c (m0)<br />

i<br />

= − 1 2<br />

c<br />

m (m′ ,m−m ′ )<br />

i<br />

, c (mm′ )<br />

i<br />

≡φ (m)<br />

ni<br />

, φ (m′ )<br />

ni, (8.14)<br />

′ =1<br />

und Gleichung (8.7) wird einfach ersetzt durch:<br />

m−1<br />

(Ĥ0 − E n (0) )φ(m) (m−1)<br />

ni<br />

+ Ĥ1φ<br />

ni<br />

= E (m)<br />

ni<br />

φ ni + E<br />

m (m′ )<br />

ni<br />

φ (m−m′ )<br />

ni<br />

.<br />

′ =1<br />

Aus dieser Gleichung folgt durch Bildung eines Skalarprodukts mit φ ni :<br />

E (m)<br />

ni =φ ni ,<br />

durch Bildung eines Skalarprodukts mit φ ni ′ für i ′ ≠ i:<br />

(i<br />

m−1<br />

(m−1) Ĥ1φ ni<br />

− E<br />

m (m′ )<br />

ni c (0,m−m′ )<br />

i , (8.15)<br />

′ =1<br />

m−1<br />

(m−1)<br />

φ ni ′, Ĥ1φ ni<br />

= E<br />

m (m′ )<br />

niφ ni ′, φ (m−m′ )<br />

ni ′ =1<br />

und durch Bildung eines Skalarprodukts mit φ n′ i ′ für n′ ≠ n:<br />

(E (0)<br />

n ′<br />

γ (m)<br />

n ′ i ′<br />

′ ≠ i) (8.16)<br />

m−1<br />

− E(0) n )γ(m) n ′ i +φ (m−1)<br />

′ n′ i ′, Ĥ1φ ni<br />

= E<br />

m (m′ )<br />

ni γ (m−m′ )<br />

n ′ i , (8.17)<br />

′<br />

′ =1<br />

≡φ n′ i ′, φ(m) ni.<br />

Ein sehr wichtiges Element der Störungstheorie für entartete Zustände folgt<br />

sofort aus den Gleichungen (8.15) und (8.16) für m = 1:<br />

(φ ni ′, Ĥ1φ ni ) = 0 (i ′ ≠ i) , E (1)<br />

ni = (φ ni , Ĥ1φ ni ) ,<br />

oder zusammenfassend:<br />

(φ ni ′, Ĥ1φ ni ) = E (1)<br />

ni δ ii ′ .<br />

Damit man überhaupt Störungstheorie anwenden kann, muss der Störterm also<br />

unbedingt diagonal sein im Unterraum des Hilbert-Raums H zum Energieeigenwert<br />

E n<br />

(0) von Ĥ0. Projizieren wir den vollen Hamilton-Operator Ĥ also auf<br />

diesen Unterraum:<br />

Ĥ (n) ≡ ˆP n ĤˆP n , ˆPn ψ =<br />

g<br />

φ ni ′(φ ni ′, ψ) ,<br />

′ =1<br />

ni<br />

dann gilt:<br />

Ĥ (n) φ n ′ i ′ = 0 (n′ ≠ n) ,<br />

Ĥ (n) φ ni = (E (0)<br />

n<br />

+ λE(1) ni )φ ni (i = 1, . . .,g n ) .


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 142<br />

Dies bedeutet jedoch, dass die Eigenfunktionen Φ ni (λ) des vollen Problems lediglich<br />

Komponenten in der Richtung von φ ni oder φ n′ i ′ für n′ ≠ n, aber nicht<br />

in der Richtung φ ni ′ (i ′ ≠ i) enthalten können:<br />

Φ ni (λ) =<br />

∞m=0<br />

λ m φ (m)<br />

ni , φ (m)<br />

ni = c (0m)<br />

+<br />

i φ ni γ (m)<br />

n ′ ≠n,i ′<br />

n ′ i ′ φ n ′ i ′ . (8.18)<br />

Die Gleichungen (8.14)–(8.18) formen einen geschlossenen Satz, der iterativ gelöst<br />

werden kann. Der entsprechende Algorithmus hat dann die Form, wie sie<br />

unter Algorithmus 8.2 dargestellt ist.<br />

Diagonalisiere Ĥ(n) ,<br />

falls nicht-diagonal<br />

Bestimme die Daten für m = 0<br />

in der Basis, in der Ĥ(n) diagonal ist<br />

8.14<br />

8.15<br />

8.17<br />

m = m + 1<br />

c (0,m+1)<br />

i<br />

= c (m+1,0)<br />

i<br />

E (m+1)<br />

ni<br />

γ (m+1)<br />

n ′ i ′<br />

8.18<br />

φ (m+1)<br />

ni<br />

Algorithmus 8.2: Entartete Störungstheorie<br />

λ<br />

Konkret gilt also für m = 1:<br />

c (01)<br />

i = c (10)<br />

i = 0 , γ (1)<br />

n ′ i = (φ n ′ i ′, Ĥ1φ ni )<br />

′<br />

E n (0) − E (0)<br />

n ′<br />

und daher für die Wellenfunktion:<br />

(φ n<br />

Φ ni (λ) = φ ni + ′ i ′, Ĥ1φ ni )<br />

φ<br />

n ′ ≠n,i E (0)<br />

′ n − E (0) n′ i ′ + O(λ2 ) .<br />

n ′<br />

Die Korrektur zweiter Ordnung zur Eigenenergie ist im entarteten Fall durch<br />

E (2)<br />

(1)<br />

ni =φ ni , Ĥ1φ<br />

ni=<br />

|(φ n′ i ′, Ĥ1φ ni )| 2<br />

n ′ ≠n,i E (0)<br />

′ n − E (0)<br />

gegeben. Im Prinzip kann man so eine beliebige Ordnung der Störungsreihe mit<br />

Hilfe des Iterationsalgorithmus berechnen.<br />

8.5 Beispiel: Der Stark-Effekt<br />

Der Stark-Effekt, die Aufspaltung der Spektrallinien im elektrischen Feld, wurde<br />

1913 von Johannes Stark (damals an der T. H. Aachen) an den Spektrallinien<br />

des Wasserstoffs entdeckt; später hat man erkannt, dass dieses Phänomen auch<br />

bei anderen Atomen auftritt. Unter anderem für diese Entdeckung erhielt Stark<br />

1919 den Nobelpreis für Physik.<br />

n ′


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 143<br />

Der Hamilton-Operator für ein Wasserstoffatom im elektrischen Feld lautet:<br />

Ĥ = Ĥ0 + λĤ1 , Ĥ 0 = ˆp2<br />

2m e<br />

+ V (r) , λĤ1 = −eEx 3 .<br />

Hierbei wurde das elektrische Feld in x 3 -Richtung gewählt. Wir werden im Folgenden<br />

zwar sehen, dass der kleine Parameter λ und der Störterm Ĥ1 konkret<br />

durch<br />

λ = |e|a BE<br />

Ry<br />

, Ĥ 1 = x 3<br />

a B<br />

Ry<br />

gegeben sind, aber es ist bequemer mit der Kombination λĤ1 zu rechnen. Da<br />

der Hamilton-Operator spinunabhängig ist, reicht es, nur eine der beiden Spinkomponenten<br />

(also entweder φ nlm χ + oder φ nlm χ − ) zu betrachten. Der Spinfreiheitsgrad<br />

spielt im Folgenden keine Rolle und kann ohne Weiteres vernachlässigt<br />

werden.<br />

Betrachten wir zunächst den Grundzustand des Wasserstoffatoms, (nlm) =<br />

(100). Dieser Zustand ist nicht-entartet; man kann daher nicht-entartete Störungstheorie<br />

anwenden. Da der Grundzustand gerade Parität hat (Pφ 100 =<br />

+φ 100 , wegen l = 0) ist der Erwartungswert des Operators λĤ1 (mit ungerader<br />

Parität) im Grundzustand exakt Null:<br />

λE (1)<br />

100 = (φ 100, λĤ1φ 100 ) = −eE(φ 100 , x 3 φ 100 ) = 0 ,<br />

so dass es im Grundzustand keinen linearen Stark-Effekt gibt. Wir werden am<br />

Ende dieses Abschnitts sehen, dass es in diesem Fall sehr wohl einen quadratischen<br />

Stark-Effekt (proportional zu E 2 ) gibt.<br />

Um einen linearen Stark-Effekt zu erhalten, benötigt man offensichtlich Zustände<br />

unterschiedlicher Parität, d. h. Zustände mit gleichem n, jedoch mit unterschiedlichen<br />

Werten von (−1) l . Diese Situation tritt zuerst für n = 2 auf. Da<br />

die vier möglichen Zustände mit n = 2 (wir vernachlässigen ja den Spin) alle<br />

entartet sind:<br />

Ĥ 0 φ 2lm = E 2 φ 2lm [(lm) = (00), (10), (11), (1, −1)] ,<br />

benötigt man Störungstheorie für entartete Zustände. Da das Matrixelement<br />

〈Y lm , x 3 Y l′ m ′〉 nur für ungerades l −l′ und m −m ′ = 0 ungleich Null ist, hat der<br />

Störterm im Unterraum n = 2 die Matrixform<br />

Wegen<br />

0 (φ<br />

ˆP 2 λĤ1ˆP 2 = −eE<br />

200 , x 3 φ 210 ) 0 0<br />

(φ 210 , x 3 φ 200 ) 0 0 0<br />

0 0 0 0<br />

0 0 0 0à.<br />

φ 200 (x) = R 20 (r)Y 00 (Ω)<br />

R 20 (r) =<br />

1<br />

√<br />

2a<br />

3/2<br />

B1 − r<br />

2a Be −r/2aB , R 21 (r) =<br />

, φ 210 (x) = R 21 (r)Y 10 (Ω)<br />

1<br />

2 √ 6a 3/2<br />

B<br />

Y 00 = 1 √<br />

4π<br />

, Y 10 =Ö3<br />

4π cos(ϑ)<br />

r<br />

a B<br />

e −r/2aB


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 144<br />

sind beide nicht-verschwindenden Matrixelemente reell und daher gleich. Eine<br />

explizite Berechnung liefert:<br />

(φ 210 , x 3 φ 200 ) = (φ 200 , x 3 φ 210 ) =∞<br />

dr r 3 R 21 (r)R 20 (r)〈Y 10 , cos(ϑ)Y 00 〉<br />

=<br />

1<br />

2 √ 6a 3/2<br />

B<br />

×2π<br />

0<br />

= 1 4 a B∞<br />

0<br />

0<br />

1<br />

√ dr r<br />

3/2 2a 0<br />

B∞<br />

3 r −<br />

a B1<br />

dϑ sin(ϑ)Ö3<br />

0<br />

0<br />

dxx 41 − x 2e −x 1 21<br />

−1<br />

1<br />

dϕπ<br />

r<br />

2a Be −r/aB<br />

1<br />

4π cos2 (ϑ) √<br />

4π<br />

dy y 2<br />

= a B<br />

12 (Γ(5) − 1 2 Γ(6)) = 1<br />

12 a B(24 − 60) = −3a B .<br />

In der Basis {φ 200 , φ 210 , φ 211 , φ 21,−1 } gilt daher:<br />

ˆP 2 λĤ1ˆP 2 = 3eEa Bσ 1 0<br />

0 0,σ 1 =0 1<br />

und in der Basis { 1 √<br />

2<br />

(φ 200 + φ 210 ),<br />

1 √2 (φ 200 − φ 210 ), φ 211 , φ 21,−1 }:<br />

ˆP 2 λĤ1ˆP 2 = 3eEa Bσ 3 0<br />

0 0,σ 3 =1 0<br />

0 −1.<br />

Die möglichen Energien sind (bis zur ersten Ordnung) also gegeben durch:<br />

B<br />

E = E 2 +´3eEa<br />

0<br />

1 +´−3λ<br />

0<br />

4<br />

−3eEa Bµ=Ry−<br />

+3λµ,<br />

mit λ = |e|Ea B /Ry. Der numerische Wert dieses kleinen Parameters hängt<br />

natürlich von E ab:<br />

λ ≃ 1, 6 · 10−19 × 5, 3 · 10 −11<br />

2, 18 · 10 −18 E ≃ 4 · 10 −12 E ,<br />

wobei Feldstärken bis 10 7 –10 8 V/m durchaus möglich sind. Da Ry einer Wellenlänge<br />

von λ Ry = 2πc<br />

ω<br />

= 2πc<br />

Ry<br />

≃ 10 −7 m entspricht, stimmt 1 4Ry mit einer<br />

Wellenlänge von ungefähr ˜λ = 4 · 10 −7 m überein; die relative Änderung der<br />

Wellenlänge ist<br />

∆˜λ<br />

˜λ = ∆ω<br />

ω = ∆E<br />

E = 12λ ≃ 5 · 10−11 E ,<br />

so dass für starke Felder durchaus ∆˜λ/˜λ ≃ 5 ·10 −3 , also ∆˜λ ≃ 2 nm möglich ist.<br />

Die Basis { 1 √<br />

2<br />

(φ 200 + φ 210 ),<br />

1 √2 (φ 200 − φ 210 ), φ 211 , φ 21,−1 } ist der geeignete<br />

Startpunkt für eine entartete Störungstheorie höherer Ordnung, da in diesem<br />

Fall λĤ1 diagonal ist. Die Energieaufspaltung ist in Abbildung 8.2 dargestellt.<br />

Der Zustand 1 √<br />

2<br />

(φ 200 + φ 210 ) hat hierbei, wegen e < 0, die niedrigste Energie.<br />

Wir betrachten schließlich noch einmal den Grundzustand des Wasserstoffatoms<br />

(n = 1, l = m = 0) und zeigen, dass dieser Zustand sehr wohl einen


=<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 145<br />

quadratischen Stark-Effekt aufweist. Die Korrektur zweiter Ordnung zur ungestörten<br />

Grundzustandsenergie ist:<br />

λ 2 E (2) |(φ ν , λĤ1φ 100 )| 2<br />

|(φ ν , x 3 φ 100 )| 2<br />

100<br />

ν≠(100)<br />

E (0)<br />

100 − E(0) ν<br />

E (0)<br />

100 − . (8.19)<br />

E(0) ν<br />

Wir benutzen nun, dass der Operator<br />

Ô ≡ − m ea B<br />

2r<br />

2 + a Bx 3<br />

die besonders hilfreiche Eigenschaft:<br />

[Ô, Ĥ]φ 100 = x 3 φ 100<br />

= e 2 E 2<br />

ν≠(100)<br />

hat. Dies kann man z. B. wie folgt einsehen: Mit<br />

[x 3 , ˆp 3 ] = i ,<br />

[r, ˆp r ] = i∂<br />

∂r r − 1 ∂<br />

r ∂r r2= + r<br />

i1 ∂ ∂r − 2 − r ∂r=i ∂ ,<br />

der Rechenregel [AB, C] = A[B, C] + [A, C]B und dem Hamilton-Operator<br />

Ĥ = ˆp2 + V (r) = (ˆp r) 2<br />

+ ˆL 2<br />

2m e 2m e 2m e r 2 + e<br />

V (r)<br />

folgt nämlich:<br />

3Ó<br />

[Ô, Ĥ] = −m ea B<br />

2 + a ˆp 2<br />

Bx 3 ,<br />

2m<br />

= − a B<br />

2Òr<br />

2 2 + a B[x 3 , ˆp 2 ] + [ r 2 + a B, ˆp 2 ]x<br />

= − a B<br />

2Ò−r<br />

3Ó 3Ó 3Ó<br />

2 2 + a B[ ˆp 2 3 , x 3] − 1 2 [ ˆp2 r , r]x<br />

= − a B<br />

2Ò−r<br />

2 2 + a B(−2iˆp 3 ) − 1 2 (−2iˆp r)x<br />

= −i a Òr B<br />

2 + a Bˆp 3 + 1 2 ˆp rx<br />

2r<br />

|210〉, |200〉<br />

|211〉, |21, −1〉<br />

(E = 0)<br />

(E ≠ 0)<br />

1 √<br />

2<br />

(|200〉 − |210〉)<br />

|211〉, |21, −1〉<br />

1 √<br />

2<br />

(|200〉 + |210〉)<br />

Abbildung 8.2: Energieaufspaltung beim Stark-Effekt


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 146<br />

und daher:<br />

∂<br />

∂r + 1 cos(ϑ) ∂<br />

2 r ∂r r2φ 100<br />

= −a B cos(ϑ)år<br />

2 + a B∂<br />

∂r + 1 + 1 2 r ∂rèφ ∂ 100<br />

Br<br />

[Ô, Ĥ]φ 100 = −a<br />

2 + a 3<br />

Bx<br />

r<br />

= −a B cos(ϑ)å(r + a B ) ∂ ∂r + 1èφ 100<br />

= −a B cos(ϑ)å(r + a B )− 1<br />

a B+1èφ 100<br />

= r cos(ϑ)φ 100 = x 3 φ 100 .<br />

Hierbei wurde die Gleichung ∂ ∂r φ 100 = − 1<br />

a B<br />

φ 100 verwendet. Mit der Beziehung<br />

(φ ν , x 3 φ 100 ) = (φ ν , [Ô, Ĥ]φ 100) = (E (0)<br />

100 − E(0) ν )(φ ν , Ôφ kann man die Gleichung (8.19) auch als<br />

λ 2 E (2)<br />

(φ 100 , x 3 φ ν )(φ ν , Ôφ 100)<br />

= e 2 E 2ä(φ 100 , x 3 Ôφ 100 ) − (φ 100 , x 3 φ 100 )(φ 100 , 100)ç<br />

Ôφ<br />

100 = e2 E 2<br />

ν≠(100)<br />

= e 2 E 2 (φ 100 , x 3 Ôφ 100 )<br />

schreiben. Im letzten Schritt wurde verwendet, dass die {φ ν }, die sowohl die<br />

gebundenen als auch die ausgedehnten Zustände enthalten, vollständig sind und<br />

dass der zweite Term wegen der geraden Parität von φ 100 Null ist. Aus der<br />

expliziten Form der Grundzustandswellenfunktion:<br />

φ 100 (x) = R 10 (r)Y 00 (Ω) , R 10 (r) = 2 e −r/aB , Y<br />

a 3/2<br />

00 (Ω) = √ 1 ,<br />

B<br />

4π<br />

folgt leicht:<br />

λ 2 E (2)<br />

100 = −m ea B<br />

2 e 2 E 2φ 100 ,r<br />

2 + a Bx 2 3 100<br />

φ<br />

= − m ea B<br />

3 2 e2 E 2φ 100 ,r<br />

2 + a Br 2 φ 100=− 9 8<br />

so dass insgesamt mit λ = |e|Ea B /Ry:<br />

E 100 = E 1 + λ 2 E (2)<br />

100 = −(1 + 9 8 λ2 )Ry<br />

gilt. Die Polarisation des Grundzustandes folgt als:<br />

P = − ∂E 100<br />

∂E = 9 (ea B ) 2 E<br />

4 Ry<br />

und die Polarisierbarkeit ist daher durch:<br />

gegeben.<br />

α = ∂P<br />

∂E = 9 (ea B ) 2<br />

4 Ry<br />

,<br />

(ea B E) 2<br />

Ry<br />

,


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 147<br />

8.6 Zeitabhängige Störungstheorie<br />

Manchmal ist eine Störung nicht zeitunabhängig, wie wir bisher angenommen<br />

haben, sondern explizit zeitabhängig. Der Hamilton-Operator lautet in diesem<br />

Fall:<br />

Ĥ = Ĥ0 + λĤ1(t) .<br />

Ein wichtiges Beispiel ist die Wechselwirkung eines Atoms bzw. eines atomaren<br />

Elektrons mit dem Strahlungsfeld. Der Störterm hat in diesem Fall die Form:<br />

λĤ1(t) = − e e2<br />

A(x, t) · ˆp + [A(x, t)]2<br />

m 2m<br />

mit<br />

0 1<br />

A(x, t) = cÖµ<br />

√<br />

2V<br />

kα (t)e ωkäa ik·x + a † kα (t)e−ik·xçε (kα) ,<br />

k≠0,α<br />

wobei ε (kα) ein Polarisationsvektor ist und a kα (t) = a kα e −iω kt Photonen mit<br />

dem Wellenvektor k und der Polarisationsrichtung α vernichtet. Bei der Herleitung<br />

des Störterms wird die Coulomb-Eichung benutzt. Da das elektromagnetische<br />

Feld aus unendlich vielen Moden aufgebaut ist, die alle mit einer charakteristischen<br />

Frequenz ω k = c|k| oszillieren, ist der Störterm sicherlich zeitabhängig.<br />

Da jede Mode im Störterm eine strikt periodische Zeitabhängigkeit aufweist<br />

und die verschiedenen Moden in führender Ordnung separat behandelt werden<br />

können, ist die periodische Störung,<br />

Ĥ 1 (t) = Ĥ1(0)e ±iωt (ω > 0) ,<br />

in der zeitabhängigen Störungstheorie von besonderem Interesse.<br />

Startpunkt unserer Untersuchung der Struktur der Störungsreihe ist – wie<br />

immer – die Schrödinger-Gleichung:<br />

i∂ t ψ = [Ĥ 0 + λĤ 1 (t)]ψ , ψ(x, 0) = ψ 0 (x) . (8.20)<br />

Wir gehen nun auf das „Wechselwirkungsbild“ über:<br />

ψ = e −iĤ0t/ χ , χ(x, 0) ≡ χ 0 (x) = ψ 0 (x) . (8.21)<br />

Die Motivation für die Einführung des Wechselwirkungsbildes ist, dass die neue<br />

Funktion χ(x, t) in (8.21) für λ = 0 strikt zeitunabhängig wäre. Daher erwartet<br />

man, dass χ für kleine λ nur schwach mit der Zeit variiert. Einsetzen von (8.21)<br />

in (8.20) liefert:<br />

d. h.<br />

e −iĤ0t/ i∂ t χ + Ĥ0ψ = Ĥ0ψ + λĤ1(t)e −iĤ0t/ χ ,<br />

i∂ t χ = ĤW(t)χ , Ĥ W (t) ≡ e iĤ0t/ λĤ1(t)e −iĤ0t/ ,<br />

bzw. nach einer Integration:<br />

χ(t) = χ 0 +<br />

it 1 dt 1 Ĥ W (t 1 )χ(t 1 ) . (8.22)<br />

0


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 148<br />

Diese Integralgleichung für χ kann iterativ gelöst werden:<br />

χ(t) = χ 0 +<br />

it 1 dt 1 Ĥ W (t 1 )χ 0<br />

0<br />

+ 1<br />

2t 1<br />

dt 1t<br />

dt 2 Ĥ W (t 1 )Ĥ W (t 2 )χ(t 2 )<br />

(i) 0 0<br />

1<br />

∞k=1<br />

kt<br />

=ä½+<br />

1<br />

k−1<br />

dt 1t<br />

dt 2 · · ·t<br />

dt k Ĥ W (t 1 )ĤW(t 2 ) · · ·<br />

(i) 0 0 0<br />

· · · ĤW(t k )çχ 0<br />

Û k (t)èχ 0 ≡ ≡å∞k=0 ÛW(t)χ 0 . (8.23)<br />

Natürlich ist ÛW(t) nichts anderes als der Zeitentwicklungsoperator im Wechselwirkungsbild.<br />

Er erfüllt die Gleichung<br />

i∂ t Û = ĤW(t)Û(t) , Û(0) =½.<br />

Mit Hilfe des Zeitordnungsoperators T ,<br />

T [f(t 1 )g(t 2 )] ≡ f(t 1 )g(t 2 )Θ(t 1 − t 2 ) + g(t 2 )f(t 1 )Θ(t 2 − t 1 ) ,<br />

kann man Û(t) eleganter darstellen. Es gilt nämlich:<br />

Û 2 (t) = 1<br />

2t<br />

(i)<br />

und allgemeiner:<br />

0<br />

1<br />

2t<br />

=<br />

2!(i)<br />

dt 1t 1<br />

0<br />

0<br />

dt 1t<br />

0<br />

dt 2 Ĥ W (t 1 )ĤW(t 2 )<br />

dt 2 T [ĤW(t 1 )ĤW(t 2 )]<br />

1<br />

kt<br />

Û k (t) = dt 1 · · ·t<br />

dt k T [ĤW(t 1 )ĤW(t 2 ) · · ·ĤW(t k )] ,<br />

k!(i)<br />

so dass man symbolisch schreiben kann:<br />

Û(t) = Tå∞k=0<br />

0<br />

1<br />

k!1<br />

it<br />

0<br />

0<br />

dt ′ Ĥ W (t ′ )kè=Tåe −iÊt<br />

0 dt′ Ĥ W(t ′ )/è.<br />

Der Zeitentwicklungsoperator hat im Wechselwirkungsbild also die Form einer<br />

zeitgeordneten Exponentialfunktion. Formal wird die Lösung von (8.20) also<br />

durch (8.23) gegeben.<br />

Um mehr Einsicht in die physikalischen Eigenschaften der Lösung zu erlangen,<br />

beschränken wir uns auf die ersten zwei Ordnungen:<br />

χ(t) = [½+Û1(t) + Û2(t)]χ 0 + O(λ 3 ) (8.24)<br />

und entwickeln χ(t) nach den zeitunabhängigen Eigenfunktionen {φ n } von Ĥ0:<br />

χ(t) =n<br />

c n (t)φ n , Ĥ 0 φ n = E n φ n . (8.25)


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 149<br />

Der Einfachheit halber nehmen wir außerdem an, dass das System sich für t = 0<br />

in einem Eigenzustand von Ĥ0 befindet:<br />

ψ 0 (x) = χ 0 (x) = φ l (x) .<br />

Einsetzen von (8.25) in (8.24) liefert aufgrund der Vollständigkeit der {φ m }:<br />

c n (t) = δ nl +<br />

it 1 dt 1 (φ n , ĤW(t 1 )φ l )<br />

0<br />

+ 1<br />

2t<br />

(i)<br />

0<br />

1<br />

dt 1t<br />

dt<br />

0<br />

2m<br />

≡ c (0)<br />

n (t) + c (1)<br />

n (t) + c (2)<br />

n (t) + . . . .<br />

Einsetzen der Definition von ĤW(t) liefert:<br />

(φ n , ĤW(t 1 )φ m )(φ m , ĤW(t 2 )φ l ) + . . .<br />

und<br />

c (1)<br />

n<br />

it<br />

(t) = λ dt 1 (φ n , Ĥ1(t 1 )φ l )e i(En−E l)t 1/<br />

c (2)<br />

n (t) = λ2<br />

0<br />

2mt 1<br />

dt 1t<br />

(i) 0 0<br />

dt 2 (φ n , Ĥ1(t 1 )φ m )<br />

× (φ m , Ĥ1(t 2 )φ l )e i [(En−Em)t1+(Em−E l)t 2]<br />

.<br />

Für den Spezialfall einer periodischen Störung, Ĥ1(t) = Ĥ1(0)e ±iωt , der für die<br />

Emission oder Absorption von Photonen durch ein Atom relevant ist, folgt für<br />

die Übergangsamplitude c (1)<br />

n (t):<br />

c (1)<br />

n (t) = 1<br />

i (φ n, λĤ1(0)φ l )t<br />

0<br />

dt 1 e i(En−E l±ω)t 1/<br />

und daher für die Übergangswahrscheinlichkeit:<br />

|c (1)<br />

n (t)|2 = 1 2¬t<br />

2 |(φ n, λĤ1(0)φ l )| dt 1 e 2iαt1¬2<br />

,<br />

0<br />

mit 2α ≡ 1 (E n − E l<br />

t<br />

± ω). Hierbei gilt:<br />

= sin2 (αt)<br />

πα 2 πt .<br />

t<br />

Wegen<br />

lim dα<br />

t→∞∞<br />

sin2 (αt)<br />

−∞ πα 2 f(α) = lim dx<br />

t t→∞∞<br />

sin2 (x)<br />

fx<br />

−∞ πx 2<br />

= f(0) dx<br />

π∞<br />

sin2 (x)<br />

x 2 = f(0) ,<br />

¬t<br />

dt 1 e 2iαt1¬2 =¬e2iαt − 1 sin =<br />

0<br />

2iα¬2 2 (αt)<br />

α 2<br />

−∞<br />

für beliebige Funktionen f, gilt im Langzeitlimes:<br />

sin 2 (αt)<br />

n − E l ± ω<br />

lim<br />

t→∞ πα 2 = δ(α) = δE<br />

=2 δ(E n − E l ± ω) .<br />

t<br />

2


------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ 8. STÖRUNGSTHEORIE 150<br />

Die Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit vom Anfangszustand φ l zum<br />

Endzustand φ n ist daher gegeben durch:<br />

|c (1)<br />

n (t)|2 /t = 2π |(φ n, λĤ1(0)φ l )| 2 δ(E n − E l ± ω) .<br />

Dieses Ergebnis, das zuerst von W. Pauli hergeleitet wurde, ist gemeinhin als<br />

Fermis „Goldene Regel“ bekannt.


Literaturverzeichnis<br />

[1] M. Abramowitz I.A. Stegun. Handbook of Mathematical Functions. Dover<br />

Publications, Dover, 1965.<br />

[2] M. Abramowitz I.A. Stegun. Pocketbook of Mathematical Functions. Harri<br />

Deutsch, Frankfurt/Main, 1986.<br />

[3] P.A.M. Dirac. The Principles of Quantum Mechanics. Clarendon Press,<br />

Oxford, 1958.<br />

[4] R.P. Feynman R.B Leighton M. Sands. The Feynman Lectures On Physics,<br />

volume 3. Addison Wesley Publishing Company, Reading, MA, 1970.<br />

[5] L.D. Landau E.M. Lifschitz. Lehrbuch der theoretischen Physik, Band 3.<br />

Akademie-Verlag, Berlin, 1988.<br />

[6] E. Merzbacher. Quantum Mechanics. Wiley, New York, 1970.<br />

[7] A. Messiah. <strong>Quantenmechanik</strong>, Band 1. de Gruyter, Berlin, 1991.<br />

[8] A. Messiah. <strong>Quantenmechanik</strong>, Band 2. de Gruyter, Berlin, 1990.<br />

[9] W. Pauli. Wave Mechanics. Dover, New York, 2000.<br />

[10] F. Scheck. Theoretische Physik 2. Springer Verlag, Berlin, 2000.<br />

[11] F. Schwabl. <strong>Quantenmechanik</strong>. Springer Verlag, Berlin, 2002.<br />

[12] R. Shankar. Principles of Quantum Mechanics. Plenum Press, New York,<br />

1980.


Index<br />

α-Zerfall, 89<br />

abstrakter Vektorraum, 69<br />

adjungierter Operator, 39<br />

aktive Drehung, 102<br />

Algebraische Methode, 78<br />

Algorithmus<br />

entartete Störungstheorie, 140,<br />

142<br />

Rayleigh-Schrödinger-<br />

Störungstheorie, 128–130<br />

Ammoniakmolekül, 96<br />

Anharmonischer Oszillator, 131<br />

anomaler Zeeman-Effekt, 115<br />

Anschlussbedingungen, 89<br />

Deltapotential, 91<br />

Potentialschwelle, 91<br />

asymptotische Reihe, 128<br />

Beispiel, 129<br />

atomarer Diamagnetismus, 115, 134<br />

Auswahlregel, 132<br />

Bahndrehimpuls, 98, 104<br />

als Erhaltungsgröße, 103<br />

Eigenfunktionen, 104<br />

Bahndrehimpulsoperator, 22, 24<br />

Bahndrehimpulsquantenzahl, 99<br />

Balmer-Formel, 7, 9<br />

Besetzungszahloperator, 78, 81<br />

Betafunktion, 106<br />

Bohr<br />

Atommodell, 7<br />

Quantisierungsbedingung, 8<br />

Radius, 8, 8, 110<br />

Born<br />

Interpretation von |ψ| 2 , 9<br />

„bra“, 70<br />

Compton-Effekt, 6<br />

Comptonwellenlänge, 7, 8<br />

Coulomb<br />

Eichung, 114<br />

Potential, 108<br />

Wellenfunktion, 112<br />

Darstellung, 60, 122<br />

der Lie-Gruppe, 102<br />

Energiedarstellung, 59<br />

im Vergleich, 60<br />

unitär äquivalente, 124<br />

Wechsel der, 60<br />

Darstellung der Deltafunktion, 46<br />

Darstellungswechsel, 60<br />

De Broglie-Wellenlänge, 9<br />

Deltafunktion, 46<br />

eines Operators, 54<br />

Deltapotential, 91, 91<br />

Anschlussbedingungen, 91<br />

Eigenfunktionen, 91<br />

deterministisch, 3<br />

diamagnetisch, 135<br />

Diamagnetismus<br />

atomarer, 115, 134<br />

diskretes Spektrum, 113<br />

Dispersionsrelation, 13<br />

Drehgruppe, 100, 101<br />

SO(3), 100<br />

Erzeuger, 122<br />

Drehimpuls, 27, 29, 115<br />

Drehmoment, 27<br />

Drehung, 101<br />

aktive, 102<br />

passive, 102<br />

dualer<br />

Vektor, 70<br />

Vektorraum, 70<br />

Dualismus, 7<br />

Dualität des Lichts, 7<br />

effektives Potential, 99<br />

152


-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- INDEX 153<br />

Ehrenfest’sches Theorem, 27<br />

Eigenfunktionen, 47<br />

Bahndrehimpuls, 104<br />

Eigenrotation des Elektrons, 116<br />

Eigenwert, 55<br />

Einheitsoperator, 38<br />

Einstein<br />

Summationskonvention, 26<br />

elektrisches Feld, 143<br />

elektromagnetische Wellen, 4<br />

elektromagnetisches Feld, 147<br />

Hamilton-Funktion, 14<br />

Hamilton-Operator, 14<br />

Stromdichte, 21<br />

Elektron, 114<br />

Eigenrotation, 116<br />

Elektronenradius, klassischer, 8<br />

Energieaufspaltung<br />

Stark-Effekt, 142, 145<br />

Zeeman-Effekt, 115, 117<br />

Energiedarstellung, 59<br />

entartete Störungstheorie, 140<br />

Algorithmus, 140, 142<br />

Entartung, 56, 140<br />

Fast-Entartung, 131<br />

Störungstheorie, 125<br />

Erhaltungsgröße<br />

Bahndrehimpuls, 103<br />

bei Drehungen, 103<br />

Erwartungswert, 39<br />

Erzeugungsoperator, 74<br />

fast-entartete Zustände, 94<br />

Fast-Entartung, 131<br />

Feinstrukturkonstante, 8, 8, 110<br />

Fermis Goldene Regel, 150<br />

Fourier-Analyse, 46<br />

freie Teilchen, 13<br />

Funktionen<br />

von Operatoren, 54<br />

Funktionenraum, 36, 53<br />

Gauß-Paket<br />

isotropes, 42<br />

Gesamtwahrscheinlichkeit, 19<br />

Geschwindigkeitsoperator, 22, 26<br />

Gitterschwingungen, 74<br />

Goldene Regel, 150<br />

Grenzfläche, 86<br />

Grundzustand<br />

Wasserstoffproblem, 134, 143, 145<br />

Grundzustandsenergie, 108<br />

gyromagnetischer Faktor, 116<br />

gyromagnetisches Verhältnis, 115<br />

Hamilton<br />

Bewegungsgleichungen, 3<br />

Funktion, 3<br />

Funktion im elm. Feld, 14<br />

Hamilton-Operator, 14<br />

als Integral-Operator, 57<br />

Eigenfunktionen, 47<br />

für viele Teilchen, 34<br />

Hermitezität, 24<br />

im elm. Feld, 14<br />

Kommutatoren, 24<br />

Zentralpotential, 98<br />

harmonische Analyse, 45, 46<br />

Harmonischer Oszillator, 73, 125<br />

d-dimensional, 74<br />

Algebraische Methode, 78<br />

Anharmonischer, 131<br />

Eigenfunktionen, 80<br />

Energieeigenwerte, 80<br />

Mittelwerte, 75<br />

Vollständigkeit der Eigenfunktionen,<br />

81<br />

Zeitentwicklung, 82<br />

harmonisches Potential, 108<br />

Hauptquantenzahl, 110<br />

Heisenberg<br />

Unschärferelation, 39<br />

hermitesche Operatoren, 53<br />

Hermitezität, 39<br />

des Hamilton-Operators, 24<br />

Hilbert-Raum, 36<br />

Hohlraumstrahlung, 5<br />

Identität<br />

für Hermite-Polynome, 81<br />

Jacobi-, 24<br />

Impuls<br />

kinetischer, 22<br />

Impulsdarstellung, 69<br />

Impulsoperator, 13<br />

Eigenfunktionen, 47<br />

Interferenz, 5<br />

isotropes Gauß-Paket, 42<br />

Jacobi-Identität, 24


-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- INDEX 154<br />

Kasten, 43<br />

Kastenpotential, 108<br />

„ket“, 70<br />

kinetischer Impuls, 22<br />

klassische Teilchen, 3<br />

klassischer Elektronenradius, 8<br />

klassischer Limes, 27<br />

Kommutator, 22, 23<br />

Bahndrehimpuls, 24<br />

Hamilton-Operator, 24<br />

konfluente hypergeometrische<br />

Funktion, 111<br />

kontinuierlich, 100<br />

Kontinuitätsgleichung, 10, 20<br />

Vielteilchen, 34<br />

Koordinatentransformation, 62<br />

Korrespondenzprinzip, 13<br />

Kugelfunktion, 107<br />

Parität, 107<br />

Kummer’sche<br />

Differentialgleichung, 111<br />

Funktion, 111, 112<br />

Ladungsdichte, 22<br />

Lagrange<br />

Funktion, 3<br />

Gleichungen, 3<br />

Laguerre-Polynom<br />

verallgemeinertes, 112<br />

Landau-Niveaus, 74<br />

Larmor-Frequenz, 115<br />

Leiteroperatoren, 81, 118<br />

Lennard-Jones-Potenial, 108<br />

Lie-Algebra, 101<br />

Lie-Gruppe, 101<br />

Darstellung, 102<br />

Erzeuger, 101<br />

linear, 36<br />

Operator, 38<br />

linearer Raum, 36<br />

Lorentz-Kraft, 29<br />

Magnetfeld, 114<br />

atomarer Diamagnetismus, 134<br />

Larmor-Frequenz, 115<br />

Wasserstoffproblem im, 114<br />

Zeeman-Effekt, 115<br />

magnetische Quantenzahl, 99<br />

magnetische Suszeptibilität, 135<br />

magnetisches Moment, 115, 135<br />

Maxwell-Gleichungen, 4<br />

Messung, 55<br />

Mittelwerte<br />

Zeitentwicklung, 24<br />

Nebenquantenzahl, 99, 106, 112<br />

nicht-abelsch, 100<br />

nichtrelativistischer Limes, 12<br />

normaler Zeeman-Effekt, 115<br />

Normalkoordinaten, 73<br />

Normierung, 9, 117<br />

Nulloperator, 38<br />

Nullpunktsschwingung, 76<br />

Observable, 39, 53, 55<br />

Operator<br />

adjungiert, 39<br />

Bahndrehimpuls, 22<br />

Erwartungswert, 39<br />

Geschwindigkeit, 22, 26<br />

Hamilton, 14<br />

hermitesch, 53<br />

Impuls, 13<br />

Linearer, 38<br />

Ort, 22<br />

Spin, 116<br />

Spin in Matrixform, 118<br />

vollständiger Satz, 59, 117<br />

Operatorfunktionen, 54<br />

orthogonale Transformationen, 100<br />

orthonormal, 49, 53<br />

Orthonormalität, 53<br />

Ortsdarstellung, 60, 69<br />

Ortseigenfunktionen, 49<br />

Ortsoperator, 22<br />

Eigenfunktionen, 48<br />

Oszillationen, 94<br />

Ammoniakmolekül, 96<br />

Oszillator<br />

anharmonischer, 131<br />

harmonischer, 73<br />

Parität, 107, 143<br />

Parseval’sches Theorem, 51<br />

passive Drehung, 102<br />

Pauli<br />

Gleichung, 118<br />

Matrizen, 119<br />

Spinor, 118<br />

periodische Störung, 147, 149


-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- INDEX 155<br />

periodisches Potential, 89<br />

Phononen, 74, 81<br />

Photoeffekt, 6<br />

Photonen, 6, 7, 74, 81<br />

Absorption, 149<br />

Emission, 149<br />

Planck<br />

Strahlungsgesetz, 6<br />

Wirkungsquantum, 6<br />

Pochhammer-Symbol, 111<br />

Polarisation, 146<br />

Polarisierbarkeit, 146<br />

Postulate der <strong>Quantenmechanik</strong>, 55<br />

Potential<br />

Coulomb-Potential, 108<br />

Deltapotential, 91<br />

effektives, 99<br />

harmonisches, 108<br />

Kastenpotential, 108<br />

Lennard-Jones, 108<br />

periodisches, 89<br />

Potentialschwelle, 90<br />

Potentialtopf, 91<br />

realistisches, 108<br />

Zentralpotential, 97<br />

Potentialbarriere, 89<br />

Projektor, 56<br />

Propagator, 48<br />

Proton, 114<br />

quadratisch integrierbar, 36, 38<br />

Quantentunneln, 95<br />

Quantenzahlen<br />

Bahndrehimpuls, 99<br />

Hauptquantenzahl, 110<br />

Klassifizierung der Eigenfunktionen,<br />

99<br />

magnetische, 99<br />

Nebenquantenzahl, 99, 106, 112<br />

Randbedingung<br />

fest, 44<br />

periodisch, 44<br />

Rayleigh-Jeans<br />

Strahlungsgesetz, 6<br />

Rayleigh-Schrödinger-Störungstheorie,<br />

127<br />

Algorithmus, 128–130<br />

realistisches Potential, 108<br />

Riccati-Gleichung, 86<br />

Rydberg-Konstante, 110<br />

Satz<br />

orthonormal, 49<br />

vollständig, 49, 59<br />

Schrödingergleichung, 13<br />

Vielteilchen, 34<br />

Schwarz’sche Ungleichung, 37<br />

Schwingung<br />

kleine, 73<br />

Singularitäten im Potential, 89<br />

Skalarprodukt, 36<br />

Eigenschaften, 37<br />

im k-Raum, 50<br />

SO(3), 100<br />

Spin, 114, 116<br />

Spinoperator, 116<br />

Matrixdarstellung, 118<br />

Spinor<br />

Pauli-Spinor, 118<br />

Störpotential, 90<br />

Störung<br />

periodische, 147, 149<br />

Störungstheorie, 125<br />

Algorithmus für entartete Zustände,<br />

140, 142<br />

entartete Zustände, 140<br />

Entartung, 125<br />

nicht-entartet, 127<br />

Rayleigh-Schrödinger, 127<br />

Rayleigh-Schrödinger-<br />

Algorithmus, 128–130<br />

Wechselwirkungsbild, 147<br />

zeitabhängig, 147<br />

Zusammenbruch, 126<br />

Stark-Effekt, 142<br />

Energieaufspaltung, 145<br />

linearer, 143<br />

quadratischer, 143, 145<br />

Stern-Gerlach-Experiment, 115, 117<br />

Strahlungsfeld, 81<br />

Strahlungsgesetz<br />

Max Planck, 6<br />

Rayleigh-Jeans, 6<br />

Wien, 6<br />

Streuung, 89<br />

Summationskonvention, 26<br />

Teilchen im Kasten, 43<br />

Theorem


-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- INDEX 156<br />

Ehrenfest, 27<br />

Parseval, 51<br />

Virialtheorem, 28<br />

Transformationsverhalten, 103<br />

Tunneleffekt, 95<br />

beim NH 3<br />

-Molekül, 96<br />

Tunnelprozess, 89<br />

Übergangsamplitude, 149<br />

Übergangswahrscheinlichkeit, 149<br />

unitär, 62<br />

unitär äquivalent, 124<br />

unitärer Raum, 38<br />

Unschärfe, 40<br />

Minimale, 40<br />

Relation, 39, 76<br />

Van-der-Waals-Kräfte, 108<br />

Variationswellenfunktion, 108<br />

Vektorraum<br />

abstrakter, 69<br />

dualer, 70<br />

verallgemeinertes Laguerre-Polynom,<br />

112<br />

Vernichtungsoperator, 74<br />

Vertauschungsrelationen, 22<br />

Vielteilchen<br />

Hamilton-Operator, 34<br />

Kontinuitätsgleichung, 34<br />

Schrödingergleichung, 34<br />

Wellenfunktion, 34<br />

Vielteilchen-Systeme, 34<br />

Virialtheorem, 28<br />

beim harmonischen Oszillator,<br />

75<br />

vollständig, 49, 53<br />

vollständiger Raum, 38<br />

vollständiger Satz<br />

von Operatoren, 59, 117<br />

Vollständigkeit, 53<br />

im Magnetfeld, 114<br />

Lösung, 113<br />

Spektrum, 113<br />

Stark-Effekt, 143<br />

Wechselwirkungsbild, 147<br />

Zeitentwicklungsoperator, 148<br />

Welle-Teilchen-Dualismus, 7, 9<br />

Wellen<br />

elektromagnetische, 4<br />

Wellenfunktion, 9<br />

Transformationsverhalten, 103<br />

Vielteilchen, 34<br />

Wellengleichung, 12<br />

Wellenpaket<br />

gaußförmig, 41<br />

Wien<br />

Strahlungsgesetz, 6<br />

Zeeman-Effekt<br />

anomaler, 115<br />

normaler, 115<br />

Zeitabhängige Störungstheorie, 147<br />

Zeitentwicklung<br />

von Mittelwerten, 24<br />

Zeitentwicklungsoperator, 48, 58<br />

Harmonischer Oszillator, 82<br />

im Wechselwirkungsbild, 148<br />

Zeitordnungsoperator, 148<br />

Zentralpotential, 97<br />

Hamilton-Operator, 98<br />

Wasserstoffproblem, 110<br />

Zentrifugalkraft, 99<br />

Zerfallsprozess, 89<br />

Zweikörperproblem, 97<br />

Wahrscheinlichkeits<br />

Dichte ̺, 20<br />

Erhaltung, 19<br />

Stromdichte j, 20<br />

Wasserstoffatom, siehe Wasserstoffproblem<br />

Wasserstoffproblem, 110, 125<br />

elektr. Feld, 143<br />

Grundzustand, 134, 143, 145

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