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Pionierjahre der kolonialen Telegrafie-Verbindungen, S - Golf Dornseif

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<strong>Pionierjahre</strong> <strong>der</strong> <strong>kolonialen</strong> <strong>Telegrafie</strong>-<strong>Verbindungen</strong><br />

Schon 1911 funkte es zwischen Nauen und Togo<br />

von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />

Wenn um die Jahrhun<strong>der</strong>twende telegrafiert werden sollte, musste zunächst ein Heizer den Kessel einer<br />

Dampfmaschine mit zugehörigem Wechselstrom-Generator zum Kochen bringen, und die per Knallfunken<br />

erzeugten Morse-Signale hatten anfangs keine grössere Reichweite als das unfreiwillige "Feuerwerk" mit<br />

seinem infernalischen Getöse. Trotzdem konnten bereits 1911 die 5.000 Kilometer von <strong>der</strong><br />

Reichshauptstadt gelegenen deutschen Kolonien Kamerun und Togo drahtlos angesprochen werden. Und<br />

1913 schickte Hans Bredow, <strong>der</strong> Telefunken-Direktor und verdiente Staatssekretär unseres<br />

Reichspostministeriums, ab Nauen bei Potsdam das erste Telegramm in die Vereinigten Staaten von<br />

Amerika über den Äther.<br />

Angefangen hat alles 1906 mit dem Aufbau einer Versuchsstation <strong>der</strong> "Gesellschaft für drahtlose<br />

Telegraphie" (TELEFUNKEN) im havelländischen Luch, ungefähr vier Kilometer von <strong>der</strong> Bahnstation<br />

Nauen, wo <strong>der</strong> Fideikommißbesitzer (Landeigentümer) Stoltze auf Gut Neukommer gegen geringe Pacht<br />

ausreichend Wiesen zur Verfügung stellte, weil er den Fortschritt <strong>der</strong> Technik unterstützen wollte,<br />

immerhin rund 40.000 Quadratmeter.<br />

Drei Entwicklungsphasen gilt es danach zu unterscheiden: Von 1906 bis 1909 entstand eine <strong>Telegrafie</strong>-<br />

Anlage nach dem sogenannten Knallfunken-System mit etwa 10 KW Antennenleistung. Bis 1911<br />

entwickelte man eine bessere Einrichtung nach dem tönenden Löschfunken-System. 1911 bis 1916 kam<br />

schliesslich eine Anlage nach dem tönenden Löschfunken-System mit 80 und 100 KW Antennenleistung<br />

zustande sowie ein Hochfrequenz-Maschinensystem mit 100 KW Antennenleistung.<br />

Dies ist keine Schreinerwerkstatt, son<strong>der</strong>n die Knallfunken-Anlage des Sen<strong>der</strong>s<br />

Nauen während <strong>der</strong><strong>Pionierjahre</strong> vor dem Ersten Weltkrieg. Man hörte es damals<br />

kilometerweit rund um das Dorf Nauen täglich knallen wie im Truppen-Manöver.


Das Zeitalter des Knallfunkens<br />

Die Telefunken-<br />

Zeitung berichtete<br />

ausführlich über alle<br />

Fortschritte, die <strong>der</strong><br />

grossen Funkstation<br />

Nauen zugute kamen<br />

sowie dem Funk in<br />

den Kolonien.<br />

Mit heftigem Geknall sprangen damals faustdicke Funken zwischen den mächtigen Zinkfunkentellern <strong>der</strong><br />

Sen<strong>der</strong> über. Im Takt <strong>der</strong> Morse-Zeichen war <strong>der</strong> Funken-Übergang für den Wan<strong>der</strong>er vor den Toren<br />

Berlins über weite Strecken hörbar. Der Antennenträger für die Schirmantenne bestand aus einem 100<br />

Meter hohen Eisengittermast mit klobigen Dimensionen. Unten war ein zweigeschossiges kleines<br />

Fachwerkhaus, das noch immer schmuck anzuschauen ist. Hinter den Mauern verbarg sich eine 35 PS<br />

starke Lokomobile ( fahrbare Dampfmaschine), gekoppelt mit einem Wechselstrom-Generator von 50 KW<br />

Leistung bei 500 Volt Spannung und 75 Perioden (Riemen-Antrieb).<br />

Ergänzende technische Einrichtungen und verbesserte Antennen-Systeme mit Hilfsmasten führten zu<br />

überraschenden Ergebnissen bei vielen dieser Reichweiten-Versuche. Mit Unterstützung des speziell<br />

ausgerüsteten Frachtdampfers BOSNIA liessen sich funktechnisch Distanzen bis zu 5000 km<br />

überbrücken und Togo rückte plötzlich ins Rampenlicht. Am 12. Juni 1913 gelang es versuchsweise über


mehrere Tage mit <strong>der</strong> kleinen Hochfrequenz-Maschine Telegramme bis nach Sayville bei New York zu<br />

übertragen auf 6400 km Entfernung!<br />

Unterdessen ergaben sich für die deutsche koloniale Funkpolitik zwei Aufgaben: Man wollte mit kleineren<br />

Funkstationen lebhaften Nachrichtenverkehr innerhalb <strong>der</strong> einzelnen Schutzgebiete herstellen und zwar<br />

immer dort, wo ein Drahtverkehr aus wirtschaftlichen o<strong>der</strong> geografischen Rücksichten unvorteilhaft<br />

erschien. Zweitens sollten einige Grossfunkstellen eingerichtet werden, um die Kolonien und<br />

Schutzgebiete sowohl untereinan<strong>der</strong> als auch mit dem Reichsgebiet zu verknüpfen.<br />

Erste Erfahrungen sammelten Techniker bei <strong>der</strong> Küstenfunkstelle Tsingtau (Pachtgebiet Kiautschou) in<br />

China, überdies zwischen den beiden Palau-Inseln Jap und Angaur in <strong>der</strong> Südsee. Fahrbare<br />

Militärfunkstationen wurden auch in Kamerun erprobt. Es hingen im übrigen die tropischen Regionen sehr<br />

stark von atmosphärischen Störungen ab, sodass sich ein halbwegs zuverlässiger Funk-Kontakt nur an<br />

wenigen Tagen ermöglichen liess mit erheblichen Einschränkungen. Immerhin hatte die Station Tsingtau<br />

um 1911 zeitweise eine Reichweite von 3600 km während <strong>der</strong> Nachtstunden, tagsüber nur 990 km. Vor<br />

allem den deutschen Kriegsschiffen kam Tsingtau zugute. Zeitsignale, Wetter-Telegramme, Taifun-<br />

Warnungen und eilbedürftige Nachrichten wurden beför<strong>der</strong>t, was sich für die deutschen Handelsschiffe<br />

als sehr willkommen erwies beim Mithören.<br />

Sen<strong>der</strong>aum <strong>der</strong> Funkstelle<br />

Muansa in Deutsch-Ostafrika, die<br />

im Krieg wertvolle Dienste leistete<br />

und sich lange bewährte. Der<br />

Betrieb lief ab März 1911.<br />

Die Deutsche Südsee-Phosphat AG in Bremen erhielt 1909 vom Reichspostamt einen Exklusiv-Vertrag<br />

zur Errichtung von zwei Funkstationen zwischen den Karolinen-Inseln Jap und Angaur mit 500 km<br />

Entfernung, wo man grosse Phosphatvorkommen abbaute, Laufzeit 40 Jahre. Ein zweizylindrischer<br />

Benzinmotor mit 10 PS, eine Gleichstrom-Dynamo-Maschine von 110 bis 150 Volt bei 50 Ampère sowie<br />

eine Sammler-Batterie von 60 Zellen und 135 Amp.-Stunden zählten zur Grundausstattung. Tsingtau war<br />

3650 km von Jap gelegen und viel zu weit für eine Kommunikation.<br />

Zur gleichen Zeit um 1907 und 1908 bemühte sich die Schutztruppe in Kamerun versuchsweise um den<br />

Betrieb fahrbarer Militärfunkstellen mit Verwendung von Fesselballons als Antennenträger. Heftige<br />

atmosphärische Störungen während <strong>der</strong> Tornado-Jahreszeit verhin<strong>der</strong>ten greifbare Erfolge. Durch die<br />

intensive Helligkeit <strong>der</strong> Tropensonne kamen weitere Erschwernisse zustande.<br />

Der rege Handels- und Schiffsverkehr auf dem Viktoria See regte 1908 an, den Endpunkt <strong>der</strong> Zentral-<br />

Telegrafen-Linie Muansa (Draht) durch Funkstationen auszufächern. Muansa und Bukoba dienten ab 20.<br />

März 1911 als reichseigene Funkstellen, verwaltet von Postfachleuten. Dies ermöglichte den Anschluss<br />

an das Welt-Telegrafennetz über Daressalam. Die Baukosten betrugen 240.000 Reichsmark, während


eine oberirdische Drahtverbindung rund 500.000 Mark Aufwand erfor<strong>der</strong>t hätte. 60 Buchstaben je Minute<br />

galt als Standard-Leistung bei den Übertragungen von Texten. Die Reichstelegrafenverwaltung<br />

verpflichtete sich dazu, dass "an acht aufeinan<strong>der</strong> folgenden Tagen je 2000 Wörter (1000 Wörter in je<strong>der</strong><br />

Richtung) tagsüber gut und fehlerfrei aufgenommen werden sollten ..."<br />

Weil die Funkeinrichtungen tropenfest sein mussten, achtete man bei ihrer Herstellung in Deutschland auf<br />

Verkupferung und Lacküberzug <strong>der</strong> Eisen- und Stahlteile, naturfarbene Lackierung und Festlegung <strong>der</strong><br />

Holzteile durch solide Verschraubungen . Nicht paraffinierter und mit Emaille imprägnierter Seidendraht<br />

war Vorschrift, ebenfalls Schellacküberzug sämtlicher Drahtzuführungen usw. Sendeturm-Bauten<br />

mussten erdbebensicher konstruiert werden, auch Fundamente für Maschinen. Schwere Gewitter mit<br />

Peitschenknall-Geräuschen zehrten wochenlang an den Nerven des Personals, vor allem im August und<br />

September 1912.<br />

Wirtschaftlich betrachtet gab es folgende Einnahmen zu verzeichnen zwischen April und Juni 1914:<br />

Station Muansa 843,81 Mark für Telegramme, 411,26 Mark Landtelegrafengebühren (Muansa -<br />

Daressalam). Insgesamt beför<strong>der</strong>te man in diesem Quartal 16.868 Wörter trotz vielfältiger Komplikationen<br />

unter schwierigen Bedingungen.<br />

Südwestafrika in Spitzenposition<br />

Nach militärischen Funkerfahrungen während des Herero-Aufstands im Rahmen <strong>der</strong> Schutztruppe fanden<br />

1910 Versuche zwischen den Bordfunkstellen von Schiffen statt, die auf <strong>der</strong> Reede von Swakopmund<br />

ankerten, und einer Funkstation <strong>der</strong> Truppe rund 150 km landeinwärts. Da die Tests zufriedenstellend<br />

verliefen, errichtete das Militär auf dem ehemaligen Wasserturm des Bahnhofs Swakopmund eine feste<br />

Landfunkstelle mit einer Reichweite von 250 km, einer Antennenleistung von 0,8 KW und einer 26 Meter<br />

hohen Antenne. Diese Anlage verkehrte mit den bei Usakos und Karibib aufgestellten fahrbaren<br />

Militärfunkstellen, also 150 bis 200 km weit, sowie mit deutschen Schiffen.<br />

Durban (Südafrika) war deutlich zu hören. 1911 wurden 40 Telegramme beför<strong>der</strong>t mit 423 Wörtern. Die<br />

Küstengebühr kostete 30 Pfennige je Wort, mindestens drei Mark für ein Telegramm, eine Bordgebühr 35<br />

Pfennige je Wort, mindestens 3.50 Mark. Zehn Pfennige je Wort zahlten Kunden für Draht-Telegramme<br />

innerhalb Südwestafrikas, zumindest eine Mark je Telegramm. Gleicher Tarif für Funktelegramme nach<br />

Swakopmund.<br />

Die zivile Funkstelle Swakopmund begann am 4. Februar 1912 zu arbeiten, ihr Pendant in Lü<strong>der</strong>itzbucht<br />

am 3.Juni 1912, errichtet von <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH. Nachts schaffte<br />

Swakopmund in <strong>der</strong> Regel Entfernungen von 2200 km, ab und zu sogar 3600 km im Kontakt mit Schiffen.<br />

Einseitiger Verkehr mit Schiffen war bis 3800 km möglich. Die Funkverbindung mit Kapstadt klappte<br />

ausgezeichnet in beiden Richtungen über 1190 km. Probleme gab es aber mit Französisch-Kongo und<br />

Belgisch-Kongo, weil dort eine schwächere Technik arbeitete.<br />

Unterdessen machten die deutschen Telegrafisten in Duala (DOA) die verblüffende Erfahrung, dass nach<br />

einigen Tagen starken Regens idealer Funkverkehr herrschte, während bei starkem Mondschein die<br />

Störungen zunahmen, vor allem nachmittags beim Übergang von <strong>der</strong> Trockenzeit zur Regenzeit. Der<br />

Funkverkehr zwischen Swakopmund und Lü<strong>der</strong>itzbucht war ohne grosse Mühe in Deutsch-Ostafrika von<br />

<strong>der</strong> Küstenstation Duala zu verfolgen (August und September 1912).<br />

Grosse Pläne für Togo<br />

Zu den fertig gestellten Grossfunkstellen vor dem Ersten Weltkrieg zählten (neben <strong>der</strong> Zentrale Nauen bei<br />

Berlin) Kamina bei Lome (Togo), Windhoek (DSWA) sowie Jap, Rabaul, Nauru (Südsee) und Apia<br />

(Samoa). Im Planungsstadium befand sich als grössere Station Tabora (DOA). Im Haushalt des<br />

Reichstags für 1912 wurden für eine Küstenfunkstelle in Togo 161.000 Mark eingestellt, allerdings später


an<strong>der</strong>s ausgegeben, weil plötzlich die Südsee-Region wichtiger erschien. Am 11. Mai 1914 konnte jedoch<br />

<strong>der</strong> Dienstbetrieb aufgenommen werden.<br />

Bis zu dieser Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg war ein regelmässiger und störungsfreier<br />

Nachrichtenaustausch zwischen dem Deutschen Reich und seinen Kolonien und Schutzgebieten<br />

praktisch nur durch Nutzung von Kabelverbindungen ausländischer (meist britischer und französischer)<br />

Gesellschaften realisierbar. Sollte es zu militärischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen früher o<strong>der</strong> später kommen,<br />

durften Frankreich und Grossbritannien in erster Linie als Feindmächte in Frage kommen, während man<br />

beispielsweise mit <strong>der</strong> Neutralität Belgiens, Portugals, Spaniens und <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande kalkulierte, was sich<br />

zum Teil dann als trügerisch erwies (Belgisch-Kongo, Mocambique).<br />

Blick in den Turbinenraum <strong>der</strong> Grossfunkstelle Kamina in Togo mit vorbildlicher<br />

technischer Ausstattung wie diese Aufnahme beweist. Allerdings konnte sich Togo<br />

nach Kriegsausbruch nicht lange halten.<br />

Der Togo-Funkstützpunkt von erheblicher Bedeutung hiess Kamina bei Atakpame nahe <strong>der</strong><br />

Hinterlandbahnstrecke. Die Empfangsantenne bestand aus drei Türmen (jeweils 75 Meter hoch) und<br />

einem Turm von 120 Meter Höhe in kombinierter Aufstellung. In <strong>der</strong> Nacht zum 1. April 1914 sendete man<br />

erstmals in einer Versuchsanordnung. Nauen empfing die Zeichen mit einer Lautstärke von unter einem<br />

Ohm bei Verwendung <strong>der</strong> dreifachen Verstärkung. Konzessionär wurde jetzt die Gesellschaft für drahtlose<br />

Telegraphie mbH ab 12. Juni 1913 für die Funkstrecken zwischen Deutschland und Togo einerseits sowie<br />

Togo und Südwestafrika an<strong>der</strong>erseits über 20 Jahre Laufzeit. Damit verbunden war die Verpflichtung,<br />

zusätzlich die Grossfunkstelle Nauen bei Potsdam wesentlich technisch aufzurüsten. Eine Betriebszeit<br />

von täglich (mindestens) vier Stunden musste garantiert werden.<br />

Bei längerer Betriebsruhe wegen atmosphärischer Störungen (höhere Gewalt) drohte eine Kürzung <strong>der</strong><br />

Reichsbeihilfe (Subvention). Hier ging es um 600.000 Mark für Togo und 450.000 Mark in Windhoek<br />

(DSWA). Schliesslich for<strong>der</strong>te das Deutsche Reich später alle Anlagen käuflich erwerben zu dürfen. Die<br />

Jahresvergütung des Reichs für den Service zwischen Nauen und Togo betrug 112.000 Mark zugunsten<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft. 75 Prozent <strong>der</strong> Telegramm-Einnahmen mussten an den Staat abgeführt werden.<br />

Regierungstelegramme erhielten 50 Prozent Rabatt.


Technische Daten zur Großstation Nauen<br />

1906 bis 1909 Knallfunken-System mit 10 KW Antennenleistung, 100 m hoher Sendemast,<br />

Reichweite 3600 km.<br />

1909 bis 1911 Umbau zu einer tönenden Funkanlage und Steigerung <strong>der</strong> Antennenleistung<br />

auf 35 KW mit Reichweiten bis 5000 km.<br />

1911 bis 1916 Verlängerung des 100 m hohen Mastes auf 200 m sowie Verstärkung des<br />

tönenden Löschfunken-Sen<strong>der</strong>s auf eine 80 bis 100 KW Antennenleistung.<br />

Einrichtung <strong>der</strong> ersten Hochfrequenz-Maschine mit ungefähr 100 KW<br />

Antennenleistung.<br />

Zusammensturz des 200 m hohen Mastes im Frühjahr 1912 und Ersatz durch<br />

einen 260 m hohen Mast. Umwandlung <strong>der</strong> bisherigen Schirmantenne in eine<br />

L-förmige Antenne. Erste Kontakte mit Stationen in Afrika (Kolonien) und USA<br />

sowie in an<strong>der</strong>en Erdteilen (neutrale Län<strong>der</strong>).<br />

1916 bis 1920 Der tönende Löschfunkensen<strong>der</strong> verliert allmählich seine Bedeutung. Ersatz in<br />

Europa durch einen neuen Hochfrequenzmaschine–Sen<strong>der</strong> mit 130 KW<br />

Antennenleistung und für Übersee einen ähnlichen Sen<strong>der</strong> mit 400 KW<br />

Antennenleistung. Theorie: Jetzt sind alle Punkte <strong>der</strong> Erde durch Funk<br />

erreichbar geworden!<br />

Sende-Anlagen Der tönende Funksen<strong>der</strong> gab 1920 nur noch das Zeitsignal ab (ein Uhr und 13<br />

Uhr MEZ) und war technisch überholt. Von <strong>der</strong> Spannung 75.000 Volt werden<br />

über den Transformator die Ölkondensatoren gespeist, die sich über die<br />

luftgekühlten Serienfunkenstrecken und die im Stosskreis befindliche Spule<br />

entladen. In Schränken angebrachte Variometer gestatten die Abstimmung auf<br />

die Wellenlängen 3900 und 5500 m.<br />

Die getasteten Morsezeichen geben einen sehr reinen musikalischen Ton,<br />

scharf abgehoben von atmosphärischen Störungen.<br />

Antennen-<br />

Anlagen<br />

Nauen besitzt 1920 zwei Antennen-Anlagen: Die B-Antenne ist nach Westen<br />

gerichtet für den europäischen Verkehr. Die an<strong>der</strong>e verläuft dazu senkrecht als<br />

A-Antenne und dient dem Verkehr mit Übersee. Die Gesamtlänge <strong>der</strong><br />

Antennen-Anlage beträgt 2500 m. Bei einem Zug in jedem Antennendraht von<br />

225 Kilogramm beträgt die Bruchfestigkeit <strong>der</strong> verwendeten Bronzelitze etwa<br />

1500 Kilogramm.<br />

Masten-Anlagen Je<strong>der</strong> <strong>der</strong> beiden 260 m Maste hat ein Eigengewicht von 360 Tonnen, also 1,4<br />

kg je Millimeter Höhe und drückt ihn wegen des Zuges <strong>der</strong> Halteseile auf sein<br />

Fundament mit einem vermehrten Gewicht von 800 Tonnen. Der ganze Mast<br />

steht auf einem mit einem Kugelgelenk versehenen T-Verteilungsträger. Dieser<br />

Träger ruht auf 24 Säulen von je vier aufeinan<strong>der</strong> gestellten Porzellankörpern<br />

zur Isolierung <strong>der</strong> Eisenmasse des Mastes von <strong>der</strong> Erde.<br />

Erdungs-<br />

Anlagen<br />

Als Erdungsanlage dient in Nauen ein System von ausgespannten und<br />

eingegrabenen Drähten (über dem Boden zum Teil) sowie Platten. So besteht<br />

die zur A-Antenne gehörige Erdung aus sternförmig verlegten, in den Boden<br />

eingepflügten Strahlen aus Eisendraht von 200 m Länge. Ferner liegen als<br />

Projektion unter <strong>der</strong> A-Antenne 20 Drähte aus Bronze von 660 m Länge vom<br />

Gebäude aus nach Norden und nach Süden mit einer am Ende eines jeden<br />

Drahtes in das Grundwasser versenkten Eisenplatte.


Das Wun<strong>der</strong> von Windhoek<br />

Die Grossfunkstelle Apia<br />

auf Deutsch-Samoa war<br />

bei Ausbruch des Ersten<br />

Weltkriegs noch nicht<br />

komplett eingerichtet,<br />

wurde von Technikern zum<br />

Teil eilig demontiert beim<br />

Einzug <strong>der</strong> Neuseelän<strong>der</strong><br />

und später durch die<br />

Besatzungsmacht genutzt.<br />

In <strong>der</strong> Nacht zum 7. Juni 1911 glückte zum ersten Mal fünf Minuten lang eine Aufnahme <strong>der</strong><br />

Sendezeichen von Nauen und zwar mit Hilfe eines Fesselballons von 10 Kubikmeter Volumen, <strong>der</strong> nach<br />

Einsturz <strong>der</strong> Türme als Antennenträger diente und sich 150 Meter über dem Boden befand, während <strong>der</strong><br />

Empfangsdraht 300 Meter lang war. Das Rechnungsjahr 1913 sah eine Grossfunkstelle in Windhoek vor,<br />

durch die <strong>der</strong> Kriegsausbruch einen Strich machte (nach Planungen ab Oktober 1912). Die geografische<br />

Lage schien ideal mit 1700 Meter Höhe über dem Meeresspiegel, und ab Frühjahr 1914 herrschten gute<br />

Empfangsbedingungen, vorwiegend zwischen drei und fünf Uhr nachts (ohne Verstärkung) für<br />

Telegramme aus Nauen. Umgekehrt hatte Nauen kaum eine Möglichkeit, zuverlässige Zeichen aus<br />

Windhoek zu registrieren wegen <strong>der</strong> unüberwindbaren atmosphärischen Störungen.<br />

Fortschritte in den Südsee-Schutzgebieten<br />

1906 beantragte die Jaluit-Gesellschaft in Hamburg, <strong>der</strong> mit ihr verbundenen Phosphate Pacific Company<br />

Limited (London) den Betrieb einer Funkstation auf <strong>der</strong> Insel Nauru zu genehmigen. Die deutsche Firma<br />

hatte vom Reichskanzler Bismarck eine Konzession erhalten zum Abbau von Phosphatlagern auf den<br />

Marschall Inseln. Die zitierte Funkstelle sollte mit einer 165 englische Meilen entfernten weiteren<br />

Phosphat-Insel Ocean Island Verbindung aufnehmen, doch kam eine Verwirklichung aller Absichten nicht<br />

zustande.


Militärische und politische Überlegungen zur Verbesserung <strong>der</strong> Nachrichtenverbindungen mit den in <strong>der</strong><br />

Südsee gelegenen deutschen Interessengebieten wurden schliesslich beschleunigt durch einen<br />

erschreckenden Vorfall: Vier deutsche Regierungsbeamte auf Ponape fielen eingeborenen Mör<strong>der</strong>n zum<br />

Opfer, die einen Aufstand anzettelten mit Datum vom 18. Oktober 1909. In Berlin erfuhr man erst am 26.<br />

Dezember des gleichen Jahres von <strong>der</strong> Bluttat, weil keine zuverlässigen Nachrichtenmittel in <strong>der</strong><br />

Abgeschiedenheit verfügbar waren.<br />

Um nicht auf britische Kabel angewiesen zu sein, hielt die deutsche Regierung nunmehr einen<br />

Grossfunkanlage auf Jap für dringend nötig mit Kabelanschluss an die Deutsch-Nie<strong>der</strong>ländische<br />

Telegrafen-Compagnie vor Ort. Herbertshöhe (Deutsch-Guinea) und Apia (Deutsch-Samoa) sollten<br />

kleinere Stationen erhalten. Man diskutierte ein Funknetz zwischen Jap - Rabaul - Nauru - Apia mit 2,4<br />

Millionen Mark Aufwand.<br />

Kontakte per Funk mit Tsingtau, Nie<strong>der</strong>ländisch-Indien, Australien und Neuseeland spielten ebenfalls<br />

eine Rolle auf lange Sicht. Die Funktechnik sollte standardisiert werden, um Kosten zu sparen, und<br />

manche Experten träumten bereits von telegrafischen <strong>Verbindungen</strong> zwischen Tabora (Deutsch-<br />

Ostafrika) und Nie<strong>der</strong>ländisch-Indien über 7200 km. Tabora - Jap gleich 11.300 km zum Vergleich. So rief<br />

man die Deutsche Südseegesellschaft für drahtlose Telegraphie AG ins Leben und das Deutsche Reich<br />

gewährte für 20 Jahre eine finanzielle Beihilfe pro Jahr mit Aussicht auf zusätzliche Prämien bei deutlich<br />

zunehmen<strong>der</strong> Nutzung durch Pflanzer, Geschäftsleute, Ree<strong>der</strong> usw.<br />

Grossfunkstelle Windhoek mit einem kleinen Gebäude und Anordnungen von<br />

Masten, umgeben von einer Rundhütten-Siedlung <strong>der</strong> Eingeborenen, Werft<br />

genannt.<br />

Nach militärischen Überlegungen sollten die jeweiligen Antennentürme von See her nicht sichtbar<br />

errichtet werden, um sie unerreichbar zu machen für den Beschuss durch Schiffsartillerie. Die Lage sollte<br />

auch eine Überrumpelung durch Landungskorps möglichst ausschliessen. Diese Wünsche liessen sich<br />

allerdings nicht in jedem Fall erfüllen. Auf <strong>der</strong> Gazelle-Halbinsel in Deutsch-Neuguinea war <strong>der</strong> Boden<br />

nicht ausreichend belastbar, sodass an Stelle von Sendetürmen eine Horizontalantenne (nur 75 Meter<br />

hohe Masten) gespannt werden musste. In Samoa empfahl die Kriegsmarine einen Montageplatz etwa<br />

sechs Kilometer landeinwärts verborgen, insgesamt acht Kilometer von <strong>der</strong> Riffgrenze.<br />

Zum 1. Dezember 1913 erhielt Nauru Anschluss an das weltweite Telegrafennetz, und Jap nahm<br />

gleichzeitig seinen Betrieb auf. Reichweiten: Tagsüber 600 km, nachts 2000 km (Schiffsverbindungen).<br />

Anfang Juni 1914 konnte Apia (Samoa) erstmals mit Nauru Verbindung aufnehmen. Kurz vor Beginn des<br />

Ersten Weltkriegs regte die australische Postverwaltung eine Verbindung zwischen Jap und Nauru<br />

einerseits sowie Thursday Island per Funk an.


Primitive Kriegsempfangsfunkstelle in<br />

Kamashuma bei Bukoba in Deutsch-<br />

Ostafrika mit dem Geheimnamen<br />

KALOMA zur Irreführung mithören<strong>der</strong><br />

feindlicher Funk-Empfangsstationen.<br />

Der Erste Weltkrieg im <strong>kolonialen</strong> Funknetz<br />

So sah es 1914 in Kamerun aus: eine<br />

Kriegsempfangsstation mitten auf einer<br />

Urwaldlichtung, die auch noch senden<br />

konnte mit beschränkter Reichweite.<br />

Ein 30 Meter Mast musste genügen.<br />

Die Grossfunkstelle Kamina (Togo) leistete bei Kriegsausbruch wertvolle Dienste, obwohl <strong>der</strong><br />

Probebetrieb noch nicht abgeschlossen war in <strong>der</strong> Aufbauphase. Es fehlten auch einige Apparate<br />

(unterwegs aus Deutschland). Kamina blieb rund um die Uhr empfangsbereit für Nauen, als sich die<br />

weltpolitische Situation täglich verschlechterte, und sendete unermüdlich Warnungen für deutsche<br />

Handelsschiffe auf hoher See, damit sie rechtzeitig neutrale Häfen anlaufen konnten. Insgesamt liessen<br />

sich dadurch etwa 800.000 Tonnen Frachtraum retten. Die Hamburg-Amerika-Linie berichtete, dass 47<br />

Dampfer mit 287.237 BRT durch Warnfunktelegramme dem Feind entkamen, umgerechnet ein Wert von<br />

93 Millionen Mark.<br />

Kamina war in <strong>der</strong> Lage, ausserdem nach Unterbrechung des deutschen Kabels das Kabelnetz <strong>der</strong><br />

Deutsch-Südamerikanischen Telegraphen-Gesellschaft zu nutzen und über grosse Umwege (Spanien -<br />

Teneriffa - Monrovia – Lome) Verbindung mit <strong>der</strong> Heimat zu bewahren, ergänzt durch eingeschränkte<br />

Funkstrecken unterschiedlicher Natur. Der Funkverkehr des Eiffelturms konnte häufig verfolgt werden,<br />

ebenso seine Störversuche gegenüber deutschen Stationen, die sich revanchierten. So fand ein<br />

unbeschreiblicher "Äther-Krieg" statt ...<br />

Kurz nach <strong>der</strong> britischen Kriegserklärung versuchte <strong>der</strong> stellvertretende Gouverneur Togos, Major von<br />

Doering, das Schutzgebiet für neutral zu erklären, was jedoch von <strong>der</strong> britischen Kolonial-Regierung Gold<br />

Coast abgelehnt wurde. Zwei englische Unterhändler trafen in Lome ein, und man einigte sich, dass die<br />

Stadt am folgenden Tag übergeben werden sollte. Alle dienstfähigen Europäer mit <strong>der</strong> Polizeitruppe wollte<br />

<strong>der</strong> Major zur Verteidigung <strong>der</strong> Grossfunkstelle Kamina einsetzen. 40 km nördlich von Lome, nahe<br />

Tsewie, kam es zum Gefecht mit britischen Truppen und zu erheblichen deutschen Verlusten. Hauptmann<br />

Pfaehler fiel im Kampf als Anführer <strong>der</strong> deutschen Abteilung.


Inzwischen rückten deutsche Schutztruppen-Einheiten an, unterstützt durch eine Feldtelegrafen-<br />

Abteilung. Aus Richtung Süden bzw. Dahomey waren französische Streitkräfte zu befürchten. Man wollte<br />

so lange wie möglich die Funkanlagen verteidigen und notfalls in die Luft jagen. Die kleine Schutzmacht<br />

umfasste 150 Europäer (Zivilisten) und 400 farbige. Polizei-Soldaten, doch wären 6.000 Männer nötig<br />

gewesen zum Rundumschutz des Stationsgeländes. Zur Zerstörung aller wichtigen Technik schienen<br />

etwa fünf Stunden nötig wie die Fachleute urteilten. Am 27. August 1914 war es so weit ...<br />

Die Antennen wurden demontiert, dann in Stücke zerschnitten. Maschinen, Apparate, sonstige<br />

Hilfseinrichtungen in den Gebäuden mussten rasch zerschlagen werden, Sprengmittel waren zu zünden,<br />

Dokumente zu verbrennen. Die Türme stürzten zusammen, völlig verbogen. Nach knapp fünf Stunden<br />

Demontage blieben Ruinen übrig, wertlos für alle Angreifer.<br />

Windhoek musste improvisieren<br />

Die Grossfunkstelle Windhoek war wegen Umbauten in den Monaten vor Kriegsausbruch nicht<br />

betriebsfähig, aber bereits für den Empfang eingerichtet. Die Kriegserklärung Grossbritanniens an das<br />

Deutsche Reich wurde auf dem drahtlosen Weg über Lome und Lü<strong>der</strong>itzbucht bzw. Swakopmund in <strong>der</strong><br />

Nacht vom vierten zum fünften August 1914 in Deutsch-Südwestafrika bekannt. Sobald die<br />

Grossfunkstelle Windhoek ihre Sendebereitschaft meldete, konnte sie mit ihrer Gegenfunkstelle Kamina in<br />

Togo wechelseitig kommunizieren. Auf diesem Weg kam von Nauen die Bestätigung <strong>der</strong> Kriegserklärung<br />

aus Europa. Nunmehr gingen regelmässig Telegramme aus <strong>der</strong> Heimat über Kamina in Windhoek ein. Ab<br />

und zu gelang es auch, während des Funkverkehrs zwischen dem sogenannten "tönenden Sen<strong>der</strong><br />

Nauen" und Kamina Text von Nauen direkt aufzunehmen.<br />

Nauen als Sehenswürdigkeit 1906<br />

Kurz nach <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende erregte die neu errichtete Funkstation Nauen nahe<br />

Berlin das grosse Interesse <strong>der</strong> Wissenschaftler und Regierungen aller Län<strong>der</strong>,<br />

sodass zahlreiche internationale Delegationen zur Besichtigung des Objekts<br />

erschienen. 1906 tagte <strong>der</strong> zweite Internationale Funkentelegraphische Kongress in<br />

<strong>der</strong> Reichshauptstadt.<br />

Zwischen 1906 und 1907 war durch die Poulsensche Methode zur Erzeugung<br />

ungedämpfter Schwingungen lebhafte Bewegung in die junge drahtlose Technik<br />

gekommen. Die oft vorausgesagte Verdrängung <strong>der</strong> Funkenmethode durch die<br />

Bogenlampensen<strong>der</strong> trat jedoch nicht ein. Ganz im Gegenteil: Ein gewaltiger Anstoss<br />

zur besseren Entwicklung <strong>der</strong> Funkensen<strong>der</strong> durch die Wiensche Entdeckung <strong>der</strong><br />

Stossfunken-Erregung war die Folge <strong>der</strong> Einführung zahlreicher unbrauchbarer<br />

Bogenlampensen<strong>der</strong>.<br />

Nach zweijähriger angestrengter Laborarbeit war es TELEFUNKEN gelungen, die<br />

erste "tönende Löschfunkenstation" mit einem Kilowatt Antennen-Energie fertig zu<br />

stellen. Diese Station, eingebaut auf einem Handelsschiff, erregte die Bewun<strong>der</strong>ung<br />

aller übrigen Stationen beim Mithören <strong>der</strong> konstanten und reinen tönenden Zeichen<br />

dieses deutschen Sen<strong>der</strong>s.<br />

Der imposante Aufstieg TELEFUNKENS setzte mit Einführung des tönenden<br />

Löschfunken-Systems ein und somit die Entwicklung Nauens zur Großstation.Zur<br />

Aufstellung <strong>der</strong> neuen Sen<strong>der</strong>anlage musste das bisherige Stationshaus vergrössert<br />

werden. Der tönende Sen<strong>der</strong> wurde im Erdgeschoss untergebracht, im benachbarten<br />

Zimmer die Empfangsanlage <strong>der</strong>art, dass <strong>der</strong> Telegrafist durch das Fenster das<br />

Arbeiten des Sen<strong>der</strong>s beobachten konnte. Kraftquelle: Lokomobile, Ersatz des<br />

Wechselstrom-Generators durch einen Gleichstrom-Dynamo mit Akkumulatoren-<br />

Batterie (als Reserve) in einem Nebenbau.


Nachdem Kamina zerstört worden war, musste nun versucht werden, die Telegramme aus Deutschland<br />

unmittelbar in Windhoek aufzunehmen. Bis zum 15. September 1914 sandten die "ungedämpften<br />

Funkstellen" in Eilvese und Nauen und die "tönende Funkstelle" in Nauen Telegramme. Diese spezielle<br />

Funkstelle wurde in Windhoek fast gar nicht vernommen. Die nachts sendende Funkstelle Eilvese konnte<br />

man jedoch oft sehr gut hören. Nach dem 15. September gab es nur noch Nauen als Kontakt. (Eilvese<br />

gleich Neustadt am Rübenberge).<br />

Wegen zunehmen<strong>der</strong> atmosphärischer Störungen, Versagens <strong>der</strong> Liebenröhre usw. reduzierte sich <strong>der</strong><br />

Empfang immer mehr. Erst nach Eintritt <strong>der</strong> Regenzeit in den letzten Dezembertagen sowie im Januar<br />

und Februar arbeitete die <strong>Telegrafie</strong> wie<strong>der</strong> deutlicher. Langsames und korrektes Geben (Senden) <strong>der</strong><br />

Grossfunkstelle Nauen sowie eine ausreichende Verlängerung <strong>der</strong> Punkte mussten unbedingt beachtet<br />

werden. Allein die Nachrichten-Übermittlung von Windhoek nach Nauen gelang jetzt fast nur nach<br />

gründlicher Durchfeuchtung des Erdbodens, was wie<strong>der</strong>um eine Zunahme <strong>der</strong> Antennenstromstärke<br />

bewirkte. Regenfälle verbesserten die Erdungsanlage.<br />

Nauen sandte bei <strong>der</strong> Hochfrequenzmaschine mit 9400-Meter-Welle, Windhoek mit <strong>der</strong> 4500-Meter-<br />

Welle. Die spärlichen und teilweise verstümmelten Aufnahmen enthielten wichtige amtliche Mitteilungen,<br />

da man sonst im Schutzgebiet auf Nachrichten <strong>der</strong> britischen Agentur Reuters allein angewiesen war<br />

(bezogen auf das Weltgeschehen). Nauen empfing von Windhoek am 18. November 1914 drei<br />

Telegramme mit 84 Worten, am 21. November 1914 zwei Telegramme mit 27 Worten und im Dezember<br />

acht Telegramme mit 350 Worten. Im Januar 1915 waren es 963 Worte, im Februar 897, am 9. März 1915<br />

sowie am 8. April 1915 zusammen 134 Worte.<br />

Am 8. August 1914 musste die<br />

deutsche Küstenfunkstelle<br />

Daressalam gesprengt werden.<br />

Das Bild zeigt einen<br />

umgelegten Sendemast.<br />

Zur Verbesserung <strong>der</strong> Lautstärke <strong>der</strong> von Nauen ankommenden Zeichen hat man während des Ersten<br />

Weltkriegs zwei weitere 70 Meter hohe Türme errichtet, hergestellt in <strong>der</strong> Werkstätte Usakos <strong>der</strong> Otavi<br />

Minen-Gesellschaft und Eisenbahn-Gesellschaft. Dies bedeutete auch eine Verlängerung <strong>der</strong><br />

Empfangsantenne um etwa 1000 Meter. Nunmehr waren Zeichen <strong>der</strong> amerikanischen Gegenfunkstelle<br />

Tuckerton zu vernehmen. Um die letzte verfügbare Liebenröhre möglichst zu schonen, musste die<br />

Beobachtung des deutsch-amerikanischen Handels- und Bankverkehrs über Tuckerton eingestellt<br />

werden.<br />

Dornbusch- und Stacheldrahtverhaue sicherten nach Kriegsausbruch alle Funkeinrichtungen zu<br />

Windhoek neben Wachtposten. Nachts leuchteten elektrische Lampen und Scheinwerfer die Station aus.<br />

Ende April 1915, als sich die Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> Schutztruppe abzuzeichnen begann, kurz vor <strong>der</strong> Besetzung<br />

Windhoeks durch die südafrikanischen Streitkräfte General Bothas, entfernte das Personal die Antenne,<br />

schaffte wertvolle technische Apparaturen beiseite und zerstörte verschiedene Maschinen-Anlagen. Die<br />

Türme liess man stehen in <strong>der</strong> vagen Hoffnung auf eine friedliche Zukunft des Schutzgebiets. Am 12. Mai<br />

1915 kamen die ersten Buren-Soldaten. Sie übernahmen das militärisch geräumte Windhoek.


Die Küstenfunkstellen Swakopmund und Lü<strong>der</strong>itzbucht mussten am 8. und 13. August 1914 schliessen;,<br />

Das deutsche Kanonenboot EBER, das Ende Juli 1914 in Kapstadt lag und dort gedockt werden sollte,<br />

verliess schleunigst Südafrika und hatte seit dem 30. Juli 1914 Funkverbindung mit Lü<strong>der</strong>itzbucht. Die in<br />

<strong>der</strong> Nähe fahrenden deutschen Frachter ALARICH, ADELAIDE, STEIERMARK und GERTRUD<br />

WOERMANN konnten beizeiten über Funk gewarnt werden und suchten erfolgreich Zuflucht in<br />

brasilianischen Häfen.<br />

Um aktuelle Kriegsnachrichten aus zuverlässigen Quellen abzuschöpfen, lohnte sich für die Funkstation<br />

Lü<strong>der</strong>itzbucht das Abhören <strong>der</strong> britischen Küstenfunkstelle Slangkop nordwestlich Kapstadt, die jede<br />

Nacht Reuters-Agenturmeldungen an britische Schiffe ausstrahlte. Auch die französische<br />

Küstenfunkstelle Tabou an <strong>der</strong> Elfenbeinküste gab nachts Weltnachrichten über See weiter sowie an die<br />

Station Konakry. Am 13. August 1914 war es höchste Zeit, die Küstenfunkstelle Swakopmund abzubauen,<br />

weil man mit einer Beschiessung durch britische Kriegsschiffe rechnete.<br />

Alle demontierten Anlagen dienten anschliessend in <strong>der</strong> Ortschaft Aus zur Einrichtung einer neuen<br />

Funkstation (abgesehen von den Türmen). Die Lage, 2000 Meter über dem Meeresspiegel, bot<br />

technische Anreize. Ab 15. November 1914 stoppte Lü<strong>der</strong>itzbucht den Empfangsbetrieb und nahm ihn am<br />

Tag darauf in Aus wie<strong>der</strong> auf. Es konnte die gleiche Antennen-Energie und fast die gleiche Hörreichweite<br />

wie in Lü<strong>der</strong>itzbucht garantiert werden. Angola (Portugiesische Kolonie) und Radio Durban (Südafrika)<br />

liessen sich ausgezeichnet überwachen, Feindmächte funkten ungeniert und unchiffriert viele Neuigkeiten<br />

über Truppentransporte und sonstige militärische Geheimnisse ... nichts ahnend.<br />

Die Unions-Regierung in Pretoria lieferte offiziell und freiwillig hilfreiche Daten über militärische und<br />

politische Gefangene, Tote und Verwundete, Vermisste, internierte Frauen und Kin<strong>der</strong> aus Lü<strong>der</strong>itzbucht<br />

in südafrikanischem Gewahrsam usw. Sogar Unterstützungsgeld für Internierte, Sold für Kriegsgefangene<br />

und humanitärer Geld-Transfer konnte auf diese Weise ermöglicht werden (in toleranter Gegenseitigkeit).<br />

Am 27, März 1915 musste die Funkanlage in Aus wegen des Vorrückens <strong>der</strong> Buren-Truppen gesprengt<br />

werden, wobei einzelne Teile in den Norden nach Tsumeb mitgenommen wurden für die letzten Gefechte<br />

vor <strong>der</strong> Kapitulation. Jetzt kam die Bewährungszeit <strong>der</strong> fahrbaren Militärfunkstellen mit 1,5 KW, bedient<br />

von versierten Postfachbeamten in Uniform. Von <strong>der</strong> Militärfunkstelle Sesfontein im Kaokofeld, die näher<br />

am Meer lag, konnte <strong>der</strong> Funkverkehr auf dem Ozean und bei den französischen Küstenfunkstationen<br />

Konakry und Tabou mitgehört werden. Vom vierten September bis 24. November 1914 dauerte <strong>der</strong><br />

Aufbau <strong>der</strong> Nordfunkstelle Tsumeb mit einem 85 Meter hohen Turm. Drehstrom: 500 Volt lieferte die Otavi<br />

Minen-Gesellschaft, dann transformiert auf 3000 Volt und wie<strong>der</strong> auf 500 Volt rücktransformiert für ein<br />

Maschinen-Aggregat (Drehstrom-Motor 500 Volt, Gleichstrom-Dynamo 220 bis 250 Volt bei etwa 50 KW<br />

Leistung).<br />

Die Antenne spannte man zum Empfang Nauens vom Turm aus zu einem am Bergabhang gelegenen<br />

Schornstein des Bergwerks in einer Länge von 800 Meter. Die Zeichen <strong>der</strong> in Ukamas (1100 km Distanz)<br />

aufgestellten Militärfunkanlage waren in Tsumeb deutlich zu verstehen. Es gelang auch, die Zeichen <strong>der</strong><br />

französischen Anlagen Tabou, Loango (Kongo) und Konakry (Guinea) aufzunehmen. Kontakt mit<br />

Deutsch-Ostafrika klappte nicht über 2400 km, doch Nachrichten aus Windhoek wurden dort teilweise<br />

registriert. Am 6. Juli 1915 übergab man die Station Tsumeb an die südafrikanischen Streitkräfte ohne<br />

Kampfhandlungen.<br />

Eine Verstärkerröhre vom Kreuzer KÖNIGSBERG<br />

Am 1. August 1914 gegen vier Uhr früh hörte <strong>der</strong> Telegrafist auf <strong>der</strong> Küstenfunkstation Daressalam mit<br />

<strong>der</strong> 4000-Meter-Welle zum ersten Mal die Grossfunkstelle Kamina (Togo) und entnahm aus einem<br />

Telegrammwechsel, dass Kamina mit Nauen in Verbindung stand. Danach übermittelte Nauen ein<br />

knappes Chiffrier-Telegramm über drohende Kriegsgefahr. Am 2. August 1914 lief die amtliche Nachricht<br />

aus Berlin über den Kriegsausbruch auf dem Kabelweg und über die Funkverbindung zwischen Nauen<br />

und Togo ein. Daressalam registrierte am 5. August 1914 gegen fünf Uhr früh ein Telegramm mit <strong>der</strong>


offiziellen Kriegserklärung Grossbritanniens und übermittelte die Botschaft allen Schiffen, vor allem aber<br />

dem Kleinen Kreuzer KÖNIGSBERG im Indischen Ozean. Er konnte sogar im <strong>Golf</strong> von Aden täglich aus<br />

Daressalam Neuigkeiten aufnehmen.<br />

Am 8, August 1914 musste die Küstenfunkstelle Daressalam unbrauchbar gemacht werden, nachdem ein<br />

britischer Kreuzer das Geschützfeuer auf den Funkturm eröffnet hatte. Neue Empfangsstellen liessen sich<br />

ersatzweise in Umbulu, Tabora und Kigoma am Tanganjika See einrichten weitab von feindlichem<br />

Einfluss. Das deutsche Kanonenboot GRAF GOETZEN observierte den Tanganjika See und funkte alle<br />

Beobachtungen an die festen Stationen, die unter an<strong>der</strong>em Belgisch-Kongo systematisch abhörten sowie<br />

Stanleyville und sonstige Stationen frem<strong>der</strong> Mächte in <strong>der</strong> Region. Nicht zuletzt Mogadischu in Italienisch-<br />

Somaliland.<br />

Am 29. Oktober 1914 beschoss ein britischer Hilfskreuzer die deutsche Funkanlage Bukoba zwei Stunden<br />

mit geringen Schäden. Am 21.Juni 1915 landete ein grösseres Truppenaufgebot <strong>der</strong> Briten nahe Bukoba<br />

und besetzte den Ort, wobei die Station zerstört wurde. Allerdings zogen die Soldaten am Tag darauf<br />

wie<strong>der</strong> ab. Südwestlich von Bukoba bei Kamaschumu bemühte sich die Schutztruppe um die Montage<br />

einer Empfangsstation: sechs Drähte von 80 Meter Länge, verbunden mit einem 27 Meter hohen Baum,<br />

sollten als Antenne dienen, gestützt durch ein Gegengewicht. Guter Empfang aus Muansa war bald zu<br />

vernehmen.<br />

Die Reichs-Telegraphen-Anlagen sowie das Feld-Telegraphen-Netz des Militärs ergänzten einan<strong>der</strong><br />

überall in <strong>der</strong> Kolonie funktechnisch, Das Militär hatte im November 1914 immerhin 600 km und Ende<br />

1915 etwa 3000 km weite Funkverbindungen aufzuweisen. Eine wesentliche Verbesserung wurde bei <strong>der</strong><br />

Funkstelle Daressalam vor allem durch den Einbau einer Verstärkerröhre vom Kleinen Kreuzer<br />

KÖNIGSBERG im Februar 1915 erzielt. Windhoek und Nauen rückten funktechnisch in "greifbare" Nähe.<br />

Ein Telegramm aus Berlin an den Gouverneur, das <strong>der</strong> Schutztruppe Dank und Anerkennung des Kaisers<br />

für den Sieg bei Tanga im November 1914 aussprach, hat Tabora am 26.Januar 1915 lückenlos<br />

aufgenommen.<br />

Als in <strong>der</strong> zweiten Hälfte 1916 unter dem Druck <strong>der</strong> feindlichen Offensive die Küstenplätze und die<br />

Gebiete nördlich <strong>der</strong> Mittellandbahn aufgegeben werden mussten, blieb den Funkstellen keine Chance<br />

Blick auf die Kriegsfunkstelle in <strong>der</strong> Ortschaft Aus, Südwestafrika. Diese Station<br />

bestand aus abmontierten Elementen <strong>der</strong> aufgegebenen Küstenfunkstation<br />

Swakopmund nach dem Vordringen <strong>der</strong> Südafrikaner.


Funkstelle auf <strong>der</strong> Karolinen-Insel Jap, um 1909 erbaut mit behelsmässigen<br />

Masten aus Baumstämmen. Sie wurden von einer Phosphat-Gesellschaft in<br />

deutsch-britischer Zusammensetzung betrieben.<br />

zum Aushalten. Die Positionen in Kamaschumu wurden im Juni 1916, Muansa am 16. Juli, Kigoma am<br />

22. Juli, Tabora und Daressalam Anfang September 1916 aufgehoben. Man demontierte alle technischen<br />

Geräte und baute sie an geeigneten Punkten wie<strong>der</strong> auf zum Nutzen <strong>der</strong> Truppe. So trat zum Beispiel die<br />

Empfangseinrichtung <strong>der</strong> Funkstelle Tabora, die <strong>der</strong> Bordfunkstelle des Reichspostdampfers KÖNIG<br />

entstammte, noch an acht unterschiedlichen Orten im deutschen Schutzgebiet wie<strong>der</strong> in Tätigkeit, ebenso<br />

vom Dezember 1917 bis Oktober 1918 in Mocambique (Portugiesisch-Ostafrika).<br />

Südlich <strong>der</strong> Mittellandbahn waren in <strong>der</strong> zweiten Hälfte 1916 und 1917 Empfangsstellen längere Zeit aktiv<br />

in Utete und Njakisuki am Fluss Rufiji, in Luwegu, Mahenge, Kahamba und Dapate, unterstützt von den<br />

Lautverstärkern, die mit dem Hilfsschiff MARIE im März 1916 in <strong>der</strong> Kolonie ankamen. So gelang ab und<br />

zu noch die Aufnahme von Nauen-Telegrammen. Eine in Newala Ende 1916 erbeutete portugiesische<br />

Funkstation wurde mit eigenen Ersatzteilen zum Geben und Empfangen wie<strong>der</strong> funktionstüchtig gemacht<br />

vom Februar bis November 1917.<br />

Japs Grossfunkstelle im Granatfeuer<br />

Das erste deutsche Kriegsopfer war die Grossfunkstelle in Jap, die wegen <strong>der</strong> dortigen Seekabelstation<br />

erhöhte Bedeutung hatte. Schon am 12. August 1914 kappten britische Kriegsschiffe die in Jap<br />

einmündenden Kabel und vernichteten zugleich die deutsche Grossfunkstelle. Bis zum letzten Augenblick<br />

blieb <strong>der</strong> Telegrafist am Apparat, um den vielleicht erreichbaren deutschen Kriegsschiffen den Überfall<br />

anzuzeigen, und floh dann vor dem Schiffsgeschützfeuer.<br />

Ein an<strong>der</strong>er Beamter <strong>der</strong> Funkstelle, <strong>der</strong> den Turm durch Lösen <strong>der</strong> sogenannten Pardunenmuttern<br />

(Halteseile) zum Einsturz bringen wollte, verliess nach dem Beginn von Kanonendonner seinen riskanten<br />

Platz am Fundament des Antennenturms und ging in volle Deckung (nach <strong>der</strong> siebten Salve). Da die<br />

Eingeborenen keine Hilfestellung leisten wollten unter <strong>der</strong>artigen Umständen, krachte <strong>der</strong> Turm<br />

schliesslich nach dem zehnten Schuss des britischen Kreuzers in sich zusammen.<br />

Anschliessend dampften die Englän<strong>der</strong> auf neuem Kurs ab, ohne Truppen zu landen o<strong>der</strong> weitere<br />

Schäden anzurichten. Mit Hilfe von Apparaten und Materialien des deutschen Vermessungsschiffs<br />

PLANET, das in Jap ankerte, und von Kokospalmen als Maste für die Notantenne wurde an einem<br />

an<strong>der</strong>en Ort eine 200 bis 300 Seemeilen weit reichende neue Funkstation zur Verbindung mit den in <strong>der</strong><br />

Südsee operierenden deutschen Kreuzern hergestellt. Das gelang innerhalb von 10 Tagen.


Am 26. September 1914 traf <strong>der</strong> britische Kreuzer SYDNEY vor <strong>der</strong> Palau-Insel Angaur ein und liess<br />

durch eine Landungsabteilung von Marine-Infanteristen die Funkstelle unbrauchbar machen. Einige<br />

Apparate und Maschinen wurden mitgenommen, aber <strong>der</strong> Funkturm mit Antenne blieb unberührt. Die<br />

Seesoldaten weilten nur zwei Stunden auf <strong>der</strong> Insel und hatten es auffallend eilig, sodass sie einen Teil<br />

ihrer Beute liegen liessen o<strong>der</strong> gar auf dem Rückweg verloren. So konnte man ohne grosse Mühe eine<br />

Ersatzfunkstelle rekonstruieren und ab 2. Oktober in Betrieb nehmen.<br />

Am 9. Oktober 1914 besetzten japanische Kreuzer Angaur, doch zuvor war <strong>der</strong> Abbau <strong>der</strong><br />

Ersatzfunkstelle noch möglich und die wichtigsten Teile verschwanden in Verstecken. Dann begann die<br />

Zerstörung in gleicher Weise wie bei den Sydney-Seeleuten zuvor ...<br />

Das deutsche koloniale Funknetz (auf dieser Kartenskizze) unfasste ausgeführte<br />

Grossfunkstellen (fette Punkte), ausgeführte kleine Funkstellen (magere Punkte)<br />

sowie geplante Grossfunkstellen (Kreise) und geplante kleine Funkstellen (kleine<br />

Kreise) um 1914. Die fetten Punkte: Nauen, Lome (Togo), Windhoek (DSWA), Jap<br />

(Karolinen), Nauru, Rabaul, Apia.<br />

In Nauru hörten die Bewohner von <strong>der</strong> Mobilmachung und <strong>der</strong> Kriegserklärung direkt aus dem Äther bzw.<br />

durch Telegramme aus Berlin. Am 9. September musste die Insel <strong>der</strong> Landungsabteilung des britischen<br />

Kreuzers MELBOURNE übergeben werden, aber gegen die deutsche Flagge und die deutsche<br />

Verwaltung hatten die Briten keine Einwände vorzubringen und zeigten sich grossmütig. Geheimschlüssel<br />

und Dokumente liess <strong>der</strong> Stationsleiter vor <strong>der</strong> Ankunft <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong> vernichten. Die Kreuzerbesatzung<br />

zerstörte einen Teil <strong>der</strong> Funktechnik, nahm an<strong>der</strong>e Teile mit und drohte mit Gefangennahme des<br />

Personals. Später durften alle doch bleiben.<br />

Am 6. November 1914 traf <strong>der</strong> Phosphatdampfer MESSINA mit einem Kommandanten und 150 Soldaten<br />

sowie ein neuer Chef <strong>der</strong> Pacific Phosphate Company mit den zwei Monate früher ausgewiesenen<br />

englischen Angestellten <strong>der</strong> Gesellschaft in Nauru ein. Gestützt auf die Kapitulationsbedingungen für das<br />

Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea ging jetzt Nauru an den Kommandanten über.<br />

Auf Deutsch-Samoa hatte man bei Kriegsbeginn gerade die Grossfunkstelle Apia fertiggestellt. Sie<br />

verband die deutschen Überseegebiete untereinan<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Südsee sowie Amerikanisch-Samoa in<br />

unmittelbarer Nachbarschaft. Am 2. August. 1914 erreichte Apia die Information von <strong>der</strong> Mobilmachung


gegen Russland per Funk. Anschliessend hörte man nur noch englische Funknachrichten aus<br />

Neuseeland, Australien und Fidji mangels an<strong>der</strong>er Äther-Kontakte, abgesehen von Honolulu, San<br />

Francisco, Pago Pago und amerikanischen Schiffen auf hoher See. Die SAMOA ZEITUNG erschien<br />

täglich in deutscher und samoanischer Sprache mit solchen Neuigkeiten (ohne Gewähr), aber aus <strong>der</strong><br />

Heimat gab es keinerlei Lebenszeichen mehr.<br />

Am 29. August 1914 landeten britisch-neuseeländische Einheiten als Besatzungsmacht. Rechtzeitig<br />

hatten die deutschen Ingenieure die Funkstation unbrauchbar gemacht und einzelne Teile irgendwo<br />

verborgen. Es dauerte einige Monate, bis dass die Militärs mit dem eigenen Funk neu beginnen konnten,<br />

um vor allem Fidji und Neuseeland zu rufen.<br />

Am 11. und 12. August besuchte die australische Flotte Rabaul und Herbertshöhe mit dem Sitz des<br />

deutschen Gouverneurs von Neu-Guinea und leitete Kapitulationsverhandlungen ein.<br />

Da die geplante Grossfunkstelle erst halb fertig war, lohnte sich eine Zerstörung nicht. Nach dem Abzug<br />

<strong>der</strong> Australier bemühten sich die deutschen Techniker, wichtige Teile <strong>der</strong> Station abzubauen und für den<br />

Aufbau einer neuen Ersatzstation im Urwald-Dschungel fern von allen feindlichen Mächten zu nutzen.<br />

Trotz vielfältiger Aktivität misslang das kühne Unternehmen. Am 21. September 1914 übergab <strong>der</strong><br />

Gouverneur Deutsch-Neuguinea formell in australische Hände.<br />

Welche hervorragende Bedeutung die <strong>Telegrafie</strong> in <strong>der</strong> Südsee unter deutscher Regie hatte, beweist ein<br />

Artikel in <strong>der</strong> britischen Fachzeitschrift WIRELESS WORLD vom November 1915: "Im Lauf des<br />

vergangenen Jahres bemühte sich Admiral Patty mit <strong>der</strong> SCHARNHORST und <strong>der</strong> GNEISENAU<br />

zusammen zu treffen, um sie zu vernichten. Er plante sorgfältig, um die Kreuzer nach Simpsonhafen zu<br />

locken. Die deutsche drahtlose Station in Rabaul übermittelte jedoch unserem Feind die Bewegungen <strong>der</strong><br />

britischen Flotte und vereitelte auf diese Weise die Manöver des Admirals. Wenn wir uns erinnern, dass<br />

diese beiden deutschen Schiffe an <strong>der</strong> Küste von Chile einige Monate später das britische Geschwa<strong>der</strong><br />

im Stillen Ozean vernichteten, muss man einräumen, dass eine deutsche drahtlose Station schon durch<br />

diese einzigartige Tat die für ihre Errichtung und Instandhaltung benötigten Ausgaben gerechtfertigt hat“.<br />

Letzte Nachrichten aus China<br />

Nach Zerstörung <strong>der</strong> beiden von Tsingtau (Deutsches Pachtgebiet Kiautschou) ausgehenden Land-<br />

Telegrafenlinien hatte ab 9. September 1914 <strong>der</strong> belagerte Ort nur noch durch die Funkstelle mit <strong>der</strong><br />

Aussenwelt telegrafische Verbindung, und zwar mit <strong>der</strong> Bordfunkstelle des in Shanghai liegenden<br />

Reichspostdampfers SIKIANG <strong>der</strong> Hamburg-Amerika Linie. Da sich die auf <strong>der</strong> SIKIANG eingerichtete 0,5<br />

KW Bordfunkstelle als zu dürftig erwies, wurde sie durch eine Anlage von 1,5 KW Schwingungsenergie<br />

ersetzt.<br />

Während <strong>der</strong> Belagerung von Tsingtau war auf diese Weise die Verbindung gesichert. Ausserdem<br />

versuchte man im Inneren Shantungs kleine fahrbare Funkstellen einzurichten, doch verhin<strong>der</strong>ten die<br />

chinesischen Beamten solche Aktivität mit Rücksicht auf ihre gebotene Neutralität und beschlagnahmten<br />

alle Geräte. Bis zur Übergabe <strong>der</strong> Stadt an die Japaner am 7. November 1914 war jedoch die<br />

Hauptstation betriebsfähig für militärische Zwecke und wurde zuletzt gesprengt.<br />

Quellen<br />

Dr. M. Roscher: Von Nauen ins tropische Afrika<br />

(Kolonialverlag Sachers und Kuschel, Berlin 1925)<br />

Interessengemeinschaft Funkstation Nauen<br />

Stadt Nauen Service<br />

x x x<br />

O.Nairz: Eine Führung durch die Großstation Nauen 1920<br />

Deutsches Kolonialblatt 1900 – 1920


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