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Euro-Info Nr. 05/2014

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Brüsseler Wirtschaftsgespräch<br />

Arbeitgeberpräsident Kramer stellt Erwartungen der Deutschen Wirtschaft an die neue EU-<br />

Kommission vor<br />

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer stellte das Thema „Herausforderungen<br />

europäischer Politik aus der Perspektive der Deutschen<br />

Wirtschaft“ in den Mittelpunkt seiner Rede beim Brüsseler<br />

Wirtschaftsgespräch des BDI am 3. Dezember <strong>2014</strong>. „Für<br />

die neue <strong>Euro</strong>päische Kommission gilt es jetzt, ihre Handlungsfähigkeit<br />

zügig und mit den richtigen Prioritäten unter Beweis zu<br />

stellen“, lautete seine Kernbotschaft.<br />

Er betonte, dass der europäische Einigungsprozess ein historisch<br />

beispielloser, zugleich aber auch beispielgebender Prozess<br />

sei. Die aktuellen internationalen Krisen, die sich in und<br />

vor der Haustür <strong>Euro</strong>pas abspielten, untermauerten die Gründungsidee<br />

eines einigen <strong>Euro</strong>pas zum Zwecke unverbrüchlichen<br />

Friedens in einer sozialen Marktwirtschaft. Zweifellos<br />

werde eine starke und handlungsfähige <strong>Euro</strong>päische Union gebraucht.<br />

„Politische Stabilität, wirtschaftliche Prosperität und<br />

soziale Sicherheit, gedeihliches Zusammenleben in kultureller<br />

Vielfalt – also letztlich das, was wir als unser „<strong>Euro</strong>päisches<br />

Sozialmodell“ verstehen: All das hängt vom weiteren Gelingen<br />

der europäischen Integration ab.“<br />

Niedriges Wachstum, hohe Arbeitslosigkeit, alarmierende Jugendarbeitslosigkeit,<br />

zu viel innovations- und kreativitätsbremsende<br />

Bürokratie – die EU stehe vor der Aufgabe, durch die<br />

Koordinierung nationaler Wirtschaftspolitiken Strukturreformen<br />

für offene und dynamische Arbeitsmärkte und nachhaltige Sozialsysteme<br />

voranzutreiben. Kramer bekräftigte, dass jeder EU-<br />

Mitgliedstaat im Rahmen der gemeinsam gesetzten europäischen<br />

Regeln seine konkreten Probleme durch ein eigenes Reformprogramm<br />

adressieren müsse. Das Investitionspaket von<br />

EU-Kommissionspräsident Juncker für eine wachstumsorientierte<br />

Nutzung des EU-Haushalts sei ein wichtiges flankierendes<br />

Signal. Nun stehe jeder Mitgliedstaat selbst in der Pflicht,<br />

die von der EU-Kommission formulierten und im Rat vereinbarten<br />

länderspezifischen Empfehlungen umzusetzen. Auch wenn<br />

solche Restrukturierungsprozesse Zeit erforderten und Kosten<br />

verursachten, stelle sich irgendwann der Erfolg ein. Der Arbeitgeberpräsident<br />

erinnerte an die positiven Entwicklungen in den<br />

Reformländern sowie die eigenen Erfahrungen in Deutschland.<br />

„Wir waren zum Jahrtausendwechsel der kranke Mann <strong>Euro</strong>pas.<br />

Mit politischem Mut entschieden wir uns für einen<br />

schmerzhaften und anfangs mit einer nochmals steigenden Arbeitslosigkeit<br />

verbundenen, steinigen, aber letztlich erfolgreichen<br />

Weg aus der festgefahrenen Arbeitsmarktfalle.“<br />

Dass die neue EU-Kommission die Kommission der „letzten<br />

Chance“ sei, so Junckers eigene Worte, glaube Kramer nicht.<br />

Bei der Fortentwicklung des europäischen Einigungswerks solle<br />

die EU-Kommission es allerdings schaffen, in den großen<br />

Fragen Größe und ehrgeizigen Einigungswillen zu zeigen und<br />

<strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong><br />

Brüsseler Wirtschaftsgespräch: Erwartungen der Deutschen<br />

Wirtschaft an die neue EU-Kommission<br />

BDA-Strategiepapier: Globale Wettbewerbsfähigkeit ist<br />

Grundlage für soziale Dimension in der EU<br />

Neuer Vorsitzender des BDA-Ausschusses für Sozialpolitik<br />

in der <strong>Euro</strong>päischen Union<br />

Investitionspaket der EU-Kommission<br />

Jahreswachstumsbericht 2015<br />

<strong>Euro</strong>pa-2020-Strategie<br />

EuGH-Rechtsprechung: Urteil in der Rechtsache „Dano“<br />

<strong>Euro</strong>päischer Sozialer Dialog<br />

EU-Haushalt 2015<br />

ILO-Übereinkommen 87 zur Vereinigungsfreiheit<br />

Bündnis für nachhaltige Textilien<br />

Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und<br />

Menschenrechte<br />

IOE-Konferenz zu Wirtschaft und Menschenrechten<br />

Impressum<br />

BDA | Bundesvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

Mitglied von BUSINESSEUROPE<br />

Breite Straße 29 | 10178 Berlin<br />

T +49 30 2033-1900<br />

F +49 30 2033-19<strong>05</strong><br />

europa@arbeitgeber.de<br />

Verantwortlich: Renate Hornung-Draus<br />

Redaktion: Martin Kumstel<br />

Satz: Maria Scheibner<br />

Offizielle Stellungnahmen der Bundesvereinigung der Deutschen<br />

Arbeitgeberverbände sind als solche gekennzeichnet<br />

BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong>


sich in kleinen Fragen durch Zurückhaltung und Bescheidenheit<br />

auszuzeichnen.<br />

Zu den großen Themen gehörte demnach der digitale Binnenmarkt.<br />

Der ganzheitlichen Betrachtung der digitalen Revolution<br />

von EU-Kommissar Günther Oettinger folgend, sollte dieser Bereich<br />

nicht allein auf Verbraucherschutz reduziert werden. Eine<br />

erstklassige Breitbandinfrastruktur sei für Wirtschaft und Gesellschaft<br />

nötig. Als weiteren Schlüsselbereich nannte Kramer<br />

die Vollendung des europäischen Energiebinnenmarkts. Durch<br />

ein tatsächlich vernetztes internationales Energiesystem seien<br />

Diversifizierung, Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz zu<br />

erzielen. Dritte wachstumsrelevante Priorität sei der erfolgreiche<br />

Abschluss des transatlantischen Freihandelsabkommens<br />

TTIP. Vor dem Hintergrund der bereits weit fortgeschrittenen<br />

emotionalen Debatte über TTIP, müsse sich die Wirtschaft<br />

noch viel stärker sachlich aufklärend in die Diskussion einbringen.<br />

Es gelte zu wiederholen, dass der Gegenstand der Verhandlungen<br />

das Wegräumen unnötiger gegenseitiger Barrieren<br />

für Handel und Investitionen sei – ausdrücklich unter Wahrung<br />

des hohen Niveaus der jeweiligen Schutzstandards beider<br />

Wirtschaftsräume.<br />

Kramer führte weiter aus, dass Grundlage für eine starke soziale<br />

Dimension der EU sei, die Attraktivität des Standorts <strong>Euro</strong>pa<br />

durch eine konsequente Ausrichtung auf globale Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu verbessern und somit die Basis für einen nachhaltigen<br />

Aufbau von Beschäftigung in <strong>Euro</strong>pa zu schaffen. Der europäischen<br />

Sozialpolitik komme dabei eine bedeutende Rolle<br />

zu, da durch sie Mindeststandards gesetzt werden, die Wettbewerbsverzerrungen<br />

in der EU vorbeugen. Da auf europäischer<br />

Ebene jedoch bereits ein umfangreicher Korpus an EU-<br />

Sozialregulierung besteht, sollte sich das Team von Jean-<br />

Claude Juncker auf die korrekte und gleichmäßige nationale<br />

Umsetzung der vorhandenen Gesetzgebung konzentrieren.<br />

Von weiteren regulatorischen Initiativen in der Sozialpolitik, die<br />

zu mehr Kosten und Bürokratie in <strong>Euro</strong>pa führen, müsse Abstand<br />

genommen werden.<br />

Darüber hinaus müsse die neue EU-Kommission das Subsidiaritäts-<br />

und Verhältnismäßigkeitsprinzip konsequent einhalten.<br />

Darin liege ein Schlüssel, um die Akzeptanzkrise der EU in weiten<br />

Teilen der Bevölkerung zu überwinden. So müssten Richtlinienvorschläge<br />

vom Tisch genommen werden, die seit Jahren<br />

im Rat ergebnislos diskutiert werden und blockiert seien. Das<br />

prominenteste Beispiel dieser falsch angelegten Richtlinienvorschläge<br />

sei die Überarbeitung der bestehenden Mutterschutzrichtlinie.<br />

Auch die Revision der Pensionsfondsrichtlinie müsse<br />

so ausgestaltet werden, dass die betriebliche Altersvorsorge als<br />

größte freiwillige Sozialleistung der Arbeitgeber nicht durch teure<br />

und bürokratische Zusatzbelastungen geschwächt werde.<br />

Zuversichtlich für eine erfolgreiche europäische Zukunft zeigte<br />

sich der Arbeitgeberpräsident zum Schluss seiner Rede. Mit<br />

der raschen Vorlage des angekündigten Investitionspakets habe<br />

die neue EU-Kommission zügige Handlungsfähigkeit bewiesen.<br />

Ähnlich müsse sie nun bei den größten wachstumsrelevanten<br />

Themen – Digitaler Binnenmarkt, Energieunion und<br />

TTIP – vorankommen.<br />

BDA-Strategiepapier<br />

Séverine Féraud<br />

Globale Wettbewerbsfähigkeit ist Grundlage<br />

für soziale Dimension in der EU<br />

Zum Amtsantritt der neuen EU-Kommission hat der <strong>Euro</strong>paausschuss<br />

der BDA eine strategische Positionierung „Beschäftigung<br />

und Wohlstand in <strong>Euro</strong>pa durch globale Wettbewerbsfähigkeit<br />

– Herausforderungen für die europäische Sozialpolitik"<br />

veröffentlicht.<br />

Die Kernbotschaft der BDA ist, dass die angespannte soziale<br />

Lage in der EU nicht auf ein Defizit in der Sozialpolitik zurückzuführen<br />

ist, sondern auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />

infolge mangelnder globaler Wettbewerbsfähigkeit. <strong>Euro</strong>pa verfügt<br />

über die weltweit am weitesten entwickelten Sozialsysteme.<br />

Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit und sozialen Probleme<br />

ist die mangelnde Attraktivität des Standorts <strong>Euro</strong>pa für private<br />

Investoren. Diese muss durch eine konsequent auf globale<br />

Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtete Reformpolitik verbessert<br />

werden, mit der auch strukturelle Probleme in den Arbeitsmarkt-<br />

und Sozialsystemen gelöst werden. Damit wird die<br />

Grundlage für einen nachhaltigen Aufbau von Beschäftigung in<br />

<strong>Euro</strong>pa geschaffen und die soziale Dimension der EU gestärkt.<br />

Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat<br />

die soziale Dimension der EU zu einer Priorität für die Arbeit in<br />

seiner Amtszeit gemacht. In der neuen EU-Kommission sind<br />

die beiden Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis und Jyrki<br />

Katainen sowie die Kommissarin Marianne Thyssen mit sozialpolitischen<br />

Zuständigkeiten betreut worden. Durch den Zuschnitt<br />

der Portfolios der beiden Vizepräsidenten Dombrovskis<br />

und Katainen wird die beabsichtigte enge Verzahnung der Sozialpolitik<br />

mit der Wirtschaftspolitik zum Ausdruck gebracht.<br />

Das BDA-Strategiepapier ist abrufbar unter:<br />

http://goo.gl/d7iC7K<br />

Martin Kumstel<br />

BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong>


Personalie<br />

Prof. Dr. Siegfried Russwurm übernimmt<br />

Vorsitz des BDA-Ausschusses für Sozialpolitik<br />

in der <strong>Euro</strong>päischen Union<br />

Herr Prof. Dr. Siegfried Russwurm, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor<br />

Siemens AG, wurde am 3. November <strong>2014</strong> einstimmig<br />

zum Vorsitzenden des Ausschusses für Sozialpolitik in<br />

der <strong>Euro</strong>päischen Union benannt. Damit ist die BDA exzellent<br />

aufgestellt für die anstehenden Beratungen auf EU-Ebene über<br />

die Fortentwicklung der sozialen Dimension der EU, die Kommissionspräsident<br />

Juncker zu einer Priorität der Arbeit der neuen<br />

EU-Kommission gemacht hat.<br />

Juncker-Plan<br />

Martin Kumstel<br />

315-Milliarden-<strong>Euro</strong>-Investitionspaket der<br />

EU-Kommission: Schwerpunkt liegt auf Mobilisierung<br />

privater Investitionen<br />

Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, hat<br />

am 26. November <strong>2014</strong> im <strong>Euro</strong>päischen Parlament (EP) in<br />

Straßburg sein Investitionspaket für die <strong>Euro</strong>päische Union in<br />

Höhe von 315 Mrd. € vorgestellt. Damit werden die bei der Antrittsrede<br />

vor dem EP im Juli <strong>2014</strong> bereits angekündigten Eckpunkte<br />

konkretisiert, wonach in den kommenden drei Jahren<br />

300 Mrd. € für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung<br />

in der EU mobilisiert werden sollen. Motiviert wird der<br />

Investitionsplan durch die seit mehreren Jahren andauernde<br />

Stagnation bei den privaten und öffentlichen Investitionen in<br />

vielen europäischen Ländern, die nachhaltige negative Effekte<br />

auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU entfalten könnte.<br />

Mit dem Paket hat sich die EU-Kommission nun darauf geeinigt,<br />

einen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) in Höhe<br />

von 21 Mrd. € einzurichten. Davon sollen 16 Mrd. € in Form einer<br />

Garantie aus bereits vorhandenen EU-Haushaltsmitteln<br />

kommen, u. a. aus nicht genutzten Mitteln der „Connecting <strong>Euro</strong>pe"-Fazilität<br />

oder des „Horizon 2020"-Programms. Die restlichen<br />

5 Mrd. € sollen aus dem Budget der <strong>Euro</strong>päischen Investitionsbank<br />

(EIB) beigesteuert werden. Der Fonds wird Teil der<br />

EIB-Gruppe.<br />

Eine Beteiligung der Mitgliedstaaten am EFSI hat die EU-<br />

Kommission zwar nicht zwingend vorgesehen, jedoch können<br />

sich die Mitgliedstaaten direkt oder über ihre jeweiligen Förderbanken<br />

freiwillig am Fonds beteiligen. In diesem Fall sollen<br />

– nach den Vorstellungen der EU-Kommission – die nationalen<br />

Beiträge bei der Bewertung der Staatsfinanzen im Rahmen des<br />

Stabilitäts- und Wachstumspakts positiv berücksichtigt werden.<br />

Der EFSI soll bis Mitte 2015 einsatzbereit sein. Zunächst müssen<br />

das EP und der Rat dem Investitionsplan zustimmen.<br />

Damit die 315 Mrd. € an zusätzlichem öffentlichem und privatem<br />

Kapital erreicht werden, soll der 21 Mrd. € schwere<br />

Fonds mittels Hebelwirkung 15-mal so viel Privatkapital in den<br />

nächsten 3 Jahren (2015-2017) für Investitionen mobilisieren.<br />

Dafür soll der Fonds Bürgschaften übernehmen, einen Teil des<br />

Verlustrisikos bei Investitionsprojekten absichern oder Kredite<br />

vergeben. Gefördert werden sollen Projekte in Infrastruktur, vor<br />

allem Energie- und digitale Infrastruktur sowie Bildung, Forschung<br />

und Entwicklung, mit dem Ziel, den Wachstum in der<br />

EU anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Ausgewählt<br />

werden die Projekte von einer Task Force aus Vertretern der<br />

EU-Kommission und der EIB. Die Task Force wird bereits bei<br />

der nächsten Sitzung des ECOFIN-Rats am 9. Dezember <strong>2014</strong><br />

mögliche Investitionsprojekte vorstellen.<br />

Das Investitionspaket sieht eine Road Map mit Maßnahmen<br />

vor, um investitionsschädigende Regulierungen in wichtigen<br />

Sektoren abzubauen, u. a. in den Bereichen Energie, Telekommunikation,<br />

Digitales und Transport sowie im Finanzsektor.<br />

Die EU-Kommission wird hierzu noch im Dezember 2015 eine<br />

Prioritätenliste mit entsprechenden Initiativen im Rahmen ihres<br />

Arbeitsprogramms vorstellen.<br />

Die BDA begrüßt, dass die neue EU-Kommission die Stärkung<br />

privater und öffentlicher Investitionen in der EU vorantreiben<br />

will. Positiv zu bewerten ist die Entscheidung der EU-<br />

Kommission, zu diesem Zweck vorhandene Mittel umzuschichten<br />

und auf schuldenfinanzierte Impulse zu verzichten. Damit<br />

setzt EU-Kommissionspräsident Juncker ein klares Zeichen<br />

gegenüber den Mitgliedstaaten, dass der Konsolidierungspfad<br />

nicht verlassen werden darf. Aufgrund der mit der Hebelung<br />

verbundenen potentiellen finanziellen Risiken für die Steuerzahler<br />

kommt es allerdings darauf an, dass die Auswahl der<br />

Investitionsprojekte durch die Task Force besonders sorgfältig<br />

durchgeführt wird, um besonders riskante Maßnahmen auszuschließen.<br />

Zur Stärkung der privaten Investitionstätigkeit müssen die<br />

Rahmenbedingungen in den EU-Mitgliedstaaten noch erheblich<br />

verbessert werden, u. a. durch wettbewerbsfähige Energiekosten,<br />

flexible Arbeitsmärkte und investitionsfreundliche Steuersysteme.<br />

Daher dürfen die Mitgliedstaaten in ihrer Bereitschaft,<br />

die notwendigen Strukturreformen durchzuführen, nicht nachlassen.<br />

Zudem ist es wichtig, dass öffentliche Investitionen unabhängig<br />

vom neuen Investitionsfonds auf nationaler Ebene<br />

haushaltsneutral angeschoben werden.<br />

Elisaveta Gomann<br />

BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong> 3


Jahreswachstumsbericht 2015<br />

EU-Kommission schlägt Straffung des <strong>Euro</strong>päischen<br />

Semesters vor<br />

In ihrem Jahreswachstumsbericht für das Jahr 2015 ruft die<br />

EU-Kommission die Mitgliedstaaten dazu auf, stärker auf Investitionen,<br />

Strukturreformen und haushaltspolitische Verantwortung<br />

zu setzen, um Wachstum und Beschäftigung in der EU zu<br />

fördern. Mit dem am 28. November <strong>2014</strong> verabschiedeten Jahreswachstumsbericht<br />

hat die EU-Kommission den jährlichen<br />

Zyklus der wirtschaftspolitischen Koordinierung – das sog. <strong>Euro</strong>päische<br />

Semester – eingeleitet. Das <strong>Euro</strong>päische Semester<br />

dient dazu, wichtige fiskal- und strukturpolitische Reformen in<br />

den Mitgliedstaaten anzustoßen und zu koordinieren.<br />

Die EU-Kommission empfiehlt im Jahreswachstumsbericht<br />

2015 eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die auf drei Säulen beruht:<br />

<br />

<br />

<br />

Koordinierte Investitionsimpulse,<br />

Erneutes Engagement für Strukturreformen,<br />

Verantwortungsvolle Fiskalpolitik.<br />

Die EU-Kommission schlägt zudem eine Straffung und Stärkung<br />

des <strong>Euro</strong>päischen Semesters vor. Es soll effektiver gestaltet<br />

und politischer ausgerichtet werden. Mit einem gestrafften<br />

<strong>Euro</strong>päischen Semester werden eine stärkere Identifikation<br />

mit dem Verfahren sowie eine höhere Rechenschaftspflicht und<br />

Akzeptanz angestrebt. Das Verfahren soll an Glaubwürdigkeit<br />

gewinnen, die Vergleichbarkeit zwischen den Mitgliedstaaten<br />

soll zunehmen und die länderspezifischen Empfehlungen sollen<br />

von den Mitgliedstaaten besser umgesetzt werden.<br />

Die BDA begrüßt, dass die neue EU-Kommission die Stärkung<br />

privater und öffentlicher Investitionen vorantreiben will, dabei<br />

aber auf schuldenfinanzierte Impulse verzichtet. Auch ist es<br />

richtig, dass die EU-Kommission die Bedeutung einer auf<br />

Wachstum und Beschäftigung gerichteten Politik betont und auf<br />

den richtigen Weg einer wachstumsfördernden Haushaltskonsolidierung<br />

abstellt.<br />

Richtigerweise weist die EU-Kommission auf die Notwendigkeit<br />

hin, das <strong>Euro</strong>päische Semester zu straffen und aufzuwerten<br />

und es somit effektiver zu gestalten. Die Erfahrungen der vergangenen<br />

Jahre haben gezeigt, dass es vor allem massive Defizite<br />

bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen<br />

waren, die den Erfolg der europäischen Reformstrategie behindert<br />

haben. Ziel der Stärkung des <strong>Euro</strong>päischen Semesters<br />

muss daher sein, dass die in den länderspezifischen Empfehlungen<br />

beschriebenen Strukturreformen von den Mitgliedstaaten<br />

auch tatsächlich umgesetzt werden und damit eine kohärente<br />

europäische Reformpolitik sichergestellt wird.<br />

Dazu gehört auch, dass das <strong>Euro</strong>päische Semester noch stärker<br />

als bisher auf die grundlegende Bekämpfung der strukturellen<br />

Ursachen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit in den einzel-<br />

nen Mitgliedsaaten ausgerichtet wird.<br />

Der Vorschlag der EU-Kommission, die Einbindung sowohl der<br />

nationalen als auch der europäischen Sozialpartner in das <strong>Euro</strong>päische<br />

Semester noch weiter zu vertiefen und zu verstetigen,<br />

ist ausdrücklich zu begrüßen. Die <strong>Euro</strong>päischen Sozialpartner<br />

hatten hierzu bereits im Juni 2013 in einer gemeinsamen<br />

Erklärung konkrete Vorschläge unterbreitet.<br />

Im Vorfeld der Veröffentlichung des Jahreswachstumsberichts<br />

hatte die EU-Kommission Sozialpartnerkonsultationen durchgeführt,<br />

an denen auch die BDA beteiligt war.<br />

Hintergrundinformationen zum <strong>Euro</strong>päischen Semester:<br />

http://goo.gl/aKXJTd<br />

Economic Governance<br />

Max Conzemius<br />

<strong>Euro</strong>pa-2020-Strategie: Vorrang für Wettbewerbsfähigkeit<br />

BDA und BDI haben sich mit einer gemeinsamen Stellungnahme<br />

an der öffentlichen Konsultation der EU-Kommission zur<br />

Halbzeitbewertung der Strategie „<strong>Euro</strong>pa 2020“ beteiligt. Darin<br />

fordern sie, die im März 2010 auf den Weg gebrachte EU-<br />

Strategie zur Förderung eines „intelligenten, nachhaltigen und<br />

integrativen Wachstums“ konsequent an den politischen Prioritäten<br />

der neuen EU-Kommission auszurichten. Die „Politischen<br />

Leitlinien“ und die Arbeitsstrukturen der neuen EU-Kommission<br />

sind klar auf Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet.<br />

Nur wenn „<strong>Euro</strong>pa 2020“ diese Ziele unterstützt, kann die<br />

Strategie einen Beitrag zur Bewältigung der Krise in <strong>Euro</strong>pa<br />

und der längerfristigen strukturellen Herausforderungen leisten,<br />

die mit dem sich verstärkenden globalen Wettbewerb und dem<br />

demografischen Wandel einhergehen.<br />

Mit Blick auf alle fünf Kernziele der Strategie „<strong>Euro</strong>pa 2020“<br />

muss die Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit als Motor<br />

für Innovation, Beschäftigung und Wohlstand als zentrale<br />

Richtschnur für alle EU-Institutionen gelten. Eine starke industrielle<br />

Basis als Herz einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft ist die<br />

Grundvoraussetzung, damit die EU vom globalen Wachstum<br />

profitieren, ihre sozialen und umweltpolitischen Ziele erreichen<br />

und ihren Bürgerinnen und Bürgern eine gute Zukunftsperspektive<br />

bieten kann.<br />

Deutlich verbessert werden müssen vor allem die Kohärenz der<br />

Ziele von „<strong>Euro</strong>pa 2020“ sowie deren tatsächliche Umsetzung.<br />

Die EU-Kommission sollte insbesondere den Wettbewerbsfähigkeits-Check<br />

viel konsequenter anwenden, um weitere Belastungen<br />

für die Wirtschaft in <strong>Euro</strong>pa frühzeitig zu vermeiden.<br />

Der Fokus sollte darauf liegen, bestehende Maßnahmen zu implementieren<br />

und durchzusetzen. Kernprojekte für Investitionen<br />

und Wachstum wie die Schaffung eines vollständig vernetzten<br />

BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong> 4


digitalen Binnenmarkts, die Vollendung des Energiebinnenmarkts<br />

und der Abschluss der Verhandlungen über ein umfassendes<br />

transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen<br />

(TTIP) sollten in dieser Amtszeit umgesetzt werden.<br />

Auf Grundlage der Konsultation wird Vizepräsident<br />

Jyrki Katainen einen Vorschlag zur Überarbeitung der Strategie<br />

ausarbeiten. Der <strong>Euro</strong>päische Rat soll im März 2015 Beschlüsse<br />

fassen.<br />

BDI/BDA-Stellungnahme zur öffentlichen Konsultation der EU-<br />

Kommission zur Strategie <strong>Euro</strong>pa 2020, Oktober <strong>2014</strong>:<br />

http://goo.gl/MVbHNK<br />

Hintergründe zur <strong>Euro</strong>pa-2020-Strategie: http://goo.gl/54sf8S<br />

Max Conzemius<br />

EuGH-Rechtsprechung: Urteil in der Rechtssache „Dano“<br />

EuGH bestätigt deutschen Sozialleistungsausschluss<br />

für nicht erwerbstätige Unionsbürger<br />

Der <strong>Euro</strong>päische Gerichtshof (EuGH) hat am 11. November<br />

<strong>2014</strong> sein lange erwartetes Urteil in der Rechtssache „Dano“<br />

(C-333/13) gesprochen. Der EuGH hatte hier zu entscheiden,<br />

ob ein Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall Deutschland) bedürftige<br />

Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug beitragsunabhängiger<br />

Sozialleistungen ausschließen darf, um eine<br />

unangemessene Inanspruchnahme dieser Leistungen zu vermeiden,<br />

die eigenen Staatsangehörigen in gleicher Lage gewährt<br />

werden.<br />

Im Ausgangsrechtsstreit wurden der rumänischen Klägerin<br />

Frau Dano und ihrem minderjährigen Sohn vom Jobcenter<br />

Leipzig Grundsicherungsleistungen unter Verweis auf den im<br />

deutschen Recht bestehenden Leistungsausschluss in § 7 Abs.<br />

1 S. 2 <strong>Nr</strong>. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 SGB XII verwehrt. Frau<br />

Dano lebt seit 2010 bei ihrer Schwester in Leipzig, hat weder<br />

einen Schulabschluss noch einen erlernten oder angelernten<br />

Beruf und war weder in Rumänien noch in Deutschland erwerbstätig.<br />

Trotz ihrer Arbeitsfähigkeit hat sie sich nicht um Arbeit<br />

in Deutschland bemüht.<br />

Der EuGH hat geurteilt, dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit<br />

haben muss, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern Sozialleistungen<br />

zu verweigern, wenn sich diese allein mit dem Ziel des Sozialleistungsbezugs<br />

in einen anderen EU-Mitgliedstaat bewegen,<br />

obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die<br />

Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts von über drei Monaten<br />

verfügen. Die deutschen Ausschlussregelungen vom Sozialleis-<br />

tungsbezug seien mit dem europarechtlichen Gleichbehandlungsgebot<br />

in Artikel 24 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie und<br />

Artikel 4 der Verordnung <strong>Nr</strong>. 883/2004 zur Koordinierung der<br />

Systeme der sozialen Sicherheit vereinbar, so der EuGH. Das<br />

Grundsatzurteil ist insbesondere vor dem Hintergrund der polarisierten<br />

Debatten über möglichen Missbrauch von Sozialleistungen<br />

durch Zuwanderer sehr zu begrüßen. Zum Erhalt der<br />

Akzeptanz der Freizügigkeit und Schaffung von Rechtssicherheit<br />

ist es wichtig, dass der EuGH unmissverständlich klargestellt<br />

hat, dass Mitgliedstaaten den Sozialleistungsbezug für<br />

nicht erwerbstätige Zuwanderer ausschließen dürfen, die allein<br />

zum Sozialleistungsbezug einreisen. Weiterhin ungeklärt bleibt<br />

allerdings die unter deutschen Sozialgerichten umstrittene Frage,<br />

ob auch die deutschen Leistungsausschlussvorschriften für<br />

tatsächlich arbeitsuchende Unionsbürger mit EU-Recht vereinbar<br />

sind. Hier bleibt der Ausgang des anhängigen Vorlageverfahrens<br />

„Alimanovic“ (C-67/14) beim EuGH abzuwarten, welches<br />

2015 erwartet wird.<br />

Christina Breit<br />

Sozialer Dialog<br />

EU-Kommissionsvizepräsident Dombrovskis<br />

und Sozialkommissarin Thyssen treffen<br />

<strong>Euro</strong>päische Sozialpartner<br />

Am 17. November <strong>2014</strong> trafen EU-Kommissionsvizepräsident<br />

Dombrovskis und Sozialkommissarin Thyssen mit Vertretern<br />

von BUSINESSEUROPE und des <strong>Euro</strong>päischen Gewerkschaftsbunds<br />

zusammen, um über die Rolle des Sozialen Dialogs<br />

in der neuen Legislaturperiode zu diskutieren. Die Gesprächspartner<br />

zeigten sich einig, dass der <strong>Euro</strong>päische Soziale<br />

Dialog aufgewertet und die Sozialpartner verstärkt eingebunden<br />

werden sollen.<br />

Explizit wurde die verstärkte Rolle der Sozialpartner bei der<br />

Vertiefung der <strong>Euro</strong>päischen Wirtschafts- und Währungsunion<br />

und deren sozialer Dimension herausgestellt. Die angemessene<br />

Einbindung der Sozialpartner in das <strong>Euro</strong>päische Semester<br />

solle sichergestellt werden. Gleichzeitig stellten Dombrovskis<br />

und Thyssen klar, dass die Autonomie der Sozialpartner voll<br />

respektiert werde.<br />

Die Ergebnisse des Treffens zwischen EU-Kommission und <strong>Euro</strong>päischen<br />

Sozialpartnern sind zu begrüßen. Die BDA setzt<br />

sich seit langem für eine Aufwertung des <strong>Euro</strong>päischen Sozialen<br />

Dialogs und eine angemessene Einbindung der Sozialpartner<br />

in das <strong>Euro</strong>päische Semester ein. Dadurch kann die europäische<br />

Sozialpolitik praxisgerechter ausgestaltet und ein wichtiger<br />

Beitrag zur globalen Wettbewerbsfähigkeit des Standorts<br />

<strong>Euro</strong>pa geleistet werden.<br />

Martin Kumstel<br />

BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong> 5


EU-Haushalt 2015<br />

Verhandlungen zwischen <strong>Euro</strong>päischem<br />

Parlament und Rat enden ohne Einigung /<br />

EU-Kommission legt neuen Budgetentwurf<br />

vor<br />

Die Verhandlungen zwischen dem <strong>Euro</strong>päischen Parlament<br />

(EP) und dem Rat über den EU-Haushalt für 2015 sind vorerst<br />

gescheitert. EP und Rat konnten sich in der 21-tägigen Vermittlungsphase,<br />

die am 17. November <strong>2014</strong> endete, nicht auf einen<br />

Kompromiss für das EU-Budget des kommenden Jahres verständigen.<br />

Die Vorstellungen über die Höhe der Mittel für Zahlungen<br />

und Verpflichtungen für den EU-Haushalt 2015 liegen<br />

weiterhin stark auseinander: Während der Rat eine Erhöhung<br />

der Mittel für Zahlungen – im Vergleich zum Haushalt des Vorjahres<br />

– um 3,7 % auf 140,55 Mrd. € vorschlägt, fordert das EP<br />

eine Erhöhung von 8,1 % auf 146 Mrd. €. Bei der Erhöhung der<br />

Mittel für Verpflichtungen liegen Rat und EP lediglich geringfügig<br />

aus-einander.<br />

Umstritten ist daneben insbesondere auch der Nachtragshaushalt<br />

für <strong>2014</strong>. Laut EU-Kommission werden zusätzlich<br />

4,7 Mrd. € benötigt, um noch offene Rechnungen zu begleichen.<br />

Die Mittel sollen überwiegend aus ungenutzten Haushaltsreserven<br />

kommen, die normalerweise zurück an die Mitgliedstaaten<br />

fließen würden. Während das EP diese Forderung<br />

unterstützt, hatte sich der Rat zunächst dagegen ausgesprochen,<br />

seine Kompromissbereitschaft aber erkennen lassen. Eine<br />

baldige Einigung in diesem Punkt scheint möglich zu sein.<br />

Da sich Rat und EP bei beiden Streitpunkten binnen der Vermittlungsfrist<br />

von 21 Tagen nicht einigen konnten, war die EU-<br />

Kommission aufgerufen, einen neuen Haushaltsentwurf vorzulegen.<br />

In dem am 28. November <strong>2014</strong> unterbreiteten Vorschlag<br />

ist die EU-Kommission auf die Mitgliedstaaten zugegangen und<br />

hat die Höhe der Mittel im Vergleich zu ihrem ersten Entwurf<br />

vom 11. Juni <strong>2014</strong> nach unten angepasst. Statt 145,6 Mrd. € an<br />

Mittel für Verpflichtungen sieht der neue Entwurf 145,2 Mrd. €<br />

vor. Bei den Mitteln für Zahlungen sind anstatt 142,1 Mrd. €<br />

141,3 Mrd. € vorgesehen. Sollten sich Rat und EP bis zum<br />

1. Januar 2015 nicht einigen können, müsste in 2015 mit einem<br />

Notbudget gearbeitet werden. Jeden Monat würde ein Zwölftel<br />

des EU-Haushalts aus dem vergangenen Jahr zur Verfügung<br />

stehen.<br />

Vor dem Hintergrund der weiterhin angespannten Haushaltslage<br />

in einigen EU-Mitgliedstaaten sind die von der EU-<br />

Kommission – im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf – vorgeschlagenen<br />

Kürzungen zu begrüßen. Das EP sollte nun den<br />

Weg für eine rasche Einigung freimachen und sich mit dem Rat<br />

möglichst zügig auf das EU-Budget für das kommende Jahr<br />

und den Nachtragshaushalt für <strong>2014</strong> verständigen. Ein erfolgreicher<br />

Abschluss der Budgetverhandlungen wäre ein wichtiges<br />

Zeichen für die Handlungsfähigkeit der EU.<br />

Martin Kumstel<br />

Internationale Arbeitsorganisation (ILO)<br />

Arbeitgeber setzen sich mit Forderung nach<br />

einer tripartiten Diskussion über das Streikrecht<br />

durch<br />

Nach sehr intensiven und kontroversen Debatten über das weitere<br />

Vorgehen bezüglich der Klärung der Frage, ob im ILO-<br />

Übereinkommen 87 zur Vereinigungsfreiheit auch das Streikrecht<br />

enthalten ist, konnte die Arbeitgeberseite bei der Sitzung<br />

des ILO-Verwaltungsrats im November einen großen Verhandlungserfolg<br />

erzielen. Anders als von den Gewerkschaften, der<br />

ILO-Verwaltung und einigen Regierungen gefordert, wird die<br />

Frage nach der globalen Normierung des Streikrechts nicht<br />

dem Internationalen Gerichtshof (IGH) vorgelegt, sondern im<br />

Rahmen eines dreigliedrigen Treffens unter Einschluss der Regierungen,<br />

Arbeitgeber und Gewerkschaften fundiert erörtert.<br />

Erst nach diesem Treffen und auf der Grundlage der dabei erzielten<br />

Ergebnisse wird der Verwaltungsrat bei seiner nächsten<br />

Sitzung im März 2015 darüber befinden, ob der IGH mit dieser<br />

Frage befasst werden soll.<br />

Gegenstand des Konflikts ist die Frage, ob ILO-<br />

Übereinkommen 87 zur Vereinigungsfreiheit (eine der acht ILO-<br />

Kernarbeitsnormen) implizit das Streikrecht enthält – obwohl es<br />

in dem Übereinkommen mit keinem Wort erwähnt wird – und<br />

damit verbunden, ob das „Committee of Experts on the Application<br />

of Conventions and Recommendations – CEACR", das<br />

diese Frage bejaht, mit seinen Einzelfallausführungen dazu internationales<br />

Recht setzt. Das CEACR sagt u. a., dass eine<br />

Einschränkung des Streikrechts im öffentlichen Dienst nur zulässig<br />

ist, wenn Leib und Leben in Gefahr sind, dass Sympathiestreiks<br />

und politische Streiks – z. B. am Tag der Beratungen<br />

Arbeitnehmer-relevanter Gesetze durch das Parlament – zulässig<br />

sind.<br />

Die Arbeitgeber haben beide Fragen konsistent stets verneint,<br />

die Gewerkschaften haben sie bejaht und die Regierungen haben<br />

eine klare Positionierung vermieden, obwohl ein Großteil<br />

der kontroversen Fälle im Normenanwendungsausschuss Beschränkungen<br />

von Streiks im öffentlichen Sektor betrifft.<br />

Das beim Verwaltungsrat erreichte Verhandlungsergebnis entspricht<br />

der Forderung der Arbeitgeber nach einer dreigliedrigen<br />

Diskussion über die Substanz des Streikrechts, wie es in den<br />

verschiedenen Rechtsordnungen existiert, mit dem Ziel, gewisse<br />

globale Prinzipien herauszuarbeiten und ggf. sogar ein<br />

Übereinkommen dazu auszuhandeln. Eine solche Debatte hat<br />

es in der Geschichte der ILO noch nie gegeben, alle inhaltlichen<br />

Ausführungen zum Streikrecht im Rahmen der ILO sind<br />

Einzelfallbetrachtungen des CEACR. Der von den Gewerkschaften<br />

geforderte Gang zum IGH mit der Frage, ob Übereinkommen<br />

87 das Streikrecht enthält, kann die Probleme hingegen<br />

nicht lösen, da auch eine mögliche Bejahung dieser Frage<br />

keine Auskunft dazu enthält, was die rechtlichen Konsequenzen<br />

für die Mitgliedstaaten sind. Entsprechend argumentierten<br />

BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong> 6


die Arbeitgeber im Verwaltungsrat, dass es nicht sinnvoll sei,<br />

den IGH anzurufen, schon gar nicht, bevor eine tripartite Beratung<br />

über die Substanz des Streikrechts stattgefunden hat.<br />

Ferner haben die Arbeitgeber sich dafür eingesetzt, dass die<br />

Frage nach Übereinkommen 87 und dem Streikrecht nicht isoliert<br />

betrachtet wird, sondern sämtliche im Zuge dieses Konflikts<br />

offenbar gewordenen Probleme des Normenüberwachungssystems<br />

der ILO umfassend adressiert werden. Ziel muss es sein,<br />

eine einvernehmliche Lösung aller drei ILO-Konstituenten zu<br />

den verschiedenen klärungsbedürftigen Elementen zu erarbeiten.<br />

Dies umfasst u. a. den im Grundsatz schon lange beschlossenen,<br />

von der ILO-Verwaltung aber immer noch nicht<br />

umgesetzten „Standard Review Mechanism", mit dem veraltete<br />

und obsolet gewordene Übereinkommen und Empfehlungen<br />

der ILO abgeschafft oder überarbeitet werden sollen. Dieser<br />

Mechanismus muss als Teil des Gesamtpakets nun endlich<br />

konkret in Angriff genommen werden.<br />

Corporate Social Responsibility (CSR)<br />

Max Conzemius<br />

Bündnis für nachhaltige Textilien überfrachtet<br />

Unternehmen mit realitätsfernen Erwartungen<br />

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung, Dr. Gerd Müller, hat am 16. Oktober <strong>2014</strong> das<br />

„Bündnis für nachhaltige Textilien" gegründet und einen Aktionsplan<br />

vorgelegt. Im April <strong>2014</strong> hatte er die Forderung an die<br />

deutsche Textilwirtschaft gerichtet, für die gesamte Produktionskette<br />

„vom Baumwollfeld bis zum Bügel“ Sozial- und Umweltstandards<br />

zu garantieren. Hierfür wurden Unternehmen,<br />

Verbände, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Gewerkschaften<br />

im Nachgang zum Jahrestag des eingestürzten<br />

Fabrikgebäudes „Rana Plaza“ in Bangladesch zu einem „Runden<br />

Tisch Textilwirtschaft“ eingeladen. Die BDA hat die Vorarbeiten<br />

– zusammen mit den Mitgliedsverbänden HDE und dem<br />

Gesamtverband textil+mode – zum „Bündnis für nachhaltige<br />

Textilien" aktiv und konstruktiv begleitet. Dabei hat die BDA von<br />

Anfang an deutlich gemacht, dass eine Garantie von Standards<br />

vom Baumwollfeld bis zum Bügel realitätsfern ist, da die globalen<br />

Lieferketten so verzweigt und komplex sind, dass es unmöglich<br />

ist, jede Stufe des gesamten Produktionsprozesses<br />

lückenlos zu überwachen, geschweige denn die Verantwortung<br />

dafür zu übernehmen. Auch müssen CSR-Initiativen realistische<br />

Erwartungen an Unternehmen enthalten und dürfen nicht<br />

dazu führen, dass staatliche Verantwortung auf die Unternehmen<br />

verlagert wird.<br />

Leider wurde im Erarbeitungsprozess deutlich, dass das BMZ<br />

in eine Richtung drängte, die nichts mit der Realität zu tun hat.<br />

Der vorgelegte 64-seitige Aktionsplan ist realitätsfern und nicht<br />

umsetzbar und geht im Bereich der Sozialstandards sogar über<br />

das hinaus, was in Deutschland gilt. Beispielsweise müssen die<br />

Unternehmen in der Lieferkette für alle textilen Verarbeitungsstufen<br />

die Kosten von berufsbedingten Krankheiten der Arbeitnehmer<br />

übernehmen, „wo keine berufsgenossenschaftlichen<br />

Systeme bestehen“. Aber weder hat ein deutsches mittelständisches<br />

Textilunternehmen bestimmenden Einfluss auf die Etablierung<br />

solcher Systeme in fremden Staaten noch kann es für<br />

Staatsversagen bei der Kontrolle von Arbeitsschutzstandards<br />

zur Verantwortung gezogen werden. Des Weiteren sind im Bereich<br />

Ökonomie „unmoralische Transaktionen“ im Rahmen von<br />

Geschäftsbeziehungen verboten. Der Begriff „unmoralisch" ist<br />

aber viel zu unbestimmt und rechtlich nicht zu definieren. Richtigerweise<br />

wird er deshalb auch in der deutschen Rechtsordnung<br />

nicht verwendet, wohl aber im Aktionsplan. Im Umweltbereich<br />

würde das im Aktionsplan enthaltene Quasi-Verbot von<br />

Antimon auf allen Stufen der textilen Kette praktisch zum Ende<br />

der Polyesterfaser führen und das, obwohl umfangreiche Untersuchungen<br />

des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)<br />

die bisherige Herstellungsweise ausdrücklich als zulässig bestätigt<br />

haben.<br />

Im Aktionsplan spiegelt sich nicht wider, dass globale Lieferketten<br />

sehr verzweigt und komplex sind und z. B. allein an der<br />

Herstellung eines durchschnittlichen Herrenoberhemds rd. 140<br />

Produktions- und Logistikunternehmen beteiligt sind. Oftmals<br />

kennen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen<br />

nur ihren direkten Vertragspartner und nicht weitere Ebenen in<br />

der Zulieferkette. Letztendlich wird mit diesem Aktionsplan die<br />

staatliche Verantwortung zur Um- und Durchsetzung von Umwelt-<br />

und Sozialstandards in den Ländern der Zulieferketten auf<br />

die Unternehmen verlagert. Und das, obwohl alle relevanten<br />

internationalen Standards, die von der Bundesrepublik<br />

Deutschland unterzeichnet wurden, klare Vorgaben zur begrenzten<br />

Reichweite der Verantwortung von Unternehmen für<br />

die Lieferkette beinhalten. Die BDA ist deshalb – ebenso wie<br />

die allermeisten Unternehmen und die zuständigen BDA-<br />

Mitgliedsverbände – dem Textilbündnis nicht beigetreten.<br />

Unternehmen und Menschenrechte<br />

Paul Noll<br />

Bundesregierung startet Arbeiten zur Umsetzung<br />

der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft<br />

und Menschenrechte<br />

Eine weitere für die Wirtschaft wichtige Initiative ist die nationale<br />

Umsetzung der im Jahr 2011 verabschiedeten UN-<br />

Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Das CSR-<br />

Forum der Bundesregierung hatte mit Beschluss vom<br />

19. Juni 2013 die deutsche Bundesregierung aufgefordert „über<br />

Schritte zu einer Umsetzung dieser Leitprinzipien in die nationale<br />

Politik zu entscheiden.“ Im Koalitionsvertrag 2013 hat die<br />

Bundesregierung ausgeführt, dass sie die UN-Leitprinzipien für<br />

Wirtschaft und Menschenrechte umsetzen will. Bei dem Umsetzungsprozess<br />

hat das Auswärtige Amt (AA) nun die Federführung<br />

übernommen. Im Rahmen eines 24 Monate dauernden<br />

Prozesses sollen die Stakeholder intensiv eingebunden werden.<br />

Es wurde ein Steuerungskreis eingerichtet, in dem die<br />

BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong> 7


maßgeblichen anderen Ministerien, Wirtschaft, NGOs und Gewerkschaften<br />

vertreten sind. Das AA plant, unter Beteiligung<br />

der Stakeholder einen Aktionsplan zu entwerfen, der dann in<br />

das Bundeskabinett eingebracht werden soll.<br />

Die Eröffnungskonferenz zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien<br />

fand am 6. November <strong>2014</strong> in Berlin statt und brachte rd. 170<br />

Teilnehmer aus den Ministerien, Wirtschaft, zivilgesellschaftlichen<br />

Organisation und Botschaften zusammen. Dabei wurden<br />

entlang der drei Säulen der UN-Leitprinzipien mögliche Themen<br />

für Workshops zur vertiefenden Befassung diskutiert und folgende<br />

Punkte herausgearbeitet:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Staatliche Schutzpflichten, einschl. der Frage nach gesetzlich<br />

verbindlicher Sorgfaltspflicht,<br />

System der Außenwirtschaftsförderung der Bundesregierung,<br />

Handels- und Investitionsschutzabkommen,<br />

Unterstützung der Unternehmen (insb. KMU) bei der Umsetzung<br />

der Leitprinzipien,<br />

Definition und Anforderungen einer Human Rights Due Diligence<br />

und insbesondere Human Rights Impact Assessments,<br />

Berichterstattung, Transparenz und Wirksamkeitskontrolle,<br />

Menschenrechtsverletzungen entlang der Liefer- und<br />

Wertschöpfungsketten,<br />

Zugang zu Recht und Gerichten in Deutschland,<br />

Staatliche außergerichtliche Verfahren,<br />

Qualitätssicherung bei nichtstaatlichen Verfahren.<br />

Das AA plant nun eine Studie mit der Zielsetzung, den derzeitigen<br />

Stand im Hinblick auf die UN-Leitprinzipien darzustellen.<br />

Entlang aller Leitprinzipien soll erhoben werden, inwieweit diese<br />

bereits in Deutschland umgesetzt sind. Diese Studie soll<br />

dann als Ausgangspunkt für die Durchführung der Workshops<br />

und der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans dienen. Die<br />

BDA und ihre Mitgliedsverbänden werden sich dabei intensiv in<br />

den weiteren Prozess einbringen. Bereits im August <strong>2014</strong> hatte<br />

sich die BDA in einer Stellungnahme an die für die UN-<br />

Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zuständige<br />

„UN Working Group on Business and Human Rights“ für eine<br />

realistische und an den Sinn und Zweck der UN-Leitprinzipien<br />

orientierte Umsetzung eingesetzt.<br />

Paul Noll<br />

Am 19. November <strong>2014</strong> fand in Genf die hochrangig besetzte<br />

internationale Konferenz zu „Business and Human Rights" statt,<br />

die von der International Organisation of Employers (IOE) und<br />

der schweizerischen Fédération des entreprises romandes<br />

Genève (FER-GE) ausgerichtet wurde. Vor dem Hintergrund<br />

der UN-Resolution zu „Transnationale Unternehmen und Menschenrechte"<br />

vom 26. Juni <strong>2014</strong> wurden die aktuellen politischen<br />

Geschehnisse diskutiert und die Herausforderungen für<br />

die Unternehmen bei der Umsetzung der UN-Leitprinzipien für<br />

Wirtschaft und Menschenrechte beleuchtet und Lösungsansätze<br />

aufgezeigt. Dabei fanden folgende Panels fanden statt:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Status and trends in the integration of respect for human<br />

rights in business,<br />

What governments have delivered so far on their duty to<br />

protect,<br />

Challenges and success stories in integration of respect for<br />

human rights in business,<br />

Improving access to remedy: what needs to be done,<br />

New instruments, tools and standards - are they really<br />

needed?<br />

Aus den vielen Beiträgen von Unternehmensvertretern wurde<br />

deutlich, dass derzeit enorme Anstrengungen von Unternehmen<br />

unternommen werden, die UN-Leitprinzipien umzusetzen<br />

und zu operationalisieren. Dabei werden sie von den Arbeitgeberverbänden<br />

unterstützt, die bereits eigene Initiativen gestartet<br />

haben wie z. B. „CSRforALL“, Chemie³ oder BSCI. Vieles wurde<br />

schon erreicht, es wurde aber auch deutlich, dass mehr Bewusstseinsbildung<br />

und der Aufbau von Kapazitäten, insbesondere<br />

für KMUs, erreicht werden muss. Dabei ist der Austausch<br />

von Erfahrungen ein Schlüsselelement.<br />

Die Vertreter der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für<br />

Wirtschaft und Menschenrechten wiesen darauf hin, dass auch<br />

im Rahmen des nächsten dreijährigen Mandats die Verbreitung<br />

der UN-Leitprinzipien von wichtiger Bedeutung ist, obwohl der<br />

UN-Menschenrechtsrat im Juni <strong>2014</strong> die Ecuador-Initiative zur<br />

Erstellung eines völkerrechtlich bindenden Vertrags zu transnationale<br />

Unternehmen und Menschenrechte angenommen hat.<br />

Die Arbeitsgruppe kündigte an, den Leitfaden zur Erstellung<br />

von Nationalen Aktionsplänen zur Umsetzung der UN-<br />

Leitprinzipien im Rahmen des 3. UN-Forum zu Unternehmen<br />

und Menschenrechte Anfang Dezember <strong>2014</strong> vorzulegen. Bislang<br />

entwickeln vor allem europäische Staaten einen nationalen<br />

Aktionsplan oder haben einen solchen bereits entwickelt. Insgesamt<br />

wurde deutlich, dass aufgrund der gestiegenen Anzahl<br />

von politischen Initiativen im Bereich Unternehmen und Menschenrechte<br />

eine weitere intensive Befassung der Arbeitgeberverbände<br />

erforderlich ist.<br />

Paul Noll<br />

Erfolgreiche IOE-Konferenz zu Wirtschaft<br />

und Menschenrechten<br />

BDA | euro-info <strong>Nr</strong>. <strong>05</strong> | 5. Dezember <strong>2014</strong> 8

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