Euro-Info Nr. 04/2013
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Grundsatzposition der BDA<br />
Soziale Dimension anerkennen – Arbeitsmarktflexibilität fördern<br />
Auf europäischer Ebene wird erneut kontrovers über die soziale<br />
Dimension der EU diskutiert. Im Vorfeld der für Anfang Oktober<br />
angekündigten Mitteilung zur sozialen Dimension der EU durch<br />
die <strong>Euro</strong>päische Kommission hat die BDA in einer Grundsatzposition<br />
deutlich gemacht, dass die EU bereits heute über einen<br />
umfangreichen sozialen Acquis verfügt. Um nachhaltige<br />
sozialpolitische Verbesserungen zu erreichen, müssen die<br />
strukturellen Wettbewerbsschwächen in den Mitgliedstaaten an<br />
der Wurzel angegangen werden.<br />
Die Gewerkschaften und Teile der Politik attestieren der EU ein<br />
soziales Defizit und fordern, den Binnenmarkt um eine soziale<br />
Dimension zu ergänzen. Dabei verkennen sie, dass die soziale<br />
Dimension der EU bereits heute durch ein engmaschiges Netz<br />
an verbindlichen sozialen Mindeststandards und zusätzlich<br />
durch die Entsenderichtlinie sehr konkrete und wirksame Ausprägung<br />
findet. Der gemeinsame Binnenmarkt hat in den vergangenen<br />
Jahrzehnten entscheidend zum Aufbau von Wohlstand<br />
und Beschäftigung und damit zu sozialem Fortschritt in<br />
<strong>Euro</strong>pa beigetragen.<br />
das aus fiskalischen und wirtschaftspolitischen Indikatoren besteht,<br />
um sozialpolitische Indikatoren zu ergänzen. Damit droht<br />
die Gefahr, dass die Zielerreichung nicht über die Wettbewerbsfähigkeit<br />
verbessernde strukturelle Reformen erfolgt,<br />
sondern über kurzfristige Maßnahmen wie kreditfinanzierte öffentliche<br />
Ausgabenprogramme. Solche Maßnahmen überdecken<br />
nur die Symptome mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und<br />
verhindern, dass die Probleme selbst adressiert und nachhaltig<br />
gelöst werden.<br />
Nachhaltige sozialpolitische Verbesserungen erfordern hingegen,<br />
dass die strukturellen Probleme an der Wurzel angegangen<br />
werden und die Länder zu Wettbewerbsfähigkeit und<br />
nachhaltigem Wirtschaftswachstum zurückfinden. Globale<br />
Wettbewerbsfähigkeit und daraus resultierendes nachhaltiges<br />
Wirtschaftswachstum sind das unverzichtbare Fundament für<br />
mehr Beschäftigung sowie solide, nachhaltig finanzierbare soziale<br />
Standards.<br />
Die Grundsatzposition der BDA ist im Internet abrufbar unter:<br />
Im Rahmen dieser Debatte hat die <strong>Euro</strong>päische Kommission<br />
vorgeschlagen, das dem Verfahren zur Überwachung gesamtwirtschaftlicher<br />
Ungleichgewichte zugeordnete „Scoreboard“,<br />
http://tinyurl.com/qbpyd75<br />
Max Conzemius<br />
<strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | 01. Oktober <strong>2013</strong><br />
Grundsatzposition der BDA „Soziale Dimension anerkennen<br />
- Arbeitsmarktflexibilität fördern“<br />
Symposium von BDA und BDI: "The <strong>Euro</strong> - A family<br />
affair", 16. September <strong>2013</strong>, Berlin<br />
IOE Regional Meeting, Kiew<br />
Transnationale Unternehmensvereinbarungen: Abstimmung<br />
im <strong>Euro</strong>päischen Parlament<br />
Umstrukturierung von Unternehmen: Aktuelle Entwicklungen<br />
Niederländische Subsidiaritätsdebatte<br />
EU-Konsultation zu nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit<br />
G20-Arbeitsministertreffen<br />
CSR: Non-Financial Reporting „Insurance“<br />
Frauenquote: Aktueller Sachstand<br />
Eignungstest („fitness check“) zu den Richtlinien zur <strong>Info</strong>rmation<br />
und Konsultation der Arbeitnehmer<br />
Ex-Portabilitätsrichtlinie: Aktueller Sachstand<br />
BIAC: Studie “Nationale Kontaktstellen”<br />
BDA | Bundesvereinigung der<br />
Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
Mitglied von BUSINESSEUROPE<br />
Breite Straße 29 | 10178 Berlin<br />
T +49 30 2033-1908<br />
F +49 30 2033-1905<br />
europa@arbeitgeber.de<br />
Verantwortlich: Renate Hornung-Draus<br />
Redaktion: Stefan Sträßer<br />
Satz: Konstanze Wilgusch<br />
Offizielle Stellungnahmen der Bundesvereinigung der Deutschen<br />
Arbeitgeberverbände sind als solche gekennzeichnet<br />
BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | 01. Oktober <strong>2013</strong>
Symposium von BDA und BDI "The <strong>Euro</strong> - A family affair"<br />
Klares Bekenntnis der Familienunternehmer<br />
zum <strong>Euro</strong><br />
Am 16. September <strong>2013</strong> haben BDA und BDI in Berlin gemeinsam<br />
zu einer Veranstaltung mit dem Präsidenten der <strong>Euro</strong>päischen<br />
Zentralbank (EZB), Mario Draghi, eingeladen. Ziel der<br />
Veranstaltung war es, ein deutliches Bekenntnis der deutschen<br />
Wirtschaft, insbesondere der Familienunternehmer, zum <strong>Euro</strong><br />
und zur Wirtschafts- und Währungsunion in die Öffentlichkeit zu<br />
tragen. Vor circa 130 Teilnehmern bekräftigte Mario Draghi,<br />
dass die EZB angesichts des schwachen Wirtschaftsaufschwungs<br />
in der <strong>Euro</strong>-Zone noch länger an ihrer lockeren<br />
Geldpolitik festhalten werde. "Die Erholung steckt noch in den<br />
Kinderschuhen. Die Wirtschaft bleibt fragil, die Arbeitslosigkeit<br />
ist immer noch zu hoch", sagte Draghi. Angesichts des mittelfristig<br />
verhaltenen Inflationsausblicks sei davon auszugehen,<br />
dass die EZB-Leitzinsen für einen längeren Zeitraum auf dem<br />
aktuellen oder niedrigeren Niveau bleiben werden, so Draghi.<br />
Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt betonte, dass er<br />
sicher sei, dass bei aller <strong>Euro</strong>skepsis, die sich vielerorts eingestellt<br />
habe, <strong>Euro</strong>pa mit der Doppelstrategie aus Konsolidierung<br />
und wachstumsfördernden Strukturreformen den richtigen Weg<br />
eingeschlagen habe. "Nur ein wettbewerbsfähiges Land kann<br />
auch unter sozialen Gesichtspunkten erfolgreich sein“, erklärte<br />
er.<br />
Anlässlich des Symposiums hat Arbeitgeberpräsident Prof. Dr.<br />
Dieter Hundt gemeinsam mit dem Präsidenten des BDI, Ulrich<br />
Grillo, sowie den Präsidenten der Schwesterverbände von BDA<br />
und BDI aus Österreich (Georg Kapsch, IV), Spanien (Juan<br />
Rosell, CEOE), Italien (Giorgio Squinzi, CONFINDUSTRIA),<br />
Frankreich (Pierre Gattaz, MEDEF) und Niederlande (Bernard<br />
Wientjes, VNO-NCW) eine gemeinsame Resolution unterzeichnet.<br />
Diese Resolution ist im Internet abrufbar unter:<br />
http://tinyurl.com/qjme6hg<br />
<strong>Euro</strong>päisches Regionaltreffen der IOE in Kiew<br />
Antje Gerstein<br />
Ukrainische Arbeitgeber für Annäherung an<br />
die EU<br />
Am 12./13. September <strong>2013</strong> kamen auf Einladung des ukrainischen<br />
Arbeitgeberverbandes Federation of Employers of Ukraine<br />
(FEU) über 60 Vertreter der europäischen und zentralasiatischen<br />
Mitgliedsverbände des internationalen Arbeitgeberverbandes<br />
IOE in Kiew zusammen, um über aktuelle Entwicklungen<br />
auf regionaler und auch globaler Ebene sowie über die zukünftigen<br />
Prioritäten der europäischen und zentralasiatischen<br />
Verbände innerhalb der IOE zu beraten. Im Mittelpunkt des<br />
diesjährigen Regionaltreffens stand die Annäherung zwischen<br />
der Ukraine und der <strong>Euro</strong>päischen Union. Dabei sprachen sich<br />
die ukrainischen Arbeitgeber dezidiert für eine stärkere Kooperation<br />
beider Wirtschaftsräume aus. Die bevorstehende Unterzeichnung<br />
eines Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine<br />
und der EU anlässlich des EU-Ukraine-Gipfels am 28./29.<br />
November <strong>2013</strong> in Vilnius wurde einhellig als ein wichtiger Meilenstein<br />
auf dem Weg zu einer engeren Zusammenarbeit begrüßt.<br />
Der für die Ukraine zuständige Länderdirektor der Weltbank<br />
Qimiao Fan, der die Ergebnisse des jüngsten Doing Business<br />
Reports der Weltbank vorstellte, attestierte der Ukraine<br />
Fortschritte bei der Herstellung eines förderlichen Umfeldes für<br />
Unternehmen und eines guten Investitionsklimas.<br />
Einen weiteren Schwerpunkt des Regionaltreffens bildete das<br />
gegenseitige Kennenlernen von Vertretern der Arbeitgeberverbände<br />
aus den zentralasiatischen Republiken Usbekistan, Tadschikistan,<br />
Kirgisistan und Kasachstan, die noch keine Mitglieder<br />
der IOE sind und erstmals als Beobachter an einem europäischen<br />
Regionaltreffen teilnahmen. Aus den Berichten der<br />
Verbandsvertreter aus Zentralasien wurde deutlich, dass in vielen<br />
Ländern der Region staatliche Eingriffe in die Arbeit der Arbeitgeberverbände<br />
und Gewerkschaften nach wie vor zur Regel<br />
gehören und die Entwicklung starker und repräsentativer Sozialpartnerstrukturen<br />
behindern. Um einen starken und verantwortungsvollen<br />
sozialen Dialog in diesen Ländern zu fördern,<br />
bedarf es zunächst des Kapazitätsaufbaus für starke und repräsentative<br />
Verbände. Die deutschen Arbeitgeber sind auf<br />
diesem Feld stark engagiert und unterstützen den Kapazitätsaufbau<br />
u.a. durch die Veranstaltung von entsprechenden Seminaren<br />
und Studienreisen.<br />
Transnationale Unternehmensvereinbarungen<br />
Max Conzemius<br />
Initiativbericht des <strong>Euro</strong>päischen Parlaments<br />
bringt nichts Neues<br />
Das <strong>Euro</strong>päische Parlament hat am 12. September <strong>2013</strong> einen<br />
Initiativbericht von Thomas Händel (GUE/NGL-Fraktion,<br />
Deutschland) über grenzüberschreitende Kollektivverhandlungen<br />
und transnationalen sozialen Dialog angenommen. Der<br />
verabschiedete Bericht ist in der Endversion weniger schädlich<br />
als die ursprünglich diskutierten Entwürfe. Beispielsweise wurden<br />
die Forderungen nach einem Recht auf Durchführung<br />
grenzüberschreitender kollektiver Maßnahmen, der Aufbau einer<br />
europäischen Arbeitsgerichtsbarkeit und nach Verabschiedung<br />
eines Rechtsrahmens für transnationale Unternehmensvereinbarungen<br />
(TCAs) nicht aufgenommen.<br />
Der im Plenum verabschiedete Bericht befasst sich im Kern mit<br />
der Frage, ob auf europäischer Ebene ein fakultativer Rechtsrahmen<br />
für TCAs eingeführt werden soll. In der verabschiedeten<br />
Fassung wird angeregt, dass die <strong>Euro</strong>päische Kommission<br />
prüfen könnte, ob für TCAs ein fakultativer europäischer<br />
Rechtsrahmen notwendig und sinnvoll wäre. Viviane Reding,<br />
Vizepräsidentin der <strong>Euro</strong>päischen Kommission und Kommissarin<br />
für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, hat lediglich ange-<br />
BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | 01. Oktober <strong>2013</strong> 2
kündigt, dass die <strong>Euro</strong>päische Kommission nun prüfen werde,<br />
ob ein fakultativer europäischer Rechtsrahmen notwendig sei.<br />
Überlegungen zu europäischen Rahmenbedingungen für transnationale<br />
Unternehmensvereinbarungen sind keineswegs neu.<br />
Bereits im Jahr 2005 hatte die <strong>Euro</strong>päische Kommission Überlegungen<br />
zur Einführung eines optionalen Rechtsrahmens für<br />
TCAs vorgestellt und in den Folgejahren Untersuchungen und<br />
Studien durchgeführt. Aus diesen ergibt sich, dass die Einführung<br />
eines Rechtsrahmens nicht sinnvoll ist, da er weder notwendig<br />
noch realisierbar ist. Zahlreiche Beispiele haben klar<br />
gemacht, dass ein Bedarf für einen europaweit einheitlichen<br />
Rechtsrahmen nicht besteht, da der Zweck von TCAs als flexibles<br />
Instrument zur Anpassung an die im jeweiligen Fall bestehenden<br />
konkreten Wünsche konterkariert werden würde. Er ist<br />
auch nicht realisierbar, da sich in den Mitgliedstaaten der EU<br />
über einen langen Zeitraum hinweg eigenständige Traditionen<br />
der industriellen Beziehungen entwickelt haben, die in sehr heterogenen<br />
nationalen Regelungen ihren Niederschlag gefunden<br />
haben. Ein europäischer Rechtsrahmen würde nur zum Anwachsen<br />
der Bürokratie führen, den Unternehmen keinen<br />
Mehrwert bringen und sie mit nicht vertretbaren und unnötigen<br />
Belastungen überziehen.<br />
Die BDA hatte letztmals bei der von dem Referat Arbeitsrecht<br />
der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration<br />
der <strong>Euro</strong>päischen Kommission eingeleiteten offenen Konsultation<br />
aus dem Jahr 2012 betont, dass Überlegungen zur Einführung<br />
eines optionaler Rechtsrahmen für TCAs verworfen werden<br />
sollten. In dem nun verabschiedeten Initiativbericht sind<br />
keine neuen Erkenntnisse enthalten. Ein positives Element ist,<br />
dass die Autonomie der Sozialpartner beim Abschluss von<br />
TCA‘s mehrfach betont wird. Es wird klargestellt, dass die <strong>Euro</strong>päische<br />
Kommission bei der Prüfung eines fakultativen<br />
Rechtsrahmens von einer freiwilligen Nutzung ausgehen sollte,<br />
über die die beteiligten Sozialpartner, Unternehmen und Unternehmensgruppen<br />
freiwillig entscheiden können sollten. Kritisch<br />
zu bewerten sind die überflüssigen Vorgaben zu den Akteuren<br />
von TCAs. Sie sollen von europäischen Gewerkschaften und<br />
Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Unternehmen abgeschlossen<br />
werden. <strong>Euro</strong>päische Betriebsräte sollten "gegebenenfalls<br />
umfassend an den Verhandlungen mit den europäischen<br />
Gewerkschaftsverbänden" beteiligt werden. Nicht erforderlich<br />
ist auch die Forderung nach der Aufnahme des Günstigkeitsprinzips<br />
und die Empfehlung, Mechanismen zur alternativen<br />
Streitbeilegung einzuführen.<br />
Umstrukturierung von Unternehmen<br />
Paul Noll<br />
<strong>Euro</strong>päische Kommission plant Mitteilung<br />
mit bewährten Verfahren („best practices“)<br />
als zentralen Punkt die <strong>Euro</strong>päische Kommission aufgefordert<br />
hatte, einen Vorschlag für einen Rechtsakt zu „Umstrukturierung<br />
und Antizipierung von Veränderungen“ zu unterbreiten,<br />
scheint die <strong>Euro</strong>päische Kommission dieser Forderung nicht zu<br />
entsprechen. Nach derzeitiger Planung wird die <strong>Euro</strong>päische<br />
Kommission im Herbst <strong>2013</strong> stattdessen eine Mitteilung mit<br />
bewährten Verfahren („best practices“) für Umstrukturierungen<br />
von Unternehmen vorlegen.<br />
Mit diesem Schritt würde die <strong>Euro</strong>päische Kommission richtigerweise<br />
von der Aufstellung einheitlicher und verbindlicher Vorgaben<br />
für Umstrukturierungen von Unternehmen Abstand nehmen.<br />
Die Erfahrungen mit Umstrukturierungen belegen, dass<br />
die Gründe für derartige Maßnahmen vielfältig sind und die<br />
damit verbundenen Herausforderungen stark variieren: Ein mittelständisches<br />
Unternehmen, das aufgrund von Absatzproblemen<br />
Personal abbauen muss, steht vor ganz anderen Herausforderungen<br />
als ein Konzern, der aufgrund einer Fusion entsteht.<br />
Daher dürfen Strategien für die Bewältigung von Umstrukturierungen<br />
kein einheitliches Vorgehen („one size fits all“)<br />
vorsehen. <strong>Euro</strong>paweit einheitliche und verbindliche Vorgaben<br />
würden angesichts der Vielfältigkeit und Komplexität von Umstrukturierungen<br />
der betrieblichen Gegebenheit nicht gerecht<br />
und hätten verheerende Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der europäischen Unternehmen. Dabei sind die europäischen<br />
Unternehmen gerade jetzt dringend auf optimale Rahmenbedingungen<br />
angewiesen, um Arbeitsplätze schaffen zu<br />
können.<br />
Hervorzuheben ist, dass ein Initiativbericht des <strong>Euro</strong>päischen<br />
Parlaments für die <strong>Euro</strong>päische Kommission nicht bindend ist.<br />
Nach Artikel 225 AEUV kann das <strong>Euro</strong>päische Parlament die<br />
<strong>Euro</strong>päische Kommission zwar zur Vorlage geeigneter Gesetzgebungsvorschläge<br />
auffordern. Die <strong>Euro</strong>päische Kommission<br />
ist jedoch gerade nicht verpflichtet, dieser Aufforderung zu folgen.<br />
Dies ergibt sich ebenfalls aus Artikel 225 AEUV: legt die<br />
<strong>Euro</strong>päische Kommission keinen entsprechenden Vorschlag<br />
vor, muss sie dem <strong>Euro</strong>päischen Parlament lediglich die Gründe<br />
dafür mitteilen. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich,<br />
dass der <strong>Euro</strong>päische Gewerkschaftsbund eine Beschwerde<br />
beim <strong>Euro</strong>päischen Bürgerbeauftragten eingelegt hat und<br />
sich dagegen wendet, dass die <strong>Euro</strong>päische Kommission keinen<br />
entsprechenden Rechtsakt vorgelegt habe, obwohl der<br />
AEUV sie dazu verpflichte. Wie sich eindeutig aus dem AUEV<br />
ergibt, steht allein der <strong>Euro</strong>päischen Kommission das Initiativrecht<br />
zu. Der <strong>Euro</strong>päischen Kommission ist allenfalls vorzuwerfen,<br />
dass sie nicht innerhalb von drei Monaten reagiert<br />
hat. Diese Frist sieht jedoch nicht der AEUV vor, sondern lediglich<br />
eine „Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen<br />
dem <strong>Euro</strong>päischen Parlament und der Kommission“ aus<br />
dem Jahr 2010.<br />
Mareike Krug/Stefan Sträßer<br />
Nachdem das <strong>Euro</strong>päische Parlament Anfang <strong>2013</strong> in einem<br />
Initiativbericht von Alejandro Cercas (S&D-Fraktion, Spanien)<br />
BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | 01. Oktober <strong>2013</strong> 3
Niederländischer Subsidiaritätsbericht<br />
Niederlande fordern eine strenger am Subsidiaritätsprinzip<br />
ausgerichtete EU-Politik<br />
In den Niederlanden und in der EU wird zurzeit intensiv über<br />
den im Juni <strong>2013</strong> vorgelegten sogenannten Subsidiaritätsbericht<br />
diskutiert. Das in Zusammenarbeit aller niederländischen<br />
Ministerien, der Sozialpartner sowie weiterer Stakeholder entstandene<br />
Regierungspapier umfasst eine Liste mit neun allgemeinen<br />
Empfehlungen und 54 konkreten Aktionspunkten, die<br />
zur Stärkung des Subsidiaritätsprinzips auf EU-Ebene beitragen<br />
sollen. Zentrales Anliegen des Regierungspapiers ist es,<br />
der anhaltenden Kompetenzausweitung auf die EU-Ebene entgegen<br />
zu treten und eine Neuausrichtung am Subsidiaritätsprinzip<br />
anzustoßen. Die <strong>Euro</strong>päische Kommission solle nur in<br />
Bereichen tätig werden, in denen ihr die Verträge eine ausdrücklich<br />
dahingehende Kompetenz zuweisen. In den Fällen, in<br />
denen der <strong>Euro</strong>päischen Kommission kein expliziter Regulierungsauftrag<br />
zukomme, solle sie nicht nur darauf verzichten,<br />
Legislativakte anzustoßen, sondern darüber hinaus grundsätzlich<br />
auch von der Ergreifung jeglicher Soft-Law-Maßnahmen<br />
absehen. Auch solle die <strong>Euro</strong>päische Kommission bei „weitverbreiteten“<br />
Vorbehalten der Mitgliedstaaten im Rat zukünftig auf<br />
Gesetzesinitiativen verzichten.<br />
Der Bericht spiegelt insgesamt keine generell integrationskritische<br />
Haltung wider, sondern zielt vielmehr auf die Stärkung<br />
und konsequente Durchsetzung des vertraglich fixierten Subsidiaritätsprinzips<br />
ab. Eine Vertragsrevision wird daher explizit<br />
ausgeschlossen. Die Forderungen des Subsidiaritätsberichts<br />
können mit der Formel „<strong>Euro</strong>päisch wenn nötig, national wenn<br />
möglich“ zusammengefasst werden. Der Subsidiaritätsbericht<br />
ist im Nachgang zu der vom britischen Premierminister David<br />
Cameron im Januar <strong>2013</strong> gehaltenen Rede zur „Zukunft der EU<br />
und Großbritanniens Rolle in ihr“ entstanden. Dieser ähnelt<br />
Camerons Rede insofern, als dass eine sich verselbstständigende<br />
stetige Kompetenzausweitung der <strong>Euro</strong>päischen Kommission<br />
grundsätzlich abgelehnt wird. Im Gegensatz zu Cameron<br />
fordert der Subsidiaritätsbericht jedoch keine generelle Beschränkung<br />
der EU-Regulierung auf Binnenmarktfragen.<br />
Aus Arbeitgebersicht sind insbesondere folgende Aspekte der<br />
54 Einzelvorschläge relevant: Konsequent abgelehnt werden u.<br />
a. die weitere Harmonisierung der sozialen Sicherungssysteme<br />
und der Arbeitsbedingungen, EU-weite Vereinbarungen mit<br />
Drittstaaten im Rahmen der externen Dimension der Koordinierung<br />
der Systeme der sozialen Sicherheit, die Schaffung eines<br />
eigenständigen Haushalts für die <strong>Euro</strong>zone, die Einführung einer<br />
Frauenquote auf EU-Ebene und jegliche Versuche zur<br />
Überarbeitung der Mutterschutzrichtlinie. Der Bericht bringt<br />
darüber hinaus Bedenken in Hinblick auf die Einführung einer<br />
europäischen Finanztransaktionssteuer, die Reichweite des <strong>Euro</strong>päischen<br />
Globalisierungsfonds (EGF) und die Einrichtung eines<br />
<strong>Euro</strong>päischen Hilfsfonds gegen Armut zum Ausdruck. Kritisch<br />
begleiten werde man die derzeitigen Arbeiten auf EU-<br />
Ebene zur Überarbeitung der Pensionsfondsrichtlinie und der<br />
Richtlinie zur Verbesserung der Portabilität von Zusatzrentensprüchen.<br />
Der Subsidiaritätsbericht benennt aber auch Politikfelder, in denen<br />
eine stärkere europäische Zusammenarbeit nötig sei. Neben<br />
der Regulierung des Finanzmarkts treffe dies auch auf die<br />
Energie-, Klima-, Asyl- und Migrationspolitik, die Vollendung<br />
des gemeinsamen Binnenmarkts, den Kampf gegen Steuerhinterziehung<br />
sowie auf die Verteidigungspolitik zu. Diese Forderungen,<br />
die unter Mitarbeit des niederländischen Schwesterverbands<br />
der BDA, VNO-NCW, erarbeitet wurden, werden auch<br />
von der BDA unterstützt.<br />
Nachdem sich das niederländische Parlament ausführlich mit<br />
dem Subsidiaritätsbericht befasst hat, wird der Bericht dann auf<br />
europäischer Ebene mit der <strong>Euro</strong>päischen Kommission und<br />
dem Rat diskutiert, wo um Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten<br />
geworben werden soll. Der Subsidiaritätsbericht könnte<br />
in einen Aktionsplan für eine bescheidenere und besonnenere,<br />
aber effektivere EU übersetzt werden.<br />
EU-Konsultation zu „Schwarzarbeit“<br />
Matthias Beninde<br />
Effektive Bekämpfung von Schwarzarbeit in<br />
der EU<br />
Die <strong>Euro</strong>päische Kommission hat im Juli <strong>2013</strong> eine Konsultation<br />
der europäischen Sozialpartner nach Artikel 154 AEUV eingeleitet.<br />
Ziel dieser Konsultation ist es, künftige EU-<br />
Maßnahmen zur Prävention und Abschreckung nicht angemeldeter<br />
Erwerbstätigkeit zu ermitteln. Dies soll insbesondere<br />
durch eine bessere Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen<br />
Durchsetzungsbehörden (z. B. Arbeitsaufsichts-, Steuer oder<br />
Sozialversicherungsbehörden) erfolgen. Zentraler Vorschlag<br />
der <strong>Euro</strong>päischen Kommission ist es, auf EU-Ebene eine Plattform<br />
für Arbeits- und andere Durchsetzungsbehörden einzurichten,<br />
um gegen Schwarzarbeit vorzugehen.<br />
Schwarzarbeit führt zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten<br />
gesetzestreuer Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zu Einnahmeausfällen<br />
in den sozialen Sicherungssystemen und den öffentlichen<br />
Hauhalten. Daneben werden die Steuermoral und das<br />
Vertrauen in staatliche Institutionen und Systeme untergraben.<br />
Schwarzarbeit muss daher effektiver als bisher eingedämmt<br />
werden. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die<br />
<strong>Euro</strong>päische Kommission Überlegungen anstellt, wie die EU die<br />
Mitgliedstaaten dabei ergänzend unterstützen kann. Die von<br />
der <strong>Euro</strong>päischen Kommission in dem Konsultationspapier angedachte<br />
Plattform kann dabei ein Instrument zur Verbesserung<br />
der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.<br />
Ziel dieser Plattform sollte es vorranging sein, die Zusammenarbeit<br />
zwischen den Behörden zu erleichtern und zu<br />
unterstützen (z. B. durch Mitarbeiteraustausch und gemeinsame<br />
Schulungen) und den Austausch bewährter Verfahren<br />
(„best practices“) zu fördern.<br />
BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | 01. Oktober <strong>2013</strong> 4
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Faktoren für<br />
die Begünstigung von Schwarzarbeit je nach Mitgliedstaat beträchtlich<br />
variieren. Deshalb muss die Bekämpfung von<br />
Schwarzarbeit in erster Linie Aufgabe der Mitgliedstaaten sein.<br />
Mitgliedstaatliche Behörden spielen bei Prävention, Aufdeckung<br />
und Ahndung von Schwarzarbeit eine zentrale Rolle. Ebenso<br />
ist es angesichts der Komplexität und der vielfältigen Formen<br />
von Schwarzarbeit ein umfassendes Konzept erforderlich, mit<br />
dem Schwarzarbeit finanziell unattraktiver gemacht wird, die<br />
Verwaltung reformiert und vereinfacht sowie die Überwachung<br />
und Ahndung verschärft werden. Entsprechende Maßnahmen<br />
werden je nach Mitgliedstaat stark variieren. Ein europaweit<br />
einheitliches Vorgehen („one size fits all“) ist deshalb gerade<br />
nicht zielführend. Dies muss die <strong>Euro</strong>päische Kommission bei<br />
ihrem weiteren Vorgehen konsequent berücksichtigen.<br />
G20-Arbeitsministertreffen<br />
Stefan Sträßer<br />
Sozialpartner geben wichtige Impulse zu<br />
Beschäftigungsfragen<br />
Seit dem ersten Treffen der G20-Arbeitsminister im April 2010<br />
in Washington sind beschäftigungs- und sozialpolitische Themen<br />
zu einem festen Bestandteil des G20-Prozesses geworden.<br />
Am 18./19. Juli <strong>2013</strong> fand in Moskau unter russischem<br />
Vorsitz das nunmehr vierte Treffen der G20-Arbeitsminister mit<br />
Sozialpartnerkonsultationen statt, an denen auch die BDA beteiligt<br />
war. Als zentrale Innovation richtete die russische Präsidentschaft<br />
am 19. Juli <strong>2013</strong> zudem erstmals ein gemeinsames<br />
Treffen der G20-Arbeits- und Finanzminister aus. Durch die enge<br />
Abstimmung zwischen beschäftigungs- und finanzpolitischen<br />
Instrumenten soll eine kohärente Vorgehensweise bei<br />
der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den G20-Staaten sichergestellt<br />
werden. Die russische G20-Präsidentschaft hat –<br />
wie bereits die vorangegangene Präsidentschaft Mexikos – Beschäftigung<br />
und insbesondere die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />
zu Schwerpunktthemen erklärt.<br />
Wie unter den vorangegangenen G20-Präsidentschaften Frankreichs<br />
und Mexikos hat die BDA den G20-Prozess auch unter<br />
russischem Vorsitz von Beginn an intensiv begleitet. Dadurch<br />
ist es gelungen, wichtige Forderungen der deutschen Arbeitgeber<br />
in den G20-Prozess einzubringen und sowohl in den<br />
Schlussfolgerungen der G20-Arbeitsminister als auch in der<br />
gemeinsamen Abschlusserklärung der G20-Arbeits- und Finanzminister<br />
zu verankern. So weisen die Minister auf die Notwendigkeit<br />
hin, ein förderliches Umfeld für Unternehmen zu<br />
schaffen, das es diesen ermöglicht, Investitionen zu tätigen,<br />
neue Arbeitsplätze zu schaffen und nachhaltiges Wirtschaftswachstum<br />
zu erzeugen. Hierzu gehört auch, den Zugang von<br />
Unternehmen – insbesondere von kleineren und mittleren Unternehmen<br />
(KMU) – zu Finanzierungsmitteln zu verbessern sowie<br />
Unternehmertum und Innovationen zu fördern. Weiterhin<br />
wird in den Schlussfolgerungen auf die Bedeutung von Strukturreformen<br />
zur Schaffung von nachhaltigem Wachstum hingewiesen.<br />
Die G20-Staaten sollen integrative Arbeitsmärkte fördern,<br />
die auf einer Vielzahl von Beschäftigungsformen beruhen<br />
und den Einstieg v. a. von Langzeitarbeitslosen und jungen<br />
Leuten in den Arbeitsmarkt erleichtern.<br />
Im Vorfeld der beiden Treffen hatten sich die in der B20 ("Business<br />
20")-Formation zusammengeschlossenen Vertreter führender<br />
Wirtschaftsverbände aus den G20-Staaten am 20. Juni<br />
<strong>2013</strong> in St. Petersburg getroffen, um gemeinsam mit dem Internationalen<br />
Arbeitgeberverband IOE und dem Business and Industry<br />
Advisory Committee to the OECD (BIAC) die Empfehlungen<br />
der Wirtschaft an den G20-Arbeits- und Finanzminister<br />
zu formulieren. Die BDA war mit ihrem Vize-präsidenten Prof.<br />
Randolf Rodenstock beim B20-Treffen vertreten.<br />
Prof. Rodenstock ging in seiner Rede beim B20-Treffen in St.<br />
Petersburg auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ein,<br />
die in vielen G20-Staaten eines der drängendsten Probleme<br />
darstelle. Er machte deutlich, dass es zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />
entscheidend darauf ankomme, die strukturellen<br />
Hürden für Schulabgänger und Absolventen beim Eintritt<br />
in den Arbeitsmarkt – hierzu gehören Mindestlöhne ebenso<br />
wie ein zu rigides Arbeitsrecht – zu beseitigen und die Ausbildungsinhalte<br />
eng an den Erfordernissen der Wirtschaft auszurichten.<br />
Dabei verwies Prof. Rodenstock auf die erfolgreiche<br />
Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt in Deutschland,<br />
die zum einen auf dem System der dualen Ausbildung beruhe,<br />
zum anderen auf dem Vorhandensein flexibler Beschäftigungsformen,<br />
die den Übergang von der Ausbildung in den Beruf<br />
oftmals erleichterten.<br />
Max Conzemius<br />
UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte<br />
BDA und IOE kritisieren Initiative zur Erstellung<br />
eines neuen Berichtsstandards<br />
Mazars, Shift und das Human Rights Resource Centre ASEAN<br />
(Association of South-East Asian Nations) haben eine Initiative<br />
mit dem Titel „Developing Global Standards for the Reporting<br />
and Assurance of Company Alignment with the UN Guiding<br />
Principles on Business and Human Rights" gestartet. Mazars ist<br />
eine internationale Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft<br />
mit Sitz in Frankreich. Shift ist eine in den USA ansässige<br />
gemeinnützige Nichtregierungsorganisation für Wirtschaft<br />
und Menschenrechte, deren Mitarbeiter an der Erarbeitung der<br />
UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte beteiligt<br />
waren. Im Rahmen dieser Initiative soll ein neuer Berichtsstandard<br />
zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte<br />
und ein Standard zur Überprüfung von Berichten erarbeitet<br />
werden.<br />
Die BDA und der internationale Arbeitgeberverband IOE haben<br />
zu diesem Vorhaben kritische Stellungnahmen abgegeben. Bei<br />
diesem Vorhaben wird verkannt, dass es auf internationaler,<br />
europäischer und nationaler Ebene bereits hinreichend viele<br />
BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | 01. Oktober <strong>2013</strong> 5
Standards gibt, weshalb die Erarbeitung eines weiteren Standards<br />
nicht notwendig ist. Auch wird durch diese Initiative die<br />
einheitliche Haltung und Zustimmung zu den UN-Leitprinzipien<br />
für Wirtschaft und Menschenrechte gefährdet. Schließlich wird<br />
den Möglichkeiten und Ressourcen von kleinen und mittleren<br />
Unternehmen (KMU) nicht hinreichend Rechnung getragen.<br />
Besser wären die Förderung von Dialogprozessen und der Austausch<br />
von „best practices“. Die in den letzten Jahren gestiegene<br />
Zahl der Unternehmen, die bereits jährliche entsprechende<br />
Berichte freiwillig und entsprechend ihrer Tätigkeitsfelder veröffentlichen,<br />
belegt, dass auch ohne weitere neue Standards die<br />
Unternehmen für Transparenz und Glaubwürdigkeit ihres Engagements<br />
sorgen.<br />
Richtlinienvorschlag zur Frauenquote<br />
Paul Noll<br />
<strong>Euro</strong>päisches Parlament streitet heftig über<br />
EU-Frauenquote<br />
Kontrovers wurden in einer gemeinsamen Sitzung der zwei federführenden<br />
Ausschüsse des <strong>Euro</strong>päischen Parlaments am<br />
18. September <strong>2013</strong> die über 300 Änderungsanträge zum Berichtsentwurf<br />
zu dem vergangenen Jahr von der <strong>Euro</strong>päischen<br />
Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlag über eine<br />
40-prozentige Frauenquote für Aufsichtsräte in börsennotierten<br />
Unternehmen diskutiert. Hauptstreitpunkte waren die von den<br />
Ko-Berichterstatterinnen Evelyn Regner (S&D-Fraktion, Österreich)<br />
aus dem Rechtsausschuss und Rodi Kratsa-<br />
Tsagaropoulou (EVP-Fraktion, Griechenland) aus dem Ausschuss<br />
für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter<br />
geforderte Ausweitung des Anwendungsbereichs auf<br />
kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie die Streichung<br />
der im Richtlinienvorschlag enthaltenen Ausnahme, wenn das<br />
unterrepräsentierte Geschlecht weniger als 10 Prozent der Belegschaft<br />
ausmacht. Einige Abgeordnete wandten sich gegen<br />
diese auch im Vorfeld von der BDA stark kritisierten Verschärfungsvorschläge.<br />
Ko-Berichterstatterin Kratsa-Tsagaropoulou<br />
schlug daraufhin vor, zunächst eine Auswirkungsstudie der<br />
Richtlinie auf KMU in Auftrag zu geben und die Entscheidung<br />
über eine Einbeziehung von KMU auf einen späteren Zeitpunkt<br />
zu verschieben.<br />
Änderungsanträgen zur Ausweitung der Richtlinienvorgaben<br />
auf Vorstände und andere Managementebenen erteilten beide<br />
Ko-Berichterstatterinnen eine Absage, man müsse realistisch<br />
bleiben. Dieses Zurückrudern und die Tatsache, dass sich einige<br />
Ausschussmitglieder vehement gegen den Richtlinienvorschlag<br />
als völlig falschen Ansatz und stattdessen für freiwillige<br />
Maßnahmen aussprachen, sind als positive Entwicklungen zu<br />
begrüßen. Untragbar ist dagegen, dass sich beide Ko-<br />
Berichterstatterinnen nach wie vor für die Streichung der<br />
10-Prozent-Ausnahme und gegen die von Angelika Niebler<br />
(EVP-Fraktion, Deutschland) richtigerweise eingebrachte Forderung<br />
der Ausnahme von Familienunternehmen einsetzen.<br />
Angesichts des deutlichen Verhandlungsbedarfs bleibt abzuwarten,<br />
ob beide Ausschüsse wie geplant am 14. Oktober <strong>2013</strong><br />
über den Berichtsentwurf abstimmen werden. Derzeit ist noch<br />
geplant, dass das Plenum des <strong>Euro</strong>päischen Parlaments im<br />
November <strong>2013</strong> über den Bericht abstimmen wird. Bei den weiteren<br />
Beratungen in Rat und <strong>Euro</strong>päischem Parlament wird sich<br />
die BDA gemeinsam mit dem BDI weiterhin aktiv gegen eine<br />
pauschale Zwangsquote auf EU-Ebene einsetzen.<br />
Christina Breit<br />
Eignungstest („fitness check“) der <strong>Euro</strong>päischen Kommission<br />
Richtlinien zur <strong>Info</strong>rmation und Konsultation<br />
der Arbeitnehmer sind „fit for purpose“<br />
Die <strong>Euro</strong>päische Kommission hat im Juli <strong>2013</strong> das Ergebnis<br />
des Eignungstests ("fitness check") der Richtlinien zur <strong>Info</strong>rmation<br />
und Konsultation der Arbeitnehmer vorgestellt, mit dessen<br />
Durchführung sie bereits 2010 begonnen hatte. Mit diesem<br />
Eignungstest wollte die <strong>Euro</strong>päische Kommission ermitteln, ob<br />
die Richtlinie über Massenentlassungen (Richtlinie 98/59/EG),<br />
die Betriebsübergangsrichtlinie (Richtlinie 2001/23/EG) sowie<br />
die Rahmenrichtlinie über <strong>Info</strong>rmation und Konsultation der Arbeitnehmer<br />
(Richtlinie 2002/14/EG) übermäßige Belastungen,<br />
Überschneidungen, Lücken oder Widersprüche mit sich gebracht<br />
haben.<br />
Das Fazit des Berichts der <strong>Euro</strong>päischen Kommission lautet,<br />
dass die drei Richtlinien "generell relevant, wirksam und kohärent"<br />
seien und "einander wechselseitig stärkten", d. h. für ihren<br />
Zweck geeignet sind. Dieses Ergebnis entspricht auch der Einschätzung<br />
der deutschen Arbeitgeber, die sich bei der Befragung<br />
der Sozialpartner durch die <strong>Euro</strong>päische Kommission intensiv<br />
in den Eignungstest eingebracht hatten. Die deutschen<br />
Arbeitgeber hatten dabei deutlich gemacht, dass das System<br />
der <strong>Info</strong>rmation und Konsultation der Arbeitnehmer in Deutschland<br />
funktioniere und die deutschen Vorgaben – insbesondere<br />
des BetrVG – ohnehin weit über die Vorgaben der europäischen<br />
Richtlinien hinausgingen.<br />
Die <strong>Euro</strong>päische Kommission zieht in ihrem Bericht im Zusammenhang<br />
mit der Kohärenz der drei Richtlinien – insbesondere<br />
bei den Definitionen – eine vertiefte Diskussion mit den Beteiligten<br />
in Betracht und schließt nicht aus, dass dieser Prozess<br />
letztlich zu einer Konsolidierung der Richtlinien führen könnte.<br />
Eine Konsolidierung der Richtlinien würde jedoch den besonderen<br />
Fallgestaltungen, für die die einzelnen Richtlinien geschaffen<br />
wurden, widersprechen. Vielfach liegen die Probleme bei<br />
den Richtlinien auf nationaler Ebene, so dass auch die Lösung<br />
auf nationaler Ebene erfolgen muss.<br />
Stefan Sträßer<br />
BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | 01. Oktober <strong>2013</strong> 6
Mindestvorschriften bei Betriebsrenten<br />
Start der Trilogverhandlungen zur „Ex-<br />
Portabilitätsrichtlinie“<br />
Am 25. September <strong>2013</strong> haben Rat, <strong>Euro</strong>päisches Parlament<br />
und <strong>Euro</strong>päische Kommission informelle Verhandlungen („Trilog“)<br />
bezüglich des Richtlinienvorschlags über „Mindestvorschriften<br />
zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern durch<br />
Verbesserung der Begründung und Wahrung von Zusatzrentenansprüchen“<br />
(vormals „Portabilitätsrichtlinie“) aufgenommen.<br />
Die Verhandlungen sollen trotz bestehender Differenzen noch<br />
unter der laufenden litauischen EU-Ratspräsidentschaft zum<br />
Abschluss kommen.<br />
Der Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz<br />
hatte seine Verhandlungsposition im Rahmen<br />
seiner Sitzung am 20. Juni <strong>2013</strong> festgelegt. Die dort erzielte<br />
politische Einigung sieht u. a. vor, dass die Unverfallbarkeitsfrist<br />
maximal drei Jahre statt der derzeit in Deutschland geltenden<br />
fünf Jahre betragen darf und das Mindestalter, das in Deutschland<br />
zur Zeit bei 25 Jahren liegt, auf maximal 21 Jahre herabgesetzt<br />
werden muss. Der Ausschuss für Beschäftigung und<br />
soziale Angelegenheiten des <strong>Euro</strong>päischen Parlaments hatte<br />
im Juli <strong>2013</strong> das Mandat für Verhandlungen mit dem Rat über<br />
diesen Richtlinienvorschlag basierend auf dem Bericht des<br />
Ausschusses vom 20. Juni 2007 erteilt. Die Berichterstatterin,<br />
Ria Oomen-Ruijten (EVP-Fraktion, Niederlande) hält eine Unverfallbarkeitsfrist<br />
von drei Jahren für zu hoch und eine Frist<br />
von drei Jahren bis zum Inkrafttreten plus u. U. einer weiteren<br />
Umsetzungsfrist von zwei Jahren für zu lang. Außerdem hat sie<br />
Bedenken gegen die vom Rat gewählte Rechtsgrundlage (Artikel<br />
46 AEUV) und spricht sich für eine doppelte Rechtsgrundlage<br />
(Artikel 46 AEUV i. V. m. Artikel 115 AEUV) aus. Damit wären<br />
nicht nur grenzüberschreitende, sondern auch nationale<br />
Sachverhalte erfasst, und im Rat müsste der Text einstimmig<br />
angenommen werden.<br />
Da alle Beteiligten trotz der noch bestehenden Differenzen den<br />
Willen bekundet haben, den Trilog zügig zum Abschluss zu<br />
bringen, ist davon auszugehen, dass bis Ende Oktober/Anfang<br />
November eine Einigung erzielt wird. Das Plenum des <strong>Euro</strong>päischen<br />
Parlaments könnte dann bereits Ende November, spätestens<br />
Anfang Dezember über das Ergebnis des Trilogs abstimmen.<br />
Anschließend wird die Annahme im Rat erfolgen.<br />
OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen<br />
Katrin Sturm<br />
BIAC-Studie zum NKS-Verfahren nach den<br />
OECD-Leitsätzen<br />
Das Business and Industry Advisory Committee to the OECD<br />
(BIAC) hat die Ergebnisse einer Studie zu den Erfahrungen von<br />
multinationalen Unternehmen mit den Antragstellern von Verfahren<br />
vor den Nationalen Kontaktstellen (NKS) nach den<br />
OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen veröffentlicht.<br />
Danach zeigen die Erfahrungen von multinationalen Unternehmen,<br />
dass in einer Vielzahl von Fällen ein bedeutsamer Multistakeholder-Dialog<br />
eingeleitet und eine Lösung des Falls erreicht<br />
werden konnte. In einigen Fällen wurde jedoch von den<br />
Antragstellern die Bedeutung des NKS-Verfahrens verkannt.<br />
BIAC hat deshalb Empfehlungen abgegeben und dargelegt, wie<br />
die Wirksamkeit des NKS-Verfahrens noch weiter verbessert<br />
werden kann, um die weltweite Verbreitung der OECD-<br />
Leitsätze über die OECD-Mitgliedstaaten hinaus zu befördern.<br />
In der Studie wird klargestellt, dass die NKS dazu dienen sollen,<br />
in den eingereichten Fällen durch ein Mediationsverfahren<br />
zur Problemlösung beizutragen und dass sie faires Verhalten<br />
fördern sollen.<br />
Paul Noll<br />
Auch wenn die Ratsposition und die des <strong>Euro</strong>päischen Parlaments<br />
in einigen Punkten voneinander abweichen, ist jetzt<br />
schon absehbar, dass der zu findende Kompromiss mit Belastungen<br />
für die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland verbunden<br />
sein wird. Nachdem es im Zuge der Ratsverhandlungen<br />
bereits gelungen war, erheblich weitergehende Verschlechterungen,<br />
wie eine noch stärkere Verkürzung der Unverfallbarkeitsfrist,<br />
abzuwenden, wird sich die BDA auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren<br />
hierfür einsetzen. Im Rahmen des Trilogs<br />
darf es nicht zu der parlamentsseitig, aber auch von einigen<br />
Mitgliedstaaten geforderten Verkürzung der Unverfallbarkeitsfrist<br />
kommen. Je niedriger die Unverfallbarkeitsfrist festgelegt<br />
wird, desto stärker würde die Zahl der Kleinstanwartschaften<br />
zunehmen, was wiederum einen höheren Verwaltungs- und<br />
damit Kostenaufwand nach sich ziehen würde. Außerdem bedeutet<br />
eine Reduzierung der Unverfallbarkeitsfrist eine Entwertung<br />
der betrieblichen Altersvorsorge als Personalbindungsinstrument.<br />
Das berechtigte Interesse der Arbeitgeber, Fachkräfte<br />
zu halten, muss jedoch berücksichtigt werden.<br />
BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>04</strong> | 01. Oktober <strong>2013</strong> 7