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Geschäftsbericht 2010

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5<br />

Vorwort<br />

6<br />

Beschäftigung<br />

24<br />

Soziale Sicherung<br />

52<br />

Arbeitsrecht<br />

74<br />

Tarifpolitik<br />

92<br />

Bildung<br />

116<br />

Europa und<br />

Internationales<br />

134<br />

Volkswirtschaft<br />

148<br />

Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

152<br />

Die BDA


Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

die deutsche Wirtschaft hat beeindruckend robust<br />

auf den dramatischsten Wirtschaftseinbruch seit<br />

1945 reagiert und im Jahr <strong>2010</strong> in diesem Ausmaß<br />

für alle überraschend zugelegt. Bei aller berechtigten<br />

Freude darüber dürfen wir jedoch nicht<br />

übersehen: Wir sind keineswegs wieder bei der<br />

Wirtschaftsleistung des Jahres 2008 angelangt.<br />

Die bisherige positive konjunkturelle Entwicklung<br />

ist labil und äußeren Unwägbarkeiten ausgesetzt.<br />

Ob wir einen nachhaltigen Aufschwung<br />

erleben, kann derzeit niemand vorhersehen. Fest<br />

steht jedoch, dass die deutsche Wirtschaft alles<br />

darangesetzt hat und weiterhin alles unternimmt,<br />

um gestärkt aus der Krise herauszukommen.<br />

Den entscheidenden Beitrag zur Krisenbewältigung<br />

haben die Unternehmen, die Arbeitnehmer,<br />

die Tarif- und die Betriebspartner geleistet.<br />

Sie haben langfristig und in der unmittelbaren<br />

Reaktion auf die Krise richtig gehandelt. Die<br />

Tarifpartner haben die Tarifverträge in den vergangenen<br />

Jahren kontinuierlich modernisiert und<br />

flexibilisiert, die betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten<br />

erweitert und mit ihrer produktivitätsorientierten<br />

Lohnpolitik einen Beitrag zur Verbesserung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen<br />

Wirtschaft geleistet. Die Unternehmen haben<br />

sich ihrerseits mit Innovationen und großen Anstrengungen<br />

für den Wettbewerb gewappnet.<br />

Die Betriebspartner haben zur Sicherung der<br />

Beschäftigung betriebliche Bündnisse auf tarifvertraglicher<br />

Grundlage geschlossen. Die Arbeitnehmer<br />

haben in der Krise Einschränkungen<br />

hingenommen und sie sind es jetzt, die die wirtschaftliche<br />

Aufwärtsentwicklung ermöglichen. So<br />

haben wir Arbeitsplätze und damit die heute und<br />

in Zukunft für uns wichtigen Fachkräfte für unsere<br />

Betriebe gesichert. So haben wir gemeinsam<br />

den Standort Deutschland fit gemacht, um möglichst<br />

schnell aufzuholen, was in der Krisenzeit<br />

verloren gegangen ist. Daran müssen wir uns<br />

auch künftig klar orientieren.<br />

Möglich war dieses Zusammenwirken von<br />

Unternehmen, Betriebsräten und Tarifpartnern nur<br />

im Rahmen einer funktionierenden Tarifautonomie.<br />

Diese wird heute von Entwicklungen bedroht,<br />

derer die Tarifparteien nicht allein, sondern nur<br />

mit Hilfe des Gesetzgebers Herr werden können:<br />

In diesem Jahr hat das Bundesarbeitsgericht den<br />

Grundsatz der Tarifeinheit aufgehoben. Ohne Tarifeinheit<br />

droht eine Zersplitterung des Tarifvertragssystems.<br />

Was jahrzehntelang die Grundlage<br />

erfolgreich gelebter Tarifautonomie war, muss nicht<br />

zuletzt als Konsequenz und Erfahrung aus der Krise<br />

möglichst rasch wiederhergestellt werden. BDA<br />

und DGB haben deshalb gemeinsam einen Vorschlag<br />

vorgelegt, um die Tarifeinheit im geltenden<br />

Tarifvertragsgesetz gesetzlich zu regeln.<br />

Die Sicherung der Tarifeinheit war ein –<br />

enorm wichtiger – Teil der Arbeit der BDA. Der vorliegende<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> stellt die Schwerpunkte<br />

der politischen Inhalte und Konzepte in allen Bereichen<br />

der Sozialpolitik dar, mit denen sich die<br />

BDA im Jahr <strong>2010</strong> befasst hat.<br />

Dr. Reinhard Göhner<br />

Hauptgeschäftsführer der BDA<br />

Dezember <strong>2010</strong> | Berlin<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Vorwort 5


Erfolgskurs halten und verstärken<br />

Das auf den gemeinsamen Anstrengungen von<br />

Wirtschaft, Tarifpartnern und Politik beruhende<br />

„deutsche Arbeitsmarktwunder“ hat das Thema<br />

„Fachkräftesicherung“ mit ungeahnter Geschwindigkeit<br />

wieder auf die Agenda gebracht. Trotz der<br />

beschleunigten wirtschaftlichen Erholung haben<br />

zwar wichtige Branchen der deutschen Wirtschaft,<br />

wie die Metall- und Elektroindustrie, noch längst<br />

nicht das Niveau von 2008 erreicht; es wird aber<br />

bereits jetzt verstärkt spürbar, dass Deutschland<br />

unter wachsenden strukturellen Fachkräfteengpässen<br />

leidet. Während einerseits schon angesichts<br />

der demografischen Entwicklung eine<br />

schlüssige Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung<br />

immer drängender wird, gibt es andererseits<br />

noch viele Betriebe, die zur Überbrückung nachlaufender<br />

Einbrüche bei ihren Aufträgen auf das<br />

Instrument der Kurzarbeit angewiesen sind.<br />

Insgesamt erlebt der deutsche Arbeitsmarkt<br />

eine noch vor einem Jahr von niemandem für<br />

möglich gehaltene Erfolgs story: Für das nächste<br />

Jahr rechnet nun auch die Bundesregierung im<br />

Jahresdurchschnitt nur noch mit einer Arbeitslosenzahl<br />

von 2,9 Mio., das wäre der niedrigste<br />

Stand der Arbeitslosigkeit seit dem Wiedervereinigungsboom<br />

im Jahr 1992. Rund 40 % dieser<br />

Arbeitslosen haben jedoch keine Berufsausbildung,<br />

Hunderttausende haben sogar jahrelang<br />

nicht mehr gearbeitet. Hier besteht im Bereich<br />

der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II noch ein<br />

gewaltiger Aktivierungsbedarf, um die in Deutschland<br />

im internationalen Vergleich inakzeptabel<br />

hohe Langzeitarbeitslosigkeit endlich entschieden<br />

abzubauen.<br />

Zugleich werden aber selbst bei einer optimalen<br />

Entfaltung der inländischen Arbeitspotenziale<br />

vor allem durch eine weitere Erhöhung der<br />

Erwerbsbeteiligung von Frauen, Älteren, Menschen<br />

mit Migrationshintergrund und nicht zuletzt<br />

auch behinderten Menschen die wachsenden<br />

Fachkräfteengpässe nicht auszugleichen sein.<br />

Um hier drohende gewaltige Wachstumshemmnisse,<br />

die ganz erhebliche nachteilige Effekte<br />

auf Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland<br />

haben würden, so weit wie möglich zu vermeiden,<br />

ist auch eine gezielte Zuwanderung qualifizierter<br />

Fachkräfte unverzichtbar. Dadurch werden<br />

keine Arbeitskräfte im Inland verdrängt, sondern<br />

im Gegenteil bestehende Arbeitsplätze gesichert<br />

und neue zusätzlich geschaffen. Dazu muss allerdings<br />

im deutschen Zuwanderungsrecht, welches<br />

im Grundsatz immer noch von einer Abschottungsmentalität<br />

geprägt ist, eine neue Willkommenskultur<br />

für qualifizierte Fachkräfte etabliert<br />

werden.<br />

Vieles deutet darauf hin, dass der Arbeitsmarkt<br />

in Deutschland nach der tiefsten Krise<br />

seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland<br />

schnell wieder an die positive Entwicklung seit<br />

dem Jahr 2005 anknüpfen kann. Nicht zuletzt den<br />

Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre ist<br />

es zu verdanken, dass der jahrzehntelange kontinuierliche<br />

Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit nicht<br />

nur gestoppt, sondern umgekehrt werden konnte.<br />

Anstelle irreführender Diskussionen darüber, ob<br />

uns „die Arbeit ausgeht“, kann heute wieder das<br />

richtige Ziel der Vollbeschäftigung in den Blick<br />

genommen werden. Viele hunderttausend Menschen,<br />

die zuvor langzeitarbeitslos waren, konnten<br />

endlich wieder in Arbeit gebracht werden.<br />

Statt diese Erfolge zu würdigen, klagen die<br />

Gewerkschaften darüber, dass die Zahl der sog.<br />

atypischen, als prekär diffamierten Arbeitsverhältnisse<br />

gewachsen sei. Dabei haben gerade<br />

Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeit-<br />

und nicht zuletzt auch Minijobs dazu beigetragen,<br />

dass viele Menschen, die vorher außen<br />

vor standen, jetzt wieder eine Arbeit haben. Die<br />

flexiblen Beschäftigungsmöglichkeiten erleichtern<br />

es Unternehmen vor allem auch nach der tiefen<br />

Krise, schneller neue Arbeitnehmer einzustellen.<br />

Wissenschaftliche Studien unterstreichen,<br />

dass sehr viele befristete Arbeitsverhältnisse in<br />

unbefristete übergehen und die durchschnittliche<br />

Beschäftigungsdauer in Deutschland insgesamt<br />

trotz der flexiblen Beschäftigungsverhältnisse<br />

sogar noch zugenommen hat. Es wäre ein verheerender<br />

Fehler, wollte man die vermeintlich<br />

prekäre Beschäftigung durch allgemeine Mindestlöhne,<br />

eine Strangulierung der Zeitarbeit oder<br />

generelle Einschränkungen der flexiblen Beschäftigung<br />

bekämpfen. Damit würde sich Deutschland<br />

wieder zurück in die arbeitsmarktpolitische Sackgasse<br />

manövrieren. Dies würde vielen Menschen<br />

ihre Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt<br />

nehmen und sie auf Kosten der Steuerzahler in<br />

8<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung


ezahlter Arbeitslosigkeit einsperren. Dabei zeigen<br />

alle wissenschaftlichen Studien ganz klar:<br />

Arbeit ist der beste Schutz gegen Armut.<br />

Deshalb muss der arbeitsmarktpolitische<br />

Erfolgsweg konsequent weitergegangen und<br />

durch aktivierende Unterstützung von arbeitslosen<br />

Menschen ihr Einstieg in Beschäftigung und<br />

damit auch die Voraussetzung für Aufstieg für<br />

sie und ihre Familien geschaffen werden. Dazu<br />

war es richtig und unverzichtbar, dass die Bundesregierung<br />

bei der nach der Entscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichts notwendig gewordenen<br />

Neugestaltung der Regelsätze zum Arbeitslosengeld<br />

II nicht von der strengen Bedürftigkeitsorientierung<br />

abgewichen ist. Die Bundesarbeitsministerin<br />

hat zu Recht gesagt, dass die Regelsätze<br />

zwar knapp bemessen sind, aber Arbeitslosengeld<br />

II kein Dauerzustand, sondern ein Übergang<br />

sein muss. Alles andere wäre auch den Menschen<br />

nicht zu erklären, die ihren Lebensunterhalt selbst<br />

verdienen, jeden Euro umdrehen müssen und mit<br />

ihren Steuern auch zur Finanzierung des Arbeitslosengelds<br />

II beitragen.<br />

Erwerbstätigkeit in Deutschland steigt, Arbeitslosigkeit geht zurück<br />

Anzahl der Erwerbstätigen und Arbeitslosen, saisonbereinigte Werte<br />

in Mio.<br />

in Mio.<br />

41,0<br />

6<br />

40,5<br />

5<br />

40,0<br />

4<br />

39,5<br />

3<br />

39,0<br />

2<br />

38,5<br />

1<br />

38,0<br />

0<br />

Feb<br />

04<br />

Jun<br />

04<br />

Okt<br />

04<br />

Feb<br />

05<br />

Jun<br />

05<br />

Okt<br />

05<br />

Feb<br />

06<br />

Jun<br />

06<br />

Okt<br />

06<br />

Feb<br />

07<br />

Jun<br />

07<br />

Okt<br />

07<br />

Feb<br />

08<br />

Jun<br />

08<br />

Okt<br />

08<br />

Feb<br />

09<br />

Jun<br />

09<br />

Okt<br />

09<br />

Feb<br />

10<br />

Jun<br />

10<br />

Okt<br />

10<br />

Erwerbstätigkeit (linke Skala)<br />

Arbeitslosigkeit (rechte Skala)<br />

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bundesbank, <strong>2010</strong><br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung 9


Arbeitslosigkeit als größtes Armutsrisiko<br />

Armutsgefährdungsquoten nach Personengruppen<br />

in %<br />

70<br />

60<br />

61<br />

50<br />

40<br />

33<br />

30<br />

24<br />

20<br />

14<br />

10<br />

10<br />

9<br />

10<br />

8<br />

9<br />

7<br />

8<br />

4<br />

3 3<br />

0<br />

gesamt<br />

arbeitslos<br />

geringfügig<br />

beschäftigt<br />

abhängig selbstständig<br />

unbefristet Vollzeit<br />

Teilzeit<br />

abhängig<br />

befristet<br />

Vollzeit<br />

abhängig<br />

unbefristet<br />

Vollzeit<br />

1993<br />

2008<br />

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, <strong>2010</strong><br />

10<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung


Auch an der angesichts der demografischen<br />

Entwicklung und zur nachhaltigen Finanzierung<br />

der Rentenversicherung völlig unverzichtbaren<br />

„Rente mit 67“ darf nicht mehr gerüttelt werden.<br />

Der von der BDA zur Jahrtausendwende angestoßene<br />

Paradigmenwechsel zum Abbau von<br />

Frühverrentungs anreizen und für mehr Beschäftigung<br />

Älterer hat am Arbeitsmarkt bereits eine tiefe<br />

Erfolgsspur hinterlassen: Die Erwerbstätigenquote<br />

der 60- bis 64-Jährigen hat sich auf ca. 40 % in<br />

dieser Zeit bereits verdoppelt. In der öffentlichen<br />

Diskussion wird die Umsetzbarkeit der „Rente<br />

mit 67“ immer wieder in Frage gestellt, weil die<br />

Arbeitslosigkeit der 60- bis 64-Jährigen gerade in<br />

den letzten zwei Jahren sogar stark gestiegen sei.<br />

Tatsache ist aber: Mit zuletzt 7,6 % liegt sie nicht<br />

wesentlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote<br />

und der vermeintliche Anstieg ist in Wahrheit<br />

nichts anderes als das Ergebnis der zumindest<br />

teilweisen Abschaffung der sog. 58er-Regelung:<br />

Diese Arbeitslosen mussten nicht mehr dem<br />

Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und wurden<br />

deshalb in der Arbeitslosenstatistik einfach nicht<br />

mehr mitgezählt. Außerdem hat sich die Zahl der<br />

sozialversicherungspflichtig beschäftigten 60- bis<br />

64-Jährigen in den Jahren 2000 bis 2009 um<br />

60 % erhöht, während die Gesamtzahl aller sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten in diesem<br />

Zeitraum in etwa konstant geblieben ist. Statt den<br />

von interessierter Seite gemalten Zerrbildern zu<br />

unterliegen, muss die Arbeitsmarktpolitik deshalb<br />

auch in den nächsten Jahren den Erfolgskurs halten<br />

und verstärken.<br />

Arbeitsmarkt: auf dem Weg aus<br />

der Krise<br />

Der Arbeitsmarkt stand auch im Jahr <strong>2010</strong> noch<br />

im Zeichen der schwersten Wirtschaftskrise seit<br />

Bestehen der Bundesrepublik. Allerdings waren<br />

die Krisenfolgen weniger dramatisch, als es der<br />

Einbruch der Wirtschaftsleistung um fast 5 %<br />

im Vorjahr hatte befürchten lassen. Die bereits<br />

Ende des Jahres 2009 einsetzende leichte wirtschaftliche<br />

Erholung setzte sich Anfang <strong>2010</strong><br />

fort und gewann im weiteren Jahresverlauf an<br />

Fahrt. Insgesamt war der wirtschaftliche Aufholprozess<br />

– die Bundesregierung erwartet für das<br />

Gesamtjahr <strong>2010</strong> ein Wachstum von 3,4 % – so<br />

stark, dass sich die Befürchtungen eines „jobless<br />

growth“ beim Weg aus der Krise nicht bestätigten:<br />

Wurden Ende des letzten Jahres noch teilweise<br />

deutlich mehr als 4 Mio. Arbeitslose im<br />

Jahresschnitt <strong>2010</strong> befürchtet, dürfte sich nach<br />

den jüngsten Schätzungen jahresdurchschnittlich<br />

nur ein Wert von ca. 3,2 Mio. einstellen. Im<br />

Vergleich zum Krisenjahr 2009, in welchem die<br />

Arbeitslosenzahl bereits überraschend wenig<br />

gestiegen war, bedeutet dies einen Rückgang<br />

von ca. 200.000. Zudem fiel die Zahl der Arbeitslosen<br />

im Oktober <strong>2010</strong> erstmals seit zwei Jahren<br />

wieder unter die psychologisch wichtige Grenze<br />

von 3 Mio.<br />

Auch die Entwicklung der Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten dokumentiert<br />

die wieder deutlich gestiegene Arbeitsnachfrage:<br />

Sie lag nach neuesten Zahlen (September <strong>2010</strong>)<br />

wieder bei knapp über 28 Mio. und übertraf damit<br />

das Niveau vor Krisenausbruch im Herbst 2008.<br />

Eine branchenbezogene Betrachtung fördert<br />

jedoch Unterschiede zutage: Während in Bereichen<br />

wie der stets im Aufschwung vorauslaufenden<br />

Zeitarbeit, dem Gesundheits- und Sozialwesen<br />

oder auch dem Gastgewerbe deutliche<br />

Stellenzuwächse zu verzeichnen waren, gingen<br />

im verarbeitenden Gewerbe krisenfolgenbedingt<br />

viele Stellen verloren. In Branchen wie der Metallund<br />

Elektroindustrie ist noch längst nicht wieder<br />

das Niveau des Jahres 2008 erreicht.<br />

Erwartungsgemäß ging die Inanspruchnahme<br />

von Kurzarbeit, welche in der Krise zahlreiche<br />

Arbeitsplätze gesichert hat, im Zuge des wirtschaftlichen<br />

Aufschwungs zurück. Nach den jüngsten<br />

Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit (BA)<br />

erhielten im September <strong>2010</strong> noch 220.000 Arbeitnehmer<br />

konjunkturelles Kurzarbeitergeld. Damit<br />

erreichte die Inanspruchnahme nur noch ein gutes<br />

Sechstel des Höhepunkts im Mai 2009, als es<br />

1,44 Mio. Bezieher gab. Für das Jahr <strong>2010</strong> rechnet<br />

das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

(IAB) insgesamt mit einem Jahresdurchschnitt<br />

von 600.000 Kurzarbeitern und damit noch<br />

gut der Hälfte des Vorjahreswerts.<br />

Ein besonderes Augenmerk verdient die<br />

Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer,<br />

welche sich in den vergangenen Jahren deutlich<br />

verbessert hat. Den dazu notwendigen Paradigmenwechsel<br />

– weg von der Frühverrentung, hin<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung 11


zu mehr Beschäftigung Älterer – hatte die BDA<br />

maßgeblich mit angestoßen. Der Erfolg war<br />

durchschlagend: Von 2000 bis 2009 (neueste<br />

Zahlen) ist der Anteil der 55- bis 64-Jährigen in<br />

Beschäftigung von 37,6 % auf 56,2 % gestiegen<br />

(Eurostat <strong>2010</strong>). Auch die Erwerbsbeteiligung<br />

von Menschen im oberen Altersspektrum steigt<br />

deutlich an: 2009 waren fast 40 % der Personen<br />

zwischen 60 und 64 Jahren erwerbstätig – fast<br />

doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. Diese Entwicklung<br />

zeigt die Erfolge der großen Anstrengungen<br />

der Unternehmen, durch eine demografiefeste<br />

und an Lebensphasen orientierte<br />

Personalpolitik ältere Arbeitnehmer zu gewinnen<br />

und zu halten. Weil sich die Zahl der Personen<br />

im erwerbsfähigen Alter nach Berechnungen des<br />

Statistischen Bundesamts in den kommenden<br />

20 Jahren um 7,5 Mio. Personen verringert, wird<br />

Beschäftigungsquote 55­ bis 64­Jähriger in Deutschland<br />

über dem EU­Durchschnitt<br />

Anteil der Erwerbstätigen im Alter von 55 bis 64 Jahren an allen Personen<br />

dieser Altersgruppe (2009)<br />

in %<br />

80<br />

75<br />

70,0<br />

60<br />

56,2<br />

57,5 57,5<br />

45<br />

38,9<br />

46,0<br />

30<br />

15<br />

0<br />

Frankreich EU-27 Deutschland Dänemark Großbritannien Schweden<br />

Quelle: Eurostat, <strong>2010</strong><br />

12<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung


das Thema „Beschäftigung Älterer“ in den kommenden<br />

Jahren noch stärker in den Mittelpunkt<br />

rücken.<br />

Nicht zuletzt aufgrund der nach wie vor ungelösten<br />

Verschuldungsproblematik vieler EU-Staaten<br />

und der anhaltenden Gefahr unvermittelt auftretender<br />

Währungsturbulenzen bestehen weiter<br />

Risiken gerade für ein exportorientiertes Land wie<br />

Deutschland. Bleiben derartige Schwierigkeiten<br />

jedoch aus, erwartet das IAB einen Rückgang der<br />

jahresdurchschnittlichen Arbeitslosenzahl im Jahr<br />

2011 auf knapp unter 3 Mio. In diese Rechnung<br />

ist bereits mit einbezogen, dass das Arbeitskräfteangebot<br />

im Jahr 2011 allein durch den demografischen<br />

Effekt um knapp 100.000 Personen<br />

schrumpfen wird.<br />

Beschäftigungschancengesetz: richtige arbeitsmarktpolitische Signale<br />

des Gesetzgebers zum Jahreswechsel <strong>2010</strong>/2011<br />

Neben der funktionierenden Verantwortungspartnerschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die<br />

vor allem in betrieblichen Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ihren Ausdruck fand, leistete<br />

auch die Kurzarbeit einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigungsstabilisierung in dem noch von der Krise<br />

geprägten Jahr <strong>2010</strong>. Durch die von der BDA angestoßene und mit dem Beschäftigungschancengesetz<br />

umgesetzte Verlängerung der zunächst bis Ende dieses Jahres geltenden Regelungen zur erleichterten<br />

Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2012 kann der erfolgreiche Weg der Beschäftigungssicherung<br />

über Kurzarbeit auch 2011 beschritten werden. Diese Verlängerung ist angemessen<br />

und notwendig, um Unternehmen, bei denen die Krise erst später ankommt, in ähnlich wirksamer Weise<br />

zu helfen wie denen, die sofort vom Durchschlagen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft erfasst worden<br />

waren.<br />

Die Neuregelung des Beschäftigtentransfers wurde in ihrer Zielrichtung, den Einsatz von Transferkurzarbeitergeld<br />

und Transfermaßnahmen im Sinne der Kriterien von Wirkung und Wirtschaftlichkeit zu verbessern,<br />

unterstützt, in ihrer Ausgestaltung aber von der BDA kritisch begleitet. Im parlamentarischen<br />

Verfahren ist es gelungen, Profilingmaßnahmen durch qualitativ hochwertig arbeitende Träger von Transfermaßnahmen<br />

offen zu halten. In der Umsetzung des Beschäftigungschancengesetzes durch die BA<br />

wird die BDA weiterhin darauf achten, dass eine unnötige Bürokratisierung des Einsatzes von Transferkurzarbeitergeld<br />

und Transfermaßnahmen vermieden wird.<br />

Mit der Verlängerung einzelner zunächst bis Ende <strong>2010</strong> befristeter Arbeitsmarktinstrumente unter Bekräftigung<br />

der von der Koalition vereinbarten Zielsetzung, 2011 insgesamt die Arbeitsmarktinstrumente auf<br />

den Prüfstand zu stellen, gibt das Beschäftigungschancengesetz schließlich auch den richtigen Kurs in<br />

der Arbeitsmarktpolitik für das kommende Jahr vor. Entsprechend der langjährigen Forderung der BDA<br />

muss Ziel einer umfassenden Reform die grundlegende Vereinfachung der Arbeitsmarktinstrumente verbunden<br />

mit mehr Handlungsspielraum für die Arbeitsvermittler vor Ort sein, damit die von der BA erfolgreich<br />

praktizierte Steuerung der Arbeitsmarktförderung nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit fortgeführt<br />

und Fördermaßnahmen noch besser auf individuelle Bedarfe und die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts<br />

ausgerichtet werden können.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung 13


Kurzarbeitergeld sicherte Beschäftigung in der Krise<br />

Personen<br />

1.600.000<br />

1.400.000<br />

1.200.000<br />

1.000.000<br />

800.000<br />

600.000<br />

400.000<br />

200.000<br />

0<br />

Apr MaiJun<br />

Jul AugSepOktNovDezJanFebMrz<br />

Apr MaiJun<br />

Jul AugSepOktNovDezJanFebMrz<br />

08 08 08 08 08 08 08 08 08 09 09 09 09 09 09 09 09 09 09 09 09 10 10 10<br />

Apr<br />

10<br />

MaiJun<br />

Jul AugSep<br />

10 10* 10* 10* 10*<br />

Kurzarbeiter gesamt<br />

Personen in Anzeigen<br />

* Angaben beruhen auf neuem Statistikverfahren der BA auf Grundlage der Abrechnungslisten der Betriebe (Teil des Kurzarbeitergeldantrags<br />

gem. § 325 Abs. 3 SGB III). Bisherige Kurzarbeiterstatistik basierte auf den sog. Betriebsmeldungen gem. § 320 Abs. 4 SGB III.<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Oktober <strong>2010</strong><br />

14<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung


Fachkräftesicherung: schlüssige<br />

Gesamtstrategie dringend<br />

notwendig<br />

Das auf den gemeinsamen Anstrengungen von<br />

Wirtschaft, Sozialpartnern und Politik beruhende<br />

„deutsche Arbeitsmarktwunder“ hat das Thema<br />

„Fachkräfte“ in Höchstgeschwindigkeit wieder<br />

auf die politische Agenda gespült. Selbst im Krisenjahr<br />

2009 fehlten allein im sog. MINT-Bereich<br />

(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,<br />

Technik) mehr als 60.000 Fachkräfte, wodurch<br />

nach Berechnungen des Instituts der deutschen<br />

Wirtschaft Köln (IW) ein volkswirtschaftlicher<br />

Wertschöpfungsverlust von 14,4 Mrd. € verursacht<br />

wurde. Laut einer Umfrage des DIHK vom<br />

August <strong>2010</strong> haben aktuell 70 % der Unternehmen<br />

generell (20 %) oder teilweise (50 %) Probleme<br />

bei der Besetzung offener Stellen. Rückläufige<br />

Bewerberzahlen in der dualen Ausbildung,<br />

zu geringe Absolventenzahlen an den deutschen<br />

Hochschulen und alternde Belegschaften in den<br />

Unternehmen belegen: Fachkräfteengpässe sind<br />

in Deutschland kein konjunkturelles Phänomen,<br />

sondern größtenteils ein strukturelles Problem.<br />

Diese Lage wird sich mit dem voranschreitenden<br />

demografischen Wandel weiter verschärfen.<br />

Vor dem Hintergrund einer bis zum Jahr 2030<br />

um ca. 7,5 Mio. zurückgehenden Bevölkerung<br />

im erwerbsfähigen Alter prognostizieren wissenschaftliche<br />

Studien, dass die Fachkräftelücke<br />

ohne gezielte Gegenmaßnahmen allein bis 2030<br />

auf 5,2 Mio. Arbeitskräfte anwachsen wird.<br />

Drohender Arbeitskräftemangel<br />

Bis 2030 geht das Arbeitskräftepotenzial um über 7 Mio. Personen zurück<br />

in Mio.<br />

52<br />

50<br />

rd. 1,6 Mio. weniger<br />

über 7 Mio. weniger<br />

48<br />

46<br />

44<br />

42<br />

40<br />

2030<br />

2029<br />

2028<br />

2027<br />

2026<br />

2025<br />

2024<br />

2023<br />

2022<br />

2021<br />

2020<br />

2019<br />

2018<br />

2017<br />

2016<br />

2015<br />

2014<br />

2013<br />

2012<br />

2011<br />

<strong>2010</strong><br />

2009<br />

2008<br />

2007<br />

2006<br />

2005<br />

Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, <strong>2010</strong><br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung 15


Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass<br />

die Bundeskanzlerin auf dem „Zukunftsgipfel“<br />

in Meseberg im Juni dieses Jahres – vor allem<br />

auch auf Vorschlag des Arbeitgeberpräsidenten<br />

Prof. Dr. Dieter Hundt – zugesagt hat, eine<br />

gemeinsame Arbeitsgruppe der Bundesregierung<br />

unter Beteiligung der Sozialpartner zum Thema<br />

„Fachkräftesicherung“ einzurichten. Arbeitgeberpräsident<br />

Prof. Dr. Dieter Hundt hat auf dem<br />

Zukunftsgipfel die Position der Arbeitgeber ausführlich<br />

dargelegt. Dazu gehört zum einen, inländische<br />

Arbeitskräftepotenziale besser zu entfalten<br />

und auszuschöpfen. Zugleich müssen schon<br />

heute fehlende Fachkräfte durch eine bessere,<br />

arbeitsmarktorientierte Zuwanderungssteuerung<br />

gezielt im Ausland angeworben werden können.<br />

Um die sich immer mehr öffnenden Fachkräftelücken<br />

zu schließen, benötigt Deutschland dringend<br />

eine schlüssige Gesamtstrategie aus einem<br />

Bündel an Maßnahmen.<br />

Als ein Handlungsfeld müssen die bestehenden<br />

Potenziale am Arbeitsmarkt deutlich besser<br />

als bislang genutzt werden. Dafür gilt es, die<br />

Aktivierung Arbeitsuchender für Qualifizierung<br />

bzw. Vermittlung weiter zu verbessern. Weiterhin<br />

ist die aktive Erwerbsphase insgesamt auszuweiten.<br />

Dafür müssen junge Menschen früher<br />

ins Erwerbsleben eintreten können. Zugleich ist<br />

es ein wichtiges Ziel, mehr ältere Arbeitnehmer<br />

in Beschäftigung zu bringen und dort länger zu<br />

halten. Auch die Potenziale insbesondere von<br />

Arbeitskräfte der Zukunft: viel weniger Junge, mehr Ältere<br />

in 1.000 Personen<br />

1.600<br />

1.400<br />

Rückgang<br />

Mittlere: –5,5 Mio.<br />

Anstieg<br />

Ältere: +1,6 Mio.<br />

1.200<br />

Rückgang<br />

Junge: –2,4 Mio.<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

Alter 20 bis 64 zusammen:<br />

über 6 Mio. weniger<br />

20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Alter<br />

Bevölkerung <strong>2010</strong><br />

Bevölkerung 2030<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, <strong>2010</strong><br />

16<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung


Frauen, Migranten und Menschen mit Behinderungen<br />

müssen besser als bisher genutzt werden.<br />

Um diese Handlungsfelder zu konkretisieren und<br />

die Beratungen in der Arbeitsgruppe der Bundesregierung<br />

vorzubereiten, hat die BDA eine eigene<br />

Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein umfangreiches<br />

„Fachkräftepapier“ erarbeitet hat, das u. a. ein<br />

schnell umsetzbares Sofortprogramm zur Sicherung<br />

des Fachkräftebedarfs enthält. Erste Erfolge<br />

sind bereits sichtbar: So hat das Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales (BMAS) gerade auch<br />

auf Drängen der BDA einen Gesetzentwurf vorgelegt,<br />

der wesentliche Erleichterungen bei der<br />

Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse<br />

vorsieht. Die BDA wird zudem weiterhin darauf<br />

dringen, die Arbeitsförderungsinstrumente stärker<br />

auf eine schnelle, passgenaue Vermittlung von<br />

Arbeitslosen auszurichten und Beschäftigungsbarrieren<br />

für Ältere, Frauen und behinderte Menschen<br />

weiter abzubauen. Doch selbst eine optimale<br />

Ausschöpfung der Handlungsoptionen zur<br />

besseren Nutzung und Erschließung bestehender<br />

inländischer Fachkräftepotenziale wird nicht ausreichen.<br />

Auch um kurzfristig schon längst bestehende<br />

Fachkräftelücken zu schließen, gilt es, den<br />

deutschen Arbeitsmarkt für qualifizierte Zuwanderung<br />

aus dem Ausland zu öffnen und den Standort<br />

Deutschland für bei uns benötigte Fachkräfte aus<br />

aller Welt attraktiv zu machen.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Fachkräftesicherung“<br />

Ältere Arbeitnehmer sind wieder gefragt!<br />

Beschäftigungsquote der 55­ bis 64­Jährigen<br />

in %<br />

60<br />

56,2<br />

55<br />

51,5<br />

53,8<br />

50<br />

48,4<br />

45<br />

41,8<br />

45,4<br />

40<br />

37,6 37,9<br />

38,9<br />

39,9<br />

35<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, <strong>2010</strong><br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung 17


Zuwanderungsrecht:<br />

„Willkommenskultur“ für hoch<br />

qualifizierte Fachkräfte schaffen<br />

Der international sich immer mehr verstärkende<br />

„Wettbewerb um die besten Köpfe“ und die<br />

sich zukünftig weiter verschärfenden strukturellen<br />

Fachkräfteengpässe erfordern zwingend<br />

auch die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte<br />

aus dem Ausland. Die Zahlen des Statistischen<br />

Bundesamts, wonach im Jahr 2008 56.000 mehr<br />

Menschen aus Deutschland auswanderten, als<br />

neu hinzugezogen sind, und ein negativer Wanderungssaldobestand<br />

auch im Jahr 2009 belegen<br />

aber sogar einen gegenläufigen Trend. Deutschland<br />

benötigt deshalb ein effektives, unbürokratisches<br />

und an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts<br />

ausgerichtetes Zuwanderungsrecht, das<br />

den Unternehmen möglichst rasch auch bessere<br />

Möglichkeiten verschafft, schon heute fehlende<br />

Experten gezielt im Ausland anzuwerben.<br />

Das bestehende Zuwanderungsrecht wird<br />

diesen Anforderungen – auch nach den Reformen<br />

der vergangenen Jahre – noch nicht gerecht:<br />

Unnötige bürokratische Hürden erschweren die<br />

Arbeitsaufnahme und schrecken Fachkräfte aus<br />

dem Ausland eher ab. Das heutige Zuwanderungsrecht<br />

ist grundsätzlich immer noch Ausdruck<br />

einer Abschottungspolitik und fordert selbst für<br />

Akademiker – bis auf wenige Ausnahmen – die<br />

Durchführung einer Vorrangprüfung. Dabei hat<br />

die BA aufwendig zu prüfen, ob für das vom Ausländer<br />

angestrebte Beschäftigungsverhältnis in<br />

Deutschland oder ggf. sogar in Europa bevorrechtigte<br />

Arbeitnehmer (Deutsche, Unionsbürger,<br />

Schweizer) zur Verfügung stehen. Im Rahmen<br />

der Vorrangprüfung wird nicht nur nach Arbeitnehmern<br />

gesucht, die aufgrund ihrer Qualifikation<br />

den Arbeitsplatz unmittelbar besetzen könnten,<br />

sondern auch nach solchen, die erst noch eine<br />

Anpassungsqualifizierung erhalten müssten. Dies<br />

kann mehrere misslungene Besetzungsversuche<br />

umfassen und Monate dauern. Das Verfahren der<br />

Vorrangprüfung ist nicht nur langwierig und bürokratisch,<br />

sondern setzt auch ein falsches Signal,<br />

indem es dem Zuwanderungsinteressenten klar<br />

zu verstehen gibt, dass er – sei er auch noch so<br />

gut ausgebildet – auf dem deutschen Arbeitsmarkt<br />

nur als Lückenbüßer erwünscht ist, wenn<br />

kein einheimischer oder europäischer Arbeitnehmer<br />

für den Arbeitsplatz zu finden ist.<br />

Die BDA dringt gegenüber der Politik mit<br />

Nachdruck auf eine moderne arbeitsmarktorientierte<br />

Zuwanderungssteuerung, die gerade nicht<br />

wie in den letzten Jahrzehnten eine ungesteuerte<br />

Zuwanderung zu Lasten der Sozialsysteme beinhaltet,<br />

sondern Fachkräften aus aller Welt das<br />

Signal gibt, in Deutschland gebraucht zu werden<br />

und willkommen zu sein. Zentraler Ansatzpunkt<br />

hierfür ist die Einführung eines Punktesystems zur<br />

Steuerung der Zuwanderung, das insbesondere<br />

an den Kriterien Qualifikation, Berufserfahrung,<br />

Sprachkenntnisse und Arbeitsmarktbedarfe ausgerichtet<br />

ist. Dies bietet nicht nur Gewähr, dass<br />

wir die Menschen finden, die wir dauerhaft auf<br />

unserem Arbeitsmarkt brauchen, sondern erfüllt<br />

zugleich die Voraussetzungen für eine gelingende<br />

Integration in die Gesellschaft. Neben der Steuerung<br />

über ein systematisch und gezielt wirkendes<br />

Punktesystem werden dort, wo – schon heute<br />

in steigendem Umfang – Arbeitsplätze für hoch<br />

qualifizierte Kräfte nicht besetzt werden können,<br />

praxisorientierte zügige Anwerbemöglichkeiten<br />

benötigt. Das Zuwanderungsrecht muss dann<br />

die Möglichkeit zu einer unbürokratischen und<br />

schnellen Besetzung geben. Dies hat Arbeitgeberpräsident<br />

Prof. Dr. Dieter Hundt kürzlich auf<br />

dem vierten Integrationsgipfel gegenüber der<br />

Bundeskanzlerin und bei einem ersten Gespräch<br />

der Arbeitsgruppe „Fachkräfte der Zukunft“ mit<br />

der Bundesarbeitsministerin noch einmal ausdrücklich<br />

betont.<br />

Deshalb tritt die BDA für folgende kurzfristig notwendige<br />

Reformen im Zuwanderungsrecht ein:<br />

• Abschaffung der bürokratischen Einzelfall-<br />

Vorrangprüfung insbesondere für zuwanderungswillige<br />

Ingenieure und IT-Fachkräfte,<br />

indem vor allem auch die Vorrangprüfung –<br />

wie jetzt schon nach dem Gesetz möglich –<br />

pauschal für einzelne Berufsgruppen und<br />

Wirtschaftszweige vorweggenommen wird.<br />

• Absenkung der Einkommensgrenze für die<br />

Niederlassungserlaubnis Hochqualifizierter<br />

von 66.000 € auf 40.000 €; zum Vergleich:<br />

Ein Juniorprofessor in Berlin erhält ein<br />

Grundgehalt von 41.000 €.<br />

18<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung


• Dauerhafte Aufenthaltsperspektive für ausländische<br />

Absolventen deutscher Hochschulen,<br />

die innerhalb eines Jahres einen<br />

Job gefunden haben (bisher zunächst nur<br />

drei Jahre Aufenthaltserlaubnis).<br />

• Einführung einer „Blanket-Petition“ zur Erleichterung<br />

des internationalen Personalaustauschs<br />

innerhalb multinationaler Unternehmen.<br />

Dabei strafft die Erteilung einer<br />

Vorabgenehmigung für die Beschäftigung<br />

ausländischer Arbeitnehmer das Verfahren<br />

erheblich. Im Gegenzug muss das Unternehmen<br />

versichern, dass es notfalls für Lebensunterhalt<br />

und Krankenversicherung während<br />

der Dauer des Aufenthalts der ausländischen<br />

Arbeitnehmer und für eventuell anfallende<br />

Rückführungskosten aufkommt.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Zuwanderung und Integration“<br />

Nicht benötigte Finanzmittel aus der Insolvenzgeldumlage <strong>2010</strong> nicht<br />

zur Verminderung des Bundeszuschusses <strong>2010</strong> heranziehen<br />

Aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Jahr verbleibt Ende <strong>2010</strong> bei der allein von<br />

den Arbeitgebern finanzierten Insolvenzgeldumlage voraussichtlich ein Überschuss von 1,1 Mrd. €. Weil<br />

das BMAS von Insolvenzgeldausgaben 2011 in Höhe von ca. 900 Mio. € ausgeht, die folglich mit dem<br />

Überschuss abgedeckt sind, wurde der Umlagesatz für 2011 den gesetzlichen Vorgaben entsprechend<br />

auf 0,0 % festgelegt.<br />

Allerdings soll auf Betreiben des Bundesfinanzministers der Überschuss bei der Insolvenzgeldumlage<br />

bei der Höhe des Haushaltsdefizits der BA Ende <strong>2010</strong> berücksichtigt werden, um damit den nur für <strong>2010</strong><br />

gesetzlich vorgesehenen Bundeszuschuss (§ 434u SGB III) um diesen Betrag zu mindern. Dies führt faktisch<br />

zu einer Vereinnahmung der Umlagemittel für den Bundeshaushalt. Als Folge müssten die von den<br />

Arbeitgebern bereits gezahlten Gelder in Höhe von 1,1 Mrd. € im Jahr 2011 nochmals je zur Hälfte von den<br />

Beitragszahlern zur Arbeitslosenversicherung (Arbeitgebern und Arbeitnehmern) aufgebracht werden.<br />

Um dies zu verhindern, hat der BA-Verwaltungsrat einstimmig einen Haushaltsentwurf für 2011 verabschiedet,<br />

in dem die ca. 1,1 Mrd. € aus dem Haushalt <strong>2010</strong> in den Insolvenzgeldtitel des Haushalts 2011<br />

übertragen wurden. Auf diesem Weg sollte die Zweckbindung des eingesammelten Geldes gesichert und<br />

einem zweck- und rechtswidrigen Verschwinden im Bundeshaushalt vorgebeugt werden. Die Bundesregierung<br />

beabsichtigt allerdings, die Genehmigung des BA-Haushalts mit der Auflage zu versehen, dass<br />

der Überschuss aus der Insolvenzgeldumlage im Haushaltsjahr <strong>2010</strong> und nicht 2011 in Ansatz gebracht<br />

wird. Da der Haushaltsplan der BA 2011 nur mit Liquiditätshilfen des Bundes ausgeglichen ist, kann das<br />

BMAS den Haushaltsplan in der von der Bundesregierung genehmigten Fassung – also mit der Auflage –<br />

selbst feststellen.<br />

Die BDA hatte sich im Vorfeld der Haushaltsfeststellung gegenüber der Bundeskanzlerin, dem Bundesfinanzminister<br />

und der Bundesarbeitsministerin mit großem Nachdruck dafür eingesetzt, die Zweckbindung<br />

der durch die Insolvenzgeldumlage aufgebrachten Finanzmittel für Insolvenzgeldzahlungen nicht<br />

aufzubrechen und dementsprechend den Zuschuss des Bundes in Höhe des Ende <strong>2010</strong> bestehenden<br />

Defizits im Haushalt der BA ohne Berücksichtigung der zweckgebunden Insolvenzgeldmittel zu bemessen.<br />

Nachdem unsere Interventionen bei der Bundesregierung erfolglos geblieben sind, wird die BDA<br />

eine gerichtliche Klärung dieser Streitfrage über die Selbstverwaltung der BA anstreben.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung 19


Fürsorgesystem Arbeitslosengeld<br />

II: Langzeitarbeitslosigkeit<br />

endlich besser bekämpfen<br />

Leistungsfähige Verwaltungsstrukturen für eine<br />

bessere Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit<br />

und ein auf zügige Beschäftigungsaufnahme<br />

ausgerichtetes Fürsorgesystem, dies<br />

waren wichtige Ziele und Schwerpunkte der<br />

arbeitsmarktpolitischen Tätigkeit der BDA im<br />

Jahr <strong>2010</strong>. Aus Anlass zweier Entscheidungen<br />

des Bundesverfassungsgerichts mussten bis zum<br />

1. Januar 2011 in der Grundsicherung für Arbeitsuchende<br />

sowohl verfassungsgemäße Verwaltungsstrukturen<br />

gefunden als auch die Regelsätze<br />

neu berechnet und festgelegt werden.<br />

Ergebnis der langen politischen Auseinandersetzungen<br />

über die Neuregelung der Verwaltungsstrukturen<br />

im SGB II war, die Zusammenarbeit<br />

von Arbeitsagenturen und Kommunen in<br />

sog. Jobcentern fortzusetzen sowie die Optionskommunen<br />

zu entfristen und ihre bisherige<br />

Anzahl von 69 auf maximal ca. 110 auszuweiten.<br />

Mit einer Grundgesetzänderung wurden diese<br />

Verwaltungsstrukturen schließlich verfassungsrechtlich<br />

verankert. Auch wenn die von der BDA<br />

favorisierte klare Verantwortung in Form der kommunalen<br />

Zuständigkeit für die Betreuung der Hilfebedürftigen<br />

politisch keine Mehrheit gefunden<br />

hat, wurden dennoch Verbesserungen gegenüber<br />

dem Status quo erreicht. Die Neuregelung<br />

bietet grundsätzlich die Chance, nun die Zusammenarbeit<br />

von Kommunen und Arbeitsagenturen<br />

auf eine bessere Basis als bisher zu stellen.<br />

Vertrauensvolle Zusammenarbeit ist die Voraussetzung<br />

dafür, dass vor Ort von Arbeitsagenturen<br />

und Kommunen gemeinsam passgenaue<br />

Lösungen für Menschen mit oft komplexen Vermittlungshemmnissen<br />

erarbeitet werden. Durch<br />

die Ausweitung der Zahl der Optionskommunen<br />

kann zudem eine größere Anzahl von Kommunen<br />

die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II in<br />

Bundesverfassungsgericht: Entscheidung zum Eingliederungsbeitrag<br />

aufgeschoben<br />

Leider hat das Bundesverfassungsgericht die von der BDA angestoßenen und unterstützten Verfassungsbeschwerden<br />

mit Beschluss vom 2. August <strong>2010</strong> (veröffentlicht am 8. September <strong>2010</strong>) nicht zur<br />

Entscheidung angenommen, sondern die Beschwerdeführer auf den Rechtsweg zu den Sozialgerichten<br />

verwiesen. Dass das Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Eingliederungsbeitrags<br />

ausdrücklich offenlässt, war angesichts der Einholung von inhaltlichen Stellungnahmen und<br />

einer zweijährigen Prüfungszeit durchaus überraschend. Damit duldet das Bundesverfassungsgericht,<br />

dass sich der Bund entgegen der eigenen Rechtsprechung eines klaren verfassungsrechtlichen Verbots,<br />

Beitragsmittel für aus Steuern zu finanzierende Aufgaben zu verwenden, weiterhin massiv aus der Kasse<br />

der Arbeitslosenversicherung bedient. Allein im Jahr <strong>2010</strong> wurden auf diesem Weg zweckgerichtete Beiträge<br />

von ca. 5,3 Mrd. € willkürlich umgewidmet und zur allgemeinen Finanzierung des Bundeshaushalts<br />

missbraucht. Diesem Griff in die Tasche der Beitragszahler kann nur ein Riegel vorgeschoben werden,<br />

wenn die Frage der Verfassungswidrigkeit des Eingliederungsbeitrags über die Fachgerichte erneut an<br />

das Bundesverfassungsgericht herangetragen wird. Auf diesen Weg hat das Bundesverfassungsgericht<br />

in seiner Entscheidung ausdrücklich hingewiesen. Entsprechende Verfahren von Arbeitgebern und<br />

Arbeitnehmern vor den Sozialgerichten hatte die BDA bereits parallel zu den Verfassungsbeschwerden<br />

angestoßen und unterstützt. Eine Klage gegen den Aussteuerungsbetrag, die Vorgängerregelung zum<br />

Eingliederungsbeitrag, ist mittlerweile beim Bundessozialgericht anhängig.<br />

20<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung


sachgerechter eigener Verantwortung wahrnehmen.<br />

Vor allem aber konnte sich die BDA mit ihrer<br />

Forderung durchsetzen, alle Grundsicherungsträger<br />

zu verpflichten, sich an einer bundeseinheitlichen<br />

Datenerfassung, Ergebnisberichterstattung,<br />

Wirkungsforschung und Leistungsvergleichen zu<br />

beteiligen. Die hierdurch gewährleistete vollständige<br />

Transparenz bei der Mittelverwendung und<br />

den dabei erzielten Wirkungen ist nicht zuletzt<br />

Voraussetzung dafür, dass ausreichende Verantwortlichkeit<br />

entsteht und ein selbstlernendes, sich<br />

kontinuierlich verbesserndes System geschaffen<br />

wird. Ein solches System ist dringend notwendig,<br />

um erwerbsfähige Hilfebedürftige besser zu aktivieren,<br />

gezielt die Integrationschancen in den ersten<br />

Arbeitsmarkt zu nutzen und so letztlich Langzeitarbeitslosigkeit<br />

erfolgreich zu bekämpfen.<br />

Die richtige Weichenstellung in der Grundsicherung<br />

für Arbeitsuchende wurde auch mit<br />

dem im Bundestag beschlossenen Gesetz zur<br />

Neubemessung der Regelsätze vorgenommen.<br />

Die Neuberechnung der Regelsätze gewährleistet<br />

einerseits die vom Bundesverfassungsgericht<br />

geforderte Transparenz im Berechnungsverfahren.<br />

Andererseits werden mit einer strengen Bedürftigkeitsorientierung<br />

neue Hürden für eine Beschäftigungsaufnahme<br />

gerade für gering Qualifizierte<br />

vermieden. Nur so kann das Ziel der Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II erreicht werden, den<br />

Selbsthilfewillen und die Eigenverantwortung<br />

erwerbsfähiger Hilfebedürftiger zu stärken, um<br />

durch den (Wieder-)Einstieg in Arbeit die Hilfebedürftigkeit<br />

dauerhaft zu überwinden und<br />

so schnell wie möglich wieder unabhängig von<br />

staatlichen Fürsorgeleistungen zu werden. Die<br />

BDA unterstützt auch die im Gesetz vorgesehene<br />

Regelung, Bildungs- und Teilhabebedarfe von<br />

Kindern zielgerichtet und ohne Verminderung von<br />

Arbeitsanreizen bei den Eltern besser nicht durch<br />

pauschale Regelsatzerhöhungen, sondern durch<br />

Sachleistungen insbesondere in Form von Gutscheinlösungen<br />

zu erfüllen. So kann sichergestellt<br />

werden, dass die notwendige Hilfeleistung bei<br />

Elterngeld: sinnvolle Neujustierung<br />

Mit den vorgesehenen Änderungen beim Elterngeld im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 wird<br />

die notwendige Konsolidierung des Bundeshaushalts vorangebracht und das Elterngeld inhaltlich sinnvoll<br />

neu justiert. Dies gilt insbesondere für die von der BDA geforderte Anrechnung von Elterngeld auf das<br />

Arbeitslosengeld II und den Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz. Bisher wurde Elterngeld<br />

gezahlt, obwohl der/die Betroffene bereits durch die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II abgesichert ist<br />

und auch keine Arbeit zum Zwecke der Kinderbetreuung und -erziehung aufgegeben hat. Damit wurden<br />

die Fürsorgeleistungen zu Lasten der Solidargemeinschaft der Steuerzahler über die Bedürftigkeit hinaus<br />

geleistet und Anreize zur zügigen Rückkehr in das Erwerbsleben massiv verringert. Allerdings wurde im<br />

Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch eine Ausnahmeregelung eingefügt, die es Leistungsbeziehern<br />

ermöglicht, dass ein vor der Geburt erzieltes Einkommen von bis zu 300 € anrechnungsfrei bleibt. Wer<br />

z. B. vor der Geburt des Kindes 160 € netto verdient hat, erhält nach der Geburt diesen Betrag zusätzlich<br />

zum Arbeitslosengeld II. Gegen eine derartige Regelung spricht – ebenso wie gegen die heutige<br />

Gesetzeslage –, dass hierdurch erwerbsfähige Hilfebedürftige über den Existenz sichernden Bedarf der<br />

Familie hinaus zu Lasten der Solidargemeinschaft der Steuerzahler finanziell unterstützt würden. Weitere<br />

Bestandteile der beschlossenen Änderungen sind die Absenkung der Ersatzquote beim Elterngeld ab<br />

einem zu berücksichtigenden Einkommen von 1.200 € von 67 % auf 65 % sowie die Beschränkung der<br />

Berechnungsgrundlage des Elterngelds auf Einnahmen, die im Inland versteuert werden. Schließlich<br />

entfällt künftig der Elterngeldanspruch für Personen, die vor der Geburt ein Einkommen von mehr als<br />

250.000 € im Jahr erzielt haben.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung 21


den Kindern von Fürsorgeempfängern ankommt<br />

und Bildungs- und Teilhabechancen tatsächlich<br />

wahrgenommen werden. Aufgrund ihrer Sachnähe<br />

sind in der Praxis vor allem die Kommunen<br />

gefordert, sicherzustellen, dass entsprechende<br />

Leistungen für die Kinder bereitstehen und in<br />

Anspruch genommen werden können. Letztlich<br />

kommt es darauf an, möglichst durch präventive<br />

Maßnahmen von Anfang an die heute leider noch<br />

viel zu oft stattfindenden „Sozialhilfekarrieren“ zu<br />

vermeiden.<br />

Ein Erfolg der BDA war es vor allem, dass<br />

der Gesetzgeber zum 1. Januar 2011 die Zuschläge<br />

zum Arbeitslosengeld II nach dem Bezug von<br />

Arbeitslosengeld abgeschafft hat. Diese Zuschläge<br />

dienen nicht mehr der Existenzsicherung und<br />

sind deshalb nicht zu rechtfertigen. Sie bilden<br />

sogar Hindernisse für eine möglichst zügige Aktivierung<br />

von Fürsorgeempfängern. Leider hat die<br />

Bundesregierung die Freibetragsregelung für<br />

eigenes Erwerbseinkommen beim Arbeitslosengeld<br />

II fast unverändert gelassen. Die BDA hatte<br />

sich nachdrücklich dafür eingesetzt, künftig die<br />

ersten 200 € des Hinzuverdiensts komplett auf<br />

die Fürsorgeleistung anzurechnen, im Gegenzug<br />

aber die heutigen Freibeträge für Einkommen bis<br />

800 € bzw. 1.000 € jeweils zu verdoppeln. Hierdurch<br />

würde der Anreiz für die Aufnahme einer<br />

Vollzeittätigkeit deutlich erhöht werden. Die Neuregelung<br />

sieht jedoch lediglich vor, dass vom<br />

Arbeitseinkommen zwischen 800 € und 1.000 €<br />

zukünftig 20 % statt 10 % behalten werden dürfen.<br />

Weil mit der Neuregelung weiterhin geringe<br />

Einkommen privilegiert werden, werden auch<br />

zukünftig Hilfebedürftige zum Verbleib im fast<br />

ungekürzten Leistungsbezug bei Hinzuverdienst<br />

eines Taschengelds regelrecht eingeladen. Die<br />

Fehlsteuerung der bestehenden Freibetragsregelung<br />

zeigt sich darin, dass heute fast 60 %<br />

der 1,3 Mio. erwerbstätigen Hilfebedürftigen ein<br />

Erwerbseinkommen von lediglich 400 € verdienen,<br />

viele hiervon sogar nur den anrechnungsfreien<br />

Betrag von 100 €. Auch nach der Reform bleibt<br />

es für den Hilfebedürftigen nach wie vor attraktiver,<br />

von erarbeiteten 200 € 120 € zu behalten als<br />

mit vierfacher Arbeitsleistung und dementsprechendem<br />

Verdienst von 800 € nur über weitere<br />

120 € mehr zu verfügen. Gemessen hieran kann<br />

von einer Umsetzung der Vereinbarung im Koalitionsvertrag,<br />

„den Anreiz zu erhöhen, eine voll<br />

sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu<br />

suchen und anzunehmen“, keine Rede sein. Die<br />

richtige Ausgestaltung der Freibeträge muss deshalb<br />

auf der politischen Agenda bleiben.<br />

Wirtschaft wirbt: mehr Frauen in<br />

Beschäftigung und Führungspositionen<br />

Mehr Frauen in Beschäftigung zu bringen und<br />

auch den Frauenanteil in Führungspositionen<br />

zu erhöhen sind seit langem verfolgte Ziele der<br />

Wirtschaft. Die Unternehmen und der Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland sind nicht zuletzt angesichts<br />

des demografischen Wandels und eines<br />

wachsenden Fachkräftebedarfs künftig noch stärker<br />

auf die Potenziale gerade auch von Frauen<br />

angewiesen. Doch obwohl Frauen immer bessere<br />

Bildungsabschlüsse erzielen und inzwischen die<br />

Mehrheit der Abiturienten und Hochschulabsolventen<br />

in Deutschland stellen, können sie ihre<br />

Potenziale im Berufsleben noch nicht vollständig<br />

ausschöpfen.<br />

Nach wie vor tragen die Familienpolitik und<br />

der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen dazu<br />

bei, dass Frauen zu lange nach der Geburt ihres<br />

Kindes zu Hause bleiben und oft nur in Teilzeit<br />

arbeiten. Auch das deutsche Steuer- und Sozialversicherungsrecht<br />

setzen zu viele Anreize, die<br />

Erwerbstätigkeit zu reduzieren oder gar im Sinne<br />

des Alleinverdienermodells ganz aufzugeben.<br />

Dies wird durch ein tradiertes gesellschaftliches<br />

Rollenverständnis unterstützt, das die Familienund<br />

Erziehungsarbeit überwiegend als Aufgabe<br />

der Frau sieht. Damit kommen viele Frauen auch<br />

auf der Karriereleiter gar nicht erst so weit voran,<br />

um Aussicht auf eine Führungsaufgabe zu haben.<br />

Das Potenzial für weibliche Führungskräfte wird<br />

dadurch unnötig verknappt.<br />

Umso weniger ist es nachvollziehbar, dass<br />

zunehmend die Einführung einer gesetzlichen<br />

Quotenregelung für Aufsichtsräte und auch allgemein<br />

für Führungspositionen gefordert wird.<br />

Unabhängig von gravierenden verfassungsrechtlichen<br />

Einwänden werden mit Quoten lediglich<br />

Symptome, nicht aber die Ursachen des geringen<br />

Frauenanteils in Führungspositionen angegangen.<br />

Die BDA tritt weiterhin vehement dafür ein, die<br />

22<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung


Hindernisse, welche Frauen heute bei der Aufnahme<br />

einer Erwerbstätigkeit und beim beruflichen<br />

Aufstieg im Wege stehen, zu überwinden.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

argumente > „Frauen in Führungspositionen“<br />

Beitrag zur Standortbestimmung<br />

der deutschen Personalarbeit:<br />

1. Deutsches HR-Forum<br />

Unter Schirmherrschaft von Arbeitgeberpräsident<br />

Prof. Dr. Dieter Hundt fand am 14. Oktober <strong>2010</strong><br />

das 1. Deutsche HR-Forum in Berlin statt. Zielsetzung<br />

war eine Standortbestimmung der deutschen<br />

Personalarbeit. Der Arbeitgeberpräsident<br />

machte in seiner Eröffnungsrede deutlich, dass<br />

Fachkräftegewinnung und -sicherung ohne Zweifel<br />

herausragende Themen der betrieblichen Personalpolitik<br />

seien. Daher sei es wesentlich, die<br />

Lebensarbeitszeit zu verlängern, die Beschäftigungschancen<br />

von Frauen weiter zu verbessern<br />

und nicht zuletzt die Zuwanderung von ausländischen<br />

Fach- und Führungskräften als notwendig<br />

und als Chance für unser Land zu begreifen. Ein<br />

hochrangiger Teilnehmerkreis aus 150 Arbeitsdirektoren,<br />

Personalvorständen, Geschäftsführern,<br />

Wissenschaftlern und Politikern diskutierte über<br />

Themen wie „Change am Talentmarkt“, „Reputation<br />

des Managements“ oder das „System Arbeit<br />

unter dem Druck der Globalisierung“. Ausgewiesene<br />

Experten aus Praxis und Forschung<br />

beleuchteten in Vorträgen und Podiumsdiskussionen<br />

die zukünftigen strategischen, politischen<br />

und wissenschaftlichen Einflussfaktoren für ein<br />

modernes HR-Management. Stefan Lauer, Mitglied<br />

des Vorstands der Deutschen Lufthansa AG,<br />

stellte eindrucksvoll dar, wie Web 2.0 und Digital<br />

Natives nicht nur die Personalarbeit, sondern die<br />

gesamte Unternehmenskommunikation verändern<br />

könnten. Thomas Sattelberger, Personalvorstand<br />

der Deutschen Telekom AG, plädierte<br />

für einen europäischen Weg der Nachhaltigkeit in<br />

der Managemententwicklung. Hans Eberspächer,<br />

emeritierter Professor für Sportpsychologie, dessen<br />

Methoden in vielen Unternehmen eingesetzt<br />

werden, ging in seiner Dinnerspeech der Frage<br />

nach, inwiefern die mentalen Strategien und Trainingsmethoden<br />

des Spitzensports auf andere<br />

Bereiche wie die Wirtschaft übertragbar sind.<br />

Mit den erstmals vergebenen HR-Awards<br />

<strong>2010</strong> wurden Dr. Angelika Dammann, Personalvorstand<br />

bei SAP AG, und Prof. Dr. Dirk Sliwka von<br />

der Universität zu Köln geehrt. Ausgelobt wurden<br />

die Awards vom Personalmagazin, Deutschlands<br />

meistgelesener HR-Fachzeitschrift. Dr. Angelika<br />

Dammann wurde als „HR-Manager des Jahres“<br />

von der Jury wegen ihrer beispielhaften Karriere<br />

in- und außerhalb des Personalmanagements<br />

geehrt, in deren Rahmen sie äußerst erfolgreich<br />

unterschiedliche Veränderungsprojekte in internationalen<br />

Konzernen initiiert und begleitet hat.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Beschäftigung 23


Mehr Netto vom Brutto nicht aus<br />

den Augen verlieren<br />

CDU, CSU und FDP haben ihr im Koalitionsvertrag<br />

vom 24. Oktober 2009 vereinbartes Ziel, die Beitragssatzsumme<br />

in der Sozialversicherung „unter<br />

40 % vom Lohn zu halten“, im Jahr <strong>2010</strong> eingehalten.<br />

Erreicht wurde die Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge<br />

bei 39,6 % vor allem durch<br />

die Absenkung des Beitragssatzes zum Gesundheitsfonds<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

(GKV) von 15,5 % auf 14,9 % ab 1. Juli 2009<br />

(„Konjunkturpaket II“). Die daraus resultierenden<br />

Beitragsmindereinnahmen sind den gesetzlichen<br />

Krankenkassen durch einen um 6,3 Mrd. € erhöhten<br />

Bundeszuschuss voll kompensiert worden.<br />

Flankierend wurden die krisenbedingten Defizite<br />

in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung im<br />

laufenden Jahr vom Bund übernommen („Gesetz<br />

zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme“).<br />

Die Begrenzung des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes<br />

hat dazu beigetragen,<br />

bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue<br />

Beschäftigung zu schaffen. Obgleich der positive<br />

Beschäftigungseffekt niedrigerer Sozialversicherungsbeiträge<br />

im Wesentlichen auf der Verringerung<br />

der Arbeitskosten beruht, sind auch mit<br />

der Senkung der Arbeitnehmerbeiträge positive<br />

Wirkungen verbunden: Weniger Sozialversicherungsbeiträge<br />

bedeuten mehr Netto für die<br />

Beschäftigten und damit mehr Möglichkeiten für<br />

Konsum und Sparen. Gleichzeitig machen niedrigere<br />

Sozialversicherungsbeiträge legale Arbeit<br />

lohnender und verringern damit die Anreize zur<br />

Schwarzarbeit.<br />

Aber bereits im kommenden Jahr werden die<br />

Beitragssätze zur Sozialversicherung wieder über<br />

40 % steigen. Verantwortlich hierfür sind vor allem<br />

falsche Weichenstellungen in der Gesundheitspolitik:<br />

Denn das für 2011 erwartete Defizit von<br />

9 Mrd. € in der GKV soll nicht durch Ausgaben<br />

senkende Strukturreformen, sondern vor allem<br />

durch zusätzliche Beitrags- und Steuergelder<br />

beseitigt werden. Belastet werden insbesondere<br />

Arbeitgeber und Versicherte, deren Beitragssatzanteile<br />

um jeweils 0,3 Prozentpunkte angehoben<br />

werden sollen.<br />

Mit der Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes<br />

um 0,6 Prozentpunkte bricht die Koalition<br />

ihre Zusage, die Beiträge von Arbeitgebern und<br />

Arbeitnehmern zur Überwindung der Wirtschaftsund<br />

Finanzkrise stabil zu halten, und dies, obwohl<br />

die deutsche Wirtschaft das Vorkrisenniveau noch<br />

nicht wieder erreicht hat. Das ist besonders gravierend,<br />

weil gleichzeitig zum 1. Januar 2011 auch<br />

der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um<br />

0,2 Prozentpunkte steigen wird. Damit wächst die<br />

Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung<br />

zum Jahreswechsel äußerst kräftig von 39,6 %<br />

auf 40,4 %. Durch den Beitragssatzanstieg wird<br />

das Gegenteil dessen erreicht, was die Bundesregierung<br />

im Koalitionsvertrag versprochen hat,<br />

nämlich für mehr Netto vom Brutto zu sorgen und<br />

die Personalzusatzkosten zu stabilisieren.<br />

Abgabenkeil: Deutschland<br />

belastet den Faktor Arbeit<br />

überdurchschnittlich<br />

Nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(OECD) belastet kaum ein anderes Land Löhne<br />

und Gehälter so sehr mit Abgaben wie Deutschland.<br />

Von den Arbeitskosten des Arbeitgebers<br />

kamen bei einem alleinstehenden Durchschnittsverdiener<br />

im Jahr 2009 gerade einmal 49,1 %<br />

als Nettolohn an, d. h., der Abgabenkeil betrug<br />

50,9 %. Unter den sieben führenden Industrienationen<br />

(G7) belegt Deutschland den ersten Platz vor<br />

Frankreich (49,2 %) und Italien (46,5 %). Deutlich<br />

niedrigere Belastungen des Faktors Arbeit weisen<br />

die angelsächsischen Staaten und Japan (32,5 %<br />

bis 29,2 %) auf. Aber auch im EU-Durchschnitt ist<br />

der Abgabenkeil mit 41,6 % erheblich schmaler<br />

als in Deutschland.<br />

Der deutsche Abgabenkeil eines alleinstehenden<br />

Durchschnittsverdieners setzt sich<br />

zurzeit aus drei ähnlich großen Teilen zusammen:<br />

Auf die Sozialversicherungsbeiträge des<br />

Arbeitgebers entfallen 16,3 Prozentpunkte, auf<br />

die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers<br />

17,3 Prozentpunkte und auf die Lohnsteuer<br />

inklusive Solidaritätszuschlag ebenfalls<br />

17,3 Prozentpunkte. Fast zwei Drittel des Abgabenkeils<br />

gehen somit auf Sozialversicherungsbeiträge<br />

zurück.<br />

26<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz wieder über 40 %<br />

in %<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

26,5<br />

32,4<br />

3,0<br />

11,4<br />

35,8<br />

4,3<br />

12,8<br />

41,1<br />

1,70<br />

6,5<br />

13,6<br />

42,0<br />

1,77<br />

6,5<br />

14,2<br />

39,9<br />

40,1 40,2<br />

40,4<br />

39,6 39,6 39,6<br />

1,77 2,02 2,02<br />

2,02<br />

2,02 2,02 2,02<br />

3,3<br />

3,3 2,8<br />

3,0<br />

2,8 2,8 2,8<br />

15,5 15,5<br />

14,9 14,9 14,9 14,9 14,9<br />

25<br />

1,3<br />

8,2<br />

20<br />

15<br />

17,0<br />

18,0 18,7<br />

19,3 19,5 19,9 19,9 19,9 19,9 19,9 19,9 19,9<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1970<br />

1980 1990 2000 2005<br />

1. Januar<br />

2008<br />

1. Juli<br />

2008<br />

1. Januar<br />

2009<br />

1. Juli<br />

2009<br />

1. Januar<br />

<strong>2010</strong><br />

1. Juli<br />

<strong>2010</strong><br />

1. Januar<br />

2011<br />

Pfl egeversicherung (Durchschnitt)<br />

Arbeitslosenversicherung<br />

Krankenversicherung (Durchschnitt)<br />

Rentenversicherung<br />

Soweit nicht anders angegeben, jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt<br />

Quellen: Bundesministerium für Gesundheit und Deutsche Rentenversicherung Bund; eigene Darstellung der BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 27


Der breite deutsche Abgabenkeil ist insbesondere<br />

das Ergebnis einer langfristig stark<br />

gestiegenen Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge.<br />

Erreichte die Beitragssatzsumme<br />

aus Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung<br />

1970 noch den Wert von 26,5 %, stieg sie<br />

bis 1990 bereits auf 35,8 %, blieb nach Einführung<br />

der Pflegeversicherung im Jahr 1995 noch<br />

knapp unter der 40%-Marke und erreichte 1999<br />

bei 42,1 % ihren bisherigen Höchststand. Deshalb<br />

bleibt es auch in Zukunft ein wichtiges politisches<br />

Ziel der BDA, den Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz<br />

dauerhaft unter 40 % zu halten.<br />

Die leistungshemmende Wirkung des deutschen<br />

Steuer- und Beitragssystems wird noch<br />

deutlicher, wenn ergänzend zur durchschnittlichen<br />

Belastung des Faktors Arbeit mit Abgaben die marginale<br />

Abgabenlast betrachtet wird. Sie gibt an, wie<br />

viel Eurocent der Staat für sich beansprucht, wenn<br />

das Arbeitnehmerentgelt, also Bruttolohn plus<br />

Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, um<br />

1 € angehoben wird. Für den Durchschnittsverdiener<br />

ermittelt die OECD eine Grenzbelastung von<br />

63,3 %. Das bedeutet, dass dem Durchschnittsverdiener<br />

von einer Arbeitskostenerhöhung um 1 €<br />

gerade einmal 36,7 Eurocent netto verbleiben.<br />

Sozialbudget: Sozialleistungen<br />

haben kräftig zugenommen<br />

Das Sozialbudget, in dem die Bundesregierung<br />

regelmäßig alle Sozialausgaben zusammenfasst,<br />

hat sich im Jahr 2009 auf das neue Rekordniveau<br />

von 753,9 Mrd. € erhöht. Das sind 30,5 Mrd. €<br />

bzw. 4,2 % mehr als 2008. Von einem systematischen<br />

„Sozialabbau“ – wie ihn Gewerkschaften,<br />

Sozialverbände und die Partei DIE LINKE immer<br />

wieder behaupten – kann deshalb überhaupt keine<br />

Rede sein. Hierauf hat die BDA immer wieder<br />

hingewiesen. Verantwortlich für den überaus<br />

kräftigen Ausgabenanstieg sind nicht nur die krisenbedingten<br />

Mehrausgaben der Arbeitslosenversicherung,<br />

sondern vor allem auch die weiter<br />

steigenden Ausgaben in der Kranken-, Rentenund<br />

Pflegeversicherung.<br />

Mit Abstand größter Kostentreiber war die<br />

GKV, deren Leistungsvolumen von 2004 bis<br />

2009 um insgesamt 30 Mrd. € zugenommen hat.<br />

Deutlich gestiegen sind in den Jahren 2008 und<br />

2009 mit fast 9 Mrd. € auch die Leistungsausgaben<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht<br />

zuletzt, weil die große Koalition den Rentnern<br />

zwei Sonder-Rentenerhöhungen (zweimaliges<br />

Aussetzen der Riester-Treppe 2008 und 2009)<br />

zugebilligt hat. Und auch die zahlreichen Leistungsausweitungen<br />

in der Pflegeversicherung<br />

(„Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“) haben die<br />

Ausgaben des Sozialbudgets in den letzten beiden<br />

Jahren um insgesamt 2 Mrd. € erhöht.<br />

Das Verhältnis von Sozialaufwand zu Wirtschaftskraft<br />

hat sich 2009 deutlich von 29,0 % auf<br />

31,3 % verschlechtert. Der noch in den Jahren<br />

2004 bis 2008 zu beobachtende Trend rückläufiger<br />

Sozialleistungsquoten ist damit im Berichtsjahr<br />

abrupt beendet worden. Der zurückliegende<br />

kräftige Konjunkturaufschwung und der damit<br />

verbundene Rückgang der Sozialleistungsquote<br />

haben weitgehend verdeckt, dass die Kosten der<br />

sozialen Sicherung in einigen Teilbereichen massiv<br />

gestiegen sind.<br />

Rentenversicherung: Rentengarantie<br />

kostet 1,7 Mrd. € und<br />

ist systemwidrig<br />

Insbesondere um im Bundestagswahlkampf 2009<br />

eine Debatte über drohende Rentenkürzungen<br />

im Jahr <strong>2010</strong> zu vermeiden, hatte sich die große<br />

Koalition dazu entschlossen, eine Rentengarantie<br />

abzugeben. Danach dürfen die Altersbezüge der<br />

20 Mio. Rentner selbst dann nicht gekürzt werden,<br />

wenn die durchschnittlichen Pro-Kopf-Verdienste,<br />

also die Einkommen der Erwerbstätigen,<br />

sinken. Anlass für die Garantie war das Frühjahrsgutachten<br />

2009 der Wirtschaftsforschungsinstitute,<br />

das insbesondere durch die zunehmende<br />

Inanspruchnahme der konjunkturellen Kurzarbeit<br />

einen Rückgang der anpassungsrelevanten Löhne<br />

um über 2 % prognostiziert hatte. Dagegen<br />

vertrat die damalige Bundesregierung die Auffassung,<br />

die Bruttolöhne würden um rd. 1 % steigen.<br />

Nach der „Rentenwertbestimmungsverordnung<br />

<strong>2010</strong>“, die zum 1. Juli <strong>2010</strong> in Kraft getreten<br />

ist, war die anpassungsrelevante Lohnentwicklung<br />

in den alten Bundesländern mit minus 0,96 %<br />

tatsächlich negativ, während sie in den neuen<br />

28<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


Bundesländern mit plus 0,61 % positiv ausfiel.<br />

Damit hat die Rentengarantie in Ostdeutschland<br />

keine Wirkung entfaltet, war aber für die Fortschreibung<br />

des Aktuellen Rentenwerts in Westdeutschland<br />

bedeutsam.<br />

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens<br />

zum „Gesetz zur Änderung des Vierten Buches<br />

Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse<br />

und zur Änderung anderer<br />

Gesetze“ hatte sich die BDA seinerzeit vehement<br />

gegen die Einführung der Rentengarantie ausgesprochen.<br />

Gegen die weitere Verwässerung der<br />

Rentenanpassungsformel sprechen vor allem folgende<br />

Gründe:<br />

Zum einen ist nicht zu begründen, warum<br />

Rentenbezieher eine umfassende Garantie ihrer<br />

Altersbezüge erhalten und jegliche Einkommenseinbußen<br />

für diesen Personenkreis kategorisch<br />

ausgeschlossen werden, obwohl gleichzeitig<br />

Arbeitnehmer, die arbeitslos werden, wegen Kurzarbeit<br />

auf Gehalt verzichten oder zwecks Beschäftigungssicherung<br />

Lohnzugeständnisse machen,<br />

einen Einkommensverlust erleiden. Das Prinzip<br />

der lohnbezogenen Rente bedeutet, dass sich<br />

Immer mehr für Soziales – Sozialleistungsquote deutlich angestiegen<br />

Sozialbudget in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nominal<br />

in %<br />

35<br />

30<br />

28,3<br />

31,2 31,3<br />

30,2<br />

29,2 29,0<br />

31,3<br />

25,9<br />

25<br />

23,3<br />

20,9<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1960<br />

1970 1980 1990 2000 2005 2006 2007 2008 s 2009 s<br />

Bis 1990: Westdeutschland; ab 2000: Gesamtdeutschland; s: geschätzte Zahlen<br />

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales; eigene Darstellung der BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 29


die Renten grundsätzlich an der Lohn entwicklung<br />

orientieren. Dieser Grundsatz kann nicht nur in<br />

guten Zeiten gelten, wenn die Löhne steigen, sondern<br />

muss auch im umgekehrten Fall Anwendung<br />

finden, wenn die Löhne sinken.<br />

Zum anderen erfordert die vom Gesetzgeber<br />

gewollte Absenkung des Rentenniveaus sogar,<br />

dass die Renten langsamer steigen als die Löhne<br />

und Gehälter. Von diesem Grundsatz wurde bei<br />

sinkenden Löhnen und Gehältern bereits nach<br />

altem Recht eine Ausnahme gemacht, weil in diesem<br />

Fall auf die Anwendung der zur langfristigen<br />

Dämpfung des Rentenniveaus vorgesehenen<br />

Faktoren verzichtet wird. Damit bleibt das Rentenniveau<br />

bei sinkenden Löhnen und Gehältern<br />

konstant. Die Anwendung der neu eingeführten<br />

Rentengarantie führt jetzt sogar dazu, dass das<br />

Rentenniveau bei sinkenden Löhnen steigt. Damit<br />

wird der mit den letzten Rentenreformen eingeschlagene<br />

Weg noch weiter konterkariert.<br />

Nicht zuletzt ist mit der Rentengarantie das<br />

Vertrauen in eine stetige, berechenbare und verlässliche<br />

Rentenpolitik beschädigt worden. Inzwischen<br />

vergeht kaum mehr ein Jahr, in dem der<br />

Gesetzgeber nicht in den Rentenanpassungsmechanismus<br />

eingreift. Deshalb ist inzwischen der<br />

Eindruck entstanden, dass die Höhe der jeweils<br />

nächsten Rentenanpassung mehr von politischer<br />

Opportunität als von zuvor vereinbarten gesetzlich<br />

festgelegten Regeln abhängt. Dabei ist gerade in<br />

der Alterssicherung Verlässlichkeit geboten. Insbesondere<br />

die heutigen Beitragszahler brauchen<br />

Planungssicherheit, um eine klare Perspektive für<br />

ihre ergänzende Eigenvorsorge zu haben.<br />

Da die Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern<br />

im vergangenen Jahr positiv war,<br />

sind durch die Rentengarantie ausschließlich in<br />

den alten Bundesländern Kosten entstanden.<br />

Nach dem jüngsten Rentenversicherungsbericht<br />

der Bundesregierung werden die Rentenausgaben<br />

in Westdeutschland im laufenden Jahr etwa<br />

167,0 Mrd. € betragen. Hinzu kommen 11,2 Mrd. €<br />

Zuschüsse der westdeutschen Rentenversicherungsträger<br />

zur Krankenversicherung der Rentner.<br />

Multipliziert man dieses Ausgabevolumen von insgesamt<br />

178,2 Mrd. € mit der unterlassenen Rentenkürzung<br />

von 0,96 %, errechnen sich für den Zeitraum<br />

drittes Quartal <strong>2010</strong> bis zweites Quartal 2011<br />

Mehrausgaben für die Rentenversicherung von<br />

1,7 Mrd. € infolge der Rentengarantie.<br />

Damit der Rentenversicherungsbeitragssatz<br />

auch langfristig unter 20 % gehalten werden kann,<br />

muss der Gesetzgeber insbesondere folgende<br />

rentenrechtliche Korrekturen auf den Weg bringen:<br />

Zum einen sollten Rentendämpfungen, die<br />

nach der Rentenanpassungsformel hätten erfolgen<br />

müssen, aber aufgrund von Schutzklauseln<br />

unterblieben sind, künftig in vollem Umfang – und<br />

nicht mehr nur jeweils zur Hälfte – bei der nächsten<br />

Rentenanhebung gegengerechnet und auf<br />

diese Weise nachgeholt werden. Zum anderen<br />

muss die fürsorgerisch motivierte Hinterbliebenenversorgung<br />

auf ihre ursprüngliche Aufgabe<br />

einer angemessenen Absicherung von Personen<br />

ohne ausreichendes Einkommen beschränkt<br />

werden. Erforderlich sind vor allem eine stärkere<br />

Anrechnung anderer Einkommen sowie engere<br />

Anspruchsvoraussetzungen für den bezugsberechtigten<br />

Personenkreis.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Gesetzliche Rentenversicherung“<br />

Altersarmut: hohes Beschäftigungsniveau<br />

ist beste Vorsorge<br />

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen<br />

Bundestags hat am 27. September <strong>2010</strong><br />

eine öffentliche Anhörung zum Thema „Altersarmut“<br />

durchgeführt, zu der die BDA als Sachverständige<br />

geladen war. Auf der Tagesordnung<br />

standen vor allem fünf Anträge der Oppositionsparteien,<br />

nach denen der behaupteten Gefahr<br />

künftig steigender Altersarmut vorrangig durch<br />

Korrekturen des Rentenrechts begegnet werden<br />

soll. Die BDA sieht hingegen grundsätzlich keinen<br />

Bedarf für neue rentenrechtliche Regelungen.<br />

Altersarmut ist in Deutschland erfreulicherweise<br />

selten. Auf „Grundsicherung im Alter“ waren am<br />

Jahresende 2009 gerade einmal 2,4 % der über<br />

64-Jährigen angewiesen. Das gegliederte Alterssicherungssystem<br />

aus allgemeiner und knappschaftlicher<br />

Rentenversicherung, Alterssicherung der<br />

Landwirte, berufsständischen Versorgungswerken<br />

und Beamtenversorgung ist gegenwärtig sehr<br />

gut in der Lage, auskömmliche Altersrenten zu<br />

30<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


gewährleisten. Personen, die mindestens 65 Jahre<br />

alt sind und nicht über ausreichende Mittel zum<br />

Lebensunterhalt verfügen, haben zudem Anspruch<br />

auf „Grundsicherung im Alter“. Diese Sozialleistung<br />

wird – im Gegensatz zur Sozialhilfe – sogar dann<br />

voll gewährt, wenn die Betroffenen ihre unterhaltspflichtigen<br />

Kinder in Anspruch nehmen könnten.<br />

Der Gesetzgeber hat damit bereits ein spezielles<br />

unteres Auffangnetz für Personen im Rentenalter<br />

geschaffen, das Altersarmut wirksam bekämpft.<br />

Um das Risiko künftiger Altersarmut weiter<br />

zu begrenzen, ist insbesondere der Ausbau der<br />

Erwerbsbeteiligung erforderlich. Mehr Beschäftigung<br />

insbesondere von Frauen und Älteren,<br />

die Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch<br />

späteren Renteneintritt („Rente mit 67“) und der<br />

berufliche Aufstieg durch Bildung sind die Schlüssel,<br />

um bereits in der Erwerbsphase keine Sicherungslücken<br />

im Alter entstehen zu lassen. Wichtig<br />

ist jedoch, dass künftig auch die nicht rentenversicherungspflichtigen<br />

Selbstständigen staatlich<br />

geförderte Altersvorsorgeverträge („Riester-Rente“)<br />

abschließen können.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Altersarmut“<br />

„Rente mit 67“: Bundesregierung<br />

hält an Altersgrenzenanhebung<br />

fest<br />

Die Bundesregierung hält an der schrittweisen<br />

Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf<br />

67 Jahre fest, die 2012 beginnen und 2029 abgeschlossen<br />

sein soll. Das geht aus dem Bericht<br />

„Aufbruch in die altersgerechte Arbeitswelt“ hervor,<br />

der vom Bundeskabinett am 17. November<br />

<strong>2010</strong> beschlossen wurde. Nach § 154 Abs. 4<br />

SGB VI hat die Bundesregierung den gesetzgebenden<br />

Körperschaften vom Jahr <strong>2010</strong> an regelmäßig<br />

alle vier Jahre über die Entwicklung der<br />

Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu berichten<br />

und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob<br />

die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze<br />

unter Berücksichtigung der Entwicklung der<br />

Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und<br />

sozialen Situation älterer Arbeitnehmer weiterhin<br />

vertretbar erscheint und die getroffenen gesetzlichen<br />

Regelungen bestehen bleiben können.<br />

Der vorgelegte Bericht belegt eindeutig die<br />

positive Beschäftigungsentwicklung und -situation<br />

Älterer. Das gilt gerade für die Altersgruppe<br />

der 60- bis unter 65-Jährigen. Deren Erwerbstätigenquote<br />

hat sich seit dem Jahr 2000 beinahe<br />

verdoppelt und lag 2009 bei 38,4 %. Dies zeigt:<br />

Der von den Arbeitgebern eingeleitete und von<br />

der Politik durch den Abbau von Frühverrentungsregelungen<br />

unterstützte Paradigmenwechsel hin<br />

zu mehr Beschäftigung Älterer ist erfolgreich. Der<br />

Bericht der Bundesregierung verdeutlicht auch<br />

das große Engagement der Unternehmen und<br />

verweist auf zahlreiche Beispiele guter Praxis<br />

im Bereich der demografiefesten Personalpolitik,<br />

u. a. bei der Arbeitsgestaltung und -organisation,<br />

der Weiterbildung und der Laufbahngestaltung.<br />

Neben dieser positiven Beschäftigungsentwicklung<br />

älterer Arbeitnehmer weist die Bundesregierung<br />

in ihrem Bericht richtigerweise darauf<br />

hin, dass die Anhebung der Altersgrenze eine<br />

notwendige Maßnahme ist, um die im SGB VI<br />

festgeschriebenen Beitragssatz- und Niveausicherungsziele<br />

für die gesetzliche Rentenversicherung<br />

dauerhaft einzuhalten. Nach diesen darf der<br />

Rentenversicherungsbeitragssatz bis zum Jahr<br />

2030 den Wert von 22 % nicht überschreiten und<br />

das Rentenniveau vor Steuern nicht unter 43 %<br />

sinken.<br />

Für die „Rente mit 67“ spricht auch die konkrete<br />

Ausgestaltung der Altersgrenzenanhebung<br />

durch den Gesetzgeber: Durch die schrittweise<br />

Heraufsetzung der Regelaltersgrenze haben<br />

Versicherte und Betriebe noch 19 Jahre Zeit (bis<br />

2029), sich in ihren Dispositionen auf die Verlängerung<br />

der Lebensarbeitszeit einzustellen. Hinzu<br />

kommt, dass ein vorzeitiger Rentenzugang für<br />

langjährig Versicherte mit mindestens 35 Versicherungsjahren<br />

weiterhin ab 63 Jahren möglich<br />

sein wird, allerdings – wie bereits nach geltendem<br />

Recht – unter Inkaufnahme versicherungsmathematischer<br />

Rentenabschläge (0,3 % je vorgezogenen<br />

Monat). „Möglichkeiten einer weiter gehenden<br />

Flexibilisierung der Übergänge, einschließlich<br />

der Möglichkeiten von Teilzeitarbeit, Teilrente, und<br />

die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente vor<br />

Vollendung des 63. Lebensjahres“ will die Bundesregierung<br />

prüfen.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 31


Betriebliche Altersvorsorge:<br />

Zweite Säule ist krisensicher<br />

aufgestellt<br />

In der vergangenen schwersten Wirtschafts- und<br />

Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik<br />

Deutschland war die betriebliche Altersvorsorge<br />

im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Aufgrund<br />

der langfristigen und sicherheitsorientierten<br />

Anlagestrategien der Versorgungswerke sowie<br />

der tragfähigen Insolvenzsicherung durch den<br />

Pensions-Sicherungs-Verein (PSV), den Träger<br />

der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge,<br />

musste kein Betriebsrentner um seine<br />

Leistungen fürchten. In diesen Zeiten bewährte<br />

sich das System der betrieblichen Altersvorsorge<br />

in Deutschland mit seiner zwei- bis dreistufigen<br />

Sicherung, in dem außer dem Versorgungsträger<br />

auch der Arbeitgeber und schließlich der PSV<br />

haften. Deshalb wird sich die BDA in den anstehenden<br />

Debatten auf nationaler und europäischer<br />

Ebene vor allem dafür einsetzen, den Sicherheitsvorteil<br />

der deutschen betrieblichen Altersvorsorge<br />

zu wahren.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Betriebliche Altersvorsorge“<br />

PSV-Beitragsstruktur: BDA-Konzeptentwurf<br />

weiterentwickelt<br />

Im Zuge der konjunkturellen Erholung und der<br />

damit einhergehenden günstigen Entwicklung<br />

des Insolvenzgeschehens ist der PSV-Beitragssatz<br />

<strong>2010</strong> auf 1,9 ‰ gesunken (Vorjahr 14,2 ‰).<br />

Auch unter Berücksichtigung, dass ein Teil des<br />

letztjährigen PSV-Beitrags (1,5 Promillepunkte)<br />

erst in diesem Jahr fällig wird, bewegt sich damit<br />

die PSV-Beitragsbelastung <strong>2010</strong> im Bereich der<br />

Durchschnittsbelastung seit Gründung des PSV<br />

im Jahr 1975 (3,2 ‰). Gleichwohl hat die außerordentlich<br />

hohe Beitragsbelastung im Jahr 2009 die<br />

Diskussion über die PSV-Beitragsstruktur aufleben<br />

lassen. Die BDA hat deshalb bereits im letzten<br />

Jahr einen Konzeptentwurf für eine neue Finanzierungsstruktur<br />

erarbeitet. Die darin vorgesehene<br />

stärker risikoorientierte Beitragsstruktur des PSV<br />

kann langfristig zu einer Senkung des Schadensvolumens<br />

des PSV führen, weil auf diese Weise<br />

Anreize für Maßnahmen zur Schadensvermeidung<br />

bzw. -reduzierung gesetzt werden. Seit der<br />

Veröffentlichung des ersten Konzept entwurfs hat<br />

ein intensiver fachlicher Austausch stattgefunden,<br />

der äußerst lohnend und hilfreich für die Weiterentwicklung<br />

des Konzepts war. Zum einen konnten<br />

entstandene Missverständnisse über Ziel und Wirkung<br />

des Konzepts ausgeräumt sowie Bedenken<br />

und Einwänden argumentativ begegnet werden.<br />

Zum anderen hat die Diskussion wichtige inhaltliche<br />

Anregungen gegeben und es ermöglicht, das<br />

bisherige Konzept weiterzuentwickeln.<br />

So hat die BDA den aktuellen Konzeptentwurf<br />

u. a. um einen Vorschlag für eine stärkere<br />

Verstetigung des PSV-Beitragssatzes ergänzt.<br />

Insbesondere nach dem sprunghaften Anstieg<br />

des PSV-Beitragssatzes von 1,8 ‰ 2008 auf das<br />

Rekordniveau von 14,2 ‰ im vergangenen Jahr<br />

war es zu Forderungen gekommen, die Volatilität<br />

des PSV-Beitragssatzes zu mindern. Der Vorteil<br />

läge vor allem in einer besseren Kalkulationssicherheit<br />

für Mitglieder. Zudem würde die prozyklische<br />

Wirkung, nach der die PSV-Beitragsbelastung<br />

eher bei schlechter wirtschaftlicher Lage<br />

steigt, gemildert.<br />

Die Entwicklung einer neuen, risikoorientierten<br />

PSV-Beitragsstruktur ist im vergangenen Jahr<br />

deutlich vorangekommen. Dennoch erhebt auch<br />

die aktuelle Diskussionsgrundlage noch nicht den<br />

Anspruch eines gesetzesreifen Vorschlags. Hierfür<br />

müssen noch weitere wichtige Fragen geklärt<br />

werden, insbesondere bedarf es auch noch<br />

Modellrechnungen, um die Verteilungswirkungen<br />

innerhalb der PSV-Mitglieder besser abschätzen<br />

zu können.<br />

EU-Grünbuch Pensionen:<br />

Weichen richtig stellen<br />

Am 7. Juli <strong>2010</strong> hat die EU-Kommission ein Grünbuch<br />

mit dem Titel „Angemessene, nachhaltige<br />

und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme“<br />

veröffentlicht. Das Grünbuch, das von<br />

drei Generaldirektionen der EU (Beschäftigung<br />

und Soziales, Wirtschaft und Währung sowie Binnenmarkt)<br />

erarbeitet wurde, behandelt Fragen zur<br />

Alterssicherung in Europa im Allgemeinen und zur<br />

betrieblichen Altersvorsorge im Besonderen. Im<br />

32<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


Grünbuch wird die derzeitige Situation der Alterssicherung<br />

beschrieben und eine Einschätzung der<br />

künftigen Entwicklung vorgenommen. Es beinhaltet<br />

14 als offen bezeichnete Fragen zur Alterssicherung,<br />

zu denen bis zum 15. November <strong>2010</strong><br />

Stellung genommen werden konnte. Auf der<br />

Grundlage der eingegangenen Stellungnahmen<br />

will die EU-Kommission im nächsten Jahr den weiteren<br />

gesetzgeberischen Handlungsbedarf überprüfen.<br />

In der BDA-Stellungnahme zum EU-Grünbuch<br />

wird vor allem betont, dass die mit dem<br />

Grünbuch angestoßene Debatte über die demografischen<br />

Herausforderungen in den Alterssicherungssystemen<br />

der EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich<br />

zu begrüßen ist. Zu unterstützen ist vor<br />

allem die Linie der EU-Kommission, die Mitgliedstaaten<br />

im Rahmen der EU-2020-Strategie zu<br />

einer Anpassung der Rentensysteme an die weiter<br />

steigende Lebenserwartung zu bewegen. Zutreffend<br />

ist insbesondere die Feststellung, dass die<br />

Verlängerung der Lebensarbeitszeit im Verhältnis<br />

zur Ruhestandsphase notwendig ist, um die Finanzierung<br />

der Alterssicherungssysteme nachhaltig zu<br />

sichern. Richtigerweise wird in dieser Analyse auch<br />

der Zusammenhang von unterlassenen Reformen<br />

der Alterssicherungssysteme und den daraus<br />

resultierenden Risiken für die öffentlichen Haushalte<br />

benannt. Die EU-Kommission liegt zudem<br />

mit ihrer Einschätzung richtig, dass aufgrund der<br />

notwendigen Reformen der nationalen Alterssicherungssysteme<br />

der betrieblichen und privaten<br />

Altersvorsorge künftig eine immer wichtigere Rolle<br />

zukommen wird, was auch in der Schwerpunktsetzung<br />

des Grünbuchs zum Ausdruck kommt.<br />

Für die BDA ist die offene Methode der<br />

Koordinierung der geeignete Rahmen. Ein weiter<br />

gehendes Verfahren seitens der EU sollte in Anbetracht<br />

der richtigen Prämisse des Grünbuchs,<br />

wonach die Gestaltung der Alterssicherungssysteme<br />

von den Mitgliedstaaten verantwortet werden<br />

muss, nicht erfolgen. Insbesondere wäre<br />

eine EU-weite Definition zur Angemessenheit von<br />

Rentenleistungen nicht hilfreich, da solche Definitionen<br />

nicht losgelöst von den Bedingungen in<br />

den Mitgliedstaaten gesetzt werden können.<br />

Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge<br />

sollte die EU – wie in der BDA-Stellungnahme<br />

deutlich gemacht – sehr zurückhaltend mit<br />

Regulierungsabsichten sein. Denn innerhalb der<br />

EU variiert die Ausgestaltung der betrieblichen<br />

Altersvorsorge in noch weit stärkerem Maß als<br />

bei den staatlichen Alterssicherungssystemen.<br />

Insbesondere besteht für einen EU-weiten einheitlichen<br />

Regelungsstandard der betrieblichen<br />

Altersvorsorge kein Bedarf. So ist vor allem die<br />

Aussage im Grünbuch, dass Betriebsrentenzusagen<br />

ein ernsthaftes Mobilitätshindernis für die<br />

Arbeitnehmer in der EU darstellten, in keiner<br />

Weise ausreichend belegt. Im Übrigen ist Arbeitnehmermobilität<br />

auch kein Selbstzweck und das<br />

Interesse der Arbeitgeber, Fachkräfte zu binden<br />

und zu halten, ebenfalls zu berücksichtigen. Die<br />

bisherigen Richtlinienvorschläge, die umfassende<br />

Standards in der betrieblichen Altersvorsorge<br />

vorsahen, hätten diese in Deutschland erheblich<br />

verteuert und mit zusätzlicher Bürokratie überzogen.<br />

Derartige Belastungen – die zu einem Rückzug<br />

der Arbeitgeber aus der freiwilligen betrieblichen<br />

Altersvorsorge führen würden – müssen<br />

jedoch vermieden werden, um das notwendige<br />

weitere Wachstum der betrieblichen Altersvorsorge<br />

nicht zu gefährden.<br />

Behutsamkeit ist auch bei der von der EU-<br />

Kommission im Grünbuch angekündigten Überprüfung<br />

der Pensionsfondsrichtlinie angebracht,<br />

schon weil diese Richtlinie erst in den letzten Jahren<br />

von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde.<br />

Das Regelwerk ist im Hinblick auf die strukturellen<br />

Unterschiede von ohne Gewinnerzielungsabsicht<br />

betriebenen Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge<br />

zu im Wettbewerb stehenden Lebensversicherungsunternehmen<br />

angemessen und<br />

grundsätzlich ausreichend. Insbesondere wäre<br />

die vollständige Übertragung der Vorgaben zur<br />

Eigenmittelausstattung (Solvency II) in die Pensionsfondsrichtlinie<br />

verfehlt, da sich in Deutschland<br />

die Risiken der Einrichtungen der betrieblichen<br />

Altersvorsorge wegen der subsidiären Arbeitgeberhaftung<br />

sowie des Insolvenzschutzes durch<br />

den PSV grundlegend von denen der privaten<br />

Lebensversicherungswirtschaft unterscheiden.<br />

Eine unnötig überhöhte Eigenmittelanforderung<br />

für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge<br />

würde die Träger unternehmen finanziell zusätzlich<br />

belasten, mit der Folge, dass diese mittelfristig<br />

ihre freiwilligen Zusagen einschränken müssten.<br />

Zudem darf der Anwendungsbereich der<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 33


Pensionsfondsrichtlinie in keinem Fall auf Direktzusagen<br />

und andere unbeaufsichtigte Formen der<br />

betrieblichen Altersvorsorge ausgedehnt werden,<br />

da bei diesen Organisationsformen kein Versorgungsträger<br />

Garantien für die Berechtigten übernimmt.<br />

An einem Regelungsbedürfnis fehlt es vor<br />

allem auch, weil in Deutschland der Arbeitgeber<br />

bei diesen Zusagen direkt verpflichtet ist und in<br />

dessen Insolvenzfall der PSV einspringt.<br />

Die im Grünbuch zu Recht aufgeworfene<br />

Frage nach einem probaten Unterscheidungskriterium<br />

zwischen Altersvorsorgesparen einerseits<br />

und sonstigen Sparvorgängen zur reinen Vermögensbildung<br />

andererseits sollte auch auf europäischer<br />

Ebene intensiv diskutiert werden. Für<br />

diesen Austausch bietet sich – wie bereits für die<br />

staatlichen Alterssicherungssysteme seit zehn<br />

Jahren praktiziert – die offene Methode der Koordinierung<br />

an, um auf diese Weise ein gemeinsames<br />

Verständnis für die Ziele und Anforderungen<br />

der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge<br />

zu schaffen.<br />

Grünbuch lässt auf EU-Pläne schließen<br />

Die Struktur des Grünbuchs zeichnet sich durch 14 – als offen bezeichnete – Fragen sowie durch weitere<br />

Thesen im Fließtext aus. Die Aussagen bzw. Fragen beziehen sich im Wesentlichen auf folgende Punkte:<br />

• Genereller Handlungsbedarf der EU, ob und welche Regelungen für Rentensysteme eingeführt<br />

werden müssen<br />

• Definition eines angemessenen Einkommens aus Rentenleistungen<br />

• Nachhaltigkeit der Alterssicherungssysteme<br />

• Automatische Anpassung der Alterssicherungssysteme an die demografische Entwicklung<br />

• Übertragbarkeit von Betriebsrentenansprüchen (wobei auf die Notwendigkeit einer entsprechenden<br />

Regelung im Text mehrfach hingewiesen wird)<br />

• Verbesserung von transnationalen Bedingungen für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge<br />

• Anwendungsbereich der Pensionsfondsrichtlinie, ggf. Einbeziehung von Direktzusagen<br />

• Überarbeitung der Solvabilitätsvorschriften für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge<br />

(Übertragung großer Teile aus Solvency II auf Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge wird<br />

angeregt)<br />

• Verbesserung des Insolvenzschutzes für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge<br />

• Mindestanforderungen an Informationen über Anwartschaften der betrieblichen Altersvorsorge<br />

34<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


EU-Finanzaufsicht: Interessen<br />

der betrieblichen Altersvorsorge<br />

angemessen sichern<br />

Die Errichtung einer zentralen europäischen<br />

Finanzaufsicht wurde vom Europäischen Parlament<br />

(EP) am 22. September <strong>2010</strong> beschlossen.<br />

Der Rat der EU-Finanzminister (ECOFIN)<br />

hat diesen Beschluss in seiner Sitzung vom<br />

17. November <strong>2010</strong> gebilligt. Entsprechend diesen<br />

Verordnungen werden zum 1. Januar 2011<br />

drei Finanzaufsichtsbehörden, von denen eine<br />

speziell für das Versicherungswesen und die<br />

betriebliche Altersvorsorge (EIOPA) zuständig<br />

sein soll, errichtet. Anders als die Vorgängereinrichtungen<br />

der entsprechenden Aufseherausschüsse<br />

sollen diese Behörden mit weitreichenden<br />

Kompetenzen ausgestattet werden.<br />

Das Ziel, die Finanzmarktaufsicht europaweit<br />

zu stärken, um einer erneuten Finanzmarktkrise<br />

vorzubeugen, ist grundsätzlich zu unterstützen.<br />

Insofern ist auch die Errichtung von zentralen Aufsichtsbehörden<br />

folgerichtig. Zu begrüßen ist vor<br />

allem, dass ursprüngliche Pläne der Kommission,<br />

die neue Aufsichtsbehörde EIOPA mit umfassenden<br />

Kompetenzen für die Setzung von Standards<br />

in der betrieblichen Altersvorsorge (z. B. Sterbetafeln,<br />

Rechnungszinssätze) auszustatten, auf<br />

Betreiben der BDA hin fallen gelassen wurden.<br />

Solche Standards müssen weiterhin auf nationaler<br />

Ebene gesetzt werden, weil nur auf diese Weise<br />

den nationalen Besonderheiten der betrieblichen<br />

Altersvorsorge hinreichend Rechnung getragen<br />

werden kann. Ebenfalls positiv ist, dass der Vorschlag<br />

des zuständigen EP-Ausschusses für Wirtschaft<br />

und Währung, einen eigenen europäischen<br />

Garantiefonds für Einrichtungen der betrieblichen<br />

Altersvorsorge einzuführen, auf Drängen der BDA<br />

nicht weiterverfolgt wurde. Ein solcher Garantiefonds<br />

wäre zum einen aufgrund der bestehenden<br />

deutschen Sicherungsmechanismen überflüssig.<br />

Zum anderen hätte die große Gefahr bestanden,<br />

dass deutsche Einrichtungen der betrieblichen<br />

Altersvorsorge für Einrichtungen in anderen Ländern<br />

einstehen müssten.<br />

Gemildert werden konnte zudem – auch<br />

auf Betreiben der BDA – die Gefahr einer doppelten<br />

Beaufsichtigung der Einrichtungen der<br />

betrieblichen Altersvorsorge durch die nationale<br />

Finanzaufsicht und durch EIOPA. So soll die<br />

Aufsicht im operativen Tagesgeschäft stets durch<br />

die nationale Aufsicht wahrgenommen werden.<br />

EIOPA soll bei EU-Rechtsverletzungen, in Krisenfällen<br />

sowie bei Meinungsverschiedenheiten<br />

zwischen zwei nationalen Aufsichtsbehörden<br />

„durchgreifen“ können. Hier wird das Zusammenspiel<br />

der Aufsichtsbehörden in der Praxis abzuwarten<br />

sein.<br />

Die BDA begrüßt, dass für die betriebliche<br />

Altersvorsorge eine eigene Interessengruppe<br />

bei EIOPA eingerichtet werden soll. Die konkrete<br />

Besetzung dieser Gruppe ist allerdings noch<br />

offen. Die BDA hat sich bei der Bundesregierung<br />

dafür eingesetzt, dass in die Gruppe genügend<br />

Sachverstand aus den Trägerunternehmen der<br />

betrieblichen Altersvorsorge aufgenommen wird<br />

sowie weitere Arbeitgeber, die die beaufsichtigten<br />

Durchführungswege der betrieblichen Altersvorsorge<br />

nutzen.<br />

Nationale Finanzaufsicht: Belange<br />

der betrieblichen Altersvorsorge<br />

stärker berücksichtigen<br />

Über die Struktur der Finanzaufsicht wird nicht<br />

nur in Europa, sondern auch auf nationaler Ebene<br />

diskutiert. So fordert der Koalitionsvertrag,<br />

dass die bisherige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />

(BaFin) künftig bei der<br />

Bundesbank angesiedelt werden soll. Seitdem<br />

wird um die konkrete Ausgestaltung der künftigen<br />

Aufsicht gerungen. Für die BDA steht bei<br />

dieser Debatte weniger die Frage der Kompetenzverteilung<br />

im Vordergrund als vielmehr eine<br />

stärkere Gewichtung der Belange der betrieblichen<br />

Altersvorsorge. Dies sollte auch in der künftigen<br />

Bezeichnung der Finanzaufsicht deutlich<br />

zum Ausdruck kommen. Aber auch die Aufsichtspraxis<br />

sollte Einrichtungen der betrieblichen<br />

Altersvorsorge weit stärker als eigenständige Art<br />

von Einrichtungen begreifen und nicht lediglich<br />

als „spezielle“ Lebensversicherungsunternehmen.<br />

Aus diesem Grund hat die BDA angeregt, auch in<br />

der nationalen Aufsicht – so wie auf europäischer<br />

Ebene in EIOPA – eine eigene Interessengruppe<br />

für die betriebliche Altersvorsorge als ergänzenden<br />

Fachbeirat einzurichten. Die Beteiligten<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 35


der BaFin sowie des Bundesministeriums der<br />

Finanzen haben eine Prüfung dieses Anliegens<br />

zugesagt.<br />

Gesetzliche Krankenversicherung:<br />

Finanzierungsreform belastet<br />

Arbeitgeber<br />

Am 17. Dezember <strong>2010</strong> hat der Bundesrat das<br />

„Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen<br />

Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“<br />

(GKV-Finanzierungsgesetz) verabschiedet.<br />

Es beinhaltet die Anhebung des allgemeinen<br />

Beitragssatzes zur GKV von 14,9 % auf 15,5 %<br />

bei gleichzeitiger Festschreibung des Arbeitnehmer-<br />

und Arbeitgeberanteils, die Weiterentwicklung<br />

des Zusatzbeitrags und die Einführung eines<br />

Sozialausgleichs, Regelungen zur Ausgabenbegrenzung<br />

bei Ärzten, Krankenhäusern und den<br />

Krankenkassen sowie die Rückkehr von der dreijährigen<br />

zur einjährigen Wartefrist beim Wechsel<br />

in die private Krankenversicherung.<br />

Das primäre Ziel des Gesetzes, die Umsetzung<br />

der im Koalitionsvertrag vorgesehenen<br />

teilweisen Entkopplung der Krankheits- von den<br />

Arbeitskosten, wurde jedoch trotz der Weiterentwicklung<br />

des Zusatzbeitrags und der Festschreibung<br />

des Arbeitgeberanteils weitgehend nicht<br />

erreicht. Die kräftige Beitragssatzanhebung von<br />

14,9 % auf 15,5 % führt im Gegenteil kurzfristig<br />

sogar zu einer noch engeren Kopplung. Da auch<br />

nur der Teil des Ausgabenwachstums, der über<br />

die Grundlohnsummensteigerung hinausgeht,<br />

künftig über Zusatzbeiträge finanziert wird, bleibt<br />

die lohnbezogene Finanzierung der Krankenversicherung<br />

in der Hauptsache dauerhaft bestehen.<br />

Die Änderungen beim Zusatzbeitrag sind grundsätzlich<br />

sinnvoll und entsprechen den langjährigen<br />

Forderungen der BDA: Zum einen garantiert<br />

die ausschließlich einkommensunabhängige<br />

Erhebung, dass er seine Rolle als Preissignal voll<br />

entfalten kann und somit der Wettbewerb zwischen<br />

den Krankenkassen stimuliert wird. Zum<br />

anderen wird durch die Weiterentwicklung der<br />

bisherigen Überforderungsklausel (maximal 1 %<br />

des Einkommens bzw. 8 € pauschal) vermieden,<br />

dass Krankenkassen mit vielen einkommensschwachen<br />

Mitgliedern und vielen beitragsfrei<br />

Mitversicherten schlechtere Möglichkeiten der<br />

Finanzierung haben als Krankenkassen mit vielen<br />

einkommensstarken Mitgliedern und wenigen beitragsfrei<br />

Mitversicherten.<br />

Eine vollständige Abkopplung der Krankheitskostenfinanzierung<br />

von den Arbeitskosten<br />

gelingt damit jedoch bei Weitem nicht. Hierfür<br />

sind sehr viel weiter gehende Maßnahmen erforderlich.<br />

Die BDA tritt weiter dafür ein, die heutige<br />

Finanzierung auf eine einkommensunabhängige<br />

Gesundheitsprämie umzustellen, den Arbeitgeberanteil<br />

in den Bruttolohn auszuzahlen und für<br />

einkommensschwache Versicherte einen zielgenauen<br />

Sozialausgleich vorzusehen.<br />

Die für 2011 erwartete Finanzierungslücke in<br />

der GKV wird überwiegend mit der Beitragssatzanhebung<br />

(6,3 Mrd. €) und damit durch Arbeitgeber<br />

und Versicherte geschlossen, nur ein kleiner<br />

Teil (3,5 Mrd. €) wird über eine Begrenzung der<br />

Ausgabenzuwächse bei den Ärzten, Krankenhäusern<br />

und Krankenversicherungen gedeckt. Damit<br />

fallen die Einsparbemühungen viel zu bescheiden<br />

aus. Bei voraussichtlichen Gesamtausgaben<br />

von fast 180 Mrd. € machen sie gerade einmal<br />

2 % aus. Bei geschätzten Effizienzreserven in<br />

der GKV von bis zu 10 Mrd. € – was immerhin<br />

einem ganzen Beitragssatzpunkt in der GKV entspricht<br />

– bleibt der Gesetzgeber weit hinter den<br />

Einsparmöglichkeiten zurück. Anstatt mutig über<br />

die Ausgabenseite einen entscheidenden und vor<br />

allem einen nachhaltigen Beitrag zur Kostenbegrenzung<br />

– insbesondere über die Intensivierung<br />

des Wettbewerbs auf allen Ebenen – zu leisten,<br />

verteuert der Gesetzgeber durch die Anhebung<br />

des Arbeitgeberanteils von 7,0 % auf 7,3 % die<br />

Arbeitskosten und gefährdet damit die wirtschaftliche<br />

Erholung. Das widerspricht der Festlegung<br />

im Koalitionsvertrag, die Lohnzusatzkosten stabil<br />

zu halten.<br />

Zusätzliche bürokratische Belastungen für<br />

die Arbeitgeber bringt der Sozialausgleich. Dieser<br />

soll Versicherte vor einer finanziellen Überforderung<br />

durch Zusatzbeiträge schützen: Übersteigt<br />

der durchschnittliche Zusatzbeitrag innerhalb der<br />

GKV 2 % des beitragspflichtigen Einkommens<br />

des Arbeitnehmers (Rentners), soll der Arbeitgeber<br />

(Rentenversicherungsträger) den Versichertenanteil<br />

zur GKV um den übersteigenden Betrag<br />

reduzieren und an den Versicherten auszahlen.<br />

36<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


Krankenversicherungskosten wachsen ungebremst<br />

in Mrd. €<br />

190<br />

180<br />

15,1<br />

170<br />

15,6<br />

160<br />

150<br />

2,5<br />

150,0<br />

4,0<br />

155,9<br />

7,2<br />

157,4<br />

158,0<br />

166,0<br />

4,2<br />

140<br />

137,8<br />

1,0<br />

140,1<br />

2,5<br />

140,3<br />

142,2<br />

130<br />

120<br />

110<br />

100<br />

2003<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009 <strong>2010</strong> s 2011 s<br />

Beitragseinnahmen der GKV<br />

(inklusive Beiträgen aus geringfügiger Beschäftigung)<br />

Bundeszuschuss<br />

s: geschätzte Zahlen<br />

Quellen: Bundesministerium für Gesundheit; Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt; eigene Darstellung der BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 37


Die Abwicklung des Sozialausgleichs über die<br />

Arbeitgeber hat erhebliche Mehrbelastungen für<br />

die Betriebe bei der Entgeltabrechnung zur Folge:<br />

neue monatliche Nachweispflichten über die Höhe<br />

des erfolgten Sozialausgleichs, neue Meldepflichten<br />

bei Beschäftigten mit weiteren beitragspflichtigen<br />

Einnahmen und ein ganz neues Meldeverfahren<br />

zwischen Arbeitgebern und Krankenkassen.<br />

Einmaliges Entgelt ist in einem gesonderten, komplizierten<br />

Verfahren zu berücksichtigen. Aufwendige<br />

Rückrechnungen in der Entgeltabrechnung<br />

werden weiter zunehmen. Das Haftungsrisiko des<br />

Arbeitgebers im komplexen Beitragsrecht steigt<br />

abermals. Im Rahmen der Anhörung im Gesundheitsausschuss<br />

des Deutschen Bundestags hat<br />

sich die BDA deshalb sehr kritisch zum vorgesehenen<br />

Sozialausgleichsverfahren geäußert. Hier<br />

sowie bei zahlreichen weiteren Gesprächen hat sich<br />

die BDA mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass der<br />

Sozialausgleich nicht über die Arbeitgeber erfolgt,<br />

sondern über die gesetzlichen Krankenkassen. Sie<br />

sind bisher schon für den Schutz ihrer Versicherten<br />

vor Überforderung durch Zusatzbeiträge verantwortlich<br />

und entsprechend dem Zuzahlungsbefreiungsverfahren<br />

nach § 62 SGB V in der Lage, die<br />

gesamte Einkommenssituation ihrer Versicherten<br />

zu erfassen. Auf diese Weise kann der Sozialausgleich<br />

deutlich zielgenauer und damit gerechter<br />

organisiert werden.<br />

Einige Verbesserungen für die Arbeitgeber<br />

konnte die BDA im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens<br />

durchsetzen. Der Sozialausgleich bei<br />

sog. unständig Beschäftigten erfolgt ausschließlich<br />

durch die Krankenkassen. Und die höchst<br />

komplizierte sog. Störfallregelung für Wertguthaben<br />

in § 23b Abs. 2 SGB IV ist beim Sozialausgleichsverfahren<br />

nicht zu beachten.<br />

Sehr zu begrüßen ist die Rücknahme der<br />

sog. 3-Jahres-Regelung, für die sich die BDA<br />

starkgemacht hat. Damit ist ein Wechsel in die<br />

Handlungsbedarf in der gesetzlichen Krankenversicherung –<br />

überfällige Strukturreformen auf der Ausgabenseite angehen<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA, 18. Januar <strong>2010</strong> (Auszug)<br />

Auf der Ausgabenseite besteht dringender Reformbedarf: Dies zeigt sich bereits daran, dass Deutschland<br />

einerseits von allen OECD-Ländern die dritthöchsten öffentlichen Gesundheitsausgaben in Prozent<br />

des Bruttoinlandsprodukts aufweist, andererseits beim medizinischen Leistungsstand aber nur einen<br />

mittleren Platz belegt. In vielen anderen Ländern sind die Menschen gesünder, leben länger, und das bei<br />

geringeren Kosten. Diese Diskrepanz offenbart gravierende Ineffizienzen im Leistungsgeschehen.<br />

Das BDA-Präsidium fordert, zur Effizienzsteigerung und Ausgabenbegrenzung in der GKV den Wettbewerb<br />

auf allen Ebenen zu intensivieren. Vertragsfreiheit ist dafür die zentrale Voraussetzung. Die<br />

Krankenkassen und ihre jeweiligen Verbände sollten daher das Recht erhalten, eigenständig mit Ärzten,<br />

Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern zu verhandeln sowie – unter Beachtung kartell- und<br />

wettbewerbsrechtlicher Vorschriften – Verträge über Preise, Mengen und Qualitäten abzuschließen. Darüber<br />

hinaus muss der Leistungskatalog der GKV auf eine Basissicherung begrenzt werden. Ziel sollte<br />

sein, dass grundsätzlich nur noch solche Leistungen finanziert werden, die notwendig, evidenzbasiert<br />

und wirtschaftlich sind. Notwendig ist auch der Ausbau der Eigenverantwortung der Versicherten: Mehr<br />

Selbstbeteiligung ist insbesondere in den Bereichen sinnvoll, in denen eine steuernde Wirkung auf das<br />

Verhalten der Versicherten zu erwarten ist.<br />

38<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


private Krankenversicherung – so wie bis zum Jahr<br />

2007 – wieder nach einmaligem Überschreiten der<br />

Jahresarbeitsentgeltgrenze möglich. Dadurch wird<br />

zum einen die in der vergangenen Legislaturperiode<br />

erfolgte Schwächung der privaten Krankenversicherung<br />

korrigiert, zum anderen entfallen für<br />

die Arbeitgeber die drei Jahre in die Vergangenheit<br />

gerichteten, äußerst aufwendigen Betrachtungen<br />

zum regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Gesetzliche Krankenversicherung“<br />

Kostenerstattung: Wettbewerb um<br />

die beste Versorgungsform<br />

Bereits nach geltendem Recht ist in der GKV die<br />

Wahl von Kostenerstattung statt von Sachleistungen<br />

möglich. Da von dieser Option aber nur<br />

wenig Gebrauch gemacht wird (nur rd. 0,2 % der<br />

Versicherten), hat die Bundesregierung im GKV-<br />

Finanzierungsgesetz das Kostenerstattungsprinzip<br />

als Instrument zur Förderung von Transparenz<br />

und Kostenbewusstsein gestärkt. Unter anderem<br />

sind die Bindungsfristen bei der Wahl von Kostenerstattungstarifen<br />

erheblich gekürzt worden.<br />

Ob Kostenerstattung zu mehr Kostenbewusstsein<br />

führt oder nicht, ist allerdings – sowohl<br />

in der Theorie als auch in der Praxis – nach wie<br />

vor umstritten. Zum einen steht dem Vorteil größerer<br />

Transparenz und Gestaltungsspielräume für<br />

die Versicherten der Nachteil verminderter Steuerbarkeit<br />

von Leistungen und zusätzlichen Verwaltungskosten<br />

auf der Kassenseite gegenüber.<br />

Zum anderen besteht auch im Sachleistungssystem<br />

die Möglichkeit, Leistungstransparenz und<br />

Kostenbewusstsein zu stärken, z. B. über Patientenquittungen<br />

und Zuzahlungsregelungen.<br />

Die BDA plädiert deshalb dafür, den Wettbewerb<br />

entscheiden zu lassen bzw. es jeder<br />

Krankenkasse freizustellen, ob und in welcher<br />

Ausgestaltung sie Kostenerstattung oder Sachleistungen<br />

anbietet. Gesetzliche Vorgaben zu<br />

Verwaltungskostenabschlägen oder Bindungsfristen<br />

bei Kostenerstattung sind kontraproduktiv. Sie<br />

behindern den Wettbewerb der Krankenkassen<br />

um die unter Qualitäts- und Kostenaspekten beste<br />

Versorgungsform. Sachgerecht ist einzig das<br />

Verbot einer Quersubventionierung der Kostenerstattung<br />

zu Lasten anderer Versichertenkollektive.<br />

Ein entsprechendes Positionspapier hat der<br />

BDA-Vorstandsausschuss „Soziale Sicherung“<br />

am 27. Oktober <strong>2010</strong> verabschiedet.<br />

Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz:<br />

erster Schritt zu mehr<br />

Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb<br />

Am 17. Dezember <strong>2010</strong> hat der Bundesrat<br />

das Gesetz zur Arzneimittelmarktneuordnung<br />

(AMNOG) verabschiedet. Es sieht neben einer<br />

Nutzenbewertung neuer Arzneimittel innerhalb<br />

von drei Monaten ab Zulassung (sog. schnelle<br />

Nutzenbewertung) und Erstattungspreisverhandlungen<br />

zwischen Arzneimittelherstellern und dem<br />

GKV-Spitzenverband auch Regelungen zur konsequenten<br />

Anwendung von Wettbewerbs- und<br />

Kartellrecht auf die Vertragsbeziehungen zwischen<br />

Krankenkassen und Leistungserbringern<br />

sowie die Verstetigung und Weiterentwicklung<br />

von Rabattverträgen und eine Straffung der Regulierungsinstrumente<br />

im Arzneimittelbereich vor.<br />

Die BDA hat u. a. bei der Anhörung im<br />

Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags<br />

die schnelle Nutzenbewertung von<br />

Arzneimitteln und neuen Wirkstoffen sowie die<br />

vorgesehenen Neuregelungen zur Arzneimittelpreisfindung<br />

als ersten Schritt hin zu mehr Wirtschaftlichkeit<br />

in der GKV grundsätzlich begrüßt.<br />

Die schnelle Bewertung des (Zusatz-)Nutzens<br />

von neuen Medikamenten gegenüber einer Vergleichstherapie<br />

muss einen Beitrag dazu leisten,<br />

dass von den Krankenkassen in Zukunft<br />

im Arzneimittelbereich nur noch solche Leistungen<br />

übernommen werden, deren Nutzen und<br />

Wirtschaftlichkeit nachgewiesen sind. Die Einführung<br />

von Vertragsverhandlungen zwischen<br />

Arzneimittelherstellern und dem GKV-Spitzenverband<br />

über Erstattungsbeträge für Arzneimittel<br />

als neues Verfahren zur Arzneimittelpreisfindung<br />

für neue und innovative Arzneimittel führt zwar<br />

zu mehr Transparenz und einer angemessenen<br />

Berücksichtigung der Interessen beider Verhandlungspartner.<br />

Besser wäre es jedoch, wenn<br />

die Erstattungspreise im Wege wettbewerblicher<br />

Verhandlungen zwischen den Arzneimittelherstellern<br />

und den einzelnen Krankenkassen<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 39


zustande kämen. Positiv ist, dass die Neuregelungen<br />

im Bereich der GKV auch auf die private<br />

Krankenversicherung erstreckt werden und so<br />

nun auch hier die Möglichkeit der Kostensteuerung<br />

und Kostenbegrenzung verbessert wird.<br />

Die mit dem Gesetz ebenfalls erfolgte entsprechende<br />

Anwendung des Wettbewerbs- und<br />

Kartellrechts auf die GKV ist ebenfalls grundsätzlich<br />

zu begrüßen. Wenn Krankenkassen wie<br />

Unternehmen Verträge schließen (Selektivverträge),<br />

sollten für sie die gleichen wettbewerblichen<br />

Regelungen gelten. Denn Wettbewerb braucht<br />

einen staatlichen Regelungsrahmen, um sinnvoll<br />

funktionieren zu können. Wettbewerbsbeschränkungen,<br />

egal ob sie auf Seiten der Anbieter (Leistungserbringer)<br />

oder der Nachfrager (Krankenkassen)<br />

bestehen, sind schädlich. Die Anwendung<br />

des Wettbewerbs- und Kartellrechts auf die GKV<br />

muss daher gleichermaßen für die Anbieterseite<br />

(Leistungserbringer) und die Nachfragerseite<br />

(Krankenkassen) gelten. Dabei müssen auf Märkten<br />

mit vielen kleinen Anbietern oder Nachfragern<br />

(polypolistische Angebots- oder Nachfragestrukturen)<br />

Kooperationen, Zusammenschlüsse bzw.<br />

Arbeitsgemeinschaften – wie sie heute schon<br />

wettbewerbsrechtlich vorgesehen sind – auch<br />

künftig möglich sein, damit z. B. Leistungsanbieter<br />

mit kleinen Marktanteilen nicht dem Preisdiktat<br />

großer Nachfrager unterliegen. Wenn für Krankenkassen<br />

im selektivvertraglichen Bereich die<br />

gleichen wettbewerblichen Regelungen gelten<br />

wie für Unternehmen, so muss im Umkehrschluss<br />

aber auch gelten, dass dort, wo die Krankenkassen<br />

weiterhin kollektiv tätig werden müssen, das<br />

Wettbewerbsrecht ausgeschlossen ist und Kartellrecht<br />

keine Anwendung findet.<br />

Allerdings reicht es für eine wettbewerbliche<br />

Neuordnung der GKV nicht aus, das Wettbewerbs-<br />

und Kartellrecht auf die Vertragsbeziehungen<br />

zwischen Krankenkassen und<br />

Leistungserbringern anzuwenden. Darüber hinaus<br />

sollten die Beziehungen zwischen den Krankenkassen<br />

dem Wettbewerbsrecht unterworfen<br />

werden. Dies haben die Erfahrungen im Zusammenhang<br />

mit der Einführung von Zusatzbeiträgen<br />

deutlich gemacht. Es darf nicht mehr vorkommen,<br />

dass sich Krankenkassen bei der Bekanntgabe<br />

von Zusatzbeiträgen untereinander absprechen,<br />

um die damit verbundenen negativen<br />

Wettbewerbswirkungen zu mindern. Ebenso wie<br />

das Kartellrecht Autofahrer vor Absprachen über<br />

Benzinpreise schützt, muss dies auch für gesetzlich<br />

Krankenversicherte bei Absprachen über<br />

Zusatzbeiträge gelten. Dies zu verhindern hat<br />

der Gesetzgeber versäumt. Mindestens ebenso<br />

wichtig wie die Ausweitung des Wettbewerbsrechts<br />

auf die GKV ist darüber hinaus, wie von<br />

der BDA gefordert, die Ausweitung der wettbewerblichen<br />

Spielräume der Krankenkassen. Die<br />

Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen<br />

und Leistungserbringern sind nach wie vor ganz<br />

überwiegend kollektiv und damit nicht einzelvertraglich<br />

und damit wettbewerblich geregelt. Das<br />

vor allem muss sich ändern. Die Krankenkassen<br />

brauchen deutlich größere Spielräume, um die<br />

Versorgung ihrer Versicherten bestmöglich zu<br />

regeln. Dazu muss z. B. auch das Recht gehören,<br />

mit unwirtschaftlich arbeitenden Krankenhäusern<br />

keinen Versorgungsvertrag zu schließen oder auf<br />

einen gesonderten Hausärztevertrag zu verzichten.<br />

Auch diese notwendige Ausweitung der wettbewerblichen<br />

Spielräume wurde vom Gesetzgeber<br />

bisher versäumt.<br />

Erfreulich ist immerhin, dass auf das noch<br />

im Referentenentwurf vorgesehene Verbot von<br />

Pickup -Stellen (Bestell- und Abholservice für Arzneimittel,<br />

z. B. in Drogeriemärkten) verzichtet wurde.<br />

Die BDA hatte sich gegen diese Einschränkung<br />

des Arzneimittelvertriebs gewandt. Die für ein solches<br />

Verbot vorgebrachten Argumente, dass eine<br />

Abgabe von Arzneimitteln über Pickup-Stellen die<br />

Arzneimittelsicherheit beeinträchtige und der Eindruck<br />

entstehe, dass Arzneimittel wie „gewöhnliche“<br />

Waren in Geschäften frei erhältlich seien,<br />

war ebenso wenig überzeugend wie die angeblich<br />

gefährdete flächendeckende Versorgung der<br />

Bevölkerung mit Arzneimitteln. Vielmehr sollte im<br />

Interesse einer höheren Wettbewerbsintensität der<br />

Apothekenvertrieb liberalisiert werden, so wie es<br />

auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung<br />

der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mehrfach<br />

vorgeschlagen hat. Dies verlangt auch die<br />

Abschaffung des wettbewerbsfeindlichen Mehrund<br />

Fremdbesitzverbots. Selbst wenn der Europäische<br />

Gerichtshof feststellt, dass das Fremdund<br />

Mehrbesitzverbot nicht gegen Europarecht<br />

verstößt, so ist diese Wettbewerbsbeschränkung<br />

keineswegs europarechtlich geboten. Bezahlbare<br />

Arzneimittel sind wichtiger als das Festhalten an<br />

40<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


überkommenen, zunftähnlichen Vertriebsstrukturen<br />

im Arzneimittelbereich. Hier besteht noch<br />

gesetzgeberischer Handlungsbedarf.<br />

Mit dem Gesetz wird schließlich auch die<br />

Regulierungsdichte im Arzneimittelbereich verringert,<br />

indem die Bonus-Malus-Regelung für Ärzte<br />

und die Regelung zur Verordnung besonderer<br />

Arzneimittel aufgehoben werden. Diese Straffung<br />

ist zwar notwendig, jedoch bei Weitem nicht<br />

ausreichend. Eine deutliche weitere Reduzierung<br />

der Regulierungsinstrumente im Arzneimittelbereich<br />

wäre möglich und nötig, wie wissenschaftliche<br />

Studien zeigen. Das vielschichtige Regulierungssystem<br />

im GKV-Arzneimittelmarkt umfasst<br />

demnach 27 Regulierungsinstrumente, die sich<br />

gegenseitig in unerwünschter Weise verstärken<br />

bzw. schwächen, überflüssig machen oder ihren<br />

angestrebten Effekt ausschließen. Die BDA fordert,<br />

dass alle bestehenden Instrumente – insbesondere<br />

auch im Hinblick auf ihre Wirkung auf<br />

die neu einzuführende schnelle Nutzenbewertung<br />

und die Vertragsverhandlungen zwischen GKV-<br />

Spitzenverband und Arzneimittelherstellern – auf<br />

bestehende Interdependenzen geprüft und auf<br />

das notwendige Mindestmaß reduziert werden.<br />

Europäische Sozialrechtskoordinierung:<br />

Verordnung (EG)<br />

Nr. 883/2004 bringt nicht nur<br />

Vorteile für die Arbeitgeber<br />

Nach Verabschiedung der Durchführungsverordnung<br />

(EG) Nr. 987/2009 im September 2009<br />

ist zum 1. Mai <strong>2010</strong> die Verordnung (EG)<br />

Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der<br />

sozialen Sicherheit in Kraft getreten. Die Verordnung<br />

regelt, welche Rechtsvorschriften im Bereich<br />

der sozialen Sicherungssysteme bei einer grenzüberschreitenden<br />

Erwerbstätigkeit anzuwenden<br />

sind, und ersetzt grundsätzlich die Verordnung<br />

(EWR) Nr. 1408/71, die bislang in diesem Bereich<br />

maßgeblich war. Ziel der neuen Verordnung ist<br />

es, im Bereich der Koordinierung der Systeme der<br />

sozialen Sicherheit klarere und einfachere Vorschriften<br />

für den Personenverkehr zu schaffen.<br />

Dies ist allerdings nur teilweise gelungen. Zu<br />

den positiven Neuerungen gehören insbesondere<br />

die Verlängerung des Entsendezeitraums von<br />

12 auf 24 Monate, die Umstellung beim Datenaustausch<br />

zwischen den zuständigen Trägern von<br />

Papierdokumenten auf elektronische Dokumente<br />

sowie die neuen Auskunftspflichten des zuständigen<br />

Sozialversicherungsträgers zum anzuwendenden<br />

Sozialversicherungsrecht. Jedoch ergeben<br />

sich durch die neue Verordnung auch einige<br />

Probleme in der Praxis. Diese beziehen sich vor<br />

allem auf den Wegfall des vereinfachten Verfahrenswegs<br />

bei kurzfristigen Entsendungen sowie<br />

den Wegfall der Sonderregelungen für das fliegende<br />

und fahrende Personal. Diese Probleme<br />

sollten bei der nationalen Umsetzung sowie bei<br />

den Beschlussfassungen der EG-Verwaltungskommission<br />

berücksichtigt werden. Dafür setzt<br />

sich die BDA in Gesprächen mit dem Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales (BMAS), im<br />

Beratenden Ausschuss für die Koordinierung<br />

der Sozialversicherungssysteme sowie über<br />

BUSINESSEUROPE ein. Aktuell werden in diesem<br />

Zusammenhang Vorschläge für einfache und<br />

praktikable Verfahren für die Behandlung von in<br />

mehreren Mitgliedstaaten beschäftigten Personen<br />

des internationalen Transportgewerbes (z. B. Einführung<br />

einer sog. Home-Base-Regelung) vorangetrieben.<br />

Grenzüberschreitende Patientenrechte:<br />

EU-Patientenrechte-Richtlinie<br />

ist überflüssig<br />

Nachdem es dem Rat Ende 2009 nicht gelungen<br />

war, einen gemeinsamen Standpunkt zu verabschieden,<br />

war die geplante EU-Patientenrechte-<br />

Richtlinie vorerst gescheitert. Am 8. Juni <strong>2010</strong><br />

konnten die EU-Gesundheitsminister dann aber<br />

doch überraschenderweise eine politische Einigung<br />

über einen gemeinsamen Standpunkt erzielen.<br />

Diese kam auf Grundlage eines von Spanien<br />

Ende April <strong>2010</strong> vorgelegten neuen Kompromisstexts<br />

zustande. Bis auf Polen, Rumänien, die<br />

Slowakei und Portugal sprachen sich dabei alle<br />

Mitgliedstaaten für den Richtlinientext aus. Der<br />

gefundene Kompromiss sieht vor allem Änderungen<br />

in den Bereichen vor, die bislang von einigen<br />

Mitgliedstaaten als eine Gefahr für die finanzielle<br />

Tragfähigkeit ihrer Gesundheitssysteme angesehen<br />

wurden. So beinhaltet der Kompromiss z. B.<br />

eine Regelung, nach der für die Behandlungskosten<br />

der Auslandsrentner, die in ihrer Heimat<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 41


anfallen, der heimische Kostenträger und nicht das<br />

aushelfende System aufkommt. Ebenso ist vorgesehen,<br />

dass neben einem Vorabgenehmigungssystem<br />

(z. B. bei Krankenhausbehandlungen im<br />

Ausland) die Mitgliedstaaten die Übernahme der<br />

Kosten für eine grenzüberschreitende Behandlung<br />

auch ablehnen können, wenn durch die Übernahme<br />

ihre jeweiligen Sozialversicherungssysteme<br />

finanziell unterminiert bzw. eine ausgewogene<br />

Krankenhausversorgung gefährdet würde.<br />

Der Richtlinienvorschlag wird derzeit im EP<br />

in zweiter Lesung beraten. Wenn die Position<br />

des EP stark vom gemeinsamen Standpunkt des<br />

Rats abweichen sollte, schließt sich ein Vermittlungsverfahren<br />

an. Die BDA hat den Vorschlag als<br />

insgesamt überflüssig beurteilt und abgelehnt, da<br />

kein Regelungsbedarf besteht. Alle noch offenen<br />

Fragen zur Patientenmobilität lassen sich ebenso<br />

gut innerhalb des nationalen Rechts bzw. mit<br />

Hilfe der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 regeln.<br />

Auch ist für in Deutschland Versicherte die Kostenerstattungsmöglichkeit<br />

bereits weitgehend mit<br />

dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz zum<br />

1. Januar 2004 erfolgt. Zudem erfolgt in Deutschland<br />

nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts<br />

schon heute die Übernahme der bei<br />

Auslandsrentnern im Versicherungsstaat anfallenden<br />

Behandlungskosten durch den heimischen<br />

Träger. Darüber hinaus birgt der Vorschlag die<br />

Gefahr, dass die EU ihren Einfluss auf die nationale<br />

Gesundheitspolitik ausweitet und damit<br />

das Subsidiaritätsprinzip unterlaufen wird. Eine<br />

ausführliche Stellungnahme zum Richtlinienentwurf<br />

hat die BDA in Zusammenarbeit mit der<br />

Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und<br />

-gestaltung (GVG) erarbeitet und in den Prozess<br />

eingespeist.<br />

Pflegeversicherung: Weiterentwicklungsgesetz<br />

belastet<br />

Beitragszahler<br />

Nach Berechnungen des Bundesministeriums<br />

für Gesundheit (BMG) hat die soziale Pflegeversicherung<br />

das Jahr 2009 mit einem Überschuss<br />

von 990 Mio. € abgeschlossen. Einnahmen von<br />

21,31 Mrd. € standen Ausgaben von 20,33 Mrd. €<br />

gegenüber. Grund für den Einnahmenüberschuss<br />

war vor allem die Anhebung des Beitragssatzes<br />

zum 1. Juli 2008 um 0,25 Prozentpunkte durch<br />

das „Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“. Hierdurch<br />

flossen den Pflegekassen 2009 rd. 2,6 Mrd. €<br />

zusätzlich an Beitragsmitteln zu. Insgesamt stiegen<br />

die Beitragseinnahmen 2009 um 7,8 % an.<br />

Auch auf der Ausgabenseite spiegeln sich<br />

die Maßnahmen des „Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes“<br />

deutlich wider. Vor allem die Anhebung<br />

der Sachleistungsbeträge bei häuslicher Pflege,<br />

die Erhöhung des Pflegegelds, die Steigerung<br />

der Pflegeleistungen bei stationärer Pflege (bei<br />

Pflege stufe III und in Härtefällen) sowie die bessere<br />

Betreuung von Personen mit eingeschränkter<br />

Alltagskompetenz haben bereits 2008 zu einem<br />

Ausgabenwachstum von 4,4 % beigetragen,<br />

das sich 2009 noch auf 6,2 % gesteigert hat. So<br />

ist die Zahl der Personen, die – insbesondere<br />

wegen Demenz – zusätzliche Betreuungsleistungen<br />

erhalten, von 70.000 (2007) auf 115.000 (2009)<br />

gestiegen. Gleichzeitig wurde die Betreuungsleistung<br />

von 460 € auf 1.200 € bzw. 2.400 € pro<br />

Jahr angehoben. Im stationären Bereich haben<br />

inzwischen – so das BMG – 70 % aller Pflegeheime<br />

zusätzliche Betreuungskräfte für demenziell<br />

erkrankte Heimbewohner eingestellt.<br />

Die Rücklagen der sozialen Pflegeversicherung<br />

haben sich zum Jahresende 2009 um rd.<br />

ein Viertel auf 4,80 Mrd. € bzw. 2,8 Monatsausgaben<br />

erhöht. Sie liegen damit in etwa wieder<br />

auf dem Niveau des Jahres 2003. Einen nennenswerten<br />

weiteren Rücklagenaufbau dürfte es<br />

<strong>2010</strong> jedoch nicht geben, da die Leistungssätze<br />

der Pflegeversicherung zum 1. Januar <strong>2010</strong><br />

nochmals angehoben worden sind. Bereits ab<br />

2011 werden die Beitragseinnahmen nicht mehr<br />

ausreichen, um die laufenden Ausgaben zu<br />

finanzieren. Um den drohenden Beitragssatzsteigerungen<br />

entgegenzuwirken – das BMG geht für<br />

das Jahr 2020 von einem Beitragssatz von 2,3 %<br />

aus –, sollten möglichst bald Reformmaßnahmen<br />

ergriffen werden.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Pflegeversicherung“<br />

42<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


Soziale Pflegeversicherung – positives Finanzergebnis nur durch<br />

Beitragssatzerhöhung<br />

Jahresüberschüsse und ­fehlbeträge<br />

in Mio. €<br />

1.200<br />

990<br />

900<br />

600<br />

630<br />

300<br />

0<br />

–300<br />

–30<br />

–130<br />

–60<br />

–380<br />

–360 –370<br />

–320<br />

–600<br />

–690<br />

–900<br />

–820<br />

–1.200<br />

1999<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />

Quellen: Bundesministerium für Gesundheit und Bundesministerium für Arbeit und Soziales; eigene Darstellung der BDA; ohne Beachtung der<br />

einmaligen zusätzlichen Beiträge im Jahr 2006 durch die Vorverlegung der Beitragsfälligkeit (820 Mio. €)<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 43


Grundsätze zur Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA, 18. Januar <strong>2010</strong><br />

Kein anderer Sozialversicherungszweig wird so sehr durch die demografische Entwicklung getroffen wie<br />

die Pflegeversicherung. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen<br />

bis 2030 um rd. die Hälfte steigen wird. In ihren heutigen Strukturen ist die Pflegeversicherung jedoch<br />

in keiner Weise auf diese Entwicklung vorbereitet.<br />

Umlageverfahren durch kapitalgedeckte Risikovorsorge ergänzen<br />

Zur langfristigen Sicherung der Finanzierbarkeit von Pflegeleistungen ist eine ergänzende kapitalgedeckte<br />

Vorsorge unverzichtbar. Eine weiter ausschließliche Finanzierung über das heutige Umlagesystem<br />

würde angesichts der absehbaren demografischen Entwicklung zu massiven Beitragssatzsteigerungen<br />

in der Pflegeversicherung führen, damit die Arbeitskosten erhöhen und den Erhalt von Arbeitsplätzen<br />

erschweren. Außerdem käme es zu gravierenden Umverteilungen zu Lasten der nachfolgenden Generationen.<br />

In einem Kapitaldeckungssystem mit Alterungsrückstellungen ist die Demografieanfälligkeit demgegenüber<br />

erheblich geringer.<br />

Das BDA-Präsidium unterstützt daher die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, das bestehende Umlageverfahren<br />

durch eine verpflichtende und individualisierte kapitalgedeckte Vorsorge zu ergänzen.<br />

Pflegeprämienmodell mit sozialem Ausgleich einführen<br />

Die einseitig lohnbezogene Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung sollte durch Umstellung auf ein<br />

Pflegeprämienmodell mit sozialem Ausgleich ersetzt werden. Die BDA hat dazu ein umsetzungsfähiges<br />

Konzept entwickelt. Das Pflegeprämienmodell führt nicht nur zu einer deutlich beschäftigungsfreundlicheren<br />

Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung, es ist darüber hinaus auch weniger demografieanfällig<br />

und generationengerechter. Denn der Übergang vom Erwerbsleben in die Rente führt im Pflegeprämienmodell<br />

– anders als im bestehenden System mit lohnorientierten Beiträgen – nicht mehr zu Beitragsmindereinnahmen<br />

bei den Pflegekassen. Berechnungen haben ergeben, dass die fiskalischen Effekte der<br />

demografischen Veränderung durch die Einführung eines Pflegeprämienmodells bereits um ein Drittel<br />

verringert werden können.<br />

Das BDA-Präsidium fordert, die bisherige Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung mittelfristig auf<br />

ein Pflegeprämienmodell mit sozialem Ausgleich umzustellen.<br />

Ausgabenentwicklung begrenzen<br />

Alle Anstrengungen, die nachhaltige Finanzierbarkeit der sozialen Pflegeversicherung durch Strukturanpassungen<br />

auf der Einnahmenseite zu sichern, werden vergeblich sein, wenn nicht gleichzeitig auf der<br />

Leistungsseite Begrenzungen vorgenommen werden. Das ist bislang zu kurz gekommen, im Gegenteil<br />

wurden mit der letzten Pflegereform die Leistungssätze angehoben und dynamisiert sowie neue Leistungsansprüche<br />

geschaffen.<br />

Das BDA-Präsidium fordert, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Weiterentwicklung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs<br />

aufwandsneutral umzusetzen, die gesetzliche Dynamisierung der Leistungssätze zumindest<br />

auszusetzen und endlich auch in der Pflegeversicherung einen Kosten- und Qualitätswettbewerb einzuführen<br />

– sowohl zwischen den Pflegekassen als auch zwischen den Leistungsanbietern.<br />

44<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


Wissen macht attraktiv<br />

Noch nie war Mitarbeiterbindung so wichtig wie heute. Nutzen Sie<br />

deshalb die IPV-Akademie zur Weiterbildung im Bereich der Altersund<br />

Gesundheitsvorsorge.<br />

Die nächsten Termine:<br />

Exklusiv für die Verbände von BDA und BDI und deren Unternehmen:<br />

Praxisorientierte Weiterbildung im Bereich der<br />

Alters- und Gesundheitsvorsorge<br />

Für Unternehmer, Führungskräfte und Personalleiter<br />

Mit Referenten des IPV und Gastreferenten aus<br />

Wirtschaft und Politik<br />

Hochwertiger Informationsaustausch<br />

/ 27.01.11 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz und Pensionszusage:<br />

Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung<br />

Gastreferentin: Christine Harder-Buschner vom BMF<br />

/ 24.02.11 Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung (bAV I)<br />

/ 24.03.11 Restrukturierung von Pensionszusagen<br />

Kleine Gruppen<br />

/ 31.03.11 Aktuelle Entwicklung in der gesetzlichen<br />

und privaten Krankenversicherung<br />

Jetzt anmelden:<br />

/ 28.04.11 Aufbauseminar betriebliche<br />

Altersversorgung (bAV II)<br />

/ 26.05.11 Wertkonten und bAV<br />

/ 30.06.11 Expertenseminar: Im Fokus − Unterstützungskasse<br />

Gastreferentin: Christine Harder-Buschner vom BMF<br />

/ telefonisch unter 030 206732-122<br />

/ per E-Mail an waschkau@ipv.de<br />

/ online unter www.ipv.de/Akademie<br />

Alle weiteren Termine finden Sie im Internet unter www.ipv.de/Akademie<br />

Die Seminare finden statt in der Akademie des Industrie-Pensions-Vereins e.V. in Berlin jeweils von 10:00 bis 16:00 Uhr. Die<br />

Teilnahmegebühr beträgt 115,- € inkl. MwSt. für IPV-Mitglieder, 250,- € inkl. MwSt. für Nicht-Mitglieder. Bitte melden Sie sich<br />

spätestens 30 Tage vor Seminartermin an.<br />

Industrie-Pensions-Verein e.V.<br />

Niederwallstraße 10 ∙ 10117 Berlin<br />

Telefon 030 206732-0<br />

Fax 030 206732-333<br />

info@ipv.de<br />

www.ipv.de


Unfallversicherung: Reform des<br />

Leistungsrechts steht weiter aus<br />

Die Umsetzung der Organisationsreform der<br />

gesetzlichen Unfallversicherung, die 2008 mit<br />

dem Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz<br />

(UVMG) beschlossen wurde, steht bezüglich der<br />

Fusionen der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />

kurz vor dem Abschluss. Nach dem UVMG ist<br />

eine Reduktion der Berufsgenossenschaften auf<br />

neun Träger als Ziel vorgesehen. Anfang <strong>2010</strong><br />

gab es noch 13 Berufsgenossenschaften, zum<br />

1. Januar 2011 wird das Ziel von neun Berufsgenossenschaften<br />

erreicht sein. Bis zu diesem<br />

Datum werden die zwei noch ausstehenden<br />

Fusionen, zum einen der Zusammenschluss der<br />

Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten<br />

mit der Fleischerei-Berufsgenossenschaft,<br />

zum anderen die Fusion der Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft,<br />

Maschinenbau- und<br />

Metall-Berufsgenossenschaft, Berufsgenossenschaft<br />

Metall Nord Süd und der Holz-Berufsgenossenschaft,<br />

erfolgen.<br />

Die Reform des Leistungsrechts, die eigentlich<br />

schon mit dem UVMG erfolgen sollte, steht<br />

jedoch weiter aus. Im Koalitionsvertrag von CDU,<br />

CSU und FDP ist zwar eine zielgenauere Ausgestaltung<br />

des Leistungsrechts vorgesehen, und<br />

ursprünglich war auch für Ende März <strong>2010</strong> die Vorlage<br />

von Eckpunkten zur Leistungsrechtsreform<br />

in Aussicht gestellt worden. Passiert ist bislang<br />

jedoch nichts. Wann es zur Vorlage von Reformvorschlägen<br />

kommen wird, ist derzeit unklar. Die<br />

BDA wird weiter auf eine Reform des Leistungsrechts<br />

dringen. Denn nur durch eine Reform des<br />

Leistungsrechts kann die seit langem überfällige<br />

Beitragsentlastung der Unternehmen – die vor<br />

dem Hintergrund der steigenden Beitragslast in<br />

der Kranken- und Arbeitslosenversicherung umso<br />

notwendiger wird – erreicht werden. Angesichts<br />

der erfreulicherweise immer weiter sinkenden<br />

Unfallzahlen ist es immer weniger nachvollziehbar,<br />

warum diese Präventionserfolge der Betriebe<br />

sich nicht endlich in deutlich geringeren Unfallversicherungsbeiträgen<br />

niederschlagen.<br />

Neue Arbeitsstättenregeln:<br />

Mehraufwendungen für Betriebe<br />

minimieren<br />

Im Arbeitsstättenausschuss (ASTA), einer Einrichtung<br />

im Geschäftsbereich des BMAS, und seinen<br />

Gremien wurde im Jahr <strong>2010</strong> intensiv über die<br />

Frage diskutiert, inwieweit für Betriebe und ihre<br />

Arbeitsstätten Bestandsschutz besteht, wenn die<br />

bisherigen Arbeitsstättenrichtlinien durch neue<br />

Arbeitsstättenregeln (ASR) ersetzt werden und<br />

diese höhere Anforderungen festschreiben, als<br />

dies bisher der Fall war. Die Arbeitsgruppen des<br />

ASTA waren bislang bei der Erarbeitung von ASR<br />

davon ausgegangen, dass die neuen Anforderungen<br />

nur für „Neubauten“ gelten. Das BMAS hat<br />

dem widersprochen und erklärt, dass es keinen<br />

Bestandsschutz für Arbeitsstätten über die Regelungen<br />

in § 8 ArbStättV hinaus gebe.<br />

Die BDA hat gegenüber dem BMAS nachdrücklich<br />

deutlich gemacht, dass die Frage<br />

des Bestandsschutzes enorme wirtschaftliche<br />

Bedeutung hat und höhere Anforderungen in<br />

ASR (z. B. bei Fluchtwegen) sehr teure Umbaumaßnahmen<br />

in den Betrieben zur Folge haben<br />

können. Das BMAS hat daraufhin ein Papier zum<br />

Thema „Bestandsschutz“ erarbeitet, welches im<br />

September <strong>2010</strong> vom ASTA verabschiedet wurde.<br />

Darin wird zwar festgestellt, dass es keinen<br />

Bestandsschutz für bestehende Arbeitsstätten<br />

gibt. Es wird jedoch zugleich deutlich gemacht,<br />

dass höhere Anforderungen in ASR nur dann<br />

festgelegt werden dürfen, wenn diese mit dem<br />

Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene<br />

sowie sonstigen gesicherten wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen für Sicherheit und Gesundheit der<br />

Beschäftigten begründet werden können. Sofern<br />

so angepasste Bestimmungen in bestehenden<br />

Arbeitsstätten umfangreiche Änderungen oder<br />

unverhältnismäßig hohen Aufwand zur Folge<br />

haben, sollen in den betreffenden ASR alternative<br />

Gestaltungslösungen beschrieben werden,<br />

die es den Arbeitgebern ermöglichen, ein vergleichbares<br />

Niveau von Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />

zu erreichen.<br />

Die BDA wird sich weiter dafür einsetzen,<br />

dass im ASTA Regeln erarbeitet werden, die für<br />

die Betriebe praktikabel und handhabbar sind<br />

46<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


Risiko eines Arbeitsunfalls so gering wie noch nie<br />

Meldepflichtige Arbeitsunfälle je 1.000 Vollarbeiter<br />

150<br />

132,7<br />

120<br />

102,5<br />

90<br />

76,4<br />

60<br />

52,1<br />

37,1<br />

30<br />

27,3 25,0<br />

0<br />

1960<br />

1970 1980 1990 2000 2005 2009<br />

Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV); eigene Darstellung der BDA<br />

Die Arbeitssicherheit in der gewerblichen Wirtschaft hat sich weiter verbessert. Im letzten Jahr war das<br />

Risiko, einen Arbeitsunfall zu erleiden, so gering wie noch nie in der 125-jährigen Geschichte der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung. 2009 lag die sog. Arbeitsunfallquote bei 25 Fällen je 1.000 Vollarbeiter. Vor<br />

20 Jahren war die Unfallquote mit einem Wert von knapp 52 noch mehr als doppelt so hoch wie heute.<br />

Auch die absolute Zahl der Arbeitsunfälle sank 2009 erneut deutlich, und zwar um 9,6 % auf 782.736.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 47


und keine überzogenen Anforderungen an das<br />

Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten stellen.<br />

Vor diesem Hintergrund müssen alle bereits<br />

beschlossenen oder noch in der Erarbeitung<br />

befindlichen ASR genau darauf hin geprüft werden,<br />

ob sie mit den beschriebenen Grundsätzen<br />

des „Bestandsschutzpapiers“ übereinstimmen.<br />

Künstliche optische Strahlung:<br />

Sonnenstrahlung aus der<br />

Verordnung verbannt<br />

Die Verordnung zum Schutz der Arbeitnehmer<br />

vor Gefährdungen durch künstliche optische<br />

Strahlung ist im Juli <strong>2010</strong> in Kraft getreten. Sie<br />

behandelt tatsächliche und mögliche gesundheitliche<br />

Gefährdungen insbesondere der Augen<br />

und der Haut von Beschäftigten im Umgang mit<br />

künstlicher optischer Strahlung bei der Arbeit.<br />

In dem rechtskräftigen Text ist, wie von der BDA<br />

gefordert, kein Hinweis auf den Arbeitsschutz vor<br />

Sonneneinwirkung mehr enthalten. Die in dem<br />

Referentenentwurf enthaltene Ausweitung auf<br />

den Arbeitsschutz vor Sonneneinwirkung hätte<br />

ein nationales Aufsatteln auf die europäischen<br />

Vorgaben bedeutet.<br />

Auf Wunsch des Bundesrats sind in die Verordnung<br />

zusätzlich Regelungen für den Einsatz<br />

eines fachkundigen Laserschutzbeauftragten<br />

analog einer bestehenden Unfallverhütungsvorschrift<br />

aufgenommen worden. Die BDA konnte<br />

eine Präzisierung der Regelungen zum Einsatz<br />

der Laserschutzbeauftragten durchsetzen und<br />

den Einsatz der speziell qualifizierten Fachkundigen<br />

ausschließlich auf die Verwendung von<br />

Lasern beschränken.<br />

Bei der praktischen Umsetzung der neuen<br />

Regelungen zum Arbeitnehmerschutz beim Einsatz<br />

künstlicher optischer Strahlen gilt es, aufwendige<br />

Messungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilungen<br />

zu vermeiden. Auch in der Verordnung<br />

selbst heißt es daher, dass der Messaufwand für<br />

eine ordnungsgemäße Gefährdungsbeurteilung<br />

bei Anwendung künstlicher optischer Strahlung<br />

in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden<br />

solle, indem Informationen des Herstellers der<br />

verwendeten Arbeitsmittel oder aus anderen ohne<br />

weiteres zugänglichen Quellen verwendet werden.<br />

Die BDA wird sich durch direkte Beteiligung im<br />

Ausschuss für Betriebssicherheit dafür einsetzen,<br />

dass die für die Unternehmen erforderlichen Informationen<br />

auch tatsächlich verfügbar sind bzw.<br />

erstellt werden.<br />

Psychische Gesundheit:<br />

Unternehmen aktiv<br />

Übereinstimmend melden die Krankenkassen<br />

in ihren Statistiken zur Arbeitsunfähigkeit einen<br />

überproportional steilen Anstieg in der Diagnosegruppe<br />

„psychischer Störungen“. Eine trennscharfe<br />

Analyse, wodurch dieser Anstieg bedingt<br />

ist, ist jedoch ebenso wenig möglich wie die Ursachenerforschung<br />

behandlungsrelevanter psychischer<br />

Störungen selbst. Allgemein anerkannt ist<br />

die Tatsache, dass psychische Störungen das<br />

Ergebnis eines multifaktoriellen Geschehens<br />

sind. Neben Einflüssen aus dem Arbeitsalltag<br />

spielen personenbezogene Einflüsse wie auch<br />

genetische/konstitutionelle Faktoren und das<br />

Privatleben eine Rolle. Das Engagement der<br />

Betriebe zur Stärkung der psychischen Gesundheit<br />

ihrer Belegschaften reicht deshalb oft weit<br />

über die Arbeitssphäre hinaus. Allerdings sind<br />

der Beeinflussbarkeit psychischer Störungen<br />

durch unternehmerisches Handeln aufgrund der<br />

multifaktoriellen Hintergründe letztlich Grenzen<br />

gesetzt.<br />

Erfolgversprechende Ansätze bei Unternehmen<br />

trennen bei den Maßnahmen klar zwischen<br />

der psychischen Belastung aus Arbeitsinhalten<br />

(generelles Vorgehen) und der Pflege der psychischen<br />

Gesundheit im Betrieb (individuelle<br />

Ansprache). Dabei können gerade auch bei der<br />

individuellen Ansprache Unternehmen mit anderen<br />

Stellen, wie z. B. dem werksärztlichen Dienst<br />

und/oder speziellen Beratungsdiensten (z. B.<br />

Schuldnerberatung, Suchtberatung), zusammenarbeiten.<br />

Einerseits sollte auffälligem Verhalten<br />

über sensible Führungsarbeit möglichst frühzeitig<br />

nachgegangen werden und andererseits sollten<br />

Strukturen für Hilfestellungen zur Verfügung<br />

gestellt werden, die Mitarbeitern als Anlaufstellen<br />

in Krisenfällen bekannt sind. Grundsätzlich gilt,<br />

dass Mitarbeitern in Krisen möglichst frühzeitig<br />

und kompetent in ihrem eigenen, aber auch<br />

im Interesse der Unternehmen geholfen wird.<br />

48<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


Modelle eines koordinierten Vorgehens mit Krankenkassen<br />

haben sich bereits in verschiedenen<br />

Unternehmen bewährt. Neben der Bildung eigener<br />

innerbetrieblicher Strukturen und damit verzahnter<br />

Netzwerke wie psychotherapeutischer<br />

Einrichtungen bedienen sich Unternehmen vermehrt<br />

externer Anbieter für umfassende Mitarbeiter-<br />

und Organisationsberatung.<br />

Die BDA tritt im Rahmen ihres Engagements<br />

in der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz für eine<br />

sachliche Behandlung des Themas „Psyche“ im<br />

betrieblichen Kontext ein. Dabei ist der falschen<br />

Herleitung, dass psychische Belastung aus der<br />

Arbeitsaufgabe zur psychischen Störung der Mitarbeiter<br />

führt, entgegenzutreten. Ferner informiert<br />

die BDA über erfolgreiche Firmenbeispiele und<br />

fördert den Erfahrungsaustausch der Unternehmen,<br />

z. B. als Mitveranstalter des Kongresses<br />

„Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz – was<br />

können Unternehmen tun?“, der am 22. November<br />

<strong>2010</strong> stattgefunden hat. Inhaltlich wird das<br />

Thema kompetent in BDA-Gremien wie dem<br />

Arbeitskreis „Psychische Belastung“ und dem<br />

Ausschuss „Arbeitssicherheit“ bearbeitet.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit“<br />

Beitragseinzug: Verfahren muss<br />

vereinfacht werden<br />

Auf Initiative der BDA wird derzeit die Ausgestaltung<br />

der sog. Weiterleitungsstellen, die den<br />

Beitragseinzug zur Sozialversicherung für die<br />

Arbeitgeber erleichtern sollen, überarbeitet. Die<br />

bislang vorgesehene gesetzliche Konzeption<br />

greift deutlich zu kurz, insbesondere weil danach<br />

die Weiterleitungsstellen nicht alle Aufgaben einer<br />

Einzugsstelle übernehmen, sondern lediglich<br />

Beiträge und Meldungen gesammelt entgegennehmen<br />

und dann an die weiterhin zuständig bleibenden<br />

ca. 160 Einzugsstellen/Krankenkassen<br />

weiterleiten. Damit ist jedoch wenig gewonnen.<br />

Die Arbeitgeber müssten auch weiterhin Krankenkassenbeiträge<br />

nach Krankenkassenzugehörigkeit<br />

getrennt kalkulieren und ausweisen und<br />

sich mit einer Vielzahl von Krankenkassen in allen<br />

Fragen des Mitgliedschafts-, Melde- und Beitragsrechts<br />

auseinandersetzen.<br />

Deshalb sollten den Weiterleitungsstellen<br />

alle Aufgaben einer Einzugsstelle übertragen<br />

werden. Dann könnten die Arbeitgeber bei einer<br />

Stelle das gesamte Beitragseinzugsverfahren für<br />

alle ihre Beschäftigten durchführen. Um dies zu<br />

erreichen, sollte der Gesetzgeber den Krankenkassen<br />

die Möglichkeit geben, die Aufgabe einer<br />

Weiterleitungsstelle zu übernehmen und alleinige<br />

Einzugsstelle für einen Arbeitgeber zu werden,<br />

wenn der Arbeitgeber dies beantragt. Hierdurch<br />

würden die Arbeitgeber erheblich von bürokratischem<br />

Aufwand beim Beitragseinzug entlastet.<br />

Zudem würde der Wettbewerb um eine kostengünstige<br />

Administration des Beitragseinzugsverfahrens<br />

gefördert und würden Effizienzgewinne<br />

beim Beitragseinzug erreicht.<br />

Auf Ressortebene zeichnet sich derzeit ab,<br />

dass – entsprechend dem BDA-Vorschlag – die<br />

Arbeitgeber ab 2012 optional eine Krankenkasse<br />

als allein zuständige Beitragseinzugsstelle wählen<br />

können. Die Arbeitgeber, die von der Option<br />

Gebrauch machen, müssen dann auch nur noch<br />

einen monatlichen Beitragsnachweis ausstellen.<br />

Umlageverfahren U1:<br />

verpflichtende Teilnahme beenden<br />

Die BDA setzt sich dafür ein, die bisher verpflichtende<br />

Teilnahme am U1-Verfahren freiwillig zu<br />

machen. Beim U1-Verfahren wird dem Arbeitgeber<br />

das nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz<br />

bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers fortgezahlte<br />

Arbeitsentgelt von den Krankenkassen<br />

erstattet. Finanziert wird das U1-Verfahren durch<br />

eine Arbeitgeberumlage. Den verpflichtend einbezogenen<br />

Kleinbetrieben (Arbeitgeber mit bis<br />

zu 30 Arbeitnehmern) entstehen nach Berechnungen<br />

des Instituts der deutschen Wirtschaft<br />

Köln (IW) durch die Administration des U1-Verfahrens<br />

jährliche Verwaltungskosten von 566 Mio. €.<br />

Hinzu kommen die von den Arbeitgebern über die<br />

U1-Umlage zu finanzierenden Verwaltungskosten<br />

der Krankenkassen von 130 Mio. € im Jahr. Der<br />

einzelne Arbeitgeber muss das U1-Verfahren mit<br />

jeder Krankenkasse durchführen, bei der einer<br />

seiner Beschäftigten versichert ist. Dementsprechend<br />

sind – je nach Satzung der Krankenkasse –<br />

jeweils unterschiedliche Erstattungssätze (derzeit<br />

über 200) und damit auch unterschiedliche<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 49


Umlage sätze zugrunde zu legen und vom Arbeitgeber<br />

zu berücksichtigen.<br />

Für ein obligatorisches Ausgleichsverfahren<br />

von Entgeltfortzahlungskosten besteht aber gar<br />

keine Notwendigkeit. Über den bürokratischen<br />

Aufwand hinaus bewirkt es, dass Betriebe mit<br />

niedrigem Krankenstand (z. B. aufgrund betrieblicher<br />

Gesundheitsförderung) ohne Grund für<br />

Betriebe mit hohem Krankenstand finanziell eintreten<br />

müssen. Die über das U1-Verfahren hergestellte<br />

kollektive Finanzierung von Entgeltfortzahlungskosten<br />

setzt damit auch negative Anreize zur<br />

Fehlzeitenreduzierung, zur betrieblichen Gesundheitsförderung<br />

und zur Prävention.<br />

Das obligatorische U1-Verfahren muss deshalb<br />

beendet werden. Soweit Kleinbetriebe<br />

dennoch an einem solchen Ausgleichsverfahren<br />

teilnehmen wollen, kann dies auf freiwilliger<br />

Grundlage geschehen. Sollte trotz der genannten<br />

Bedenken weiter an einer obligatorischen Teilnahme<br />

festgehalten werden, gilt es, zumindest den<br />

bürokratischen Aufwand des Verfahrens zu minimieren:<br />

Das U1-Verfahren sollte bei einer Stelle<br />

durchgeführt werden können. Der Arbeitgeber<br />

hätte dann einen einzigen Ansprechpartner und<br />

für alle seine Beschäftigten einheitliche Beitragsbzw.<br />

Erstattungssätze und insbesondere einheitliche<br />

Erstattungsregeln. Dadurch könnte die Bürokratiebelastung<br />

der Arbeitgeber deutlich reduziert<br />

werden.<br />

Die BDA ist derzeit in Gesprächen mit der<br />

Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen,<br />

um eine baldige Freiwilligkeit des U1-Verfahrens<br />

zu erreichen. Verabredet ist bereits, dass<br />

mindestens die von der BDA vorgeschlagenen<br />

Verfahrensvereinfachungen umgesetzt werden<br />

sollen.<br />

ELENA-Verfahren: Datensatz verschlanken und weitere Papierbescheinigungen<br />

einbeziehen<br />

Die Grundidee des ELENA-Verfahrens ist zweifellos gut. Der Arbeitgeber meldet einmal im Monat einen<br />

schlanken Entgeltdatensatz, statt viele unterschiedliche Papierbescheinigungen für seine Arbeitnehmer<br />

ausfüllen zu müssen.<br />

In der Praxis stellt sich die Lage allerdings noch anders dar. Zunächst sollen nur drei Papierbescheinigungen<br />

durch ELENA ersetzt werden, die meisten Bescheinigungspflichten bestehen in Papierform fort.<br />

Hinzu kommt, dass es der Gesetzgeber trotz zahlreicher Aufforderungen versäumt hat, die Leistungsberechnung<br />

für die betroffenen Sozialleistungen zu vereinfachen. Deshalb ist der vom Arbeitgeber zu<br />

meldende ELENA-Datensatz nicht so schlank, wie er sein könnte und müsste.<br />

Daher müssen jetzt schnellstmöglich weitere und im Ergebnis alle Papierbescheinigungspflichten der<br />

Arbeitgeber wegfallen und zukünftig mit ELENA abgewickelt werden, so wie es richtigerweise im Koalitionsvertrag<br />

vereinbart ist. Zudem müssen die in den Leistungsgesetzen festgeschriebenen jeweils höchst<br />

unterschiedlichen Datenanforderungen für die Bewilligung von staatlichen Sozialleistungen endlich harmonisiert<br />

werden.<br />

50<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung


ELENA-Verfahren: Normenkontrollrat<br />

unterstützt Optimierungsvorschläge<br />

der BDA – Koalition<br />

plant Startverschiebung auf<br />

Kosten der Unternehmen<br />

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat am<br />

13. September <strong>2010</strong> ein umfangreiches Gutachten<br />

zu den Auswirkungen des elektronischen Entgeltnachweisverfahrens<br />

(ELENA-Verfahren) hinsichtlich<br />

der Be- und Entlastungen für Wirtschaft,<br />

Bürger und Verwaltung vorgelegt. Das Gutachten<br />

bestätigt, dass das Verhältnis von Aufwand<br />

und Entlastung für die Arbeitgeber leider bislang<br />

nicht befriedigend ist – weder für kleine noch für<br />

große Betriebe. Zu Recht drängt der NKR deshalb<br />

darauf, weitere Papierbescheinigungen in<br />

das ELENA-Verfahren einzubeziehen sowie die<br />

zugrunde liegenden rechtlichen Regelungen zu<br />

vereinheitlichen und damit den ELENA-Datensatz<br />

deutlich zu verkleinern. Er stellt sich damit voll und<br />

ganz hinter die Forderungen der BDA.<br />

Am 18. November <strong>2010</strong> haben die Koalitionsspitzen<br />

beschlossen, dass der verpflichtende<br />

Datenabruf im ELENA-Verfahren von 2012<br />

auf 2014 verschoben werden soll. Die BDA hatte<br />

sich u. a. gegenüber dem Bundeskanzleramt,<br />

das den Koalitionsausschuss vorbereitet hatte,<br />

mit allem Nachdruck gegen eine Verschiebung<br />

des Datenabrufs ausgesprochen. Der jetzige<br />

Beschluss sorgt für neue zusätzliche Bürokratie<br />

für die Betriebe, die bis zu zwei Jahre länger<br />

die gleichen Daten parallel sowohl elektronisch<br />

melden als auch auf Papierformularen bescheinigen<br />

müssen. Statt die Betriebe schnellstmöglich<br />

durch ELENA von Bürokratie zu entlasten, werden<br />

sie jetzt zusätzlich durch Doppelmeldungen<br />

belastet.<br />

Deshalb gilt es jetzt umso mehr, dass endlich<br />

weitere Papierbescheinigungen wegfallen bzw.<br />

mit dem ELENA-Verfahren abgewickelt werden<br />

und eine Entlastung der Betriebe auch tatsächlich<br />

erreicht wird. Die BDA setzt sich des Weiteren<br />

dafür ein, dass die beteiligten Behörden von<br />

der Option eines früheren Datenabrufs Gebrauch<br />

machen und diesen so früh wie möglich starten.<br />

Das gilt insbesondere für die Bundesagentur für<br />

Arbeit, die nach derzeitigem Stand ab 2012 zum<br />

Datenabruf in der Lage sein wird. Die bisher von<br />

den Arbeitgebern gemeldeten Daten würden dann<br />

wie vorgesehen Verwendung finden.<br />

Arbeitgebermeldewesen: bessere<br />

Koordinierung dringend geboten<br />

Bislang fehlt es im Arbeitgebermeldewesen an<br />

einer konsistenten IT-Strategie der öffentlichen<br />

Hand. Die notwendige Koordinierung der bestehenden<br />

Aktivitäten findet nicht statt, ein übergreifendes,<br />

abgestimmtes Konzept ist nicht erkennbar.<br />

Stattdessen gibt es heute mehrere parallele<br />

Verfahren, z. B. das DEÜV-Meldeverfahren, mit<br />

dem die Arbeitgeber mit der Sozialversicherung<br />

kommunizieren, das neue ELENA-Verfahren<br />

oder das ElsterLohn-Verfahren im Bereich der<br />

Finanzverwaltung. Zudem existieren elektronische<br />

Datenaustauschverfahren etwa für das Krankengeld<br />

und die Umlageverfahren U1/U2 nach dem<br />

Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG).<br />

Es ist dringend geboten, die zahlreichen<br />

Verfahren stärker zusammenzuführen und für die<br />

Zukunft ein gebündeltes, multifunktionales (Melde-)Verfahren<br />

zu etablieren. Die zu meldenden<br />

Daten müssen dabei auf das absolut Notwendige<br />

beschränkt werden. Dies verlangt, dass die für<br />

den Bezug von (Sozial-)Leistungen maßgeblichen<br />

Voraussetzungen aufeinander abgestimmt werden<br />

(Harmonisierung der Berechnungsgrundlagen).<br />

Hierdurch reduziert sich der Bürokratie- und<br />

Kostenaufwand sowohl auf Seiten der Arbeitgeber<br />

als auch bei den Empfängern der Meldungen. Ein<br />

gebündeltes Verfahren kann zudem datenschutzrechtliche<br />

Belange besser erfüllen.<br />

Die BDA hat hierzu einen Dialog mit dem<br />

NKR und den fachlich zuständigen Bundesministerien<br />

begonnen. Die Bundesregierung, die<br />

derzeit an einer „Strategie zur digitalen Zukunft<br />

Deutschlands“ arbeitet, hat die Berücksichtigung<br />

der BDA-Vorschläge und die Einbindung der BDA<br />

in das weitere Verfahren zugesagt.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Soziale Sicherung 51


Wichtige Weichenstellungen für<br />

ein zukunftsfähiges Arbeitsrecht<br />

Im zu Ende gehenden Jahr hat kein anderes Thema<br />

die Diskussion über das Arbeits- und Tarifrecht<br />

so beherrscht wie die Tarifeinheit. Im Sommer<br />

und Herbst fanden in dichter Folge Symposien,<br />

Diskussionsrunden und Vortragsveranstaltungen<br />

statt. Unabhängig davon, ob Gegner oder Befürworter<br />

der Tarifeinheit, vertritt die überwältigende<br />

Zahl der Beiträge die weitgehend unbestrittene<br />

Auffassung, der Gesetzgeber müsse handeln.<br />

Dem Grunde nach sind sich (fast) alle einig, dass<br />

die Zersplitterung des Tarifvertragssystems eine<br />

Gefahr für die Tarifordnung in Deutschland als<br />

solche darstellt. Ständige Arbeitskämpfe oder die<br />

Gefahr ständiger Arbeitskämpfe, wie sie z. B. im<br />

Vereinigten Königreich in den 70er Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts zum Niedergang der<br />

britischen Industrie und vor allem zur Zerstörung<br />

der englischen Tarifautonomie beigetragen haben,<br />

werden als Bedrohung des sozialen Friedens<br />

erkannt. So klar der Befund ist, so unterschiedlich<br />

ist die Bereitschaft, hieraus die richtigen Schlüsse<br />

zu ziehen. Zur Sicherung der Tarifautonomie ist<br />

eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit unverzichtbar.<br />

BDA und DGB haben hierzu bereits im<br />

Juni Eckpunkte vorgeschlagen. Diese müssen<br />

noch im Jahr <strong>2010</strong> aufgegriffen werden und in<br />

einen Gesetzentwurf münden.<br />

Die in der letzten Legislaturperiode in das<br />

Bundesdatenschutzgesetz eingefügte Regelung<br />

zum Arbeitnehmerdatenschutz muss weiterentwickelt,<br />

Rechtssicherheit und Rechtsklarheit<br />

müssen gewahrt oder, wo sie durch die Neuregelung<br />

verloren gegangen sind, neu begründet<br />

werden. Die Bundesregierung hat hierzu einen<br />

ersten Gesetzentwurf vorgelegt, der die Voraussetzungen<br />

eines modernen Datenschutzrechts im<br />

Beschäftigungsverhältnis noch nicht erfüllt. Der<br />

Entwurf strotzt vor neuer Unsicherheit und neuen<br />

unbestimmten Rechtsbegriffen, er beseitigt<br />

weitgehend wichtige Regelungsmechanismen,<br />

wie die Einwilligung des Arbeitnehmers oder<br />

die Betriebsvereinbarung, und ist geeignet, die<br />

Bekämpfung von Vertrags- und Gesetzesverstößen<br />

in den Unternehmen zu behindern. Diese<br />

Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung ist ein<br />

wesentliches Anliegen im Sinne der Arbeitnehmer<br />

und der Arbeitgeber. Sie muss gewährleistet bleiben.<br />

Datenschutz steht nicht im Widerspruch zur<br />

Einhaltung unternehmensinterner Regeln (Compliance),<br />

er setzt diese vielmehr voraus, weil auch<br />

der Datenschutz Teil der unternehmensinternen<br />

Regelbefolgung ist. Daher muss Datenschutz seinen<br />

Beitrag leisten, die Einhaltung von Vertragspflichten<br />

und Gesetzen zu unterstützen.<br />

Gefährlich, überflüssig und bürokratisch ist<br />

der Vorschlag des Bundesministeriums für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend, ein Gesetz zur<br />

Familienpflegezeit zu schaffen. Es gibt bereits<br />

eine umfassende Zahl von Tarifverträgen und<br />

Betriebsvereinbarungen, die entsprechende Materien<br />

interessengerecht regeln. Darüber hinaus<br />

gibt es mit dem Pflegezeit- und dem Teilzeit- und<br />

Befristungsgesetz (TzBfG) weitere Ansprüche auf<br />

Arbeitszeitreduzierung. Langzeitkonten (Wertguthaben)<br />

können Pflegewünsche erleichtern helfen.<br />

Warum dann in einem eigenen Gesetz neben dem<br />

Pflegezeitgesetz ein weiterer Pflegezeitanspruch<br />

geschaffen werden soll, erschließt sich nicht. Dies<br />

gilt besonders auch für die Ausdehnung von Sonderkündigungsschutz<br />

und Kündigungsschutz.<br />

Beschäftigungsformen, die sich neben dem<br />

teilweise als „Normalarbeitsverhältnis“ apostrophierten<br />

unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis<br />

etabliert haben, haben einen wesentlichen Anteil<br />

daran, dass Beschäftigung gesichert und neue<br />

Beschäftigung geschaffen wird. Gerade die Krise<br />

und die Krisenbewältigung haben dies für zwei<br />

klassische Formen solcher Beschäftigungsverhältnisse<br />

gezeigt, nämlich Befristung und Zeitarbeit.<br />

Befristete Arbeitsverhältnisse sind neben<br />

der Zeitarbeit ein Motor für neue Beschäftigung.<br />

Ihre Weiterentwicklung ist sinnvoll und längst<br />

geboten. Zu Recht verspricht der Koalitionsvertrag<br />

daher Beschäftigungssuchenden und<br />

Arbeitslosen die Aufhebung des völlig widersinnigen<br />

Beschäftigungsverbots in Form des Ersteinstellungsgebots.<br />

Dies ist überfällig und wird von<br />

der BDA schon lange gefordert. Es ist höchst<br />

bedauerlich, dass sich bis heute keine Schritte<br />

abzeichnen, dem Versprechen des Koalitionsvertrags<br />

Taten folgen zu lassen. Dabei bleibt der<br />

Koalitionsvertrag noch weit hinter dem zurück,<br />

was die europäische Befristungsrichtlinie ermöglicht.<br />

Die Abschaffung des Ersteinstellungserfordernisses<br />

und seine Ersetzung durch ein<br />

54<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


Neueinstellungserfordernis mit einer Karenzzeit<br />

von zwölf Monaten wären ein richtiger Schritt.<br />

Ein solcher macht zwar grundlegende Reformen<br />

im Individualarbeitsrecht generell nicht überflüssig,<br />

insbesondere das Beschäftigungshemmnis<br />

Kündigungsschutz muss angegangen werden, er<br />

zeigt aber, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland<br />

überhaupt noch reformfähig und -willig ist.<br />

Das Fehlen dieser Reformfähigkeit hat in<br />

erschreckender Weise den diesjährigen Deutschen<br />

Juristentag in der Abteilung Arbeitsrecht<br />

geprägt. In wilder Entschlossenheit haben<br />

200 Gewerkschaftssekretäre jede Reform des<br />

Arbeitsmarkts zu Gunsten von Beschäftigungsaufbau<br />

und Beschäftigungssicherung niedergestimmt.<br />

Im Bereich Zeitarbeit wurden sogar die<br />

eigenen Zeitarbeitstarifverträge „weggestimmt“.<br />

Diese Instrumentalisierung des Juristentags birgt<br />

große Gefahren für die wichtigste juristische<br />

Großveranstaltung innerhalb der Bundesrepublik.<br />

Zu keinem anderen Zeitpunkt trifft sich die gleiche<br />

Zahl hochkarätiger Wissenschaftler, Richter,<br />

Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Gewerkschaftsund<br />

Verbandsjuristen wie auf diesen alle zwei<br />

Jahre stattfindenden Treffen. Der offene Diskurs<br />

und das Ringen um die richtige Lösung müssen<br />

in allen Abteilungen gewahrt bleiben. Wer<br />

den Juristentag zum Spielball einer Interessengruppe<br />

macht, gefährdet seine Akzeptanz. Die<br />

Bereitschaft, nicht nur mit Mitgliedsbeiträgen die<br />

Organisation zu stützen, sondern darüber hinaus<br />

durch Engagement und eigene Beiträge den Treffen<br />

zum Erfolg zu verhelfen, kann empfindlichen<br />

Schaden erleiden. Die Ständige Deputation und<br />

der Abteilungsvorstand sind aufgefordert, denen<br />

durch gezielte Maßnahmen entgegenzuwirken,<br />

die den Ruf des Juristentags bleibend schädigen<br />

können.<br />

Die Bereitschaft von Arbeitgebern und<br />

Arbeitgeberverbänden, sich auf dem Juristentag<br />

zu engagieren, rührt von der Kenntnis her,<br />

dass Recht einem Staatswesen Struktur und<br />

Akzeptanz verschafft. Dies gilt nicht allein für<br />

das Arbeitsrecht und seine befriedende Wirkung<br />

auf Arbeitsbeziehungen, es gilt für die Rechtsordnung<br />

insgesamt. Auf europäischer Ebene<br />

erwächst dabei mit der EU-Kommission und vor<br />

allem mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH)<br />

ein weiterer für Deutschland bedeutender, ja<br />

immer wichtiger werdender Mitspieler. Der EuGH<br />

etabliert sich faktisch zwischen Fachobergericht<br />

und Verfassungsgericht für die 27 Staaten<br />

der Europäischen Union. Wie alle Institutionen<br />

entwickelt der EuGH die Tendenz immer weiter,<br />

seine Kompetenzen tief in das nationale Recht<br />

hineinwirken zu lassen. Ein Beispiel des Jahres<br />

<strong>2010</strong> ist die sog. Kücükdeveci-Entscheidung,<br />

die dem Grunde nach das Ermessen der Richter<br />

in Luxemburg an die Stelle des Ermessens<br />

des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung<br />

europäischer Richtlinien setzt. Diese Entscheidung<br />

wirft verschiedenste verfassungsrechtliche<br />

Fragen auf. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht<br />

(BVerfG) in seiner Lissabon-Entscheidung<br />

Grenzen für die rechtsprechende und rechtsetzende<br />

europäische Gewalt definiert, deren Einhaltung<br />

bedarf aber der Kontrolle. Diese Kontrolle<br />

kann das BVerfG nicht in jedem Einzelfall allein<br />

leisten, sie obliegt vielmehr in erster Linie Parlament<br />

und Regierung. Beide sind aufgefordert,<br />

Regelungsmechanismen zu entwickeln und auf<br />

europäischer Ebene durchzusetzen, die Rechtssicherheit<br />

und Rechtsvertrauen in der Bundesrepublik<br />

Deutschland stärken.<br />

Ein Beitrag, zwar nicht auf Ebene des Gesetzgebers<br />

oder der Rechtsprechung, wohl aber auf<br />

wissenschaftlichem Gebiet für mehr Rechtsklarheit<br />

zu sorgen, ist die Zeitschrift für Arbeitsrecht (ZfA),<br />

deren Redaktion in der bewährten Hand der BDA<br />

liegt. Sie gehört zu den großen bedeutenden,<br />

den Hintergrund beleuchtenden Zeitschriften des<br />

Rechts in Deutschland, vergleichbar dem „Archiv<br />

für die Civilistische Praxis“ oder der Zeitschrift „Der<br />

Staat“. Unsere ZfA ist in diesem Jahr 40 Jahre alt<br />

geworden. Die BDA wird auch weiter ihren Beitrag<br />

dazu leisten, der Stimme des Arbeitsrechts unbeeinflusst<br />

Gehör zu verschaffen. Dies ist, wie die<br />

Entwicklung in Rechtsprechung und Gesetzgebung<br />

zeigt, nie dringlicher gewesen als heute.<br />

Tarifeinheit gesetzlich regeln –<br />

Tarifautonomie sichern<br />

Am 7. Juli hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts<br />

(BAG) mit seinem Endurteil den Grundsatz<br />

der Tarifeinheit aufgegeben. Schon der Beschluss<br />

des Senats vom 27. Januar, den Zehnten Senat<br />

hierzu anzufragen, sowie die Zustimmung des<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht 55


Zehnten Senats vom 23. Juni <strong>2010</strong> ließen diese<br />

Entscheidung erwarten. Dies kann zu einer Zersplitterung<br />

des Tarifvertragssystems, einer Spaltung<br />

der Belegschaften und einer Vervielfachung<br />

kollektiver Konflikte führen.<br />

Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit<br />

damit rechnen müssen, Arbeitskämpfen<br />

einzelner Spartenorganisationen ausgesetzt zu<br />

sein, drohen englische Verhältnisse. Ständige<br />

Arbeitskämpfe unterschiedlicher Gruppen haben<br />

im Vereinigten Königreich in den 1970er Jahren<br />

die Tarifautonomie weitgehend zerstört und zur<br />

Deindustrialisierung des Landes beigetragen. Das<br />

deutsche System der Flächen- und Branchentarifverträge<br />

ist auf die Tarifeinheit angewiesen.<br />

Ohne die Tarifeinheit ist der Flächentarifvertrag,<br />

den die Sozialpartner in den letzten Jahren nachhaltig<br />

modernisiert und insbesondere durch Öffnungsklauseln<br />

attraktiver gestaltet haben, im Kern<br />

gefährdet.<br />

Die Tarifautonomie als Ausdruck der Koalitionsfreiheit<br />

hat sich in Deutschland bewährt: Auf<br />

Grundlage einer gewachsenen Vertrauenspartnerschaft<br />

zwischen den Sozialpartnern prägen<br />

Tarifverträge die Gestaltung der Arbeitsbedingungen.<br />

Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet, dass sich<br />

die Koalitionen im Wirtschaftsleben betätigen<br />

und Einfluss nehmen. Der Befriedungseffekt auf<br />

das Arbeits- und Wirtschaftsleben sowie die Planungssicherheit,<br />

die von Tarifverträgen ausgehen,<br />

sind dabei unverzichtbar.<br />

Die Tarifeinheit ist eine Säule der Tarifautonomie,<br />

weil sie der Zersplitterung des Tarifvertragssystems<br />

wirksam entgegenwirken kann. Der<br />

Gesetzgeber muss die Tarifeinheit im bestehenden<br />

Tarifvertragsgesetz gesetzlich regeln.<br />

In seinem Urteil betont das BAG, dass eine<br />

gesetzliche Grundlage für den Grundsatz der<br />

Tarifeinheit nicht bestehe. Die Ausgestaltung<br />

der Koalitionsfreiheit obliege dem Gesetzgeber.<br />

Bereits Anfang Juni haben BDA und DGB daher<br />

einen gemeinsamen Vorschlag vorgestellt, die<br />

Tarifeinheit gesetzlich zu regeln, um die Funktionsfähigkeit<br />

der Tarifautonomie zu sichern. Mit<br />

der Verständigung über diese Eckpunkte ist ein<br />

fast dreijähriger Erörterungsprozess mit dem DGB<br />

zu einem Abschluss gelangt.<br />

Der gemeinsame Vorschlag sieht folgende zentralen<br />

Elemente vor:<br />

• Bei sich überschneidenden, konkurrierenden<br />

Tarifverträgen hat derjenige Vorrang, an<br />

den die meisten Gewerkschaftsmitglieder<br />

im Betrieb gebunden sind. Schon bisher ist<br />

das Repräsentativitätsprinzip dort angewendet<br />

worden, wo gleich spezielle Tarifverträge<br />

aufeinandergestoßen sind (z. B. im Verhältnis<br />

von Flächen- zu Flächentarifvertrag oder<br />

von Haus- zu Haustarifvertrag).<br />

• Ein weiteres zentrales Element ist die Friedenspflicht.<br />

Diese wird im Tarifvertragsgesetz<br />

bestätigt. Während der Laufzeit eines Tarifvertrags,<br />

der für den Betrieb und die in ihm<br />

beschäftigten Arbeitnehmer maßgeblich ist,<br />

gilt die Friedenspflicht für alle Tarifverträge.<br />

Nach Ablauf der Friedenspflicht des repräsentativen<br />

Tarifvertrags kann jede Gewerkschaft<br />

ihre Ziele geltend machen und ggf. um diese<br />

Ziele auch einen Arbeitskampf führen.<br />

Wie bisher bedeutet die von BDA und DGB<br />

vorgeschlagene gesetzliche Regelung kein Monopol<br />

für bestimmte Tarifvertragsparteien. Sie schafft<br />

vielmehr Rechtsklarheit für den Fall einer Kollision<br />

unterschiedlicher Tarifverträge. Tarifeinheit hat nie<br />

bedeutet und wird auch zukünftig nicht bedeuten,<br />

dass Monopole für Tarifverhandlungen geschaffen<br />

werden. Es wird auch in Zukunft unterschiedliche<br />

Gewerkschaften geben und es wird auch Konkurrenz<br />

und Wettbewerb zwischen Gewerkschaften<br />

geben. Es soll lediglich sichergestellt sein, dass<br />

entsprechend dem bisherigen Grundsatz der<br />

Tarifeinheit Klarheit darüber besteht, welcher<br />

Tarifvertrag angewandt wird, und dass während<br />

der Laufzeit des vorrangigen Tarifvertrags Friedenspflicht<br />

besteht.<br />

Der Regelungsvorschlag zur Tarifeinheit<br />

steht einer vereinbarten Tarifpluralität nicht entgegen.<br />

Wenn Tarifverträge, die im selben Betrieb<br />

gelten, sich nicht in ihrem Anwendungsbereich<br />

überschneiden, können beide Tarifverträge im<br />

Betrieb angewendet werden. Es bleibt völlig unberührt,<br />

dass einvernehmlich mit unterschiedlichen<br />

Gewerkschaften für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen<br />

Tarifverträge vereinbart werden können.<br />

Die Rechtslage für eine solche vereinbarte<br />

56<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


Tarifpluralität bleibt völlig unverändert. Das gilt<br />

auch für die Bildung von Tarifgemeinschaften<br />

verschiedener Gewerkschaften, die unverändert<br />

möglich sind. Es soll allein verhindert werden,<br />

dass die Tarifautonomie durch eine Vielzahl sich<br />

überschneidender Tarifverträge beliebig zerlegt<br />

werden kann. Ebenso möglich bleiben Anerkennungs-<br />

und Anschlusstarifverträge.<br />

Da es arbeits- oder tarifrechtliche Gründe<br />

gegen die Tarifeinheit nicht gibt, verlagert sich<br />

die Diskussion über eine gesetzliche Regelung<br />

immer stärker auf das Verfassungsrecht. Die<br />

Tarifeinheit als Ordnungssystem ist eine unverzichtbare<br />

Bedingung, um die von der Verfassung<br />

gewährleistete Tarifautonomie funktionsfähig zu<br />

halten. Die Tarifeinheit ist mit der Koalitionsfreiheit<br />

in diesem Sinne nicht nur zu vereinbaren, sie<br />

ist sogar von ihr geboten. Auch mehrere Verfassungsrechtler<br />

haben mittlerweile bestätigt, dass<br />

eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit auf der<br />

Grundlage des geltenden Art. 9 Abs. 3 GG möglich<br />

ist und von der Einschätzungsprärogative<br />

des Gesetzgebers gestützt wird. Dies hat auch<br />

die Diskussion auf dem vom Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales (BMAS) am 7. September<br />

durchgeführten Symposium zur Tarifeinheit deutlich<br />

gemacht.<br />

Ob es sich bei der Tarifeinheit um eine Ausgestaltung<br />

oder einen Eingriff in die Tarifautonomie<br />

handelt, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben.<br />

Gute Gründe sprechen dafür, in der Tarifeinheit<br />

eine Ausgestaltung der Tarifautonomie zu sehen.<br />

Sowohl Ausgestaltung als auch Eingriff lassen<br />

sich vor dem Hintergrund einer Abwägung der<br />

unterschiedlichen aus Art. 9 Abs. 3 GG folgenden<br />

Rechte rechtfertigen.<br />

Der Vorschlag von BDA und DGB wird im<br />

Ergebnis dazu führen, dass Tarifverhandlungen<br />

und etwaige Arbeitskämpfe zeitlich synchronisiert<br />

werden und die Kooperation unterschiedlicher<br />

Tarifakteure zunehmen wird. In der Praxis wird es<br />

nur ganz selten zu Rechtsstreitigkeiten wegen der<br />

Repräsentativität kommen. Denkbar sind lediglich<br />

die beiden Fälle, dass der Arbeitnehmer einen<br />

Anspruch aus einem nicht repräsentativen Tarifvertrag<br />

einklagt oder dass der Arbeitgeber per einstweiliger<br />

Verfügung einen angedrohten Arbeitskampf<br />

einer Spartengewerkschaft stoppt.<br />

Mittlerweile liegen verschiedene Alternativkonzepte<br />

zur Neuregelung der Tarifeinheit vor.<br />

Alle Konzepte eint die Einschätzung, dass die<br />

Rechtsprechung des BAG die Tarifautonomie<br />

untergraben kann, weil sie deren Funktionsfähigkeit<br />

gefährdet. Es werden unterschiedliche<br />

Lösungsansätze vertreten. So hat etwa die Monopolkommission<br />

in ihrem XVIII. Hauptgutachten die<br />

Möglichkeit betont, Zwangstarifgemeinschaften<br />

vorzusehen. Diese Alternativkonzepte enthalten<br />

teils empfindlichere Eingriffe in die Tarifautonomie,<br />

teils sind sie nicht geeignet, nachhaltig Friedenswirkung<br />

und Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems<br />

zu garantieren. Sie stellen daher<br />

keine belastbare Alternative zu dem gemeinsamen<br />

Vorschlag von BDA und DGB dar.<br />

Auch der Vorschlag der Professorengruppe<br />

um Prof. Dr. Gregor Thüsing und Prof. Dr. Ulrich<br />

Preis stellt keine Alternative dar. Der Vorschlag<br />

regelt Tarifeinheit ausschließlich bezogen auf<br />

die jeweils betroffene Arbeitnehmergruppe. Maßgeblich<br />

soll also nach dem Mehrheitsprinzip die<br />

stärkere Organisation in der jeweiligen Arbeitnehmergruppe<br />

und nicht im gesamten Betrieb sein.<br />

Eine solche Regelung würde die Bildung weiterer<br />

Spartengewerkschaften noch fördern und die Zerfaserung<br />

der Tarifautonomie verstärken. Wenn auf<br />

die jeweilige Arbeitnehmergruppe abgestellt wird,<br />

würden sich immer kleinere Organisationseinheiten<br />

bilden, um ihre Individualinteressen durchzusetzen.<br />

Auch die Regelung im Vorschlag der Wissenschaftler<br />

zur tarifvertraglichen Friedenspflicht<br />

ist nicht zielführend. Die Friedenswirkung des<br />

Tarifvertragssystems wird nicht gesichert.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Tarifeinheit“<br />

Arbeitnehmerdatenschutz und<br />

Compliance in Einklang bringen<br />

Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und<br />

FDP darauf geeinigt, den Arbeitnehmerdatenschutz<br />

neu zu regeln. Die Neuregelung soll<br />

Rechtsklarheit schaffen und die Bekämpfung von<br />

Korruption und Kriminalität in den Unternehmen<br />

unterstützen. Dieses Ziel verfolgt auch der am<br />

25. August <strong>2010</strong> vom Bundeskabinett beschlossene<br />

Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht 57


Beschäftigtendatenschutzes. Dieser Entwurf,<br />

der an die Stelle des am 1. September 2009 in<br />

das Bundesdatenschutzgesetz eingefügten –<br />

höchst unklaren – § 32 treten soll, erfüllt dieses<br />

selbst gesetzte Ziel nicht. Er schafft nicht die notwendige<br />

Rechtssicherheit für Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer bei der Verwendung personenbezogener<br />

Daten im Arbeitsverhältnis und gewährleistet<br />

nicht die Erfüllung der Aufgabe, die die Unternehmen<br />

u. a. durch Gesetze übertragen erhalten<br />

haben, nämlich Korruption und Kriminalität zu<br />

bekämpfen (Compliance).<br />

Beschäftigtendatenschutz darf nicht Täterschutz sein<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA, 20. September <strong>2010</strong><br />

Das Präsidium der BDA begrüßt das Anliegen der Koalitionsparteien und der Bundesregierung, den<br />

Arbeitnehmerdatenschutz im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes klarzustellen und dabei rechtssichere<br />

Regelungen für Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung in den Unternehmen zu schaffen.<br />

Mit dem Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz vom 25. August hat die Bundesregierung einen<br />

Vorschlag für eine Regelung des Arbeitnehmerdatenschutzes vorgelegt. Dieser Entwurf bedarf jedoch<br />

erheblicher Korrekturen, um klare und rechtssichere Regelungen für den Datenschutz im Arbeitsverhältnis<br />

zu schaffen.<br />

Das Präsidium der BDA appelliert an Bundesrat und Bundestag, den vom Kabinett verabschiedeten<br />

Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz im parlamentarischen Verfahren praxistauglich zu machen.<br />

Arbeitgeber und Arbeitnehmer benötigen handhabbare Vorgaben zum Datenschutz.<br />

• Der Abschluss von Betriebsvereinbarungen zum Arbeitnehmerdatenschutz muss weiterhin eine<br />

Grundlage für die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung von Daten sein können, auch wenn in einer<br />

solchen Betriebsvereinbarung teilweise von gesetzlichen Vorgaben abgewichen wird. Betriebsnahe<br />

Lösungen sind wichtig, um die gesetzlichen Vorgaben in den Betrieben anzuwenden und mit Leben<br />

zu erfüllen. Dem Ziel eines praxisnahen Arbeitnehmerdatenschutzes genügen solche Regelungen<br />

vielfach besser und nachhaltiger als gesetzliche Regelungen.<br />

• Eine gesetzliche Regelung muss ebenfalls den Datenaustausch zwischen Konzernunternehmen sicherstellen.<br />

Bisher wird ein solcher auf die Konzernstruktur zugeschnittener Datenschutz nicht gewährleistet.<br />

Um hier Abhilfe zu schaffen, fordert das Präsidium der BDA eine rechtssichere Möglichkeit, um z. B.<br />

Beschäftigtendaten von Konzerntöchtern an die Konzernmütter weitergeben zu können.<br />

• Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein wichtiges Anliegen.<br />

Arbeitnehmerdatenschutz muss die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität unterstützen.<br />

Hierfür kann auch eine gezielte Videoüberwachung erforderlich sein, damit Unternehmen beweissicher<br />

einen konkreten Verdacht auf eine Straftat erhärten oder entkräften können.<br />

58<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


Nationale wie internationale Vorschriften<br />

verlangen von Unternehmen, dass sie die Einhaltung<br />

der von ihnen selbst aufgestellten Regelungen<br />

ebenso prüfen und kontrollieren wie die<br />

Einhaltung staatlicher Normen. Rechtsklare und<br />

eindeutige Regelungen sind erforderlich, die<br />

den Arbeitnehmerdatenschutz als Teil der unternehmensinternen<br />

Compliance sicherstellen und<br />

gleichzeitig diese Compliance unterstützen. Vor<br />

diesem Hintergrund setzt sich die BDA dafür ein,<br />

dass der Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz<br />

im Gesetzgebungsverfahren deutlich<br />

nachgebessert wird.<br />

Arbeitnehmerdatenschutz muss die Bekämpfung<br />

von Korruption und Kriminalität unterstützen.<br />

Der Gesetzentwurf bleibt jedoch in gefährlicher<br />

Weise unbestimmt, was die Verhinderung<br />

von Pflicht-, Vertrags- und Gesetzesverstößen<br />

angeht. So soll z. B. die nicht offene Datenerhebung<br />

nur zulässig sein, wenn Straftaten oder<br />

Pflichtverstöße vorliegen, die eine Kündigung aus<br />

wichtigem Grund ermöglichen würden. Eine solche<br />

Prognose entscheidung darf dem Arbeitgeber<br />

nicht aufgebürdet werden, er kann sie nicht rechtssicher<br />

treffen. Der Bundesrat will die Bekämpfung<br />

von Korruption und Kriminalität sogar noch weiter<br />

einschränken. Präventive Datenerfassungen sollen<br />

danach nahezu ausgeschlossen sein.<br />

Die Analyse von möglichem Fehlverhalten<br />

durch gezielte Abgleiche von Daten muss wie<br />

bisher möglich bleiben. Die Bekämpfung von Korruption<br />

und Kriminalität muss auch durch eine<br />

gezielte Videoüberwachung erfolgen können,<br />

wenn ein konkreter Verdacht auf eine bestimmte<br />

Straftat vorliegt. Das im Gesetzentwurf vorgesehene<br />

rigorose Verbot einer gezielten Videoüberwachung,<br />

z. B. in Laden- und Verkaufsräumen, ist<br />

nicht akzeptabel.<br />

Betriebsvereinbarungen müssen auch weiterhin<br />

eine praktikable Grundlage für die Erhebung,<br />

Nutzung und Verarbeitung von Daten<br />

sein können. Selbst eine gelungene gesetzliche<br />

Regelung bedarf vielfach der Ergänzung durch<br />

Betriebsvereinbarungen, damit betriebliche Notwendigkeiten<br />

und Gegebenheiten abgebildet werden<br />

können. Der Gesetzentwurf führt jedoch zur<br />

faktischen Abschaffung der Betriebsvereinbarung<br />

als ergänzenden Regelungsinstruments neben<br />

dem Gesetz. Die bisherige Praxis würde hierdurch<br />

faktisch zum Leerlauf gebracht werden. Die<br />

Betriebsvereinbarung als bewährtes Regelungsinstrument<br />

zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber<br />

darf durch die gesetzlichen Neuerungen nicht auf<br />

das Abstellgleis gestellt werden.<br />

Die Einwilligung des Arbeitnehmers in die<br />

Erhebung, Nutzung und Verarbeitung seiner Daten<br />

muss grundsätzlich möglich sein, solange sie im<br />

Einzelfall nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.<br />

Nach dem Gesetzentwurf soll hingegen die Einwilligungsmöglichkeit<br />

nur noch ausnahmsweise<br />

bestehen. Die Einwilligung ist insbesondere unersetzlich<br />

für die Datenverarbeitung, die auf freiwilligen<br />

Leistungen des Arbeitgebers beruht. Wollen<br />

Arbeitnehmer Leistungen von Sozialeinrichtungen<br />

des Arbeitgebers wie Kindergärten in Anspruch<br />

nehmen, ist es in ihrem Interesse, durch ihre Einwilligung<br />

personenbezogene Daten freizugeben.<br />

Der pauschale weitgehende Ausschluss der Einwilligungsmöglichkeit<br />

ist nicht begründet. Die Arbeitnehmer<br />

würden hierdurch faktisch entmündigt.<br />

Eine gesetzliche Neuregelung des Arbeitnehmerdatenschutzes<br />

muss den Datenaustausch<br />

zwischen Konzernunternehmen erleichtern. Eine<br />

Konzernklausel ist unverzichtbar, um bestehende<br />

Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und insbesondere<br />

bei einer konzerninternen Bündelung<br />

von Aufgaben die Voraussetzungen für eine<br />

Datenübermittlung zu schaffen. Solche Vorgaben<br />

fehlen bislang im Gesetzentwurf. Vor diesem Hintergrund<br />

ist z. B. wesentlich, eine rechtssichere<br />

Möglichkeit zu schaffen, Beschäftigtendaten von<br />

Konzerntöchtern an die Konzernmütter weiterzugeben.<br />

Die Klarstellung des geltenden Arbeitnehmerdatenschutzes<br />

im Bundesdatenschutzgesetz<br />

ist notwendig. Ein moderner Arbeitnehmerdatenschutz<br />

versteht sich als Teil der Unternehmenscompliance<br />

und sieht sich hierzu nicht im Widerspruch.<br />

Die BDA setzt sich im parlamentarischen<br />

Verfahren dafür ein, dass ein solcher Widerspruch<br />

nicht konstruiert wird und die Änderung des Arbeitnehmerdatenschutzrechts<br />

klare und rechtssichere<br />

Regeln für die Praxis zur Folge hat.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Arbeitnehmerdatenschutz“<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht 59


Anonymisierte Bewerbungen<br />

blockieren ausgewogene<br />

Personalpolitik<br />

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS)<br />

startete im Herbst <strong>2010</strong> unter Beteiligung von fünf<br />

Unternehmen ein Pilotprojekt, um die Praktikabilität<br />

und den Nutzen anonymisierter Bewerbungen<br />

– ohne Foto, Name oder Angaben über Alter,<br />

Geschlecht, Herkunft und Familienstand – zu<br />

testen.<br />

Die ADS will Arbeitnehmern den Zugang<br />

zum Arbeitsmarkt erleichtern. Tatsächlich werden<br />

aber durch solche anonymisierten Bewerbungen<br />

neben dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz<br />

(AGG) neue Einstellungshürden geschaffen.<br />

Sie wirken der Förderung der Vielfalt entgegen,<br />

verlängern die Bewerbungsverfahren und führen<br />

zu deutlich höheren Kosten.<br />

Die BDA lehnt daher das Vorhaben der ADS<br />

ab, anonymisierte Bewerbungen langfristig zum<br />

Standard in der Praxis zu machen. Vielfalt in der<br />

Beschäftigung ist den Arbeitgebern in Deutschland<br />

ein wichtiges Anliegen. Dies zeigt z. B. die<br />

von der Wirtschaft bereits 2006 ins Leben gerufene<br />

„Charta der Vielfalt“. Die Arbeitgeber sind im<br />

weltweiten Wettbewerb um Talente und in Zeiten<br />

wachsenden Fachkräftemangels auf die Potenziale<br />

und Talente aller Mitarbeiter angewiesen.<br />

Unternehmen können und wollen es sich nicht<br />

leisten, geeignete Bewerber nach unsachlichen<br />

Kriterien abzulehnen. Entscheidendes Kriterium<br />

bei der Auswahl geeigneter Bewerber ist und<br />

bleibt deren Qualifikation.<br />

Um der Forderung nach Anonymität zu entsprechen,<br />

müssten Bewerbungen unsinnigerweise<br />

notfalls auch kostenpflichtig von einem Dienstleister<br />

geschwärzt oder getrennt werden, um<br />

dann zum Vorstellungsgespräch doch wieder vollständig<br />

zusammengefügt zu werden. Das ist das<br />

Gegenteil des von der Bundesregierung versprochenen<br />

Bürokratieabbaus. Die Besetzung neuer<br />

Stellen und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze<br />

werden durch diesen bürokratischen Aufwand<br />

weiter verteuert.<br />

Die BDA wird sich dafür einsetzen, dass<br />

Unternehmen nicht über das AGG hinaus administrativ<br />

belastet werden, sondern endlich dem<br />

Versprechen der Entbürokratisierung Taten folgen.<br />

Jedem Unternehmen sollte die Möglichkeit<br />

belassen werden, den Prozess der Personalauswahl<br />

eigenverantwortlich und individuell zu gestalten.<br />

Es wäre ein Schaden für die Unternehmenskultur,<br />

wenn politischer Druck zur Diskriminierung<br />

von Unternehmen führt, die sich für die Beibehaltung<br />

des klassischen Bewerbungsverfahrens entscheiden.<br />

Anspruch auf Familienpflegezeit<br />

führt zu neuen Belastungen<br />

Unter dem Eindruck der demografischen Entwicklung<br />

und der steigenden Zahl pflegebedürftiger<br />

Menschen schlägt Bundesministerin Dr. Kristina<br />

Schröder für das Jahr 2011 die Einführung<br />

eines Rechtsanspruchs auf eine zweijährige Familienpflegezeit<br />

vor.<br />

Der bisher vorliegende Entwurf sieht vor,<br />

dass der Beschäftigte, der seinen Angehörigen<br />

pflegt, 50 % arbeiten und während dieser Zeit<br />

75 % seines bisherigen Gehalts bekommen soll.<br />

Nach Beendigung der Pflegephase arbeitet der<br />

Beschäftigte wieder 100 %, erhält jedoch nur<br />

75 % seines Gehaltes, bis das zusätzlich gezahlte<br />

Gehalt zurückgeflossen ist. Die Finanzierung<br />

soll über Arbeitszeitkonten erfolgen. Demzufolge<br />

soll der Arbeitnehmer für den 25%igen Lohnvorschuss<br />

das von ihm angesparte Guthaben einsetzen.<br />

Reicht dieses nicht aus, soll der Arbeitgeber<br />

einen Lohnvorschuss gewähren. Um eine Belastung<br />

des Arbeitgebers durch die Entgeltaufstockung<br />

auszuschließen, ist vorgesehen, dass dieser<br />

einen Anspruch auf die Gewährleistung eines<br />

zinslosen Darlehens durch das Bundesamt für<br />

Zivildienst geltend machen kann.<br />

Die Umsetzung des Entwurfs der Bundesministerin<br />

würde große betriebsorganisatorische<br />

Probleme mit sich bringen. Arbeitgeber würden<br />

mit neuer Bürokratie belastet und der Kündigungsschutz<br />

würde im Umweg über die Pflegezeit<br />

weiter ausgedehnt werden. Auch aus personalwirtschaftlicher<br />

Sicht ist der Entwurf nicht praxistauglich.<br />

Er blendet die Probleme und Folgen der<br />

60<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


Neue Bürokratie durch anonymisierte Bewerbungen verhindern<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA, 20. September <strong>2010</strong><br />

Das Präsidium der BDA bekennt sich ausdrücklich zu diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahren.<br />

Vielfalt in der Beschäftigung ist den Arbeitgebern in Deutschland ein wichtiges Anliegen. Der Vorschlag<br />

der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, anonymisierte Bewerbungen einzuführen, ist unnötig und<br />

kontraproduktiv. Die Arbeitgeber sind – noch verstärkt aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels –<br />

auf die Potenziale und Talente aller Mitarbeiter angewiesen. Schon aus demografischen Gründen wollen<br />

und können es sich Unternehmen nicht leisten, geeignete Bewerber nach unsachlichen Kriterien<br />

auszusortieren. Entscheidendes Kriterium bei der Auswahl geeigneter Bewerber ist und bleibt deren<br />

Qualifikation.<br />

Bewerbungen, bei denen sämtliche Angaben geschwärzt sind, aus denen man z. B. auf Alter, Geschlecht<br />

oder Herkunft schließen kann, sind für Personalverantwortliche unbrauchbar. Mit der Anonymisierung<br />

von Bewerbungsunterlagen geht allenfalls ein erhöhter bürokratischer Aufwand und somit ein verteuerter<br />

sowie verlängerter Bewerbungsprozess einher. Anonymisierte Bewerbungen behindern zudem existierende<br />

Maßnahmen zur Erhöhung der Vielfalt in den Belegschaften (Diversity Management). Unternehmen<br />

können ihren Bewerbungsprozess dann nicht mehr gezielt von Beginn an nach ausgewählten<br />

Kriterien steuern. Es muss auch künftig möglich bleiben, gemischte Teams mit unterschiedlichen Qualifikationen<br />

schnell und passgenau zusammenzustellen.<br />

Bisherige Erfahrungen mit anonymisierten Bewerbungen im Ausland zeigen, dass die erhofften positiven<br />

Effekte nicht belegbar sind. Spätestens das Bewerbungsgespräch führt zur Aufhebung der Anonymisierung.<br />

Sicher sind nur der bürokratische Mehraufwand und die höheren Kosten im Bewerbungsprozess.<br />

Das Präsidium der BDA fordert,<br />

• die Unternehmen nicht über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hinaus noch weiter administrativ<br />

zu belasten, sondern endlich dem Versprechen der Entbürokratisierung Taten folgen zu lassen;<br />

• die Besetzung neuer Stellen und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht durch weiteren bürokratischen<br />

Aufwand zu verteuern;<br />

• jedem Unternehmen die Möglichkeit zu belassen, den Prozess der Personalauswahl eigenverantwortlich<br />

und individuell zu gestalten. Es wäre ein Schaden für die Unternehmenskultur, wenn politischer<br />

Druck zur Diskriminierung von Unternehmen führt, die sich für die Beibehaltung des klassischen<br />

Bewerbungsverfahrens entscheiden. Als genereller – auch untergesetzlicher – Standard sind<br />

anonymisierte Bewerbungen kontraproduktiv.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht 61


etrieblichen Organisation der Pflegezeit aus. Vor<br />

allem die Besetzung des frei werdenden Arbeitszeitvolumens<br />

kann die Betriebe schnell überfordern.<br />

Neue Mitarbeiter müssten innerhalb kürzester<br />

Zeit eingestellt und eingearbeitet werden. Bei<br />

der vorgesehenen Ankündigungsfrist von nur zwei<br />

Monaten entfällt der Transfer von Erfahrungswissen<br />

oder wird erheblich erschwert.<br />

Darüber hinaus birgt der vorgesehene Sonderkündigungsschutz<br />

die Gefahr des Missbrauchs.<br />

Arbeitnehmer können sich über die Geltendmachung<br />

der Familienpflegezeit einen Sonderkündigungsschutz<br />

von zwei Jahren verschaffen,<br />

während der Arbeitslohn um 25 Prozentpunkte<br />

aufgestockt wird. Soweit der Arbeitnehmer nicht<br />

über ein positives Arbeitszeitguthaben verfügt, soll<br />

der Lohnvorschuss in der sog. Nachpflegephase<br />

durch Nacharbeit wieder ausgeglichen werden.<br />

Der Arbeitgeber kann sich von einem die Familienpflegezeit<br />

in Anspruch nehmenden Arbeitnehmer<br />

praktisch so lange nicht trennen, wie der<br />

Arbeitnehmer seine Zeitschulden nicht abgeleistet<br />

hat. Denn im Fall einer nicht verhaltensbedingten<br />

Kündigung entfällt der Ausgleichsanspruch des<br />

Arbeitgebers. Wird also das Arbeitsverhältnis<br />

betriebs- oder personenbedingt gekündigt, würde<br />

dies faktisch zu einem besonderen Kündigungsschutz<br />

führen.<br />

Für die deutsche Wirtschaft ist die Vereinbarkeit<br />

von Pflege und Beruf ein Thema von großer<br />

Bedeutung. Viele Unternehmen bemühen sich,<br />

Fachkräfte mit Pflegeverantwortung durch passgenaue<br />

und individuell ausgehandelte Regelungen<br />

zu unterstützen und ihnen bei der Pflege zu<br />

helfen. Probleme können nicht über die Einführung<br />

eines Rechtsanspruchs auf Familienpflegezeit<br />

gelöst werden. Schon heute bestehen in Tarifverträgen<br />

hierzu individuelle Möglichkeiten. Auch<br />

über den allgemeinen Teilzeitanspruch und den<br />

Pflegezeitanspruch nach dem Pflegezeitgesetz<br />

bestehen bereits Instrumente, um das durch den<br />

Entwurf angestrebte Ziel der Vereinbarkeit von<br />

Pflege und Beruf zu erreichen. Mit einer Novelle<br />

des SGB IV ist mit Wirkung zum 1. Januar 2009<br />

die Verbindung von langfristigen Arbeitszeitkonten<br />

und Pflege gesetzlich geregelt worden.<br />

Ergebnisse des 68. Deutschen<br />

Juristentags enttäuschend und<br />

gefährlich für Beschäftigung<br />

Das Ausland schaut anerkennend auf das deutsche<br />

Jobwunder und das Weltwirtschaftsforum<br />

hat Deutschland zum wettbewerbsfähigsten Land<br />

in der Eurozone gekürt. Zurückgeführt wird dies<br />

auch auf eine gestiegene Flexibilität des Arbeitsmarkts<br />

und auf Beschäftigungsformen wie befristete<br />

Arbeitsverhältnisse und Zeitarbeit. Diese<br />

haben die Beschäftigung in der Wirtschaftskrise<br />

stabilisiert und im Anschluss den Aufbau von<br />

Beschäftigung ermöglicht. Die Beschlüsse des<br />

68. Deutschen Juristentags gehen an dieser Realität<br />

vorbei. Im eklatanten Widerspruch zu früheren<br />

Beschlüssen forderte die Mehrheit eine gesetzliche<br />

Beschränkung moderner Beschäftigungsformen.<br />

Notwendige Anpassungen der Rechtslage<br />

an die Arbeitsmarktsituation und die Erhöhung<br />

der Beschäftigungschancen von Arbeitslosen<br />

und Berufseinsteigern wurden durch die große<br />

Zahl von abstimmenden Gewerkschaftssekretären<br />

abgelehnt. In nicht nachvollziehbarer Weise hat<br />

sich der DGB mit seinen Vertretern z. B. auch für<br />

die faktische Abschaffung seiner eigenen Tarifverträge<br />

in der Zeitarbeit im Hinblick auf gesetzliche<br />

Öffnungsklauseln starkgemacht. Zudem wurde<br />

für einen generellen Mindestlohn gestimmt. Hier<br />

konnte allerdings ein Bekenntnis zur Tarifautonomie<br />

in den Beschlüssen fixiert werden.<br />

Der Deutsche Juristentag ist das zentrale<br />

rechtspolitische Forum für einen offenen Meinungsaustausch<br />

und eine offene Diskussion. Seine<br />

Bedeutung schwindet allerdings aufgrund der<br />

Instrumentalisierung durch den DGB zusehends.<br />

Die BDA wird weiterhin versuchen, dieser Instrumentalisierung<br />

entgegenzuwirken. Dies ist im<br />

Interesse der Unternehmen, vor allem aber auch<br />

im Interesse der Beschäftigungssicherung und<br />

der Schaffung neuer Beschäftigung. Sollte dieses<br />

nicht gelingen, muss über das weitere Engagement<br />

im Deutschen Juristentag neu nachgedacht<br />

werden.<br />

62<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


Die Arbeitgeberverbands-Police der Funk Gruppe<br />

Die Funk Gruppe hat gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände für die über die BDA<br />

organisierten Verbände die Arbeitgeberverbands-Police entwickelt, die die wesentlichen Risiken eines Verbandes<br />

abdeckt.<br />

Ein ganz erheblicher Vorteil für Sie: Das Bedingungswerk geht deutlich über die am Markt erhältlichen Policen hinaus<br />

und schützt sowohl den Verband als auch die geschäftsführenden Organe umfangreich gegen die Kernrisiken. Somit sichern<br />

Sie den Verband mit nur einer Police vor den elementaren operativen und organschaftlichen Risiken ab.<br />

Der Versicherungsschutz umfasst die folgenden Sparten:<br />

- Vermögensschaden-Haftpflicht (für den Verband)<br />

- D & O-Haftpflicht (Vermögensschaden-Haftpflicht für die Organe)<br />

- Vermögensschaden-Rechtsschutz (ergänzende Rechtsschutz-Funktion für die Organe)<br />

- Straf-Rechtsschutz<br />

Die Inhalte der einzelnen Versicherungen sind aufgrund eines durchgeschriebenen Bedingungswerks optimal aufeinander<br />

abgestimmt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Policen, die insbesondere im D & O-Bereich oft eine Flut von Informationen<br />

vom Versicherungsnehmer verlangen, wird die Prämie zur BDA-Police anhand weniger Merkmale kalkuliert. Maßgeblich ist<br />

die Anzahl der tätigen Geschäftsführer, Referenten und Assistenten und ob noch weitere Verbände und/oder GmbHs mit<br />

berücksichtigt werden müssen (der Einschluss ist unter bestimmten Voraussetzungen ohne Weiteres möglich).<br />

Von besonderer Bedeutung ist, dass der gesamte Vorstand, das Präsidium sowie die Ehrenämter automatisch vom Versicherungsschutz<br />

umfasst sind; und zwar unabhängig davon, wie viele Personen den Gremien angehören. Sofern der mitversicherte<br />

Personenkreis im Interesse des Verbands Aufgaben in profit- oder non-profit-Organisationen wahrnimmt, sind<br />

diese ebenfalls im Rahmen des D & O-Bausteins vom Versicherungsschutz erfasst (bei profit-Organisationen nur, sofern<br />

ausschließlich Kontrollfunktionen ausgeübt werden).<br />

Durch die Bündelung verschiedener Risiken in nur einer Police reduzieren Sie nicht nur spürbar Ihren administrativen Aufwand,<br />

der üblicherweise bei der Risikoerfassung und -fortschreibung anfällt. Sie genießen gleichzeitig auch einen sehr<br />

spezifischen Versicherungsschutz zu einem außergewöhnlichen Preis-/Leistungsverhältnis.<br />

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Gern stehen wir Ihnen auch in einem persönlichen Gespräch zur Verfügung.<br />

Bitte sprechen Sie uns an:<br />

Christian Mattheus<br />

fon +49 30 250092-724 | fax +49 30 250092-711<br />

E-Mail: c.mattheus@funk-gruppe.de


Befristungsrecht modernisieren –<br />

Beschäftigung unterstützen<br />

Befristete Arbeitsverhältnisse sind ein unverzichtbarer<br />

Jobmotor des deutschen Arbeitsmarkts. Sie<br />

bieten Arbeitsuchenden einen erfolgversprechenden<br />

Weg für einen Erst- oder Wiedereinstieg in<br />

Arbeit, insbesondere nach Arbeitslosigkeit. Die<br />

Regelungen über die Befristung von Arbeitsverhältnissen<br />

haben daher ganz wesentlich das<br />

Ziel, Beschäftigung zu fördern und Arbeitslosigkeit<br />

abzubauen. Eine Erhebung des Instituts der<br />

deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat ergeben, dass<br />

derzeit jedes zweite befristete Arbeitsverhältnis in<br />

ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt<br />

wird. Um das gesamte Potenzial von Befristungen<br />

zu erschließen, müssen sie unbürokratisch und<br />

rechtssicher ausgestaltet werden.<br />

• Dazu gehört es in erster Linie, das sog.<br />

Ersteinstellungserfordernis abzuschaffen. Es<br />

wirkt wie ein Beschäftigungsverbot. Dies<br />

wird auch im Koalitionsvertrag deutlich, in<br />

dem die Koalitionspartner erklärt haben,<br />

dass das Ersteinstellungsgebot Anschlussbeschäftigungsverhältnisse<br />

erschwert. Wie<br />

im Beschäftigungsförderungsgesetz sollte<br />

an dessen Stelle eine Karenzzeit eingeführt<br />

werden, die den Vorgaben der Befristungsrichtlinie<br />

auf europäischer Ebene entspricht.<br />

Danach wäre eine Dauer von drei Monaten<br />

ausreichend. Davon würden vor allem junge<br />

arbeitsuchende Menschen profitieren, die<br />

sich bereits in der Vergangenheit im Rahmen<br />

von befristeten Arbeitsverhältnissen engagiert<br />

gezeigt und Berufserfahrung gesammelt<br />

haben. Der Koalitionsvertrag spricht dabei<br />

von einer Zeitspanne von zwölf Monaten.<br />

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.<br />

• Die erleichterte Befristung muss ebenfalls zu<br />

einem effektiven Instrument weiterentwickelt<br />

werden, Arbeitslosigkeit zu beenden und den<br />

Eintritt von Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Ihr<br />

Potenzial bleibt heute noch vielfach ungenutzt.<br />

Denn diese Beschäftigungsmöglichkeit<br />

setzt voraus, dass der Arbeitsuchende vorher<br />

mindestens vier Monate beschäftigungslos<br />

gewesen ist und das 52. Lebensjahr vollendet<br />

hat. Das ist kontraproduktiv. Das Ziel muss<br />

sein, Arbeitslosigkeit (den häufigsten Fall<br />

der Beschäftigungslosigkeit) zu verhindern.<br />

Neben dem Eintritt von Arbeitslosigkeit sollte<br />

daher auf die Vermeidung von „drohender“<br />

Arbeitslosigkeit abgestellt werden. So lässt<br />

sich schon der Eintritt von Arbeitslosigkeit<br />

verhindern. Dabei sollte auch das Alter des<br />

Arbeitsuchenden keine Rolle mehr spielen.<br />

• Nach der Rechtsprechung des BAG dürfen<br />

zum Zeitpunkt der Verlängerung eines befristeten<br />

Arbeitsverhältnisses keinerlei sonstige<br />

Veränderungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen<br />

werden – wie z. B. eine Gehaltserhöhung.<br />

Schon durch geringe gesetzliche<br />

Änderungen kann hier eine sinnvolle und praxisgerechte<br />

Regelung getroffen werden, die<br />

weniger bürokratisch ist und den Bedürfnissen<br />

beider Arbeitsvertragsparteien entspricht.<br />

• Gleichermaßen muss eine Heilungsmöglichkeit<br />

bei fehlender Schriftform der Befristungsabrede<br />

eingeführt werden. Die Befristungsabrede<br />

muss auch nach Arbeitsaufnahme noch<br />

schriftlich niedergelegt werden können.<br />

Eine solche Reform des Befristungsrechts<br />

macht eine umfassende Modernisierung des Kündigungsschutzrechts<br />

in Deutschland nicht obsolet.<br />

Das geltende Kündigungsschutzrecht ist eine<br />

Beschäftigungsbremse. Gerade kleinere und mittlere<br />

Unternehmen können die vom Kündigungsschutzrecht<br />

ausgehende Rechtsunsicherheit und<br />

Rechtsunklarheit ohne Beratung nicht meistern.<br />

Daher unterbleiben mögliche Neueinstellungen.<br />

Die Einführung einer Abfindungsoption für<br />

neu begründete Arbeitsverhältnisse, bei der die<br />

vertragliche Vereinbarung einer Abfindung an die<br />

Stelle des geltenden Kündigungsschutzrechts<br />

tritt, ist daher notwendig. Sie schafft Rechtssicherheit<br />

und Rechtsklarheit und lockert so die<br />

Beschäftigungsbremse Kündigungsschutz. Eine<br />

solche Abfindungsoption für Neueinstellungen<br />

ändert an der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes<br />

für bestehende Arbeitsverhältnisse nichts.<br />

Sie schafft aber die notwendige Basis für die<br />

Begründung neuer Arbeitsverhältnisse.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Befristungen“<br />

64<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


Flexible Erwerbsformen schaffen zusätzliche Arbeitsplätze<br />

1998<br />

20.252<br />

5.450<br />

2.536 1.789<br />

34.339<br />

1999<br />

20.156<br />

5.832<br />

2.842 1.786<br />

34.812<br />

2000<br />

20.212<br />

5.990<br />

2.744 1.842<br />

34.980<br />

2001<br />

20.126<br />

6.255<br />

2.740 1.821<br />

35.249<br />

2002<br />

19.845<br />

6.386<br />

2.543 1.858<br />

34.971<br />

2003<br />

19.009<br />

6.625<br />

2.603 1.960<br />

34.641<br />

2004<br />

18.700<br />

6.675<br />

2.478 2.076<br />

34.076<br />

2005<br />

18.380<br />

7.207<br />

3.075 2.291<br />

34.971<br />

2006<br />

18.792<br />

7.857<br />

3.389 2.317<br />

35.885<br />

2007<br />

19.185<br />

8.018<br />

3.291 2.323<br />

36.463<br />

2008<br />

19.595<br />

8.084<br />

3.465 2.306<br />

37.083<br />

0 4.000 8.000 12.000 16.000 20.000 24.000 28.000 32.000 36.000 40.000 Erwerbstätige in Tsd.<br />

„normales“ Arbeitsverhältnis<br />

Teilzeit<br />

befristete Tätigkeit<br />

Selbstständigkeit (ohne Beschäftigte)<br />

insgesamt<br />

„Normales“ Arbeitsverhältnis: unbefristete Tätigkeit mit mehr als 35 Stunden pro Woche<br />

Insgesamt: einschließlich Sonstiger; ohne Auszubildende<br />

Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2009; Statistisches Bundesamt (Ursprungsdaten)<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht 65


Kein Freibrief für vermeintliche<br />

Bagatellen im Arbeitsverhältnis<br />

Im vergangenen Jahr wurden in der öffentlichen<br />

Diskussion immer wieder Fälle dramatisiert, in<br />

denen Arbeitnehmern wegen vermeintlicher Bagatellstraftaten<br />

zu Lasten des Arbeitgebers fristlos<br />

gekündigt wurde. Anlass der öffentlichen Diskussion<br />

war der sog. Fall „Emmely“, über den das BAG<br />

zu entscheiden hatte (Urteil vom 10. Juni <strong>2010</strong>,<br />

2 AZR 541/09). Eine Supermarktkette hatte einer<br />

Kassiererin nach über 30-jährigem Bestehen des<br />

Arbeitsverhältnisses gekündigt, weil sie Pfandbons<br />

im Wert von 1,30 € unterschlagen hatte.<br />

Das BAG hat die fristlose Kündigung zwar für<br />

unwirksam erklärt. Es hat jedoch betont, dass die<br />

Tat der Klägerin an sich einen Kündigungsgrund<br />

darstellt. Zudem hat es klargestellt, dass auch<br />

Pflichtwidrigkeiten, die nur zu einem geringen<br />

oder sogar gar keinem Schaden führen, einen<br />

wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen<br />

können, der zur fristlosen Kündigung berechtigt.<br />

Es hat ferner klargestellt, dass die Kündigung<br />

wegen des dringenden Verdachts eines pflichtwidrigen<br />

Verhaltens neben der Kündigung wegen<br />

einer erwiesenen Tat weiterhin möglich ist.<br />

Beachtenswert sind auch die Ausführungen<br />

des BAG zur Videoüberwachung. Das BAG<br />

Vermeintliche Bagatellen führen zu erheblichem Schaden<br />

Erhebung zeigt: eigene Mitarbeiter für ein Viertel der Inventurdifferenzen verantwortlich, in %<br />

8,2<br />

20,4<br />

52,7<br />

18,7<br />

Mitarbeiter<br />

Lieferanten/Servicekräfte<br />

Kunden<br />

Organisation<br />

Quelle: EHI Retail Institute, <strong>2010</strong><br />

66<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


etont in seinem Urteil die besondere Bedeutung<br />

des Vertrauens des Arbeitgebers in die Redlichkeit<br />

des Arbeitnehmers als Grundlage des Arbeitsverhältnisses.<br />

Die praktizierte Videoüberwachung<br />

bedeute keine Einschränkung des Vertrauens des<br />

Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers.<br />

Jeder Arbeitnehmer habe sich ohnehin so<br />

zu verhalten, dass es um seinetwillen keiner Kontrolle<br />

bedürfe.<br />

Das BAG trägt den Besonderheiten des<br />

Einzelhandels Rechnung. Es weist auf die in der<br />

Summe hohen Einbußen durch eine Vielzahl von<br />

geringfügigen Schädigungen hin. Es macht klar,<br />

dass hier eine Arbeitnehmerin, die gerade als<br />

Kassiererin für die Sicherung und Verbuchung<br />

von Einnahmen zuständig ist, einen erheblichen<br />

Vertragsverstoß begeht, wenn sie eine Pflicht zum<br />

Schutz des Eigentums und des Vermögens des<br />

Arbeitgebers verletzt.<br />

Das BAG ist mit Recht davon ausgegangen,<br />

dass Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers<br />

auch bei geringwertigen Vermögensgegenständen<br />

an sich einen Kündigungsgrund darstellen.<br />

Dies entspricht auch ständiger Rechtsprechung<br />

des BAG. Insofern ist es auch konsequent, in<br />

der Folge eine Interessenabwägung im Einzelfall<br />

vorzunehmen. Dabei können die Interessen<br />

von Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinreichend<br />

berücksichtigt werden.<br />

Einzelne Elemente der Begründung erwecken<br />

den Eindruck, dass es für die Frage des Vertrauens<br />

auf eine objektivierte Betrachtungsweise<br />

ankommt. Damit lässt das BAG jedoch unberücksichtigt,<br />

dass der Begriff des Vertrauens in erster<br />

Linie ein subjektives Moment enthält. Der Arbeitgeber<br />

entscheidet, ob er noch Vertrauen in die<br />

Redlichkeit eines Arbeitnehmers hat oder nicht.<br />

Die von der Entscheidung ausgehenden<br />

Fehlentwicklungen werden bereits jetzt deutlich.<br />

So hat das Landesarbeitsgericht Berlin-<br />

Brandenburg (Urteil vom 16. September <strong>2010</strong>,<br />

2 Sa 509/10) einen Betrug mit einem Schaden in<br />

Höhe von 160 € nicht für eine außerordentliche<br />

Kündigung ausreichen lassen.<br />

Parallel zur Entscheidung im Fall „Emmely“<br />

brachten die SPD, DIE LINKE und Bündnis 90 /<br />

Die Grünen Vorschläge zur Erweiterung des<br />

Kündigungsschutzes bei sog. Bagatelldelikten<br />

in den Bundestag ein (BT-Drs. 17/648, 17/649,<br />

17/1986). Im Ergebnis laufen die Vorschläge auf<br />

die Einführung eines Abmahnungserfordernisses<br />

hinaus, wenn ein Eigentums- oder Vermögensdelikt<br />

zu Lasten des Arbeitgebers begangen wurde<br />

und der wirtschaftliche Schaden nicht ins Gewicht<br />

fällt (SPD), geringfügig ist (Bündnis 90/Die Grünen)<br />

oder sich auf geringwertige Gegenstände<br />

bezieht (DIE LINKE).<br />

Die BDA hat im Rahmen der Anhörung<br />

vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des<br />

Deutschen Bundestags deutlich gemacht, dass<br />

die beschriebenen gesetzlichen Regelungen<br />

nicht erforderlich sind. Das Urteil des BAG vom<br />

10. Juni <strong>2010</strong> macht klar, dass jegliche Ansätze<br />

zur gesetzlichen Regelung der sog. Bagatellkündigungen<br />

überflüssig sind. Die Einführung eines<br />

generellen Abmahnungserfordernisses würde<br />

einen Freibrief für sog. Bagatelldelikte zu Lasten<br />

des Arbeitgebers bedeuten.<br />

Die BDA wird in der öffentlichen Diskussion<br />

weiter klarstellen, dass Eigentums- und Vermögensdelikte<br />

im Arbeitsverhältnis keine Bagatellen<br />

sind. Es darf keinen Freibrief für sog. Bagatelldelikte<br />

geben.<br />

Vertrauensschutz auf europäischer<br />

Ebene sichern<br />

Am 6. Juli <strong>2010</strong> hat das BVerfG in der Sache<br />

„Honeywell“ entschieden, dass die sog. Mangold-<br />

Folgeentscheidung des BAG im Ergebnis nicht zu<br />

beanstanden ist. Die Entscheidung verstärkt die<br />

durch mehrere Entscheidungen von EuGH und<br />

Arbeitsgerichten hervorgerufene Rechtsunsicherheit.<br />

Der EuGH hatte in seinem Urteil vom<br />

22. November 2005 in der Rechtssache „Mangold“<br />

(C-141/04) festgestellt, dass ein aus den<br />

Verfassungstraditionen hergeleiteter allgemeiner<br />

Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung<br />

sowie insbesondere Art. 6 Abs. 1 der<br />

Richtlinie 2000/ 78/ EG einer nationalen Regelung<br />

wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG zur erleichterten<br />

Befristungsmöglichkeit für Arbeitnehmer ab dem<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht 67


52. Lebensjahr entgegenstehen. Das nationale<br />

Gericht müsse jede entgegenstehende Bestimmung<br />

des nationalen Rechts unangewendet lassen,<br />

auch wenn die Frist für die Umsetzung der<br />

Richtlinie noch nicht abgelaufen sei.<br />

Das BAG hatte diese Rechtsprechung in seiner<br />

Umsetzungsentscheidung vom 26. April 2006<br />

(7 AZR 500/04) bestätigt und es ferner abgelehnt,<br />

§ 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus Gründen<br />

des gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen<br />

Vertrauensschutzes auf eine vor dem 22. November<br />

2005 getroffene Befristungsabrede anzuwenden.<br />

Gegen dieses BAG-Urteil reichte der<br />

unterlegene Arbeitgeber Verfassungsbeschwerde<br />

ein, da der EuGH mit seiner Entscheidung seine<br />

Kompetenz überschritten und das BAG den verfassungsrechtlich<br />

gebotenen Vertrauensschutz<br />

nicht geachtet habe.<br />

Das BVerfG erkennt die Begründung des<br />

EuGH als falsch, sieht hierin aber keinen hinreichend<br />

qualifizierten Rechtsverstoß durch den<br />

EuGH. Der EuGH dürfe Rechtsfortbildung betreiben,<br />

solange diese nicht deutlich erkennbare,<br />

möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut<br />

dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändere<br />

oder ohne ausreichende Rückbindung an<br />

gesetzliche Aussagen neue Regelungen schaffe.<br />

Der EuGH habe aber auch einen Anspruch auf<br />

Fehlertoleranz. Es sei nicht Aufgabe des BVerfG,<br />

bei Auslegungsfragen des Unionsrechts seine<br />

Auslegung an die Stelle derjenigen des EuGH<br />

zu setzen. Im Hinblick auf die Versagung von<br />

Vertrauensschutz beanstandete das BVerfG das<br />

Urteil des BAG nicht.<br />

Durch die Entscheidung des BVerfG entsteht<br />

insbesondere für das deutsche Zivilrecht und<br />

damit auch für das Arbeitsrecht große Unsicherheit,<br />

wenn einschlägige Vorschriften entweder<br />

zur Umsetzung von Richtlinien dienen oder die<br />

Gefahr besteht, dass von interessierter Seite ein<br />

Konflikt z. B. mit der kürzlich in Kraft getretenen<br />

Grundrechtecharta der EU konstruiert wird.<br />

Der Beschluss des BVerfG ist insbesondere<br />

deshalb enttäuschend, weil er zum einen zu<br />

untragbarer Rechtsunsicherheit für den Rechtsanwender<br />

führt und zum anderen die in seiner<br />

Lissabon-Entscheidung vom 30. Juni 2009<br />

aufgestellten Kriterien zur Feststellung der Kompetenzüberschreitung<br />

des EuGH einschränkt.<br />

Denn die dort vom BVerfG betonte Gefahr mangelnder<br />

Legitimation europäischer Entscheidungen<br />

äußert sich besonders in der Rechtssache<br />

„Mangold“, indem der EuGH sein Urteil auf einen<br />

nicht existierenden allgemeinen Rechtsgrundsatz<br />

stützt.<br />

Es ist zu befürchten, dass Richter gesetzliche<br />

Regelungen mit dem Argument unangewendet<br />

lassen, dass diese gegen – geschriebenes<br />

oder ungeschriebenes – europäisches Primärrecht<br />

verstoßen. Durch das Inkrafttreten der<br />

Grundrechtecharta kann sich diese Gefahr noch<br />

potenzieren. Zwar sollen aus der Grundrechtecharta<br />

keinerlei neuen Rechte hergeleitet werden.<br />

Dies vermeidet aber, wie auch schon die Kücükdeveci-Entscheidung<br />

gezeigt hat, offenbar nicht<br />

die Herleitung zumindest negatorischer Ansprüche<br />

aus der Charta.<br />

Die Mangold- und die Kücükdeveci-Entscheidung<br />

des EuGH sowie die Bestätigung der<br />

Mangold-Folgeentscheidung des BAG durch die<br />

Entscheidung des BVerfG machen den Handlungsbedarf<br />

auf europäischer Ebene deutlich.<br />

Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV)<br />

sollte so angepasst werden, dass zumindest beim<br />

Rechtsstreit zwischen Privaten der EuGH die<br />

Obliegenheit hat, für Vertrauensschutz zu sorgen.<br />

Die zeitliche Wirkung eines Unanwendbarkeitsausspruchs<br />

muss begrenzt werden. Rechtsprechung<br />

und Gesetzgebung müssen daher klarstellen,<br />

dass der Rechtsanwender auf geltende<br />

Gesetze vertrauen kann. Urteile des EuGH zu der<br />

Wirksamkeit eines Gesetzes sollten daher im Verhältnis<br />

zwischen Privaten nur für die Zukunft Wirkung<br />

entfalten. Erst innerhalb dieser Zeit kann der<br />

Mitgliedstaat die angegriffene Norm anpassen.<br />

Rechtsprechung im Urlaubsrecht<br />

wirft immer neue Fragen auf<br />

Ein Beispiel für die Gefährdung zentraler Rechtsgrundsätze<br />

durch den EuGH ist dessen Entscheidung<br />

vom 20. Januar 2009 im Fall „Schultz-<br />

Hoff/Stringer“ (EuGH, verbundene Rechtssache<br />

C-250/06 bzw. C-520/06). Der EuGH hat damit<br />

auch das deutsche Urlaubsrecht grundlegend<br />

68<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


verändert. Die Folgen für die Unternehmen lassen<br />

sich bis heute nicht abschließend bewerten.<br />

Das BAG hat seine seit 1982 bestehende<br />

Rechtsprechung geändert, wonach der<br />

Urlaubsanspruch auch bei Erkrankung spätestens<br />

zum 31. März des Folgejahres verfiel. Das<br />

BAG gelangte zu dem Ergebnis, dass dies bei<br />

lang andauernder Erkrankung nicht mehr möglich<br />

ist, wenn der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit<br />

gehabt hat, den Urlaub zu nehmen. Zudem steht<br />

dem Arbeitnehmer nunmehr auch beim Ausscheiden<br />

aus dem Arbeitsverhältnis ein Urlaubsabgeltungsanspruch<br />

zu, selbst wenn er zum Zeitpunkt<br />

des Ausscheidens noch erkrankt war.<br />

Bereits mit Urteil vom 24. März 2009 hatte<br />

das BAG keinen Vertrauensschutz für Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer im Hinblick auf die seit<br />

1982 währende Rechtsprechung zumindest seit<br />

dem Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses des Landesarbeitsgerichts<br />

Düsseldorf an den EuGH vom<br />

2. August 2006 (12 Sa 486/06) gewährt. Das BAG<br />

hat dies mit seinem Urteil vom 23. März <strong>2010</strong><br />

noch erweitert. Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für<br />

die Arbeitszeitrichtlinie am 23. November 1996<br />

habe für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kein Vertrauensschutz<br />

mehr bestanden, bereits dann sei<br />

mit einer Rechtsprechungsänderung zu rechnen<br />

gewesen.<br />

Die Rechtsprechungsänderung des BAG<br />

bezieht sich primär auf den gesetzlichen Mindesturlaub<br />

sowie den Zusatzurlaub für schwerbehinderte<br />

Menschen (§ 125 SGB IX). Hinsichtlich<br />

des übergesetzlichen Urlaubs können die Tarifvertrags-<br />

bzw. Arbeitsvertragsparteien weiterhin<br />

Regelungen treffen, wonach der Urlaubsanspruch<br />

auch bei lang andauernder Erkrankung verfällt.<br />

Weder EuGH noch BAG haben darüber<br />

entschieden, wie lange dem Arbeitnehmer der<br />

Urlaubsanspruch erhalten bleibt. Sollte eine<br />

Ansammlung unbegrenzt möglich sein, so führt<br />

dies bei einer Erkrankung über Jahre hinweg zu<br />

untragbaren Ergebnissen. So könnte, wenn keine<br />

Begrenzung erfolgt, z. B. ein seit zehn Jahren<br />

erkrankter Arbeitnehmer für diesen Zeitraum den<br />

Urlaub ansammeln. Allein der gesetzliche Mindesturlaub<br />

würde einen Umfang von 200 Tagen<br />

haben.<br />

Im Rahmen der Sozialpartneranhörung hat<br />

sich die BDA auf europäischer Ebene dafür eingesetzt,<br />

dass die Arbeitszeitrichtlinie praxisgerecht<br />

angepasst wird. Eine Ansammlung des<br />

Urlaubsanspruchs über mehrere Jahre hinweg ist<br />

auch bei lang andauernder Erkrankung nicht vom<br />

Sinn und Zweck des Urlaubsanspruchs erfasst.<br />

Die Arbeitszeitrichtlinie muss daher in jedem Fall<br />

eine Verfallsregelung für den Urlaubsanspruch<br />

bei langjähriger Erkrankung vorsehen. Der<br />

Richtliniengeber sollte aber auch die Gelegenheit<br />

nutzen, die Rechtsprechung des EuGH im Fall<br />

„Schultz-Hoff/Stringer“ zu korrigieren und auch<br />

bei lang andauernder Erkrankung den Urlaubsanspruch<br />

strikt auf das Urlaubsjahr zu begrenzen.<br />

Darüber hinaus besteht auch auf deutscher<br />

Ebene Handlungsbedarf. Der deutsche Gesetzgeber<br />

muss im deutschen Recht klarstellen,<br />

dass für Altfälle vor der Entscheidung des EuGH<br />

vom 20. Januar 2009 Vertrauensschutz besteht.<br />

Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer mussten<br />

auch bei Ablauf der Umsetzungsfrist für die<br />

Arbeitszeitrichtlinie damit rechnen, dass eine derartig<br />

tief greifende Veränderung der Rechtsprechung<br />

zum Urlaubsrecht erfolgt.<br />

Überobligatorische Umsetzung<br />

der Europäischen Betriebsräterichtlinie<br />

vermeiden<br />

Am 15. September <strong>2010</strong> hat das Bundeskabinett<br />

den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie<br />

2009/38/EG über Europäische Betriebsräte (EBR)<br />

verabschiedet. Die neu gefasste Richtlinie muss<br />

bis zum 5. Juni 2011 in nationales Recht umgesetzt<br />

werden. Im Wesentlichen orientiert sich der<br />

Entwurf an den Vorgaben der Richtlinie und übernimmt<br />

diese. Er bedarf allerdings dort der Anpassung,<br />

wo er über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht<br />

oder den vorhandenen Spielraum nicht in<br />

einer Weise nutzt, die optimale Rechtssicherheit<br />

schafft.<br />

Nicht von der Richtlinie vorgegeben ist, dass<br />

Unterrichtung und Anhörung des EBR spätestens<br />

gleichzeitig mit den nationalen Arbeitnehmervertretungen<br />

durchzuführen sind. Die Richtlinie sieht<br />

hier eine vereinbarungsoffene Lösung vor.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht 69


Auch die Übergangsregelung zum Bestandsschutz<br />

für Altvereinbarungen schöpft die Möglichkeiten<br />

der Richtlinie nicht in vollem Umfang aus.<br />

Sie widerspricht insbesondere dem der neuen<br />

Richtlinie zugrunde liegenden Konsens der Sozialpartner,<br />

der einen umfassenden Bestandsschutz<br />

von Altvereinbarungen vorsah. Es muss<br />

insoweit klargestellt werden, dass auch im Falle<br />

wesentlicher Strukturänderungen der Bestandsschutz<br />

greift, wenn die EBR-Vereinbarung im Einvernehmen<br />

von EBR und Unternehmensleitung<br />

angepasst wird. Hier muss auch darauf geachtet<br />

werden, dass die Regelung des Bestandsschutzes<br />

im Einklang mit den Umsetzungsgesetzen der<br />

anderen EU-Mitglieder erfolgt.<br />

Europäische Privatgesellschaft<br />

auf den Weg bringen<br />

Die Wirtschaft setzt sich auch weiterhin dafür<br />

ein, einen belastbaren Rechtsrahmen für eine<br />

Einführung der Europäischen Privatgesellschaft<br />

(EPG) auf europäischer Ebene zu schaffen.<br />

Zuletzt haben BDA und BDI erfolgreich auf einen<br />

Beschluss der Justizminister der Länder hingewirkt,<br />

mit dem die Bundesregierung aufgefordert<br />

wird, die Einführung der EPG voranzutreiben. Die<br />

EPG soll als einheitliche europäische Rechtsform<br />

eine Alternative zur deutschen GmbH sein,<br />

die überall in Europa ohne Kenntnis der dortigen<br />

Gesellschaftsrechte gegründet werden kann.<br />

Die deutsche Mitbestimmung ist in Europa<br />

isoliert und deswegen mit anderen Beteiligungssystemen<br />

in Europa und dem europäischen<br />

Modell der Verhandlungslösung nicht kompatibel.<br />

Ihre Neugestaltung ist überfällig. Der Streit über<br />

die deutsche Ausgestaltung sollte aber nicht die<br />

Einführung der EPG blockieren. Zu achten ist<br />

aber darauf, dass es nicht zu einer – auch nur mittelbaren<br />

– Ausdehnung der nicht systemgerechten<br />

deutschen Mitbestimmung kommt.<br />

Die Arbeitgeber bekennen sich zur Notwendigkeit<br />

einer europäischen Gesellschaftsform für<br />

mittlere und kleine Unternehmen. Die BDA wird<br />

den Prozess auf europäischer Ebene fördern. Bei<br />

der derzeit stattfindenden Kompromisssuche muss<br />

aber in jedem Fall sichergestellt werden, dass Mitbestimmung<br />

nicht noch ausgeweitet wird.<br />

Insolvenzrecht behutsam<br />

weiterentwickeln<br />

In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und<br />

FDP eine Reform des Insolvenzrechts angekündigt.<br />

Mit einer solchen Reform soll insbesondere<br />

die Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen<br />

erleichtert und damit der Erhalt von Arbeitsplätzen<br />

ermöglicht werden. Die Wirtschafts- und<br />

Finanzkrise hat die Zahl der Unternehmensinsolvenzen<br />

deutlich erhöht. Die Krise hat an einigen<br />

Stellen des Insolvenzrechts Reformbedarf deutlich<br />

gemacht. Ein auf die Fortführung von Unternehmen<br />

gerichtetes Insolvenzrecht kann einen<br />

Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten.<br />

Die Änderungen dürfen jedoch nicht zu Mehrbelastungen<br />

solventer Unternehmen führen und<br />

deren Arbeitsplätze gefährden.<br />

BDA und BDI haben daher im März <strong>2010</strong><br />

ein gemeinsames Positionspapier erstellt, um die<br />

Anforderungen der Wirtschaft an ein modernes,<br />

zukunftsfähiges Insolvenzrecht frühzeitig gegenüber<br />

Regierung und Abgeordneten zu unterstreichen.<br />

Die BDA setzt sich dafür ein, dass im<br />

Gesetzgebungsverfahren die Besonderheiten der<br />

Insolvenzanfechtung im Sozialversicherungsrecht<br />

angemessen berücksichtigt werden, um eine<br />

inkongruente Belastung der Beitrags- und Steuerzahler<br />

und eine damit einhergehende Gefährdung<br />

von Beschäftigung zu vermeiden.<br />

Derzeit liegt ein Diskussionsentwurf für ein<br />

Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung<br />

von Unternehmen vom Juli <strong>2010</strong> vor, der sich<br />

noch in der Ressortabstimmung befindet. Zudem<br />

wurden im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes<br />

Änderungen der Insolvenzordnung vorgenommen.<br />

Bürokratieabbau weiter<br />

vorantreiben<br />

Ein konsequenter Abbau von bürokratischen<br />

Lasten ist alternativlos. Eine Berechnung nach<br />

dem sog. Standardkostenmodell hat eine Belastung<br />

der deutschen Wirtschaft durch Bürokratie<br />

von rd. 48 Mrd. € ergeben. Es ist auch ein Verdienst<br />

des Nationalen Normenkontrollrats (NKR),<br />

70<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


permanent auf diesen Zusammenhang hingewiesen<br />

zu haben. Der NKR kommt damit vorbildlich<br />

seiner Aufgabe nach, die Reduzierung von<br />

Bürokratiekosten voranzutreiben. Die BDA hat<br />

gemeinsam mit anderen Verbänden bereits 2003<br />

umfangreiche Vorschläge zum Bürokratieabbau<br />

gemacht und damit gezeigt, wie dem Wachstumskiller<br />

Bürokratie wirksam zu Leibe gerückt<br />

werden kann.<br />

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel<br />

gesetzt, bis 2011 25 % dieser Bürokratielasten<br />

abzubauen. Bislang ist davon allerdings erst die<br />

Hälfte erreicht. Es ist daher sehr zu begrüßen,<br />

dass das Bundeskabinett mit Beschluss vom<br />

27. Januar <strong>2010</strong> Eckpunkte vorgestellt hat, mit<br />

denen sie den Bürokratieabbau weiter vorantreiben<br />

möchte. Die deutsche Wirtschaft hat permanent<br />

auf Möglichkeiten hingewiesen, bürokratische<br />

Regelungen abzubauen. Im Juni <strong>2010</strong> hat<br />

die BDA gemeinsam mit BDI und DIHK beispielhaft<br />

zwölf bis ins Detail ausgearbeitete Vorschläge<br />

vorgelegt, die zum Abbau von bürokratischen<br />

Hemmnissen beitragen können. Eine konsequente<br />

Umsetzung dieser Vorschläge würde den Bürokratieabbau<br />

spürbar vorantreiben und den Standort<br />

Deutschland attraktiver machen.<br />

Mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktion<br />

zur Änderung des Gesetzes zur Einsetzung<br />

eines Nationalen Normenkontrollrates (NKRG) ist<br />

die Bundesregierung einen weiteren Schritt in die<br />

richtige Richtung gegangen. Der Gesetzentwurf<br />

zeigt, dass die Regierungsfraktionen ihre Versprechen<br />

aus dem Koalitionsvertrag ernst nehmen,<br />

den NKR zu stärken und den Bürokratieabbau<br />

zielgerichtet voranzutreiben. Positiv ist auch<br />

zu bewerten, dass der Begriff des Erfüllungsaufwands,<br />

der weiter ist als der Begriff der Bürokratiekosten,<br />

in das Gesetz aufgenommen werden<br />

soll. Dadurch wird die Prüfungskompetenz des<br />

NKR praxis gerecht erweitert.<br />

Neben dem Abbau von Bürokratie muss darauf<br />

geachtet werden, dass keine neuen Belastungen<br />

durch Bürokratie aufgebaut werden. Ein negatives<br />

Beispiel in dieser Hinsicht ist der Entwurf<br />

zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes.<br />

In diesem sind insgesamt 18 neue Informationspflichten<br />

enthalten, die gravierende bürokratische<br />

Belastungen für Unternehmen bedeuten.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Bürokratieabbau“ sowie unter www.arbeitgeber.de<br />

> Themen A–Z > Bürokratieabbau<br />

Belastungen durch Neuordnung<br />

der Rundfunkfinanzierung<br />

verhindern<br />

Am 15. Dezember haben die Ministerpräsidenten<br />

den Entwurf eines 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags<br />

(RÄStV) auf den Weg gebracht, mit dem<br />

ein neuer Rundfunkbeitrag eingeführt werden<br />

soll. Der Staatsvertrag soll im Jahr 2011 in den<br />

Länderparlamenten ratifiziert werden. 2012 soll<br />

die Umstellung organisatorisch vorbereitet werden.<br />

Ab Januar 2013 soll der neue Beitrag gelten.<br />

Die BDA hat den Entwurf des RÄStV gemeinsam<br />

mit zahlreichen anderen Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden<br />

kritisiert und Nachbesserungen<br />

gefordert.<br />

Der Staatsvertrag sieht einen Wechsel von<br />

der gerätebezogenen Erhebung der Rundfunkgebühr<br />

hin zu einem wohnungs- und betriebsstättenbezogenen<br />

Rundfunkbeitrag vor. Jede<br />

Betriebsstätte muss ab 2013 – unabhängig von<br />

der tatsächlichen Nutzung eines Rundfunkgeräts –<br />

gestaffelt nach ihrer Beschäftigtengrößenklasse<br />

einen Rundfunkbeitrag entrichten. Dienstlich<br />

genutzte Kraftfahrzeuge und Hotelzimmer werden<br />

darüber hinaus gesondert herangezogen.<br />

Die Neuordnung führt in ihrer aktuellen<br />

Ausgestaltung zu zusätzlichen Belastungen und<br />

willkürlicher Ungleichbehandlung einzelner Branchen.<br />

Die Ministerpräsidenten haben den Forderungen<br />

der Wirtschaft insofern entsprochen, als<br />

Unternehmen mit bis zu acht Beschäftigten nun<br />

mit nur einem Drittel Beitrag belastet werden.<br />

Im Arbeitsentwurf des 15. RÄStV lag die Grenze<br />

für diese Beitragshöhe noch bei vier Beschäftigten.<br />

Damit werden kleine Unternehmen und<br />

einige Filialbetriebe im Vergleich zum Arbeitsentwurf<br />

entlastet. Zudem konnte die Wirtschaft sich<br />

dahingehend durchsetzen, dass pro Betriebsstätte<br />

ein nichtprivates Kraftfahrzeug beitragsfrei<br />

gestellt wird. Auch wurden die Auszubildenden<br />

bei der Definition der Beschäftigten herausgenommen,<br />

so dass sie bei der jeweiligen Berechnung<br />

des Beitrags keine Berücksichtigung finden.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht 71


Die Änderungen gehen aber nicht weit genug. Es<br />

ist weiterhin mit einer Mehrbelastung der Wirtschaft<br />

in Höhe von rd. 250 Mio. € im Vergleich zur<br />

jetzigen Gebühr zu rechnen.<br />

Die BDA hat sich für weitere Änderungen<br />

des Entwurfs des 15. RÄStV eingesetzt: Der<br />

Wechsel von einem geräteabhängigen zu einem<br />

geräteunabhängigen Finanzierungsmodell ist zwar<br />

im Grundsatz richtig und baut Bürokratie ab. Das<br />

neue Modell kann aber nur breite gesellschaftliche<br />

Akzeptanz finden, wenn es keine Systemwidrigkeiten<br />

und groben Ungleichbehandlungen enthält.<br />

Der Grundsatz, Beiträge unabhängig von der<br />

tatsächlichen Nutzung zu erheben, ist konsequent<br />

und uneingeschränkt umzusetzen. Die Belastung<br />

nichtprivater Kraftfahrzeuge zusätzlich zum<br />

bereits entrichteten Beitrag pro Betriebsstätte ist<br />

eine Abkehr vom geräteunabhängigen Ansatz. Sie<br />

belastet bestimmte Branchen willkürlich mehr als<br />

andere. Daran ändert auch die nachträglich eingeführte<br />

Befreiung eines Kraftfahrzeugs pro Betriebsstätte<br />

nichts. Das Gleiche gilt für die Erhebung nach<br />

Hotelzimmern. Diese Sondertatbestände müssen<br />

vollständig gestrichen werden. Mit dem Beitrag für<br />

die Unternehmen gestaffelt nach Beschäftigtengrößenklassen<br />

ist daher künftig die gesamte Rundfunknutzung<br />

der Wirtschaft abzugelten.<br />

Einige Branchen, darunter der Einzelhandel<br />

und die Gastronomie, beschäftigen eine<br />

besonders hohe Quote an Teilzeitkräften. In diesen<br />

Branchen wird es zu einer ungleich höheren<br />

Belastung kommen, weil jeder Teilzeitbeschäftigte<br />

mit Blick auf den Rundfunkbeitrag einem Vollzeitbeschäftigten<br />

gleichgestellt wird. Um für diese<br />

Branchen eine willkürliche Mehrbelastung zu vermeiden,<br />

muss die Definition von Beschäftigten im<br />

RÄStV konkretisiert werden. Erforderlich ist deshalb<br />

eine Umrechung der Teilzeitbeschäftigten auf<br />

Vollzeitäquivalente.<br />

Beitrags an den Beschäftigtengrößenklassen der<br />

Unternehmen statt an denen der Betriebsstätten<br />

orientieren. Nur so kann eine Gleichbehandlung<br />

gleich großer Unternehmen gewährleistet<br />

werden.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen A–Z > Rundfunkbeitrag<br />

40 Jahre Zeitschrift für Arbeitsrecht<br />

– 40 Jahre im Dienste der<br />

Arbeitsrechtswissenschaft<br />

Im Jahr 1970 ist zum ersten Mal die ZfA erschienen.<br />

Sie hat sich schnell zu einer in Wissenschaft,<br />

Richterschaft und Praxis hoch angesehenen<br />

wissenschaftlichen Publikation entwickelt.<br />

Im Jahr ihres 40-jährigen Bestehens kann sie<br />

auf eine Vielzahl wegweisender grundsätzlicher<br />

und aktueller Beiträge zu allen wichtigen Fragen<br />

des Arbeitsrechts zurückblicken. Die Zeitschrift<br />

hat wichtige rechtspolitische Impulse geliefert.<br />

Die wissenschaftliche Qualität der Zeitschrift<br />

beruht auf einem hochkarätigen Herausgeberkreis,<br />

bestehend aus Wissenschaftlern, Richtern,<br />

Unternehmensvertretern und Verbandsjuristen.<br />

Als einzige arbeitsrechtliche Fachzeitschrift liefert<br />

die ZfA jährlich einen umfassenden Überblick<br />

über die gesamte Rechtsprechung der Arbeitsgerichte<br />

und alle wissenschaftlichen Beiträge zum<br />

Arbeitsrecht des jeweiligen Vorjahres.<br />

Nähere Informationen unter www.wolterskluwer.de/<br />

zfa<br />

Die geplante Staffelung nach Beschäftigtengrößenklassen<br />

je Betriebsstätte führt zu willkürlichen<br />

Ergebnissen, da gleich große Unternehmen<br />

unterschiedlich stark belastet werden. Dies gilt<br />

vor allem für Filialunternehmen, die so deutlich<br />

schlechter gestellt werden. Um filialintensive<br />

Branchen nicht gegenüber anderen Branchen<br />

zu benachteiligen, muss sich die Staffelung des<br />

72<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Arbeitsrecht


Tarifjahr <strong>2010</strong> – von der Krise in<br />

den Aufschwung<br />

Das Tarifjahr <strong>2010</strong> stand ganz im Zeichen einer<br />

wirtschaftlichen Entwicklung, die sich im Laufe<br />

des Jahres gänzlich gedreht hat. Während das<br />

erste Halbjahr noch von der anhaltenden Wirtschaftskrise<br />

geprägt war, verbesserte sich die<br />

wirtschaftliche Lage im zweiten Halbjahr schneller,<br />

als viele Prognosen zu hoffen gewagt hatten. Der<br />

Aufschwung erfasste viele Unternehmen in einem<br />

so hohen Maße, dass er sich in einer positiven<br />

Entwicklung am Arbeitsmarkt niedergeschlagen<br />

hat. Dass die Unternehmen in Deutschland<br />

den Rekordeinbruch so gut und zum großen Teil<br />

sogar viel besser überstanden haben als Unternehmen<br />

anderer europäischer Länder, ist nicht<br />

zuletzt einer äußerst verantwortungsvollen Tarifpolitik<br />

zu verdanken. Dazu gehörten moderate,<br />

produktivitätsorientierte Lohnerhöhungen in den<br />

letzten Jahren ebenso wie eine moderne Tarifpolitik,<br />

die den Betrieben durch Öffnungsklauseln<br />

mehr Flexibilisierungsspielräume bei Lohn und<br />

Gehalt, Sonderzahlungen oder Arbeitszeiten bietet.<br />

Letzteres gab den Betrieben den notwendigen<br />

Lohnpolitisches Augenmaß vor der Krise sichert Beschäftigung<br />

Index 2000 = 100<br />

120<br />

119,4<br />

115<br />

110<br />

108,9<br />

110,0<br />

105<br />

100<br />

100,4<br />

100,0 99,9<br />

98,9<br />

106,7<br />

99,3 99,2<br />

99,8<br />

101,5<br />

102,9 102,9 103,1<br />

95<br />

90<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 <strong>2010</strong><br />

Tarifl iche Stundenlöhne und -gehälter<br />

Produktivität<br />

Erwerbstätige<br />

<strong>2010</strong>: Prognose; Produktivität: reales Bruttoinlandsprodukt je Beschäftigtenstunde<br />

Quellen: Deutsche Bundesbank; Statistisches Bundesamt<br />

76<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik


Tarifjahr 2011/2012 – Stabilisierungskurs halten<br />

Kündigungstermine<br />

Branche Tarifgebiete Beschäftigte<br />

in 1.000<br />

Gewerkschaft<br />

<strong>2010</strong><br />

11/10 Wohnungs-/Immobilienwirtschaft West + Ost 60 IG BAU/ver.di<br />

12/10 Steinkohlenbergbau<br />

Feinkeramische Industrie<br />

Energieversorgung – TG Vattenfall<br />

Deutsche Telekom AG Service<br />

Öffentlicher Dienst (Länder ohne Berlin)<br />

Hotel- und Gaststättengewerbe<br />

West<br />

Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West<br />

40<br />

8<br />

16<br />

50<br />

700<br />

111<br />

IG BCE<br />

IG BCE<br />

IG BCE/ver.di<br />

ver.di<br />

ver.di<br />

NGG<br />

2011<br />

01/11 Volkswagen AG West 100 IGM<br />

02/11<br />

02/11–04/11<br />

Textil- und Bekleidungsindustrie<br />

Chemische Industrie<br />

West<br />

West + Ost<br />

130<br />

550<br />

IGM<br />

IG BCE<br />

03/11<br />

03/11–04/11<br />

03/11–06/11<br />

03/11–07/11<br />

03/11–08/11<br />

Bauwirtschaft<br />

Druckindustrie<br />

Versicherungswirtschaft (Innendienst)<br />

Textilindustrie<br />

Zuckerindustrie<br />

Deutsche Lufthansa AG – Piloten<br />

Groß- und Außenhandel<br />

Einzelhandel<br />

Süßwarenindustrie<br />

Steine und Erden<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

West<br />

West + Ost<br />

700<br />

170<br />

170<br />

15<br />

6<br />

4,5<br />

1.600<br />

2.700<br />

50<br />

10<br />

IG BAU<br />

ver.di<br />

ver.di/DHV/DBV<br />

IGM<br />

NGG<br />

VC<br />

ver.di<br />

ver.di<br />

NGG<br />

IG BAU<br />

04/11 Holz- und kunststoffverarb. Industrie<br />

Systemgastronomie (BdS)<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

200<br />

80<br />

IGM<br />

NGG<br />

05/11 Energieversorgung – E.ON-Bereich 30 IG BCE<br />

06/11 Maler- und Lackiererhandwerk<br />

Energieversorgung – GWE-Bereich<br />

West + Ost 140<br />

8,5<br />

IG BAU<br />

IG BCE<br />

07/11 Dachdeckerhandwerk West + Ost 60 IG BAU<br />

08/11 Öffentlicher Dienst – Ärzte komm. KH<br />

GaLaBau<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

55<br />

80<br />

MB<br />

IG BAU<br />

09/11 Kautschukindustrie (ADK) West + Ost 43 IG BCE<br />

10/11 Stahlindustrie West 85 IGM<br />

12/11 Deutsche Post AG<br />

Deutsche Lufthansa AG – Boden + Kabine<br />

Energieversorgung – AVEU-Bereich<br />

Gebäudereinigerhandwerk<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

Ost<br />

West + Ost<br />

130<br />

50<br />

20<br />

340<br />

ver.di<br />

ver.di<br />

IG BCE<br />

IG BAU<br />

2012<br />

02/12 Glasindustrie<br />

Banken<br />

Öffentlicher Dienst (Bund und Gemeinden)<br />

Ost<br />

West + Ost<br />

West + Ost<br />

11<br />

260<br />

2.000<br />

03/12 Metall- und Elektroindustrie West + Ost 3.350 IGM<br />

IG BCE<br />

ver.di<br />

ver.di, dbb-TU<br />

04/12 Kfz-Gewerbe West + Ost 280 IGM<br />

06/12 Zeitarbeit (AMP + BVD) West + Ost 400 CGB<br />

07/12 Genossenschaftsbanken West + Ost 166 DBV/DHV<br />

08/12 Papier, Pappe und Kunststoffe<br />

verarbeitende Industrie<br />

West 90 ver.di<br />

Quelle: BDA-Tarifarchiv<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik 77


Freiraum, sich schnell an die veränderten Rahmenbedingungen<br />

anzupassen. Allein durch die<br />

Arbeitszeitflexibilisierung konnten 2009 laut Institut<br />

für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)<br />

1,2 Mio. Jobs gesichert werden.<br />

Die Herausforderung in der zweiten Jahreshälfte<br />

bestand darin, den Wachstums trend nicht<br />

sofort wieder auszubremsen. Kontraproduktiv<br />

waren vor diesem Hintergrund die mit dem Aufschwung<br />

reflexartig einhergehenden pauschalen<br />

Forderungen nach kräftigen Lohnerhöhungen,<br />

die von Gewerkschaften erhoben und die sogar<br />

aus den Reihen der Politik unterstützt wurden.<br />

Denn trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung<br />

hatten viele Unternehmen noch immer<br />

mit den Folgen der Krise zu kämpfen und bei<br />

Weitem noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht.<br />

Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass sich der<br />

Aufschwung – das bestätigen zahlreiche Wirtschaftsforschungsinstitute<br />

– nicht in diesem Ausmaß<br />

fortsetzen kann. Auslaufende Konjunkturprogramme<br />

und wachsende gesamtwirtschaftliche<br />

Risiken in wichtigen Exportmärkten werden die<br />

konjunkturelle Entwicklung 2011 bremsen. Hinzu<br />

kommt, dass Deutschland trotz verbesserter<br />

Wettbewerbsfähigkeit nach wie vor zu den teuersten<br />

Wirtschaftsstandorten weltweit zählt. Um den<br />

positiven Konjunkturverlauf dennoch nachhaltig<br />

aufrechterhalten zu können, müssen die Standortfaktoren<br />

in Deutschland stetig verbessert werden.<br />

Tarifpolitisch bedeutet dies vor allem, den Kurs<br />

einer branchengerechten und produktivitätsorientierten<br />

Lohnpolitik mit den notwendigen betrieblichen<br />

Gestaltungsspielräumen auch in Zukunft<br />

konsequent fortzusetzen. Der sich in der aktuellen<br />

wirtschaftlichen Entwicklung widerspiegelnde<br />

Erfolg dieses Wegs sollte Ansporn sein.<br />

Die meisten Tarifabschlüsse des Jahres<br />

<strong>2010</strong> standen im Schatten des Wirtschaftseinbruchs<br />

und trugen der sich daraus ergebenden<br />

besonderen Lage der Branchen und ihrer Betriebe<br />

Rechnung. Im Mittelpunkt stand damit in erster<br />

Linie die Beschäftigungssicherung. Zusätzliche<br />

Belastungen galt es so gering wie möglich zu<br />

halten. So lag die Tarifanhebung in der Mehrheit<br />

der Tarifabschlüsse in einer Spanne von 1,2 % bis<br />

ca. 2 %. In der chemischen Industrie wurde sogar<br />

ganz auf tabellenwirksame Tariflohnsteigerungen<br />

verzichtet. In anderen Branchen wurden die<br />

Entgelte erst nach zahlreichen Nullmonaten angehoben<br />

– zuweilen erst nach 12 bzw. 15 Monaten.<br />

Mehr als ein Drittel der Abschlüsse sahen in den<br />

ersten Monaten anstatt Lohnsteigerungen nicht<br />

tabellenwirksame Einmalzahlungen vor. In diesem<br />

Zusammenhang spielten auch in der diesjährigen<br />

Tarifrunde Öffnungsklauseln eine wichtige Rolle.<br />

Die Tarifabschlüsse sahen insbesondere Flexibilisierungsmöglichkeiten<br />

im Entgeltbereich vor – in<br />

erster Linie in Form von zeitlicher Verschiebung<br />

oder Kürzung von Einmalzahlungen. Vor dem Hintergrund<br />

wirtschaftlicher Unsicherheiten stand für<br />

die Betriebe das Streben nach Planungssicherheit<br />

im Mittelpunkt. So fielen die Laufzeiten mit größtenteils<br />

über 20 Monaten lang aus.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen A–Z > Tarifpolitik<br />

Tarifabschlüsse <strong>2010</strong> – Beweis<br />

verantwortungsvollen Handelns<br />

Die Zweiteilung des Tarifjahres <strong>2010</strong> zeigte sich<br />

auch in den Tariflohnforderungen der Gewerkschaften.<br />

In der ersten Jahreshälfte – als die Wirtschaft<br />

noch ganz im Zeichen der Krise stand, was<br />

für viele Unternehmen mit großen Unsicherheiten<br />

verbunden war – verzichteten die Gewerkschaften<br />

in zahlreichen Branchen wie der Metall- und<br />

Elektroindustrie, der chemischen Industrie und bei<br />

den Banken auf Forderungen nach tabellarischen<br />

Entgeltanhebungen – ein in der Geschichte der<br />

Bundesrepublik z. T. einmaliger Vorgang.<br />

Ein wichtiger Beitrag zur Beschäftigungssicherung<br />

war der am 18. Februar <strong>2010</strong> erzielte<br />

Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie.<br />

In bemerkenswerter Weise haben die Tarifpartner<br />

bei Inhalt und Zustandekommen Realitätssinn<br />

und Verantwortung gezeigt. So hat die IG Metall<br />

auf die sonst üblichen Rituale verzichtet und ist<br />

ohne konkrete Entgeltforderung in die vorgezogenen<br />

Verhandlungen gegangen. Der Verzicht auf<br />

eine lineare Tariferhöhung für <strong>2010</strong> hat dem massiven<br />

Einbruch der Branche Rechnung getragen.<br />

Dafür erhielten die Beschäftigten für die ersten elf<br />

Monate eine angemessene Einmalzahlung von<br />

320 €. Ab dem 1. April 2011 erfolgt eine Erhöhung<br />

der Tabellenentgelte um 2,7 %, die betrieblich<br />

um zwei Monate zeitlich sowohl nach vorne<br />

78<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik


Branchentarifverträge <strong>2010</strong> – Basis für den Aufschwung<br />

Tarifbereich<br />

Laufzeit<br />

Eckpunkte Tarifabschluss<br />

Metall- und Elektroindustrie<br />

(01.05.10–31.03.12)<br />

Öffentlicher Dienst<br />

Bund und Gemeinden<br />

(01.01.10–29.02.12)<br />

Kautschukindustrie<br />

(01.12.09–30.09.11)<br />

Zeitarbeit AMP<br />

(01.07.10–30.06.12)<br />

Zeitarbeit BZA<br />

(01.07.10–31.10.13)<br />

Chemische Industrie<br />

(Apr/Mai/Jun 10–Feb/Mrz/Apr 11)<br />

Zeitarbeit BVD<br />

(01.07.10–30.06.12)<br />

Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende<br />

Industrie – West<br />

(01.05.10–31.08.12)<br />

Öffentlicher Dienst – Ärzte kommunale<br />

Krankenhäuser<br />

(01.01.10–31.08.11)<br />

Banken<br />

(01.05.10–29.02.12)<br />

Zuckerindustrie<br />

(01.04.10–31.03.11)<br />

Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau<br />

(01.09.10–31.08.11)<br />

Stahlindustrie (Nordwest)<br />

(01.09.<strong>2010</strong>–31.10.2011)<br />

320 € Einmalzahlung, 2,7 % ab 04/11 (betrieblich um 2 Monate verschiebbar)<br />

1,2 % ab 01/10, 0,6 % ab 01/11, 0,5 % ab 08/11;<br />

240 € zusätzliche Pauschale in 01/11 als soziale Komponente<br />

200 € Einmalzahlung in 04/10, 170 € Einmalzahlung in 10/10,<br />

2,1 % ab 01/11; 300 € ab 01/12 jährliche Einmalzahlung zur Verwendung für<br />

Langzeitkonten oder betriebliche Altersvorsorge<br />

3,4 % (Ost 4,1 %) ab 07/10 (E1 + E2 West, E2 Ost ab 10/10),<br />

2,0 % (Ost 2,5 %) ab 07/11; Branchenzuschlag für Einsatz in Metall- und<br />

Elektroindustrie: E1 Ost 0,60 €; sonst 0,40 €<br />

2,5 % ab 07/10, 2,5 % ab 05/11, 1,28 % (Ost 1,74 %) ab 11/11,<br />

2,5 % ab 11/12; EGr. 1 (Mindestlohn): stufenweise Anhebung bis 11/12<br />

auf 8,19 € West / 7,50 € Ost<br />

keine Entgelterhöhung<br />

550 € Einmalzahlung (für Schichtarbeiter bis 715 €) in 06/10;<br />

200 € Konjunkturbonus (für Schichtarbeiter bis zu 260 €) in 06/10<br />

3,6 % (Ost 4,1 %) ab 07/10 (E1 West ab 10/10), 2,2 % (Ost 1,7 %) ab 07/11;<br />

Branchenzuschlag bei Einsatz von Metall- und Elektroberufen in Metall- und<br />

Elektroindustrie: E1 Ost 0,60 €; sonst 0,40 €<br />

6 Nullmonate 05/10–10/10, 1,3 % ab 11/10, 1,5 % ab 05/11, 1,3 % ab 03/12<br />

400 € Einmalzahlung, 2,0 % ab 05/10<br />

300 € Einmalzahlung, 1,6 % ab 01/11<br />

2 Nullmonate 04/10–05/10, 2,5 % ab 06/10<br />

2,0 % (Ost 2,5 %) ab 09/10<br />

150 € Einmalzahlung, 3,6 % ab 10/10<br />

Quelle: BDA-Tarifarchiv<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik 79


Löhne im internationalen Vergleich: Deutschland in Spitzengruppe<br />

Durchschnittliche Bruttostundenlöhne und -gehälter im verarbeitenden Gewerbe, 2009<br />

Norwegen<br />

34,08<br />

Schweiz<br />

Dänemark<br />

Luxemburg<br />

Deutschland<br />

(West)<br />

Finnland<br />

Deutschland<br />

Belgien<br />

Niederlande<br />

Irland<br />

Österreich<br />

Frankreich<br />

Schweden<br />

27,57<br />

26,89<br />

26,30<br />

25,76<br />

25,22<br />

24,60<br />

24,35<br />

22,13<br />

21,74<br />

30,94<br />

29,72<br />

28,75<br />

Italien<br />

Japan<br />

USA<br />

Großbritannien<br />

Kanada<br />

Deutschland<br />

(Ost)<br />

Spanien<br />

18,69<br />

18,13<br />

17,84<br />

17,26<br />

16,77<br />

16,68<br />

15,86<br />

Griechenland<br />

Slowenien<br />

11,76<br />

11,13<br />

Portugal<br />

Tschechische<br />

Republik<br />

Slowakische<br />

Republik<br />

Ungarn<br />

Polen<br />

7,94<br />

6,43<br />

5,77<br />

5,00<br />

4,77<br />

Rumänien<br />

Bulgarien<br />

2,55<br />

1,97<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 in €<br />

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, <strong>2010</strong><br />

80<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik


als auch nach hinten verschoben werden kann.<br />

Damit haben die Betriebspartner den notwendigen<br />

Gestaltungsspielraum, um die künftige wirtschaftliche<br />

Entwicklung zu berücksichtigen. Vor<br />

dem Hintergrund der vorherrschenden schnellen<br />

wirtschaftlichen Erholung haben einige große<br />

Unternehmen, insbesondere aus der Automobilindustrie,<br />

bereits angekündigt, die Tariflohnsteigerung<br />

auf den Februar vorziehen zu wollen. Zum<br />

Zeitpunkt des Tarifabschlusses stand die Sicherung<br />

der Beschäftigung in den Betrieben im Vordergrund.<br />

Dazu wurden die Möglichkeit zur Senkung<br />

der beim Arbeitgeber verbleibenden Kosten<br />

bei gesetzlicher Kurzarbeit sowie Gestaltungsspielräume<br />

für die betriebliche Beschäftigungssicherung<br />

ausgebaut. Die lange Laufzeit des Tarifvertrags<br />

von 23 Monaten gibt den Unternehmen<br />

Planungssicherheit. Vor dem Hintergrund dieser<br />

Laufzeit wird auch deutlich, dass die in der zweiten<br />

Jahreshälfte aufgekommene Diskussion von<br />

Politik und Gewerkschaften über höhere Lohnsteigerungen<br />

zur Unzeit geführt wurde.<br />

In der chemischen Industrie ist die IG BCE<br />

ebenfalls ohne konkrete Lohnforderung in die<br />

Tarifrunde gestartet. Bereits in der ersten bundesweiten<br />

Verhandlungsrunde am 21. April <strong>2010</strong><br />

konnte ein krisengerechter Tarifabschluss erreicht<br />

werden, der komplett auf tabellarische Entgeltanhebungen<br />

und damit auf eine Dauerbelastung<br />

der Unternehmen verzichtet. Die<br />

vereinbarte Einmalzahlung in Höhe eines Basisbetrags<br />

von 550 € ist moderat und bietet Raum<br />

für unternehmensspezifische Differenzierungen.<br />

Deutschland – fünfthöchstes Lohnniveau weltweit<br />

Kaum geht es mit den Konjunkturprognosen wieder nach oben, werden Forderungen nach kräftigen<br />

Lohnsteigerungen laut – nicht nur von den Gewerkschaften, von denen dies zu erwarten ist, sondern<br />

auch aus den Reihen der Politik. Sogar die französische Finanzministerin Christine Lagarde forderte<br />

mit Blick auf die Wettbewerbsposition anderer EU-Länder die Unternehmen in Deutschland dazu auf,<br />

die Löhne deutlich zu erhöhen.<br />

In der Tat hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland auch aufgrund der moderaten,<br />

produktivitätsorientierten Lohnentwicklung der letzten Jahre verbessert. Das bestätigte zuletzt<br />

auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die verantwortungsvolle<br />

Lohnpolitik ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem niedrigen Einkommensniveau.<br />

Ganz im Gegenteil: Im internationalen Vergleich der Bruttostundenlöhne und -gehälter belegt Deutschland<br />

nach wie vor eine Spitzenposition. Mit einem durchschnittlichen Stundenlohn im verarbeitenden<br />

Gewerbe von über 26 €, in Westdeutschland sogar von fast 28 €, steht Deutschland auf Platz 5 der<br />

weltweit höchsten Verdienste. Zum Vergleich: In Frankreich liegt der entsprechende Durchschnittslohn<br />

mit knapp über 22 € pro Stunde deutlich unter dem deutschen Einkommensniveau.<br />

Damit gehört Deutschland nach wie vor zu den teuersten Industriestandorten weltweit. Das Arbeitskostenniveau<br />

Deutschlands liegt mit über 34 € pro Stunde 23 % über dem Durchschnitt der anderen Industrieländer,<br />

Westdeutschland liegt mit über 36 € pro Stunde sogar 29 % darüber. Im Krisenjahr stiegen<br />

darüber hinaus die Lohnstückkosten stark an, im produzierenden Gewerbe sogar um 16 %. Das lag<br />

vor allem daran, dass die Produktivität in den Betrieben durch sinkende Auftragslagen, Kurzarbeit und<br />

Abschmelzen von Arbeitszeitkonten sank.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Arbeitskosten<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik 81


Bei der Beschäftigungssicherung haben die<br />

Tarifparteien auf die Vermeidung von Entlassungen<br />

und den Erhalt der Fachkräfte durch regionale<br />

Netzwerke gesetzt. Im Bereich Ausbildung<br />

zeigt der Abschluss, dass die Tarifparteien nicht<br />

nur bestrebt sind, vorhandene Fachkräfte an die<br />

Branche zu binden, sondern auch in der Krise das<br />

hohe Niveau an Ausbildungsplätzen zu erhalten.<br />

Die Tarifpartner der chemischen Industrie setzten<br />

auf eine eher kurze Laufzeit von elf Monaten.<br />

Am 28. Februar <strong>2010</strong> übernahmen die Tarifpartner<br />

im öffentlichen Dienst von Bund und<br />

Kommunen nach einer schwierigen Suche nach<br />

einem Kompromiss das drei Tage zuvor getroffene<br />

Schlichtungsergebnis. Der Tarifabschluss<br />

sieht während der 26-monatigen Laufzeit ab<br />

Januar <strong>2010</strong> eine Entgeltanhebung von 1,2 %<br />

vor. Im darauf folgenden Jahr werden ab Januar,<br />

neben der Gewährung einer Einmalzahlung von<br />

240 €, die Tariflöhne um 0,6 % und ab August um<br />

0,5 % erhöht. Darüber hinaus wird die leistungsorientierte<br />

Vergütung bis 2013 in vier Stufen von<br />

1,0 % auf 2,0 % des Entgelts ausgebaut. Neben<br />

Einschränkungen bei der Regelung zur Altersteilzeit<br />

und dem Regelarbeitsentgelt wurde das sog.<br />

FALTER-Modell vereinbart. Bei diesem Modell zur<br />

flexiblen Altersteilzeitregelung können Beschäftigte<br />

zwei Jahre vor und zwei Jahre nach der<br />

abschlagsfreien Zugangsmöglichkeit in Altersrente<br />

ihre Arbeitszeit um die Hälfte reduzieren und<br />

mit einer Teilrente in Höhe von 50 % der jeweiligen<br />

Altersrente ausgleichen.<br />

Am 20. Mai <strong>2010</strong> einigten sich der Hauptverband<br />

Papier- und Kunststoffverarbeitung und<br />

ver.di in der dritten Verhandlungsrunde auf einen<br />

Abschluss, der den Betrieben durch eine lange<br />

Laufzeit von 28 Monaten Planungssicherheit gibt.<br />

Die Lohnentwicklung fällt mit sechs Nullmonaten<br />

und einer dreistufigen Entgeltanhebung von 1,3 %<br />

ab 1. November <strong>2010</strong>, 1,5 % ab 1. Mai 2011 und<br />

1,3 % ab 1. März 2012 moderat aus.<br />

Im Bankengewerbe war ver.di – anders als<br />

im öffentlichen Dienst – ohne konkrete Lohnforderung<br />

in die Verhandlung gegangen. Dafür hatten<br />

die Gewerkschaften den Gesundheitsschutz in<br />

den Fokus der Gewerkschaft gestellt. Im Ergebnis<br />

gelang am 10. Juni <strong>2010</strong> ein moderater Entgeltabschluss,<br />

in dem mit einer gemeinsamen Erklärung<br />

zum Gesundheitsschutz eine normative Regelung<br />

verhindert werden konnte. Die 22-monatige<br />

Laufzeit begann mit acht Nullmonaten und einer<br />

Einmalzahlung von 300 € zum 1. August <strong>2010</strong>. Ab<br />

1. Januar 2011 werden die Tariflöhne um 1,6 %<br />

angehoben. Zum betrieblichen Gesundheitsschutz<br />

wurde eine Erklärung verfasst, mit der keine unmittelbaren<br />

Rechte und Pflichten verbunden sind.<br />

Mit wachsender Auftragslage und Zuversicht<br />

der Wirtschaftsforschungsinstitute über die weitere<br />

Entwicklung der Konjunktur stiegen im zweiten<br />

Tarifhalbjahr die Forderungen der Gewerkschaften<br />

überproportional auf z. B. 6 % in der<br />

Stahl industrie. Auch für das Tarifjahr 2011 reißt<br />

das hohe Forderungsniveau nicht ab. So liegen<br />

die ersten Entgeltforderungen für Branchen, die<br />

Anfang 2011 ihre Tarifverhandlungen beginnen, in<br />

einer Spanne von 5 % bis 7 %.<br />

Der Tarifabschluss der westdeutschen Stahlindustrie<br />

vom 30. September <strong>2010</strong> erklärt sich vor<br />

allem vor dem Hintergrund der konjunkturellen<br />

Sondersituation der Branche. Nach einer Einmalzahlung<br />

von 150 € für den September folgte<br />

ab Oktober eine Entgeltanhebung um 3,6 % bei<br />

einer Gesamtlaufzeit von 14 Monaten. Darüber<br />

hinaus wurde ein „Tarifvertrag zur Bezahlung von<br />

Leiharbeitern“ vereinbart, der die Stahlunternehmen<br />

verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass Zeitarbeitnehmer<br />

gegen ihr Zeitarbeitsunternehmen<br />

einen Anspruch in der Höhe eines Vergleichsentgelts<br />

– nicht Equal Pay – haben. Diese Regelung<br />

ist rechtlich wie tarifpolitisch problematisch. Zeitarbeitnehmer<br />

sind nicht bei den Stahl-, sondern<br />

bei den Zeitarbeitsunternehmen angestellt und<br />

diese sind nicht Vertragspartei des Tarifvertrags<br />

der Stahlindustrie. Die Regelung zur Zeitarbeit<br />

kann damit keinesfalls Beispielcharakter für andere<br />

Branchen haben.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen A–Z > Tarifverhandlungen<br />

Gesundheitsförderung: kein<br />

Gegenstand der Tarifpolitik<br />

Die Gewerkschaften versuchen auf unterschiedlichen<br />

Wegen ihren Einfluss in den Unternehmen<br />

auszubauen. Aus diesem Grund gewinnt auch<br />

82<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik


das Thema „Gesundheitsförderung“ als Gegenstand<br />

tarifpolitischer Forderungen zunehmend<br />

an Bedeutung. Im Rahmen der Kampagne „Gute<br />

Arbeit“ und im weiteren Kontext auch mit der<br />

Bekämpfung der „Rente mit 67“ werden verstärkt<br />

die mangelnde Berücksichtigung von gesundheitlichen<br />

Anforderungen von Beschäftigungen und<br />

angebliche Defizite im betrieblichen Gesundheitsschutz<br />

und in der Gesundheitsförderung angeprangert.<br />

Dahinter steht regelmäßig der Versuch,<br />

stärkeren Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen<br />

sowie auf Fragen der Arbeits- und<br />

Organisationsgestaltung zu nehmen. So findet<br />

sich immer häufiger die Forderung nach weiteren<br />

Instrumenten der betrieblichen Mitbestimmung,<br />

z. B. in Form von Arbeitskreisen und Gesundheitszirkeln.<br />

Deutsche Unternehmen sind durch bestehende<br />

Gesetze bereits umfassend zum Gesundheitsschutz<br />

vor konkreten berufsbedingten Gefahren<br />

und schädigenden Belastungen verpflichtet.<br />

Die betriebliche Gesundheitsförderung hat darüber<br />

hinausgehend das Ziel, Gesundheitsressourcen<br />

im jeweiligen Betrieb aufzubauen. Im Gegensatz<br />

zu dem durch gesetzliche Handlungspflichten<br />

geprägten Arbeits- und Gesundheitsschutz handelt<br />

es sich daher um eine Materie, die von den<br />

Unternehmen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen<br />

betrieblichen Gegebenheiten frei gestaltbar<br />

sein muss. So gibt es in den Betrieben bereits eine<br />

Vielzahl freiwilliger Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der konkreten Arbeitsbedingungen und zur Förderung<br />

der Gesundheit der Mitarbeiter. Dabei ist<br />

zu berücksichtigen, dass eine wirksame Gesundheitsförderung<br />

nicht allein in der Verantwortung<br />

des Arbeitgebers liegt, sondern die Arbeitnehmer<br />

in hohem Maße Eigenverantwortung tragen.<br />

Arbeitnehmer verbringen nur einen Teil ihrer Zeit<br />

an ihrem Arbeitsplatz, so dass betriebliche Maßnahmen<br />

nur eine begrenzte Wirkung haben.<br />

Verpflichtungen auf tariflicher Ebene sind nicht<br />

geeignet, sinnvolle und auf den jeweiligen Betrieb<br />

zugeschnittene Lösungen zu unterstützen.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen A–Z > Tarifpolitik<br />

Jobmotor Zeitarbeit sichern<br />

Die Zeitarbeitsbranche hat sich zu einer Schlüsselbranche<br />

in Deutschland entwickelt. Den Unternehmen<br />

gibt sie die in einer zunehmend international<br />

verflochtenen Wirtschaft notwendige<br />

Flexibilität. Damit hat auch die Zeitarbeit einen<br />

wichtigen Anteil an der erfolgreichen Überwindung<br />

der Krise. Vor allem aber stellt sie sicher,<br />

dass sich der beginnende Aufschwung sehr frühzeitig<br />

in neuer Beschäftigung niederschlagen<br />

kann. Denn zu einem Zeitpunkt, der noch von großer<br />

Unsicherheit geprägt ist, sind Unternehmen<br />

kaum in der Lage, bereits die eigene Belegschaft<br />

aufzustocken. Damit profitiert auch der Arbeitsmarkt<br />

von der Zeitarbeit. Zudem ist Zeitarbeit für<br />

Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte ein<br />

unverzichtbares Sprungbrett in Beschäftigung.<br />

Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung<br />

der Zeitarbeit war es wichtig, dass im Frühjahr<br />

neue und vor allem rechtssichere Tarifverträge von<br />

den Tarifpartnern der Branche vereinbart wurden.<br />

Unsicherheiten über die Anwendung der Zeitarbeitstarifverträge<br />

waren u. a. entstanden vor dem<br />

Hintergrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts<br />

Berlin-Brandenburg zur Tarifunfähigkeit<br />

der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften<br />

für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen<br />

(CGZP), die am 14. Dezember <strong>2010</strong> vom<br />

Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG)<br />

bestätigt wurde. Diese Entscheidung betrifft nicht<br />

die geltenden Branchentarifverträge in der Zeitarbeit,<br />

vor allem nicht die Tarifwerke vom Arbeitgeberverband<br />

Mittelständischer Personaldienstleister<br />

(AMP) und vom Bundesverband Deutscher<br />

Dienstleistungsunternehmen (BVD). Diese neuen<br />

mehrgliedrigen Tarifverträge traten bereits<br />

Anfang <strong>2010</strong> in Kraft und wurden mit den christlichen<br />

Einzelgewerkschaften abgeschlossen. Nicht<br />

abschließend geklärt ist die Frage, ob die Entscheidung<br />

zur rückwirkenden Unwirksamkeit der<br />

alten Tarifverträge führen kann. Dazu hatte sich<br />

das BAG am Tag der Entscheidung nicht geäußert.<br />

Dagegen spricht die besondere rechtliche<br />

Konstruktion der Zeitarbeitsbranche, weshalb aufkommende<br />

Forderungen nach sofortigem Handlungsbedarf<br />

zurückzuweisen sind.<br />

Mit den langfristigen vom Bundesverband<br />

Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA) mit den<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik 83


DGB-Gewerkschaften und AMP und BVD mit den<br />

Christlichen Gewerkschaften vereinbarten Tarifabschlüssen<br />

wurden nicht nur neue, angemessene<br />

Entgelte vereinbart. Die Tarifpartner haben<br />

zudem Lösungen gefunden, mit denen Missbräuche,<br />

die – ausgelöst durch den Fall Schlecker – zu<br />

einer massiven öffentlichen Diskussion über die<br />

Zeitarbeit geführt haben, zukünftig tarifvertraglich<br />

ausgeschlossen sind. Wenn das Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales (BMAS) zusätzlich<br />

mit einer „Drehtürklausel“ im Arbeitnehmerüberlassungsgestz<br />

(AÜG) reagieren will, ist dies<br />

damit eigentlich überflüssig, bei einer Orientierung<br />

an den tarifvertraglichen Klauseln aber auch<br />

unschädlich. Keinesfalls dürfen dadurch jedoch<br />

zusätzlich Hürden aufgestellt werden, die den<br />

arbeitsmarktpolitisch sinnvollen Einsatz von Zeitarbeit<br />

behindern.<br />

Die Herstellung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

für die EU-Mitgliedsländer Mittel-<br />

und Osteuropas ab 1. Mai 2011 darf nicht<br />

dazu führen, dass die Zeitarbeit in Deutschland<br />

beschädigt wird. Es ist zu erwarten, dass ohne<br />

ein Handeln des Gesetzgebers ab Mai 2011<br />

Zeitarbeitsunternehmen aus diesen Ländern mit<br />

deutlich niedrigeren Tariflöhnen am deutschen<br />

Zeitarbeitsmarkt aktiv werden. Diese Fälle hätten,<br />

auch wenn sie zahlenmäßig unbedeutend<br />

wären, eine Diskreditierung der gesamten Zeitarbeitsbranche<br />

zur Folge. Vor diesem Hintergrund<br />

unterstützt die BDA das Bestreben der Branche,<br />

die in Deutschland bereits flächendeckend geltenden<br />

untersten Löhne der Zeitarbeit auch auf<br />

ausländische Zeitarbeitsunternehmen und deren<br />

in Deutschland eingesetzte Arbeitnehmer zu<br />

erstrecken. Es geht damit nicht um die Einführung<br />

eines neuen Mindestlohns. In Deutschland<br />

gelten faktisch in der Zeitarbeit bereits flächendeckend<br />

tarifliche Mindestlöhne. Dies ist eine<br />

Folge der gesetzlichen Konstruktion. Wegen der<br />

ansonsten bestehenden Verpflichtung zum Equal<br />

Pay finden die Tarifverträge der Zeitarbeit zu<br />

fast 100 % unmittelbar oder durch Bezugnahme<br />

Anwendung. Die Tarifvertragsparteien der Branchen<br />

haben inzwischen mit einer einheitlichen<br />

Lohnuntergrenze auch die Voraussetzung für die<br />

Erstreckung geschaffen. AMP und BVD haben mit<br />

den Christlichen Gewerkschaften Mindestlohntarifverträge<br />

unterzeichnet, deren Entgelthöhe den<br />

Zeitarbeit – Erwartungen des Gesetzgebers erfüllt<br />

Elfter Bericht über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmer überlassungsgesetzes<br />

Zu Beginn des Jahres <strong>2010</strong> hat die Bundesregierung den Elften Bericht über Erfahrungen bei der Anwendung<br />

des AÜG veröffentlicht. Die Ergebnisse bestätigen die Bedeutung der Zeitarbeit für die Entwicklung<br />

auf dem Arbeitsmarkt und die zusätzlichen Beschäftigungschancen für Arbeitslose. Die Bundesregierung<br />

erkennt an, dass Zeitarbeit Brücken baut für den Einstieg oder die Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Insbesondere<br />

für Langzeitarbeitslose sei Zeitarbeit eine unverzichtbare Chance auf einen Zugang zu sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung. Die Erwartungen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der<br />

Reform 2002, zusätzliche Beschäftigung zu erschließen, hätten sich erfüllt. Zeitarbeit biete in der Regel<br />

voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Der überwiegende Teil der ehemaligen<br />

Zeitarbeitnehmer befinde sich auch mittelfristig weiterhin in Beschäftigung. Auch zeigen die Ergebnisse<br />

des Berichts, dass Zeitarbeit nicht zu Lasten der Stammbelegschaft geht.<br />

84<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik


vom BZA mit den DGB-Gewerkschaften vereinbarten<br />

Mindestlöhnen entspricht. Die Mindestlohntarifverträge<br />

gelten bis Oktober 2013 und<br />

sehen stufenweise Erhöhungen bis 8,19 € (West)<br />

und 7,50 € (Ost) vor.<br />

Höchst problematisch ist der aus der FDP-<br />

Bundestagsfraktion unterbreitete Vorschlag einer<br />

zeitlichen Begrenzung der Tariföffnungsklausel<br />

im AÜG. Equal Pay würde Zeitarbeit in einem<br />

Maße verteuern und zu neuer Bürokratie in einem<br />

Umfang führen, dass ihr Einsatz in vielen Fällen<br />

nicht mehr stattfinden könnte. Dies hätte massive<br />

Auswirkungen nicht nur auf die Zeitarbeit, sondern<br />

auf die gesamte deutsche Wirtschaft. Betroffen<br />

wären zudem im besonderen Maße gering Qualifizierte<br />

und Langzeitarbeitslose, für die bisher Zeitarbeit<br />

eine Brücke in Beschäftigung ist. Ganz praktisch<br />

betrachtet richtet sich der Vorschlag zudem<br />

gegen den Mittelstand: Große Zeitarbeitsunternehmen<br />

werden eine Rotation der Zeitarbeitnehmer<br />

organisieren, wozu kleine und mittelständische<br />

Zeitarbeitsunternehmen und deren mittelständische<br />

Kunden kaum in der Lage sind. Darüber hinaus<br />

würde der Vorschlag nicht verhindern, dass in<br />

den ersten Monaten der Überlassung Zeitarbeitnehmer<br />

zu polnischen Tarifverträgen von unter<br />

5 € in Deutschland zum Einsatz kommen. Zeitarbeit<br />

ist eine eigenständige Branche, so dass auch<br />

eine eigene, branchenbezogene tarifvertragliche<br />

Vergütung gerechtfertigt ist. Wie in keiner anderen<br />

Branche werden die Arbeitsbedingungen in<br />

der Zeitarbeit flächendeckend von Tarifverträgen<br />

bestimmt. Eine Einschränkung der tariflichen Öffnungsklausel<br />

käme der staatlichen Zensur dieser<br />

Tarifverträge gleich.<br />

Mit dem Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch<br />

in der Arbeitnehmerüberlassung, den das<br />

BMAS im zweiten Halbjahr vorgelegt hat, soll<br />

nicht nur eine „Drehtürklausel“ zur Verhinderung<br />

künftiger „Schlecker-Fälle“ eingebaut werden. Es<br />

soll zugleich die europäische Zeitarbeitsrichtlinie<br />

2008/104/EG in das deutsche Recht umgesetzt<br />

werden. Der Entwurf sieht u. a. Ansprüche des<br />

Zeitarbeitnehmers gegen den Einsatzbetrieb auf<br />

Information über freie Arbeitsplätze und Zugang<br />

zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten<br />

vor. Dabei setzt sich die BDA mit Nachdruck dafür<br />

ein, dass die Umsetzung der Zeitarbeitsrichtlinie<br />

Zeitarbeit – Zugang zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung<br />

Tätigkeit der Arbeitnehmer vor Zeitarbeit, in %<br />

7,6<br />

8,5<br />

47,8<br />

36,0<br />

beschäftigt<br />

weniger als 1 Jahr arbeitslos<br />

1 Jahr und länger arbeitslos<br />

noch nie beschäftigt<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Stichtag: 31. Dezember 2009<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik 85


auf das wirklich Notwendige beschränkt wird, also<br />

kein „gold plating“ betrieben und dadurch neue<br />

Beschäftigungshürden aufgebaut werden.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen A–Z > Zeitarbeit<br />

Branchenmindestlöhne müssen<br />

Ausnahme bleiben<br />

Erfreulicherweise hat die Regierungskoalition<br />

einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn eine<br />

Absage erteilt und sich klar zur Tarifautonomie<br />

bekannt. Dementsprechend war die Entscheidung<br />

folgerichtig, dass zukünftig alle Mindestlohnverordnungen<br />

nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz<br />

(AEntG) nur unter Beteiligung des Tarifausschusses<br />

zustande kommen sollen. Damit wird in<br />

der Praxis der Zustand wiederhergestellt, der bis<br />

1998 geltendes Recht war. Die begrüßenswerte<br />

Stärkung der Rolle des Tarifausschusses hat die<br />

BDA dazu veranlasst, die Kriterien nochmals klarzustellen,<br />

nach denen den Arbeitgebervertretern<br />

im Tarifausschuss die Zustimmung zu Anträgen<br />

empfohlen werden kann.<br />

Bundesverwaltungsgericht stärkt Rechtsschutz gegen die staatliche<br />

Erstreckung von Tarifverträgen<br />

Nach zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) wird das BMAS bzw. die entsprechenden<br />

Landesministerien zukünftig stärker darauf achten müssen, dass bei der Allgemeinverbindlicherklärung<br />

(AVE) von Tarifverträgen nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG) und Erlass einer Verordnung<br />

nach dem AEntG die gesetzlichen Vorgaben genau beachtet werden.<br />

Das BVerwG hatte am 28. Januar <strong>2010</strong> (8 C 19.09) die bereits von den Vorinstanzen festgestellte<br />

Rechtswidrigkeit der Postmindestlohn-Verordnung bestätigt. Nach Auffassung des Gerichts waren die<br />

Rechtspositionen der Kläger (mehrere private Konkurrenten der Post und deren Verbände) im Rahmen<br />

des Verordnungsverfahrens nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das Gericht betonte, dass für den<br />

Erlass einer Mindestlohnverordnung nach dem AEntG der Beteiligung der Betroffenen wegen des Verzichts<br />

auf weiter gehende inhaltliche oder formelle Vorgaben ein besonderes Gewicht zukomme. Insbesondere<br />

wegen der unmittelbaren und tief greifenden Wirkung einer Rechtsverordnung im Hinblick auf<br />

verfassungsrechtlich geschützte Positionen der Betroffenen sei diese von besonderer Bedeutung.<br />

Da die Verordnung bereits an formalen Fehlern litt, musste sich das Gericht nicht mit den massiven Folgen<br />

dieser Monopolsicherungsverordnung auseinandersetzen: Der Postmindestlohn hatte bereits kurz<br />

nach seinem Erlass tausende Arbeitsplätze gekostet. Vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags ist<br />

davon auszugehen, dass Branchenmindestlöhne nur noch staatlich verordnet werden können, wenn der<br />

paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzte Tarifausschuss zustimmt. Die Arbeitgeber<br />

werden einem neuen gegen Wettbewerb und Beschäftigung gerichteten Postmindestlohn jedenfalls<br />

nicht zustimmen.<br />

In einer zweiten Entscheidung hat das BVerwG am gleichen Tag betroffenen Arbeitgebern die Möglichkeit<br />

eingeräumt, mit einer Feststellungsklage unmittelbar gegen die AVE von Tarifverträgen nach dem<br />

TVG vorzugehen (8 C 38.09). Damit ist die bisher umstrittene Frage geklärt, ob und mit welcher Klageart<br />

Arbeitgeberverbände Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch nehmen und die AVE<br />

inhaltlich überprüfen lassen können.<br />

86<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik


Branchenmindestlöhne weiterhin Ausnahmeinstrument<br />

Branche Laufzeit Mindestentgelt in €/Stunde<br />

West<br />

Ost<br />

Abfallwirtschaft inklusive Straßenreinigung<br />

und Winterdienst<br />

01.01.11–31.08.11 8,24<br />

Bauhauptgewerbe 01.09.10–30.06.11 ML I: 10,90<br />

ML II: 12,95<br />

01.07.11–30.11.11 ML I: 11,00<br />

ML II: 13,00<br />

9,50<br />

9,75<br />

Bergbauspezialarbeiten auf<br />

Steinkohlebergwerken<br />

24.10.09–31.12.10 ML I: 11,17<br />

ML II: 12,41<br />

Dachdeckerhandwerk 19.03.10–31.12.10 10,60<br />

01.01.11–31.12.11 10,80<br />

Elektrohandwerk 01.01.11–31.12.11 9,70 8,40<br />

01.01.12–31.12.12 9,80 8,65<br />

01.01.13–31.12.13 9,90 8,85<br />

Gebäudereinigerhandwerk 10.03.10–31.12.10 ML I: 8,40<br />

ML II: 11,13<br />

01.01.11–31.12.11 ML I: 8,55<br />

ML II: 11,33<br />

Maler- und Lackiererhandwerk 01.09.10–30.06.11 ML I: 9,50<br />

ML II: 11,50<br />

01.07.11–29.02.12 ML I: 9,75<br />

ML II: 11,75<br />

ML I: 6,83<br />

ML II: 8,66<br />

ML I: 7,00<br />

ML II: 8,88<br />

9,50<br />

9,75<br />

Pflegedienste<br />

(Altenpflege)<br />

01.08.10–31.12.11 8,50 7,50<br />

01.01.12–30.06.13 8,75 7,75<br />

01.07.13–31.12.14 9,00 8,00<br />

Wach- und Sicherheitsgewerbe<br />

(Antrag gestellt)<br />

regional differenzierte Mindestlöhne<br />

01.01.11–30.04.11 6,53–8,46 6,25–6,53<br />

01.05.11–29.02.12 6,53–8,60<br />

01.03.12–31.12.12 7,00–8,75<br />

01.01.13–30.06.13 7,50–8,90<br />

Wäschereidienstleistungen<br />

im Objektkundengeschäft<br />

01.04.10–31.03.11 7,65 6,50<br />

01.04.11–31.03.12 7,80 6,75<br />

01.04.12–31.03.13 8,00 7,00<br />

Quelle: BDA-Tarifarchiv<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik 87


Vorrang der Tarifautonomie vor staatlicher Lohnfestsetzung – Grundsätze<br />

der Arbeitgeber zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und<br />

zur Anwendung des Arbeitnehmer-Entsende- und Mindestarbeitsbedingungengesetzes<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA, 18. Januar <strong>2010</strong> (Auszug)<br />

2. Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen als Ausnahmeinstrument<br />

Das BDA-Präsidium empfiehlt den Arbeitgebervertretern im paritätisch besetzten Tarifausschuss, einem<br />

Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit von Mindestlohntarifverträgen grundsätzlich zuzustimmen, wenn die<br />

geltenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und<br />

• beide Tarifvertragsparteien die Allgemeinverbindlichkeit des Mindestlohntarifvertrags wollen,<br />

• es sich bei dem tarifvertraglich vereinbarten Mindestlohn um die unterste Lohngruppe handelt,<br />

• eine beträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern der Branche erheblich unter den jeweils geltenden<br />

Tariflöhnen beschäftigt wird,<br />

• der Mindestlohn auch im Verhältnis zu anderen, vergleichbaren Branchen nicht überdurchschnittlich<br />

hoch ist und<br />

• durch die Allgemeinverbindlichkeit keine in der Branche konkurrierenden Tarifverträge verdrängt<br />

werden.<br />

3. Anwendung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf Entsendeprobleme beschränken und<br />

Missbrauch unterbinden<br />

Die Aufnahme weiterer Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz kann in Betracht kommen, wenn<br />

unerwünschte soziale Verwerfungen durch Entsendearbeitnehmer nachgewiesen sind und ein Mindestlohntarifvertrag<br />

besteht, der zuvor nach den Regeln des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich<br />

erklärt wurde. Diese Situation kann für vereinzelte Branchen entstehen, wenn ab dem 1. Mai 2011 die<br />

volle Freizügigkeit für die Arbeitnehmer aus den EU-Mitgliedsländern Mittel- und Osteuropas besteht.<br />

Für die Arbeitgeber beurteilen sich auch Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) aus Branchen<br />

des Entsendegesetzes nach den gleichen Maßstäben wie AVE-Anträge aus anderen Branchen. Es gelten<br />

daher auch für das Verfahren nach dem Entsendegesetz die unter 2. aufgestellten Grundsätze, wobei<br />

die jeweilige Entsendeproblematik in der betreffenden Branche zu berücksichtigen ist.<br />

4. Keine Anwendung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes<br />

Das Mindestarbeitsbedingungengesetz ist – aus guten Gründen – von keiner Bundesregierung jemals<br />

angewandt worden. Die BDA sieht auch in Zukunft keinen Sinn darin, dieses Gesetz anzuwenden. Wir<br />

wenden uns gegen jede Form staatlicher Lohnfestsetzung. Der Staat sollte sich aus der Lohngestaltung<br />

heraushalten. Anders als in anderen europäischen Ländern mit z. T. gesetzlichen Mindestlöhnen gibt es<br />

in der Bundesrepublik Deutschland eine funktionierende Tarifautonomie, ein gesetzlich garantiertes Mindesteinkommen<br />

und schon heute einen gesetzlichen Schutz vor sittenwidrigen Löhnen.<br />

88<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik


Erstmals hatte der Tarifausschuss beim Gebäudereiniger-<br />

und Dachdeckerhandwerk Gelegen -<br />

heit, entsprechend der Festlegung der Regierungskoalition<br />

auch im Rahmen des Verordnungsverfahrens<br />

nach dem AEntG sein Votum<br />

abzugeben. Unter Berücksichtigung der besonderen<br />

Situation in diesen Branchen konnte der Tarifausschuss<br />

in beiden Fällen zustimmen. Die neue<br />

Mindestlohnverordnung für die Gebäudereinigung<br />

ist am 10. März <strong>2010</strong> und die für das Dachdeckerhandwerk<br />

am 19. März <strong>2010</strong> in Kraft getreten.<br />

Für die Pflegebranche hatte der Gesetzgeber<br />

vor dem Hintergrund der unter besonderem<br />

verfassungsrechtlichem Schutz stehenden spezifischen<br />

kirchenrechtlichen Regelungen des<br />

„Dritten Weges“ Sonderregelungen im AEntG<br />

geschaffen. Die auf dieser Basis unter Beteiligung<br />

des Arbeitgeberverbands Pflege eingerichtete<br />

Pflegekommission konnte sich nach intensiven<br />

Verhandlungen einstimmig auf die Festsetzung<br />

von Mindestentgelten verständigen. Dabei wurde<br />

sichergestellt, dass keine in der Branche bestehenden<br />

Tarifverträge außer Kraft gesetzt wurden.<br />

Die vom BMAS daraufhin erlassene Verordnung<br />

trat zum 1. August <strong>2010</strong> in Kraft und gilt bis zum<br />

31. Dezember 2014. Sie sieht Mindestentgelte<br />

in Höhe von 8,50 € (West, inklusive Berlin) und<br />

7,50 € (Ost) vor, die ab Juli 2013 auf 9 € (West)<br />

und 8 € (Ost) ansteigen. Die Verordnung gilt für<br />

Pflegebetriebe, die überwiegend ambulante Krankenpflegeleistungen<br />

für Pflegebedürftige erbringen,<br />

und Arbeitnehmer, die Grundpflegedienstleistungen<br />

durchführen.<br />

Für den Bereich der Aus- und Weiterbildung<br />

hat das BMAS dem Antrag auf Erlass einer Mindestlohnverordnung<br />

inzwischen eine Absage<br />

erteilt. Die Arbeitgebervertreter im Tarifausschuss<br />

hatten den entsprechenden Antrag bereits im<br />

August 2009 wegen fehlender rechtlicher Voraussetzungen<br />

abgelehnt. So gab es erhebliche Zweifel<br />

an der Wirksamkeit des Tarifvertrags, der in einer<br />

Art „In-sich-Geschäft“ zwischen den Gewerkschaften<br />

und einem von deren Unternehmen dominierten<br />

Zweckverband abgeschlossen worden war.<br />

Zudem fehlte dem Tarifvertrag die notwendige<br />

Repräsentativität, da die in der Zweckgemeinschaft<br />

organisierten Unternehmen nur einen Bruchteil der<br />

Beschäftigten der beruflichen Aus- und Weiterbildungsbranche<br />

beschäftigen. Diesen Bedenken hat<br />

sich nun wohl auch das BMAS angeschlossen und<br />

den Antrag zu Recht abgelehnt.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen A–Z > Arbeitnehmer-Entsendegesetz<br />

sowie Allgemeinverbindlicherklärung<br />

Kein gesetzlicher Mindestlohn<br />

durch die Hintertür<br />

Auf Landesebene zeigt sich die Tendenz, die<br />

Spielräume für gesetzliche Lohnvorgaben im<br />

Bereich der öffentlichen Vergabe auszureizen.<br />

Zunehmend beschränken sich die Bundesländer<br />

nicht auf die notwendigen Korrekturen der<br />

vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) 2008 für<br />

europarechtswidrig erklärten früheren Tariftreueklauseln.<br />

Statt die richtigen Lehren zu ziehen und<br />

verzerrende Eingriffe in die Wirtschaftsordnung<br />

ganz zu unterlassen, gehen einige Landesgesetzgeber<br />

wieder deutlich über die vom EuGH<br />

gesteckten Grenzen hinaus und sehen teilweise<br />

sogar die Verpflichtung zur Einhaltung von Mindestlöhnen<br />

vor. In der Diskussion sind vergabespezifische<br />

Mindestlöhne von 7,50 € bis sogar<br />

10 €. Durch Rechtsverordnung, teilweise auch<br />

unter Mitwirkung einer Mindestlohnkommission,<br />

soll zudem eine regelmäßige Anpassung dieses<br />

Vergabemindestlohns möglich sein.<br />

Über den Umweg des Vergaberechts wird<br />

damit versucht, einem flächendeckenden Mindestlohn<br />

Vorschub zu leisten. Dabei ist das Vergaberecht<br />

nicht vorgesehen und auch nicht geeignet<br />

zur Durchsetzung von allgemeinen politischen,<br />

sozialen oder gesellschaftspolitischen Zielen.<br />

Zudem begegnen die aktuellen Entwicklungen verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken. Die Festsetzung<br />

von Löhnen ist Sache der Tarifvertragsparteien. Mit<br />

vergaberechtlichen Mindestlohnregelungen greift<br />

der Landesgesetzgeber massiv in den durch Art. 9<br />

Abs. 3 GG geschützten Bereich der Koalitionen<br />

ein. Auch auf Landesebene gilt der Vorrang der<br />

Tarifautonomie vor staatlicher Lohnfestsetzung.<br />

Schließlich missachten vergabespezifische Mindestlohnregelungen<br />

auf Landesebene, dass der<br />

Bundesgesetzgeber bereits abschließend Regelungen<br />

zu Mindestlöhnen erlassen hat. Bei dem<br />

Mindestarbeitsbedingungengesetz, dem TVG und<br />

dem AEntG handelt es sich um ein Gesamtkonzept,<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik 89


mit dem die Möglichkeiten zur Regelung von Mindestlöhnen<br />

und die Erstreckung von Tarifverträgen<br />

auf Dritte umfassend geregelt werden sollten. Die<br />

aufgeführten Gesetze erlauben bewusst keinen<br />

generellen branchenübergreifenden Mindestlohn,<br />

was dem Landesgesetzgeber keinen Spielraum<br />

belässt.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen A–Z > Mindestlohn<br />

Rechtsprechung zu Flashmob<br />

mit Verfassungsbeschwerde<br />

angegriffen<br />

Die Diskussion über die Zulässigkeit von sog.<br />

Flashmob-Aktionen geht auf verfassungsrechtlicher<br />

Ebene weiter. In seiner Entscheidung vom<br />

22. September 2009 (1 AZR 972/08) hatte das<br />

BAG entschieden, dass gewerkschaftlich organisierte<br />

Aktionen, bei denen die Teilnehmer durch<br />

den koordinierten Kauf von Kleinstartikeln oder<br />

das Stehenlassen von vollen Einkaufswagen in<br />

einem Einzelhandelsgeschäft ihren Tarifforderungen<br />

Nachdruck verleihen wollen, von der Arbeitskampffreiheit<br />

gedeckt und auch verhältnismäßig<br />

sind. Der Handelsverband Berlin-Brandenburg<br />

hat gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde<br />

eingelegt, in deren Rahmen auch die BDA<br />

gegenüber dem Bundesverfassungsgericht Stellung<br />

bezogen hat. Im Fokus stand dabei, dass<br />

den Arbeitgebern entgegen der Auffassung des<br />

BAG keine wirksamen Gegenmaßnahmen zur<br />

Verfügung stehen. Weiter wurde darauf hingewiesen,<br />

dass die für den Flashmob charakteristische<br />

Einbeziehung von Dritten und insbesondere<br />

die damit einhergehende Abkopplung vom<br />

Arbeitsverhältnis gerade zu einer Paritätsstörung<br />

zu Lasten des Arbeit gebers führt. Zudem ist die<br />

erhebliche Eigentums- und Besitzstörung durch<br />

den Flashmob nicht ausreichend gewürdigt worden.<br />

Schließlich hat die BDA auch betont, dass<br />

es nicht Aufgabe des BAG ist, innere Schwächen<br />

der Gewerkschaften auszugleichen.<br />

90 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Tarifpolitik


Mit neuen Bildungskonzepten den<br />

Herausforderungen begegnen<br />

Der strukturelle Fachkräftemangel, der die Wettbewerbs-<br />

und Innovationsfähigkeit Deutschlands<br />

heute schon und künftig verstärkt gefährdet, wird<br />

durch Defizite in allen Stufen des Bildungssystems<br />

und durch den demografischen Wandel gravierend<br />

verschärft.<br />

Neben einem zukunftsfesten, arbeitsmarktorientierten<br />

Zuwanderungskonzept zur gezielten<br />

Anwerbung jetzt benötigter Fachkräfte und der<br />

Fortsetzung der heute schon auf hohem Niveau<br />

von den Unternehmen geleisteten betrieblichen<br />

Aus- und Weiterbildung bedarf es tief greifender<br />

Reformen im Bildungssystem zur Förderung der<br />

Ausbildungsreife von Jugendlichen, einer Erhöhung<br />

der Zahl der Hochschulabsolventen, insbesondere<br />

auch durch eine größere Durchlässigkeit<br />

für beruflich Qualifizierte ohne Abitur, und einer<br />

Stärkung der MINT-Bildung (Mathematik, Informatik,<br />

Naturwissenschaft und Technik) in allen<br />

Bildungsstufen.<br />

Der erforderliche Ausbau des Kindergartens<br />

zur ersten Stufe des Bildungssystems mit systematischer<br />

Sprachförderung und die bedarfsgerechte<br />

Ausweitung der Ganztagsschule zur individuellen<br />

und systematischen Förderung aller Schüler und<br />

Schülerinnen bis zur Ausbildungsreife sind nur zu<br />

realisieren, wenn die demografische Rendite, die<br />

sich rechnerisch aus rückläufigen Schülerzahlen<br />

ergibt, im Bildungssystem verbleibt. Es werden<br />

mehr und umfassender qualifizierte Erzieher und<br />

Lehrer gebraucht, die leistungsorientiert bezahlt<br />

werden. Den Schulen muss mehr Selbstständigkeit,<br />

Finanz- und Personalverantwortung eingeräumt<br />

werden, um Profil entwickeln und sich im<br />

Wettbewerb verbessern zu können.<br />

Dem Fachkräftemangel<br />

entgegenwirken<br />

Gut qualifizierte Mitarbeiter sind die entscheidende<br />

Voraussetzung dafür, dass Deutschland langfristig<br />

wettbewerbs- und innovationsfähig bleibt.<br />

Insbesondere der Mangel an Nachwuchs in den<br />

MINT-Qualifikationen verschärft sich und erweist<br />

sich jetzt schon und mit zunehmender Tendenz<br />

als Wachstums- und Innovationsbremse. Wenn<br />

wir dem Fachkräftemangel jetzt nicht entschieden<br />

entgegenwirken, droht die schon heute bestehende<br />

MINT-Lücke sehr bald den Höchststand von<br />

rd. 150.000 fehlenden MINT-Fachkräften aus dem<br />

vergangenen Aufschwung noch zu übertreffen.<br />

Die Zahl der offenen Stellen im MINT-Segment<br />

wird regelmäßig auf Basis einer vom Institut<br />

der deutschen Wirtschaft Köln (IW) empirisch<br />

erhobenen Meldequote hochgerechnet. Stellt<br />

man diese der Zahl an Arbeitsuchenden mit entsprechenden<br />

Qualifikationen gegenüber, ergibt<br />

sich bereits jetzt ein Fachkräfteengpass von rd.<br />

84.000 Personen, rd. die Hälfte davon in Ingenieurberufen.<br />

Der Fachkräftemangel bei Ingenieuren,<br />

Naturwissenschaftlern, Informatikern und<br />

Technikern ist in Deutschland kein konjunkturelles,<br />

sondern ein strukturelles Problem, das selbst<br />

während der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland<br />

fortbestand. Allein für altersbedingt ausscheidende<br />

Fachkräfte braucht die deutsche Wirtschaft<br />

jährlich 50.000 bis 60.000 Nachwuchskräfte.<br />

Weitere rd. 50.000 MINT-Professionals jährlich<br />

brauchen die Unternehmen, um zu expandieren.<br />

Die zu erwartende Zahl an Hochschulabsolventen<br />

kann diesen hohen Bedarf bei Weitem nicht<br />

decken. Nach Prognosen des IW ergibt sich aus<br />

diesem Missverhältnis zwischen MINT-Absolventenzahl<br />

und MINT-Bedarf bis 2020 eine Lücke von<br />

über 230.000 Personen.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Fachkräftesicherung“<br />

Naturwissenschaftlich-technische<br />

Bildung stärken<br />

Quantität und Qualität des MINT-Unterrichts an<br />

Schulen verbessern, noch mehr junge Menschen<br />

für MINT begeistern und das Bewusstsein für<br />

die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung<br />

von MINT erhöhen – das sind Hauptziele<br />

der bildungspolitischen Initiative „MINT Zukunft<br />

schaffen“ von BDA und BDI und zahlreichen Partnerinitiativen<br />

der Unternehmen und Verbände<br />

(www. mintzukunftschaffen.de) mit Partnern aus<br />

Politik und Wissenschaft. Um den Fachkräftebedarf<br />

94<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


im MINT-Bereich mittelfristig zu decken, muss die<br />

naturwissenschaftlich-technische Bildung gestärkt<br />

und zukunftsfähig gestaltet werden. Wir brauchen<br />

insgesamt mehr und besseren MINT-Unterricht.<br />

Auf dem Weg dorthin ist es inhaltlich ein zentrales<br />

Moment und politisch ein unverzichtbares Signal,<br />

dass alle Schulen, die daran interessiert sind,<br />

eine MINT-freundliche Schule zu werden, von der<br />

Wirtschaft ein entsprechendes Angebot erhalten.<br />

Die Initiative „MINT Zukunft schaffen“ erhält<br />

daher einen neuen, zusätzlichen Handlungsschwerpunkt:<br />

Weiterführende Schulen können<br />

von den Partnern der Initiative nach bestimmten<br />

verabredeten Mindeststandards als „MINT-freundliche<br />

Schule“ anerkannt und ausgezeichnet werden.<br />

Neben der bereits bestehenden Markierung<br />

und Förderung von Best-Practice-Schulen mit<br />

großer Strahlkraft, wie sie insbesondere durch die<br />

Initiative MINT-EC von Gesamtmetall vorgenommen<br />

wird, ist es hierbei das Ziel, möglichst alle<br />

weiterführenden Schulen in den Prozess einzubeziehen,<br />

die willens und auf dem Weg sind, eine<br />

„MINT-freundliche Schule“ zu werden.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

„MINT Zukunft schaffen“<br />

Akademiker: der Millionenbedarf<br />

So viele Hochschulabsolventen werden in Deutschland gebraucht<br />

<strong>2010</strong>–2014<br />

660.000 605.000 1.265.000<br />

2015–2019<br />

765.000 595.000 1.360.000<br />

2020–2024<br />

860.000<br />

500.000<br />

1.360.000<br />

0 300.000 600.000<br />

900.000 1.200.000 1.500.000 Anzahl<br />

aufgrund der demografi schen Entwicklung<br />

aufgrund struktureller Veränderungen<br />

insgesamt<br />

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, <strong>2010</strong><br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 95


MINT-Botschafterkonferenz<br />

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und<br />

Technik können anschaulich und spannend<br />

sein – wie es gelingt, für MINT zu faszinieren, und<br />

wie die mittlerweile über 3.600 MINT-Botschafter<br />

ihr Engagement gestalten, wurde auf der MINT-<br />

Botschafterkonferenz am 4. November <strong>2010</strong> im<br />

Haus der Deutschen Wirtschaft präsentiert und<br />

mit über 200 Teilnehmern diskutiert. Auf dem<br />

Marktplatz der Möglichkeiten präsentierten Partner<br />

der MINT-Initiative ihre MINT-Ideen sowie<br />

Einstiegsmöglichkeiten und Karrierewege in MINT-<br />

Berufen.<br />

In ihrer Video-Grußbotschaft an die Konferenz<br />

unterstrich Bundeskanzlerin Dr. Angela<br />

Merkel die Notwendigkeit, Kinder bereits früh die<br />

Faszination naturwissenschaftlicher Phänomene<br />

hautnah erleben zu lassen. Sie begrüße es<br />

sehr, dass die Initiative „MINT Zukunft schaffen“<br />

die verschiedenen Ansätze der MINT-Förderung<br />

bündle. Alle Beteiligten, von den Kindern und<br />

Jugendlichen selbst über die Wirtschaft bis hin<br />

MINT-Fachkräfte fehlen selbst in Krisenzeiten<br />

Entwicklung der bundesweiten MINT-Fachkräftelücke<br />

Anzahl<br />

200.000<br />

160.000<br />

120.000<br />

80.000<br />

40.000<br />

0<br />

Aug<br />

2000<br />

Aug<br />

2001<br />

Aug<br />

2002<br />

Aug<br />

2003<br />

Aug<br />

2004<br />

Aug<br />

2005<br />

Aug<br />

2006<br />

Aug<br />

2007<br />

Aug<br />

2008<br />

Aug<br />

2009<br />

Aug<br />

<strong>2010</strong><br />

MINT gesamt<br />

Ingenieure<br />

Datenverarbeitungsfachleute<br />

Techniker<br />

Naturwissenschaftler<br />

Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln auf Basis von Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit, <strong>2010</strong>; IW-Zukunftspanel, 2009<br />

96<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


zur Wissenschaft, profitierten davon. Die MINT-<br />

Botschafter wüssten am besten, wie man Kindern<br />

und Jugendlichen naturwissenschaftliche und<br />

technische Fragen nahebringen könne, und fungierten<br />

dabei als Vorbilder.<br />

Herausragende Botschafteraktivitäten wurden<br />

mit dem erstmals verliehenen MINT-Botschafterpreis<br />

ausgezeichnet. Der erste Preis ging an<br />

Alexander Heinrich, Bundessprecher „junge Deutsche<br />

Physikalische Gesellschaft“ (jDPG) in Bad<br />

Honnef. „Mathemacherin“ Carla Cederbaum vom<br />

Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-<br />

Einstein-Institut, AEI) und Dr. Renate Puchta, u. a.<br />

Autorin naturwissenschaftlichen Lehrmaterials für<br />

Kinder, folgen auf den Plätzen 2 und 3.<br />

Thomas Sattelberger, Vorsitzender der Initiative<br />

„MINT Zukunft schaffen“ und Personalvorstand<br />

der Deutschen Telekom AG, zeigte sich<br />

beeindruckt, wie die insgesamt zwölf ausgezeichneten<br />

MINT-Botschafter insbesondere Mädchen<br />

und Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />

in Schule und Ausbildung für MINT begeistern.<br />

Jeder fehlende Experte mit naturwissenschaftlich-technischem<br />

Hintergrund, so Sattelberger,<br />

bedeute einen volkswirtschaftlichen Schaden<br />

von 230.000 € pro Jahr. Daher sei es dringend<br />

notwendig, die Zahl der Studierenden insgesamt<br />

und vor allem in MINT-Fächern erheblich zu erhöhen.<br />

Beruflich Qualifizierten wie etwa einem studierwilligen<br />

Mechatroniker den Zutritt zur Uni zu<br />

erschweren kritisierte er als schlicht fahrlässig<br />

und volkswirtschaftlich unvernünftig.<br />

Arbeitgeberpreis für Bildung <strong>2010</strong><br />

verliehen<br />

Die deutschen Arbeitgeber engagieren sich seit<br />

Jahrzehnten mit eigenen Konzepten für bessere<br />

Bildung in Deutschland. Der Deutsche Arbeitgeberpreis<br />

für Bildung spielt dabei eine herausragende<br />

Rolle. Im Jahr <strong>2010</strong> wurde er bereits zum<br />

elften Mal an vorbildliche Bildungseinrichtungen<br />

vergeben.<br />

Stiftung der Deutschen Wirtschaft: Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit<br />

Die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) trägt zur Bildungsgerechtigkeit in Deutschland bei. Dies ist<br />

das Fazit des Jahres <strong>2010</strong>. Es war von wissenschaftlich belegten Erfolgen im Übergangsmanagement<br />

von der Schule zur weiterführenden Schule, in die Ausbildung oder in ein Studium geprägt. Im Hauptschüler-Programm<br />

„Zeig, was Du kannst!“ z. B. haben 46 % der Teilnehmer im direkten Anschluss an die<br />

Schule den Sprung in eine Ausbildung geschafft. Im Bundesdurchschnitt gelingt dies nur 25 % der Hauptschüler.<br />

37 % wollen auf einer weiterführenden Schule einen höheren Abschluss erreichen. Überdurchschnittlich<br />

viele Abiturienten führte das Programm „MINToring“ in ein MINT-Studium. 75 % der Teilnehmer<br />

haben sich dazu entschlossen, zum Wintersemester <strong>2010</strong>/2011 oder nach Zwischenstationen wie Wehroder<br />

Zivildienst ein MINT-Studium aufzunehmen. Dass familiäre Bildungstraditionen beeinflussbar sind,<br />

bewies auch der „Studienkompass“. Er richtet sich an angehende Abiturienten aus nichtakademischen<br />

Elternhäusern. Hier haben 93 % der Teilnehmer die feste Absicht, ein Studium zu beginnen. Bundesweit<br />

sind es aus dieser Zielgruppe lediglich 24 %.<br />

Als Vorstandsvorsitzender verabschiedet wurde Dr. Klaus Murmann, Namensgeber des Studienförderwerks<br />

der sdw und Ehrenpräsident der BDA. Er trug in seinem 13-jährigen Engagement maßgeblich zur<br />

Entwicklung der Stiftung bei: Sie begann ihre operative Arbeit 1995 mit 21 Stipendiaten, heute sind es<br />

1.650. Mit diesen nahmen im Jahr <strong>2010</strong> über 4.000 junge Menschen an ihren Programmen teil. Nachfolger<br />

ist der Unternehmer Ingo Kramer, Präsident der Unternehmensverbände im Lande Bremen und<br />

Präsidiumsmitglied der BDA.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 97


Unter dem Motto „Startchancen verbessern –<br />

individuell fördern“ wurde der Preis in diesem Jahr<br />

in Kooperation mit Telekom und Deutscher Bahn<br />

verliehen. Die Expertenjury hat Lernkonzepte ausgewählt,<br />

die jungen Menschen mit unterschiedlichen<br />

Talenten und Förderbedarfen eine optimale<br />

Unterstützung bieten. Gerade für diejenigen mit<br />

schlechten Startchancen sollen die Weichen für<br />

ihre Bildungsbiografie positiv gestellt werden. Die<br />

Preisträger sind:<br />

• Kategorie „Frühkindliche Bildung“:<br />

Evangelische Kindertageseinrichtung<br />

Melsbach (Rheinland-Pfalz)<br />

• Kategorie „Schule“:<br />

Hessenwaldschule Weiterstadt<br />

• Kategorie „Berufsschule“:<br />

Berufsbildende Förderschule<br />

„Robert Blum“ Leipzig<br />

• Kategorie „Hochschule“:<br />

Fachhochschule Gelsenkirchen<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Initiativen > Arbeitgeberpreis für Bildung sowie<br />

unter www.mediathek.arbeitgeber.de<br />

Reformen der frühkindlichen<br />

Bildung voranbringen<br />

Im Februar <strong>2010</strong> führte die BDA eine Umfrage unter<br />

den Ministerien durch, die auf Bundes- und Landesebene<br />

für frühkindliche Bildung zuständig sind.<br />

Sie wurden um ihre Einschätzung gebeten, wie es<br />

im Zusammenhang mit dem Kinderförderungsgesetz<br />

um die Reformen in den Bundesländern steht.<br />

Viele Länder erkennen einen wachsenden Bedarf<br />

an akademisch ausgebildeten Frühpädagogen und<br />

erhöhen die Anzahl der Studienplätze oder richten<br />

neue Studiengänge ein. Die Nachfrage nach<br />

Betreuungsplätzen entwickelt sich regional sehr<br />

unterschiedlich – gerade in den neuen Bundesländern<br />

liegt das Angebot oft schon weit über den bundesweit<br />

angestrebten 35 %. Wo ein Betreuungsgeld<br />

thematisiert wird, lässt sich der zukünftige Bedarf<br />

besonders schwer abschätzen. Des Weiteren zeigten<br />

sich als Handlungsfelder, dass Zusatzqualifikationen<br />

des Personals im MINT-Bereich erfasst,<br />

die Sprachförderung verstärkt und Öffnungszeiten<br />

bedarfsgerecht gestaltet werden sollen.<br />

Selbstständige Schule –<br />

Kernthema der Wirtschaft<br />

Die deutsche Wirtschaft sieht im Leitbild der<br />

Selbstständigen Schule den entscheidenden<br />

Hebel für eine Qualitätsverbesserung der nach wie<br />

vor viel zu oft unzureichenden Schulleistungen.<br />

Im internationalen Vergleich sind solche Schulsysteme<br />

erfolgreich, die durch klare Zielvorgaben<br />

und Zielkontrollen einerseits und selbstständige<br />

Einzelschulen andererseits gekennzeichnet<br />

sind. Inzwischen ist die Selbstständige Schule<br />

zwar politischer Konsens in Sonntags reden, aber<br />

noch lange nicht Realität – vielmehr stagniert die<br />

Umsetzung in den Bundesländern.<br />

Die aktuelle Positionierung von BDA und<br />

BDI „Selbstständige Schule – Haushalt und Personalverantwortung<br />

neu gestalten“ schlägt daher<br />

eine Änderung der bestehenden Schulfinanzierung<br />

vor, die den Schulen neue Handlungs- und<br />

Gestaltungsmöglichkeiten gibt und finanzielle<br />

Anreize schafft – auch bei den einzelnen Lehrkräften<br />

–, um die Qualität von Lehren und Lernen<br />

deutlich zu verbessern. Vizepräsident Dr. Gerhard<br />

F. Braun stellte das völlig neue Konzept am<br />

15. April <strong>2010</strong> der Öffentlichkeit mit einem sehr<br />

positiven Presseecho vor. Die Vorschläge sehen<br />

ein Finanzbudget für die einzelne Schule, einen<br />

Sozialindex und ein Sozialbudget für besonders<br />

belastete Schulen sowie eine leistungsorientierte<br />

Besoldung für Lehrkräfte vor.<br />

Diese Positionierung fand viel Zustimmung<br />

bei Bund und Ländern, vor allem auch bei Schulleitungen;<br />

mehrere Gespräche mit Politikern<br />

fanden dazu statt. Das Thema „Selbstständige<br />

Schule“ bleibt das schulpolitische Kernanliegen<br />

der Arbeitgeber, das sie gegenüber den Kultusministerien<br />

wie der Bildungsverwaltung vor allem<br />

in den Landesverbänden, aber auch auf Bundesebene<br />

mit Tagungen und weiteren Gesprächen<br />

mit Entscheidungsträgern sowie im Netzwerk<br />

SCHULEWIRTSCHAFT weiter vorantreiben.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Schulpolitik“<br />

98<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


BDA/BDI-Position „Selbstständige Schule – Haushalt und Personalverantwortung<br />

neu gestalten“<br />

• Schulen erhalten ein Finanzbudget, das sich an Zahl und Förderbedarf ihrer Schüler orientiert. Es<br />

ersetzt die bisherige komplexe und intransparente Form der Ausstattung durch Lehrerstellen und<br />

zweckgebundene Zuschläge.<br />

• Schulen entscheiden selbstständig, wie sie das Finanzbudget nach ihrem Bedarf einsetzen – welches<br />

pädagogische Personal sie einstellen, welche Zusatzmaßnahmen sie angehen –, und können<br />

so auf den individuellen Förderbedarf ihrer Schüler zielgerichteter eingehen.<br />

• Die Ziele der Schule orientieren sich an den Bildungsstandards und Qualitätsrahmen der Länder<br />

sowie am eigenen Profil. Bei der regelmäßigen Evaluation wird Rechenschaft über die Verwendung<br />

des Finanzbudgets gegeben. Schulleitungen brauchen für diese neuen Aufgaben entsprechende<br />

Qualifizierung und Unterstützung.<br />

• Schulen stehen vor höchst unterschiedlichen Herausforderungen, je nachdem, was ihre Schüler<br />

an Lernvoraussetzungen mitbringen. In Deutschland prägt vor allem die soziale Lage die Bildungschancen<br />

der Kinder. Schulen mit hohen Anteilen sozial schwacher Schüler können weniger voraussetzen<br />

und müssen die Startnachteile ausgleichen. Mit dem Sozialindex wird die soziale Lage der<br />

Schüler erfasst und daraus ein Sozialbudget errechnet, das besonders belastete Schulen zusätzlich<br />

erhalten.<br />

• Der Sozialindex ist notwendige Voraussetzung, um die Vergleichbarkeit von Schulen herzustellen:<br />

Erst beim Vergleich von Schulen mit ähnlicher Ausgangslage wird die jeweilige pädagogische Leistung<br />

der einzelnen Schule deutlich. Unterschiedliche Erfolge bei gleicher Startposition zeigen, dass<br />

und wo Verbesserungen in der jeweiligen Schule ansetzen müssen.<br />

• Zur Qualitätsverbesserung in der Schule gehört eine leistungsorientierte Lehrerbesoldung. Sie<br />

ermöglicht besonders leistungsfähigen und engagierten Lehrkräften den Erhalt von Zulagen und<br />

Prämien. Zuteilung und Höhe der Prämien ergeben sich aus Zielvereinbarungen von Lehrkräften<br />

und Schulleitung.<br />

• Eine Schule mit Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten wird auch für den Lehrernachwuchs<br />

attraktiv sein und neue, engagierte Lehrkräfte anziehen.<br />

• Mit Angeboten von Unternehmen, Verbänden und Bildungswerken und Aktivitäten im Bereich<br />

SCHULEWIRTSCHAFT unterstützt die Wirtschaft Schulen konkret durch die Vermittlung von Knowhow<br />

im Management, in Qualitätssicherung und Personalführung.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 99


Wettbewerb und Netzwerk<br />

„Starke Schule“<br />

Der Wettbewerb „Starke Schule 2011 – Deutschlands<br />

beste Schulen, die zur Ausbildungsreife<br />

führen“ von BDA, Bundesagentur für Arbeit (BA),<br />

Gemeinnütziger Hertie-Stiftung und Deutsche<br />

Bank Stiftung wurde in diesem Jahr ausgeschrieben<br />

und durchgeführt. Gegenüber 2009 konnte die<br />

Zahl der Bewerbungen von 594 auf 609 gesteigert<br />

werden. In der Jury sind die Arbeitgeber sehr gut<br />

vertreten: Von insgesamt 42 Jurymitgliedern sind<br />

20 von der BDA nominiert worden, dabei 13 Mitglieder<br />

allein aus den Arbeitskreisen SCHULE-<br />

WIRTSCHAFT.<br />

Der Wettbewerb ist nicht Selbstzweck, sondern<br />

dient auch der Gewinnung von Schulen für<br />

ein Netzwerk. Die Schulen erhalten zahlreiche<br />

Möglichkeiten der Fortbildung und Vernetzung.<br />

Die BDA führt die jährliche große Netzkonferenz<br />

im Haus der Deutschen Wirtschaft durch.<br />

Dabei präsentierten im Mai Siegerschulen ihre<br />

Ständig steigende Bewerberzahlen beim Schulwettbewerb<br />

„Starke Schule“<br />

Wettbewerbsbeteiligung 1999 bis 2011<br />

Anzahl der Bewerbungen<br />

700<br />

600<br />

594<br />

609<br />

500<br />

502<br />

400<br />

317<br />

300<br />

200<br />

174<br />

100<br />

88 86<br />

0<br />

Hauptschulpreis<br />

1999<br />

Hauptschulpreis<br />

2001<br />

Hauptschulpreis<br />

2003<br />

Hauptschulpreis<br />

2005<br />

Hauptschulpreis<br />

2007<br />

Starke<br />

Schule<br />

2009<br />

Starke<br />

Schule<br />

2011<br />

Quelle: Gemeinnützige Hertie-Stiftung<br />

100<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


ausgezeichneten Konzepte und stellte die BDA<br />

gemeinsam mit SCHULEWIRTSCHAFT das<br />

Instrument „PROFILehrer“ sowie den Leitfaden<br />

„Berufs orientierung“ vor, der gemeinsam mit der<br />

Bertelsmann Stiftung erarbeitet worden war. Im<br />

Rahmen der Netzkonferenz erhielt „Starke Schule“<br />

<strong>2010</strong> die Auszeichnung „365 Orte – Deutschland<br />

Land der Ideen“. Der Wettbewerb und das<br />

Netzwerk werden wissenschaftlich begleitet und<br />

evaluiert.<br />

Standards zur ökonomischen<br />

Bildung jetzt umsetzen<br />

Die deutsche Wirtschaft fordert schon seit vielen<br />

Jahren eine bessere ökonomische Bildung<br />

an allgemeinbildenden Schulen. Rückendeckung<br />

erhält sie dabei von den Gewerkschaften und<br />

ganz besonders von den Schülern selbst. Deren<br />

Interesse an wirtschaftlichen Themen ist ungebrochen.<br />

Über 70 % der Schüler wünschen sich<br />

ein eigenes Schulfach „Wirtschaft“. Leider ist<br />

ökonomische Bildung in den allgemeinbildenden<br />

Schulen nach wie vor meist nur ein Randthema –<br />

von fachfremden Lehrkräften und bestenfalls in<br />

Fächerverbünden unterrichtet.<br />

Zwei wissenschaftliche Gutachten sollen zu<br />

diesen gesellschaftlich bedeutsamen Zielen beitragen.<br />

Die 17 Mitgliedsverbände des Gemeinschaftsausschusses<br />

der Deutschen Gewerblichen<br />

Wirtschaft, zu denen auch die BDA und der<br />

BDI gehören, gaben sie in Auftrag. Sie definieren,<br />

was Schüler am Ende ihrer Schulzeit über<br />

wirtschaftliche Zusammenhänge wissen müssen<br />

und was das für die Lehrerbildung bedeutet. Am<br />

6. Oktober <strong>2010</strong> wurden diese in einer gemeinsamen<br />

Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

Als Leitidee gilt, dass der ökonomisch gebildete<br />

Mensch seine Interessen in der heutigen<br />

Wirtschaft und Gesellschaft mündig vertreten,<br />

sachkundig urteilen und verantwortlich handeln<br />

kann:<br />

• Als Verbraucher betrifft das erforderliche<br />

ökonomische Wissen etwa Konsumentscheidungen,<br />

Geldanlage oder den Abschluss von<br />

Kredit- und Versicherungsverträgen.<br />

• In seiner Rolle als Erwerbstätiger trifft er Entscheidungen<br />

bezüglich seiner Ausbildung<br />

und der Berufswahl. Unternehmerisches<br />

Denken hilft Selbstständigen ebenso wie<br />

Arbeitgebern oder Arbeitnehmern, die sich im<br />

Interesse ihres Unternehmens einsetzen.<br />

• Schließlich umfasst die Rolle des Wirtschaftsbürgers<br />

seine Eigenschaften als Transferempfänger,<br />

Beitrags- und Steuerzahler, Wähler<br />

und engagierter Bürger.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeit geber.de ><br />

kompakt > „Ökonomische Bildung“ sowie unter<br />

www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Ökonomische<br />

Bildung<br />

Bundesweite Schulbuchanalyse<br />

setzt Schlusspunkt zum Jahresthema<br />

2009/<strong>2010</strong><br />

Wirtschaftliche Zusammenhänge spielen heute<br />

in fast allen Lebensbereichen eine Rolle. Doch<br />

die ökonomischen Kenntnisse vieler junger Menschen<br />

lassen stark zu wünschen übrig. Dem<br />

Nachwuchs sind seine Wissenslücken durchaus<br />

bewusst: Fast drei Viertel der 14- bis 24-Jährigen<br />

interessieren sich für das Thema „Wirtschaft“. Sie<br />

möchten im Unterricht mehr über Wirtschaft erfahren,<br />

als ihnen zurzeit geboten wird.<br />

Mit seinen Aktivitäten und Projekten zum<br />

Jahresthema 2009/<strong>2010</strong> „Ökonomische Bildung<br />

stärken – Schule und Wirtschaft in der Sozialen<br />

Marktwirtschaft“ gab das Netzwerk SCHULE-<br />

WIRTSCHAFT bundesweit vielfältige Impulse. Die<br />

praxisnahen Angebote reichten von Schülerfirmen,<br />

Wirtschaftsplanspielen über Lehrerfortbildungen<br />

und Schülerwettbewerbe bis zur Veröffentlichung<br />

von Unterrichtsmaterialien. Die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

SCHULEWIRTSCHAFT plant die<br />

Einführung eines bundesweiten Wirtschaftsplanspiels<br />

für diese Zielgruppe.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 101


Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse<br />

einer bundesweiten Studie zum Bild von Unternehmern<br />

und Wirtschaft in Schulbüchern im<br />

Dezember <strong>2010</strong> setzt SCHULEWIRTSCHAFT<br />

einen Schlusspunkt zum Jahresthema. Die vom<br />

IW erarbeitete Studie zeigt, dass Unternehmer in<br />

Schulbüchern noch immer eine „Blackbox“ sind,<br />

die nur selten beleuchtet wird. Dabei sind Schulbücher<br />

nach wie vor Leitmedien der Erziehung<br />

und Bildung von Jugendlichen im öffentlichen<br />

Schulsystem. Sie geben offizielles Wissen weiter<br />

und strukturieren – in Anlehnung an Lehrpläne<br />

– den Unterricht. Mit seiner Analyse ging das<br />

IW daher der Frage nach, welche Vorstellungen<br />

von Sozialer Marktwirtschaft in den Schulbüchern<br />

begründet und auf welche Weise darin Unternehmer<br />

als Akteure im Wertschöpfungsprozess<br />

dargestellt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass<br />

die Soziale Marktwirtschaft, ihre Merkmale und<br />

Funktionsweisen in einem Großteil der untersuchten<br />

Schulbücher nicht angemessen dargestellt<br />

werden. Unternehmerische Verantwortung<br />

oder die Bedeutung von Gewinn und Investitionen<br />

werden in Geschichts- und Erdkundebüchern<br />

fast gar nicht angesprochen. Auch kommen<br />

z. B. Unternehmensformen und Arbeitsabläufe in<br />

Unternehmen nur selten vor. Stattdessen werden<br />

Unternehmen meist eingebettet in einen formalen<br />

„Wirtschaftskreislauf“, der Automatismus und<br />

staatliche Lenkung suggeriert: Wirtschaftswachstum<br />

im Allgemeinen, Industrieansiedlung und<br />

Existenzgründung im Besonderen werden so in<br />

der Verantwortung kommunaler oder staatlicher<br />

Stellen gesehen.<br />

Nähere Informationen unter www.schulewirtschaft.de<br />

Erfolgreiche Zusammenarbeit mit<br />

der Bundesagentur für Arbeit<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT<br />

und BA haben im Rahmen ihrer intensivierten<br />

Zusammenarbeit ein Arbeitsmittel für Lehrkräfte<br />

der Sekundarstufe I entwickelt, das ihnen eine<br />

Bewertungs- und Entscheidungshilfe bei der Einschätzung<br />

von Berufsorientierungsangeboten an<br />

die Hand gibt. Zugleich werden die wichtigsten<br />

Erfolgsfaktoren einer gelingenden Berufsorientierung<br />

anschaulich dargestellt. Dazu gehören ein<br />

Berufsorientierungskonzept an der Schule, inhaltliche,<br />

organisatorische und Verfahrenskriterien<br />

sowie Prozesscontrolling, Dokumentation und<br />

Evaluation der Berufsorientierung.<br />

Die Checkliste „Gelungene Berufsorientierung<br />

an Schulen der Sekundarstufe I“ wurde von<br />

Pädagogen, Ausbildungsleitern, Berufsberatern<br />

und Vertretern aus einigen Kultusministerien der<br />

Länder entwickelt und von Lehrkräften an Schulen<br />

der Sekundarstufe I bundesweit erprobt. Pädagogen<br />

können die Checkliste auch herunterladen<br />

und nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen<br />

anpassen. Die Checkliste wurde im November<br />

<strong>2010</strong> veröffentlicht und über die Kultusministerien<br />

allen Schulen der Sekundarstufe I zur Verfügung<br />

gestellt.<br />

Zwischen BA-Vorstand Raimund Becker und<br />

den Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Ulrich Wiethaup und Ernst Baumann fand ein<br />

Gespräch in Nürnberg statt. Darin wurde eine erste<br />

Bilanz der Zusammenarbeit zwischen BA und Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

gezogen sowie die künftigen<br />

Themenfelder und Aktivitäten im Rahmen der<br />

Kooperation abgesteckt.<br />

Nähere Informationen unter www.schulewirtschaft.de.<br />

Positive Bilanz des Projekts<br />

„Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT<br />

Ostdeutschland“<br />

Vor zwei Jahren wurde vom Beauftragten der Bundesregierung<br />

für die neuen Bundesländer zusammen<br />

mit der BDA und SCHULEWIRTSCHAFT<br />

das Projekt „Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT<br />

Ostdeutschland“ gestartet. Unterstützt wurde die<br />

Initiative durch die strategische Partnerschaft mit<br />

der BA und der Deutschen Kreditbank.<br />

Gefördert wurden die regionalen Arbeitskreise<br />

SCHULEWIRTSCHAFT in Ostdeutschland bei<br />

der Entwicklung und Durchführung von Kooperationsprojekten<br />

zwischen Schulen und Unternehmen<br />

mit dem Ziel, Fachkräfte in der Region auszubilden<br />

und zu halten. Das Projekt leistete einen<br />

Beitrag, die praxisbezogene Berufsorientierung<br />

zu verbessern, leistungsstarke Schülerinnen und<br />

102<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


Schüler für die Region zu begeistern, leistungsschwächere<br />

Jugendliche aufzufangen sowie die<br />

Praxisnähe der MINT-Fächer zu fördern.<br />

Am 5. November <strong>2010</strong> wurden die Ergebnisse<br />

des Projekts im Haus der Deutschen Wirtschaft<br />

vorgestellt. Arbeitgeberpräsident Prof.<br />

Dr. Dieter Hundt dankte dem Ehrenamt in den<br />

Arbeitskreisen und den Projektmitarbeitern. Der<br />

Erfolg des Engagements schlug sich u. a. in der<br />

Gründung von mehr als 20 neuen SCHULEWIRT-<br />

SCHAFT-Arbeitskreisen in den zurückliegenden<br />

zwei Jahren nieder. Der Bundesinnenminister<br />

und Beauftragte der Bundesregierung für die<br />

neuen Bundesländer, Dr. Thomas de Maizière,<br />

betonte die Bedeutung der Initiative nach 20 Jahren<br />

Wiedervereinigung vor dem Hintergrund der<br />

rückläufigen demografischen Entwicklung in den<br />

neuen Bundesländern und der Probleme bei<br />

der Sicherung des Fachkräftenachwuchses. Mit<br />

dem Projekt wurde die Arbeit in den regionalen<br />

Arbeitskreisen SCHULEWIRTSCHAFT gestärkt.<br />

Die ehrenamtlichen Akteure wurden ermutigt,<br />

Projekte über eine längere Laufzeit anzugehen<br />

bzw. gute Ansätze zu verstetigen. Ziel ist es, die<br />

Produkte in die Fläche zu tragen und die Netzwerkarbeit<br />

zu vertiefen.<br />

Die entstandenen Produkte, z. B. ein Imagefilm<br />

über die Projektarbeit und eine Netzwerkbroschüre,<br />

sind auf der Projekt-Website verfügbar.<br />

Nähere Informationen unter www.schulewirtschaftostdeutschland.de<br />

Ausbildungsmarkt – Unternehmen<br />

sichern ihren Fachkräftenachwuchs<br />

Bereits zum Ende des Vermittlungsjahres am<br />

30. September konnte eine positive Zwischenbilanz<br />

auf dem Ausbildungsmarkt gezogen werden.<br />

Das ist nicht selbstverständlich. Denn in vielen<br />

Betrieben ist die Entscheidung über Ausbildung<br />

noch im Schatten der Wirtschaftskrise getroffen<br />

worden. Die Unternehmen haben aber gezeigt,<br />

dass sie vorausschauend agieren und selbst<br />

unter schwierigen Rahmenbedingungen an Ausbildung<br />

festhalten, um sich auch mittelfristig Fachkräftenachwuchs<br />

zu sichern.<br />

So haben die Betriebe <strong>2010</strong> 17.200 Ausbildungsplätze<br />

mehr (4,2 %) angeboten als vor<br />

einem Jahr. Die Zahl der Bewerber ist in etwa<br />

konstant geblieben, so dass sich die Chancen<br />

junger Menschen auf Ausbildung weiter verbessert<br />

haben. Zu beachten ist, dass sich die Zahl der<br />

Bewerber regional unterschiedlich entwickelt. In<br />

den neuen Bundesländern ist sie mit 13 % erneut<br />

stark zurückgegangen, in den letzten drei Jahren<br />

hat sie sich sogar halbiert.<br />

Zum 30. September gab es auch wieder – wie<br />

bereits in den beiden Vorjahren – mehr unbesetzte<br />

Ausbildungsplätze als noch unvermittelt gemeldete<br />

Ausbildungsbewerber. Das Angebot überstieg die<br />

Nachfrage um 7.300: Zum 30. September <strong>2010</strong><br />

waren noch 12.300 Bewerber bei den Arbeitsagenturen<br />

als unvermittelt registriert. Ihnen standen<br />

19.600 unbesetzt gemeldete Ausbildungsplätze<br />

gegenüber. Die Aussichten für die Nachvermittlung<br />

waren ausgezeichnet: Dementsprechend<br />

konnte die Zahl der noch unvermittelt gemeldeten<br />

Bewerber bis November weiter auf 8.100 reduziert<br />

werden. Ihnen stehen noch ausreichend Angebote<br />

(über 14.000 unbesetzte Ausbildungsplätze<br />

und offene EQ-Plätze) gegenüber. Eine endgültige<br />

Bilanz der Nachvermittlung wird im Januar 2011<br />

gezogen.<br />

Stabil haben sich auch die Ausbildungsverträge<br />

entwickelt. Insgesamt wurden bis<br />

Ende September 560.070 Ausbildungsverträge<br />

abgeschlossen, ein nur leichtes Minus gegenüber<br />

dem Vorjahr von 0,8 %. Erfreulich ist, dass<br />

bei den betrieblichen Verträgen ein leichtes Plus<br />

(0,1 %) zu verzeichnen ist, das Minus insgesamt<br />

also auf die außerbetrieblichen Plätze zurückzuführen<br />

ist.<br />

Ihre Zusagen aus dem bestehenden Ausbildungspakt<br />

hat die Wirtschaft Ende September z. T.<br />

bereits erfüllt – die Anstrengungen gehen weiter.<br />

So wurden bis zu diesem Zeitpunkt 58.400 neue<br />

Ausbildungsplätze (Zusage: 60.000) sowie 36.200<br />

neue Ausbildungsbetriebe (Zusage: 30.000) eingeworben.<br />

Eine Gesamtbilanz der Paktzusagen wird<br />

im Januar 2011 vorgelegt.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Ausbildungsmarkt“<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 103


Ausbildungspakt – mit neuen<br />

Partnern weiterentwickelt<br />

Der „Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftesicherung“<br />

hat in den letzten Jahren erheblich<br />

dazu beigetragen, die Situation auf dem Ausbildungsmarkt<br />

trotz teilweise schwieriger Rahmenbedingungen<br />

zu verbessern. Der Lenkungsausschuss<br />

Ausbildungspakt hat daher in seiner<br />

Sitzung am 26. Oktober <strong>2010</strong> beschlossen, den<br />

Pakt bis 2014 fortzusetzen und weiterzuentwickeln.<br />

Neue Paktpartner sind die Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) sowie die Integrationsbeauftragte<br />

der Bundesregierung.<br />

Die Wirtschaft hat sich im Zuge der Gespräche<br />

zur Verlängerung intensiv dafür eingesetzt,<br />

dass sich die veränderte Lage auf dem Ausbildungsmarkt<br />

(Bewerberrückgang) im Pakt widerspiegelt<br />

und insgesamt realistische Ziele vereinbart<br />

werden, die mit eigenen Beiträgen der<br />

Paktpartner auch tatsächlich erreichbar sind. Der<br />

Ausbildungspakt wird angesichts rückläufiger<br />

Bewerberzahlen stärker auf die Fachkräftesicherung<br />

und Ausbildungsreife ausgerichtet.<br />

Die Wirtschaft strebt an, pro Jahr 60.000<br />

neue Ausbildungsplätze, 30.000 neue Ausbildungsbetriebe<br />

und 40.000 Plätze für Einstiegsqualifizierung<br />

einzuwerben. Dies ist aber kein<br />

Selbstzweck, da es angesichts des Bewerberrückgangs<br />

schwierig sein kann, weitere Angebote<br />

einzuwerben. Es wird zudem deutlich gemacht,<br />

dass alle Paktpartner zur Erfüllung dieser Ziele<br />

ihren Beitrag leisten müssen, vor allem im Hinblick<br />

auf die Ausbildungsreife. Denn nur so stehen<br />

überhaupt genügend geeignete Bewerber für die<br />

Ausbildungsplätze zur Verfügung.<br />

Die Bilanzierung des Ausbildungspakts erfolgt<br />

weiterhin insbesondere anhand der Gegenüberstellung<br />

von unbesetzten Ausbildungsplätzen<br />

und unvermittelten Bewerbern. Anschließend<br />

werden weitere Daten – etwa zu den Bewerbern,<br />

die in Alternativen gemündet sind, aber ihren<br />

Die sieben zentralen Handlungsfelder des Ausbildungspakts<br />

<strong>2010</strong> –2014:<br />

• Ausbildungsreife sicherstellen<br />

• Berufsorientierung ausbauen und weiterentwickeln<br />

• Jugendliche und Betriebe besser zusammenbringen<br />

• alle Potenziale erschließen<br />

• neue Ausbildungsplätze und neue Ausbildungsbetriebe gewinnen<br />

• Übergangssystem neu strukturieren und effizienter gestalten<br />

• Datenlage verbessern<br />

104<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


Zukunft bewegen.<br />

„Wir bewegen Zukunft.<br />

Weil Vielfalt erfolgreich ist.“<br />

Bei der Deutschen Bahn tragen weltweit 290.000 Frauen und Männer aus<br />

130 Ländern dazu bei, dass Menschen und Güter sicher ihr Ziel erreichen. Es ist<br />

diese Vielfalt, die den DB-Konzern erfolgreich macht und seine Zukunftsfähigkeit<br />

sichert. Bei der Deutschen Bahn ist Chancengleichheit eine Selbstverständlichkeit.<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können auf die DB als Arbeitgeber vertrauen –<br />

auf sichere Arbeitsplätze, gute Entwicklungsmöglichkeiten und Unterstützung bei<br />

der Vereinbarung von Familie und Beruf. Genauso wie auf eine gerechte Entlohnung,<br />

eine verlässliche Altersvorsorge und individuelle Gesundheitsprogramme.<br />

Mehr Informationen zur DB als Arbeitgeber finden Sie unter<br />

www.deutschebahn.com/karriere.


Vermittlungswunsch aufrechterhalten haben –<br />

analysiert, um ggf. erforderliche Handlungsansätze<br />

ausfindig machen zu können.<br />

Die Arbeitgeberverbände tragen mit vielen<br />

Initiativen zur Umsetzung des Pakts bei,<br />

etwa durch Unterstützung ausbildender Betriebe,<br />

Berufsvorbereitung schwächerer Jugendlicher<br />

und Berufsorientierung von Schülern. Eine<br />

besondere Rolle spielt gerade bei der stärkeren<br />

Fokussierung des Pakts auf Ausbildungsreife und<br />

Berufsorientierung das bundesweite Netzwerk<br />

SCHULEWIRTSCHAFT. Es steht z. B. für die<br />

Zusage, jeder interessierten Schule einen Partner<br />

aus der Wirtschaft zu vermitteln. Zudem wird es<br />

sein Augenmerk künftig stärker auf die Berufsorientierung<br />

junger Migranten richten.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeit geber.de ><br />

kompakt > „Ausbildungspakt“ und unter www.arbeit -<br />

geber.de > argumente > „Wir bilden aus!“ sowie<br />

unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Ausbildungspakt<br />

Zukunft der Jugendwohnheime<br />

sichern<br />

Für Arbeitgeber stellt Mobilität auf dem Ausbildungsmarkt<br />

ein wichtiges Anliegen dar. Es nützt<br />

allen Beteiligten, wenn Bewerber und Ausbildungsbetrieb<br />

möglichst gut zueinander passen. In einigen<br />

Regionen Deutschlands schlägt obendrein schon<br />

heute die demografische Entwicklung drastisch auf<br />

das Matching durch. Für viele Ausbildungsbetriebe<br />

bleibt dann aus Mangel an Bewerbern nur noch die<br />

Alternative, junge Menschen aus weiter entfernten<br />

Regionen zu rekrutieren. Andererseits können viele<br />

Bewerber eine spezielle Ausbildung, die ihren<br />

Interessen und Neigungen entspricht, oft nur fernab<br />

des Heimatorts finden. Jugendwohnheime senken<br />

in diesen Fällen eine entscheidende Hürde,<br />

die einer Realisierung der vorhandenen Mobilitätsbereitschaft<br />

oft im Wege steht. Die BDA setzt sich<br />

daher zusammen mit dem DGB für den Erhalt von<br />

Jugendwohnheimen ein. In einer gemeinsamen Initiative<br />

fordern die Sozialpartner die Politik auf, die<br />

fachliche und finanzielle Verantwortung zu klären.<br />

Insbesondere für den Erhalt der Bausubstanz werden<br />

in den kommenden Jahren Investitionen fällig.<br />

Ohne angemessene finanzielle Unterstützung<br />

werden in Zukunft Wohnheime schließen müssen.<br />

Auf Drängen der BDA wurde eine Zusage der Bundesregierung<br />

in den Text des Ausbildungspakts<br />

<strong>2010</strong>–2014 aufgenommen, den Bedarf und ggf. die<br />

Möglichkeiten der Finanzierung zu prüfen.<br />

Flexible Strukturen in der<br />

Ausbildung nutzen<br />

Den Empfehlungen des Innovationskreises Berufliche<br />

Bildung aus dem Jahr 2007 folgend wird<br />

in jedem Neuordnungs- oder Modernisierungsverfahren<br />

von Ausbildungsordnungen die Chance<br />

zur Bildung von Berufsgruppen geprüft. Ziel<br />

ist es, Schnittmengen verschiedener Berufe im<br />

Rahmen flexibler Strukturmodelle zu nutzen und<br />

damit mehr berufliche Mobilität zu ermöglichen<br />

und auch die Beschulung zu vereinfachen. Dabei<br />

bieten sich zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten,<br />

um einerseits dem betrieblichen Bedarf an<br />

praxisorientierten Ausbildungsordnungen und<br />

andererseits dem politischen Ziel, eine zu starke<br />

Spezialisierung von Berufen zu vermeiden, Rechnung<br />

zu tragen. Wichtig ist aber der Grundsatz:<br />

Ausbildung folgt keinem Einheitsmodell. BDA und<br />

BDI sind an allen Neuordnungsverfahren durch<br />

Sachverständige aus den betroffenen Branchen<br />

beteiligt. Neuordnungsverfahren gehören damit<br />

zu den Kernaktivitäten von BDA und BDI in der<br />

Berufsbildung. In den jeweiligen Verfahren liegt<br />

der Fokus darauf, möglichst flexible Ausbildungsstrukturen<br />

zu verankern – entsprechend dem<br />

BDA-Strukturmodell „2 + x“. Ziel muss es immer<br />

sein, möglichst vielen Betrieben die Ausbildung zu<br />

ermöglichen, aber gleichzeitig durch die Formulierung<br />

der Mindeststandards die Qualität der Ausbildung<br />

zu sichern. Die Vielfalt der ausbildenden<br />

Betriebe stellt gerade bei branchenübergreifenden<br />

Berufen häufig eine große Herausforderung<br />

dar. Zunehmend wird wichtig, die unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen der Jugendlichen bei der<br />

Gestaltung von Berufen zu beachten und auch<br />

dies im Rahmen flexibler Modelle zu berücksichtigen,<br />

die den Einstieg in Ausbildung erleichtern,<br />

aber gleichzeitig leistungsstarken Jugendlichen<br />

eine hochwertige Qualifizierung ermöglichen.<br />

Zum 1. August <strong>2010</strong> konnte die Ausbildung<br />

in elf modernisierten Berufen starten. In allen Verfahren<br />

wurden bedarfsgerechte flexible Modelle<br />

106<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


Jugendwohnen hilft, Mobilität zu realisieren<br />

Potenziale liegen brach<br />

Schulabgänger, die grundsätzlich<br />

bereit sind, einen Ausbildungsplatz<br />

über 100 km entfernt anzunehmen,<br />

wenn ein Platz im „Lehrlingswohnheim“<br />

vorhanden ist<br />

246.000<br />

Bewerber aus über<br />

100 km Entfernung<br />

126.000<br />

Auszubildende, die ihre<br />

Mobilität realisieren<br />

20.000<br />

Auszubildende im Jugendwohnen<br />

15.000<br />

0 100.000 200.000<br />

300.000<br />

400.000 Personen<br />

Quelle: Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism e. V.), <strong>2010</strong><br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 107


genutzt. So wurden z. B. bei der Modernisierung<br />

des Papiertechnologen umfangreiche neue Qualifikationserfordernisse<br />

im Rahmen von Pflicht- und<br />

Wahlqualifikationen berücksichtigt. Damit bleibt<br />

den Betrieben in Zukunft die Freiheit, je nach ihren<br />

Anforderungen Qualifikationsbausteine zu wählen.<br />

Dennoch bleibt ein einheitlicher Ausbildungsstandard<br />

gewährleistet. Eine Besonderheit bietet<br />

die Ausbildung zum/zur Böttcher/-in. Hier besteht<br />

auf der Grundlage eines gemeinsamen Rahmenlehrplans<br />

die Möglichkeit, in Österreich die Schule<br />

zu besuchen. Die niedrige Zahl an Auszubildenden<br />

und die vergleichbaren Kompetenzanforderungen<br />

in beiden Ländern machen dies möglich.<br />

Damit stellt dieser traditionelle Handwerksberuf<br />

ein besonderes Beispiel für die europäische<br />

Zusammenarbeit in der Berufsbildung dar. Die<br />

Ausbildung zum/zur Feinwerkmechaniker/-in wurde<br />

um einen Schwerpunkt Zerspanungstechnik<br />

ergänzt. Auch hier wurden flexible Strukturen<br />

genutzt und kein eigener Beruf entwickelt, sondern<br />

ein zusätzlicher Schwerpunkt in einem bestehenden<br />

Beruf gewählt. Die zwei neu geordneten Berufe<br />

Geomatiker/-in und Vermessungstechniker/-in<br />

sind über gemeinsame Ausbildungsinhalte von<br />

einem Jahr zu Beginn der Ausbildung miteinander<br />

verbunden. Die beiden Berufe Kartograf/-in und<br />

Bergvermessungstechniker/-in wurden in die neuen<br />

Profile integriert und bestehen als eigenständige<br />

Berufe nicht mehr fort.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Moderne Strukturen in der dualen<br />

Ausbildung“<br />

Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret<br />

Neu geordnet wurden die Berufe:<br />

Böttcher/-in, Büchsenmacher/-in, Feinwerkmechaniker/-in, Geomatiker/-in (ehemals Kartograf/-in),<br />

Milchtechnologe/-technologin, Papiertechnologe/-technologin, Pferdewirt/-in, Revierjäger/-in, Segelmacher/-in,<br />

Technische(r) Konfektionär/-in, Vermessungstechniker/-in<br />

Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2011 befinden sich die<br />

Berufe:<br />

Augenoptiker/-in, Bootsbauer/-in, Buchbinder/-in, Buchhändler/-in, Drucktechnologe/-technologin,<br />

Fachkraft für Lederverarbeitung (zweijähriger Beruf), Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice,<br />

Mediengestalter/-in Flexografie, Packmitteltechnologe/-technologin, Printmedienverarbeiter/-in,<br />

Technische(r) Produktdesigner/-in, Technische(r) Systemplaner/-in, Tourismuskaufmann/-frau (ehemals<br />

Reiseverkehrskaufmann/-frau), Siebdrucktechnologe/-technologin, Verfahrensmechaniker/-in für Kunststoff-<br />

und Kautschuktechnik<br />

In der beruflichen Fortbildung wurden im Berichtsjahr folgende Verordnungen erlassen<br />

(nach § 53 BBiG):<br />

Industriefachwirt/-in, Personaldienstleistungsfachwirt/-in<br />

Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen:<br />

Betriebswirt/-in (HwO), Fachkaufmann/-frau für Büromanagement, Fachwirt/-in für Logistik/Güterverkehr,<br />

Fachwirt/-in für Personenverkehr/Mobilitätsdienstleistungen, Kraftverkehrsmeister/-in, Meister/-in für<br />

Lagerwirtschaft, Polier/-in, Sportfachwirt/-in, Tourismusfachwirt/-in<br />

108<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


Mehrwert des DQR als Transparenzinstrument<br />

nicht gefährden<br />

Die Erprobung des Entwurfs eines Deutschen<br />

Qualifikationsrahmens (DQR), die im Mai 2009<br />

in den vier Berufs- bzw. Tätigkeitsfeldern<br />

Metall/ Elektro, IT, Handel und Gesundheit begonnen<br />

hat, ist abgeschlossen. Ziel dieser Phase war<br />

es, die Praxistauglichkeit der DQR-Beschreibungen<br />

zu testen und erste exemplarische Zuordnungen<br />

von Qualifikationen vorzunehmen. Auf<br />

der Grundlage der Empfehlungen der Arbeitsgruppen,<br />

in denen jeweils Vertreter der betroffenen<br />

Branchen mitgewirkt haben, wurde der Entwurf<br />

des DQR teilweise überarbeitet. Die finale<br />

Abstimmung findet Ende des Jahres statt. Aus<br />

der Sicht der Wirtschaft war es dabei wichtig, die<br />

konsequente Orientierung an Handlungskompetenz<br />

als Leitkriterium für die Einstufung von Qualifikationen<br />

beizubehalten. Dies scheint gelungen,<br />

so dass der DQR grundsätzlich geeignet ist, Qualifikationen<br />

anhand des Niveaus der vermittelten<br />

Handlungskompetenz vergleichbar zu machen.<br />

Auf der Grundlage des finalen Entwurfs<br />

wird über die zukünftige Zuordnung von Qualifikationen<br />

entschieden. Dabei dienen die Empfehlungen<br />

der Experten der Arbeitsgruppen als<br />

Beratungsgrundlage. Diese sind bezüglich der<br />

beruflichen Bildung zu divergierenden Ergebnissen<br />

gekommen, die grundsätzlich eine Zuordnung<br />

der dualen Ausbildung auf den DQR-Niveaus 3–5<br />

zulassen. Die berufliche Aufstiegsfortbildung findet<br />

sich in den Vorschlägen der Arbeitsgruppen<br />

in den Niveaus 5–7 wieder. Dies bestätigt Forderungen<br />

von BDA und BDI, in der beruflichen Bildung<br />

differenzierte Zuordnungen vorzunehmen,<br />

um die Vielfalt und damit Attraktivität beruflicher<br />

Qualifikationen sichtbar zu machen. Wirtschaftsseitig<br />

erfolgte mit den Kammerorganisationen<br />

eine Einigung, in der Startphase des DQR aus<br />

Gründen der Umsetzbarkeit und Praktikabilität<br />

zunächst pauschale Zuordnungen vorzunehmen<br />

(zweijährige Berufe DQR-Niveau 3, dreijährige<br />

Berufe DQR-Niveau 4). Diese können anschließend<br />

in Neuordnungsverfahren oder auch außerhalb<br />

eines entsprechenden Verfahrens aufgrund<br />

eines speziellen Antrags korrigiert werden. Mittelfristig<br />

würde es dadurch zu differenzierten Zuordnungen<br />

(Niveaus 3–5) der dualen Ausbildung<br />

kommen und damit der Mehrwert des DQR als<br />

Transparenz instrument sichergestellt werden. Die<br />

Wirtschaft wird diesen Verfahrensvorschlag in die<br />

weitere Abstimmung einbringen.<br />

Umstritten ist derzeit der Vorschlag der KMK,<br />

die allgemeine und fachgebundene Hochschulreife<br />

auf DQR-Niveau 5 zu verorten. Dies hätte zur<br />

Folge, dass dem Abitur in der Regel die Vermittlung<br />

einer höheren Handlungskompetenz zugeordnet<br />

wird als einer dualen Ausbildung – was<br />

sowohl von Wirtschaft als auch Gewerkschaften<br />

vehement abgelehnt wird. Eine derartige Einstufung<br />

stellt den Mehrwert des DQR als Transparenzinstrument<br />

grundsätzlich in Frage und wird<br />

daher von BDA und BDI nicht mitgetragen. Der<br />

Arbeitskreis DQR wird im November den Entwurf<br />

eines DQR abschließend beraten. Die konkrete<br />

Zuordnung von Qualifikationen sowie das diesbezügliche<br />

Verfahren werden im Frühjahr 2011 im<br />

Mittelpunkt stehen.<br />

Europäische Zusammenarbeit in<br />

der beruflichen Bildung fortsetzen<br />

Die EU-Bildungsminister beschlossen im Dezember<br />

in Brügge den strategischen Rahmen für die<br />

zukünftige Zusammenarbeit in der beruflichen<br />

Bildung in Europa (Fortsetzung des 2002 gestarteten<br />

Kopenhagen-Prozesses). Bereits im Juni<br />

hatte die EU-Kommission mit der Mitteilung „Ein<br />

neuer Impuls für die europäische Zusammenarbeit<br />

in der beruflichen Aus- und Weiterbildung<br />

zur Unterstützung der Strategie Europa 2020“<br />

wesentliche Punkte hervorgehoben. Im Fokus<br />

steht die Attraktivitätssteigerung der beruflichen<br />

Bildungssysteme durch eine stärkere Ausrichtung<br />

am Bedarf des Arbeitsmarkts und einen verbesserten<br />

Übergang in die Hochschulen. Die größere<br />

Flexibilität in der Berufsbildung, eine stärkere Orientierung<br />

an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts,<br />

die Lern ergebnisorientierung sowie die engere<br />

Zusammenarbeit mit den Hochschulen entsprechen<br />

den bildungspolitischen Forderungen von<br />

BDA und BDI und werden daher begrüßt.<br />

Neue Fragen wirft insbesondere die Initiative<br />

„Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“<br />

auf. Die EU-Kommission plant u. a. die<br />

Entwicklung eines europäischen Rahmens für<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 109


Qualifikationen, Kompetenzen und Berufe (European<br />

Skills Competences and Occupations Taxonomy,<br />

ESCO), der als gemeinsame sprachliche<br />

und operative Grundlage für Bildung und Beschäftigung<br />

dienen soll und den Abgleich von Qualifikationen<br />

und der Arbeitsmarktnachfrage erleichtern<br />

soll. Auf europäischer Ebene sollen für jeden Beruf<br />

die relevanten Kompetenzen definiert werden. Die<br />

entsprechenden Beschreibungen sollen zukünftig<br />

Grundlage für die Formulierung von Stellenprofilen,<br />

Lebensläufen, Lehrplänen u. Ä. sein. Die BDA<br />

sieht die Initiative skeptisch. Die EU-Kommission<br />

hat bislang nicht ausreichend deutlich gemacht,<br />

welcher Mehrwert mit einer entsprechenden Klassifikation<br />

verbunden ist – insbesondere auch im<br />

Verhältnis zu dem enormen Aufwand, den die<br />

Erstellung eines alle Berufe umfassenden Instruments<br />

erfordert. Grundsätzlich bestehen Zweifel<br />

an der Umsetzbarkeit eines derart ambitionierten<br />

Vorhabens. Befürchtet werden auch Auswirkungen<br />

auf das nationale Bildungssystem, z. B. die<br />

zukünftige Formulierung von Ausbildungsordnungen,<br />

aber auch auf die Klassifikation der Berufe<br />

<strong>2010</strong>, die wiederum Grundlage für den Tätigkeitsschlüssel<br />

und damit für das Arbeitgebermeldeverfahren<br />

zur Sozialversicherung ist. Die BDA wird<br />

diese Position in die weiteren Abstimmungsprozesse<br />

einbringen.<br />

Im Ausland erworbene Qualifikationen<br />

transparent machen<br />

Die Bundesregierung hat im Dezember 2009<br />

Eckpunkte zur Verbesserung der Feststellung<br />

und Anerkennung von im Ausland erworbenen<br />

beruflichen Qualifikationen und Berufsabschlüssen<br />

beschlossen. Diese sehen einen Anspruch<br />

auf ein Verfahren vor, in dem geprüft wird, ob<br />

und in welchem Maße im Ausland erworbene<br />

Qualifikationen deutschen Ausbildungen entsprechen.<br />

Ausdrückliches Ziel ist es, die Chancen auf<br />

dem Arbeitsmarkt für alle Personen mit im Ausland<br />

erworbenen beruflichen Qualifikationen und<br />

Berufsabschlüssen zu verbessern, die sich rechtmäßig<br />

in Deutschland aufhalten. Die BDA begrüßt<br />

das Anliegen der Bundesregierung, durch eine<br />

verbesserte Anerkennung die Integration von<br />

Migranten zu fördern. Es müssen Wege gefunden<br />

werden, Qualifikationen für den Arbeitsmarkt<br />

besser verwertbar zu machen. Voraussetzung<br />

hierfür ist insbesondere, verständlich zu machen,<br />

welche Kompetenzen im Rahmen einer Qualifikation<br />

erworben wurden. Die BDA fordert daher<br />

Verfahren, die möglichst effizient und unbürokratisch<br />

die vorhandenen Kompetenzen dokumentieren.<br />

Neben den üblichen Äquivalenzverfahren, in<br />

denen ausländische Qualifikationen inhaltlich mit<br />

den entsprechenden inländischen Qualifikationen<br />

verglichen und die vorhandenen Defizite festgestellt<br />

werden, müssen ergänzend Möglichkeiten<br />

geschaffen werden, Kompetenzen auch unabhängig<br />

von formalen Qualifikationen zu dokumentieren<br />

– ggf. auch als Grundlage für spätere Nachqualifizierungsmaßnahmen.<br />

Die BDA hat hierzu die Position „Integration<br />

in den Arbeitsmarkt erleichtern. Im Ausland erworbene<br />

Qualifikationen transparenter machen“ veröffentlicht.<br />

Die Hochschule der Zukunft:<br />

das Leitbild der Wirtschaft<br />

Autonomie, Ergebnisorientierung und gesellschaftliche<br />

Verantwortung der Hochschulen wie<br />

auch eine wettbewerblich organisierte Spitzenförderung<br />

in Forschung und Lehre prägen die aktuelle<br />

hochschulpolitische Reformagenda. Zwar<br />

sind diese Anstrengungen zur Modernisierung<br />

der Hochschulen zu begrüßen und weisen in die<br />

richtige Richtung. Doch um für die Herausforderungen<br />

der Zukunft gerüstet zu sein, sind weitere<br />

Verbesserungen notwendig. So müssen die<br />

Hochschulen der Zukunft viel stärker als bisher<br />

ihre zentrale gesellschaftliche Rolle als Bildungsund<br />

Weiterbildungsort für hoch qualifizierte Fachkräfte,<br />

als soziales Sprungbrett, Innovationsquelle<br />

und Zukunftslaboratorium wahrnehmen. Für ihre<br />

Leistungen in Lehre, Studium und Weiterbildung,<br />

Forschung und Technologietransfer müssen sie<br />

zudem angemessen und leistungsorientiert ausgestattet<br />

werden und die Möglichkeit erhalten,<br />

mit Partnern in Wirtschaft und Gesellschaft ungehindert<br />

zusammenzuarbeiten. Auch die Politik ist<br />

gefragt: Um der in den nächsten Jahren stark steigenden<br />

Nachfrage nach Studienplätzen gerecht<br />

werden zu können, benötigen die Hochschulen<br />

zusätzliche Mittel – in Anbetracht des aufkommenden<br />

Fachkräftemangels ist dies eine wichtige<br />

Investition in die Zukunft.<br />

110<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


Die Hochschule der Zukunft: das Leitbild der Wirtschaft<br />

Die Hochschule in der Gesellschaft: Die Hochschule der Zukunft identifiziert und deckt den Bedarf an<br />

wissenschaftlicher Bildung und Forschung und erschließt ständig neue Wissensgebiete. Dadurch kommt<br />

ihr in der Wissensgesellschaft eine Schlüsselrolle für gesellschaftliche Entwicklung, Innovation und die<br />

Ausbildung hoch qualifizierter Fachkräfte zu. Die Hochschullandschaft weist eine große Vielfalt an Einrichtungen<br />

auf, die zusammenarbeiten, aber auch im Wettbewerb miteinander stehen. Neben staatlichen<br />

nehmen gleichberechtigt auch Hochschulen in privater Trägerschaft eine wichtige Rolle ein.<br />

Die Hochschule als Organisation: Die Hochschule der Zukunft verfügt über ein hohes Maß an Autonomie<br />

und entwickelt eigenständig ihr Profil. Sie handelt unternehmerisch und agiert unabhängig von<br />

direkten staatlichen Eingriffen im nationalen und internationalen Wettbewerb. Mit ihren Partnern, insbesondere<br />

in der Wirtschaft, arbeitet die Hochschule eng zusammen und sorgt dafür, dass ihr Profil zu den<br />

Anforderungen ihrer Stakeholder passt.<br />

Studium und Lehre: Die Hochschule der Zukunft gestaltet ein hochwertiges wissenschaftliches Studienangebot<br />

in Bachelor- und Masterstudiengängen sowie Promotionsprogrammen. Bei der Gestaltung ihrer<br />

Studienangebote berücksichtigt sie die stärkere Verflechtung von Bildungs- und Erwerbsphasen und orientiert<br />

sich inhaltlich und organisatorisch an der Nachfrage der Studieninteressierten und an den Anforderungen<br />

des Arbeitsmarkts. Sie ermöglicht Abiturienten ebenso wie beruflich Qualifizierten den Hochschulzugang<br />

und gestaltet ein transparentes und effizientes Auswahl- und Zulassungsverfahren.<br />

Internationalisierung: Um Studierende auf Tätigkeiten im Ausland vorzubereiten, ihnen interkulturelle<br />

Kompetenzen und vielfältige Sprachkenntnisse zu vermitteln und die weltbesten Forscherteams<br />

zusammenzubringen, verfolgt die Hochschule eine Strategie der Internationalisierung. Ihre Studierenden<br />

erhalten die Möglichkeit, Studienabschnitte, Forschungsphasen oder Praktika im Ausland zu<br />

absolvieren. Die Hochschule gewährleistet eine umfassende Anrechnung im Ausland erworbener Studienleistungen.<br />

Hochschulfinanzierung: In der Forschung wird der größte Teil der staatlichen Mittel in von der Wissenschaft<br />

selbst organisierten Wettbewerbsverfahren sowie über anwendungsorientierte staatliche Programme<br />

vergeben. In der Lehre wird ein Drittel der staatlichen Ausgaben über die von den Studierenden nachgefragten<br />

Lehrleistungen an die Hochschulen verteilt. Die Hochschule kann Studienbeiträge erheben, um<br />

zusätzliche Lehrleistungen zu finanzieren. Darüber hinaus wirbt die Hochschule private Drittmittel ein und<br />

bietet ihre Leistungen am Markt an.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 111


BDA und BDI haben im Februar <strong>2010</strong><br />

das gemeinsame Leitbild „Die Hochschule der<br />

Zukunft“ veröffentlicht und hierin eine umfassende<br />

Vision einer Hochschule im Jahr 2020 formuliert<br />

– mit praktischen Implikationen für Hochschulen,<br />

Politik und Gesellschaft. Die Wirtschaft wirbt<br />

bei den Verantwortlichen nachdrücklich für eine<br />

Umsetzung dieses Leitbilds.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Hochschulpolitik“, „Hochschulfinanzierung“<br />

und „Quartäre Bildung“<br />

Europäischer Hochschulraum<br />

eröffnet – Bologna-Prozess<br />

geht weiter<br />

1999 setzten sich die Bildungsminister von<br />

30 europäischen Staaten in der Bologna-Erklärung<br />

das Ziel, bis <strong>2010</strong> einen gemeinsamen Europäischen<br />

Hochschulraum zu schaffen und dafür<br />

vergleichbare Studienstrukturen und akademische<br />

Abschlüsse zu vereinbaren. Der anschließende<br />

Bologna-Prozess hat in den letzten elf<br />

Jahren die Hochschullandschaft in Europa grundlegend<br />

verändert und auch in Deutschland zur<br />

flächendeckenden Einführung der neuen Studienabschlüsse<br />

Bachelor und Master geführt, in<br />

denen inzwischen bereits 43 % aller Studierenden<br />

Immer mehr Studierende an deutschen Hochschulen<br />

Studienanfängerquote 1995 bis 2009 nach OECD-Verfahren,<br />

einschließlich Verwaltungsfachhochschulen<br />

in %<br />

50<br />

46,0<br />

45<br />

43,3<br />

40<br />

36,1<br />

37,1<br />

38,9<br />

37,1 37,0<br />

35,7<br />

37,1<br />

40,3<br />

35<br />

33,5<br />

31,3<br />

30<br />

26,8<br />

29,2<br />

25<br />

1995 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

2008 2009<br />

<strong>2010</strong>*<br />

* vorläufi ge Berechnung<br />

Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Hochschulstatistik<br />

112<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


eingeschrieben sind. Auch Qualitätsverbesserungen<br />

an Hochschulen, die grenzüberschreitende<br />

Mobilität der Studierenden, eine stärkere Orientierung<br />

der Studienangebote an den Erfordernissen<br />

der Arbeitswelt, der Ausbau der Weiterbildung<br />

sowie die Öffnung der Hochschulen für Berufstätige<br />

wurden als Ziele des Bologna-Prozesses definiert<br />

und in nationale Strategien übersetzt.<br />

Mittlerweile nehmen bereits 47 Staaten am<br />

Bologna-Prozess teil. Am 11. und 12. März <strong>2010</strong><br />

tagten deren Bildungsminister in Budapest und<br />

Wien, um anlässlich des Zieljahres <strong>2010</strong> eine<br />

Bilanz zu ziehen und – wie in der Bologna-Erklärung<br />

vorgesehen – den Europäischen Hochschulraum<br />

zu eröffnen. Die BDA nimmt regelmäßig<br />

an den Beratungen zum Bologna-Prozess auf<br />

europäischer Ebene teil und war daher auch<br />

auf dieser Konferenz in der Delegation von<br />

BUSINESSEUROPE vertreten.<br />

Die Bilanz der bisherigen Erfolge des Bologna-Prozesses<br />

fällt gemischt aus. Zwar ist die formale<br />

Umsetzung der Studienreform überall weit<br />

vorangeschritten. Problematisch ist allerdings,<br />

dass die inhaltliche Umsetzung der Reform ideen<br />

vielerorts noch aussteht. So kann von einer Ausrichtung<br />

des Studiums an klar formulierten Kompetenzzielen<br />

sowie einer umfassenden Internationalisierung<br />

der Hochschulen in den meisten<br />

Ländern noch keine Rede sein. Immerhin hat der<br />

Bologna-Prozess aber einen europaweiten Diskurs<br />

über den Reformbedarf an den Hochschulen<br />

initiiert.<br />

Bologna-Prozess: Erfolge erkennbar<br />

Beschäftigungsfähigkeit und Mobilität von Universitätsabsolventen<br />

mit Bachelor und Diplom im Vergleich<br />

Bachelor<br />

Diplom<br />

Durchschnittliches Alter bei Studienabschluss in Jahren 24,8 28,0<br />

Internationale Mobilität in % 42,0 43,0<br />

Durchschnittliche Dauer der Arbeitsplatzsuche in Monaten 3,0 2,9<br />

Anteil der Vollzeitbeschäftigten Absolventen in % 85,0 85,0<br />

Anteil mit hoher berufl icher Zufriedenheit in % 63,0 66,0<br />

Quelle: INCHER-Kassel KOAB graduate surveys 2009 und <strong>2010</strong><br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 113


In Deutschland finden die neuen akademischen<br />

Abschlüsse große Akzeptanz auf dem<br />

Arbeitsmarkt. Bachelorabsolventen finden attraktive<br />

und ihrem Ausbildungsniveau entsprechende<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten. Die stärker ausgeprägte<br />

Strukturierung der Bachelorstudiengänge<br />

hat zudem dazu geführt, dass deutlich mehr<br />

Studierende ihr Studium in der Regelstudienzeit<br />

abschließen können. Auch die internationale<br />

Mobilität der Studierenden hat sich positiv entwickelt:<br />

Seit Jahren steigt die Zahl deutscher Studierender<br />

im Ausland stetig an. 15 % der Bachelorabsolventen<br />

haben einen Teil ihres Studiums im<br />

Ausland absolviert; unter Einbeziehung anderer<br />

studienbezogener Auslandsaufenthalte, wie etwa<br />

Praktika und Sprachkurse, sind dies sogar etwa<br />

40 %. Allerdings hat es auch in Deutschland bei<br />

der Umsetzung der Bologna-Reform Fehlentwicklungen<br />

gegeben, die nun dringend korrigiert werden<br />

müssen. So sind die Studienabbruchquoten<br />

in den vergangenen Jahren gerade in den wichtigen<br />

MINT-Fächern deutlich angestiegen. Die stärkere<br />

Strukturierung des Studiums hat vielfach zu<br />

einer Überregulierung und hoher Prüfungsdichte<br />

geführt. Zahlreiche Studiengänge wurden zudem<br />

auch hierzulande kaum inhaltlich reformiert und<br />

bleiben damit „alter Wein in neuen Schläuchen“.<br />

„Bachelor Welcome!“ <strong>2010</strong><br />

Die deutsche Wirtschaft hat die Bologna-Reform<br />

stets unterstützt. Bereits in den Jahren 2004, 2006<br />

und 2008 haben sich Personalvorstände führender<br />

Unternehmen in Deutschland im Rahmen der<br />

Initiative „Bachelor Welcome!“ mit einer gemeinsamen<br />

Erklärung zur Umstellung auf die gestufte<br />

Studienstruktur bekannt und ihre Zusagen und<br />

Forderungen in diesem Prozess formuliert. Die<br />

deutsche Wirtschaft engagiert sich auch in Zukunft<br />

entschieden für die konsequente Umsetzung der<br />

Hochschulreform im Geiste der Bologna-Idee.<br />

Am 21. Oktober <strong>2010</strong> wurde im Haus der Deutschen<br />

Wirtschaft die vierte „Bachelor Welcome!“-<br />

Erklärung zwischen 43 Personalvorständen abgestimmt<br />

und unterzeichnet. Nach mehr als zehn<br />

Jahren Studienreform wurde eine Zwischenbilanz<br />

gezogen und neue Ziele für eine Weiterentwicklung<br />

der Reform wurden definiert.<br />

Einig waren sich die Personalvorstände darin,<br />

dass bei der bisherigen Studienreform bereits<br />

große Fortschritte erzielt wurden. So ist in den<br />

letzten zehn Jahren die Bildungsbeteiligung deutlich<br />

gestiegen, zugleich sind die Studierenden<br />

zufriedener denn je mit den Studienbedingungen<br />

an den Hochschulen. Der Erfolg der Bachelorabsolventen<br />

auf dem Arbeitsmarkt korrespondiert mit<br />

den insgesamt sehr guten Erfahrungen der Unternehmen<br />

mit den neuen Studienabschlüssen. Um<br />

die Reform zum Erfolg zu führen, sind allerdings<br />

weitere Schritte notwendig. So müssen Bachelor-<br />

und Masterphase konsequenter als bisher als<br />

getrennte Studienphasen gestaltet werden, um<br />

noch bessere Übergänge zwischen Hochschule<br />

und Berufswelt zu ermöglichen. Die im Vergleich<br />

zu den Diplomstudiengängen kürzeren Bachelorprogramme<br />

müssen dabei eine breite wissenschaftliche<br />

Ausbildung ohne detaillierte inhaltliche<br />

Spezialisierung zum Ziel haben, Forschungs- und<br />

Praxisbezüge enthalten und Kompetenzvermittlung<br />

mit Persönlichkeitsbildung kombinieren. Auf<br />

Internationalität darf hierbei keinesfalls verzichtet<br />

werden, sie stellt in einer globalen Wirtschaft vielmehr<br />

eine zentrale Kompetenz dar.<br />

Die Bologna-Reform wird erst dann zur<br />

Erfolgsgeschichte, wenn sie nicht an der Hörsaaltür<br />

endet. Hochschulen und Arbeitgeber sind<br />

deshalb künftig noch stärker gefordert, Hand in<br />

Hand zu arbeiten. Die Unterzeichner der Erklärung<br />

verstehen sich dabei als integraler Bestandteil<br />

der Studienreform und sichern zu, die Vielfalt<br />

der Abschlüsse und Bildungswege stärker in ihrer<br />

Personalentwicklung zu verankern. Unterschiedliche<br />

Karrierewege und lebenslanges Lernen sind<br />

bereits heute selbstverständlicher Teil der betrieblichen<br />

Personalpolitik, werden aber in Zukunft noch<br />

mehr an Bedeutung gewinnen. Die Personalvorstände<br />

waren sich nicht nur darin einig, die unterschiedlichen<br />

Bologna-Abschlüsse konsequent<br />

beim Recruiting berücksichtigen und Stellenprofile<br />

entsprechend zuschneiden zu wollen. Sie erklärten<br />

auch, duale Studiengänge auszubauen und passende<br />

Rahmenbedingungen für das berufsbegleitende<br />

Studium der Mitarbeiter zu schaffen.<br />

Für Personalvorstände und -verantwortliche<br />

in den Unternehmen besteht jederzeit die Möglichkeit,<br />

durch eine Online-Unterzeichnung die<br />

„Bachelor Welcome!“-Erklärung <strong>2010</strong> zu unterstützen.<br />

Näheres finden Sie auf der Internetseite<br />

des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft<br />

114<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung


unter www.stifterverband.info. Nach der Verabschiedung<br />

und Unterzeichnung der „Bachelor<br />

Welcome!“-Erklärung <strong>2010</strong> stellte der Vorsitzende<br />

der Initiative, Thomas Sattelberger, die zentralen<br />

Forderungen und Zusagen der Personalvorstände<br />

der Öffentlichkeit vor. Zu der Veranstaltung „Bologna<br />

zum Erfolg führen“ trafen sich am 21. Oktober<br />

<strong>2010</strong> rd. 200 Vertreter aus Wirtschaft, Hochschule,<br />

Studentenschaft und Politik.<br />

Im Dialog mit den Studierenden<br />

Die Proteste an den Hochschulen, die im Herbst<br />

2009 einen Höhepunkt erreichten, haben deutlich<br />

gemacht, dass viele Studierende mit den derzeitigen<br />

Studienbedingungen unzufrieden sind und<br />

sich vor allem eine deutlich verbesserte Ausstattung<br />

der Hochschulen, mehr Möglichkeiten der<br />

individuellen Schwerpunktsetzung im Studium und<br />

ein stärkeres Augenmerk auf die soziale Situation<br />

der Studierenden wünschen. Auf Einladung von<br />

BDA und BDI fand im Februar erstmals ein hochschulpolitischer<br />

Gedankenaustausch mit verschiedenen<br />

Studierendenvertretern statt. Das Gespräch<br />

diente vor allem dazu, mehr über Standpunkte,<br />

Interessen und Prioritäten der Studierenden zu<br />

erfahren und Gemeinsamkeiten zu identifizieren.<br />

So betonten die Studierenden ihre Unterstützung<br />

für die Ziele der Bologna-Reform, bemängelten<br />

aber zugleich eine fehlende Einbindung<br />

der studentischen Perspektive in den bisherigen<br />

Umsetzungsprozess. Da die Gestaltung von Studium<br />

und Lehre unmittelbare Auswirkungen auf<br />

ihre berufliche Zukunft habe, seien Studierende<br />

stark daran interessiert, hieran stärker als bisher<br />

beteiligt zu werden. Da sie zudem über die notwendige<br />

Expertise verfügten, sei studentische<br />

Mitwirkung für alle Akteure ein Gewinn. Die Studierenden<br />

wünschten sich daher eine stärkere<br />

Einbeziehung in hochschulpolitische Dialoge und<br />

begrüßten das Interesse der Wirtschaft an der<br />

studentischen Perspektive.<br />

Ein verstärkter direkter Dialog zwischen Studierenden<br />

und Arbeitgebern kann gerade für die<br />

Weiterentwicklung von Studium und Lehre neue<br />

Impulse setzen und stellt daher für die Wirtschaft<br />

eine große Bereicherung dar. BDA und BDI werden<br />

den Dialog mit den Studierenden in Zukunft in<br />

vielfältigen Formaten fortsetzen und intensivieren.<br />

Stipendien fördern, Kooperation<br />

stärken<br />

Am 9. Juli <strong>2010</strong> hat der Bundesrat das Gesetz<br />

zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms<br />

verabschiedet und damit das sog.<br />

Deutschland-Stipendium ins Leben gerufen. Ziel<br />

ist zunächst für 2011, dass 10.000 zusätzliche<br />

Stipendien eingerichtet werden. Langfristig sollen<br />

aus dem Programm 8 % der Studierenden ein<br />

Stipendium erhalten.<br />

Durch das Deutschland-Stipendium sollen<br />

verstärkt private Mittelgeber für eine finanzielle<br />

Unterstützung leistungsstarker Studierender<br />

gewonnen werden. Eingeworbene private Mittel<br />

werden vom Bund in gleicher Höhe mit öffentlichen<br />

Geldern ergänzt. Die Verantwortung für die<br />

Einwerbung der privaten Stipendienmittel liegt bei<br />

den einzelnen Hochschulen. Dadurch sollen diese<br />

auch Anreize erhalten, sich stärker mit ihrem<br />

wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld zu<br />

vernetzen.<br />

Zentrale Voraussetzungen für den Erfolg des<br />

Programms sind eine angemessene Einbindung<br />

und Beteiligung der privaten Geldgeber sowie die<br />

Entwicklung nachhaltiger Kooperationsstrategien<br />

seitens der Hochschulen. Denn erst hierdurch<br />

wird für viele Unternehmen eine Zusammenarbeit<br />

mit Hochschulen bei der Einrichtung von Stipendien<br />

interessant. Das belegen auch Erfahrungen<br />

aus Nordrhein-Westfalen, wo ein ähnliches<br />

Programm bereits im vergangenen Jahr initiiert<br />

worden ist. BDA und BDI haben sich daher im<br />

Gesetz gebungsverfahren mit Erfolg dafür eingesetzt,<br />

dass nun eine Mitwirkung der privaten Mittelgeber<br />

an der Formulierung der Auswahlkriterien<br />

wie auch am Auswahlverfahren vorgesehen ist.<br />

Noch in diesem Jahr werden BDA und BDI<br />

zusammen mit dem Stifterverband eine Handreichung<br />

für interessierte Unternehmen und Verbände<br />

herausgeben.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Bildung 115


Europäische Union: mehr<br />

Konzentration auf die großen<br />

Fragen erforderlich<br />

Das Jahr <strong>2010</strong> war das erste Amtsjahr einer neuen<br />

Kommission und das erste Jahr der Europäischen<br />

Union unter dem Vertrag von Lissabon. Der<br />

Vertrag von Lissabon verschafft mehr Klarheit: Die<br />

Kompetenzen zwischen der Europäischen Union<br />

und den Mitgliedstaaten sind besser abgegrenzt,<br />

unterstützt durch ein neu eingeführtes Klagerecht<br />

der nationalen Parlamente. Der Vertrag erleichtert<br />

die Entscheidungsfindung, indem die Mehrheitsentscheidungen<br />

im Ministerrat ausgeweitet, die<br />

Möglichkeit einer verstärkten Zusammenarbeit<br />

einer Gruppe von Mitgliedstaaten vereinfacht<br />

sowie die Mitentscheidung des Europäischen<br />

Parlaments als Regelgesetzgebungsverfahren<br />

eingeführt wurden.<br />

In der Vergangenheit wurden wichtige Entscheidungen,<br />

die für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Wirtschaft und die Vollendung des Binnenmarkts<br />

maßgeblich waren, oft über lange Zeit im<br />

Rat blockiert. Dieser Stillstand wird durch die Einführung<br />

von Mehrheitsentscheidungen als Regel<br />

in vielen Bereichen aufgehoben. Kernthemen der<br />

Sozialpolitik wie soziale Sicherheit und Arbeitnehmerschutz,<br />

Mitbestimmung und Kündigungsschutz<br />

oder auch Beschäftigungsbedingungen<br />

von Arbeitnehmern aus Drittstaaten verbleiben in<br />

der Einstimmigkeit. Einer schleichenden Kompetenzverschiebung<br />

in der Sozialpolitik wird so ein<br />

verlässlicher Riegel vorgeschoben.<br />

Diese institutionellen Reformen schaffen vor<br />

allem durch die Aufwertung des Europäischen<br />

Parlaments eine neue Balance zwischen den<br />

europäischen Institutionen. Für die BDA hat sich<br />

deutlich gezeigt, dass es immer wichtiger ist, ihre<br />

Argumente verstärkt im Europäischen Parlament<br />

vorzubringen und dafür zu sorgen, dass die Anliegen<br />

der Wirtschaft dort verstanden werden und in<br />

die politische Arbeit einfließen.<br />

Nach einer Phase mit weitgehendem politischem<br />

Stillstand im Jahr <strong>2010</strong> und einigen Anlaufschwierigkeiten<br />

der neuen Kommission herrscht<br />

nun geradezu ein Aktionismus, der zu einem<br />

Wirrwarr von politischen Einzelinitiativen führt.<br />

Das Große und Ganze scheint aus dem Blick zu<br />

geraten. Wichtig wäre es, sich konzentriert mit der<br />

nachhaltigen Bewältigung der Folgen der Finanzund<br />

Wirtschaftskrise, mit der Schaffung einer<br />

neuen europäischen Stabilitätskultur und mit der<br />

Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit der<br />

EU zu beschäftigen. Das gilt für Kommission und<br />

Parlament gleichermaßen. Letzteres verzettelte<br />

sich monatelang in einen geradezu absurden<br />

Streit über die Frage, ob die Mitgliedstaaten der<br />

EU vier oder sechs Wochen mehr Mutterschutz<br />

benötigen.<br />

Der Notfall Griechenland war in diesem Jahr<br />

eine Zerreißprobe für die Europäische Union.<br />

Und diese „hausgemachte“ Krise ist noch nicht<br />

überstanden. Weitere ähnliche Fälle können<br />

derzeit nicht ausgeschlossen werden. Die klare<br />

Position der Bundesregierung, Finanzhilfen für<br />

Griechenland nur unter der Bedingung nachhaltiger,<br />

glaubwürdiger Reformen und angemessener<br />

wirksamer Sparmaßnahmen in Griechenland<br />

zu ermöglichen, war im politischen und ökonomischen<br />

Interesse der gesamten EU und damit<br />

auch Griechenlands und Deutschlands. Denn die<br />

Summe der Stabilisierungsmaßnahmen von und<br />

für Griechenland diente in der Zusammenschau<br />

der Stabilität des Euro und damit der Währungsunion.<br />

Die von Griechenland ausgelöste Krise<br />

des Euro hat deutlich vor Augen geführt, dass der<br />

Stabilitätspakt dringend gestärkt werden muss,<br />

damit die Währungsunion künftig solchen Krisen<br />

vorbeugt und im Falle ihres Eintretens für ihre<br />

Bewältigung gerüstet ist.<br />

BDA und BDI haben sich in einer Erklärung<br />

„Für eine neue europäische Stabilitätspolitik“<br />

im Juni des Jahres gemeinsam positioniert: Die<br />

Eurozone muss eine Stabilitätsgemeinschaft bleiben.<br />

Erst die zwingend notwendige Schaffung<br />

einer Insolvenzoption für überschuldete Mitgliedstaaten<br />

wird auch Gläubiger überschuldeter Staaten<br />

angemessen an den Konsolidierungsmaßnahmen<br />

beteiligen. Die Verhängung von Sanktionen<br />

bei Überschreitung der Schuldengrenzen im Rahmen<br />

des Stabilitäts- und Wachstumspakts muss<br />

einem Automatismus unterworfen sein; erst dies<br />

schließt den schädlichen politischen „Kuhhandel“<br />

aus. Neben den ohnehin vorgesehenen Strafzahlungen<br />

sollte der Fokus zukünftig stärker auf das<br />

abgestufte Einfrieren von EU-Mitteln bis hin zur<br />

118<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales


Sperrung aller EU-Mittel inklusive der Agrarmittel<br />

gerichtet werden. Mitgliedstaaten, die wiederholt<br />

gegen Defizitkriterien und Korrekturauflagen verstoßen,<br />

sollten vorübergehend ihr Stimmrecht im<br />

Rat verlieren. Es ist ein wichtiger Teilerfolg auf<br />

dem Weg zu einer neuen Stabilitätskultur, dass<br />

es nach der deutsch-französischen Initiative beim<br />

EU-Gipfel am 28. und 29. Oktober gelungen ist,<br />

alle Staats- und Regierungschefs der EU davon<br />

zu überzeugen, dass ein permanenter Krisenmechanismus<br />

– mit der damit verbundenen Änderung<br />

des EU-Vertrags – eingerichtet werden<br />

muss. Auf dem Gipfel am 16. und 17. Dezember<br />

haben die EU-Staats- und Regierungschefs die<br />

Ergänzung des Lissabon-Vertrags zur Stabilisierung<br />

der Europäischen Währungsunion auf den<br />

Weg gebracht und zugleich betont, dass damit<br />

keine Übertragung weiterer Souveränitätsrechte<br />

verbunden ist. Diese angestrebte Vertragsergänzung<br />

unterstreicht das gemeinsame europäische<br />

Interesse an einem dauerhaften Stabilitätsmechanismus<br />

unter strengen Bedingungen. Weitere<br />

Schritte bleiben jedoch erforderlich und dringlich.<br />

So muss zügig eine Schärfung des EU-Stabilitätspakts<br />

gelingen, um das Risiko eines Abgleitens<br />

in eine Transferunion zu verhindern. Alle EU-<br />

Staaten müssen zudem die Konsolidierung ihrer<br />

Staatshaushalte vorantreiben.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen > Europa/Internationales > Standort<br />

Europa<br />

EU 2020 – Strategie für ein<br />

zukunftsfähiges Europa<br />

Die neue Kommission hat als übergreifendes<br />

Arbeitsprogramm für ihre Amtszeit die Reformstrategie<br />

EU 2020 erarbeitet, die die Staats- und<br />

Regierungschefs der EU beim Gipfeltreffen am<br />

17. Juni <strong>2010</strong> angenommen haben. Sie ist die<br />

Nachfolgerin der Lissabon-Strategie, die dieses<br />

Jahr ausläuft. Die EU-2020-Strategie enthält<br />

ein klares Bekenntnis, den Reformprozess<br />

in Europa zu beschleunigen: „Entweder stellen<br />

wir uns gemeinsam der unmittelbaren Herausforderung<br />

des wirtschaftlichen Aufschwungs und<br />

auch den längerfristigen Problemen (Globalisierung,<br />

Ressourcenknappheit, Alterung), damit<br />

wir die jüngsten Verluste ausgleichen, unsere<br />

Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen, unsere<br />

Produktivität steigern und längerfristig dem Wohlstand<br />

in der Union den Weg bereiten. Oder wir<br />

machen mit langsamen und weitgehend unkoordinierten<br />

Reformen weiter und riskieren dauerhafte<br />

Wohlstandseinbußen, ein schleppendes<br />

Wirtschaftswachstum mit der möglichen Folge<br />

hoher Arbeitslosenzahlen, sozialer Spannungen<br />

und relativer Bedeutungslosigkeit Europas auf der<br />

Weltbühne.“ Dieser richtigen Grundorientierung<br />

für ein zukunftsfähiges Europa müssen auch die<br />

konkreten politischen Handlungen in der EU und<br />

allen Mitgliedstaaten entsprechen. Die ökonomischen,<br />

sozialen und ökologischen Folgekosten<br />

werden erheblich sein, wenn die Wettbewerbsfähigkeit<br />

jetzt nicht nachhaltig verbessert wird.<br />

Der Europäische Rat hat sich darauf verständigt,<br />

bis 2020 eine Beschäftigungsquote von 75 %<br />

zu erreichen. Die Zielsetzung wird von der BDA<br />

voll unterstützt. Aufgrund der alternden Gesellschaft<br />

muss das Arbeitskräftepotenzial in Zukunft<br />

sehr viel besser ausgeschöpft werden als bisher.<br />

Das Flexicurity-Konzept, das durch eine Optimierung<br />

des Zusammenwirkens von aktiver Arbeitsmarktpolitik,<br />

Arbeitsrecht, sozialer Sicherung<br />

und lebenslangem Lernen die Beschäftigungschancen<br />

maximiert, spielt für die Erreichung des<br />

Beschäftigungsziels eine Schlüsselrolle. Es ist<br />

daher erfreulich, dass dem Flexicurity-Konzept<br />

in der EU-2020-Strategie entsprechende Priorität<br />

für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zugesprochen<br />

wird. Jetzt geht es darum, dass die<br />

bereits 2007 vom Europäischen Rat beschlossenen<br />

Flexicurity-Grundsätze für einen flexiblen<br />

und sicheren Arbeitsmarkt tatsächlich umgesetzt<br />

werden. Die europäischen Sozialpartner leisten<br />

ihren Beitrag dazu und sind mit dem Sozialdialogprojekt<br />

„Inclusive Labour Markets“ gerade dabei,<br />

die Umsetzung der Flexicurity-Grundsätze auf<br />

Ebene der Mitgliedstaaten gemeinsam zu prüfen.<br />

Die EU-Kommission hat angekündigt, im ersten<br />

Halbjahr 2012 eine neue Flexicurity-Mitteilung<br />

vorzulegen. Die BDA wird gemeinsam mit den<br />

Arbeitgeberverbänden der drei dann rotierenden<br />

EU-Präsidentschaftsländer Polen, Ungarn und<br />

Dänemark frühzeitig Vorschläge erarbeiten, um<br />

die Debatte wie auch die Mitteilung selbst in die<br />

richtige Richtung zu lenken.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales 119


Die BDA hat sich seit langem dafür eingesetzt,<br />

dass die EU-Kommission im Rahmen des<br />

Steuerungsmechanismus der Lissabon-Strategie<br />

die Reformdefizite der Mitgliedstaaten sehr viel<br />

ungeschminkter aufzeigen muss, als sie das<br />

bisher getan hat. Durch die Staatsschuldenkrise<br />

Griechenlands und die damit verbundene Frage<br />

nach besserer makroökonomischer Überwachung<br />

hat das Thema neue Priorität bekommen.<br />

Entscheidend ist, den Druck zur Umsetzung<br />

der gemeinsam beschlossenen Leitlinien der<br />

EU- 2020-Strategie zu erhöhen. Die EU-Kommission<br />

muss ihre Rolle dabei entschlossener<br />

wahrnehmen, wenn die EU-2020-Strategie nicht<br />

ein zahnloser Papiertiger bleiben und genauso<br />

scheitern soll wie die Lissabon-Strategie. Die<br />

EU-Kommission hat es selbst sehr weitgehend<br />

in der Hand, durch ihre Aktivitäten und Initiativen<br />

die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft<br />

nachhaltig zu stärken. Weniger ist dabei oft<br />

mehr! Die BDA fordert ein konsequentes Belastungsmoratorium<br />

für die gesamte europäische<br />

Wirtschaft. Dieses Belastungsmoratorium muss<br />

neben der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik auch die<br />

Steuer-, Industrie- und Energiepolitik umfassen.<br />

Zusätzliche Belastungen sind Gift für Konjunktur<br />

und Beschäftigung. Sie stärken die Wettbewerber<br />

und schwächen die europäische Wirtschaft. Statt<br />

unnötiger Regulierungen sollte die EU-Kommission<br />

die Vorgaben für den gemeinsamen Binnenmarkt<br />

entschlossen durchsetzen: für offene Märkte,<br />

gegen Protektionismus, für Wettbewerb und<br />

gegen Subventionen.<br />

Das erste Amtsjahr der neuen Kommission<br />

war zwar von der einen großen Leitidee „EU 2020“<br />

geprägt, diese scheint jedoch noch nicht Eingang<br />

in die konkreten Initiativen der einzelnen Kommissare<br />

und Generaldirektionen gefunden zu haben.<br />

Vielmehr ist der Wirrwarr an Einzelinitiativen überraschend.<br />

Da kommen generelle Rundumschläge,<br />

oder es werden Themen gebündelt, die inhaltlich<br />

nicht zusammengehören. In der europäischen<br />

Sozialpolitik kommen Initiativen nicht mehr „nur“<br />

aus der Generaldirektion Beschäftigung und Soziales,<br />

sondern zunehmend von anderen Kommissaren<br />

und Generaldirektionen – z. T. völlig unkoordiniert<br />

– in Zusammenhang mit Themen wie<br />

Binnenmarkt, Industriepolitik, Handel, Bildung,<br />

Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft sowie Inneres.<br />

Aktuelle Beispiele sind die industriepolitische<br />

Mitteilung von Industriekommissar Antonio Tajani,<br />

in der nun überraschend Umstrukturierung eine<br />

wesentliche Rolle spielt, oder die Mitteilung zum<br />

Binnenmarkt („Single Market Act“) von Binnenmarktkommissar<br />

Michel Barnier, in der eine Überarbeitung<br />

der Entsenderichtlinie angekündigt wird<br />

und Ansatzpunkte für eine europäische Regelung<br />

des Streikrechts enthalten sind.<br />

Binnenmarktakte – Stärkung des<br />

Binnenmarkts nicht durch unnötige<br />

sozialpolitische Initiativen<br />

konterkarieren<br />

Aufbauend auf dem Bericht „Eine neue Strategie<br />

für den Binnenmarkt“, den der ehemalige Binnenmarkt-<br />

und Wettbewerbskommissar Mario Monti<br />

im Mai <strong>2010</strong> vorgelegt hatte, hat die Kommission<br />

die Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte<br />

– für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige<br />

soziale Marktwirtschaft“ vorgelegt. Die<br />

Binnenmarktakte beinhaltet 50 sehr unterschiedliche<br />

Vorschläge – angefangen bei den Verfahren<br />

der europäischen Produktnormung über die<br />

Energieinfrastruktur, die sozialen Rechte von<br />

Arbeitnehmern bis hin zu Produktsicherheit und<br />

Passagierrechten. Sie ist ein Sammelsurium, das<br />

eine innere Kohärenz vermissen lässt. Manche<br />

Vorschläge sind geeignet, notwendige Impulse für<br />

die Vollendung des Binnenmarkts und die Verbesserung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit zu geben, wenn<br />

sie tatsächlich verabschiedet und dann konsequent<br />

umgesetzt werden, so z. B. das EU-Patent<br />

und die Vorschläge zur weiteren Liberalisierung<br />

der Dienstleistungsmärkte. Andere Vorschläge<br />

hingegen dürften für den Binnenmarkt eher<br />

schädlich sein, so z. B. mehrere sozialpolitische<br />

Vorschläge, etwa die Überprüfung der Pensionsfondsrichtlinie,<br />

ein europäischer Rahmen zur Antizipation<br />

von Umstrukturierungen und Vorschläge<br />

zu Corporate Social Responsibility (CSR).<br />

Zu einem wichtigen sozialpolitischen Thema,<br />

nämlich der grenzüberschreitenden Entsendung,<br />

ist es nicht zuletzt dank der intensiven Bemühungen<br />

von BUSINESSEUROPE und BDA gelungen,<br />

die endgültige Fassung der Binnenmarktakte zu<br />

verbessern. In internen Vorentwürfen der Kommission<br />

befand sich ein – wohl auf Druck der<br />

Gewerkschaften als Reaktion auf die Urteile des<br />

120<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales


Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Rechtssachen<br />

„Viking“, „Laval“, „Rüffert“ und „Kommission<br />

gegen Luxemburg“ eingebrachter – Vorschlag,<br />

eine europäische Regelung des Streikrechts<br />

aufzunehmen. In der verabschiedeten Binnenmarktakte<br />

wird nunmehr nur noch klargestellt, dass<br />

die Kommission den Grundrechten, einschließlich<br />

des Rechts auf Kollektivmaßnahmen, Rechnung<br />

trägt – dies ist eine Selbstverständlichkeit. Außerdem<br />

wird die Kommission einen Vorschlag vorlegen,<br />

um die Umsetzung der Entsende richtlinie<br />

zu verbessern, was grundsätzlich zu begrüßen<br />

ist. Verbesserungsbedarf besteht insbesondere<br />

dabei, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen<br />

Verwaltungen zu verbessern, um eine effektive<br />

und gezielte Bekämpfung von Missbräuchen zu<br />

gewährleisten. Dabei muss auch die in einigen Mitgliedstaaten<br />

offensichtlich fehlende Bereitschaft<br />

adressiert werden, bei der Missbrauchsbekämpfung<br />

mit den nationalen Verwaltungen der anderen<br />

Mitgliedstaaten konsequent zu kooperieren.<br />

Die Kommission muss auf eine Intensivierung der<br />

Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten<br />

und der Kommission, eine verbesserte Koordination<br />

von Kontrollinstrumenten sowie den Austausch<br />

von „good practices“ drängen.<br />

Dagegen ist die von der Kommission in diesem<br />

Zusammenhang ebenfalls vorgeschlagene<br />

klärende Bestimmung zum Verhältnis der sozialen<br />

Grundrechte zu den Grundfreiheiten des Binnenmarkts<br />

nicht dazu geeignet, die praktische<br />

Umsetzung der Entsenderichtlinie zu verbessern.<br />

Die Entsenderichtlinie berührt selbstverständlich<br />

nicht das Recht, Tarifverträge auszuhandeln,<br />

abzuschließen und durchzusetzen sowie Arbeitskampfmaßnahmen<br />

zu ergreifen. Der EuGH hat<br />

in den Rechtssachen „Viking“, „Laval“, „Rüffert“<br />

und „Kommission gegen Luxemburg“ die Autonomie<br />

der Mitgliedstaaten bei der Rechtsetzung im<br />

Bereich der kollektiven Rechte, z. B. des Streikrechts,<br />

anerkannt und einen angemessenen Ausgleich<br />

zwischen dem Recht der Gewerkschaften<br />

auf Ausübung kollektiver Rechte und den Grundfreiheiten<br />

vorgenommen. Es besteht daher in diesem<br />

Bereich kein Klärungs- oder gar Handlungsbedarf.<br />

Die Binnenmarktakte enthält weitere sozialpolitisch<br />

relevante Vorschläge, die sehr kritisch<br />

zu werten sind. Dazu gehören die Überprüfung<br />

der Pensionsfondsrichtlinie, der vorgesehene<br />

Rahmen für die Antizipation von Umstrukturierungen<br />

und last but not least eine Konsultation zur<br />

Transparenz bezüglich der Verantwortung der<br />

Unternehmen in den Bereichen Soziales, Ökologie<br />

und Achtung der Menschenrechte (CSR).<br />

Die Kommission schließt in dem Konsultationspapier,<br />

das sie am 22. November <strong>2010</strong> vorgelegt<br />

hat, legislative Initiativen ausdrücklich nicht aus.<br />

Dies ist umso unverständlicher, als die Kommission<br />

parallel dazu bereits für 2011 eine Mitteilung<br />

zu CSR angekündigt hat, die freilich von einem<br />

anderen Kommissar, Antonio Tajani, vorbereitet<br />

wird. Beide Initiativen scheinen nicht koordiniert<br />

zu sein – es entsteht die Gefahr eines Wildwuchses<br />

sich widersprechender Initiativen verschiedener<br />

Kommissare. Die in diesem Zusammenhang<br />

mit „Transparenz“ gemeinte Mitteilungspflicht<br />

über CSR-Aktivitäten ist abzulehnen. Gerade die<br />

freiwillige CSR-Berichterstattung entwickelt sich<br />

zurzeit sehr dynamisch. Jedwede Regulierung in<br />

diesem Bereich hätte zur Folge, dass Unternehmen<br />

sich darauf konzentrieren würden, nur noch<br />

die bürokratischen Vorgaben zu erfüllen, anstatt<br />

gemeinsam mit den Stakeholdern nach den für sie<br />

angemessenen kreativen Lösungen zu suchen.<br />

Die Kommission sollte ihren auf Freiwilligkeit<br />

beruhenden Ansatz – wie er z. B. in der Europäischen<br />

CSR-Allianz zum Ausdruck kommt – fortsetzen.<br />

Die BDA wird sich in diesem Sinne in die<br />

Konsultation, die noch bis zum 24. Januar 2011<br />

läuft, einbringen.<br />

Die Kommission hat auch angekündigt, die<br />

Entwicklung innovativer Unternehmensprojekte<br />

im sozialen Bereich zu unterstützen. Die BDA<br />

hat dazu u. a. einen europäischen Preis zu CSR<br />

vorgeschlagen. Die jetzt in der Binnenmarktakte<br />

vorgeschlagene Einführung von „Ethiklabels“<br />

ist jedoch kontraproduktiv: Sie hätte zur Folge,<br />

dass Unternehmen ohne ein entsprechendes<br />

Label unter den Generalverdacht gestellt<br />

würden, unethisch zu handeln. Dabei sind alle<br />

Unternehmen, die sich an die geltende Rechtsordnung<br />

halten und durch ihre Geschäftstätigkeit<br />

zu Wachstum und Beschäftigung beitragen, gute<br />

Unternehmen.<br />

Mit einem weiteren Vorschlag der Binnenmarktakte<br />

will die Kommission den Rechtsrahmen<br />

für die europäische Normung ändern. Auch<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales 121


dieser Vorschlag ist nicht nachvollziehbar, denn<br />

die derzeitigen Strukturen zur europäischen Produktnormung<br />

haben sich in der Praxis bewährt.<br />

Gegenwärtig findet die Meinungsbildung über die<br />

wesentlichen Inhalte der Normung in sog. Spiegelgremien<br />

bei den nationalen Normungsorganisationen<br />

statt. In Deutschland ist dies das Deutsche<br />

Institut für Normung (DIN). Aus diesen Gremien<br />

werden Experten in die europäischen Normungsgremien,<br />

z. B. das Europäische Komitee für Normung<br />

(CEN), entsandt. Damit wird die Akzeptanz<br />

der europäischen Normung in den Mitgliedstaaten<br />

gewährleistet und gleichzeitig dem Subsidiaritätsprinzip<br />

Rechnung getragen. Die angekündigte<br />

rechtliche Änderung der europäischen Normung<br />

lässt befürchten, dass die Verfahren zentralisiert<br />

und die Finanzierung über Steuergelder – anstatt<br />

wie in Deutschland über private Beiträge – festgeschrieben<br />

werden soll. Diese Ansätze wären kontraproduktiv<br />

für die Akzeptanz der Normen und<br />

würden außerdem politischer Einflussnahme Tür<br />

und Tor öffnen.<br />

Die BDA wird sich in der nun anstehenden<br />

Konsultation zur Binnenmarktakte dafür einsetzen,<br />

dass die positiven Vorschläge vorangetrieben<br />

und die kontraproduktiven Vorschläge verbessert<br />

oder aufgegeben werden.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Themen > Europa/Internationales > Standort<br />

Europa<br />

Klares Bekenntnis der euro päischen<br />

Sozialpartner zum Binnenmarkt<br />

Die europäischen Sozialpartner beschäftigen<br />

sich ebenfalls mit dem Funktionieren des Binnenmarkts,<br />

und zwar aus dem Blickwinkel seines<br />

Beitrags zur sozialen Konvergenz. Seit Anfang<br />

2009 haben sie die Entscheidungen des EuGH in<br />

den Rechtssachen „Viking“, „Laval“, „Rüffert“ und<br />

„Kommission gegen Luxemburg“ im Sozialen Dialog<br />

gemeinsam analysiert. Ausgegangen war die<br />

Initiative zu der gemeinsamen Analyse vom früheren<br />

EU-Kommissar Vladimír Špidla. Als Reaktion<br />

auf die Rechtsprechung des EuGH sah sich<br />

Špidla mit massiven Forderungen von Gewerkschaften<br />

und Teilen des Europäischen Parlaments<br />

konfrontiert, die Entsenderichtlinie zu verschärfen.<br />

Angesichts der drohenden Polarisierung bei<br />

der Revision der Entsenderichtlinie zwischen den<br />

EU-Mitgliedstaaten bat Špidla die europäischen<br />

Sozialpartner, das Thema im Sozialen Dialog zu<br />

analysieren, um zu einem gemeinsamen Ansatz<br />

zu kommen. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert<br />

– und als Erfolg für BUSINESSEUROPE<br />

und BDA zu werten –, dass es gelungen ist, im<br />

Abschlussbericht von <strong>2010</strong> das klare Bekenntnis<br />

beider Sozialpartner zum Binnenmarkt zu verankern<br />

und die erhebliche Bedeutung des Binnenmarkts<br />

für die soziale Konvergenz in Europa zu<br />

unterstreichen. Zu den Fragen der Vereinigungsfreiheit<br />

und des Streikrechts ist eine gemeinsame<br />

Positionierung dagegen nicht möglich gewesen.<br />

Daher wurden zu diesem Themenkomplex zwei<br />

getrennte Abschnitte mit den jeweiligen Positionen<br />

von Arbeitgebern und Gewerkschaften formuliert.<br />

Dadurch ist sichergestellt, dass die Arbeitgeberposition<br />

zu der Rechtsprechung des EuGH<br />

deutlich und unverfälscht artikuliert wird.<br />

Bewältigung von Unternehmensumstrukturierungen:<br />

kein Bedarf<br />

für zusätzliche Regulierung<br />

Nachdem das Thema „Antizipation und Bewältigung<br />

von Umstrukturierungen“ lange nicht auf der<br />

Regulierungsagenda der Kommission gestanden<br />

hatte, waren im Sommer in der Brüsseler Lobbyistenszene<br />

informelle Entwürfe für einen Richtlinienvorschlag<br />

mit drastischen Vorschlägen für<br />

Unternehmen aufgetaucht. Dazu gehörten z. B.<br />

die Verpflichtung für Unternehmen, gemeinsam<br />

mit Arbeitnehmervertretern Mehrjahrespläne zur<br />

Entwicklung des Beschäftigungs- und Kompetenzbedarfs<br />

aufzustellen, die die öffentlichen Stellen<br />

überprüfen sollten, sowie ein Anspruch der<br />

Arbeitnehmer auf Weiterbildung, der mindestens<br />

45 Stunden pro Jahr umfassen sollte. Letztlich<br />

stellte sich heraus, dass es sich dabei um einen<br />

Text handelte, der ausschließlich von einer Beratungsfirma<br />

erstellt worden und der Kommission<br />

nicht bekannt war.<br />

Die Kommission hat ihrerseits das Thema<br />

sowohl in der Binnenmarktakte als auch in<br />

der industriepolitischen Mitteilung vom Oktober<br />

<strong>2010</strong> aufgegriffen und eine Konsultation der<br />

122<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales


Sozialpartner zu einem europäischen Rahmen für<br />

die Antizipation industrieller Umstrukturierungen<br />

angekündigt. Auf europäischer Ebene besteht<br />

bereits ein umfassender Regulierungsrahmen, um<br />

Umstrukturierungen von Unternehmen konstruktiv<br />

zu gestalten. Dazu gehören u. a. Richtlinien zum<br />

Betriebsübergang, zur Information und Konsultation<br />

der Arbeitnehmer, zur Einrichtung von Europäischen<br />

Betriebsräten oder zu Massenentlassungen.<br />

Zusätzliche Regulierung ist daher nicht<br />

erforderlich. Ergänzend zu diesem legislativen<br />

Rahmen haben die europäischen Sozialpartner<br />

im Jahre 2003 mit den „Orientations for reference<br />

in managing change and its social consequences“<br />

Leitlinien für Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

zum Thema „Umstrukturierungen“ erarbeitet. Vor<br />

diesem Hintergrund gibt der von der Kommission<br />

angekündigte europäische Rahmen für die Antizipation<br />

industrieller Umstrukturierungen Anlass<br />

zur Sorge. Ein rechtsverbindlicher europäischer<br />

Rahmen würde der Vielfältigkeit und Komplexität<br />

von Umstrukturierungsprozessen nicht gerecht<br />

werden und die Gefahr bergen, diese unnötig zu<br />

erschweren. Da die Sozialpartner beim Umgang<br />

mit Umstrukturierungsprozessen eine wesentliche<br />

Rolle spielen, werden die Arbeitgeber die Konsultation<br />

jedoch konstruktiv begleiten. Ausgangspunkt<br />

dazu müssen die Leitlinien der Sozialpartner<br />

aus dem Jahre 2003 sein. Immerhin ist die<br />

nun angekündigte offene Konsultation der Kommission<br />

eine deutliche Verbesserung gegenüber<br />

früheren Überlegungen, die ausschließlich auf<br />

eine Richtlinie abzielten. Insoweit hat die intensive<br />

Überzeugungsarbeit der Wirtschaft in den vergangenen<br />

Jahren Wirkung gezeigt.<br />

Revision der Mutterschutzrichtlinie<br />

– Beschluss des Europäischen<br />

Parlaments kontraproduktiv<br />

und korrekturbedürftig<br />

Das Europäische Parlament hat in der Plenarabstimmung<br />

im Oktober <strong>2010</strong> beschlossen, die<br />

Mutterschutzfrist von 14 auf 20 Wochen bei voller<br />

Lohnfortzahlung zu verlängern und zusätzlich<br />

einen zweiwöchigen voll bezahlten Vaterschaftsurlaub<br />

einzuführen.<br />

Es begründet dieses Vorhaben doppelt,<br />

nämlich mit dem Gesundheitsschutz und mit dem<br />

Erfordernis besserer Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf. Die Arbeitgeber bekennen sich selbstverständlich<br />

zum Gesundheitsschutz für jede<br />

schwangere Frau und junge Mutter. Dieser ist mit<br />

dem gegenwärtigen EU-Standard von 14 Wochen<br />

Mutterschutzfrist vollumfänglich gewährleistet.<br />

Im Hinblick auf das Ziel besserer Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familienleben ist nur die<br />

Gesamtschau von Mutterschutz und Elternzeit<br />

angemessen. Hier liegt Deutschland an der Spitze<br />

und gehört zu den Ländern mit den familienfreundlichsten<br />

Regelungen in der EU. Dies gilt sowohl in<br />

Bezug auf die Dauer (162 Wochen, im Vergleich zu<br />

27 Wochen wie z. B. in Belgien) als auch in Bezug<br />

auf die finanzielle Ausstattung der Familien.<br />

Der Beschluss des Europäischen Parlaments<br />

zeigt einen erschreckenden Realitätsverlust<br />

und setzt dem schon überflüssigen Kommissionsvorschlag<br />

noch eins drauf. Die Verlängerung<br />

des Mutterschaftsurlaubs von 14 auf 20 Wochen<br />

bei voller Lohnfortzahlung sowie ein zweiwöchiger<br />

voll bezahlter Vaterschaftsurlaub würden alleine<br />

die deutschen Arbeitgeber und öffentlichen Haushalte<br />

nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts<br />

mit ca. 1,7 Mrd. € pro Jahr zusätzlich belasten.<br />

Die darüber hinaus vom Parlament beschlossene<br />

Ausweitung des Kündigungsschutzes auf<br />

mindestens sechs Monate nach Beendigung des<br />

Mutterschutzes sowie überzogene arbeitsschutzrechtliche<br />

Neuregelungen und Dokumentationspflichten<br />

in Bezug auf „reproduktive Risiken bei<br />

der Bewertung des Arbeitsplatzes“ würden sich<br />

am Ende gegen die Frauen selbst richten, weil sie<br />

deren Beschäftigung weiter unnötig erschwerten.<br />

Nur 1,4 % aller deutschen Unternehmen haben<br />

mehr als 500 Beschäftigte – die vielen kleinen<br />

und mittleren Betriebe haben keinerlei Kapazität<br />

für solche überflüssige zusätzliche Bürokratie.<br />

Auch die vom Europäischen Parlament<br />

beschlossene Anrechnungsoption von Elternzeit<br />

auf die verlängerte Mutterschutzfrist ist zwar von<br />

den Initiatoren gut gemeint, aber bleibt mit erheblichen<br />

Mehrkosten für die deutsche Wirtschaft verbunden<br />

und ist daher abzulehnen.<br />

Der Beschluss des Europäischen Parlaments<br />

geht zur Weiterbehandlung an den Ministerrat.<br />

Dort gibt es zunehmend Einsicht, dass<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales 123


Mutterschutz und Elternzeit – Deutschland in der Spitzengruppe<br />

Slowakei<br />

28<br />

156<br />

184<br />

Tschechien<br />

28<br />

156<br />

184<br />

Litauen<br />

18<br />

156<br />

174<br />

Polen<br />

18<br />

156<br />

174<br />

Frankreich<br />

16<br />

156<br />

172<br />

Spanien<br />

16<br />

156<br />

172<br />

Deutschland<br />

14<br />

156<br />

162*<br />

Ungarn<br />

24<br />

104<br />

128<br />

Österreich<br />

16<br />

104<br />

120<br />

Bulgarien<br />

48<br />

45<br />

93<br />

Estland<br />

20<br />

72<br />

92<br />

Schweden<br />

14<br />

72<br />

86<br />

Großbritannien<br />

26<br />

52<br />

78<br />

Irland<br />

28<br />

42<br />

70<br />

Luxemburg<br />

20<br />

48<br />

68<br />

Italien<br />

20<br />

40<br />

60<br />

Dänemark<br />

18<br />

40<br />

58<br />

Slowenien<br />

15<br />

37<br />

52<br />

Lettland<br />

16<br />

32<br />

48<br />

Griechenland<br />

17<br />

28<br />

45<br />

Finnland<br />

23<br />

21<br />

44<br />

Niederlande<br />

16<br />

26<br />

42<br />

Rumänien<br />

24<br />

18<br />

42<br />

Malta<br />

14<br />

24<br />

38<br />

Zypern<br />

Portugal<br />

Belgien<br />

13<br />

18<br />

12<br />

17<br />

12<br />

15<br />

31<br />

29<br />

27<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 in Wochen<br />

Elternzeit<br />

Mutterschutz<br />

insgesamt<br />

* Anrechnung der Mutterschutzfrist auf Gesamtdauer Elternzeit gem. § 15 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz<br />

Quellen: COMMISSION OF THE EUROPEAN COMMUNITIES, Brussels, SEC(2008) 2526/2, COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT<br />

accompanying the Proposal for a DIRECTIVE OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL amending Council Directive<br />

92/85/ EEC, Impact Assessment Report {COM(2008) 600} {SEC(2008) 2527}<br />

124<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales


jedwede Lösung Mutterschutz und Elternzeit in<br />

einer Gesamtbetrachtung würdigen muss und<br />

Länder mit so weit reichenden Bestimmungen zur<br />

Elternzeit wie z. B. Deutschland nicht benachteiligen<br />

darf. Insbesondere dürfen für Unternehmen<br />

keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Bundesregierung<br />

hat im weiteren Gesetzgebungsverfahren<br />

im Ministerrat die volle Unterstützung der<br />

Arbeitgeber, diesen sozialpolitischen Irrweg des<br />

Europäischen Parlaments nicht mitzugehen.<br />

Kommission startet zweiten<br />

Anlauf zur Revision der Arbeitszeitrichtlinie<br />

Nachdem die Revision der Arbeitszeitrichtlinie<br />

Anfang 2009 scheiterte, weil das Parlament einen<br />

in letzter Minute in den Verhandlungen zwischen<br />

Kommission, Parlament und Ministerrat (Trilog)<br />

erreichten Kompromiss dennoch ablehnte, versucht<br />

die Kommission die Rahmenbedingungen<br />

für einen zweiten Anlauf zur Revision der bestehenden<br />

Arbeitszeitrichtlinie abzustecken. Derzeit<br />

wird auf der Grundlage von Art. 154 des Vertrags<br />

über die Arbeitsweise der Europäischen Union<br />

eine Sozialpartnerkonsultation durchgeführt. Die<br />

BDA war an der ersten Stufe der Sozialpartnerkonsultation<br />

beteiligt und hat sich für eine Weiterentwicklung<br />

hin zu mehr Individualisierung,<br />

Differenzierung und Flexibilisierung der Arbeitszeitgestaltung<br />

ausgesprochen. Die Umsetzung<br />

der Arbeitszeitflexibilisierung steht in engem<br />

Zusammenhang mit der Korrektur der EuGH-<br />

Urteile zu Bereitschaftszeit und Urlaub.<br />

So hat der EuGH in den Fällen „Jaeger“<br />

und „SIMAP“ geurteilt, dass Bereitschaftsdienst<br />

vollständig als Arbeitszeit anzusehen ist. Damit<br />

gilt Bereitschaftszeit uneingeschränkt, also auch<br />

die inaktiven Phasen, als Arbeitszeit. Deutschland<br />

hat dieses Urteil durch Rechtsänderungen<br />

umgesetzt. Folge dieser Anpassung sind höhere<br />

Kosten, vor allem dort, wo Bereitschaftsdienst<br />

eine wichtige Rolle spielt. Mit einer Korrektur dieser<br />

EuGH-Rechtsprechung durch eine entsprechende<br />

Klarstellung in der Arbeitszeitrichtlinie<br />

könnte das deutsche Arbeitszeitgesetz wieder zu<br />

Gunsten der Arbeitszeitflexibilität geändert und<br />

die hohen Kosten für die Unternehmen zurückgenommen<br />

werden. Dabei muss die Möglichkeit<br />

zur Abweichung von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit<br />

(„opt out“) unangetastet bleiben.<br />

Ferner hat der EuGH in der Entscheidung<br />

Schultz-Hoff/Stringer geurteilt, dass Urlaub nicht<br />

verfällt, wenn Arbeitnehmer so lange krank sind,<br />

dass sie ihren Jahresurlaub nicht antreten können.<br />

So können im Extremfall über mehrere Jahre<br />

Urlaubsansprüche auflaufen, ohne dass der Zweck<br />

des Urlaubsrechts, nämlich die notwendige Erholung<br />

des Arbeitnehmers von seiner Erwerbsarbeit,<br />

erfüllt würde. Damit wird das deutsche Urlaubsrecht<br />

(§ 7 Abs. 3 BUrlG) ausgehebelt; nach der bisherigen<br />

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts<br />

verfallen entsprechende Jahresurlaubsansprüche<br />

spätestens zum 31. März des Folgejahres.<br />

Die BDA wird auf die Kommission einwirken,<br />

um auf der Grundlage der Sozialpartnerkonsultation<br />

einen Richtlinienvorschlag vorzulegen, der<br />

die beschriebene Rechtsprechung des EuGH korrigiert.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „EU-Arbeitszeitrichtlinie“<br />

Grünbuch Alterssicherung – offene<br />

Konsultation wirklich offen halten<br />

Die Kommission hat im Juli <strong>2010</strong> eine europaweite<br />

öffentliche Diskussion zur Frage gestartet, wie<br />

angemessene, nachhaltige und sichere Pensionen<br />

und Renten gewährleistet werden können und wie<br />

die EU die entsprechenden nationalen Bemühungen<br />

am besten unterstützen kann. Sie bringt zum<br />

Ausdruck, dass es in allen Mitgliedstaaten immer<br />

mehr ältere Menschen gibt, weshalb die aktuellen<br />

Systeme für die Alterssicherung unter massivem<br />

Druck stehen, den die Wirtschafts- und Finanzkrise<br />

noch verstärkt hat. Das Konsultationsdokument,<br />

ein Grünbuch mit einer Reihe von Fragen,<br />

lädt alle Interessierten ein, ihre Meinungen und<br />

Ideen zur Lösung der Pensions- und Rentenproblematik<br />

einzubringen und zu skizzieren, welchen<br />

Beitrag die EU dazu leisten kann. Das Grünbuch<br />

will den EU-Rahmen für die Alterssicherung einer<br />

ganzheitlichen und umfassenden Überprüfung<br />

unterziehen. Daher handelt es sich bei der Konsultation<br />

um eine gemeinsame Initiative der EU-<br />

Kommissare László Andor (Beschäftigung, soziale<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales 125


Angelegenheiten und Chancengleichheit), Michel<br />

Barnier (Binnenmarkt und Dienstleistungen) und<br />

Olli Rehn (Wirtschaft und Währung). Im Grünbuch<br />

sollen die Synergien zwischen Wirtschafts- und<br />

Sozialpolitik und der Regulierung der Finanzmärkte<br />

genutzt werden, weshalb so verschiedene Themen<br />

angerissen werden wie z. B.:<br />

• Verlängerung des Arbeitslebens<br />

• Binnenmarkt für Pensionen und Renten<br />

• Mobilität von Pensionen und Renten innerhalb<br />

der EU<br />

• die zukünftige Solvenzregelung für Pensionsfonds<br />

• das Risiko der Arbeitgeberinsolvenz<br />

• Grundlagen für fundierte Entscheidungen<br />

und Governance auf EU-Ebene<br />

Nachdem die Konsultationsfrist Mitte November<br />

<strong>2010</strong> abgelaufen ist, wird die Kommission alle<br />

Beiträge zusammenstellen und in einem Sammeldokument<br />

veröffentlichen. Da das Europäische<br />

Parlament mit seinen Beratungen zum Grünbuch<br />

diese Frist nicht einhalten konnte, wird es<br />

seine Stellungnahme erst Anfang 2011 vorlegen.<br />

Erst dann soll nach Angaben der Kommission<br />

über nächste Schritte beraten werden; denkbare<br />

Ansätze wären ein Weißbuch oder einzelne Initiativen<br />

zu Fragen, an denen bereits vor dem Grünbuch<br />

gearbeitet wurde. Angesichts dieser Aussagen<br />

ist es umso unverständlicher, dass in der<br />

Binnenmarktakte vom Oktober <strong>2010</strong> bereits eine<br />

isolierte Überprüfung der Pensionsfondsrichtlinie<br />

angekündigt wird. Wenn es dabei bliebe, würde<br />

die von der Kommission zu Recht angestoßene<br />

Debatte über die demografischen Herausforderungen<br />

in den Alterssicherungssystemen der Mitgliedstaaten<br />

vorschnell entwertet. Insgesamt ist<br />

zu sehen, dass Aktionismus kein guter Ratgeber<br />

ist. Gerade im Bereich der Altersvorsorge kommt<br />

es auf Stabilität und Verlässlichkeit an. Verunsicherung<br />

durch immer neue Initiativen schadet<br />

dort, wo Vertrauen wachsen sollte.<br />

Richtlinienvorschlag zur konzerninternen<br />

Entsendung von Drittstaatsangehörigen<br />

weist den Weg<br />

Die EU-Kommission hat im Juli <strong>2010</strong> einen Sektorrichtlinienvorschlag<br />

zur konzerninternen Entsendung<br />

von Drittstaatsangehörigen (Intra-Corporate<br />

Transferees, ICTs) vorgelegt mit dem Ziel,<br />

den unternehmensinternen Transfer von „Schlüsselpersonal“<br />

aus Drittstaaten in die EU und innerhalb<br />

der EU zu vereinfachen und zu standardisieren.<br />

Dadurch soll die innereuropäische Mobilität<br />

erleichtert und die EU als Arbeitsstandort wettbewerbsfähiger<br />

und attraktiver für multinationale<br />

Unternehmen gemacht werden.<br />

Dieser Richtlinienvorschlag war lange überfällig<br />

und steht vom Ansatz her als Beispiel für<br />

sinnvolle Regulierung im Interesse der Unternehmen<br />

und um den Standort Europa attraktiver<br />

zu machen. Die Vorschläge adressieren einen<br />

Bedarf, den die Unternehmen bereits lange artikuliert<br />

haben. Damit gibt die Kommission ein richtiges<br />

Signal an global agierende Unternehmen,<br />

die ihr Personal effektiv und schnell in all ihren<br />

Unternehmensteilen einsetzen müssen.<br />

Der Richtlinienvorschlag beinhaltet neben<br />

der Errichtung eines transparenten und einheitlichen<br />

Verfahrens zur Zulassung von ICTs<br />

einheitliche Mindeststandards im Hinblick auf<br />

die Zulassungsvoraussetzungen, die Mobilität<br />

zwischen Mitgliedstaaten und die Bedingungen<br />

der Familienzusammenführung. Darüber hinaus<br />

gewährt der Vorschlag den ICTs bestimmte<br />

Rechte insbesondere bezüglich der Arbeits- und<br />

Beschäftigungsbedingungen sowie sozialer<br />

Absicherung. Der Richtlinienvorschlag findet auf<br />

folgende drei Personengruppen Anwendung:<br />

Führungskräfte, Fachkräfte mit Branchenkenntnissen<br />

und besonderem Fachwissen sowie auf<br />

Trainees mit Hochschulausbildung. Für die ersten<br />

beiden Gruppen ist eine maximale Aufenthaltsdauer<br />

von drei Jahren, für die Trainees von<br />

einem Jahr vorgesehen.<br />

Um die richtige Zielsetzung zu erreichen,<br />

muss sich der Anwendungsbereich der Richtlinie<br />

an der betrieblichen Praxis ausrichten. Insbesondere<br />

muss noch klargestellt werden, dass der<br />

126<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales


Richtlinienvorschlag nicht nur die Konstellation<br />

einer Entsendung, sondern auch den Fall einer<br />

Versetzung erfasst.<br />

Sektoraler Richtlinienvorschlag zu<br />

Saisonarbeitnehmern: Subsidiaritätsprinzip<br />

berücksichtigen<br />

Die EU-Kommission verfolgt mit dem Vorschlag<br />

das Ziel, einheitliche Mindeststandards für die<br />

Einreise und den Aufenthalt von Saisonarbeitnehmern<br />

aus Drittstaaten festzulegen, Rechte für diese<br />

Personengruppe festzuschreiben sowie Ausbeutung<br />

von Saisonarbeitskräften vorzubeugen.<br />

Voraussetzung für die Beschäftigung soll sein,<br />

dass zwischen dem Saisonarbeitnehmer aus dem<br />

Drittstaat und dem in der EU niedergelassenen<br />

Arbeitgeber direkt ein oder mehrere befristete<br />

Arbeitsverträge geschlossen werden.<br />

Nicht geregelt wird in dem Richtlinienvorschlag<br />

die Möglichkeit von Saisonarbeitnehmern,<br />

sich im Rahmen ihrer Tätigkeit innerhalb der EU in<br />

mehreren Mitgliedstaaten aufzuhalten.<br />

Saisonarbeitnehmer aus Drittstaaten sollen<br />

schneller und unbürokratischer in der EU beschäftigt<br />

werden können. Nur wird aus deutscher Sicht<br />

darauf zu achten sein, dass die deutschen Saisonbranchen<br />

im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten<br />

die gleichen Wettbewerbsbedingungen<br />

erhalten und nicht durch zu restriktive nationale<br />

Kontingente eingeschränkt werden.<br />

Dennoch gibt es zwei grundsätzliche Bedenken:<br />

Es zeichnet sich erstens ab, dass Saisonarbeitnehmer<br />

zunehmend – vor allem in grenznahen<br />

Regionen – grenzüberschreitend eingesetzt werden,<br />

etwa in der Hotellerie oder Landwirtschaft.<br />

Eine EU-Regelung zur Beschäftigung von Saisonarbeitnehmern<br />

aus Drittstaaten muss daher genau<br />

dieses Thema aufgreifen, um einen echten Mehrwert<br />

zu bieten. Leider klammert der Richtlinienvorschlag<br />

genau diesen Aspekt aus. Deshalb ist der<br />

Richtlinienentwurf in der aktuellen Fassung im Hinblick<br />

auf das Subsidiaritätsprinzip höchst fraglich,<br />

da er lediglich den Einsatz von Saisonarbeitnehmern<br />

im jeweiligen Mitgliedstaat regelt. Die Branchendefinition<br />

im Richtlinienvorschlag ist zu weit<br />

gefasst. Es muss zweitens sicher gestellt werden,<br />

dass die Mitgliedstaaten die in den Anwendungsbereich<br />

dieser Richtlinie fallenden Branchen selbst<br />

definieren können, um möglichem Missbrauch<br />

begegnen zu können.<br />

Gender Equality Strategy: weiter<br />

auf freiwillige Konzepte setzen<br />

Am 21. September <strong>2010</strong> hat die EU-Kommission<br />

ihre neue EU-Gleichstellungsstrategie <strong>2010</strong>–<br />

2015 vorgelegt. Die neue Strategie löst den EU-<br />

Fahrplan für Gleichstellung 2006–<strong>2010</strong> ab. Zwei<br />

Themen aus diesem Strategieplan sind für die<br />

Arbeitgeber zentral, „Gleiches Entgelt für gleichwertige<br />

Arbeit“ und „Gleichstellung in Entscheidungsprozessen“.<br />

Die EU-Kommission geht in ihrer Mitteilung<br />

von einer durchschnittlichen geschlechtsspezifischen<br />

Lohndifferenz in der EU von derzeit 17,8 %<br />

aus. Dabei geht sie allerdings kaum auf die Ursachen<br />

dieser strukturellen Lohnunterschiede ein,<br />

die sich aus unterbrochenen Berufsbiografien und<br />

einem hohen Anteil von Teilzeitarbeit ergeben.<br />

Zudem spielt die geschlechtsspezifische Berufswahl<br />

bei der Lohndifferenz eine große Rolle, Frauen<br />

sind überdurchschnittlich oft in Bereichen mit<br />

geringeren Qualifikationserfordernissen und entsprechend<br />

niedrigeren Löhnen tätig. Hierzu zählen<br />

vor allem Tätigkeiten in einfachen und sozialen<br />

Dienstleistungen.<br />

Die EU-Kommission will nun den Ursachen<br />

für die geschlechtsspezifische Lohndifferenz auf<br />

den Grund gehen und erklärt in ihrer Mitteilung,<br />

dass sie die Lohntransparenz verbessern möchte.<br />

Es soll untersucht werden, welche Auswirkungen<br />

Vertragsformen wie Teilzeitarbeit oder befristete<br />

Arbeitsverträge auf die Lohngleichheit haben.<br />

Dazu will sie auch die Sozialpartner konsultieren.<br />

Die Kommission will zudem Initiativen für gleiches<br />

Entgelt am Arbeitsplatz – wie etwa Garantiesiegel,<br />

Selbstverpflichtungen und Auszeichnungen<br />

für vorbildliche Arbeitgeber – unterstützen. Ferner<br />

denkt sie an die Einführung eines „Europäischen<br />

Tags für gleiches Entgelt“ analog zum deutschen<br />

„Equal Pay Day“.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales 127


Die BDA setzt sich dafür ein, dass in der<br />

öffentlichen Debatte viel stärker die strukturellen<br />

Aspekte unterschiedlicher beruflicher Biografien<br />

berücksichtigt werden. Es gibt ausreichend Zahlen<br />

und Fakten, die dies belegen und die eine fundierte<br />

Grundlage für den Dialog mit der Kommission<br />

zu diesem Thema bieten.<br />

Die Kommission stellt fest, dass Frauen in<br />

Führungspositionen immer noch stark unterrepräsentiert<br />

sind. Sie nennt explizit die Beteiligung in<br />

politischen Ämtern und in Aufsichtsräten der größten<br />

börsennotierten Unternehmen in der EU. Die<br />

EU-Kommission will Möglichkeiten gezielter Initiativen<br />

zur Verbesserung des Geschlechtergleichgewichts<br />

in Entscheidungsprozessen prüfen.<br />

Die zuständige Kommissarin für Justiz und<br />

Chancengleichheit, Viviane Reding, hat sich insbesondere<br />

zur Thematik „Frauen in Führungspositionen“<br />

mehrfach in der Presse und auf Veranstaltungen<br />

geäußert. Dabei hat sie angekündigt,<br />

sich im Frühjahr 2011 mit Vertretern börsennotierter<br />

Unternehmen treffen zu wollen, um mit ihnen<br />

freiwillige Maßnahmen zu erörtern, um echte<br />

Fortschritte zu erzielen. Reding machte sehr deutlich,<br />

dass sie – falls keine spürbaren Fortschritte<br />

im Jahr 2011 erreicht würden – spätestens 2012<br />

regulative Maßnahmen einleiten werde, um den<br />

Anteil von Frauen in Aufsichtsräten börsennotierter<br />

Unternehmen zu erhöhen.<br />

Die BDA unterstützt das Ziel, mehr Frauen<br />

in Führungspositionen zu bringen, lehnt aber eine<br />

gesetzliche Quote zur Erreichung dieses Ziels<br />

ab. Sie ist derzeit mit zahlreichen Unternehmen<br />

im Dialog, um zielführende Wege für freiwillige<br />

Maßnahmen zu erarbeiten und die zahlreichen<br />

Good-Practice-Beispiele als Gesprächsgrundlage<br />

für den Dialog mit der EU-Kommission aufzuarbeiten.<br />

Sozialer Dialog: Vorhaben des<br />

geltenden Arbeitsprogramms<br />

erfolgreich umsetzen<br />

Im Rahmen des europäischen Sozialen Dialogs<br />

wurde Anfang <strong>2010</strong> nach schwierigen Verhandlungen<br />

eine „Autonome Rahmenvereinbarung“ zum<br />

Thema „Inclusive Labour Markets“ unterzeichnet.<br />

Damit wird ein Thema aus dem gemeinsamen<br />

Arbeitsprogramm des europäischen Sozialen Dialogs<br />

abgearbeitet.<br />

Das Ziel dieser autonomen Rahmenvereinbarung<br />

ist es:<br />

• Themen der Integration in den Arbeitsmarkt<br />

gemeinsam anzusprechen<br />

• Unternehmen und Sozialpartnerorganisationen<br />

zu sensibilisieren und zu informieren<br />

• Unternehmen und Sozialpartnerorganisationen<br />

Handlungsansätze zur Überwindung<br />

von Hindernissen bei der Integration in den<br />

Arbeitsmarkt anzuzeigen<br />

Die Vereinbarung wird nun von den nationalen<br />

Sozialpartnern entsprechend ihren jeweils<br />

eigenen Gepflogenheiten praxisnah umgesetzt.<br />

Für Deutschland kommen – wie bereits mit bestehenden<br />

autonomen Vereinbarungen wie z. B. zu<br />

Telearbeit, Chancengleichheit, Stress praktiziert –<br />

gemeinsame BDA/DGB-Empfehlungen, Praxisseminare,<br />

Leitfäden für die betriebliche Praxis etc.<br />

in Frage.<br />

Zudem wird derzeit mit dem Europäischen<br />

Gewerkschaftsbund an einer Analyse zu den Auswirkungen<br />

des Klimawandels auf die Beschäftigung<br />

und der Identifizierung möglicher gemeinsamer<br />

Maßnahmen gearbeitet. Damit entwickeln die<br />

Sozialpartner einen wichtigen Input für die europäische<br />

Debatte zu „Green Jobs“.<br />

Die Arbeitgeber haben die EU-Kommission<br />

von ihrem Vorhaben einer Mitteilung zum sektoralen<br />

Sozialen Dialog ganz abbringen können. Sie<br />

wollte ursprünglich mehr Druck auf die Sozialpartner<br />

ausüben, Ergebnisse im Sinne der Kommission<br />

zu liefern. Genau dies hätte deshalb massiv<br />

dem Autonomieprinzip widersprochen. Sozialpartner<br />

sind niemals Erfüllungsgehilfen Dritter, sondern<br />

handeln in eigener Verantwortung.<br />

Auch ist es den europäischen Sozialpartnern<br />

gelungen, sich gemeinsam zur EU-2020-Strategie<br />

zu äußern. Sie rufen dazu auf, Wachstum<br />

zum Maßstab des Erfolgs der EU-2020-Strategie<br />

zu machen. Mindestens 2 % durchschnittliches<br />

128<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales


Wachstum sollten in der EU in den kommenden<br />

Jahren erreicht werden, um dadurch rd. 6,5 Mio.<br />

zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses<br />

gemeinsame Bekenntnis ist nun Grundlage für<br />

Überlegungen weiterer Folgeaktivitäten im europäischen<br />

Sozialen Dialog.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Europäischer Sozialer Dialog“<br />

Corporate Social Responsibility:<br />

Bundesregierung setzt richtige<br />

Schwerpunkte<br />

Das Bundeskabinett hat am 6. Oktober <strong>2010</strong><br />

einen CSR-Aktionsplan verabschiedet, der auf<br />

Empfehlungen des von der Bundesregierung<br />

initiierten und moderierten deutschen CSR-<br />

Forums aufbaut. Der Kabinettsbeschluss stellt<br />

für die Wirtschaft einen großen Erfolg dar: Der<br />

freiwillige Charakter von CSR wird bestätigt, das<br />

große Engagement der Unternehmen gewürdigt<br />

und die Rollenverteilung zwischen Regierungen<br />

und Unternehmen klar voneinander abgegrenzt.<br />

Bereits in früheren CSR-Foren haben<br />

sich Befürworter von CSR-Berichterstattungspflichten,<br />

CSR-Labels und einer Verknüpfung<br />

von CSR mit Instrumenten der Exportförderung<br />

nicht durchsetzen können. Die BDA hat gemeinsam<br />

mit BDI, DIHK und ZDH und den Vertretern<br />

der Unternehmen aufgrund intensiver Überzeugungsarbeit<br />

erreicht, dass die vom CSR-Forum<br />

im Konsens verabschiedeten Empfehlungen vor<br />

allem auf mehr und bessere Informationen zu<br />

CSR, besseren Erfahrungsaustausch und mehr<br />

Bewusstseinsbildung abzielen. In der nun verabschiedeten<br />

CSR-Strategie ist die Bundesregierung<br />

diesem pragmatischen Ansatz gefolgt.<br />

Konkrete Maßnahmen, die sich die Bundesregierung<br />

vornimmt, sind z. B. passgenaue praktische<br />

Hilfestellungen durch Beratungs- und Coachingprogramme,<br />

insbesondere für kleine und mittlere<br />

Unternehmen, und die Auslobung eines neuen<br />

CSR-Preises der Bundesregierung.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Corporate Social Responsibility“<br />

EU-Kommission muss den praxisorientierten<br />

Ansatz der Europäischen<br />

CSR-Allianz weiterführen<br />

Jetzt kommt es darauf an, dass sich ein praxisorientierter<br />

Ansatz auch auf europäischer Ebene durchsetzt.<br />

Der EU-Unternehmenskommissar Antonio<br />

Tajani hat angekündigt, im ersten Halbjahr 2011<br />

eine Mitteilung zu CSR vorzulegen, mit der die seit<br />

2006 praktizierte Europäische CSR-Allianz fortgeschrieben<br />

werden soll. Themenschwerpunkte der<br />

Mitteilung werden voraussichtlich CSR-Berichterstattung,<br />

Menschenrechte sowie die stärkere Aufnahme<br />

von CSR in die Außenbeziehungen der EU<br />

sein. Es ist darauf zu achten, dass die EU-Kommission<br />

ihren praxis orientierten, auf Freiwilligkeit<br />

basierenden Ansatz nicht verlässt, keine verbindlichen<br />

Regulierungen für Unternehmen im Bereich<br />

CSR ins Auge fasst. Aus dem Europäischen Parlament,<br />

von Nichtregierungsorganisationen und<br />

sogar von einigen Regierungen wird z. B. Druck<br />

in Richtung einer verpflichtenden CSR-Berichterstattung<br />

sowie der Aufnahme von CSR-Verpflichtungen<br />

in bilaterale Handelsabkommen der EU<br />

gemacht. Auch andere Kommissare nehmen das<br />

Thema „CSR“ auf. So hat Binnenmarktkommissar<br />

Michel Barnier im Rahmen des „Single Market Act“<br />

angekündigt, die öffentliche Beschaffung sowie<br />

den Zugang zu Finanzierung mit CSR-Aktivitäten<br />

der Unternehmen verknüpfen zu wollen.<br />

Die BDA hat gemeinsam mit dem italienischen<br />

Schwesterverband Confindustria im Juli <strong>2010</strong> mit<br />

Kommissar Antonio Tajani gesprochen, um für die<br />

Beibehaltung des auf Freiwilligkeit basierenden<br />

Ansatzes zu CSR zu werben. Tajani zeigte sich<br />

dabei offen für konstruktive Vorschläge von Seiten<br />

der Wirtschaft. BDA und Confindustria haben<br />

in einem gemeinsamen Schreiben von Arbeitgeberpräsident<br />

Prof. Dr. Dieter Hundt und Confindustria-Präsidentin<br />

Emma Marcegaglia an Kommissar<br />

Tajani insbesondere die Einrichtung eines<br />

„CSR-Helpdesks“, also einer zentralen Anlaufstelle<br />

innerhalb der Kommission, bei der Unternehmen<br />

Auskunft zu konkreten Fragestellungen<br />

und Informationen erhalten, sowie die Vergabe<br />

eines europäischen CSR-Preises vorgeschlagen.<br />

Für die Wirtschaft kommt es nun darauf an,<br />

der Gefahr verbindlicher CSR-Regulierungen für<br />

Unternehmen durch einen konstruktiven Ansatz<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales 129


entgegenzutreten, indem sie der EU-Kommission<br />

Initiativen vorschlägt, die den freiwilligen Charakter<br />

von CSR nicht konterkarieren.<br />

OECD-Leitsätze für multinationale<br />

Unternehmen: Beitritt weiterer<br />

Staaten fördern<br />

Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen<br />

enthalten anerkannte Grundsätze für verantwortliches<br />

unternehmerisches Verhalten bei<br />

Auslandsinvestitionen in den Bereichen Soziales,<br />

Umwelt, Antikorruption, Steuern, Verbraucher,<br />

Berichterstattung, Forschung und Wettbewerb.<br />

Ihren besonderen Status erhalten die auf Freiwilligkeit<br />

basierenden OECD-Leitsätze dadurch,<br />

dass sich alle Regierungen der OECD-Mitglieder<br />

zu ihrer Förderung verpflichtet und nationale Kontaktstellen<br />

zur Kontrolle der eingegangenen Verpflichtungen<br />

eingerichtet haben und dass sie auch<br />

den Beitritt von Nicht-OECD-Staaten zu den Leitlinien<br />

ermöglichen. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen<br />

können vor den nationalen<br />

Kontaktstellen Beschwerden gegen Unternehmen<br />

einbringen, die nach ihrer Auffassung im Rahmen<br />

ihrer Auslandsinvestitionen gegen die Leitsätze<br />

verstoßen. Neben den 33 OECD-Ländern haben<br />

Ägypten, Argentinien, Brasilien, Estland, Lettland,<br />

Litauen, Marokko, Rumänien und Peru die Leitsätze<br />

unterzeichnet.<br />

Seit Juni <strong>2010</strong> werden diese OECD-Leitsätze<br />

überarbeitet. Die OECD steht vor einer wichtigen<br />

politischen Weichenstellung: Soll für die Leitsätze<br />

eine möglichst große weltweite Verbreitung<br />

angestrebt werden – was nur gelingt, wenn sie<br />

nicht zusätzliche Hürden aufbauen – oder sollen<br />

die Leitsätze inhaltlich um genau solche Hürden<br />

erweitert werden? Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen<br />

drängen darauf, zusätzliche<br />

Hürden zu errichten, indem die Anwendungsbestimmungen<br />

über Auslandsinvestitionen hinaus auf<br />

die Zuliefererketten ausgedehnt und neue Sanktionen<br />

für die Unternehmen eingeführt werden.<br />

Nach Auffassung der BDA muss die Verbreitung<br />

der OECD-Leitsätze auf weitere Nicht-<br />

OECD-Staaten, wie z. B. die restlichen BRIC-<br />

Staaten, oberste Priorität haben, um ein möglichst<br />

weites „level playing field“ für die deutschen<br />

Unternehmen sicherzustellen. Dies würde die<br />

Wirkung der Leitsätze klar verbessern. Das deutsche<br />

BIAC-Netzwerk von BDA und BDI hat diese<br />

Position im Rahmen seiner letzten Sitzung<br />

mit OECD-Generalsekretär Angel Gurría intensiv<br />

diskutiert. Diese BDA-Position ist auch von BIAC<br />

(The Business and Industry Advisory Committee<br />

to the OECD), dem Arbeitgeber-Dachverband bei<br />

der OECD, übernommen worden.<br />

ISO 26000 zur gesellschaftlichen<br />

Verantwortung – ausdrücklich<br />

nicht zertifizierbar<br />

Die Norm ISO 26000 „Guidance on social responsibility“<br />

wurde am 1. November <strong>2010</strong> von der<br />

Internationalen Organisation für Normung (ISO)<br />

veröffentlicht. Die entsprechende deutsche Norm<br />

wird als DIN ISO 26000 „Leitfaden zur gesellschaftlichen<br />

Verantwortung“ im Januar 2011<br />

erscheinen.<br />

Die deutsche Wirtschaft hatte von Beginn<br />

der Initiative an große Bedenken gegen die<br />

ISO 26000 geltend gemacht. Eine auf technische<br />

Sachverhalte ausgerichtete Normung kann<br />

den besonderen Charakter, die Komplexität und<br />

Vielfalt des gesellschaftlichen Engagements von<br />

Unternehmen und Organisationen nicht sinnvoll<br />

und zielführend erfassen. Trotz dieser nicht<br />

nur von der Wirtschaft geäußerten Vorbehalte<br />

beschloss das technische Lenkungsgremium<br />

der ISO im Juni 2004 ein Projekt zur Erarbeitung<br />

einer ISO-Norm „Guidance on social responsibility“.<br />

Die deutsche Wirtschaft hat sich an diesem<br />

Projekt nur unter der Prämisse beteiligt, Unternehmen<br />

und Organisationen einen Leitfaden zu<br />

gesellschaftlicher Verantwortung zu bieten, der<br />

weder ein neues Managementsystem beschreibt<br />

noch zur Drittzertifizierung geeignet ist.<br />

Diese grundlegende Zielsetzung ist mit der<br />

verabschiedeten Norm ISO 26000 „Leitfaden zur<br />

gesellschaftlichen Verantwortung“ voll erreicht<br />

worden. Sie ist als Leitfaden konzipiert, der strategische<br />

Planung und Umsetzung von gesellschaftlicher<br />

Verantwortung in Unternehmen und sonstigen<br />

Organisationen im weitesten Sinne erleichtern soll.<br />

Die ISO 26000 weist explizit darauf hin, dass es<br />

sich um keine Managementsystemnorm handelt.<br />

130<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales


Sie ist weder für Zertifizierungszwecke noch für<br />

gesetzliche oder vertragliche Anwendungen vorgesehen<br />

und auch nicht geeignet: „This International<br />

Standard provides guidance to users and is neither<br />

intended nor appropriate for certification purposes.<br />

Any offer to certify to ISO 26000 or any claim to be<br />

certified to ISO 26000 would be a misrepresentation<br />

of the intent and purpose of this International<br />

Standard“ (Quelle: FDIS ISO 26000, Seite VIII).<br />

Die BDA hat gemeinsam mit dem BDI und dem<br />

ZDH am 26. Oktober <strong>2010</strong> eine Informationsveranstaltung<br />

zur ISO 26000 durchgeführt. Zudem<br />

hat sich die BDA mit dem federführenden Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales und den beteiligten<br />

Bundesressorts über eine Stellungnahme<br />

zur Nichtzertifizierbarkeit der ISO 26000 verständigt,<br />

die mit Veröffentlichung der ISO 26000 am<br />

1. November auf den Webseiten aller Herausgeber<br />

publik gemacht wurde. Damit wird einer breiten<br />

Öffentlichkeit der eingeschränkte Anwendungsbereich<br />

der Norm verdeutlicht.<br />

Unternehmen und Menschenrechte:<br />

UN-Sonderbeauftragter<br />

entwirft Empfehlungen<br />

In den Vereinten Nationen gibt es gefährliche<br />

Bestrebungen, transnational tätige Unternehmen<br />

völlig unabhängig von – und im Zweifel im Gegensatz<br />

zu – den nationalen Rechtsordnungen, in<br />

denen sie tätig sind, zur Einhaltung konkreter<br />

dem Bereich der Menschenrechte zugeordneter<br />

Normen zu verpflichten. Eine als „Draft Norms“<br />

bekannt gewordene Initiative ist auch dank extrem<br />

intensiver Lobbyarbeit der BDA und ihres internationalen<br />

Dachverbands IOE (International Organisation<br />

of Employers) im UN-Menschenrechtsrat<br />

verhindert worden. Der UN-Generalsekretär hat<br />

nun den Harvard-Völkerrechtler Prof. John Ruggie<br />

beauftragt, ein praxistaugliches Konzept zu<br />

dieser Problematik zu erarbeiten.<br />

Prof. John Ruggie hat in engem Kontakt mit<br />

der Wirtschaft den Entwurf von Empfehlungen zur<br />

Stärkung der unternehmerischen Verantwortung<br />

für Menschenrechte erarbeitet, die im Juni 2011<br />

vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedet werden<br />

sollen. Sein Konzept basiert auf den drei<br />

Säulen „Protect – Respect – Remedy“ (Schützen<br />

– Respektieren – Abhelfen):<br />

• Protect: Es ist Aufgabe des Staates, die<br />

Menschen auf seinem Territorium vor Menschenrechtsverletzungen<br />

durch nichtstaatliche<br />

Akteure zu schützen.<br />

• Respect: Es ist die Pflicht der Unternehmen,<br />

die Menschenrechte, so wie sie durch die<br />

jeweilige nationale Gesetzgebung konkretisiert<br />

werden, zu respektieren und die dazu<br />

nötigen Managementstrukturen aufzubauen.<br />

• Remedy: Es müssen juristische wie nichtjuristische<br />

Beschwerdemechanismen entwickelt<br />

und gestärkt werden, um die Abhilfe bei<br />

Menschenrechtsverletzungen, die von Unternehmen<br />

begangen werden, zu verbessern.<br />

Von der BDA wird dieses Konzept positiv<br />

bewertet, da es klar die Verantwortlichkeiten der<br />

verschiedenen Akteure unterscheidet und zu einer<br />

Klärung des komplexen Themas „Menschenrechte<br />

und Unternehmen“ beiträgt.<br />

Allerdings gibt es Druck von Nichtregierungsorganisationen<br />

und Gewerkschaften, die<br />

völlig losgelöst von den zentralen menschenrechtlichen<br />

Fragen von Prof. John Ruggie u. a. fordern,<br />

eine verpflichtende CSR-Berichterstattung sowie<br />

die Aufnahme von CSR als Kriterium in die öffentliche<br />

Auftragsvergabe als Empfehlungen aufzunehmen.<br />

Der BDA-Arbeitskreis zu CSR hat im<br />

vergangenen August den Empfehlungsentwurf<br />

mit Prof. John Ruggie persönlich diskutiert und<br />

eindringlich davor gewarnt, solche nicht menschenrechtsbezogene<br />

politische Forderungen der<br />

Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften<br />

in die Empfehlungen aufzunehmen. In dem<br />

am 22. November <strong>2010</strong> vorgelegten Entwurf der<br />

Empfehlungen wird die Rollenverteilung zwischen<br />

Regierungen und Wirtschaft klar vorgenommen<br />

und werden die Regierungen in deutlichen Worten<br />

aufgefordert, die Menschenrechte um- und<br />

durchzusetzen. Dies wird von der BDA begrüßt.<br />

Allerdings bleibt Ruggie an wichtigen Punkten,<br />

wie z. B. der extraterritorialen Rechtsprechung<br />

und der Frage der Berichterstattung sowie zur<br />

Behandlung der Zulieferkette, zu unklar. Damit<br />

öffnet er gegensätzlichen Interpretationen Tür und<br />

Tor. Abzulehnen ist darüber hinaus die Empfehlung<br />

Ruggies, die Vergabe von Exportkrediten mit<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales 131


Menschenrechtsanforderungen zu verknüpfen.<br />

Dadurch droht das Instrument der Exportkredite<br />

mit unnötigen bürokratischen Hürden belastet<br />

zu werden. Die BDA wird sich in diesem Sinne in<br />

enger Zusammenarbeit mit der IOE in den Prozess<br />

weiter einbringen, um sicherzustellen, dass<br />

die Empfehlungen Ruggies tatsächlich praxistauglich<br />

sind.<br />

ILO muss sich inhaltlich<br />

modernisieren<br />

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat in<br />

diesem Jahr durch ihre Beteiligung am G20-Prozess<br />

an politischem Gewicht gewonnen. Sie<br />

berät die G20 in Arbeitsmarktfragen und sozialpolitischen<br />

Angelegenheiten. Darüber hinaus hat<br />

sie auf dem G20-Gipfel in Toronto eine „globale<br />

Trainingsstrategie“ vorgelegt. Die BDA konnte<br />

gemeinsam mit der IOE erreichen, dass die<br />

Beschäftigungsfähigkeit eine zentrale Säule in<br />

dieser Trainingsstrategie ist.<br />

Die BDA begrüßt, dass die ILO verstärkt mit<br />

anderen internationalen Organisationen und Initiativen<br />

wie der G20 und dem Internationalen Währungsfonds<br />

zusammenarbeitet. Dies ist allein aus<br />

Gründen der „Policy Coherence“ wichtig. Gerade<br />

vor dem Hintergrund der Krise müssen klare Botschaften<br />

von den internationalen Organisationen<br />

kommen. Allerdings muss die ILO dieser neuen<br />

Bedeutung Rechnung tragen, indem sie sich auch<br />

inhaltlich modernisiert und sich sehr viel stärker<br />

den sozialen und wirtschaftlichen Realitäten und<br />

Entwicklungen gegenüber öffnet. Dazu gehört<br />

z. B., dass sie sich nicht länger weigert, das Thema<br />

„Flexicurity“ zu behandeln.<br />

Gemeinsam mit der IOE setzt sich die BDA<br />

darüber hinaus dafür ein, dass die ILO das Thema<br />

„Demografische Entwicklung“ stärker behandelt.<br />

Die Alterung der Gesellschaften wird die zentrale<br />

arbeitsmarkt- und sozialpolitische Herausforderung<br />

für viele Staaten und Regierungen, vor<br />

allem in Europa und China. Gemeinsam mit der<br />

neuen für Europa zuständigen Regionalkoordinatorin<br />

der ILO diskutierten die europäischen und<br />

zentralasiatischen Mitglieder der IOE auf dem<br />

Regionaltreffen in Malta am 9. und 10. September<br />

<strong>2010</strong> diese Thematik. Deutlich wurde, dass keine<br />

Einzelmaßnahmen, sondern nur Maßnahmenbündel<br />

in Bezug auf Zuwanderung, Ausbildung,<br />

Arbeitsmarkt und unternehmerische Rahmenbedingungen<br />

helfen werden.<br />

Ein Beispiel für unternehmensrelevantes<br />

Handeln der ILO ist der auf Initiative der BDA<br />

2009 eingerichtete Help Desk. Der ILO Help Desk<br />

ist eine kostenlose Beratungsstelle für Management<br />

und Belegschaften sowie Arbeitgeber- und<br />

Arbeitnehmerorganisationen. Er bietet praxisrelevante<br />

Informationen zu den ILO-Arbeitsnormen.<br />

Seit seiner Einrichtung im März 2009 bis September<br />

<strong>2010</strong> hat der Help Desk mehr als 300 Anfragen<br />

beantwortet, mit steigender Tendenz.<br />

OECD: Reformmotor auf nationaler<br />

und internationaler Ebene<br />

Die OECD gewinnt an Bedeutung sowohl für die<br />

Politikgestaltung auf nationaler Ebene wie auch<br />

in den internationalen Prozessen, vor allem im<br />

Rahmen der G20. Gerade in Deutschland hat die<br />

OECD immer wieder als Reformmotor gewirkt:<br />

Im Bereich Bildung und im Arbeitsmarktbereich<br />

hat die OECD großen Einfluss auf die deutsche<br />

Politik gehabt. Auch die im März <strong>2010</strong> im OECD-<br />

Deutschlandbericht aufgestellten Analysen und<br />

Forderungen werden von der BDA weitgehend<br />

geteilt: Der Bericht unterstreicht, dass die deutschen<br />

Exporterfolge das Ergebnis von hoher<br />

Wettbewerbsfähigkeit und Spitzenprodukten für<br />

die Weltmärkte sind. Damit hat der Bericht einen<br />

wichtigen Beitrag zur Versachlichung der sehr einseitig<br />

geführten Debatte über das „Exportmodell<br />

Deutschland“ geleistet. Die OECD empfiehlt in<br />

diesem Zusammenhang, neben dem Exportsektor<br />

die Binnenwirtschaft durch Deregulierung des<br />

Dienstleistungssektors als zweite Wachstumssäule<br />

zu stärken. Insbesondere die Ausführungen der<br />

OECD zum Kündigungsschutz werden von der<br />

deutschen Wirtschaft unterstützt. Sie bekräftigten<br />

die Auffassung der BDA, den Kündigungsschutz<br />

durch ein Abfindungsoptionsmodell zu ergänzen.<br />

Dies würde die Anzahl der Arbeitsgerichtsprozesse<br />

vermindern und frühzeitig Rechtssicherheit<br />

für die Parteien schaffen. Die deutsche Politik ist<br />

aufgerufen, die Empfehlungen der OECD ernst zu<br />

nehmen.<br />

132<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales


Wichtige horizontale Themen der OECD sind<br />

darüber hinaus die bereits beschriebene Überarbeitung<br />

der OECD-Leitsätze, die Arbeiten der<br />

OECD in Finanzmarktfragen sowie die Studien<br />

der OECD in den Bereichen demografische Entwicklung<br />

und Migration. Zudem beschäftigt sich<br />

die OECD intensiv mit den Zusammenhängen<br />

von Wachstum, Beschäftigung und Klimawandel.<br />

Durch das große gemeinsame Engagement von<br />

BDA und BIAC konnte erreicht werden, dass die<br />

OECD nicht mehr ein „Green-Jobs“-Konzept, das<br />

auf die Beschäftigung im Umweltschutz abzielt<br />

und sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in<br />

dieser Nischenbranche reduziert, sondern stattdessen<br />

eine „Green-Growth“-Strategie verfolgt,<br />

die auf nachhaltiges Beschäftigungswachstum<br />

generell abzielt und nicht Anlass für einen Subventionswettlauf<br />

sein wird.<br />

Die BDA hat gemeinsam mit dem BDI auch<br />

im Jahr <strong>2010</strong> den Dialog zwischen der deutschen<br />

Wirtschaft und der OECD weiter gefördert. Im<br />

Rahmen des deutschen BIAC-Netzwerktreffens<br />

diskutierten im April <strong>2010</strong> unter Vorsitz von Randolf<br />

Rodenstock deutsche Wirtschaftsvertreter mit<br />

OECD-Generalsekretär Angel Gurría zu aktuellen<br />

Themen. Sie unterstrichen dabei die Notwendigkeit,<br />

gemeinsam mit der OECD auf weitere Strukturreformen<br />

in Deutschland hinzuarbeiten, protektionistische<br />

Tendenzen in der Weltwirtschaft zu<br />

bekämpfen und die Reform der Finanzmärkte zu<br />

unterstützen.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Europa und Internationales 133


Konjunkturelle Entwicklung: Vorkrisenniveau<br />

noch nicht erreicht<br />

Die Konjunktur in Deutschland hat sich im Jahr<br />

<strong>2010</strong> deutlich schneller erholt als in den meisten<br />

anderen Ländern. Mit geschätzten 3,7 %<br />

Wirtschaftswachstum für das Gesamtjahr liegt<br />

Deutschland an der Spitze der G7-Staaten. Innerhalb<br />

Europas ist Deutschland zur Konjunkturlokomotive<br />

geworden. Der Euroraum wird voraussichtlich<br />

um 1,6 % wachsen. Die Industrieländer<br />

kommen insgesamt auf ein Plus von 2,3 %, die<br />

Schwellenländer auf 7,6 %. Insbesondere deren<br />

wirtschaftliche Dynamik ist für die exportorientierte<br />

deutsche Wirtschaft von hoher Bedeutung –<br />

sowohl im Abschwung wie auch im Aufschwung.<br />

Nachdem die deutsche Wirtschaft vom<br />

Einbruch der Weltwirtschaft zur Jahreswende<br />

2008/2009 besonders stark getroffen worden<br />

war und in der Folge das reale Bruttoinlandsprodukt<br />

(BIP) 2009 um 4,7 % eingebrochen war,<br />

profitierte sie im Aufschwung von der starken<br />

Konjunkturerholung mit verminderter Dynamik<br />

Bruttoinlandsprodukt 2006 bis 2011 (preisbereinigt, verkettet)<br />

Veränderung gegenüber Vorjahr in %<br />

4,5<br />

3,4<br />

3,7<br />

3<br />

2,7<br />

2,2<br />

1,5<br />

1,0<br />

0<br />

–1,5<br />

–3<br />

–4,5<br />

–4,7<br />

–6<br />

2006 2007 2008 2009 <strong>2010</strong> 2011<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt, <strong>2010</strong>; Angaben für <strong>2010</strong> und 2011 Prognose des Jahresgutachtens <strong>2010</strong>/2011<br />

136<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft


Exportorientierung. Dabei wirkte sich das auf<br />

Investitionsgüter ausgerichtete Exportsortiment<br />

der deutschen Unternehmen sehr günstig aus.<br />

Denn gerade in den schnell wachsenden Schwellenländern<br />

Asiens und Lateinamerikas zog die<br />

Investitionsdynamik wieder stark an.<br />

Die konjunkturelle Expansion Deutschlands<br />

hat sich bis zur Jahresmitte <strong>2010</strong> erheblich<br />

beschleunigt. Im zweiten Quartal nahm das reale<br />

BIP mit 2,3 % gegenüber dem ersten Quartal zu,<br />

so stark wie nie zuvor im vereinigten Deutschland.<br />

Nachdem zunächst der Exportsektor die Konjunktur<br />

angeschoben hatte, sorgte zuletzt die Binnennachfrage<br />

für deutlich mehr Fahrt. Sie wird zunehmend<br />

zum zweiten Standbein des Aufschwungs.<br />

Auch im zweiten Halbjahr dürfte das reale BIP<br />

spürbar steigen, wenn auch jeweils schwächer als<br />

im zweiten Quartal. Dafür sprechen weiter hohe<br />

Auftragseingänge und ein ungebrochen positives<br />

Konsumklima der Verbraucher. Neben einem<br />

Exportplus von 15,5 % rechnet der Sachverständigenrat<br />

für das Gesamtjahr mit 9,2 % höheren<br />

Ausrüstungsinvestitionen und mit einem um 0,1 %<br />

Produktion noch nicht auf Vorkrisenniveau<br />

Gesamtwirtschaft: Produktion, Effektivverdienste und Beschäftigung<br />

Index 1. Q. 2008 = 100<br />

104<br />

102<br />

100<br />

98<br />

96<br />

94<br />

92<br />

1. Q.<br />

2008<br />

2. Q.<br />

2008<br />

3. Q.<br />

2008<br />

4. Q.<br />

2008<br />

1. Q.<br />

2009<br />

2. Q.<br />

2009<br />

3. Q.<br />

2009<br />

4. Q.<br />

2009<br />

1. Q.<br />

<strong>2010</strong><br />

2. Q.<br />

<strong>2010</strong><br />

BIP, nominal, saisonbereinigt<br />

Bruttolöhne und -gehälter monatlich je Arbeitnehmer, saisonbereinigt<br />

Erwerbstätige, saisonbereinigt<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, <strong>2010</strong>; eigene Berechnungen der BDA<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft 137


höheren privaten Konsum gegenüber dem Vorjahr.<br />

Trotz der kräftigen Beschleunigung zur Jahresmitte<br />

bewegt sich die Produktion auf einem Niveau,<br />

das dem der Jahreswende 2006/2007 entspricht<br />

und damit noch weit unter dem Vorkrisenniveau<br />

des Jahres 2008 liegt. Weder die zuletzt gestiegene<br />

Arbeitsproduktivität noch die Arbeitszeit in den<br />

von der Rezession besonders betroffenen Wirtschaftszweigen<br />

konnten bislang zu den Werten<br />

vor Ausbruch der Krise zurückkehren.<br />

Die in jüngster Zeit von Teilen der Politik<br />

und Wissenschaft geforderten kräftigen Lohnerhöhungen<br />

sind daher unbegründet. Die Produktion<br />

hat sich noch nicht vollständig erholt. Zudem<br />

belasten die Unternehmen die hohen Kosten der<br />

Beschäftigungssicherung, die während der Krise<br />

angefallen sind und die erst wieder erarbeitet<br />

werden müssen. Außerdem belegt die Entwicklung<br />

der seit dem Jahr 2009 sogar noch gestiegenen<br />

Effektivverdienste, dass ein angeblicher<br />

Nachholbedarf bei den Löhnen auf breiter Front<br />

nicht existiert. Daher sollte die in den letzten Jahren<br />

erfolgreiche Lohnpolitik mit Augenmaß fortgesetzt<br />

und der Gesamtsituation der deutschen<br />

Wirtschaft angemessen Rechnung getragen<br />

werden.<br />

Ausblick 2011: Auslandsimpulse<br />

schwächer – Binnennachfrage<br />

trägt die Expansion<br />

Auch die Aussichten für das kommende Jahr sind<br />

gut. Zwar wird sich die Dynamik abschwächen, das<br />

BIP dürfte aber immer noch um gut 2 % zulegen.<br />

Deutschlands Wirtschaftsleistung könnte im Verlauf<br />

des Jahres 2011 wieder das Niveau vor Ausbruch<br />

der Finanz- und Wirtschaftskrise erreichen.<br />

Der Aufschwung wird im kommenden Jahr maßgeblich<br />

von der Binnenwirtschaft getragen. Dafür<br />

sprechen die starke Arbeitsmarktentwicklung und<br />

die etwas schwächere Weltkonjunktur. Dennoch<br />

ist ein Anhalten der wirtschaftlichen Erholung kein<br />

Selbstläufer. Es bestehen erhebliche konjunkturelle<br />

Risiken: Neben der weiter schwelenden<br />

Finanzkrise, dem Anhalten der Schulden- und Vertrauenskrise<br />

im Euroraum, der Gefahr einer neuen<br />

Rezession in den USA und einer Abschwächung<br />

des chinesischen Wachstums droht Protektionismus<br />

die Weltwirtschaft zu behindern.<br />

Exportorientierung Deutschlands:<br />

Kritik ist unberechtigt<br />

Die im Zuge der abklingenden Weltwirtschaftskrise<br />

vergleichsweise schnelle Erholung Deutschlands<br />

lässt hierzulande alle profitieren, Unternehmen<br />

ebenso wie öffentliche und private Haushalte.<br />

Doch der Erfolg der exportorientierten deutschen<br />

Wirtschaft ruft auch Kritiker auf den Plan. So werden<br />

im In- und Ausland Warnungen laut, Deutschland<br />

sei zu einseitig auf den Außenhandel fixiert.<br />

Forderungen nach Ankurbelung der Binnennachfrage<br />

haben inzwischen auch in der deutschen<br />

Politik Konjunktur. Bei genauer Betrachtung zeigt<br />

sich jedoch, dass die Exportorientierung Deutschlands<br />

richtig ist und der private Konsum stärker<br />

als vermutet.<br />

Der Aufholprozess der Weltwirtschaft setzt<br />

sich gegenwärtig fort. Aufgrund des Nachholbedarfs<br />

vieler Länder, insbesondere der Schwellenländer<br />

Asiens und Lateinamerikas, dürfte die<br />

Vertiefung der weltweiten Arbeitsteilung weiter<br />

große Chancen für die auf Investitionsgüter spezialisierten<br />

deutschen Unternehmen bieten. Nach<br />

Angaben des Bundesverbands Großhandel,<br />

Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) wird sich<br />

der Weltmarktanteil Deutschlands im Jahr 2011<br />

von 9 % auf 9,5 % erhöhen. Die Aussichten der<br />

größten Volkswirtschaft Europas, weiterhin zu den<br />

Globalisierungsgewinnern zu zählen, sind offenbar<br />

gut, nicht zuletzt auch deshalb, weil Exporte<br />

vorhandene Arbeitsplätze sichern und neue<br />

schaffen. Inzwischen ist fast jeder vierte Arbeitsplatz<br />

direkt vom Export abhängig.<br />

Mit steigenden Güter- und Dienstleistungsexporten<br />

nimmt nicht nur das Wirtschaftswachstum<br />

zu, sondern auch der private Konsum. Sein<br />

Anteil am deutschen BIP lag im Jahr 2009 bei<br />

58,9 %. Frankreich, wo die ausländische Kritik an<br />

einer angeblich zu geringen privaten Nachfrage in<br />

Deutschland am lautesten wurde, kommt selbst<br />

auf 58,3 %. Auch die Quote privater Konsumausgaben<br />

in der gesamten Eurozone lag im Jahr<br />

2009 mit 57,6 % des BIP unter der Konsumquote<br />

Deutschlands. Nach Berechnungen des Instituts<br />

der deutschen Wirtschaft Köln zieht der Konsum<br />

bei 1 % Lohnanstieg nur um 0,2 % an, infolge<br />

einer um 1 % höheren Beschäftigung dagegen<br />

138<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft


um 0,8 %. Das bedeutet: Vor allem eine beschäftigungsorientierte<br />

Lohnpolitik stärkt den privaten<br />

Konsum.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

argumente > „Deutsche Exportstärke – schlecht für<br />

Europa?“<br />

Haushaltskonsolidierung<br />

2011–2014: erforderlich und<br />

ohne soziale Schieflage<br />

Mit dem am 26. November <strong>2010</strong> vom Bundesrat<br />

verabschiedeten Haushaltsbegleitgesetz 2011<br />

gelingt der Einstieg in die notwendige Konsolidierung<br />

des Bundeshaushalts. Dieses Konsolidierungspaket<br />

ist ein wichtiger Schritt, um die Anforderungen<br />

der Schuldenbremse erfüllen zu können und insbesondere<br />

bis 2016 einen strukturell nahezu ausgeglichenen<br />

Bundeshaushalt zu erreichen.<br />

Zu begrüßen ist insbesondere die richtige<br />

Schwerpunktsetzung: Zum einen wird stärker<br />

auf der Ausgaben- als auf der Einnahmeseite<br />

angesetzt, zum anderen wird vorrangig im konsumtiven<br />

Bereich gespart und nicht – wie häufig<br />

in der Vergangenheit – bei den Investitionen.<br />

Durch diese Gewichtung wird der Gefahr entgegengewirkt,<br />

dass die Haushaltskonsolidierung<br />

zu einer Wachstumsabschwächung führt. Die<br />

mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 geplanten<br />

Weltwirtschaftlicher Aufholprozess setzt sich fort<br />

Entwicklung des Welthandels<br />

Index 2005 = 100<br />

140<br />

132<br />

124<br />

116<br />

108<br />

100<br />

92<br />

2005 2006 2007 2008 2009 <strong>2010</strong> 2011<br />

Quellen: CPB, Den Haag; Prognose des DIW Berlin<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft 139


Einnahmeverbesserungen führen allerdings<br />

teilweise zu erheblichen Mehrbelastungen einzelner<br />

Branchen, die sich letztlich auch negativ<br />

auf die Beschäftigung auswirken können. Die<br />

im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens<br />

erreichten Korrekturen für die energieintensiven<br />

Unternehmen sind daher zu begrüßen, da dies<br />

Arbeitsplätze sichert, die andernfalls gefährdet<br />

wären. Insgesamt ist durch die Korrekturen<br />

das vorgesehene Konsolidierungsvolumen nicht<br />

gefährdet.<br />

Die BDA hat sich bei der öffentlichen Anhörung<br />

im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags<br />

am 4. Oktober <strong>2010</strong> ausführlich zu den<br />

sozialpolitischen Komponenten des Haushaltsbegleitgesetzes<br />

2011 positioniert und dabei die von<br />

der Bundesregierung vorgesehenen Konsolidierungsmaßnahmen<br />

im Wesentlichen begrüßt:<br />

• Die Absenkung der Ersatzquote beim Elterngeld<br />

ab einem zu berücksichtigenden Einkommen<br />

von 1.200 € von 67 % auf 65 % ist<br />

angemessen. Diese Maßnahme trägt dazu<br />

bei, dass sich eine frühzeitige, vor Ablauf der<br />

Höchstdauer des Elterngeldbezugs erfolgende<br />

vollständige oder teilweise Rückkehr an<br />

den Arbeitsplatz stärker lohnt.<br />

• Die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit<br />

des Elterngelds bei Bezug von Leistungen<br />

nach dem SGB II und nach § 6a Bundeskindergeldgesetz<br />

(BKGG) ist richtig. Es<br />

entspricht dem Subsidiaritätsgebot, staatliche<br />

Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld<br />

II (ALG II) nur zu gewährleisten,<br />

soweit der Einzelne nicht selbst über ein<br />

ausreichendes Einkommen verfügt. Deshalb<br />

ist es konsequent, auf das ALG II das<br />

gesamte Einkommen, also auch das Elterngeld,<br />

anzurechnen. Zugleich wird mit der<br />

geplanten Änderung ein Konstruktionsfehler<br />

der bisherigen Regelung beseitigt: Das<br />

Elterngeld ist ein Ausgleich für entfallendes<br />

Erwerbseinkommen. Es ist daher für Empfänger<br />

von ALG II nicht gerechtfertigt, weil<br />

bei ihnen kein Erwerbseinkommen entfällt,<br />

und auch nicht notwendig, weil bei ihnen der<br />

Lebensunterhalt bereits durch das ALG II<br />

gesichert wird.<br />

• Die ursprünglich noch im Regierungsentwurf<br />

vorgesehene Nichtberücksichtigung von<br />

pauschal besteuerten Einnahmen bei der<br />

Berechnung des Elterngeldanspruchs war<br />

fragwürdig, weil eine derart unterschiedliche<br />

Behandlung von Erwerbseinkommen nicht<br />

mit der abgabenrechtlichen Sonderbehandlung<br />

der Minijobs gerechtfertigt werden kann.<br />

Die Bedenken der BDA wurden vom Haushaltsausschuss<br />

des Deutschen Bundes tags<br />

aufgenommen.<br />

• Die Beschränkung der Berechnungsgrundlage<br />

des Elterngelds auf Einnahmen, die im<br />

Inland versteuert werden, ist zu begrüßen.<br />

Das Elterngeld ist eine von den Steuerzahlern<br />

finanzierte Leistung. Diese deshalb auch<br />

nur Eltern zu gewähren, die in Deutschland<br />

Steuern zahlen oder deren Einkommen dem<br />

im Inland versteuerten Einkommen gleichgestellt<br />

ist, ist daher sinnvoll.<br />

• Der Wegfall des befristeten Zuschlags für<br />

Empfänger der Grundsicherung ist richtig.<br />

Die befristeten Zuschläge – die beim Übergang<br />

vom ALG I zum ALG II in Höhe von fast<br />

bis zur Hälfte des Regelsatzes gezahlt werden<br />

– verleiten dazu, in Arbeitslosigkeit zu<br />

verharren. Die gut gemeinte teilweise Abfederung<br />

von Einkommenseinbußen wendet<br />

sich so letztlich gegen den Hilfeempfänger<br />

selbst, weil dieser nicht den erforderlichen<br />

finanziellen Anreiz zur Beschäftigungsaufnahme<br />

erhält.<br />

• Die Streichung der vom Bund finanzierten<br />

Rentenversicherungsbeiträge für ALG-II-<br />

Empfänger ist sachgerecht. Aufgabe der<br />

Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es,<br />

Bürgern, die in einer akuten Notlage nicht<br />

für sich selbst sorgen können und über kein<br />

ausreichendes Einkommen und Vermögen<br />

verfügen, zu unterstützen. Ziel kann dagegen<br />

nicht sein, darüber hinaus schon vorab<br />

aus Steuermitteln mit Blick auf eine unter<br />

Umständen erst Jahrzehnte später oder<br />

auch gar nicht eintretende Bedürftigkeit im<br />

Alter staatliche Vorsorge zu leisten. Schließlich<br />

bedeutet Bedürftigkeit in jungen Jahren<br />

keineswegs zwangsläufig, dass auch im<br />

Alter Bedürftigkeit besteht. Im Übrigen ist<br />

140<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft


Haushaltskonsolidierung 2011 bis 2014 – ohne soziale Schieflage<br />

in Mio. €, nur Bund 2011 2012 2013 2014<br />

Haushaltsbegleitgesetz 2011 2.778 4.619 5.469 4.594<br />

• Einführung einer Luftverkehrsteuer für Abfl üge in<br />

Deutschland<br />

• Einschränkung der durch die ökologische Steuerreform<br />

eingeführten Steuerbegünstigung für Unternehmen des<br />

produzierenden Gewerbes<br />

• Änderung der Insolvenzordnung zur Stärkung der<br />

öffentlichen Hand<br />

1.000 1.000 1.000 1.000<br />

830 620 1.500 1.500<br />

148 169 169 169<br />

• Begrenzung des Elterngelds 430 430 430 405<br />

• Wegfall befristeter Zuschläge für ALG-II-Empfänger 210 210 210 200<br />

• Weiterer Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung –2.000<br />

• Wegfall der Rentenversicherungspfl icht für<br />

ALG-II-Empfänger<br />

• Wegfall der Erstattung einigungsbedingter Leistungen an<br />

die Rentenversicherung<br />

• Höherer GRV-Bundeszuschuss als Folge des Wegfalls der<br />

Erstattung einigungsbedingter Lasten und des Konstanthaltens<br />

des RV-Beitragssatzes im Jahr 2014 bei 19,9 %<br />

• Streichung der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen<br />

Heizkostenkomponente beim Wohngeld<br />

1.850 1.840 1.830 1.750<br />

300 270 240 210<br />

–60 –50 –40 –770<br />

70 130 130 130<br />

Normales Haushaltsverfahren 5.400 8.900 13.600 17.400<br />

• Dividende der Bahn 500 500 500 500<br />

• Ersatz von Pfl icht- durch Ermessensleistungen zur zielgenaueren<br />

Förderung im Bereich SGB II und SGB III<br />

2.000 4.000 5.000 5.000<br />

• Effi zienzverbesserungen bei der Arbeitsvermittlung 1.500 3.000<br />

• Reform der Streitkräfte 1.000 3.000<br />

• Einsparungen bei disponiblen Ausgaben der Ministerialverwaltung<br />

1.500 2.500 3.100 3.100<br />

• Kürzung von Verwaltungsausgaben 800 800 800 800<br />

• Verschiebung des Baubeginns des Berliner Stadtschlosses<br />

auf 2014<br />

100 100 200<br />

• Einsparungen bei den Zinsausgaben 500 1.000 1.500 2.000<br />

Erhöhung der Tabaksteuer 200 480 660 830<br />

Einführung einer Kernbrennstoffsteuer 2.300 2.300 2.300 2.300<br />

Einführung einer Finanzmarkttransaktionsteuer 2.000 2.000 2.000<br />

Gesamtkonsolidierungsvolumen 10.678 18.299 24.029 27.124<br />

Quellen: Haushaltsbegleitgesetz, 2011; Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen; Entwurf eines Kernbrennstoffsteuergesetzes<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft 141


zu berücksichtigen, dass im Gegenzug zur<br />

Streichung der Pflichtbeiträge für ALG-II-<br />

Empfänger im Haushaltsbegleitgesetz vorgesehen<br />

ist, dass ALG-II-Zeiten künftig als<br />

Anrechnungszeit gelten. Hierdurch verbessert<br />

sich sogar in den meisten Fällen der<br />

Schutz von ALG-II-Empfängern bei Erwerbsminderung.<br />

Das hängt mit dem im Rentenrecht<br />

verankerten Prinzip der Gesamtleistungsbewertung<br />

zusammen. Danach bemisst<br />

sich der Wert der bis zum 60. Lebensjahr<br />

anzurechnenden Zurechnungszeit nach der<br />

durchschnittlichen Höhe der zuvor entrichteten<br />

Beiträge. Zeiten des Bezugs von ALG II<br />

führen bislang – aufgrund der monatlichen<br />

Bemessungsgrundlage von 205 € – regelmäßig<br />

zu einer Senkung der durchschnittlichen<br />

Beitragsleistung und damit zu einer<br />

Senkung des Erwerbsminderungsrentenanspruchs.<br />

Die Streichung der Rentenversicherungsbeiträge<br />

für ALG-II-Empfänger<br />

und der Wegfall der Erstattung einigungsbedingter<br />

Leistungen durch den Bund haben<br />

unmittelbar zur Folge, dass auf die gesetzliche<br />

Rentenversicherung im Jahr 2011 Mindereinnahmen<br />

von fast 2,1 Mrd. € zukommen.<br />

Der Umfang der Mindereinnahmen<br />

soll in den Folgejahren stetig abnehmen<br />

und im Jahr 2014 noch knapp 1,2 Mrd. €<br />

betragen. Diese finanziellen Folgewirkungen<br />

sind akzeptabel, weil sie ohne kurzfristigen<br />

Beitragssatzanstieg in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung finanziert werden<br />

können und die Einhaltung der langfristigen<br />

Beitragssatzziele von 20 % bis 2020 bzw.<br />

22 % bis 2030 möglich bleibt. Schließlich<br />

ist zu berücksichtigen, dass die Rentenversicherung<br />

weniger als andere Ausgabenbereiche<br />

von den Konsolidierungsanstrengungen<br />

betroffen wird. Obwohl rd. ein<br />

Viertel aller Ausgaben des Bundeshaushalts<br />

auf die Rentenversicherung entfällt, beträgt<br />

ihr Anteil an den gesamten Ausgabenkürzungen<br />

des Konsolidierungspakets für den<br />

4-Jahres-Zeitraum 2011 bis 2014 lediglich<br />

ein Siebtel.<br />

• Die auf das kommende Jahr beschränkte<br />

Anhebung des Bundeszuschusses an<br />

die gesetzliche Krankenversicherung um<br />

2 Mrd. € ist zumindest insoweit zu begrüßen,<br />

als sie die Entscheidung erleichtert haben<br />

wird, den Arbeitgeberbeitrag im kommenden<br />

Jahr nicht noch stärker als von 7,0 % auf<br />

7,3 % anzuheben.<br />

Die verbesserte konjunkturelle Lage stärkt<br />

die Chancen für eine baldige Haushaltskonsolidierung.<br />

Die staatlichen Defizite werden geringer<br />

als noch vor einem Jahr erwartet ausfallen. Für<br />

<strong>2010</strong> erwarten die Forschungsinstitute in ihrem<br />

Herbstgutachten ein gesamtstaatliches Budgetdefizit<br />

von voraussichtlich 3,8 % und für 2011 ein<br />

gesamtstaatliches Budgetdefizit von 2,7 % des<br />

BIP. Keinesfalls darf die verbesserte konjunkturelle<br />

Entwicklung, die auch zu einer verbesserten<br />

Entwicklung bei den Steuereinnahmen geführt<br />

hat, zu einem Abrücken von den vereinbarten<br />

Sparbeschlüssen führen. Denn die verbesserte<br />

konjunkturelle Lage bedeutet im Ergebnis nicht,<br />

dass sich das strukturelle Haushaltsdefizit verringert<br />

hat. Zudem hat sich die Staatsschuldenquote<br />

auch <strong>2010</strong> noch weiter von der Maastrichter Obergrenze<br />

in Höhe von 60 % des BIP entfernt – sie<br />

liegt inzwischen über 70 %.<br />

Das für die Einhaltung der verfassungsrechtlich<br />

verankerten Schuldenbremse maßgebliche<br />

strukturelle Defizit wird für den Bund mit<br />

rd. 53 Mrd. € veranschlagt. Mit den bislang vorgesehenen<br />

Maßnahmen wird bis 2014 eine Verringerung<br />

auf rd. 25 Mrd. € angestrebt. Da mit<br />

dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 allein nur gut<br />

ein Fünftel des von der Regierungskoalition in<br />

der Kabinettsklausur am 6. und 7. Juni <strong>2010</strong> vereinbarten<br />

Konsolidierungspakets in Höhe von ca.<br />

80 Mrd. € für den Zeitraum 2011 bis 2014 umgesetzt<br />

wird, kommt es daher darauf an, dass die<br />

Regierung konsequent an den beschlossenen<br />

Konsolidierungsanstrengungen festhält. Über das<br />

Jahr 2014 hinaus muss zudem sichergestellt werden,<br />

dass bis 2016 das strukturelle Defizit weiter<br />

gesenkt und die verfassungsrechtliche Obergrenze<br />

des Bundes für sein strukturelles Haushaltsdefizit<br />

in Höhe von 0,35 % des BIP nicht überschritten<br />

wird.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Volkswirtschaft > Öffentliche Finanzen<br />

142<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft


Großbaustelle Europäische Währungsunion<br />

– Stabilitäts- und<br />

Wachstumspakt schärfen<br />

Ausgelöst durch eine erhebliche Korrektur des<br />

griechischen Staatsdefizits nach oben sind die<br />

Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen<br />

im Frühjahr <strong>2010</strong> stark gestiegen. Der Abstand<br />

zum Zinssatz für deutsche Staatsanleihen wuchs<br />

in relativ kurzer Zeit dramatisch an, von 136 Basispunkten<br />

im Oktober 2009 auf 524 Basispunkte im<br />

Mai <strong>2010</strong>, so dass sich für Griechenland Schwierigkeiten<br />

bei der Refinanzierung fälliger Anleihen<br />

abzeichneten. Es entstanden erhebliche Zweifel,<br />

ob das Land seine Schuldenlast würde tragen<br />

können. Dies hat auch den Euro erheblich<br />

belastet. Der Außenwert des Euro schmolz in der<br />

Zeit von Dezember 2009 bis Juni <strong>2010</strong> von dem<br />

Rekordniveau von 1,51 $ auf 1,19 $ zusammen.<br />

Angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit<br />

eines seiner Mitglieder drohte die Währungsunion<br />

zu zerbrechen, mit schwer zu kalkulierenden Konsequenzen<br />

für die deutsche Wirtschaft.<br />

In dieser Notlage stellten die Euroländer im<br />

April zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds<br />

(IWF) Griechenland ein Hilfspaket<br />

von insgesamt 110 Mrd. € über drei Jahre zur Verfügung.<br />

Denn im Falle einer Insolvenz war eine<br />

Kettenreaktion zu befürchten, in deren Folge nicht<br />

nur systemrelevanten Gläubigerbanken in anderen<br />

Ländern eine Insolvenz gedroht hätte. Vielmehr<br />

hätte die notwendige Stützung dieser Banken<br />

einige Staaten überfordert, deren Schulden<br />

durch Bankenkrise und Rezession ohnehin schon<br />

rasch zugenommen hatten oder schon vorher auf<br />

einem hohen Niveau waren.<br />

Auch die Zahlungsfähigkeit anderer Euroländer<br />

wurde in wachsendem Maße angezweifelt.<br />

Neben Griechenland wurden die Länder Portugal,<br />

Irland, Spanien (PIGS) und gelegentlich auch<br />

Italien (PIIGS) genannt. Ein ernstes Krisensignal<br />

kam von dem Interbankenmarkt, auf dem sich<br />

gegenseitiges Misstrauen breitmachte. Deshalb<br />

beschloss der ECOFIN-Rat am 9. Mai <strong>2010</strong> auf<br />

einer Sondersitzung einen Schutzschirm zur<br />

Sicherung der Stabilität des Euro; hierfür wurden<br />

insgesamt 750 Mrd. € – wiederum gemeinsam<br />

mit dem IWF – bereitgestellt. Für diesen<br />

Rettungsschirm gründeten die Euroländer in<br />

Luxemburg die Zweckgesellschaft „Europäische<br />

Finanzmarkt stabilisierungsfazilität“ (EFSF), in der<br />

sie ihren Anteil von 440 Mrd. € eingebracht haben.<br />

Das Hilfspaket für Griechenland und der Schutzschirm<br />

für den Euro haben vorübergehend ihre<br />

stabilisierende Wirkung entfaltet. Dies zeigte sich<br />

auch an der Entwicklung des Euro, der im Oktober<br />

<strong>2010</strong> erstmals wieder oberhalb von 1,40 $<br />

notierte. Nach dem Antrag Irlands, den Schutzschirm<br />

mit 85 Mrd. € in Anspruch zu nehmen, ging<br />

die Notierung allerdings bis Ende November <strong>2010</strong><br />

wieder auf 1,30 $ zurück.<br />

Die wiederholten Aufwärtskorrekturen des<br />

griechischen Staatsdefizits haben die Schwächen<br />

des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur<br />

Einhaltung der Maastrichtkriterien offengelegt und<br />

gezeigt, wie gefährlich eine ungehemmte Verschuldung<br />

selbst einzelner Mitgliedsländer für die<br />

Stabilität der gesamten Währungsunion werden<br />

kann. Regeln zur Vorsorge liegen im prinzipiellen<br />

Interesse aller Mitgliedstaaten. Die BDA hat daher<br />

in einer gemeinsamen Erklärung mit dem BDI im<br />

Juni <strong>2010</strong> eine Insolvenzordnung für zahlungsunfähige<br />

Staaten gefordert, um negative Auswirkungen<br />

einer Zahlungsunfähigkeit eines Mitglieds der<br />

Eurozone begrenzen zu helfen. Insofern war es ein<br />

Erfolg, dass im Rahmen des EU-Gipfels im Oktober<br />

<strong>2010</strong> vereinbart wurde, den Stabilitätspakt zu<br />

verschärfen und mit einer begrenzten Vertragsänderung<br />

einen Krisenbewältigungsrahmen für den<br />

Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit eines<br />

Mitglieds der Eurozone zu schaffen. Ende November<br />

<strong>2010</strong> haben sich auf dem Finanzministerrat die<br />

Länder der Eurogruppe und die EU-Kommission<br />

auf Grundzüge eines künftigen dauerhaften Europäischen<br />

Stabilitätsmechanismus (ESM) verständigt.<br />

Dieser Mechanismus soll den bis Mitte 2013<br />

befristeten Euro-Rettungsschirm ablösen. Kernelemente<br />

sollen sein: Konditionalität, Finanzhilfen und<br />

Gläubigerbeteiligung. Hilfen sollen nur unter strengen<br />

Konsolidierungsauflagen und nach genauer<br />

Schuldentragfähigkeitsanalyse gewährt werden.<br />

Mit der auf dem Gipfel am 16. und<br />

17. Dezember beschlossenen Ergänzung des<br />

Lissabon-Vertrags haben die EU-Staats- und<br />

Regierungschefs eine entsprechende Änderung<br />

auf den Weg gebracht und einen wichtigen Schritt<br />

zur Stabilisierung des Euro getan. Aus Sicht der<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft 143


BDA unterstreicht die angestrebte Vertragsergänzung<br />

das gemeinsame europäische Interesse an<br />

einem dauerhaften Stabilitätsmechanismus unter<br />

strengen Bedingungen. Zur Beruhigung der Märkte<br />

ist als zweiter Schritt erforderlich, dass zügig<br />

eine Schärfung des EU-Stabilitätspakts gelingt,<br />

um das Risiko eines Abgleitens in eine Transferunion<br />

zu verhindern. Alle EU-Staaten müssen<br />

zudem die Konsolidierung ihrer Staatshaushalte<br />

vorantreiben.<br />

Reform der Gemeindefinanzen:<br />

mindestens gewerbesteuerliche<br />

Hinzurechnungen beseitigen<br />

Der im Koalitionsvertrag enthaltene Prüfauftrag<br />

zur Reform der Kommunalfinanzen sollte genutzt<br />

werden, um einerseits die Unternehmensbesteuerung<br />

in Deutschland grundlegend zu reformieren<br />

und andererseits den Gemeinden eine stetige und<br />

verlässliche Finanzierungsbasis zur Verfügung zu<br />

stellen. Die mit Beschluss des Bundeskabinetts<br />

vom 24. Februar <strong>2010</strong> eingesetzte Kommission<br />

soll dabei insbesondere den Ersatz der Gewerbesteuer<br />

durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer<br />

und einen kommunalen Zuschlag auf die<br />

Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem<br />

Hebesatz prüfen.<br />

In die falsche Richtung geht dagegen der von<br />

den Gemeinden in die Reformkommission eingebrachte<br />

Vorschlag, die Gewerbesteuer stärker als<br />

bisher schon um ertragsunabhängige Kostenkomponenten<br />

auszuweiten. Allerdings belasten die<br />

jetzt schon vorhandenen ertragsunabhängigen<br />

Komponenten die unternehmerische Substanz,<br />

da die Unternehmen selbst in Verlustjahren Steuern<br />

zahlen. Dies ist auf die Einführung gewerbesteuerlicher<br />

Hinzurechnungen im Rahmen der<br />

Unternehmensteuerreform 2008 zurückzuführen:<br />

Seitdem werden zur Ermittlung des Gewerbeertrags<br />

dem Gewinn 25 % aller Zinsen und 25 %<br />

der Finanzierungsanteile von gezahlten Mieten,<br />

Pachten und Leasingraten hinzugerechnet. Allerdings<br />

hat nicht zuletzt die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

gezeigt, dass insbesondere die Gewerbesteuer<br />

extrem konjunkturanfällig ist – trotz ihrer<br />

ertragsunabhängigen Elemente. Die Einnahmen<br />

der Gewerbesteuer sind darüber hinaus zwischen<br />

den Gemeinden ungleichmäßig verteilt.<br />

Steuern auf Kosten, wie sie die Gewerbesteuer<br />

derzeit enthält, sind investitionsfeindlich.<br />

Sie schmälern das Eigenkapital der Unternehmen<br />

und müssen daher beseitigt werden. Ebenso<br />

schädlich wäre eine etwaige Sondergrundsteuer<br />

für Gewerbebetriebe. Deshalb darf die Kommission<br />

zur Reform der Kommunalfinanzen nicht<br />

scheitern. Zum Mindestumfang des noch für<br />

<strong>2010</strong> erwarteten Abschlussberichts der Reformkommission<br />

muss die vollständige Beseitigung<br />

der – durch die Unternehmensteuerreform 2008<br />

eingeführten – sog. gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen<br />

von Kostenbestandteilen wie Mieten,<br />

Pachten und Leasingraten gehören.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Unternehmensteuern“<br />

Lohnsteuerabzugsmerkmale –<br />

kostenintensive Arbeitgeberinformationspflicht<br />

verhindert<br />

Bis Januar 2012 sollen die bisherige Lohnsteuerkarte<br />

und das damit verbundene Verfahren vollständig<br />

durch ein neues, papierloses Verfahren<br />

mit elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen<br />

(ELStAM) ersetzt werden. Die BDA begrüßt diesen<br />

Übergang ausdrücklich, weil damit grundsätzlich<br />

sowohl für die Unternehmen als auch<br />

für die Finanzverwaltung deutliche Vereinfachungen<br />

verbunden sind. Bereits <strong>2010</strong> entfällt<br />

die Zusendung einer neuen Lohnsteuerkarte für<br />

den Veranlagungszeitraum 2011 an die Einkommensteuerpflichtigen.<br />

Daher wird die Gültigkeit<br />

der Lohnsteuerkarten <strong>2010</strong> bis zur erstmaligen<br />

Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale<br />

verlängert. Arbeitgeber müssen<br />

deshalb die Lohnsteuerkarte <strong>2010</strong> im Übergangszeitraum<br />

weiter aufbewahren.<br />

Das Bundesfinanzministerium (BMF) wird<br />

den genauen Beginn und die damit verbundene<br />

Beendigung des Übergangszeitraums noch<br />

in einem gesonderten BMF-Schreiben bekannt<br />

geben. Nach dem Starttermin ist der Arbeitgeber<br />

verpflichtet, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer<br />

für den ELStAM-Abruf anzumelden und<br />

die von der Finanzverwaltung bereitgestellten<br />

ELStAM für die nächste Lohnabrechnung elektronisch<br />

abzurufen, ins Lohnkonto zu übernehmen<br />

144<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft


und dann bei der Abführung der Lohnsteuer anzuwenden.<br />

Zudem besteht bei dem neuen Verfahren<br />

die fortwährende Pflicht des Arbeitgebers, elektronisch<br />

von der Finanzverwaltung bereitgestellte<br />

Änderungen der ELStAM abzurufen. Im Rahmen<br />

einer Härtefallregelung wird es für diejenigen<br />

Arbeitgeber, die nicht in der Lage sind und für die<br />

es nicht zumutbar ist, die ELStAM der Arbeitnehmer<br />

elektronisch abzurufen, ein papiergebundenes<br />

Ersatzverfahren geben.<br />

Gegen die im Rahmen des Regierungsentwurfs<br />

zum Jahressteuergesetz <strong>2010</strong> vorgesehene<br />

neue Arbeitgeberinformationspflicht, wonach<br />

der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, die elektronischen<br />

Lohnsteuerabzugsmerkmale nach<br />

§ 39e EStG in der Lohn- und Gehaltsabrechnung<br />

der Arbeitnehmer deutlich erkennbar auszuweisen,<br />

hat sich die BDA erfolgreich im Rahmen der<br />

öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses<br />

des Deutschen Bundestags am 29. September<br />

<strong>2010</strong> zum Jahressteuergesetz <strong>2010</strong> ausgesprochen.<br />

Sachlich nicht gerechtfertigt und unter<br />

dem Gesichtspunkt der Bürokratiekosten unverhältnismäßig<br />

war die in § 52b Abs. 5 EStG-E<br />

geplante Regelung, wonach der Arbeitgeber und<br />

nicht die Finanzverwaltung die Arbeitnehmer<br />

über die ELStAM informieren soll. Damit wäre<br />

eine neue bürokratische Belastung der Arbeitgeber<br />

geschaffen worden, die – ausweislich des<br />

Gesetzentwurfs zum Jahressteuergesetz <strong>2010</strong> –<br />

95 Mio. € Kosten bei den Arbeitgebern verursacht<br />

hätte. Ein entsprechendes ELStAM-Informationsschreiben<br />

der Verwaltung kostet dagegen<br />

mit ca. 15 Mio. € weniger als ein Sechstel des für<br />

die Arbeitgeber berechneten Aufwands und stellt<br />

damit die deutlich kostengünstigere Lösung dar.<br />

Der BDA ist es gelungen, die Finanzpolitiker im<br />

Deutschen Bundestag zu überzeugen, dass eine<br />

neue Arbeitgeberinformationspflicht unter diesen<br />

Umständen unverhältnismäßig wäre. Der Deutsche<br />

Bundestag hat deshalb den Regierungsentwurf<br />

geändert und die Finanzverwaltung mit<br />

der Bekanntgabe der ELStAM beauftragt. Den<br />

Arbeitgebern bleibt dadurch der drohende Bürokratieaufwand<br />

in Höhe von 95 Mio. € erspart.<br />

Auch der Bundesrat hat in seiner Sitzung am<br />

26. November <strong>2010</strong> schließlich dieser Regelung<br />

zugestimmt, nachdem noch der Bundesrats-<br />

Finanzausschuss ihm die Einberufung des Vermittlungsausschusses<br />

empfohlen hatte, um die<br />

Erstinformationspflicht über die Arbeitgeber wieder<br />

in das Gesetz aufzunehmen. Hiergegen hatte<br />

sich die BDA in einem Schreiben an die Chefs<br />

der 16 Regierungskanzleien gewandt und so<br />

erreichen können, dass endgültig auf die Einführung<br />

der Arbeitgeberinformationspflicht verzichtet<br />

wurde.<br />

Darüber hinaus hat sich die BDA gegenüber<br />

der Finanzverwaltung erfolgreich für die Zurverfügungstellung<br />

des maschinellen Anfrageverfahrens<br />

(MAV) für Arbeitgeber zur erleichterten Übernahme<br />

der steuerlichen Identifikationsnummer<br />

der Arbeitnehmer eingesetzt, nachdem der für<br />

April <strong>2010</strong> vorgesehene Start von der Finanzverwaltung<br />

verpasst worden war.<br />

In einem BMF-Schreiben vom November<br />

2009 war erklärt worden, dass der nach Maßgabe<br />

der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung<br />

authentifizierte Arbeitgeber zur erleichterten<br />

Übernahme der steuerlichen Identifikationsnummer<br />

in das Lohnkonto die Identifikationsnummer<br />

des Arbeitnehmers für die Übermittlung der<br />

Lohnsteuer bescheinigung <strong>2010</strong> beim Bundeszentralamt<br />

für Steuern erheben kann (§ 41b Abs. 2<br />

EStG). Ziel dieses maschinellen Verfahrens ist<br />

es, beim Arbeitgeber eine aufwendige, kostenintensive<br />

wie fehleranfällige „händische“ Eingabe<br />

zu vermeiden.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

Service > Elektronische Lohnsteuerabzugsmerk -<br />

male<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung –<br />

Gesetzesänderung verschärft<br />

Zielkonflikt<br />

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung<br />

steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung<br />

steuerlicher Vorschriften am 15. April <strong>2010</strong><br />

wurde die Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

erneut vom Gesetzgeber ausgeweitet. Mit<br />

dem Gesetz wurde § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG neu<br />

formuliert, so dass Arbeitnehmer nun Anteile an<br />

ihren Unternehmen auch dann steuerbegünstigt<br />

erhalten, wenn diese durch Entgeltumwandlung<br />

finanziert werden. Vor der Änderung beschränkte<br />

sich die steuerliche Förderung auf zusätzliche,<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft 145


neben dem Arbeitslohn gewährte Leistungen des<br />

Arbeitgebers. Am 1. April 2009 war ein neues Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz<br />

in Kraft getreten,<br />

mit dem die Grenze für die steuerliche Förderung<br />

der Mitarbeiterkapitalbeteiligung von 135 €<br />

auf 360 € jährlich angehoben wurde. Ebenfalls<br />

erhöht wurden auch der Fördersatz zur Arbeitnehmersparzulage<br />

und die Einkommensgrenzen, bis<br />

zu denen die Arbeitnehmersparzulage gewährt<br />

wird.<br />

Die BDA hat bereits im Vorfeld der öffentlichen<br />

Anhörung vor dem Finanzausschuss<br />

des Deutschen Bundestags am 9. Februar <strong>2010</strong><br />

zusammen mit den Spitzenverbänden der deutschen<br />

Wirtschaft schriftlich Stellung zum Entwurf<br />

des Gesetzes zur Umsetzung steuerrechtlicher<br />

EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerrechtlicher<br />

Vorschriften bezogen. Zur Ausweitung der<br />

steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

auf Entgeltumwandlungen hat sich<br />

die BDA kritisch geäußert und vom Gesetzgeber<br />

gefordert, die Konkurrenzsituation zwischen der<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung und der betrieblichen<br />

Altersvorsorge zu berücksichtigen und eine<br />

Benachteiligung der betrieblichen Altersvorsorge<br />

zu vermeiden.<br />

zu betreiben. Damit jedoch würde der notwendige<br />

Ausbau der ergänzenden Altersvorsorge unnötig<br />

gebremst.<br />

Ob solche Effekte tatsächlich verstärkt eintreten,<br />

bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber hat<br />

die Hinweise der BDA aufgenommen und die Förderanreize<br />

bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

begrenzt, indem er die Entgeltumwandlung bei der<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung in der Bemessungsgrundlage<br />

aller Sozialversicherungsbeiträge belassen<br />

hat. Insofern besteht zumindest im Bereich des<br />

Sozialversicherungsbeitragsrechts keine Begünstigung<br />

von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen gegenüber<br />

der betrieblichen Altersvorsorge.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de ><br />

kompakt > „Mitarbeiterkapitalbeteiligung“<br />

Zwar ist Mitarbeiterkapitalbeteiligung aufgrund<br />

der damit verbundenen positiven Effekte<br />

(u. a. Stärkung der Motivation und Identifikation<br />

der Mitarbeiter, Förderung unternehmerischen<br />

Denkens und Handelns) grundsätzlich zu befürworten.<br />

Die nun realisierte staatliche Förderung<br />

ist allerdings fragwürdig: Denn anders als die<br />

betriebliche Altersvorsorge bleibt die Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

sowohl im Zeitpunkt der<br />

Einzahlung bei einer Höhe von bis zu 360 € als<br />

auch bei der späteren Entnahme steuerfrei. Es<br />

ist nicht nachvollziehbar, warum Mitarbeiterkapitalbeteiligungen<br />

steuerlich stärker gefördert<br />

werden als betriebliche Altersvorsorge, für die<br />

sehr viel strengere Anforderungen gelten (z. B.<br />

grundsätzlich keine Auszahlung vor Vollendung<br />

des 60. Lebensjahres, lebenslange Rentenzahlungen<br />

in der Leistungsphase, Schutz bei Insolvenz<br />

des Arbeitgebers). Wegen der steuerlichen<br />

Bevorzugung könnten sich Arbeitnehmer veranlasst<br />

sehen, vorrangig in die Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

zu investieren und den Aufbau einer<br />

betrieblichen Altersvorsorge erst an zweiter Stelle<br />

146<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft


Eliten in Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft<br />

48. Kolloquium der Walter-Raymond-Stiftung<br />

Die Walter-Raymond-Stiftung wurde 1959 von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

als rechtlich unselbstständige Institution gegründet. Die Verantwortung für die Tätigkeit der Stiftung<br />

trägt der Vorstand. Im Rahmen des Kolloquiums <strong>2010</strong> übernahm Frau Heide Franken, Vorstandsvorsitzende<br />

der Randstad Stiftung und Geschäftsführerin Corporate Affairs von Randstad Deutschland, von<br />

Dr. Eckart John von Freyend, Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln und Mitglied des<br />

Aufsichtsrats der IVG Immobilien AG, das Amt der Sprecherin des Stiftungsvorstands.<br />

Im Rahmen des Kolloquiums <strong>2010</strong> wurde das Thema „Soziale Marktwirtschaft – Eliten in Verantwortung<br />

für Wirtschaft und Gesellschaft“ intensiv diskutiert. Den Auftakt gaben Vorträge von Bundestagspräsident<br />

Prof. Dr. Norbert Lammert MdB, vom Unternehmer Arndt G. Kirchhoff, vom stellvertretenden Vorsitzenden<br />

der EVP-Fraktion im Europaparlament, Othmar Karas MdEP, vom Chefvolkswirt der Allianz SE<br />

Prof. Dr. Michael Heise sowie den Wissenschaftlern Prof. Dr. Theresia Theurl, Prof. Dr. Kai Arzheimer,<br />

Prof. Dr. Heinz Bude und Prof. Dr. Günther Schulz.<br />

Geprägt war der Diskurs von der Eingangsfrage, welcher Ordnungsrahmen die geeigneten Voraussetzungen<br />

für verantwortliches Handeln der Eliten in Wirtschaft und Politik schafft. Angesichts der jüngsten<br />

Finanzmarktkrise stand im Mittelpunkt der Diskussion u. a. das Prinzip der Haftung – nicht allein für<br />

den unternehmerischen, sondern auch für die politischen Entscheidungsbereich. Ausgiebig wurde darüber<br />

beraten, in welcher Beziehung die Verantwortungsbereiche von Staat und Markt zueinander stehen,<br />

inwieweit sich Leistungsprinzip und soziale Verantwortung in einem Spannungsverhältnis befinden und<br />

wie die Eliten von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Auch die Frage nach der europäischen<br />

Dimension stand im Mittelpunkt des Kolloquiums. Die Vorträge und Ergebnisse des Kolloquiums liegen<br />

im Band 50 der Großen Reihe der Walter-Raymond-Stiftung vor.<br />

Das nächste Kolloquium der Stiftung findet Ende März 2011 unter dem Titel „Die Schuldenkrise und die<br />

Governance der Europäischen Union: Legitimität, Funktionalität, Pluralität“ statt. Inhaltlich soll den Fragen<br />

nachgegangen werden, warum bestimmte Institutionen nicht funktionieren, wie Konstruktionsfehler<br />

vermieden werden könnten, wie stark und konsequent künftig das Subsidiaritätsprinzip umgesetzt werden<br />

kann und welchen Weg die Europäische Union im Interesse der Bürger einschlagen sollte.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Volkswirtschaft 147


Seriös, sachlich und kompetent:<br />

Pressearbeit der BDA<br />

BDA nutzt neue und bewährte<br />

Wege der Kommunikation<br />

An schlagzeilenträchtigen Themen hat es im zu<br />

Ende gehenden Jahr <strong>2010</strong> wahrlich keinen Mangel<br />

gegeben. Der unerwartet starke Aufschwung,<br />

die überraschend gute Lage am Arbeitsmarkt<br />

und die Sorge um den zunehmenden Fachkräftemangel<br />

bestimmten im Wesentlichen die mediale<br />

Agenda des Jahres. Aber auch unser Anliegen,<br />

die Tarifeinheit zu sichern, unsere Position zur<br />

Gesundheitsreform, zum Datenschutz und zur<br />

Einführung einer Pflegezeit fanden in den Medien<br />

breiten Widerhall.<br />

Die Intensität war hoch: In zahlreichen Statements,<br />

Interviews, Presseerklärungen und Pressekonferenzen<br />

hat sich Arbeitgeberpräsident<br />

Prof. Dr. Dieter Hundt gegenüber Presse, Funk,<br />

Fernsehen und Online-Redaktionen geäußert.<br />

Dabei setzte die BDA auf sachliche und seriöse<br />

Argumente, denn sie fördern die Glaubwürdigkeit<br />

der Arbeitgeber. Die Pressearbeit der BDA und ihr<br />

Verhältnis zu den Journalisten von Presse, Funk<br />

und Fernsehen sind geprägt von Offenheit und<br />

gegenseitigem Vertrauen. In einer schnelllebigen<br />

Zeit rasch zu agieren und zu reagieren – das<br />

gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Presseund<br />

Öffentlichkeitsarbeit. Damit leistet sie einen<br />

wichtigen Beitrag zur Verbreitung und Durchsetzung<br />

der Positionen der deutschen Arbeitgeber.<br />

Im Unterschied zu früher spielen in der täglichen<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit das Internet und<br />

neue Kommunikationstechnologien eine immer<br />

wichtigere Rolle. Die BDA beschränkt sich daher<br />

im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

mittlerweile nicht auf die bewährten Kommunikationswege<br />

wie Pressemitteilungen, Pressekonferenzen<br />

oder Interviews, sondern nutzt auch die<br />

modernen Kanäle wie z. B. Blogs, Twitter, Facebook,<br />

Flickr, RSS-Feeds und Bewegtbild-Kommunikation.<br />

Sie stellen neue Herausforderungen dar,<br />

die die BDA in diesem Jahr weiter angenommen<br />

hat.<br />

In der internen Kommunikation setzt die BDA<br />

weiterhin auf eine enge Vernetzung mit den Pressestellen<br />

der Mitgliedsverbände. Im Arbeitskreis<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kommen die<br />

Pressesprecher von BDA und Mitgliedsverbänden<br />

mehrmals im Jahr zusammen, um Erfahrungen<br />

auszutauschen und medienrelevante Themen zu<br />

diskutieren.<br />

Neuer Informationsdienst „Arbeitgeber aktuell“ gestartet<br />

Seit Juni stellt der neue Informationsdienst „Arbeitgeber aktuell“ vierteljährlich kurz und prägnant die<br />

jeweils wichtigsten Arbeitsschwerpunkte und Aktivitäten der BDA dar. Am Ende der jeweiligen Kurzdarstellungen<br />

weisen wir auf weiterführende Texte und Stellungnahmen zu den einzelnen Themen hin. Die<br />

Rubrik „Kurz notiert“ enthält zusätzliche Meldungen zu aktuellen Themen und Initiativen. Unter „Veranstaltungen“<br />

wird auf aktuelle Veranstaltungen von und mit der BDA hingewiesen. „BDA intern“ informiert<br />

über Interna, Publikationen und Sitzungstermine.<br />

Die Internetfassungen von „Arbeitgeber aktuell“ stehen unter www.arbeitgeber.de > Broschüren > „Arbeitgeber<br />

aktuell“ zum Download zur Verfügung.<br />

150<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit


Internet und eigene Publikationen<br />

Als wichtigste und schnellste Informationsquelle<br />

hat sich längst die Internetseite www.arbeitgeber.<br />

de etabliert. Seit dem Relaunch im November<br />

2008 ist die Zahl der Nutzer kontinuierlich<br />

angestiegen. Der Internetauftritt der BDA hält Medien,<br />

Politik, Unternehmen und interessierte Bürger<br />

täglich mit den neuesten Informationen auf dem<br />

Laufenden. Wenn nötig, wird die Startseite mehrmals<br />

am Tag überarbeitet, um der Aktualität gehorchend<br />

unterschiedliche Themen in den Fokus zu<br />

rücken. In der Beliebtheitsskala ganz oben rangieren<br />

vor allem die übersichtlichen und prägnanten<br />

Info-Angebote kompakt und argumente. Als neues<br />

Angebot ist in diesem Jahr der Bereich „Service“<br />

hinzugekommen, der in übersichtlicher Form alle<br />

Serviceangebote der BDA zusammenstellt. Hier<br />

findet sich u. a. auch der Online-Shop, über den<br />

die Nutzer viele interessante Broschüren der BDA<br />

bestellen können. Darüber hinaus gibt es zahlreiche<br />

Verlinkungen zu weiterführenden Partnerwebseiten<br />

und -initiativen.<br />

Neben der BDA-Internetseite gibt es mit dem<br />

„BDA Newsletter“ und dem „Euro-Info“ weitere<br />

Informationsdienste. Die Dienste können kostenfrei<br />

über die Internetseite abonniert werden. Darüber<br />

hinaus ist die BDA mit der Beilage „Arbeitgeber<br />

– Das BDA-Spezial zur unternehmerischen<br />

Sozialpolitik“ in der Zeitschrift PERSONAL vertreten.<br />

BDA jetzt auch mit Online-<br />

Mediathek<br />

In der Online-Kommunikation geht die BDA mit<br />

der Zeit. So hat auf der Homepage der BDA am<br />

25. November <strong>2010</strong> die Mediathek ihre Pforten<br />

geöffnet. Unter www. mediathek.arbeitgeber.de können<br />

interessierte Nutzer dank intelligentem Streaming<br />

Videos und Bewegtbild-Beiträge in bester<br />

Qualität und ohne Pufferzeiten online und mobil<br />

verfolgen.<br />

Die Mediathek bietet aktuell u. a. Filmbeiträge<br />

vom Deutschen Arbeitgebertag in Berlin an, darunter<br />

die Eröffnungsrede von Arbeitgeberpräsident<br />

Prof. Dr. Dieter Hundt, die Rede von Bundeskanzlerin<br />

Dr. Angela Merkel und Beiträge aus den<br />

verschiedenen Diskussionsforen. Darüber hinaus<br />

können interessierte Nutzer auf Imagefilme,<br />

Lehr- und Wirtschaftsfilme zurückgreifen. Auch<br />

die Möglichkeit des Hochladens eigener Beiträge<br />

besteht. Zudem ist das Abspielen der Videos<br />

auf mobilen Geräten wie iPhone, iPad oder iPod<br />

Touch möglich.<br />

kompakt und argumente erfolgreich<br />

Weiterhin gehören die Informationsdienste kompakt und argumente zu den beliebtesten Publikationen<br />

der BDA. Auch im vergangenen Jahr haben wir die Reihen um weitere Themen erweitert. Auf jeweils<br />

einem Blatt geben sie einen schnell Einstieg in ein Thema und greifen aktuelle Themen aus der öffentlichen<br />

Debatte auf. Durch ihre inhaltliche Prägnanz statten sie Mitgliedsverbände und Unternehmen mit<br />

Hintergrundinformationen, Argumenten und Botschaften der Arbeitgeber für Gespräche, Vorträge und<br />

Diskussionen aus und informieren über Dienstleistungen, Veranstaltungen und Publikationen der BDA.<br />

Seit August können diese Dienste in der jeweils aktuellen Fassung bei Interesse auch auf den eigenen<br />

Webpräsenzen unserer Mitgliedsverbände angezeigt werden.<br />

Die jeweils aktuellen Fassungen der kompakt und argumente sind unter www.arbeitgeber.de > kompakt<br />

bzw. argumente abrufbar. Sie können jeweils auch über einen Newsletter abonniert werden.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 151


Deutscher<br />

Arbeitgebertag<br />

wieder ein<br />

Medien ereignis<br />

Zu den medialen Highlights des Jahres gehört traditionell der Deutsche Arbeitgebertag, der am<br />

23. November <strong>2010</strong> in Berlin stattfand. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt warb in seiner Rede<br />

vor den mehr als 1.500 Gästen u. a. für eine Fortsetzung der flexiblen und produktivitätsorientierten Tarifpolitik<br />

der vergangenen Jahre. Gleichzeitig betonte er, dass die deutsche Wirtschaft noch längst nicht aus<br />

der Talsohle der schwersten Wirtschafts- und Finanzmarktkrise heraus sei, sondern sich mitten in einem<br />

Aufholprozess befinde.<br />

Die Äußerungen des Arbeitgeberpräsidenten wurden von über 170 akkreditierten Medienvertretern aufgegriffen,<br />

wodurch eine breite Medienberichterstattung erreicht wurde. Besondere Beachtung fand auch<br />

die Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, traditionell Gast auf dem Deutschen Arbeitgebertag.<br />

Aber auch die Auftritte von EU-Kommissar Günther Oettinger, dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-<br />

Walter Steinmeier, Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle sowie von Cem Özdemir, dem Bundesvorsitzenden<br />

von Bündnis 90/Die Grünen, und dem Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Deutschen<br />

Bundestag, Dr. Hans-Peter Friedrich, fanden ein breites Echo.<br />

Die Präsenz des Deutschen Arbeitgebertags und der BDA reichte von den großen TV-Nachrichten bis<br />

zu Titelseiten der regionalen und überregionalen Zeitungen. Insgesamt gab die Veranstaltung den politischen<br />

Botschaften der Arbeitgeber über den Tag hinaus Stimme und Gewicht.<br />

Wer nicht live vor Ort dabei sein konnte, besaß wie bereits im Vorjahr die Möglichkeit, auf der Internetseite<br />

der BDA den kompletten Deutschen Arbeitgebertag live zu verfolgen.<br />

Nähere Informationen unter www.mediathek.arbeitgeber.de<br />

154<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 155


156<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


Geschäftsführerkonferenz<br />

in<br />

Dresden<br />

Auf Einladung der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft fand die Geschäftsführerkonferenz der BDA<br />

am 25. und 26. Mai <strong>2010</strong> in Dresden statt. Eine Vielzahl von Themen bestimmte die Tagesordnung – von<br />

der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise bis zu Zukunftsfragen der sozialen Sicherung und<br />

des Arbeitsmarkts. Entscheidungsträger aus der Politik standen Rede und Antwort.<br />

Unter den Schlagworten „demografiefest“ und „zukunftstauglich“ diskutierten der Parlamentarische<br />

Staatssekretär Daniel Bahr MdB, Professor Günter Neubauer und Dr. Doris Pfeiffer über den Handlungsbedarf<br />

in der Kranken- und Pflegeversicherung. Zur Debatte über die Zukunft der sozialen Sicherung<br />

nahm die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast MdB, Stellung. Im Dialog mit<br />

Anton F. Börner erläuterte der Kreditmediator der Bundesregierung, Hans-Joachim Metternich, seine Aufgaben<br />

bei der Sicherung der Unternehmensfinanzierung. Dass zur Krisenbewältigung auch eine nachhaltige<br />

und stringente Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gehören muss, hob Steffen Kampeter MdB,<br />

Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, hervor. Die Standpunkte der SPD<br />

zur Wirtschafts- und Sozialpolitik nach der Krise vertrat die Generalsekretärin, Andrea Nahles MdB. In<br />

der Podiumsdiskussion „Weichenstellungen für eine moderne Arbeitsmarktpolitik“ tauschten Bertram<br />

Brossardt, Annelie Buntenbach, Dr. Carsten Linnemann MdB und Landrat Erich Pipa ihre Standpunkte<br />

aus. Von Seiten der BDA zeigten Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt und Hauptgeschäftsführer<br />

Dr. Reinhard Göhner in ihren Reden die Schwerpunkte der Arbeit der BDA auf.<br />

Als ausgezeichneter Gastgeber erwies sich die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft bei der Ausrichtung<br />

der traditionellen Abendveranstaltung. Im historischen Ambiente des Dresdener Residenzschlosses<br />

wurden die Konferenzteilnehmer auf eine beeindruckende Zeitreise in die Epoche August des Starken<br />

geführt. Mit einem Besuch in den Schatzkammern Dresdens war der gemeinsame Abend einer der Höhepunkte<br />

des diesjährigen „Familientreffens der BDA“.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 157


PArLAMentArischer<br />

ABenD<br />

erneut Grosser<br />

erfoLG<br />

Der Parlamentarische Abend am 14. September <strong>2010</strong> von BDA, BDI und DIHK war wieder ein großer<br />

Erfolg. Mit der Mitwirkung von vielen politischen Amtsträgern und rd. 1.000 Gästen bot der Abend eine<br />

gute Gelegenheit zum Austausch zwischen Vertretern von Politik, Unternehmen und Verbänden. Bundestagspräsident<br />

Prof. Dr. Norbert Lammert hielt das Grußwort.<br />

158<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


Für eine bessere<br />

frühkindliche<br />

Bildung und<br />

Betreuung<br />

<strong>2010</strong> lag für die BDA ein bildungspolitischer Schwerpunkt bei der frühkindlichen Bildung. Nachdem<br />

Anfang des Jahres auf einer BDA-Tagung mit dem DGB die Frage der zielführenden Aus- und Fortbildung<br />

des Personals im Kindergarten als neu verstandener Bildungseinrichtung thematisiert wurde, stand<br />

auf einer weiteren großen Veranstaltung die Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes im Fokus. Das<br />

Gesetz sieht vor, dass bis 2013 35 % der unter Dreijährigen ein Betreuungsangebot erhalten und ein<br />

Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem ersten Lebensjahr besteht.<br />

Unter dem Titel „Für eine bessere Kinderbetreuung – Chancen für Kinder, Chancen für Eltern“ hatten<br />

BDA, BDI, Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und Deutsches Jugendinstitut in das Haus der Deutschen<br />

Wirtschaft geladen. Bundesministerin Dr. Kristina Schröder hob auf die Unzufriedenheit der Eltern mit<br />

der zu geringen Vereinbarkeit von Familie und Beruf ab und bekannte sich zum geplanten Ausbau mit<br />

Rechtsanspruch auf Betreuung für 2013. Die dynamische Entwicklung der Betreuungsangebote zeige,<br />

dass das ehrgeizige Ziel erreicht werden könne. Der Bund stellt 4 Mrd. € der benötigten 12 Mrd. €<br />

für den Ausbau zur Verfügung – hier werde nicht gespart. Dr. Gerhard F. Braun, BDA-Vizepräsident,<br />

unterstrich im Gespräch mit Monika Jones die Relevanz einer guten Kinderbetreuung für den Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland. Dies gelte zum einen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die noch<br />

längst nicht erreicht sei, zum anderen für eine möglichst frühe und wirksame Förderung der Kinder, ihre<br />

Bildungs- und Lebenschancen.<br />

Es besteht erheblicher Nachholbedarf – aber die Kommunen sehen sich kaum in der Lage, die Beschlüsse<br />

umzusetzen, wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund verdeutlichte. Die quantitative Umsetzung<br />

des Rechtsanspruchs auf Betreuung würden sie gewährleisten, aber keinesfalls mit der angestrebten<br />

Qualität. Als Kernproblem geißelte Ilse Wehrmann, Expertin für Frühpädagogik, dass die Qualität der<br />

Kinderbetreuung von der Finanzkraft der einzelnen Kommune abhänge und damit die Ungerechtigkeit<br />

weiter wachse. Sie forderte bundesweite Qualitätsstandards mit Kontrollen. Prof. Dr. Thomas Rauschenbach<br />

verwies darauf, dass Bildung im Kindergarten nicht Schulbildung sei – lebensweltliche Orientierung<br />

sei gefragt, nicht Fächerdenken. Der Kindergarten mit seinen Anregungen sei für alle Kinder wichtig,<br />

nicht nur für bildungsferne Schichten. Die 160 Teilnehmer aus Frühpädagogik, Kommunen, Verbänden<br />

und Politik diskutierten engagiert mit. Im Nachgang zur Tagung formierte sich eine Expertenrunde unter<br />

Leitung von KAS und BDA, die die weiteren Umsetzungsschritte prüft.<br />

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Frühkindliche Bildung“<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 159


erfoLGreicher<br />

Auftritt Der<br />

wirtschAft BeiM<br />

2. ÖkuMenischen<br />

kirchentAG in<br />

München<br />

Der 2. Ökumenische Kirchentag (ÖKT) vom 12. bis 16. Mai <strong>2010</strong> in München war das kirchliche und<br />

gesellschaftspolitische Großereignis in diesem Jahr. Die BDA war hier gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedsverbänden<br />

und weiteren Partnern unter dem Motto „Verantwortung übernehmen – Zukunft gestalten“<br />

vertreten, um einer breiten Öffentlichkeit das vielfältige gesellschaftliche und soziale Engagement<br />

der Wirtschaftsverbände vorzustellen.<br />

Neben rd. 1.500 Kirchentagsbesuchern waren auch viele prominente Gäste aus Kirche, Politik und Wirtschaft<br />

am Messestand der Wirtschaft zu Gast, um sich über die vielseitigen bildungs- und gesellschaftspolitischen<br />

Initiativen der Verbände zu informieren. Zusätzlich zu den Projektpräsentationen am Stand<br />

fanden Foren statt, die sich mit aktuellen sozial- und wirtschaftspolitischen Themen befassten. An den<br />

drei Messetagen kamen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kirchen so u. a. über die Themen „Arbeitswelt<br />

im Wandel“, „Soziale Marktwirtschaft gestalten“ und „Bildung ist Zukunft“ ins Gespräch. Das junge<br />

Publikum wurde mit einem „Chancenfl ipper“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eingeladen, sich<br />

wirtschaftspolitischen Themen spielerisch zu nähern.<br />

Einen Höhepunkt bildete der Empfang der Wirtschaft, zu dem die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft<br />

eingeladen hatte und den sie gemeinsam mit der BDA, dem Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer<br />

und dem Bund Katholischer Unternehmer durchführte. Über 300 Gäste folgten der Einladung und erlebten<br />

eine lebendige Diskussion zum Thema „Damit ihr Hoffnung habt. Soziale Marktwirtschaft nachhaltig<br />

gestalten“.<br />

Die zum ÖKT in München geschaffene Internetpräsenz www.wirtschaft-kirchentag.de wird von den<br />

Arbeitgeberverbänden weiterhin genutzt, um unter dem Motto „Verantwortung übernehmen – Zukunft<br />

gestalten“ auf ihre zahlreichen Projekte und Initiativen aufmerksam zu machen. In den Rubriken „Bildung<br />

+ Wissenschaft“, „Arbeit + Leben“ und „Gesellschaft + Umwelt“ wird das Engagement der Verbände<br />

dargestellt. Veranstaltungshinweise und die Dokumentation zurückliegender Aktivitäten ergänzen das<br />

Online-Angebot.<br />

Nähere Informationen unter www.wirtschaft-kirchentag.de<br />

160<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 161


162<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


Bilanzveranstaltung<br />

SCHULEWIRSCHAFT<br />

Ostdeutschland<br />

Die Folgen des demografischen Wandels sind in den neuen Bundesländern deutlich zu spüren: In den<br />

vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Schulabgänger nahezu halbiert. Bereits heute haben<br />

70 % der Unternehmen in Ostdeutschland Probleme, offene Stellen zu besetzen. Und noch immer wandern<br />

viele junge Menschen in Richtung Westdeutschland ab.<br />

Vor zwei Jahren wurde vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer zusammen<br />

mit BDA und SCHULEWIRTSCHAFT das Projekt „Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland“<br />

gestartet, damit in Ostdeutschland der Fachkräftenachwuchs nicht ausgeht. Unterstützt wurde die Initiative<br />

durch die strategische Partnerschaft mit der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Kreditbank<br />

AG.<br />

Am 5. November <strong>2010</strong> zogen Förderer, Kooperationspartner und Aktive in einer gemeinsamen Veranstaltung<br />

im Haus der Deutschen Wirtschaft eine positive Bilanz der zweijährigen Zusammenarbeit im Netzwerk.<br />

Akteure aus 18 von insgesamt 30 entwickelten Einzelprojekten stellten sich an einzelnen Stationen<br />

nach der Präsentation ihrer Aktivitäten den Fragen der interessierten Teilnehmer.<br />

Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt appellierte in seiner Rede an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft,<br />

die aktuellen Herausforderungen in Chancen umzuwandeln und dafür Sorge zu tragen, dass der<br />

ostdeutsche Fachkräftenachwuchs nicht in den Westen abwandert. Er dankte allen Akteuren und Förderern<br />

für ihr Engagement.<br />

In einer von zwei Brandenburger Schülern moderierten Podiumsdiskussion mit Bundesinnenminister<br />

Dr. Thomas de Maizière, Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, und Dr. Patrick<br />

Wilden, Vorstandsmitglied der Deutschen Kreditbank AG, wurden die Chancen und Perspektiven junger<br />

Menschen in Ostdeutschland diskutiert. Dr. de Maizière betonte, dass ostdeutsche Schulabgänger aufgrund<br />

des demografischen Wandels gute Aussichten haben, in ihrer Heimat einen spannenden Job zu<br />

finden.<br />

Nähere Informationen unter www.schulewirtschaft-ostdeutschland.de<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 163


BoLoGnA zuM<br />

erfoLG führen<br />

Nach 2004, 2006 und 2008 bekannten sich am 21. Oktober <strong>2010</strong> Personalvorstände führender Unternehmen<br />

in Deutschland im Rahmen der Initiative „Bachelor Welcome!“ mit einer gemeinsamen Erklärung zur<br />

Umstellung auf die gestufte Studienstruktur und formulierten ihre Zusagen und Forderungen in diesem<br />

Prozess. Im Jahr <strong>2010</strong> – nach mehr als zehn Jahren Studienreform – wurde Zwischenbilanz gezogen und<br />

Ziele für eine Weiterentwicklung der Reform defi niert. Am Nachmittag des 21. Oktober <strong>2010</strong> wurde die<br />

„Bachelor Welcome!“-Erklärung in einer gemeinsamen Veranstaltung von BDA, BDI und Stifterverband<br />

für die Deutsche Wissenschaft präsentiert. Vertreter der Studierenden, der Hochschulen, der Politik und<br />

der Wirtschaft diskutierten, wie Bologna gemeinsam zum Erfolg geführt werden kann.<br />

164<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


GirLs’ DAY:<br />

JuBiLäuM <strong>2010</strong><br />

iM hAus Der<br />

Deutschen<br />

wirtschAft<br />

Der Girls’ Day feierte <strong>2010</strong> ein rundes Jubiläum: Er fand am 26. April zum zehnten Mal statt. Der Einladung<br />

von BDA und der Initiative „MINT Zukunft schaffen“ zum diesjährigen Event sind 40 Mädchen<br />

gefolgt. In zwei Workshops wurden Vorurteile gegenüber „Frauen und Technik“ aufs Korn genommen. Die<br />

Teilnehmerinnen entwickelten Ideen dazu, welche Vorurteile zum Thema „Frauen und Technik“ existieren<br />

und wie diese bildhaft dargestellt werden können. Darüber hinaus überlegten die Mädchen, wie eine<br />

MINT-Zeitung aussehen könnte, die speziell ihren Interessen entspricht. Die klare Botschaft des Tages<br />

war: Frauen und naturwissenschaftlich-technische Berufe – das passt hervorragend zusammen!<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 165


Die 70 Mitgliedsverbände der BDA<br />

• Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e. V.<br />

• Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe)<br />

• Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie<br />

• Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V.<br />

• Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e. V.<br />

• Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland<br />

• Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V.<br />

• Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrsbetriebe –<br />

• Arbeitgeberverband Luftverkehr e. V. (AGVL)<br />

• Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP)<br />

• Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e. V.<br />

• Arbeitgeberverband Pflege e. V.<br />

• Arbeitgeberverband Postdienste e. V.<br />

• Arbeitgeberverband Stahl e. V.<br />

• Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß e. V.<br />

• Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V.<br />

• Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder<br />

• BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V.<br />

Wirtschafts- und Arbeitgeberverband<br />

• BdKEP Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e. V.<br />

• Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.<br />

• Bundesarbeitgeberverband Glas und Solar e. V.<br />

• Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V.<br />

• Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ)<br />

• Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V.<br />

• Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V.<br />

• Bundesverband Druck und Medien e. V.<br />

• Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V.<br />

• Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V.<br />

• Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA)<br />

• Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V.<br />

• Deutscher Bühnenverein Bundesverband der Theater und Orchester<br />

• Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA)<br />

• DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen<br />

• GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V.<br />

• Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V.<br />

• Gesamtverband der Deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund –-<br />

• Gesamtverband Steinkohle e. V. (GVSt)<br />

• Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel<br />

• Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.<br />

• Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.<br />

• Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V.<br />

• Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden<br />

• Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Telekommunikation (ArgeTel)<br />

• Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV)<br />

• Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH)<br />

• Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V.<br />

• Verband Deutscher Reeder e. V.<br />

• Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ)<br />

• Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland e. V. (VdDD)<br />

• Verein der Zuckerindustrie<br />

• Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V.<br />

• Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU)<br />

• Vereinigung Rohstoffe und Bergbau<br />

• VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V.<br />

• Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V.<br />

• ZGV – Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e. V.<br />

166<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


Landesvereinigungen<br />

UVNord – Vereinigung<br />

der Unternehmensverbände<br />

in Hamburg<br />

und Schleswig-Holstein<br />

e. V.<br />

Vereinigung der<br />

Unternehmensverbände für<br />

Mecklenburg-Vorpommern e. V.<br />

Unternehmerverbände<br />

Niedersachsen e. V.<br />

Die Unternehmensverbände<br />

im Lande Bremen e. V.<br />

unternehmer nrw<br />

Landesvereinigung der<br />

Unternehmensverbände<br />

Nordrhein-Westfalen e. V.<br />

Vereinigung der<br />

Unternehmensverbände<br />

in Berlin und Brandenburg e. V.<br />

Arbeitgeber- und<br />

Wirtschaftsverbände<br />

Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Vereinigung der Sächsischen<br />

Wirtschaft e. V. (VSW)<br />

Vereinigung der<br />

hessischen<br />

Unternehmerverbände<br />

e. V.<br />

Verband der Wirtschaft<br />

Thüringens e. V.<br />

Landesvereinigung<br />

Unternehmerverbände<br />

Rheinland-Pfalz (LVU)<br />

Vereinigung der<br />

Saarländischen<br />

Unternehmensverbände<br />

e. V.<br />

Vereinigung der<br />

Bayerischen Wirtschaft e. V.<br />

Arbeitgeber Baden-Württemberg<br />

– Landesvereinigung<br />

Baden-Württembergischer<br />

Arbeitgeberverbände e. V.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 167


BDA-Präsidium<br />

Präsident<br />

• Prof. Dr. Dieter Hundt<br />

Präsident Bundesvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

Aufsichtsratsvorsitzender Allgaier Werke GmbH<br />

Ehrenpräsident<br />

• Prof. Dr. Klaus Murmann<br />

Ehrenpräsident Bundesvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

vorm. Vorstandsvorsitzender Sauer-<br />

Danfoss Inc.<br />

Vizepräsidenten<br />

• Dr. h. c. Josef Beutelmann<br />

Vorsitzender Arbeitgeberverband der<br />

Versicherungsunternehmen in Deutschland<br />

Vorsitzender der Vorstände Barmenia<br />

Versicherungen<br />

• Dr. Gerhard F. Braun<br />

Präsident Landesvereinigung Unternehmerverbände<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Geschäftsführender Gesellschafter Karl Otto<br />

Braun GmbH & Co. KG<br />

• Dr. Eckhard Cordes<br />

Vorstandsvorsitzender Metro AG<br />

• Martin Kannegiesser<br />

Präsident GESAMTMETALL Gesamtverband<br />

der Arbeitgeberverbände der Metall- und<br />

Elektro-Industrie<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

Herbert Kannegiesser GmbH<br />

• Otto Kentzler<br />

Präsident Zentralverband des<br />

Deutschen Handwerks<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

Kentzler GmbH & Co. KG<br />

• Dr. Walter Koch<br />

Gesellschafter Dillinger Fabrik<br />

gelochter Bleche GmbH<br />

• Randolf Rodenstock<br />

Präsident Vereinigung der<br />

Bayerischen Wirtschaft<br />

Geschäftsführender Gesellschafter Optische<br />

Werke G. Rodenstock GmbH & Co. KG<br />

• Dr. h. c. Eggert Voscherau<br />

Präsident Bundesarbeitgeberverband Chemie<br />

Aufsichtsratsvorsitzender BASF SE<br />

Präsidiumsmitglieder<br />

• Dr. Frank Appel<br />

Vorstand Arbeitgeberverband Postdienste<br />

Vorstandsvorsitzender Deutsche Post AG<br />

• Peter Barz<br />

Vorsitzender Arbeitgebervereinigung<br />

Nahrung und Genuß<br />

Aufsichtsratsmitglied Unilever<br />

Deutschland Holding GmbH<br />

• Anton F. Börner<br />

Präsident Bundesverband Großhandel,<br />

Außenhandel, Dienstleistungen<br />

Persönlich haftender Gesellschafter<br />

Börner + Co. KG<br />

• Hans-Dieter Bremer<br />

Präsident Vereinigung der Unternehmensverbände<br />

für Mecklenburg-Vorpommern<br />

Geschäftsführer Beton-Service GmbH<br />

• Wolfgang Brinkmann<br />

Vizepräsident Gesamtverband der<br />

deutschen Textil- und Modeindustrie<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

F.W. Brinkmann GmbH<br />

• Dr. Jürgen Deilmann<br />

Ehrenmitglied im Präsidium der Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

Gesellschafter Deilmann Montan GmbH<br />

• Dr. Rainer V. Dulger<br />

Vorstandsmitglied Arbeitgeber Baden-Württemberg<br />

– Landesvereinigung Baden-Württembergischer<br />

Arbeitgeberverbände<br />

Geschäftsführender Gesellschafter ProMinent<br />

Dosiertechnik GmbH<br />

168<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


• Brigitte Ederer<br />

Vorstandsmitglied Siemens AG<br />

• Goetz von Engelbrechten<br />

Vizepräsident Unternehmerverbände<br />

Niedersachsen<br />

• Bodo Finger<br />

Präsident Vereinigung der<br />

Sächsischen Wirtschaft<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

Chemnitzer Zahnradfabrik GmbH & Co. KG<br />

• Günther Fleig<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

Hanns Martin Schleyer-Stiftung<br />

• Heide Franken<br />

Geschäftsführerin Randstad<br />

Deutschland GmbH & Co. KG<br />

Vorstandssprecherin Walter-Raymond-Stiftung<br />

• Hartmut Geldmacher<br />

Vorsitzender Vereinigung der Arbeitgeberverbände<br />

energie- und versorgungswirtschaftlicher<br />

Unternehmungen<br />

Vorstandsmitglied E.ON Energie AG<br />

• Wolfgang Goebel<br />

Präsident Bundesverband<br />

der Systemgastronomie<br />

Vorstandsmitglied McDonald´s<br />

Deutschland Inc.<br />

• Dr. Reinhard Göhner<br />

Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

• Ulrich Grillo<br />

Präsident WirtschaftsVereinigung Metalle<br />

Vorstandsvorsitzender Grillo-Werke AG<br />

• Dr. Rüdiger Grube<br />

Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG<br />

• Helmut Heinen<br />

Präsident Bundesverband<br />

Deutscher Zeitungsverleger<br />

Geschäftsführer Heinen-Verlag GmbH<br />

• Klaus Hering<br />

Vizepräsident Hauptverband der<br />

Deutschen Bauindustrie<br />

Gesellschafter NOBA Schlüsselfertigbau GmbH<br />

• Dr. Fritz-Heinz Himmelreich<br />

vorm. Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

• Ingrid Hofmann<br />

Vizepräsidentin Bundesverband Zeitarbeit<br />

Personal-Dienstleistungen<br />

Geschäftsführende Gesellschafterin<br />

I.K. Hofmann GmbH<br />

• Burkhard Ischler<br />

Präsident Vereinigung der Unternehmensverbände<br />

in Berlin und Brandenburg<br />

Leiter Berliner Büro der Leitung Siemens AG<br />

• Dr. Eckart John von Freyend<br />

Präsident Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />

• Arndt G. Kirchhoff<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

Kirchhoff Automotive GmbH<br />

• Helmut F. Koch<br />

Vorsitzender Arbeitgeberverband Stahl<br />

Aufsichtsratsmitglied Mannesmannröhren-<br />

Werke GmbH<br />

• Ingo Kramer<br />

Präsident Die Unternehmensverbände<br />

im Lande Bremen<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

Firmengruppe J. Heinr. Kramer<br />

• Harald Krüger<br />

Vorstandsmitglied BMW AG<br />

• Lothar Lampe<br />

Präsident Gesamtverband der Deutschen<br />

Land- und Forstwirtschaftlichen<br />

Arbeitgeberverbände<br />

• Stefan H. Lauer<br />

Präsident Arbeitgeberverband Luftverkehr<br />

Vorsitzender Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft<br />

Verkehr<br />

Vorstandsmitglied Deutsche Lufthansa AG<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 169


• Horst-Werner Maier-Hunke<br />

Präsident unternehmer nrw<br />

Landes vereinigung der Unternehmensverbände<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Geschäftsführer DURABLE Hunke &<br />

Jochheim GmbH & Co. KG<br />

• Dr. Arend Oetker<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

Dr. Arend Oetker Holding GmbH & Co. KG<br />

• Prof. Dieter Weidemann<br />

Präsident Vereinigung der hessischen<br />

Unternehmerverbände<br />

• Wolfgang Zahn<br />

Präsident Verband der Wirtschaft Thüringens<br />

Geschäftsführer Robert Bosch Fahrzeugelektrik<br />

Eisenach GmbH<br />

• Wilfried Porth<br />

Vorstandsmitglied Daimler AG<br />

• Dr. Wolfgang Pütz<br />

Vizepräsident Bundesverband<br />

Druck und Medien<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

J.F. Ziegler KG<br />

• Josef Sanktjohanser<br />

Präsident Handelsverband Deutschland –<br />

HDE Der Einzelhandel<br />

Vorstandsmitglied REWE-Zentral-AG<br />

• Thomas Sattelberger<br />

Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG<br />

• Jürgen Schulte-Laggenbeck<br />

Vizepräsident Handelsverband Deutschland –<br />

HDE Der Einzelhandel<br />

Vorstandsmitglied Otto (GmbH & Co. KG)<br />

• Ulrich Sieber<br />

Vorsitzender Arbeitgeberverband<br />

des privaten Bankgewerbes<br />

Vorstandsmitglied Commerzbank AG<br />

• Margret Suckale<br />

Senior Vice President Global HR Executive<br />

Management and Development BASF SE<br />

• Bernd Tönjes<br />

Präsident Gesamtverband Steinkohle<br />

Vorstandsvorsitzender RAG Aktiengesellschaft<br />

• Uli Wachholtz<br />

Präsident UVNord – Vereinigung der<br />

Unternehmensverbände in Hamburg<br />

und Schleswig-Holstein<br />

Geschäftsführer Karl Wachholtz Verlag<br />

GmbH & Co. KG<br />

170<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA


BDA-Vorstand<br />

Neben den gewählten<br />

Mitgliedern des Präsidiums<br />

gehören folgende Damen<br />

und Herren dem Vorstand an:<br />

• Prof. Thomas Bauer<br />

• Michael Behrendt<br />

• Dr. Rolf Bender<br />

• Oswald Bubel<br />

• Ulrich Alfred Büchner<br />

• Prof. Dr. Hubert Burda<br />

• Frank Dupré<br />

• Martin Empl<br />

• Volker Enkerts<br />

• Ernst Fischer<br />

• Florian Gerster<br />

• Rainer Göhner<br />

• Thomas Greiner<br />

• Klemens Gutmann<br />

• Jörg Hagmaier<br />

• Siegfried Hanke<br />

• Theo Hermann<br />

• Franz Bernd Köster<br />

• Thomas Kretschmann<br />

• Peter Kurth<br />

• Dr. Johannes F. Lambertz<br />

• Rainer J. Marschaus<br />

• Reinhard Müller-Gei<br />

• Dr. Christoph E. Palmer<br />

• Rudolf Pfeiffer<br />

• Eberhard Potempa<br />

• Hanns-Jürgen Redeker<br />

• Ralph Rieker<br />

• Prof. Dr. Markus Rückert<br />

• Manfred Rycken<br />

• Jürgen Schitthelm<br />

• Dirk Schlüter<br />

• Birgit Schwarze<br />

• Johannes Schwörer<br />

• Dr. Theo Spettmann<br />

• Dr. Heinrich Spies<br />

• Norbert Steiner<br />

• Dr. Sven Vogt<br />

• Ulrich Weber<br />

• Dietmar Welslau<br />

• Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia<br />

Vorsitzende<br />

der Ausschüsse<br />

• Dr. Gerhard F. Braun<br />

BDA/BDI-Fachausschuss<br />

Bildung | Berufliche Bildung<br />

• Hans-Dieter Bremer<br />

Ausschuss Arbeitssicherheit<br />

• Prof. Dr. Michael Heise<br />

Ausschuss für Volkswirtschaft -<br />

liche Fragen<br />

• Klaus Hofer<br />

Ausschuss Betriebliche<br />

Altersvorsorge<br />

• Ingrid Hofmann<br />

Ausschuss Betriebliche<br />

Personalpolitik<br />

• Michael Klein<br />

Ausschuss Arbeitsmarktfragen<br />

• Dr. Walter Koch<br />

Ausschuss Haushalt<br />

• Stefan H. Lauer<br />

Ausschuss Arbeitsrecht<br />

• Dr. Wolfgang Pütz<br />

Ausschuss Lohn- und<br />

Tarifpolitik<br />

• Randolf Rodenstock<br />

Ausschuss Soziale Sicherung<br />

• Margret Suckale<br />

Ausschuss Sozialpolitik<br />

in der EU<br />

Gemeinsames Präsidium<br />

von BDA und BDI*<br />

Alternierende Vorsitzende<br />

• Prof. Dr. Dieter Hundt<br />

• Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Keitel<br />

Weitere Mitglieder des Präsidiums<br />

• Dr. h. c. Josef Beutelmann<br />

• Dr. Gerhard F. Braun<br />

• Dr. Eckhard Cordes<br />

• Dr. Klaus Engel<br />

• Ulrich Grillo<br />

• Dr. Heinrich Hiesinger<br />

• Martin Kannegiesser<br />

• Otto Kentzler<br />

• Dr. Walter Koch<br />

• Friedhelm Loh<br />

• Dr. Arend Oetker<br />

• Randolf Rodenstock<br />

• Prof. Dr. Dr. h. c. August-Wilhelm Scheer<br />

• Jürgen R. Thumann<br />

• Dr. h. c. Eggert Voscherau<br />

• Matthias Wissmann<br />

• Dr. E. h. Manfred Wittenstein<br />

* Stand: 1. Januar 2011<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA 171


Organigramm<br />

Präsident<br />

Prof. Dr. Dieter Hundt<br />

Sekretariat<br />

Ulrike Kümpel-Moderau<br />

T -1004<br />

F -1005<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />

Dr. Reinhard Göhner<br />

Alexander Gunkel**<br />

Sekretariat<br />

Anne-Katrin Biereigel<br />

T -1008<br />

F -1015<br />

hgf.mail@arbeitgeber.de<br />

Sekretariat<br />

Ulrike Kümpel-Moderau<br />

Marina Reikowski<br />

T -1007/1006<br />

F -1005<br />

hgf.mail@arbeitgeber.de<br />

Verwaltung und<br />

Verbandsorganisation<br />

Soziale Sicherung<br />

Volkswirtschaft |<br />

Finanzen | Steuern,<br />

Walter-Raymond-<br />

Stiftung<br />

Arbeitsrecht<br />

Lohn- und<br />

Tarifpolitik<br />

Abteilungsleitung<br />

Ulrich Hüttenbach**<br />

Martin Pulm<br />

Abteilungsleitung<br />

Dr. Volker Hansen<br />

Gert Nachtigal<br />

Abteilungsleitung<br />

Ottheinrich<br />

Freiherr von Weitershausen<br />

Dr. Oliver Perschau*<br />

Abteilungsleitung<br />

Roland Wolf<br />

Thomas Prinz*<br />

Abteilungsleitung<br />

Rainer Huke*<br />

Sekretariat<br />

Janet Wiecker<br />

T -1100<br />

F -1105<br />

Sekretariat<br />

Ingrid Schramm<br />

Heike Bozan<br />

T -1600<br />

F -1605<br />

Sekretariat<br />

Cornelia Hentschel<br />

T -1950<br />

F -1955<br />

Sekretariat<br />

Manuela Hahn<br />

Beate Murtezani<br />

Simone Scharf<br />

T -1200<br />

F -1205<br />

Sekretariat<br />

Marina Fahrentholtz<br />

Katrin Franz<br />

T -1300<br />

F -1305<br />

organisation@arbeitgeber.de<br />

soziale.sicherung@arbeitgeber.de<br />

volkswirtschaft@arbeitgeber.de<br />

arbeitsrecht@arbeitgeber.de<br />

tarifpolitik@arbeitgeber.de<br />

Kaufmännische Assistenz<br />

Katrin Altmann*<br />

Adressverwaltung<br />

Thomas Bieche<br />

Manuel Schiller<br />

Referenten (m/w)<br />

Stefan Haussmann<br />

Dr. Martin Kröger<br />

Susanne Lexa<br />

Saskia Osing*<br />

Florian Swyter<br />

Referenten (m/w)<br />

Elisaveta Gomann<br />

Dr. Hans-Jürgen Völz<br />

Referenten (m/w)<br />

Nora Braun<br />

Martin Eckstein<br />

Katharina Ludewig<br />

Kerstin Plack<br />

Dr. Anita Schmitz-Witte<br />

Referenten (m/w)<br />

Kora Kleine<br />

Paul Noll<br />

Dr. Mandy Reichel<br />

Natalia Stolz<br />

Einkauf und Services<br />

Sven Kochanowski<br />

einkauf.mail@arbeitgeber.de<br />

Bibliothek<br />

Anke Beyer-Stamm<br />

Arbeitswissenschaft<br />

Norbert Breutmann<br />

Organisation<br />

Kornelia Wendt<br />

Redaktion SAE<br />

Barbara Braun<br />

Tarifarchiv<br />

Astrid Bohn<br />

Michaela Grebasch<br />

Service<br />

Frank Halup<br />

Astrid Leu<br />

Finanzen<br />

Martin Pulm<br />

Gudrun Häntsch<br />

Sirpa Ohm<br />

Viola Rieche<br />

fi nanzen.mail@arbeitgeber.de<br />

Informations- und<br />

Kommunikationstechnik<br />

Martin Brüning<br />

Thomas Hyrbaczek<br />

Christian Seipp<br />

Hans-Jürgen Tunze<br />

iuk.mail@arbeitgeber.de<br />

Sekretariat<br />

Carola Wünsche<br />

T -1604<br />

F -1605<br />

soziale.sicherung@arbeitgeber.de<br />

Institut für Sozial- und<br />

Wirtschaftspolitische<br />

Ausbildung<br />

Ottheinrich<br />

Freiherr von Weitershausen<br />

Sekretariat<br />

Ellen Dumschat<br />

T -1954<br />

F -1955<br />

info@iswa-online.de<br />

Personal<br />

Astrid Zippel<br />

Katrin Rennicke<br />

personal.mail@arbeitgeber.de


T +49 30 2033-0<br />

F +49 30 2033-1055<br />

bda@arbeitgeber.de<br />

www.arbeitgeber.de<br />

Stand: 1. Januar 2011<br />

** Qualitätsmanagementkoordinator<br />

* Qualitätsmanagementbeauftragte<br />

Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />

Peter Clever<br />

Sekretariat<br />

Manuela Poniwaß<br />

T -1009<br />

F -1015<br />

hgf.mail@arbeitgeber.de<br />

Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Planung |<br />

Koordination |<br />

Grundsatzfragen<br />

Arbeitsmarkt<br />

Bildung |<br />

Berufliche Bildung<br />

Europäische Union<br />

und Internationale<br />

Sozialpolitik<br />

Abteilungsleitung<br />

Dr. Uwe Mazura*<br />

Jörg Swane<br />

Abteilungsleitung<br />

Christina Ramb**<br />

Kristian Schalter<br />

Abteilungsleitung<br />

Dr. Jürgen Wuttke*<br />

Alexander Wilhelm<br />

Abteilungsleitung<br />

Dr. Barbara Dorn<br />

Dr. Donate Kluxen-Pyta<br />

Tanja Nackmayr<br />

Abteilungsleitung<br />

Renate Hornung-Draus<br />

Antje Gerstein*<br />

Matthias Thorns<br />

Sekretariat<br />

Claudia Jungkowski<br />

Claudia Kurschat<br />

T -1800<br />

F -1805<br />

Sekretariat<br />

Kati Hildebrandt<br />

T -1070<br />

F -1075<br />

Sekretariat<br />

Susan Peronne<br />

Marion Blumauer<br />

T -1400<br />

F -1405<br />

Sekretariat<br />

Katja Rasch<br />

Allmuth Rudolf<br />

Sevim Ünal<br />

T -1500<br />

F -1505<br />

Sekretariat<br />

Bianca Voyé*<br />

Marion Hirte<br />

Janine Spolaczyk<br />

T -1900<br />

F -1905<br />

presse@arbeitgeber.de<br />

grundsatz@arbeitgeber.de<br />

arbeitsmarkt@arbeitgeber.de<br />

bildung@arbeitgeber.de<br />

europa@arbeitgeber.de<br />

Referenten (m/w)<br />

Arne Franke<br />

Franziska Caroline Lerch<br />

Dr. Viktor Otto<br />

Andreas Timm<br />

Referenten (m/w)<br />

Tabea Kölbel<br />

Referenten (m/w)<br />

Christian Dorenkamp<br />

Georgia Heine<br />

Torsten Petrak<br />

Silvia Schneider<br />

Referenten (m/w)<br />

Henning Dettleff<br />

Petra Gießler<br />

Yvonne Kohlmann<br />

Susanne Müller*<br />

Dr. Irene Seling<br />

Referenten (m/w)<br />

Anton Bauch<br />

Julia Kaute<br />

Stefan Sträßer<br />

Leiter der Pressestelle<br />

Dr. Viktor Otto<br />

Büro des Präsidenten<br />

und des Hauptgeschäftsführers<br />

Kristian Schalter<br />

Benjamin Koller<br />

Betriebliche<br />

Personalpolitik<br />

Dr. Alexander Böhne<br />

Jana Schimke<br />

BDI/BDA<br />

The German Business<br />

Representation<br />

Antje Gerstein*<br />

Brigitte De Vita<br />

Andres Rojas del Rio<br />

Sekretariat<br />

Sabrina Paul<br />

T -1020<br />

F -1025<br />

Sekretariat<br />

Janine Schaefer<br />

T -1410<br />

F -1405<br />

Organisation<br />

Astrid Schwarz<br />

T +32 2 792 10 50<br />

F +32 2 792 10 55<br />

bph.mail@arbeitgeber.de<br />

arbeitsmarkt@arbeitgeber.de<br />

bruessel@arbeitgeber.de


BDA | Bundesvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

Mitglied von BUSINESSEUROPE<br />

Hausadresse:<br />

Haus der Deutschen Wirtschaft<br />

Breite Straße 29, 10178 Berlin<br />

Briefadresse:<br />

11054 Berlin<br />

T +49 30 2033-1070<br />

F +49 30 2033-1075<br />

grundsatz@arbeitgeber.de<br />

www.arbeitgeber.de<br />

Redaktionsschluss: 20. Dezember <strong>2010</strong><br />

Fotografie:<br />

Thomas Köhler | www.photothek.net<br />

Tobias Koch | www.fotostudio-koch.de<br />

DIHK; Jens Schicke<br />

vbw | www.vbw-bayern.de<br />

Foto Engler | www.pressefoto-engler.de<br />

Christian Kruppa | www.christiankruppa.de<br />

adisa, Aeolos, Nikada, Uko_Jesita | iStockphoto.com<br />

moonrun, Olly, RRF, SVLuma | fotolia.de<br />

misterQM | photocase.de<br />

174<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> | Aus dem Leben der BDA

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