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FESTSCHRIFT - Städtische Musikschule Aschaffenburg

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Festschrift<br />

1


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Die Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der <strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong><br />

ist gedruckt auf EuroArt Plus silk, 300 g/m² (Umschlag) und<br />

115 g/m² (Innenteil) von Sappi Stockstadt GmbH, Obernburger<br />

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5<br />

Inhalt<br />

Grußwort des Oberbürgermeisters......... 6<br />

Vorwort des Kulturamtsleiters................ 8<br />

Zur Geschichte der<br />

<strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong>................. 10<br />

Edition Musikbibliothek........................ 38<br />

Ein Blick in die Gästebücher der<br />

<strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong>................. 40<br />

Concertino International –<br />

Rundfunk und internationale<br />

Nachwuchssolisten finden in<br />

<strong>Aschaffenburg</strong> zusammen................... 62<br />

„Was mir aus den Musikschuljahren<br />

geblieben ist?“ –<br />

Ehemalige der <strong>Musikschule</strong><br />

<strong>Aschaffenburg</strong> erinnern sich................ 70<br />

Die <strong>Musikschule</strong> heute......................... 84<br />

„200 Jahre – 100 Konzerte“<br />

Das Programm zum<br />

Jubiläumsjahr 2010............................ 100<br />

Impressum.........................................118


6<br />

Grußwor t<br />

des O berbürger meis t er s<br />

„Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln,<br />

sondern auch Herz und Charakter bilden“ – so fordert<br />

es die Bayerische Verfassung in Artikel 131. Bereits 1795<br />

formulierte Carl von Dalberg in seinem Aufsatz „Über Kunstschulen“:<br />

„Es ist die Bestimmung des einzelnen Menschen,<br />

daß er sich selbst veredele, in sich selbst alle Keime des Guten,<br />

Wahren und Schönen entwickle; und es ist die Pflicht<br />

des Staates, dass er alles befördere, was zu dieser großen<br />

Absicht mitwirken kann.“ Dalberg hat diesen Anspruch im<br />

Jahr 1810 mit der Gründung der ersten deutschen <strong>Musikschule</strong><br />

in die Tat umgesetzt. Er legte damit den Grundstein<br />

für eine Entwicklung, die insbesondere nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg zu einer beeindruckenden Gründungswelle geführt<br />

hat. Heute werden in Deutschland an 950 öffentlichen<br />

<strong>Musikschule</strong>n mehr als eine Million Schülerinnen und Schüler<br />

unterrichtet.<br />

Die Kulturstadt <strong>Aschaffenburg</strong> verfügt über ein weit gefächertes,<br />

qualitätsvolles Kulturangebot und ein bedeutendes<br />

kulturelles Vermächtnis: In der Baukultur reichen die Sehenswürdigkeiten<br />

von der Stiftsbasilika über das Schloss<br />

Johannisburg und das Pompejanum bis hin zu den Gärten und Parkanlagen,<br />

die unsere Stadt lebens- und liebenswert machen. Wir sehen<br />

dieses Vermächtnis als Verpflichtung, es zu pflegen und nachfolgenden<br />

Generationen zu erhalten. Unsere <strong>Musikschule</strong> bildet einen<br />

wichtigen Teil dieses kulturellen Erbes.<br />

Deshalb hat die Stadt <strong>Aschaffenburg</strong> im Jahr 1984 die <strong>Musikschule</strong><br />

wieder kommunalisiert und ihr mit einer beispielhaften Struktur, fest<br />

angestelltem, qualifiziertem Lehrpersonal und optimalen räumlichen<br />

Voraussetzungen ausgezeichnete Arbeitsbedingungen gegeben. Die<br />

Stadt <strong>Aschaffenburg</strong> unterhält die <strong>Musikschule</strong> mit einem Finanzaufwand<br />

von jährlich gut einer Million Euro und schafft damit ideale Bedingungen<br />

für die musikalische Kinder- und Jugendbildung.<br />

2010 können wir das 200jährige Bestehen der <strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong><br />

feiern. Das ganze Jahr über wollen wir mit vielfältigen Veranstaltungen<br />

an die Gründung der <strong>Musikschule</strong> erinnern. Die Reihe<br />

„200 Jahre – 100 Konzerte“ zieht sich wie ein roter Faden durch<br />

das Veranstaltungsprogramm. Die Akademische Feier am 17. Januar<br />

2010 unternimmt einen Streifzug durch 200 Jahre Musikschulgeschichte<br />

mit Musik <strong>Aschaffenburg</strong>er Komponisten. Im Rahmen der<br />

31. <strong>Aschaffenburg</strong>er Gitarrentage, die seit 1992 in enger Zusammenarbeit<br />

mit der <strong>Musikschule</strong> organisiert werden, finden eine Reihe von<br />

Konzerten und der erste Internationale Wettbewerb für Kammermusik<br />

mit Gitarre in der <strong>Musikschule</strong> statt. Am 16. und 17. April steht<br />

ein Bildungskongress des Verbandes deutscher <strong>Musikschule</strong>n und<br />

der Kultusministerkonferenz an: Den Mittelpunkt bildet die Vorstellung<br />

des Bildungskonzepts „Musikalische Bildung von Anfang an“,<br />

das die musikalische Bildung von Kindern und die notwendige Zu-


7<br />

sammenführung der Aktivitäten aller Bildungsträger zum Thema hat.<br />

Am 19. Juni sind im Rahmen des Unterfränkischen Musikschulfestivals<br />

Ensembles aus ganz Unterfranken zu Gast und werden sich an<br />

Spielstätten in und um das Schöntal musikalisch präsentieren. Zum<br />

Jubiläumswochenende am 03. und 04. Juli steht unter anderem eine<br />

Auftragskomposition des Seligenstädter Komponisten Thomas Gabriel<br />

auf dem Programm. Über 300 Schülerinnen und Schüler sind<br />

an der Aufführung „Auf der Suche nach der verlorenen Melodie“<br />

beteiligt. „Die Ballade von Norbert Nackendick“, ein musikalisches<br />

Bühnenstück von Wilfried Hiller nach einem Text von Michael Ende,<br />

erlebt auf unserer Theaterbaustelle acht Aufführungen, dargeboten<br />

von professionellen Darstellern, Schülern und Ehemaligen unserer<br />

<strong>Musikschule</strong>. Daran schließt sich der 33. Bayerische Musikschultag<br />

an, der nach 20 Jahren wieder in <strong>Aschaffenburg</strong> gefeiert wird. Den<br />

Abschluss des Jubiläumsjahres bildet die Aufführung der ersten drei<br />

Kantaten des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach am<br />

12. Dezember 2010 in der Muttergottespfarrkirche.<br />

Diese Festschrift gibt Ihnen einen Überblick über das Programm des<br />

Jubiläumsjahres. Außerdem enthält sie Beiträge zur Geschichte der<br />

<strong>Musikschule</strong> und zur <strong>Musikschule</strong>, wie sie sich heute präsentiert. Einblicke<br />

in die Gästebücher der <strong>Musikschule</strong> vermitteln einen Eindruck<br />

davon, welch hochkarätige Musiker und Komponisten auf Einladung<br />

der <strong>Musikschule</strong> in <strong>Aschaffenburg</strong> zu Gast waren. Schließlich äußern<br />

sich Eltern, ehemalige Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler zur<br />

<strong>Musikschule</strong>. Ein Ausspruch hat mich besonders beeindruckt. Auf die<br />

Frage, was ihr aus den Musikschuljahren bis heute geblieben ist, antwortet<br />

eine Schülerin: Spaß an der Musik und die ständige Neugier,<br />

mich mit ihr in allen Formen auseinander zu setzen.<br />

Ich wünsche mir, dass viele Schülerinnen und Schüler mit einem solchen<br />

Fazit auf ihre Musikschulzeit zurückblicken können und danke<br />

den Lehrkräften und Eltern für ihren Einsatz im Sinne der musikalischen<br />

Ausbildung unserer nachwachsenden Generation. Ich bedanke<br />

mich bei allen, die zum Jubiläumsprogramm und dieser Festschrift<br />

beigetragen haben und wünsche den Veranstaltungen einen guten<br />

Verlauf, viel Erfolg und zahlreiche interessierte Besucher.<br />

Klaus Herzog<br />

Oberbürgermeister


8<br />

Vo rwor t<br />

des Kult u r a mt sleiter s<br />

„Ein fester Platz für musikalische Bildung“ – Unter diesem<br />

Titel stand das Grußwort des Bundespräsidenten Horst<br />

Köhler zum 20. Musikschulkongress des Verbandes deutscher<br />

<strong>Musikschule</strong>n am 15. Mai 2009 in Berlin, dem folgendes<br />

Zitat entnommen ist: „Wir brauchen musikalische<br />

Bildung, und wir brauchen <strong>Musikschule</strong>n nicht nur für die<br />

persönliche Entwicklung der einzelnen Schüler. Wir brauchen<br />

musikalische Bildung und <strong>Musikschule</strong>n auch, damit<br />

es unserer Gesellschaft und unserem Land gut geht. Deshalb<br />

braucht musikalische Bildung einen festen Platz in der<br />

Bildungspolitik – und darum sollten wir sie uns auch etwas<br />

kosten lassen. Das ist eine notwendige Investition in die Zukunft.<br />

Ich bin mir sicher: Sie wird sich auszahlen – auch<br />

wenn das in Geld dann nicht direkt messbar ist.”<br />

Gesicherte wirtschaftliche Verhältnisse, vorbehaltlose politische<br />

Unterstützung, engagierte Kolleginnen und Kollegen,<br />

Eltern, die den Wert musikalischer Erziehung zu schätzen<br />

wissen sowie Kinder und Jugendliche, die bereit sind, den<br />

Weg musikalischer Ausbildung zu gehen – das sind die Erfolgsfaktoren<br />

der <strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong>. Für die jederzeit<br />

großzügig gewährte Unterstützung sowie das Interesse an und<br />

die Begeisterung für die musizierende Jugend sind wir den beiden<br />

Oberbürgermeistern Dr. Willi Reiland und Klaus Herzog sowie den<br />

Damen und Herren des Stadtrats zu größtem Dank verpflichtet. Sie<br />

begleiteten die <strong>Musikschule</strong> auf dem Weg zur Kommunalisierung und<br />

gewährten ihr fortan vorbehaltlose Unterstützung. In <strong>Aschaffenburg</strong><br />

hat musikalische Bildung ihren festen Platz.<br />

Als junger Musikschulleiter konnte ich über den Kontakt mit Vertretern<br />

des Verbandes Bayerischer Sing- und <strong>Musikschule</strong>n und des<br />

Verbandes deutscher <strong>Musikschule</strong>n wertvolle Informationen und Erfahrungen<br />

zur öffentlichen <strong>Musikschule</strong> sammeln. Stellvertretend für<br />

viele Begegnungen von nachhaltiger Wirkung sei die mit Professor<br />

Hans Joachim Vetter genannt. Er war 1959 an der Entwicklung des<br />

ersten Strukturplans für <strong>Musikschule</strong>n nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

beteiligt. Im gleichen Jahr wurde die <strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong> wiedereröffnet.<br />

Vetter interessierte sich in besonderer Weise für unsere<br />

<strong>Musikschule</strong> und bestätigte mir als Erster, dass die <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

<strong>Musikschule</strong> die älteste deutsche <strong>Musikschule</strong> sei. Ein weiterer wichtiger<br />

Berater und Gestalter war und ist Werner Mayer, langjähriger<br />

Geschäftsführer des Verbandes Bayerischer Sing- und <strong>Musikschule</strong>n,<br />

dem ich nicht nur viele fachliche Informationen zu verdanken habe,<br />

sondern vor allem das Verständnis für die Sensibilität des Organismus’<br />

<strong>Musikschule</strong>, in dem einerseits Strukturvorgaben notwendig<br />

sind, andererseits der Freiraum erhalten bleiben muss, in dem musisch-künstlerische<br />

Entfaltung nur möglich ist.<br />

Musikalische Erziehung ist dann erfolgreich, wenn die Rahmenbedingungen<br />

stimmen. Diese Rahmenbedingungen bietet die kommunale


9<br />

Einrichtung <strong>Musikschule</strong>: einen klar strukturierten Aufbau, fachliche<br />

Kompetenz durch fest angestelltes Lehrpersonal, ein breites Angebotsspektrum<br />

und Zugänglichkeit für alle interessierten und förderungswürdigen<br />

Kinder und Jugendlichen zu Entgelten, die soziale und<br />

familienpolitische Akzente setzen.<br />

Die Herausforderungen unserer Zeit mit Medienüberflutung, Freizeitstress<br />

und der Allverfügbarkeit von Musik sind enorm: Ein überzeugendes<br />

musikpädagogisches Konzept erweist sich bei allen<br />

gesellschaftlichen Veränderungen als Erfolgsmodell. An der <strong>Musikschule</strong><br />

stehen dafür rund 60 qualifizierte, engagierte Lehrkräfte und<br />

ein Leitungsteam, das sich mit großer Ernsthaftigkeit seinen Führungsaufgaben<br />

widmet und immer wieder wichtige Impulse für inhaltliche<br />

und strukturelle Weiterentwicklung gibt. Allen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern sei für ihre musikpädagogische und künstlerische<br />

Arbeit genauso herzlich gedankt wie Ulrike Goldau und Stefan Claas.<br />

Sie haben die <strong>Musikschule</strong> seit der Zuordung zum Kulturamt mit außerordentlicher<br />

musikpädagogischer und künstlerischer Kompetenz,<br />

beispielhaftem Engagement und hohem Führungsanspruch geleitet.<br />

Das achtstufige Gymnasium, Ganztagsschule und sich veränderndes<br />

Freizeitverhalten stellen uns vor neue Aufgaben. Die Weichen sind<br />

dafür gestellt, dass die <strong>Musikschule</strong> auch zukünftig Kindern und<br />

Jugendlichen das Angebot Sinn erfüllter musikalischer Betätigung<br />

machen kann. Zu wünschen ist, dass der Staat mit entsprechenden<br />

Rahmenbedingungen und finanziellen Zuwendungen Musikschularbeit<br />

dort ermöglicht, wo sie dringend gebraucht wird: eben in den<br />

Kindertagesstätten, den Grund- und Hauptschulen und im Rahmen<br />

der Nachmittagsangebote. Zu wünschen ist auch, dass die Umlandgemeinden,<br />

die noch nicht über eine <strong>Musikschule</strong> verfügen, Maßnahmen<br />

ergreifen, um ihren Bürgerinnen und Bürgern ein qualifiziertes<br />

musikalisches Bildungsangebot zu machen, damit Auswärtigenzuschläge<br />

und Versorgungsengpässe der Vergangenheit angehören.<br />

Musikalische Bildung hat seit 200 Jahren ihren festen Platz im Bildungsangebot<br />

der Stadt <strong>Aschaffenburg</strong>. Die vorliegende Festschrift<br />

will das dokumentieren. Mit dem Dank an Sabine Braun, Stefan Claas<br />

und Jörg Fabig, die an der Erstellung dieser Festschrift beteiligt waren,<br />

verbinde ich meinen herzlichen Dank an diejenigen, die am Jubiläumsprogramm<br />

mitwirken. Wir laden Sie Alle herzlich dazu ein, mit<br />

uns zu feiern und freuen uns auf Ihren Besuch.<br />

Burkard Fleckenstein<br />

Kulturamtsleiter


10<br />

B u r k a r d<br />

Fleckenstein<br />

Zu r Ges chichte der<br />

A s chaffenburger<br />

Mu sik s chule<br />

„Gute Regenten, Väter des Vaterlandes, wollt ihr in euren Staaten<br />

Wahrheit, Schönheit und Tugend vereinigen? Wollt ihr auf eine dauerhafte<br />

Weise die schönen Künste, diese Blüthe der Menschheit, erhalten:<br />

so errichtet gute Kunstschulen!“<br />

Mit diesem Aufruf beschließt Carl von Dalberg seinen Aufsatz „Kunstschulen“,<br />

der 1795 in der von Friedrich Schiller herausgegebenen<br />

Zeitschrift „Die Horen“ erscheint. Dalberg ist von 1772 bis 1802 kurmainzischer<br />

Statthalter in Erfurt. Aus der Überzeugung des aufgeklärten<br />

Absolutismus heraus, dass die Entwicklung des Landes in<br />

entscheidender Weise von einem leistungsfähigen Bildungssystem<br />

abhängt, gründet er in Erfurt neben anderen Bildungseinrichtungen<br />

1785 eine Kunstschule. Deren zehnjähriges Bestehen gibt ihm den<br />

Anlass zur Veröffentlichung des Aufsatzes im Jahr 1795.<br />

15 Jahre später gründet Dalberg 1810 in <strong>Aschaffenburg</strong> die <strong>Musikschule</strong>.<br />

Das kleine Landstädtchen am Untermain gewinnt an Bedeutung,<br />

nachdem die Residenzstadt Mainz 1797 an die Franzosen übergeben<br />

worden ist und mit dem regierenden Kurfürst-Erzbischof Erthal<br />

Hofstaat, Landesregierung, Verwaltung und zahlreiche Emigranten<br />

nach <strong>Aschaffenburg</strong> folgen. Carl von Dalberg tritt nach Erthals Tod im<br />

Jahr 1802 dessen Nachfolge an. Der neue Regent schickt sich an, in<br />

fieberhafter Bautätigkeit aus <strong>Aschaffenburg</strong> eine moderne Residenzstadt<br />

zu machen. Innerhalb von rund 10 Jahren entstehen über 100<br />

Häuser im klassizistischen Zeitgeschmack. Mit der Bautätigkeit einher<br />

geht eine beeindruckende Entwicklung im Bildungs- und Kultursektor.<br />

Neben der Carls-Universität und der Forstlehranstalt entsteht<br />

1810 die <strong>Musikschule</strong>.<br />

Die Stiftungsurkunde zur Musikschulgründung ging<br />

verloren, über die Bestimmung dieser Schule gibt jedoch<br />

eine beglaubigte Abschrift des Anstellungsdekrets<br />

des ersten Direktors Joseph Becker vom 4. November<br />

1810 Auskunft.<br />

Das Anstellungsdekret lautet:<br />

„Wir Carl von Gottes Gnaden Fürst-Primas des Rhein-<br />

Bundes, Großherzog von Frankfurt, Erzbischof von<br />

Regensburg etc. haben den Bürgermilitairmusik-<br />

Direktor Joseph Becker bereits unterm 4. November<br />

1810 zum Lehrer der Bürgermusikschule dahier gnädigst<br />

ernannt, daß er<br />

Carl von Dalberg,<br />

Kupferstich von F. Müller


11<br />

a. einen jährlichen Gehalt von 500 Gulden aus der<br />

Prämienkasse in Quartalraten beziehen, dagegen<br />

b. den armen jedoch talentvollen Kindern den Unterricht<br />

unentgeltlich erteile,<br />

c. von den Kindern vermögender Eltern aber eine<br />

monatliche Taxe von einem Gulden oder einem<br />

Reichsthaler in eine besondere Musikschulkasse<br />

entrichtet, und diese Kasse zu Gratifikationen für<br />

den Musikdirektor Becker, demnach als die Kinder<br />

gute Fortschritte machen, verwendet werden<br />

solle…“ 1)<br />

In der Bekanntmachung ist überdies festgehalten,<br />

dass es sich um eine „Gesangs- und Blasenden Instrumentenschule“<br />

handelt und der Aufnahme eine<br />

Eignungsprüfung vorausgeht.<br />

Wesensmerkmale der <strong>Musikschule</strong> wie die Bestimmung,<br />

dass es sich um eine Einrichtung für die<br />

Bürger der Stadt handelt, dass die Besoldung des<br />

Lehrpersonals festgelegt ist, talentierte Kinder aus<br />

finanziellen Gründen nicht vom Unterricht ausgeschlossen<br />

werden und Kinder von vermögenden<br />

Eltern einen Beitrag zur Finanzierung der Schule<br />

zu leisten haben, stehen für die fortschrittliche Einstellung<br />

Dalbergs. Er definiert damit Grundzüge der<br />

heutigen <strong>Musikschule</strong>.<br />

Mit der <strong>Musikschule</strong> sucht Dalberg zu verwirklichen, was er in seinem<br />

Aufsatz „Kunstschulen“ als ein Ideal der Persönlichkeitsbildung<br />

formuliert: „Es ist Bestimmung des einzelnen Menschen, daß er sich<br />

selbst veredle, in sich selbst alle Keime des Guten, Wahren, und<br />

Schönen entwickle; und es ist Pflicht des Staates, daß er alles befördere,<br />

was zu dieser großen Absicht mitwirken kann. Der Endzweck<br />

der Staatsverbindung ist die Glückseligkeit seiner Mitglieder.“<br />

Die Verwirklichung dieser idealen Vorstellung ist in den Anfängen der<br />

<strong>Musikschule</strong> nur ansatzweise gewährleistet.<br />

Anstellungsdekret<br />

von Musikdirektor<br />

Joseph Becker<br />

Anfang unter Joseph Becker<br />

Die „Gesangs- und Blasenden Instrumentenschule“ geht zunächst<br />

mit einem Lehrer an die Arbeit: Musikdirektor Joseph Becker. Neben<br />

Gesang unterrichtet er die Instrumente Flöte, Klarinette und Fagott.<br />

In den ersten zehn Jahren besuchen zehn bis 15 Schüler die <strong>Musikschule</strong>.<br />

Ein wichtiger Aspekt der Ausbildung ist die Heranbildung des<br />

Nachwuchses für die Bürgermilitärmusik. 1814 wird <strong>Aschaffenburg</strong><br />

dem Königreich Bayern zugesprochen, die vorgesetzte Behörde Beckers<br />

ist fortan die neugegründete „Königliche Lokal-Schulkommission“.


12<br />

Immer wiederkehrende Konflikte mit dieser Behörde machen Becker<br />

das Leben und die Arbeit schwer. Besonders die sehr unbefriedigenden<br />

räumlichen Verhältnisse geben beständig Anlass zu Klagen.<br />

Der Unterricht findet anfangs in der Privatwohnung Beckers statt,<br />

ab 1822 im unteren Zimmer des Landing-Gebäudes. In der Chronik<br />

Hermann Kundigrabers lesen wir dazu: „Dieses Gebäude, ursprünglich<br />

das Bierbrauhaus der Jesuiten, wurde 1806 zu einem Schulhaus<br />

umgebaut. Der von einem Bache durchflossene stets übelriechende<br />

Graben wurde erst 1834 völlig überwölbt. Das neue Lokal fand aber<br />

nicht den Beifall unseres Musikdirektors; es sei feucht, dumpf und gesundheitsschädlich,<br />

habe zerbrochene Fensterscheiben, außerdem<br />

sei es ganz ohne Einrichtung. Auch wäre vom ‚kinderreichen Landing’<br />

eine stete Störung des Unterrichts zu befürchten…“ 2)<br />

Dem Ersuchen Beckers um Vergütung seiner Auslagen, die durch<br />

die Erteilung des Unterrichts in seiner Privatwohnung und durch Entlehnung<br />

eigener Instrumente an arme Schüler entstanden, wird von<br />

der Lokalen Schulkommission nur teilweise stattgegeben. Ein Magistratsbericht<br />

aus dem Jahr 1841 bescheinigt Becker großen Fleiß bei<br />

der Ausbildung von Schülern, vermisst allerdings die Betätigung der<br />

Bürgermusikschule in der Öffentlichkeit. Bald darauf folgt ein Reorganisationsvorschlag.<br />

Man stellt fest, dass sich die Bürgermusikschule<br />

zu <strong>Aschaffenburg</strong> in keinem erfreulichen Zustand befinde und zur<br />

eigentlichen Förderung und Verbreitung eines guten musikalischen<br />

Geschmackes nur wenig geleistet werde. Deshalb werde empfohlen,<br />

„ohne das Ableben des Musikdirektors Becker abzuwarten“ über<br />

eine durchgreifende Reorganisation ein musikalisches Lehrinstitut für<br />

<strong>Aschaffenburg</strong> und die Umgegend zu begründen, „das den Anforderungen<br />

eines geläuterten musikalischen Geschmackes entspricht<br />

und der Hebung und Verbreitung der Musik wahrhaft förderlich ist.“ 3)<br />

Bis 1841 ist Becker erster und einziger Lehrer der <strong>Musikschule</strong>. Er<br />

unterrichtet nach dem Wegfall des Gesangsunterrichts nur noch<br />

Blasinstrumente.<br />

Er wird 1844 auf sein Drängen hin endlich pensioniert und stirbt 1855<br />

78-jährig in Speyer. Er hat sich in den ersten dreißig Jahren des Musikschulbestehens<br />

bei den beschriebenen Anfangsschwierigkeiten,<br />

Kompetenzstreitigkeiten und oft unzumutbaren äußeren Umständen<br />

große Verdienste um diese Institution erworben.<br />

Joseph Becker,<br />

Musikschuldirektor<br />

1810–1841<br />

Ausbau des Fächer angebots unter Ada m Br and<br />

Am 16.11.1841 setzt die königliche Kreisregierung den Würzburger<br />

Adam Brand als Musikschuldirektor ein und fordert von ihm zugleich<br />

Vorschläge zum Ausbau der <strong>Musikschule</strong>. Brand sieht in seinem<br />

bald darauf vorgelegten Schulplan die Aufnahme des Violin- und Gesangsunterrichts<br />

vor. Beide Fächer und die oberen Kurse der Bläser<br />

übernimmt er selbst, Becker bleibt der Anfangsunterricht für die Blä-


13<br />

ser. Der Unterricht ist unentgeltlich, man arbeitet am Aufbau<br />

eines Orchesters. Der <strong>Musikschule</strong> wird die Verhängung der<br />

in den „teutschen Schulen“ üblichen Strafen gestattet.<br />

Die Aufnahme des Faches Chorgesang sorgt für einen<br />

deutlichen Schülerzuwachs. Waren es 1821 noch elf, 1841<br />

schon 15, so besuchen nach der Brandschen Neuordnung<br />

1842 bereits 77 Schüler die <strong>Musikschule</strong>. Bürgermeister<br />

von Herrlein, an der Entwicklung der <strong>Musikschule</strong> offenbar<br />

sehr interessiert, entwirft neue Statuten, nach denen unter<br />

anderem arme, talentierte Schüler vom Armenpflegschaftsrat<br />

Instrumente erhalten können.<br />

Die von Brand vollzogene Reorganisation der <strong>Musikschule</strong> hat<br />

durch die Einführung des Violin- und Gesangsunterrichts eine<br />

Abkehr vom Landwehrbataillon zur Folge. Vielmehr sucht Brand in<br />

öffentlichen Aufführungen der <strong>Musikschule</strong> ein neues Betätigungsfeld.<br />

Bereits am 19. März 1845 tritt seine Schule mit einem „Vokalund<br />

Instrumentalkonzert“ im Stadttheater an die Öffentlichkeit. Eine<br />

ausführliche Würdigung seiner Verdienste spricht ein Magistratsbericht<br />

aus dem Jahr 1860 an die Regierung aus. Dort heißt es unter<br />

anderem: „Brand stand in dem Rufe eines sehr gebildeten Musikers,<br />

keine Oper, kein Konzert, keine sonstige musikalische Produktion<br />

wurde aufgeführt, ohne daß Brand dirigierte, seine Leistungen erwarben<br />

ihm stets den allgemeinen Beifall. Er war Dirigent der „Liedertafel“<br />

und dieser Gesangverein stand damals auf einer Stufe, die<br />

er seitdem bei weitem nicht mehr erreicht hat.“ 4) Brand stirbt 1854,<br />

13 Jahre nach seinem Amtsantritt.<br />

Adam Brand,<br />

Musikschuldirektor<br />

1841–1854<br />

Gemischte Bil anz unter Fr anz Deuerling<br />

Die Bestellung eines Nachfolgers löst einen Konflikt zwischen Regierung<br />

und Magistrat aus. Die Regierung beabsichtigt, die Direktorenstelle<br />

an der <strong>Musikschule</strong> mit der Tätigkeit am Gymnasium, an<br />

der Lateinschule und am Studienseminar zu verbinden. Der Lokalen<br />

Schulkommission erscheint eine solche Vereinigung nicht wünschenswert.<br />

Schließlich wird am 15. Februar 1855 der Lehrer Franz<br />

Deuerling aus Marktzeulitzheim zum Nachfolger Brands ernannt.<br />

1865 übersiedelt die <strong>Musikschule</strong> aus dem baufälligen Stiftsschulhaus<br />

in zugewiesene Räume des Landingschulhauses. Unzufriedenheit<br />

mit den Leistungen der Schule äußert nicht nur die königliche<br />

Regierung, auch die Lokale Schulkommission<br />

bedauert bestehende Mängel.<br />

Schließlich beklagt sich Deuerling in<br />

einem Bericht über bestehende Missstände.<br />

„Er bedauert, daß mit 13 Jahren<br />

die Schüler den Unterricht wieder verlassen,<br />

daß ihm der Magistrat befahl, lieber<br />

Franz Deuerling,<br />

Musikschuldirektor<br />

1855–1868


14<br />

die Proben einzustellen, als 8–9 Gulden jährlich für Beleuchtung zu<br />

verrechnen, daß der Musikmeister der Landwehrmusik mit einer Reihe<br />

von ‚Landbanden’ aus Schweinheim und Haibach in der <strong>Musikschule</strong><br />

proben, daß er seine Proben nicht halten konnte, weil wieder<br />

ein ‚Haufen Bauern’ das Lokal besetzt hatte…“ 5)<br />

Immerhin gelingt es Deuerling, während seiner Amtszeit ein Orchester<br />

ins Leben zu rufen, das von drei Gesangvereinen, dem Schützen- und<br />

dem Turnverein getragen wird. Es besteht nach Deuerlings Angaben<br />

zeitweise aus 43 Musikern. Die Städtische <strong>Musikschule</strong> stellt zusammen<br />

mit dem Gesangverein „Liedertafel“ einen gemischten Chor, der<br />

1860 unter anderem Haydns Oratorien „Die Jahreszeiten“ und „Die<br />

Schöpfung“ in Ausschnitten aufführt. Deuerling kann sich allerdings<br />

als Chorleiter nicht behaupten und legt die Stelle deshalb später<br />

wieder nieder. Auch als Komponist versucht sich Deuerling immer<br />

wieder, wie die Programme der „Liedertafel“ zeigen. Er bearbeitet für<br />

das Städtische Orchester unter anderem 1856 Wagners „Tannhäuser“<br />

nach dem Klavierauszug. Kundigraber merkt dazu an, dass diese Bearbeitung<br />

Wagners Instrumentation nicht in einem Takt ahnen lässt.<br />

Franz Deuerling stirbt am 24. August 1868.<br />

Aufwärtsent wicklung unter Eduard Rom mel<br />

Eduard Rommel, Sohn eines hohen Justizbeamten in Hildburghausen,<br />

wirkt zunächst als Musiklehrer in Hamburg, Kassel und Rotterdam.<br />

1855 wird er als Klavierlehrer an das Münchner Konservatorium<br />

berufen. Dort entzweit eine heftige Diskussion über Richard Wagners<br />

„Bericht über eine in München zu errichtende deutsche <strong>Musikschule</strong>“<br />

das Kollegium. Dieser Disput veranlasst ihn, sich auf die freie<br />

Direktorenstelle in <strong>Aschaffenburg</strong> zu bewerben, die er im April<br />

1869 antritt. Als umfassend gebildete Künstlerpersönlichkeit<br />

sorgt er mit einer umsichtigen Personalpolitik und einem hohen<br />

musikalischen Anspruch für Schülerzuwachs und eine<br />

spürbare Anhebung des Niveaus an der <strong>Musikschule</strong>. Neu<br />

ist die Einführung eines Schulgelds ab dem Schuljahr 1879.<br />

Schülern aus bedürftigen Familien und dem Waisenhaus<br />

gewährt man Schulgeldbefreiung. Ein Blick in das Schülerverzeichnis<br />

des Jahres 1879/80 zeigt, dass die Schüler aus<br />

unterschiedlichsten sozialen Schichten kommen: Unter den<br />

Vätern finden sich Lehrer, Hotelbesitzer, Privatiers, Oberförster,<br />

Gastwirte, Handwerker, Taglöhner, Kaufmänner, Beamte oder Fabrikanten.<br />

Besonderen Wert legt Rommel auf den Vokalunterricht.<br />

1872 belegen von 31 Schülern zwölf das Fach Gesang. Die Belegungszahlen<br />

steigern sich in seiner Zeit bis auf 120. Wegen Überfüllung<br />

der Violinklassen wird sogar die „Entfernung nachlässiger<br />

Schüler notwendig.“ 6)<br />

Nach mehrfachen Ortswechseln bezieht die <strong>Musikschule</strong> 1878 ihr<br />

Eduard Rommel,<br />

Musikschuldirektor<br />

1869–1900


Programm aus dem Jahr 1881<br />

15


16<br />

neues Domizil: Der Magistrat genehmigt im Januar<br />

1878 die Verlegung des Musikschullokals und der<br />

Wohnung von Direktor Rommel in das „deutsche<br />

Haus“, in dem auch das Stadttheater untergebracht<br />

ist. Dort bleibt die <strong>Musikschule</strong> bis zur Zerstörung<br />

des Gebäudes im Jahr 1944.<br />

Durch die Gründung des „Allgemeinen Musikvereins“<br />

1870 setzt Rommel im Musikleben der Stadt<br />

neue und unverwechselbare Akzente. Unter seiner<br />

Leitung finden über 100 Orchesterkonzerte<br />

statt. Als Komponist lenkt er die Aufmerksamkeit<br />

Marschners und Spohrs auf sich. Er hinterlässt eine<br />

beträchtliche Anzahl von Kammermusikwerken, die teilweise zu seinen<br />

Lebzeiten gedruckt wurden, sowie ein Requiem und eine Sinfonie.<br />

Rommel stirbt 1900 nach 32jährigem segensreichen Wirkens in<br />

<strong>Aschaffenburg</strong>.<br />

Zum Nachfolger Rommels wird Dr. Fritz Prelinger<br />

berufen. Mit seinem Amtsantritt legt<br />

er einen Reorganisationsplan vor, dessen<br />

wesentliche Neuerung die Einführung des<br />

Klavier- und des obligatorischen Chorgesangsunterrichts<br />

ist. Dr. Prelinger leitet wie<br />

sein Vorgänger die Aufführungen des Musikvereins,<br />

außerdem die der Liedertafel.<br />

Seine nur fünf Jahre dauernde Amtszeit<br />

hängt damit zusammen, dass Bürgermeister<br />

Dr. Wilhelm Matt 1904 an die Spitze des<br />

Stadtmagistrats tritt und die Neuregelung<br />

der Verhältnisse an der <strong>Musikschule</strong> sofort<br />

energisch in die Hand nimmt. Offenbar vermisst<br />

man bei Dr. Prelinger, der von Haus<br />

aus Musikwissenschaftler und Kapellmeister<br />

ist, die für die Leitung einer <strong>Musikschule</strong> notwendige<br />

musikpädagogische Perspektive.<br />

Bürgermeister Dr. Wilhelm Matt<br />

Ansicht des<br />

Deutschhauses,<br />

Unterrichtsstätte<br />

ab 1878<br />

Die Är a Kundigr aber<br />

Bei der Nachfolge Dr. Prelingers will man ganz sicher gehen. In einem<br />

Magistratsprotokoll vom 31. März 1905 heißt es, „bei dem neu anzustellenden<br />

Direktor sei weniger auf beste Kenntnisse und Virtuosität<br />

zu achten als auf die Gabe, die Kenntnisse dem Schüler nutzbar zu<br />

machen; deshalb sei von jedem Bewerber eine Lehrprobe abzulegen“.<br />

Die Sorgfalt zahlt sich aus: Der Stadtrat entscheidet sich einstimmig<br />

zugunsten von Hermann Kundigraber, einem gebürtigen Grazer, der<br />

in seiner Heimatstadt Musik studiert hat und bereits Erfahrung in der


Programm aus dem Jahr 1906<br />

17


18<br />

Vorspielprogramm aus dem Jahr 1915


19<br />

Leitung von <strong>Musikschule</strong>n mitbringt. Unzufriedenheit<br />

über die Bedingungen an seiner<br />

vorhergehenden Arbeitsstätte in Cilli (Steiermark)<br />

veranlasst ihn dazu, in das ihm bisher<br />

unbekannte <strong>Aschaffenburg</strong> überzuwechseln.<br />

Die <strong>Musikschule</strong> nimmt unter seiner Leitung<br />

einen ungeheuren Aufschwung, das <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Konzertleben erhält durch sein Wirken<br />

beispielhafte Impulse.<br />

Kundigraber prägt als Musikschuldirektor,<br />

ausübender Musiker und Komponist über 34<br />

Jahre ganz wesentlich das <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Musikleben. Er setzt mit großem organisatorischen<br />

Geschick, einer erfolgreichen Personalpolitik,<br />

ausgeprägtem musikpädagogischen<br />

Gestaltungswillen und einem hohen<br />

künstlerischen Anspruch unverwechselbare<br />

Akzente.<br />

Der gesamte Unterrichtsplan an der <strong>Musikschule</strong> wird mit Zustimmung<br />

der vorgesetzten Behörden nach den erprobten Prinzipien seines<br />

Lehrers Professor Erich Wolf Degner auf moderner Grundlage<br />

reorganisiert. Der Einrichtung von Chorgesangs- und Theorieklassen<br />

folgen die Instrumentalfächer Fagott, Oboe, Klarinette, Violoncello<br />

und Flöte: Die Weichen für kammermusikalische Betätigung sind gestellt.<br />

Mit dem Anstieg der Schülerzahlen werden neue haupt- und<br />

nebenamtliche Lehrkräfte eingesetzt, die sich auf überregionale<br />

Ausschreibungen hin um die Tätigkeit an der <strong>Musikschule</strong> bewerben.<br />

Mehrere Lehrkräfte werden von <strong>Aschaffenburg</strong> aus zu Dozenten<br />

an Hochschulen und Konservatorien berufen, so beispielsweise der<br />

Pianist August Leopolder, der 1950 an der Musikhochschule Frankfurt<br />

eine Professur erhält und eine Klasse mit hervorragendem Ruf<br />

aufbaut.<br />

Bereits 1908 tritt ein Schulorchester in voller Besetzung auf, das seine<br />

Leistungen bis 1914 kontinuierlich steigert. Das Schülerorchester<br />

muss mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs aufgegeben werden.<br />

Nach den Worten Kundigrabers finden spätere Aufbauversuche „nicht<br />

mehr die entsprechenden Voraussetzungen und Einstellungen.“<br />

Die „Musikalische Volksbibliothek“ wird 1909 der Öffentlichkeit zugänglich<br />

gemacht. Sie ist damit die drittälteste derartige Einrichtung<br />

Deutschlands. Die Bestände werden in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen<br />

und durch Neuerwerbungen erweitert.<br />

Die Einrichtung einer Akustikabteilung und die Errichtung einer Seminarklasse<br />

für werdende Musikerzieher mit den Fächern Psychologie,<br />

Methodik, Ästhetik und Akustik, verbunden mit praktischer Unterrichtseinführung<br />

verfolgen das Ziel, aus der <strong>Aschaffenburg</strong>er <strong>Musikschule</strong><br />

ein Konservatorium zu machen: Diesen Plan kann Kundigraber<br />

jedoch nicht in die Tat umsetzen.<br />

Hermann Kundigraber,<br />

Musikschuldirektor<br />

1905–1938


20<br />

Auf sein Bestreben hin stiftet Kommerzienrat Karl Stadelmann eine<br />

Orgel für den Deutschhaussaal, die am 14. November 1914 eingeweiht<br />

wird.<br />

Im Schuljahr 1925/26 erfolgt die Gründung der Städtischen Singschule.<br />

Bereits im darauf folgenden Schuljahr weiß Kundigraber zu<br />

berichten: „Auch die städt. Singschule vermag im zweiten Berichtsjahre<br />

mit positiven Ergebnissen hervorzutreten. 230 Schüler wurden<br />

unter Vermeidung jedes Drills und Scheinerfolges in 4 Klassen unterrichtet;<br />

außer dem Direktor wirkte Hauptlehrer Scheuring. Das erste<br />

Schluß-Singen am 11. Juli fand allseitige und freudige Anerkennung,<br />

ebenso wurden die Chorleistungen in der von der Stadtschulbehörde<br />

veranstalteten Pestalozzi-Feier am 19. März gewertet. Das kommende<br />

Jahr verspricht weiteren Ausbau auch dieses von der Stadtverwaltung<br />

einsichtsvoll geförderten Instituts, dessen Bedeutungserkenntnis<br />

erst noch die Elternkreise allgemein durchdringen muß.“ 7) Die<br />

Schülerzahlen der Singschule halten sich zunächst etwa auf dem Anfangsniveau,<br />

bis sie im Schuljahr 1932/33 auf 110 zurückgehen. Die<br />

Musikschulkommission löst die Singschule schließlich zum 1. Januar<br />

1935 auf. Mangelnde Kooperationsbereitschaft der Volksschullehrer<br />

wird als ein Grund für den Rückgang der Schülerzahlen genannt.<br />

Kundigraber gelingt es, den Betrieb der <strong>Musikschule</strong> über die Zeit<br />

des Ersten Weltkriegs und die schwierige Nachkriegszeit aufrechtzuerhalten<br />

und die offenbar mehrmals aus finanziellen Gründen drohende<br />

Schließung der Schule abzuwenden.<br />

Die Entwicklung der Schülerzahlen ergibt folgendes Bild: Im ersten<br />

Schuljahr seines Wirkens 1905/06 besuchen 126 Schüler die Schule,<br />

bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs steigt die Zahl der Schüler<br />

kontinuierlich auf 285, einem Einbruch auf 219 im Jahr 1915 folgte<br />

eine weitere Steigerung im Schuljahr 1918/19 auf 510. Die Schülerzahlen<br />

nehmen danach stetig ab und erreichen 1932/33 mit 166 einen<br />

vorläufigen Tiefststand. Für diese Entwicklung sind auch wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten verantwortlich. Nach der Machtergreifung<br />

steigen die Schülerzahlen wieder leicht an und erreichen im letzten<br />

Schuljahr der Amtszeit Kundigrabers die Zahl 235.<br />

Sein Engagement im Bereich des Konzertlebens der Stadt ermöglicht<br />

es fortgeschrittenen Schülern und deren Lehrkräften, sich am<br />

musikalischen Geschehen <strong>Aschaffenburg</strong>s aktiv zu beteiligen. Die<br />

von Kundigraber ins Leben gerufene Konzertreihe mit Kammermusikabenden<br />

des Lehrkörpers enthält unter anderem eine Reihe <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Erst- und Uraufführungen. Die Gründung des „collegium<br />

musicum“ soll das Fehlen eines ansässigen Orchesters ausgleichen.<br />

Dieses Ensemble ist wie das heute existierende Nachfolgeensemble<br />

eine Vereinigung von Lehrkräften der <strong>Musikschule</strong>, fortgeschrittenen<br />

Schülern und geeigneten Musikern aus dem Laienbereich. Das Orchester<br />

hält ab 1923 auch Serenaden in der Ruine des Parks Schöntal<br />

ab, die sich durch ihren stimmungsvollen Charakter großer Beliebtheit<br />

erfreuen.


Konzertabrechnung<br />

21


22<br />

Konzertprogramm Max Reger


23<br />

1919 erfolgt nach Auflösung des allgemeinen Musikvereins<br />

und der Werbung sangeskundiger Damen<br />

die Gründung des gemischten Chores „<strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Liedertafel“. In der ersten Aufführung steht<br />

Händels Oratorium „Judas Maccabäus“ auf dem<br />

Programm, das vom Publikum begeistert aufgenommen<br />

wird. Unter Leitung Kundigrabers gelangen<br />

später unter anderem die „missa solemnis“ von<br />

Ludwig van Beethoven, das „Weihnachtsoratorium“<br />

von Johann Sebastian Bach und die „Deutsche<br />

Singmesse“ von Joseph Haas zur Aufführung. Die<br />

Erweiterung der „Liedertafel“ um Frauenstimmen<br />

findet nicht nur Zustimmung, Kundigraber hat nach<br />

seinen Worten gegen „nie behobene Widerstände<br />

anzukämpfen“.<br />

Jubiläen großer Komponisten werden unter Kundigrabers<br />

Leitung gebührend gefeiert. Zu erwähnen<br />

sind die Gedenkfeiern zum 150. Geburtstag und<br />

100. Todestag Beethovens, zu deren Anlass einheimische<br />

und auswärtige Musiker unter anderem<br />

die 9. Sinfonie, die „Chorfantasie“ und die „missa<br />

solemnis“ aufführen. Zum 100. Todestag des Komponisten erscheint<br />

eine reich illustrierte Festschrift, die insbesondere die direkten Beziehungen<br />

des Meisters zu <strong>Aschaffenburg</strong> beleuchtet.<br />

Mit der Gründung der „<strong>Aschaffenburg</strong>er städtische Musikkultur“ (Astmuk)<br />

im Jahr 1916 sorgt Kundigraber auch während des Krieges für<br />

musikalische Veranstaltungen besonderer Art. Max Reger gestaltet<br />

bereits im ersten Jahr einen Kompositionsabend und feiert in <strong>Aschaffenburg</strong><br />

seinen letzten Geburtstag.<br />

Max Reger,<br />

Zeichnung von<br />

Erzgraber<br />

(1916)<br />

Bei den großen Verdiensten, die sich Kundigraber um das <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Musikleben erwirbt, bleibt er natürlich nicht unumstritten.<br />

Besonders sein Engagement für zeitgenössische Kompositionen<br />

sorgt in der Öffentlichkeit und in Pressebesprechungen nicht selten<br />

für Unverständnis und Polemik. 1923 beispielsweise wird ein Orchesterkonzert<br />

unter seiner Leitung mit den Tondichtungen „Don Juan“,<br />

„Till Eulenspiegel“ und „Sinfonia domestica“ von Richard Strauss in<br />

der Lokalpresse als „läppisches Larifari“ und „nichtsnutziges Hin und


24<br />

Her“ abgekanzelt. Mangelnden Zuspruch nimmt die Presse andererseits<br />

zum Anlass, sich über kulturelles Desinteresse zu beklagen:<br />

„Die zuhause Gebliebenen ließen jede Unklarheit schwinden über das<br />

Kulturbedürfnis einer Bevölkerung, die sonst bei mehr materiellen,<br />

wenn auch kostspieligeren Veranstaltungen in Massen zu erscheinen<br />

pflegt.“ Oder: „Es war eben keine Modeschau, kein Fußballmatch.<br />

Daß es eine Pflicht gibt, kulturelle Bestrebungen zu unterstützen,<br />

scheint in <strong>Aschaffenburg</strong> einem erstaunlich großen Kreis unbekannt<br />

zu sein.“ 8)<br />

Kundigraber ist ebenfalls ein Mann klarer Worte: Sein selbstbewusstes<br />

und unerschütterliches Eintreten für das Kulturgut Musik<br />

und die anspruchsvolle musikalische Erziehung gehen stets einher<br />

mit manifester Kritik an Umständen, die der Verwirklichung seiner<br />

Ideale entgegenstehen. Zwei Ausschnitte aus Jahresberichten geben<br />

davon eindrucksvoll Beispiel: „Die Ueberbetonung des Sportlichen in<br />

Erziehung und Schule nimmt manch beschauliche Stunde häuslicher<br />

Musikübung, peitscht schon im Kinde die Spielleidenschaft auf, die<br />

Massenunterweisungen im Instrumentalunterricht locken, teilweise<br />

auch durch deren Kostenlosigkeit, auf die Seite zunehmender technischer<br />

Primitivität und Entindividualisierung.“ 9) oder: „Zur überbetonten<br />

Sportbetätigung, welche außerschulische kulturelle Interessen<br />

der Jugend immer mehr brach legt, kommt die Überflutung mit mechanischer<br />

Musik, besonders durch den Rundfunk; die musikalische<br />

Eigenbetätigung, früher einziger Aufschluß und Weg zum Kunstwerk,<br />

dem Einsichtslosen und Allzubequemen überflüssig erscheinen lassend.“<br />

10) Neben den hier beklagten Ursachen spielt nach seinen<br />

Worten die wirtschaftliche Lage eine entscheidende Rolle für den<br />

Rückgang der Schülerzahlen: „Von der allgemeinen Wirtschaftskrise,<br />

deren Fortdauer eine Kulturkrise heraufbeschwört, konnte auch die<br />

städt. <strong>Musikschule</strong> nicht verschont bleiben. Zwar ist ein Rückgang<br />

der Schülerzahl um 16 % gegenüber jenem anderer Schulen noch<br />

nicht katastrophal zu nennen, aber er führte zwangsläufig und in Verbindung<br />

mit gesteigerten Ansprüchen auf Schulgeldermäßigungen<br />

zu einer Reihe von Abbaumaßnahmen, deren Begründung sich der<br />

Gewalt der Tatsachen nicht entziehen konnte.“ 11)<br />

Kundigraber begrüßt die Machtergreifung der Nationalsozialisten,<br />

sieht er doch „im Vertrauen auf die Führerrolle der deutschen Kunst<br />

im neuen Staate auch einen hoffnungsfreudigen Ausblick in die Zukunft.“<br />

12) Seine Hoffnungen werden enttäuscht, als er mit kultureller<br />

Gleichschaltung und einem vom Nationalsozialismus angeordneten<br />

Musikverständnis konfrontiert wird. Er leitet die <strong>Musikschule</strong> bis zum<br />

Schuljahr 1938/39. Die von ihm gegründete „<strong>Aschaffenburg</strong>er städtische<br />

Musikkultur“ wird bereits am 21. Mai 1937 von der <strong>Musikschule</strong><br />

losgelöst und dem Kulturamt von „Kraft durch Freude“ zugeordnet.<br />

Kundigraber übernimmt 1939 die Leitung des Konservatoriums seiner<br />

Heimatstadt Graz und stirbt 1944 in St. Marein in der Steiermark.


Konzertprogramm des collegium musicum aus dem Jahr 1924<br />

25


26<br />

Programm zum zehnjährigen Bestehen der "<strong>Aschaffenburg</strong>er städtische Musikkultur" (Astmuk)


27<br />

Die <strong>Musikschule</strong> unter Leitung von<br />

Dr . K arl Friedrich Leucht<br />

Dr. Karl Friedrich Leucht wird mit dem Schuljahr 1939/40 zum Leiter<br />

der <strong>Musikschule</strong> ernannt. Im Jahresbericht 1939/40 erklärt er zu seiner<br />

Zielsetzung als Schulleiter: „Gleichzeitig mit dem Wechsel sollte<br />

auch eine grundlegende Reorganisation des Instituts verbunden sein;<br />

vor allem sollte eine lebendige Verbindung mit dem musikalischen<br />

Kulturleben der Stadt wieder hergestellt und eine enge Verbindung<br />

der Schule mit den musikalischen Erneuerungsbestrebungen in der<br />

HJ, sowie der kulturellen Arbeit der NS-Gemeinde „Kraft durch Freude“<br />

erstrebt werden.“ 13)<br />

Dr. Leucht kann, was die Entwicklung der Schülerzahlen betrifft,<br />

deutliche Erfolge verzeichnen. Von 1939 bis 1943 steigen die Schülerzahlen<br />

von 234 auf 840. Dieser Anstieg<br />

lässt sich dadurch erklären, dass die „Deutsche<br />

Arbeitsfront“ durch ihre NS-Gemeinde<br />

„Kraft durch Freude“ an der <strong>Musikschule</strong><br />

eine Musikstätte errichtet. Trotz Kriegszeit<br />

und der damit verbundenen Einberufung<br />

von Dr. Leucht und einiger seiner Lehrkräfte<br />

findet ein reger Unterrichtsbetrieb mit vielen<br />

Schulkonzerten und Vorspielabenden<br />

statt. Die <strong>Musikschule</strong> verliert allerdings<br />

ihre Bedeutung als Ausbildungsinstitut<br />

mit gehobenen Ansprüchen. Im September<br />

1944 wird der Schulbetrieb wegen der<br />

Ausrufung des „Totalen Krieges“ eingestellt.<br />

Am 27. Oktober 1944 geht eine Luftmine in<br />

der Nähe des Deutschhauses nieder und<br />

hinterlässt schwere Zerstörungen: Damit<br />

ist das Schicksal dieser Unterrichtsstätte<br />

besiegelt, in der insgesamt 66 Jahre Musikschulunterricht<br />

stattfand.<br />

Dr. Leucht versucht nach seiner Rehabilitierung<br />

1948 die Schule wiederzueröffnen. Ein entsprechender<br />

Beschluss wird vom Stadtrat am 09. April 1948 gefasst, bald darauf<br />

aber widerrufen. Es dauert noch weitere elf Jahre, bis 1959 der<br />

Schulbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Unter der Leitung<br />

von Dr. Leucht entsteht eine Singschule mit Instrumentalklassen, die<br />

dem Staatlichen Schulamt der Stadt <strong>Aschaffenburg</strong> angegliedert<br />

ist. Der Unterricht findet in verschiedenen <strong>Aschaffenburg</strong>er Volksschulen<br />

statt, Sitz der Verwaltung ist Dr. Leuchts Privatwohnung.<br />

Mit viel Engagement und einem unerschütterlichen Optimismus erreicht<br />

Dr. Leucht bald beachtliche Schülerzahlen bei einer Vielzahl<br />

von Provisorien und ungesicherten finanziellen Verhältnissen. Bereits<br />

im zweiten Jahr nach der Wiedereröffnung besuchen 419 Schüle-<br />

Dr. Karl Friedrich Leucht,<br />

Musikschulleiter<br />

1939–1982


28<br />

rinnen und Schüler die Schule, 1981 sind es 930. Dass es sich dabei<br />

mehr um musikalische Breitenarbeit handelt und anspruchsvolleres<br />

Ensemblespiel oder gezielte Förderung im Einzelunterricht nur bedingt<br />

oder gar nicht möglich sind, versteht sich bei den gegebenen<br />

Bedingungen von selbst.<br />

Der Berichtsbogen des Jahres 1981 an den „Verband deutscher<br />

<strong>Musikschule</strong>n“ beispielsweise weist 21 Streicher, dagegen fast 100<br />

Schüler im Fach Melodika auf. Gruppenunterricht mit nicht mehr zu<br />

verantwortenden Schülerzahlen von oft 20 Kindern sind keine Seltenheit.<br />

Der Geschäftsführer des „Verbandes Bayerischer Sing- und<br />

<strong>Musikschule</strong>n“ nimmt den erwähnten Berichtsbogen zum Anlass, in<br />

einem Brief unter anderem folgende Bemerkung zu machen: „Für eine<br />

Stadt von 60 000 Einwohnern ist die <strong>Musikschule</strong> mit einer hauptamtlichen<br />

Kraft und 18 teilbeschäftigten Lehrkräften personell ungewöhnlich<br />

bescheiden ausgestattet. Auch die Stundenzahl entspricht<br />

kaum den in <strong>Aschaffenburg</strong> vermuteten Bedürfnissen nach Musikschulunterricht.<br />

Das instrumentale Angebot ist verhältnismäßig schmal: Ein Streichinstrument,<br />

kein Holzblasinstrument (Blockflöte nicht gerechnet) und<br />

kein Blechblasinstrument, dafür neben Klavier, Akkordeon und Gitarre<br />

die Melodika, welche eher dem Spielzeugbereich als den Musikinstrumenten<br />

zuzuordnen ist…“<br />

Es wäre ungerecht und den Verhältnissen unangemessen, die Situation<br />

der <strong>Musikschule</strong> und damit das Werk Dr. Leuchts einseitig zu<br />

werten. Mit der Wiedereröffnung der <strong>Musikschule</strong> nach dem Krieg<br />

wird der Anfang gemacht zu einer Entwicklung, die in die Kommunalisierung<br />

der Institution <strong>Musikschule</strong> mündet. Es ist das besondere<br />

Verdienst Dr. Leuchts, den Schulbetrieb auch bei dürftigster räumlicher,<br />

personeller und finanzieller Ausstattung am Leben zu halten.<br />

Kurz vor seinem Tod geht Dr. Leuchts lang gehegter Wunsch nach<br />

einem eigenen Haus in Erfüllung, das ihm die Stadt mit dem Gebäude<br />

an der Kochstraße zuteilt. Damit hat die <strong>Musikschule</strong> 38 Jahre nach<br />

der Zerstörung des Deutschhauses wieder ein eigenes Domizil.<br />

Dr. Leucht entfaltet in der von unvorstellbaren Entbehrungen geprägten<br />

Nachkriegszeit eine Vielzahl musikalischer Initiativen. Dazu<br />

zählen die Serenaden im Festsaal des Parks Schönbusch, die seit<br />

1947 bis heute fester Bestandteil des Konzertlebens in <strong>Aschaffenburg</strong><br />

sind. Als Bundeschormeister des Maintal-Sängerbunds bleibt er<br />

auch im Bereich des Laienchorwesens in unvergesslicher Erinnerung.<br />

Nach Dr. Leuchts Tod wird Franziska Dillinger als kommissarische Leiterin<br />

eingesetzt. Sie hält mit viel Engagement und wichtigen Akzenten<br />

zur Neustrukturierung in der schwierigen Zeit vor der Kommunalisierung<br />

den Schulbetrieb aufrecht.


29<br />

Die Kom munalisierung der <strong>Musikschule</strong><br />

Nach dem Tod von Dr. Leucht ist die Kommunalisierung der <strong>Musikschule</strong><br />

und eine damit verbundene Umstrukturierung überfällig. Denn<br />

die <strong>Musikschule</strong>ntwicklung in Deutschland hat <strong>Aschaffenburg</strong> längst<br />

überholt. Grundsätzliche Überlegungen zur Zukunft der <strong>Musikschule</strong>,<br />

die Frage nach der Weiterbeschäftigung bisher tätiger Lehrkräfte,<br />

die Suche nach einer neuen organisatorischen und inhaltlichen Konzeption,<br />

Meinungsverschiedenheiten um die Neubesetzung der Leiterstelle<br />

und nicht zuletzt eine Elterninitiative, die ihre Vorstellungen<br />

über die Zukunft der <strong>Musikschule</strong> mit großem Nachdruck einbringt,<br />

verzögern eine endgültige Entscheidung. Zum Leiter wird schließlich<br />

Burkard Fleckenstein ernannt. Er ist ausgebildeter Schulmusiker<br />

mit dem instrumentalen Hauptfach Violoncello und war zuvor am<br />

Schiller-Gymnasium in Hof als Musiklehrer tätig. Am 1. September<br />

1984 erfolgt die Kommunalisierung der <strong>Musikschule</strong>. Kurz zuvor erlässt<br />

das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus die<br />

„Sing- und Musikschulverordnung“, die hinsichtlich der Struktur, des<br />

Fächerangebots und der Qualifikation der Lehrkräfte Anforderungen<br />

an eine bayerische <strong>Musikschule</strong> formuliert. Nach diesen Vorgaben<br />

sowie den Struktur- und Lehrplänen des Verbandes deutscher <strong>Musikschule</strong>n<br />

wird die <strong>Musikschule</strong> neu aufgestellt. Damit einher gehen<br />

die Qualifizierung des vorhandenen Lehrkörpers, die Erweiterung<br />

und Umgestaltung des Fächerangebots,<br />

die gezielte Förderung des Ensemblespiels,<br />

die Förderung fortgeschrittener<br />

Schülerinnen und Schüler im Rahmen<br />

einer vorberuflichen Fachausbildung,<br />

eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und<br />

die Generalsanierung des Musikschulgebäudes.<br />

Das großzügige kommunale<br />

Engagement und die vorbehaltlose Unterstützung<br />

durch Oberbürgermeister Dr.<br />

Willi Reiland und den Stadtrat ermöglichen<br />

einen ermutigenden Neubeginn. Mit<br />

der Kommunalisierung der <strong>Musikschule</strong><br />

verabschiedet der Stadtrat eine Entgeltordnung, die bundesweit ihres<br />

Gleichen sucht: Zu der großzügigen Familienermäßigung von 50 Prozent<br />

für das zweite und jedes weitere Kind einer Familie kommt die<br />

Sozialermäßigung in Höhe von 50 Prozent für Sozialhilfeempfänger.<br />

Weitere Unterstützung für besonders förderungswürdige oder in Not<br />

geratene Schülerinnen und Schüler beziehungsweise deren Familien<br />

bieten die Fahs- und die Geissler-Stiftung, die vom Kulturamt der<br />

Stadt <strong>Aschaffenburg</strong> verwaltet werden.<br />

Zum Schuljahr 1984/85 wird das Unterrichtsangebot erweitert. Zu<br />

den insgesamt 13 instrumentalen und vokalen Hauptfächern treten<br />

Ensemblefächer (u. a. ein Kammerorchester), Korrepetition, Theo-<br />

Vorspiel im Seniorenstift<br />

St. Elisabeth (1997)


30<br />

riekurse in Musikgeschichte, Harmonielehre und Spielkreise im Elementarbereich.<br />

Die insgesamt 26 Lehrkräfte werden Fachbereichen<br />

zugeordnet, über Konferenzen und Fachgruppensitzungen wird die<br />

Zusammenarbeit innerhalb des Kollegiums gefördert. Die <strong>Musikschule</strong><br />

tritt mit Veranstaltungen an die Öffentlichkeit: Zu den verbindlich<br />

eingeführten internen Vorspielen kommen Lehrerkonzerte und weitere<br />

Veranstaltungen. Bereits am 27.11.1984 präsentiert sich das Kollegium<br />

mit einem Konzert am Dalberg-Gymnasium. In der Reihe „Podium<br />

<strong>Musikschule</strong>“ erhalten Lehrkräfte, fortgeschrittene Schülerinnen und<br />

Schüler, Ehemalige und Freunde der <strong>Musikschule</strong> Gelegenheit zum<br />

öffentlichen Musizieren. Den ersten Auftritt in dieser Reihe gibt am<br />

20. Juni 1985 Ursula Liebl mit einem viel beachteten Klavierabend.<br />

Auch Konzerte in Senioreneinrichtungen der Stadt und des Landkreises<br />

gehören zum Veranstaltungsangebot der <strong>Musikschule</strong>.<br />

Der Aufforderung zur Mitgestaltung des Konzertlebens in der Stadt<br />

entspricht der neue Leiter mit der Fortführung der Schönbusch-Serenaden<br />

und der Gründung der Bachgesellschaft <strong>Aschaffenburg</strong>. Die<br />

Musikbibliothek wird wieder der <strong>Musikschule</strong> zugeordnet und über<br />

einen alphabetischen und systematischen Katalog sowie eine gründliche<br />

Sichtung des Bestands für den öffentlichen Gebrauch vorbereitet.<br />

Bereits ein Jahr nach der Kommunalisierung tritt die <strong>Musikschule</strong><br />

mit einem Konzert zu ihrem 175-jährigen Bestehen an die Öffentlichkeit:<br />

Im Stadttheater erklingen ausschließlich Werke <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Komponisten. Der ehemalige Schüler Wilhelm Keilmann ist als Komponist<br />

und Pianist mit von der Partie.<br />

Die Erweiterung der Angebotspalette im Instrumentalbereich zieht die<br />

Gründung neuer Ensembles nach sich. 1988 wird eine Jazzbigband<br />

gegründet, die zur Eröffnung des Musikschulgebäudes 1989 bereits<br />

ihren ersten Auftritt hat. Das Ensemble erspielt sich beim Deutschen<br />

Orchesterwettbewerb 1996 in Gera einen hervorragenden 2. Preis.<br />

Der insgesamt zweijährige Umbau des Musikschulgebäudes stellt<br />

den Schulbetrieb vor große Herausforderungen: Der Unterricht wird<br />

auf insgesamt sieben Außenstellen im Stadtgebiet aufgeteilt. Der<br />

engagierte Beirat veranstaltet während der Umbauphase im Kronberg-Gymnasium<br />

zwei Musikschulfeste, bei denen jeweils fast 2.000<br />

Besucher erscheinen. Die musikalischen Darbietungen geben überzeugendes<br />

Beispiel von der Leistungsfähigkeit der <strong>Musikschule</strong>.<br />

Das von Grund auf sanierte Musikschulgebäude in der Kochstraße<br />

kann im Januar 1989 wieder bezogen werden. Vom 10. bis 12. Februar<br />

1989 findet ein großes Eröffnungsfest statt, an dem unter anderem<br />

der bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus Hans Zehetmair<br />

teilnimmt. Der <strong>Musikschule</strong> stehen nun 21 Unterrichtsräume,<br />

zwei Früherziehungsräume, eine Bibliothek, Verwaltungsräume und<br />

ein Lehrerzimmer zur Verfügung. Herzstück des neuen Musikschulgebäudes<br />

jedoch ist der Konzertsaal mit einem nagelneuen Steinway<br />

C-Flügel. Ein Jahr später, am 25. Januar 1990 weiht Hans-Joachim<br />

Erhard die neue Vleugels-Orgel ein. Damit findet die Ausstattung des


31<br />

Konzertsaals ihren krönenden Abschluss und knüpft an die Tradition<br />

des Deutschhaussaales an, in dem ebenfalls eine Konzertorgel<br />

stand, deren Anschaffung 1914 der großherzigen Stiftung von Kommerzienrat<br />

Stadelmann zu verdanken war. Mit dem Bezug des neuen<br />

Gebäudes einher geht eine rasante Entwicklung der Schülerzahlen.<br />

Waren es zum Zeitpunkt der Kommunalisierung noch 816 Schülerinnen<br />

und Schüler, klettert ihre Zahl bis zum Einzug in das neue Musikschulgebäude<br />

über die Tausendermarke und erreicht 1999 einen<br />

Höchststand von 1723, bevor sie sich schließlich zwischen 1500 und<br />

1600 einpendelt.<br />

Im Herbst 1989 wird in der Marktgemeinde Großostheim eine Außenstelle<br />

der <strong>Musikschule</strong> eröffnet. Die Unterrichtsräume befinden sich<br />

zunächst im dortigen alten Rathaus, bevor 2001 im Nöthigsgut ein<br />

eigenes Musikschulgebäude mit einem Konzertsaal seiner Bestimmung<br />

übergeben wird. Zu diesem Zeitpunkt werden in Großostheim<br />

350 Schülerinnen und Schüler unterrichtet.<br />

Die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Kommunalisierung rund die<br />

Hälfte und 1992 immer noch rund ein Drittel der Schülerinnen und<br />

Schüler aus dem Landkreis <strong>Aschaffenburg</strong> kommen, veranlassen<br />

die Stadtverwaltung, mit den Landkreisgemeinden, die keine <strong>Musikschule</strong><br />

betreiben, Gespräche zu führen und über eine gemeinsame<br />

Lösung zu beraten. Keine Gemeinde kann sich dazu entschließen,<br />

dem Beispiel Großostheims zu folgen und sich der <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

<strong>Musikschule</strong> anzuschließen oder eine eigene <strong>Musikschule</strong> zu gründen.<br />

Der Stadtrat beschließt deshalb „Auswärtigenzuschläge“, um<br />

die fehlende kommunale Beteiligung aus Umlandgemeinden über die<br />

Unterrichtsentgelte wenigstens teilweise zu kompensieren. Bedauerlich<br />

ist dabei, dass die Eltern mit erhöhten Unterrichtsbeiträgen belastet<br />

werden. Die Umlandgemeinden entscheiden sich für eine fachlich<br />

höchst fragwürdige Billiglösung und gründen mit dem „Zweckverband<br />

Kommunaler Musikunterricht“ eine Einrichtung, die sich im Wesentlichen<br />

auf die Vermittlung von Privatunterricht beschränkt und die<br />

Anforderungen der bayerischen Sing- und Musikschulverordnung in<br />

keinem einzigen Punkt erfüllt.<br />

Nach der Übergabe des Musikschulgebäudes im Jahr 1989 steht<br />

die Weiterentwicklung der <strong>Musikschule</strong> und ihres Veranstaltungswesens<br />

an. Die Festigung der inneren Schulstruktur wird durch den<br />

Ausbau der Fachbereiche und die Aufwertung der Fachbereichsleiter<br />

erreicht. Der fachliche Austausch und die gemeinsamen Aktivitäten<br />

innerhalb der Fachbereiche und darüber hinaus werden intensiviert.<br />

„Streichertage“, „Klaviernacht“ oder „Benefizkonzert für Großbassflöten“<br />

sind nur drei Beispiele für eine Fülle von Konzerten, Vorspielen<br />

und Aktivitäten, die von den Fachbereichen ausgehen. Die <strong>Musikschule</strong><br />

<strong>Aschaffenburg</strong> beteiligt sich an dem vom Verband deutscher<br />

<strong>Musikschule</strong>n entwickelten Qualitätsmanagementprogramm „Qualitätssystem<br />

<strong>Musikschule</strong>“. Diese Beteiligung hat eine Reihe weiterer


32<br />

Vorspiel im Schullandheim Hobbach (1993)<br />

Musikalische<br />

Gestaltung<br />

einer Spielplatzeinweihung<br />

(1997)<br />

Auftritt einer Gesangsgruppe<br />

der Musik schule in der Sendung<br />

„Bayern Champions“ des Bayerischen<br />

Fernsehens (1998)<br />

Parisbesuch<br />

anlässlich des<br />

Besuchs der<br />

Großostheimer<br />

Partnergemeinde<br />

(1999)<br />

Musikschul -<br />

freizeit in Aub<br />

(1995)<br />

Konzert in Großostheims<br />

Partnergemeinde<br />

Carbon-Blanc (1999)


Maßnahmen zur Folge, die der <strong>Musikschule</strong> wichtige Impulse zur Weiterentwicklung<br />

geben. Von der hohen künstlerischen und pädagogischen<br />

Kompetenz des Kollegiums zeugt die Tatsache, dass die drei<br />

ehemaligen Lehrkräfte Friedemann Wezel, Gerhard Reichenbach und<br />

Joachim Reinhuber zwischenzeitlich Professuren an Musikhochschulen<br />

innehaben. Drei weitere ehemalige Lehrkräfte sind mittlerweile zu<br />

Leitern großer deutscher <strong>Musikschule</strong>n berufen worden: Ulrike Goldau<br />

in Freiburg, Christiane Schützer in Ludwigshafen und Christoph<br />

Hornbach in Frankfurt/Main.<br />

Die fachliche Fort- und Weiterbildung geschieht nicht nur über den<br />

Besuch von externen Veranstaltungen. Auch über interne Fortbildungen<br />

erhalten die Lehrkräfte neue Impulse. Unmittelbar nach der<br />

Kommunalisierung erfolgt dies mit Kursangeboten im Rahmen des<br />

Programms „Fortbildung vor Ort“ des Verbandes deutscher <strong>Musikschule</strong>n,<br />

danach auch über Fortbildungen, die von eigenen Kolleginnen<br />

und Kollegen durchgeführt werden. Die Bachgesellschaft<br />

<strong>Aschaffenburg</strong> führt ihre Meisterkurse in Zusammenarbeit mit der<br />

<strong>Musikschule</strong> durch. Davon profitieren Lehrkräfte und Schüler. Zu<br />

Gast sind Paul Meisen, Peter Lukas Graf, Ingo Goritzki, Anner Bylsma,<br />

Steven Isserlis und Robert Levin. Die Gitarrentage, die seit 1992<br />

gemeinsam mit der <strong>Musikschule</strong> veranstaltet werden, bringen neben<br />

hochkarätigen Konzerten jährlich Meisterkurse mit internationalen<br />

Stars wie Manuel Barrueco oder David Russell.<br />

Über gezielte Fördermaßnahmen wird das Fächerangebot erweitert,<br />

auch die „Mangelfächer“ Kontrabass, Fagott, Harfe und Horn halten<br />

Einzug in der <strong>Musikschule</strong>. Über die „Förderklasse“ qualifizieren sich<br />

eine Reihe besonders begabter Schülerinnen und Schüler für ein späteres<br />

Musikstudium. Auch der Bereich Rock, Pop und Jazz entwickelt<br />

sich im Laufe der Jahre erfreulich und macht insbesondere mit beeindruckenden<br />

Ensembleleistungen von sich reden.<br />

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die sich an der musikalischen<br />

Fördermaßnahme „Jugend musiziert“ beteiligt, steigt von Jahr zu<br />

Jahr. Mittlerweile sind <strong>Aschaffenburg</strong>er Musikschüler regelmäßig im<br />

Bundeswettbewerb vertreten.<br />

Die Veranstaltungen, die jährlich von der <strong>Musikschule</strong> durchgeführt<br />

werden, enthalten eine Vielzahl von musikalischen Gestaltungen offizieller<br />

Anlässe und Feierlichkeiten. Vom Gitarrenduo über das Percussionsensemble<br />

bis hin zum Cellooktett haben die Ensembles der<br />

<strong>Musikschule</strong> Gelegenheit, in der Öffentlichkeit zu zeigen, dass die<br />

Investition in diese Bildungseinrichtung gut angelegt ist. Ein Höhepunkt<br />

im Zusammenhang mit der Umrahmung offizieller Feierstunden<br />

war der Auftritt des Blockflötenquartetts anlässlich der 43. Jahrestagung<br />

des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen am 4. Juni 1987<br />

im Stadttheater in Anwesenheit des Bundespräsidenten Dr. Richard<br />

von Weizsäcker.<br />

Regelmäßige Musikfreizeiten zur Erarbeitung von Konzertprogrammen<br />

und Förderung der Begegnung der Schüler untereinander wer-<br />

33


34<br />

den seit 1985 in jährlich steigender Zahl durchgeführt: Das Schullandheim<br />

Hobbach, die Jugendherbergen Breuberg, Erbach, Lohr<br />

und Rothenfels oder die Musikakademie Hammelburg sind dafür beliebte<br />

Aufenthaltsorte. Die Schwierigkeit, bei zunehmendem Nachmittagsunterricht<br />

und erhöhter schulischer Beanspruchung regelmäßige<br />

wöchentliche Ensembleproben durchzuführen, erfordert immer öfter<br />

Projektarbeit in Form von intensiven Probenphasen.<br />

Das erfreulich rege musikalische Leben an den allgemein bildenden,<br />

insbesondere den weiterführenden Schulen <strong>Aschaffenburg</strong>s macht<br />

es der <strong>Musikschule</strong> nicht einfach, selbst größere Ensembles zu gründen.<br />

Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich dem Zusammenspiel<br />

an den Regelschulen verpflichtet, eine weitere Verpflichtung im Musikschulorchester<br />

würde eine zusätzliche Belastung bedeuten. Deshalb<br />

setzt die <strong>Musikschule</strong> verstärkt auf Kooperationen: Ein Beispiel<br />

dafür ist die Orchestergemeinschaft mit dem Dessauer-Gymnasium,<br />

die 1988 gegründet wird. Höhepunkt dieser Kooperation ist eine<br />

Konzertreise in den Süden Englands mit drei Konzerten. Weitere gemeinsame<br />

Orchesterprojekte werden mit dem Orchester der Hofer<br />

<strong>Musikschule</strong> und dem Kammerorchester des Erlanger Musikinstituts<br />

durchgeführt. Herausragendes Ereignis dieser Zusammenarbeit ist<br />

ein Konzert für die Bayerische Landesvertretung im Französischen<br />

Dom zu Berlin.<br />

In Zusammenarbeit mit der <strong>Musikschule</strong> findet 1990 in <strong>Aschaffenburg</strong><br />

der „13. Bayerische Sing- und Musikschultag“ statt, 1995 ist<br />

<strong>Aschaffenburg</strong> Austragungsort des bayerischen Landeswettbewerbs<br />

„Jugend musiziert“. Der Verband deutscher <strong>Musikschule</strong>n hält 2006<br />

seine Hauptarbeitstagung in <strong>Aschaffenburg</strong> ab, zu der die „<strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Erklärung“ verabschiedet wird, in der der VdM gemeinsam<br />

mit dem Deutschen Musikrat, dem Deutschen Kulturrat sowie dem<br />

Kulturausschuss des Deutschen Städtetages an Bund und Länder<br />

appelliert, bundesweit geltende Bildungsstandards mit dem festen<br />

Bestandteil der musikalischen Bildung zu schaffen.<br />

Die Ausbildung an der <strong>Musikschule</strong> ist auf Langfristigkeit angelegt.<br />

Kleingruppen- oder Einzelunterricht sind Voraussetzung für den Lernerfolg<br />

der Schülerinnen und Schüler. Der personalintensive Unterricht<br />

führt dazu, dass der weitaus größte Ausgabenposten an der<br />

<strong>Musikschule</strong> mit rund 85 Prozent die Personalausgaben sind. Um<br />

den Ausgabensteigerungen entgegenzuwirken, wurden ab Mitte der<br />

neunziger Jahre eine Reihe von Maßnahmen ergriffen: Die Unterrichtsentgelte<br />

werden seitdem regelmäßig angepasst, der Anteil des<br />

Gruppenunterrichts wird im Rahmen des pädagogisch Vertretbaren<br />

ausgeweitet. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollbeschäftigte<br />

wurde durch die Umlegung<br />

des "Ferienüberhangs" ab dem<br />

Schuljahr 1995/96 um zwei Stunden<br />

erhöht. Die Zahl der Jahreswochenstunden<br />

konnte im Lauf der letzten<br />

Orchesterprojekt beim<br />

Deutschen Musikschultag


35<br />

zehn Jahre um rund 15 Prozent reduziert werden. Mit diesen Maßnahmen<br />

zeigt die <strong>Musikschule</strong> Verantwortungsbewusstsein im Spannungsfeld<br />

zwischen pädagogischen Anforderungen und wirtschaftlichen<br />

Erfordernissen. Es bleibt zu hoffen, dass die <strong>Musikschule</strong> in<br />

der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise von tieferen Einschnitten<br />

in das Unterrichtsangebot verschont bleibt.<br />

Die <strong>Musikschule</strong> hat sich seit der Kommunalisierung im Jahr 1984<br />

zu einer Einrichtung entwickelt, an der dank beispielhafter äußerer<br />

Bedingungen und innerer Strukturen musikalisches Leben in idealer<br />

Weise entstehen und zur Entfaltung gebracht wird. Auch nach der<br />

Zuordnung der <strong>Musikschule</strong> zum Kulturamt hat sie nichts von ihrer<br />

Eigenständigkeit eingebüßt. Die Synergien, die sich über die stärkere<br />

Einbeziehung in den städtischen Kulturbetrieb ergeben, sind für alle<br />

Beteiligten von Vorteil. Stadttheater und <strong>Musikschule</strong>, über 66 Jahre<br />

räumlich verbunden, sind wieder zusammengeführt, das Veranstaltungsprogramm<br />

des Kulturamts steht den Schülerinnen und Schülern<br />

der <strong>Musikschule</strong> offen, das Collegium musicum gibt weit fortgeschrittenen<br />

Schülerinnen und Schülern, Studentinnen und Studenten und<br />

Ehemaligen Gelegenheit, sich in einem leistungsfähigen Klangkörper<br />

zu betätigen. Mit Ulrike Goldau folgt Burkard Fleckenstein eine hervorragend<br />

qualifizierte Leiterin, die die Geschicke der <strong>Musikschule</strong><br />

mit außerordentlichem Engagement und konsequenter Führung in<br />

die richtige Richtung weiterentwickelt, bevor sie als Direktorin der<br />

<strong>Musikschule</strong> Freiburg ein neues Betätigungsfeld findet. Mit Stefan<br />

Claas tritt 2006 eine umfassend gebildete Künstlerpersönlichkeit die<br />

Nachfolge an. Er setzt die Arbeit an der <strong>Musikschule</strong> in der Kontinuität<br />

seiner Vorgänger fort, geht gleichzeitig aber auch neue Wege, die<br />

dem Gebot der Zeit entsprechen: die Vernetzung der Aktivitäten der<br />

<strong>Musikschule</strong> mit allgemein bildenden Schulen und Musik treibenden<br />

Vereinen und Organisationen.<br />

Vor 21 Jahren, zur Übergabe des Musikschulgebäudes schloss der<br />

damalige Staatsminister für Unterricht und Kultus, Hans Zehetmair,<br />

sein Grußwort mit folgenden Worten: „Mit meinen herzlichen Glückwünschen<br />

zur Übergabe dieses Gebäudes verbinde ich die Hoffnung,<br />

daß sich hier ein Kristallisationspunkt des Musiklebens bilden möge,<br />

der das kulturelle Leben <strong>Aschaffenburg</strong>s mitprägt und die große Tradition<br />

der Städtischen <strong>Musikschule</strong> in eine erfolgreiche Zukunft führt.“<br />

26 Jahre nach der Kommunalisierung kann mit großer Zufriedenheit<br />

festgestellt werden, dass die musikalische Bildungsarbeit noch nie<br />

in der Geschichte der <strong>Musikschule</strong> unter so günstigen Bedingungen<br />

stattgefunden hat wie heute. Dies gibt Anlass, denjenigen Dank zu<br />

sagen, die für diese guten Rahmenbedingungen gesorgt haben und<br />

uns weiterhin die Unterstützung gewähren, die für solch eine Arbeit<br />

nötig ist. Uns ist es ein Ansporn, die Aufgabe, den nachwachsenden<br />

Generationen das Kulturgut Musik auch künftig mit Engagement<br />

und Zielstrebigkeit zu vermitteln und damit einen Beitrag zu einer<br />

humanen Gesellschaft zu leisten.<br />

Ulrike Goldau,<br />

Geschäftsführende<br />

Musikschulleiterin<br />

2000–2005<br />

Stefan Claas,<br />

Geschäftsführender<br />

Musikschulleiter<br />

seit 2006


36<br />

Nachsatz: Dieser kurz gefasste Beitrag zur Geschichte der <strong>Musikschule</strong><br />

will einen ersten Überblick über 200 Jahre <strong>Musikschule</strong><br />

<strong>Aschaffenburg</strong> geben. Intensivere Einblicke in die wechselvolle Geschichte<br />

unserer <strong>Musikschule</strong> bietet die Festschrift des Stadt- und<br />

Stiftsarchivs, die ebenfalls aus Anlass des Musikschuljubiläums<br />

voraussichtlich im Frühjahr 2010 erscheint und in Beiträgen von<br />

Dr. Hans-Bernd Spies und Barbara Hippeli sehr viel ausführlichere<br />

Darstellungen enthält. Darüber hinaus ist in dem Band des Stadt- und<br />

Stiftsarchivs ein Beitrag zu Carl von Dalbergs Aufsatz „Kunstschulen“<br />

und eine Abhandlung über die Entwicklung der deutschen <strong>Musikschule</strong>n<br />

zu finden.<br />

1)<br />

Hermann <br />

Kundigraber: Chronik der<br />

Städtischen <strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong><br />

1810–1910, S. 10<br />

2)<br />

Ebd., S. 12<br />

3)<br />

Ebd., S. 13<br />

4)<br />

Ebd., S. 18<br />

5)<br />

Ebd., S. 20<br />

6)<br />

Ebd., S. 23<br />

7)<br />

Städtische <br />

<strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong> –<br />

Bericht über das Schuljahr 1926/27, S.16<br />

8)<br />

Hermann <br />

Kundigraber: ASTMUK –<br />

Festschrift zur 200. Veranstaltung,<br />

<strong>Aschaffenburg</strong> 1933, S. 9<br />

9)<br />

Städtische <br />

<strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong> –<br />

Bericht über das Schuljahr 1927/28, S. 4<br />

10)<br />

Städtische <br />

<strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong> –<br />

Bericht über das Schuljahr 1931/32, S. 4<br />

11)<br />

ebd., <br />

S. 4<br />

12)<br />

Hermann <br />

Kundigraber: ASTMUK –<br />

Festschrift zur 200. Veranstaltung,<br />

<strong>Aschaffenburg</strong> 1933, S. 9<br />

13)<br />

Städtische <br />

<strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong> –<br />

Bericht über das Schuljahr 1939/40, S. 4<br />

Bildnachweis: Stadt- und Stiftsarchiv<br />

sowie Musikschularchiv


Papier von Sappi<br />

für himmlische Druckergebnisse<br />

37<br />

Sappi – the word for fine paper<br />

Seit Anfang des Jahres 2009 gehört die Papier- und Zellstofffabrik in<br />

Stockstadt zum südafrikanischen Konzern Sappi Limited, dem<br />

weltweit führenden Hersteller von gestrichenen Feinpapieren, die für<br />

hochwertige Prospekte, Kataloge, Bücher oder Bildbände verwendet<br />

werden.<br />

Sappi ist in vier Kontinenten mit eigenen Produktionsstätten vertreten.<br />

Mehr als 40 Verkaufsbüros weltweit betreuen Kunden in über 100<br />

Ländern. Bei Sappi Stockstadt produzieren 730 Mitarbeiter bis zu<br />

430 000 Tonnen Papier und 160 000 Tonnen Zellstoff im Jahr.<br />

Die Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der <strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong><br />

ist gedruckt auf EuroArt Plus silk, 300 g/m² (Umschlag) und<br />

115 g/m² (Innenteil) von Sappi Stockstadt GmbH, Obernburger<br />

Straße 1– 9, 63811 Stockstadt.<br />

www.sappi.com


38<br />

B u r k a r d Fleckenstein<br />

Edition<br />

Mu sikbiblio t hek<br />

Die Musikbibliothek <strong>Aschaffenburg</strong> wurde 1905 von Musikschuldirektor<br />

Hermann Kundigraber eingerichtet und 1909 der allgemeinen<br />

Nutzung übergeben. Sie gehört neben der Musikalischen Volksbibliothek<br />

in München (seit 1902) und der Musikbibliothek Frankfurt (seit<br />

1904) zu den ältesten öffentlichen Musikbibliotheken in Deutschland.<br />

1984 wurde die Musikbibliothek <strong>Aschaffenburg</strong> der Städtischen <strong>Musikschule</strong><br />

zugeordnet. Seit 1989 ist sie im Musikschulgebäude an der<br />

Kochstraße untergebracht.<br />

Der Bestand umfasst insgesamt rund 10.000 Bände. Neben Fachliteratur,<br />

Gesamtausgaben, pädagogischer Gebrauchsliteratur und Aufführungsmaterialien<br />

finden sich in der Bibliothek eine große Zahl von<br />

Frühdrucken und Handschriften von außerordentlicher Bedeutung.<br />

Allein 95 Titel sind vor 1810, dem Gründungsjahr der <strong>Musikschule</strong><br />

<strong>Aschaffenburg</strong>, erschienen und zumindest zum Teil mit dem letzten<br />

Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Carl von Dalberg (1744–1817) und<br />

dem Hofkapellmeister Johann Franz Xaver Sterkel (1750–1817) in Verbindung<br />

zu bringen.<br />

Den Musikschulkollegen Bernd Nonnweiler und Christoph Hornbach<br />

ist es zu verdanken, dass einzelne Werke aus dem beeindruckenden<br />

Bestand wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zum<br />

Jubiläumsjahr erscheinen zwei Hefte aus der Musikbibliothek <strong>Aschaffenburg</strong><br />

beim Verlag Ricordi in Neuausgaben. Es handelt sich um<br />

und<br />

Sechs Lieder von Matthison in Musik gesetzt von Sterkel<br />

und für die Guitarre eingerichtet von J. Rödel<br />

Six Romances pour le Piano Forte et Guitarre<br />

Paroles du Comte Alexandre de Tilly / Musique de<br />

Vincent Righini<br />

Die Reihe „Edition Musikbibliothek <strong>Aschaffenburg</strong>“ wird fortgesetzt.


39<br />

dition usikbibliothek schaffenburg<br />

herausgegeben von Christoph Hornbach und Bernd Nonnweiler<br />

1<br />

Johann F. X. Sterkel<br />

Sechs Lieder<br />

für Singstimme und Gitarre<br />

Gedichte von Friedrich von Matthisson<br />

Gitarreneinrichtung von Joseph Rödel<br />

Sy. 2901<br />

RICORDI<br />

dition usikbibliothek schaffenburg 2<br />

herausgegeben von Christoph Hornbach und Bernd Nonnweiler<br />

Vincenzo Righini<br />

Six Romances<br />

für Singstimme, Klavier und Gitarre<br />

Gedichte von Comte Alexandre de Tilly<br />

Sy. 2902<br />

RICORDI


40<br />

Sabine Br au n<br />

Ein Blick in die<br />

G ä s t ebücher<br />

der Mu sik s chule<br />

A s chaffenburg<br />

Hermann Kundigraber leitete die <strong>Aschaffenburg</strong>er <strong>Musikschule</strong> von<br />

1905 bis 1939. In den 34 Jahren seines Wirkens prägte er maßgeblich<br />

das <strong>Aschaffenburg</strong>er Musikleben. Max Reger, Paul Hindemith<br />

oder die Comedian Harmonists gaben auf Einladung Kundigrabers<br />

Konzerte in <strong>Aschaffenburg</strong>.<br />

Zeugnis von diesen Auftritten gibt das Gästebuch Kundigrabers, in<br />

dem sich die Künstler damals eingetragen haben. Erhalten ist leider<br />

nur noch eine Kopie. Diese entstammt dem Nachlass von Hermine<br />

Hinghofer-Szalkay, der Tochter Hermann Kundigrabers.<br />

Der älteste Eintrag in Kundigrabers Gästebuch stammt vom November<br />

1916, der jüngste ist mit dem Datum 1. November 1936 versehen.<br />

Mitunter kostet es Mühe, die handschriftlichen Widmungen zu<br />

entziffern. Auch die Tatsache, dass es sich um eine Kopie handelt,<br />

schränkt die Lesbarkeit mancher Einträge ein, da die Schriftfarbe<br />

verblasst ist. Dennoch ist dieses Gästebuch von außerordentlichem<br />

dokumentarischem Wert. Das Buch umfasst rund 90 Seiten, die Anzahl<br />

der Einträge liegt jedoch erheblich höher, da sich oft mehrere<br />

Einträge auf einer Seite finden und beinahe alle Blätter doppelseitig<br />

beschrieben sind.<br />

Aus dieser Vielzahl von Gästebucheinträgen, die 20 Jahre <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Konzertkultur dokumentieren, finden sich nachfolgend einige<br />

ausgewählte Beispiele.<br />

Nach der Übergabe des Musikschulgebäudes an der Kochstraße im<br />

Jahr 1989 wurde die Idee des Gästebuchs wieder aufgegriffen. Der<br />

erste Eintrag im neuen Gästebuch stammt von Kundigrabers Sohn<br />

Erolf. Sein Beitrag ist ebenfalls mit einigen weiteren Beispielen abgedruckt.


41<br />

Gästebuch der <strong>Musikschule</strong> von 1916–1936<br />

Titelblatt des Gästebuchs der<br />

<strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong> (1916–1936)<br />

Man nehme<br />

sich vor, mit Genuss in diesem Album<br />

zu blättern!<br />

Das empfiehlt<br />

Willy Harania


42<br />

Hans Pfitzner , Lily Ber anek, Adolf Rebner<br />

27.03.1919<br />

Am 27.03.1919 gibt Hans Pfitzner zusammen mit Lily Beranek (Gesang)<br />

und Adolf Rebner (Violine) einen „Hans Pfitzner-Abend“ in<br />

<strong>Aschaffenburg</strong>. Das Programm enthält Pfitzners c-Moll-Sonate für<br />

Violine und Klavier sowie die Lieder „Die Einsame“, „An die Bienen“<br />

und „Sonst“ (op. 15,4).<br />

Konzert.<br />

Hans Pfitzner-Abend.<br />

Ein Mann betritt das Podium, den man für einen Arzt, Dichter oder<br />

Hochschuldozenten gehalten hätte. Keine irgendwelche Erinnerung<br />

an Rubinstein, Liszt, ja nicht einmal D’Albert oder Busoni. – Ganz<br />

bürgerlich! Fern jeder Gebärde des Virtuosen, Geniales im Habitus<br />

mit schlichter Scham abgestreift. Es ist Hans Pfitzner, der deutsche<br />

Musiker.<br />

„<strong>Aschaffenburg</strong>er Anzeiger“ Nr. 73 vom 28.03.1919


Hans Erich Pfitzner (1869–1949) war<br />

ein bedeutender deutscher Komponist<br />

und Dirigent. Er gilt als Vertreter<br />

einer Generation, die aus der Spätromantik<br />

hervorging und die Musik in<br />

der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

entscheidend geprägt hat. Als<br />

Sohn eines Orchester-Violinisten erhielt<br />

Pfitzner früh Musikunterricht von<br />

seinem Vater. Bereits mit elf Jahren<br />

komponierte er erste Werke. 1884<br />

entstanden die ersten überlieferten<br />

Lieder. Von 1886 bis 1890 studierte<br />

Pfitzner am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt Komposition bei<br />

Iwan Knorr und Klavier bei James Kwast. Als Pfitzners bedeutendstes<br />

Werk gilt die Oper „Palestrina“, die 1917 im Münchner Prinzregententheater<br />

unter Bruno Walter uraufgeführt wurde. 1917 hat Pfitzner<br />

auch die Schrift „Futuristengefahr“ veröffentlicht, in der er sich gegen<br />

Ferruccio Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst aussprach.<br />

Einen abstrakten Fortschrittsbegriff in der Musik, der sinngemäß<br />

besagte, dass ein Werk umso höher zu bewerten wäre, je fortschrittlicher<br />

die eingesetzten Mittel seien, lehnte Pfitzner – wie auch<br />

Arnold Schönberg und Paul Hindemith – ab. In den Jahren 1919/1920<br />

war Pfitzner vorübergehend Dirigent der Münchner Philharmoniker.<br />

In diese Münchener Zeit fällt auch sein Konzert in <strong>Aschaffenburg</strong> am<br />

27.03.1919. 1920 wurde er Leiter einer Meisterklasse für Komposition<br />

an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. 1949 starb er<br />

auf einer Reise in Salzburg an einem Schlaganfall. Er wurde auf dem<br />

Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab beigesetzt.<br />

43


44<br />

Paul Hindemith<br />

18.01.1920<br />

Am 18. Januar 1920 findet im <strong>Aschaffenburg</strong>er Deutschhaussaal ein<br />

„Kompositionsabend zeitgenössischer Tonsetzer“ mit Werken von<br />

Fritz Ohrmann statt (siehe Programm S.47). Neben dem Komponisten<br />

selbst ist Paul Hindemith als Geiger beteiligt. Er verfasst auch den<br />

folgenden Gästebucheintrag.<br />

Ein Ohrmannschmaus.<br />

Einige schwerere Griffe aus der Ohrmann-Suite<br />

Schreckliches Ende eines Unschuldigen.<br />

„Bevohrmann“ (Bevor Ohrmann)<br />

Hindemith à la Suite<br />

Und trotzdem noch soweit überlebend, um diesen<br />

letzten Lebensgruss (dernier cri) einer glücklicheren<br />

Mit- und Nachwelt übermitteln zu können.<br />

Paul Ohrmith Hindemith<br />

(schon ganz versimpelt)<br />

<strong>Aschaffenburg</strong>, 18. Jan. 1920.


Sinn für Humor und Schabernack sowie eine gehörige Portion Selbstironie<br />

zeichneten Paul Hindemiths Charakter aus. So schrieb er spaßeshalber<br />

Stücke wie den Festmarsch „Das Grab ist meine Freude“<br />

und die „Musik für 6 Instrumente und einen Umwender", den „Gouda-<br />

Emmental-Marsch“ oder das „Lied mit großer Orchesterbegleitung<br />

im Stile Rich. Strauss' (Text aus einer Imkerzeitung)". Die noch erhaltenen<br />

Kompositionen „Minimax. Repertorium für Militärorchester“<br />

(1923) und die „Ouvertüre zum Fliegenden Holländer, wie sie eine<br />

schlechte Kurkapelle morgens um 7 am Brunnen vom Blatt spielt“<br />

(1925), beide für Streichquartett, geben ebenfalls einen Eindruck von<br />

Hindemiths musikalischem Humor.<br />

Des Weiteren lassen viele meist kleinformatige Abbildungen, die sich<br />

im Nachlass fanden, Hindemiths bemerkenswertes zeichnerisches<br />

Talent erkennen. Er malte sie zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten<br />

in Notenmanuskripte und Kalender, auf Servietten und Tischdecken,<br />

Briefumschläge, Notizzettel oder in Gästebücher. Meist zeigen<br />

sie fantasievolle Wesen in Tier- oder Menschengestalt.<br />

45


46<br />

Paul Hindemith (geboren 1895 in Hanau, gestorben 1963 in Frankfurt<br />

am Main) war Geiger, Bratscher und bedeutender Komponist des<br />

20. Jahrhunderts.<br />

Er studierte am Hoch'schen Konservatorium in Frankfurt am Main<br />

Violine und Komposition bei Adolf Rebner, Arnold Mendelssohn und<br />

Bernhard Sekles. Im Alter von zwanzig Jahren wurde er Konzertmeister<br />

des Frankfurter Opernorchesters. Nach dem Ersten Weltkrieg<br />

kehrte er nach Frankfurt zurück und spielte von 1922 bis 1929 Bratsche<br />

im von ihm gegründeten Amar Quartett. Ab 1923 war Hindemith<br />

Mitglied im Organisationsausschuss der Donaueschinger Musiktage.<br />

1927 wurde er als Professor für Komposition an die Berliner Hochschule<br />

für Musik berufen.<br />

Bereits Anfang der 1930er Jahre erreichte seine Karriere als Komponist<br />

einen ersten Höhepunkt. Nach der Machtergreifung durch die<br />

Nationalsozialisten wurden seine Werke jedoch als „kulturbolschewistisch“<br />

diffamiert und verschwanden von den Konzertprogrammen.<br />

1936 erhielten seine Arbeiten endgültig Aufführungsverbot in<br />

Deutschland, woraufhin Hindemith 1938 zunächst in die Schweiz<br />

emigrierte. Später übersiedelte er in die USA (1940) und nahm die<br />

amerikanische Staatsbürgerschaft an (1946). 1951 übernahm Hindemith<br />

einen Lehrauftrag in Zürich und ließ sich 1953 im Schweizerischen<br />

Blonay am Genfer See nieder. Paul Hindemith starb am 28.<br />

Dezember 1963 in Frankfurt am Main.


Programm Kompositionsabend Fritz Ohrmann<br />

47


48<br />

A m ar Quartet t<br />

18.01.1923<br />

18 / I. 1923<br />

Licco Amar<br />

Walter Caspar<br />

Paul Hindemith, zum 10. Male in Ascheberg<br />

(siehe schon einige Seiten vorher)<br />

XXX Cellist<br />

(Analphabet Mau Frank)<br />

für M. F.: Paulemith<br />

AMAR QUARTETT<br />

Lawieselche war auch da.<br />

Ist bloß mitgenommen worden!!


49<br />

Das Amar Quartett benannte sich nach Licco Amar, seinem ersten<br />

Geiger. Es war ein in Frankfurt ansässiges Streichquartett, das 1921<br />

gegründet und 1929 wieder aufgelöst wurde. Neben dem türkischen<br />

Geiger Licco Amar, gehörten dem Quartett Walter Kaspar (2.Violine),<br />

Paul Hindemith (Bratsche) und von 1921 bis 1922 dessen jüngerer<br />

Bruder Rudolf Hindemith (Violoncello) an. Ab 1922 übernahm Maurits<br />

Frank Rudolf Hindemiths Part.<br />

Das Amar Quartett entwickelte sich rasch zu einem der wichtigsten<br />

Quartette der Zwischenkriegszeit. Es machte sich vor allem um die<br />

zeitgenössische Musik verdient und trat häufig bei den Donaueschinger<br />

Musiktagen auf. Zahlreiche Werke der Neuen Musik wurden<br />

durch das Amar Quartett uraufgeführt.<br />

Theater und Musik<br />

Kammerkonzert. Im gutbesetzten<br />

Deutschhaussaal fand gestern als<br />

Veranstaltung der <strong>Aschaffenburg</strong>er<br />

Musikkultur ein Kammerkonzert,<br />

ausgeführt vom Hindemithquartett,<br />

statt. Den ersten Teil des<br />

Programms füllte Franz Schuberts<br />

Streichquartett in G-Dur op. 161<br />

aus. Die leichtbeschwingte, sonnige<br />

Komposition weht wie ein<br />

Hauch aus vergangener besserer Zeit zu uns herüber. Ungetrübte<br />

Fröhlichkeit und heitere Daseinsfreude, die uns Heutigen längst abhanden<br />

gekommen ist, durchleuchtet dieses Werk. Von den ausführenden<br />

Künstlern Licco Amar, Walter Kaspar, Paul Hindemith und<br />

Maurits Frank wurde Schubert in seiner romantischen Pracht restlos<br />

erschöpft. Das war ein Musizieren, das innerlich erwärmte und den<br />

grauen Alltag vergessen ließ. Paul Hindemiths Streichquartett verleugnete<br />

nicht, daß sein Schöpfer ein Heutiger ist. Er ringt nach dem<br />

neuen Ausdruck, aber er hat die Tradition nicht vergessen. Und so<br />

steht er zwischen zwei Welten als ein Ringender, bei dem viel Schönes<br />

mit Chaotischem gemischt ist. Auch diese Komposition wurde<br />

von den Ausführenden meisterhaft zum Vortrag gebracht. M. B.<br />

„<strong>Aschaffenburg</strong>er Anzeiger“ vom 19.01.1923


50<br />

Meininger L andesk apelle: Heinz Bongartz<br />

09.11.1927<br />

Am 9. November 1927 tritt die Meiniger Landeskapelle unter der<br />

Leitung von Heinz Bongartz im <strong>Aschaffenburg</strong>er „Frohsinnsaale“<br />

auf. Folgende Werke kommen zur Aufführung:<br />

Anton Bruckner: Symphonie Nr. 6, A-Dur<br />

W. A. Mozart: Symphonie concertante für Violine und Viola<br />

Max Reger: Variationen über ein Thema von Mozart op. 132<br />

(Der Meininger Hofkapelle gewidmet)<br />

(Anfang der Sinfonie Nr. 6, A-Dur von Anton Bruckner)<br />

Dem lieben Hr. Kundigraber<br />

zur frdl. Erinnerung<br />

an den 9./11.27<br />

Heinz Bongartz<br />

Kapellm. d. Meininger<br />

Landeskapelle


51<br />

Heinz Bongartz (1894–1978) war Dirigent, Pianist und Komponist. Er<br />

gehörte zu den namhaften deutschen Dirigenten seiner Generation.<br />

Nach dem Studium von 1908 bis 1914 am Konservatorium seiner Heimatstadt<br />

Krefeld sowie in Köln bei Fritz Steinbach (Dirigieren), Otto<br />

Neitzel (Komposition) und Elly Ney (Klavier) wurde Bongartz 1919<br />

Leiter der <strong>Musikschule</strong>, 1921 zugleich des Städtischen Chores sowie<br />

des Stadttheaters in Düren und 1923 Direktor des Stadttheaters<br />

Mönchengladbach. Neben Oskar Fried wirkte er im Berliner Blüthner-Orchester<br />

(1924–1926), wurde danach Leiter der Landeskapelle<br />

Meiningen. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs war die Meininger<br />

Landeskapelle im Besitz des Landes Thüringen und wurde zwischen<br />

den beiden Weltkriegen fünf Jahre lang von dem damals erst 32-jährigen<br />

Heinz Bongartz geführt. Am 9.11.1927 gab er mit der Meininger<br />

Landeskapelle das besagte Konzert im „großen Frohsinnsaale“ in<br />

<strong>Aschaffenburg</strong>.<br />

Nach weiteren Stationen in Gotha (1931–1933), Kassel und Saarbrücken<br />

(1937–1944), ging er nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als<br />

Chefdirigent an das Pfalzorchester Ludwigshafen. 1946/47 folgte er<br />

einer Berufung als Professor an die Musikhochschule Leipzig, wo<br />

unter anderem Kurt Masur zu seinen Schülern zählte. Im April 1947<br />

übernahm Bongartz die künstlerische Leitung der Dresdner Philharmonie,<br />

die er bis Juli 1964 innehatte. Bis ins hohe Alter wirkte Bongartz<br />

weiterhin als Gastdirigent im In- und Ausland. Konzertreisen<br />

führten ihn durch ganz Europa und nach Übersee. Der Künstler erhielt<br />

für sein verdienstvolles Wirken hohe staatliche Auszeichnungen der<br />

DDR (u. a. 1950 den Nationalpreis). Zahlreiche Aufnahmen haben seine<br />

Interpretationskunst bewahrt.<br />

Nach:<br />

Dieter Härtwig, Bongartz, Heinz in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für<br />

Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bearb. von Martina Schattkowsky,<br />

Online-Ausgabe: http://www.isgv.de/saebi/ (Download vom 14.12.2009)


52<br />

Comedian Har monists<br />

22.05.1932<br />

Nicht Flötenbläser, Celloschaber<br />

War’n heut beim Herrn Kundigraber<br />

Nein es waren, daß Ihr’s wißt’s<br />

Die Comedian Harmonists<br />

Ari Leschnikoff<br />

Erwin Bootz<br />

Erich Collin<br />

Harry Frommermann<br />

Robert Biberti<br />

Roman Cycowski<br />

22. V. 1932<br />

Comedian Harmonists 1930<br />

Ari Leschnikoff (1897–1978), 1. Tenor<br />

Erich A. Collin (1899–1961), 2. Tenor<br />

Harry Frommermann (1906–1975), 3. Tenor<br />

Roman Cycowski (1901–1998), Bariton<br />

Robert Biberti (1902–1985), Bass<br />

Erwin Bootz (1907–1982), Pianist


53<br />

Zur Zeit ihres <strong>Aschaffenburg</strong>er Konzerts am 22.05.1932 befinden sich<br />

die Comedian Harmonists auf dem Höhepunkt ihrer künstlerischen<br />

Karriere. Die Welle des Erfolgs ist seit Ende der 1920er Jahre stets<br />

gestiegen und 1932 braucht es keine Werbung mehr, um Besucher<br />

in die Konzerte der Comedian Harmonists zu locken, jedes Kind in<br />

Deutschland kennt die Truppe um Harry Frommermann und ihre Interpretationen<br />

deutscher Schlager und Volkslieder.<br />

Gastspiel der<br />

Comedian Harmonists<br />

Trotz der sommerlichen Hitze erfreute<br />

sich die Veranstaltung am<br />

Samstag abend im großen Frohsinnsaale<br />

eines außerordentlich guten<br />

Besuches. Man muß zugeben,<br />

daß die Comedian Harmonists den<br />

guten Ruf, der ihnen vorausgeht, bestätigen,<br />

ja sogar übertreffen. Diese<br />

fünf Sänger sind stimmlich bis ins<br />

kleinste aufeinander eingestellt. Sie<br />

erzielen bisweilen die instrumentale<br />

Wirkung eines klanglich restlos ausgeglichenen<br />

Streichquartetts, bei dem die einzelnen Stimmen ganz<br />

ineinander aufgehen. Der erste Tenor hat eine geradezu phänomenale<br />

Leichtigkeit und Beschwingtheit in der Tongebung und Reinheit<br />

des Tones, die unbedingt zuverlässig ist. Auch in <strong>Aschaffenburg</strong> war<br />

dieser Truppe ein beispielloser Erfolg beschieden. Das Programm<br />

selbst entbehrt, abgesehen von einzelnen Nummern, des künstlerischen<br />

Niveaus. Es sind viel Schlager dabei, die man sicher nicht<br />

hören könnte, wenn sie nicht in einer so fabelhaft gekonnten Weise<br />

dargeboten würden. Die Vortragskunst ist hier das Entscheidende.<br />

Die fünf Künstler im Verein mit dem musikalischen Begleiter verschwenden<br />

aber ihr großes Können nicht nur an Minderwertigkeiten.<br />

Sie pflegen auch – und das sei ihnen besonders gedankt – das deutsche<br />

Volkslied. Das „Heideröschen“ und „In einem kühlen Grunde“<br />

wurden so ideal von diesem Quintett gesungen, daß man eine reine<br />

Freude an diesen Darbietungen haben konnte. Die zahlreiche Zuhörerschaft<br />

erzwang sich durch tobenden Beifall immer wieder neue<br />

Zugaben, die von der Truppe auch bereitwilligst gespendet wurden.<br />

M. B.<br />

„<strong>Aschaffenburg</strong>er Anzeiger“ vom 23.05.1932


54<br />

Gästebuch der <strong>Musikschule</strong> <strong>Aschaffenburg</strong><br />

ab 1991<br />

Erich Wolf Kundigr aber<br />

02.10.1991<br />

Der erste Eintrag im neuen Gästebuch der <strong>Musikschule</strong> stammt von<br />

einem Mitglied der Familie Kundigraber, nämlich von Erich Wolf (Erolf)<br />

Kundigraber, dem Sohn Hermann Kundigrabers, der 83-jährig kurz<br />

vor seinem Tod noch einmal die <strong>Musikschule</strong> besuchte.<br />

Am 2.X.91 war ich nach längerer Zeit wieder<br />

einmal in meinem lieben <strong>Aschaffenburg</strong> gewesen<br />

um ein hochqualifiziertes Schülerkonzert<br />

in der neuen <strong>Musikschule</strong> mitzuerleben.<br />

So haben wir auch die Freude gehabt, den<br />

so sehr liebenswürdigen Leiter, Herrn Burkard<br />

Fleckenstein kennen zu lernen.<br />

Von den Darbietungen der trotz früher Jugend<br />

sehr begabten und musikalisches Können<br />

zeigenden werdenden Künstlern waren<br />

wir hochbeglückt. So wäre ich sehr froh,<br />

wenn es nicht für mich das erste und<br />

letzte Erlebnis in diesem Musenhaus<br />

gewesen sein sollte!<br />

Mit liebem Dank verabschiede ich mich<br />

von Herrn B. Fleckenstein und wünsche<br />

ihm allerherzlichst viel Freude und<br />

weitere Erfolge in und mit seinem<br />

Kulturinstitut.<br />

Mein Vater Hermann Kundigraber<br />

war von 1905 bis 1938 Leiter der<br />

hiesigen <strong>Musikschule</strong>, wo auch ich<br />

im Alter von 9 Jahren das Cellospielen<br />

bei dem damaligen Lehrer Seifert<br />

gelernt habe.<br />

Ich stelle mich dem Leser dieser Zeilen vor:<br />

Dr. Erich Kundigraber – Augenfacharzt.<br />

Im Jahre 1938 habe ich in Klagenfurt<br />

eine zweite Heimat gefunden<br />

Geb. am 20. X. 08 zu <strong>Aschaffenburg</strong><br />

Liebe Grüße an den Leser. Dr. Erich Kundigraber


56<br />

John Perry<br />

12.01.1998<br />

Der ehemalige Musikschullehrer Joachim Reinhuber war Schüler des<br />

amerikanischen Pianisten John Perry. Auf Reinhubers Veranlassung<br />

hin kam Perry zweimal nach <strong>Aschaffenburg</strong> zu Meisterkursen mit<br />

Lehrkräften und fortgeschrittenen Schülern.<br />

Jan. 12, 1998<br />

Dear friends,<br />

This second time in <strong>Aschaffenburg</strong> I am<br />

again so very happy to be here. The atmosphere<br />

of the music school and it’s faculty is extremely<br />

friendly and the level of playing is inspiring. I thank<br />

you for your kindness, and your generous<br />

hospitality.<br />

Very sincerely,<br />

John Perry<br />

(Los Angeles<br />

U. S. A.)


John Perry, amerikanischer Pianist und Musikpädagoge, studierte<br />

Klavier an der Eastman School of Music in Rochester, New York /<br />

USA bei Cecile Genhart und nahm gleichzeitig Unterricht bei Frank<br />

Mannheimer. Dank eines Stipendiums studierte er vier weitere Jahre<br />

in Europa, unter anderem in Wien bei Wladyslav Kedra und in Rom<br />

bei Carlo Zecchi.<br />

John Perry hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, unter anderem<br />

erste Preise bei den Internationalen Busoni- und Viotti-Klavierwettbewerben<br />

in Italien, sowie beim Internationalen Marguerite Long Klavierwettbewerb<br />

in Paris.<br />

Als Kammermusikpartner hat er mit den größten Instrumentalisten<br />

der Welt zusammengearbeitet und zahlreiche Konzerttourneen durch<br />

ganz Europa und Nordamerika gemacht. Gleichzeitig hält er weltweit<br />

Meisterkurse, wodurch er sich auch einen hervorragenden Ruf als<br />

Pädagoge erworben hat. Deshalb ist John Perry häufig Jury-Mitglied<br />

bei internationalen Klavierwettbewerben.<br />

John Perry ist Professor und Gastdozent für das Fach Klavier an verschiedenen<br />

Universitäten in den USA und in Kanada, sowie in Italien.<br />

In den Sommermonaten tritt er zudem als Künstler und auch als<br />

Gastdozent bei vielen Musikfestivals rund um den Globus auf.<br />

57


58<br />

David Russell<br />

1998<br />

Seit vielen Jahren ist David Russell regelmäßig im Rahmen der „Gitarrentage“<br />

zu Gast im Konzertsaal der <strong>Musikschule</strong>. Dort gibt er meist<br />

nicht nur ein Konzert, sondern hält auch einen mehrtägigen Gitarrenworkshop<br />

ab, der Teilnehmer sogar aus dem europäischen Ausland<br />

nach <strong>Aschaffenburg</strong> kommen lässt. Im Jahr 1998 veranlasst ihn sein<br />

Besuch zu diesem Eintrag ins Gästebuch.<br />

Dear All<br />

I have enjoyed working<br />

in this beautiful music hall.<br />

The acoustic is perfect for<br />

the guitar. I wish you<br />

all lots of success<br />

with the future.<br />

All the best<br />

David Russell<br />

1998


David Russell gehört zur Weltklasse der klassischen Gitarristen. Er<br />

wurde 1953 in Glasgow geboren und verbrachte den größten Teil<br />

seiner Kindheit auf der spanischen Mittelmeerinsel Menorca. Heute<br />

lebt er in Vigo/Nordspanien.<br />

Bereits während seines Studiums am Royal Conservatory in London<br />

gewann David Russell zahlreiche Preise und erhielt ein Stipendium.<br />

Später wurde er erster Preisträger beim Segovia-Wettbewerb, gewann<br />

den José-Ramirez-Wettbewerb und Spaniens prestigeträchtigen<br />

Fráncisco-Tarrega-Wettbewerb.<br />

Komponisten wie Guido Santórsola, Jorge Morel, Francis Kleynjans,<br />

Carlo Domeniconi und Sérgio Assad widmeten ihm eigene Werke. In<br />

Anerkennung seines großen Talents und seiner internationalen Karriere<br />

wurde David Russell 1997 in London mit dem Titel „Fellow of the<br />

Royal Academy of Music“ ausgezeichnet.<br />

Im Jahr 2005 wurde ihm der Grammy Award in der Kategorie „Best<br />

Instrumental Soloist Performance without Orchestra“ für seine CD<br />

„Aire Latino“ verliehen.<br />

59


60<br />

Steven Isserlis<br />

01.08.1999<br />

Diesen Gruß schreibt der Cellist Steven Isserlis anlässlich seines Meisterkurses<br />

im Rahmen der „<strong>Aschaffenburg</strong>er Bachtage“ 1999 in das<br />

Gästebuch.<br />

To the <strong>Aschaffenburg</strong> Bachtage –<br />

Many thanks for all<br />

the wonderful hospitality<br />

I have received here!<br />

And for the special atmosphere<br />

at the classes and concerts –<br />

a great Festival to visit.<br />

All best wishes / fishes<br />

from<br />

Steven Isserlis<br />

1/8/99

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