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HalbJahresbericht 2008

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HALBJAHRESBERICHT <strong>2008</strong>


HALBJAHRESBERICHT <strong>2008</strong>


02<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

selbst starke Wachstumsbremsen, wie die steigenden Preise oder die internationale Finanzmarktkrise, konnten der Konjunktur<br />

in Deutschland im ersten Halbjahr <strong>2008</strong> überraschend wenig anhaben. Die Wachstumsprognosen sind wieder<br />

über die Schwelle von 2 % gehoben worden. Mit weniger als 3,2 Mio. Arbeitslosen im Juni <strong>2008</strong> erreichte Deutschland<br />

den niedrigsten Stand seit 16 Jahren. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland waren im April über<br />

40 Mio. Menschen erwerbstätig. Dies sollte Mut machen, den eingeschlagenen Weg konsequent und mit weiteren<br />

Reformen fortzusetzen. Die Große Koalition lässt sich jedoch zunehmend von richtigen Akzentsetzungen abbringen<br />

und trifft insbesondere in der Sozialpolitik kurzatmige und wechselhafte Entscheidungen. Dadurch wird erfolgreichen<br />

Reformen ihre Wirkung genommen und der Konjunktur Dynamik entzogen. Das Wachstum des vergangenen Jahres<br />

wird die deutsche Volkswirtschaft in diesem Jahr nicht wiederholen können. Die hohen Energiepreise belasten Verbraucher<br />

und Unternehmen gleichermaßen. Auf dem Arbeitsmarkt hat der Abbau der Arbeitslosigkeit an Schwung<br />

verloren – umso fataler ist, dass gerade hier völlig falsche Signale gesetzt wurden. Die arbeitsmarktpolitischen Erfolge<br />

der Agenda 2010 werden kontinuierlich zunichtegemacht.<br />

Wirtschaftliche Dynamik, Wachstum und eine beschäftigungsfördernde Lohnpolitik sind gerade für diejenigen erforderlich,<br />

die keinen Arbeitsplatz haben und den Einstieg in Arbeit suchen. Staatlich vorgegebene Mindestlöhne verhindern<br />

den Einstieg in Arbeit und vernichten Arbeitsplätze. Die Referentenentwürfe zum Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

und Arbeitnehmer-Entsendegesetz stellen einen völlig inakzeptablen Angriff auf die Tarifautonomie dar: Dem Staat<br />

wird gesetzlich die Möglichkeit gegeben, vereinbarte Tarifverträge per Rechtsverordnung außer Kraft zu setzen. Wer<br />

auf diesem Weg Tarifverträge aushebeln will, verhindert zugleich betriebliche Bündnisse für Arbeit. Wer so mit Tarifverträgen<br />

und Betriebspartnerschaft umgeht, legt die Axt an die Wurzel der Tarifautonomie. Aufgrund der massiven<br />

Intervention der BDA wurden bereits erste Giftzähne aus den Entwürfen entfernt. So ist z. B. die regionale Anwendung<br />

der Gesetze und damit die Möglichkeit zur flächendeckenden Lohnfestsetzung in allen Branchen vom Tisch.<br />

Auch soll die Anwendung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes auf Mindestentgelte beschränkt werden und nicht<br />

mehr alle Arbeitsbedingungen umfassen. Die BDA wird sich weiter mit aller Vehemenz gegen diese Gesetzentwürfe<br />

wenden.<br />

Auch in vielen weiteren Bereichen der Sozialpolitik werden falsche Signale gesetzt: Statt den richtigen Weg der Verlängerung<br />

der Lebensarbeitszeit konsequent weiterzugehen, will die SPD die verfehlte Frühverrentungspolitik der Vergangenheit<br />

durch die Altersteilzeit-Subventionen auf einmal wiederbeleben. Statt das Ziel der nachhaltigen Senkung<br />

der Sozialabgaben weiterzuverfolgen, wird der verfassungswidrige Griff in die Tasche der Beitragszahler durch den Eingliederungsbeitrag<br />

fortgesetzt, wird ein Ausbildungsbonus mit Gießkannenförderung eingeführt, wird die Rentenformel<br />

zu Lasten der Beitragszahler manipuliert, werden Leistungsausweitungen und Beitragssatzanstieg in der Pflegeversicherung<br />

beschlossen. Das ist keine konsequente Reformpolitik, die den Aufschwung tragen kann.<br />

Damit der Aufschwung bei mehr Menschen ankommt, müssen sie mehr Netto vom Brutto in der Tasche haben. Das<br />

schafft mehr Beschäftigung und stärkt den privaten Konsum. Immerhin gibt es einen ersten hoffnungsvollen Ansatz<br />

in der politischen Agenda: Es wird über notwendige Entlastungen der Erwerbstätigen – vor allem der Leistungsträger<br />

unserer Gesellschaft – und über eine Steuer- und Abgabensenkung diskutiert. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, die<br />

von uns im vergangenen Jahr mit der Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung eingeläutet und mit der<br />

Forderung nach „mehr Netto“ Anfang des Jahres verstärkt wurde. Die Senkung der Sozialabgaben ist das Gebot der<br />

Stunde. Die BDA hat einen ersten Schritt noch in diesem Jahr gefordert: Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung<br />

kann auf mindestens 2,8 % gesenkt werden, wenn der verfassungsrechtlich fragwürdige und systematisch verfehlte


03<br />

Eingliederungsbeitrag gestrichen wird. Weitere Beitragssatzsenkungen sind in den Sozialversicherungen möglich, wenn<br />

sie mit strukturellen Reformen einhergehen. Die BDA hat hierfür schlüssige und nachhaltige Konzepte entwickelt. Den<br />

Worten der Politik müssen nun Taten folgen.<br />

Der vorliegende Halbjahresbericht informiert Sie über die politischen Schwerpunkte unserer Arbeit im ersten<br />

Halbjahr <strong>2008</strong>.<br />

Dr. Reinhard Göhner<br />

Hauptgeschäftsführer der BDA<br />

Berlin, 30. Juni <strong>2008</strong>


04<br />

Beschäftigungspolitik ■ Arbeitslosenversicherung<br />

■ Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld<br />

II ■ Ältere Arbeitnehmer<br />

■ Betriebliche Personalpolitik ■ Zielgruppen<br />

des Arbeitsmarktes ■ Arbeitsmarktforschung<br />

und -statistik ■ ZeitarbeiT<br />

■ Reform der Selbstverwaltung ■ Fachkräftesicherung<br />

ARBEITSMARKT<br />

■ Integration ■ Geringfügige<br />

Beschäftigung ■ Bundesagentur<br />

für Arbeit ■ Entgeltfortzahlung ■ Unternehmenskultur<br />

■ Schwarzarbeit/Illegale<br />

Beschäftigung ■ Grundsicherung ■ Erwerbsbeteiligung<br />

Älterer ■ Altersteilzeit<br />

■ Arbeitsförderungsrecht ■ Personalführung<br />

■ Personalgewinnung ■ Personalbindung<br />

■ Personalentwicklung<br />

■ Personalcontrolling ■ Altersteilzeit<br />

■ Beschäftigungs- und Strukturpolitik<br />

der EU ■ Beschäftigungspolitik<br />

■ Arbeitslosenversicherung ■ Fürsor<br />

06 18<br />

Individualarbeitsrecht ■ Arbeitsrecht<br />

in der EU ■ Betriebsverfassungsgesetz<br />

■ Mitbestimmung ■ Unternehmensmitbestimmung<br />

■ Antidiskriminierung<br />

■ Arbeitszeitflexibilisierung ■ Mitbestimmung<br />

■ Betriebsübergang ■ Befristung<br />

■ Entgeltfortzahlung ■ Arbeitnehmererfindungsrecht<br />

ARBEITSRECHT ■ Kündigungsschutz<br />

■ Tarifrecht ■ Tarifvertragsrecht ■ Arbeitnehmerdatenschutz<br />

■ Tarifverhandlungsrecht<br />

■ Streik- und Arbeitskampfrecht<br />

■ Arbeitsrechtliche Richtlinien<br />

■ Bürokratieabbau in der Sozialpolitik<br />

■ Tarifrecht ■ Mitbestimmung ■ Individualarbeitsrecht<br />

■ Arbeitsrecht in der EU<br />

■ Betriebsverfassungsgesetz ■ Unternehmensmitbestimmung<br />

■ Antidiskriminierung<br />

■ Arbeitszeitflexibilisierung<br />

■ Betriebsübergang ■ Kündigungsschutz<br />

■ Befristung ■ Urlaub ■ Entgeltfortzah<br />

Tarifautonomie ■ Lohnpolitik ■ Tarifverträge<br />

■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Tarifbindung ■ Grundsatzfragen<br />

der Lohnpolitik ■ Gesetzlicher Mindestlohn<br />

■ Arbeitnehmer-entsendegesetz<br />

■ Tarifrunden ■ Tarifautonomie ■ Lohnpolitik<br />

■ Tarifverträge ■ Allgemeinverbindlicherklärung<br />

TARIFPOLITIKvon Tarifverträgen<br />

■ Tarifbindung ■ Lohnentwicklung<br />

■ Allgemeinverbindlicherklärung von<br />

Tarifverträgen 34<br />

■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Lohnentwicklung<br />

■ Grundsatzfragen der Lohnpolitik<br />

■ Gesetzlicher Mindestlohn ■ Arbeitnehmer-entsendegesetz<br />

■ Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

■ Tarifrunden ■ Tarifautonomie<br />

■ Lohnpolitik ■ Tarifverträge<br />

■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Tarifbindung ■ Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von Tarifverträgen ■ Lohn-<br />

Gesundheit und Pflege ■ Rente und Ältere<br />

■ Arbeitsschutz ■ Sozialstaat ■ Krankenversicherung<br />

■ Gesundheitswesen<br />

■ Prävention ■ Pflegeversicherung ■ Rehabilitation<br />

■ Gesetzliche Rentenversicherung<br />

■ Betriebliche Altersvorsorge<br />

■ Private Vorsorge ■ Unfallversicherung<br />

■ Arbeitsschutz SOZIALE in SICHERUNG<br />

Europa ■ Arbeitsmedizin<br />

■ Ordnungsprinzipien und Rahmenbedingungen<br />

■ Finanzierung ■ Soziale<br />

Selbstverwaltung 54<br />

■ Beitrags- und Melderecht<br />

■ Gesundheit und Pflege ■ Rente<br />

und Ältere ■ Arbeitsschutz ■ Sozialstaat<br />

■ Krankenversicherung ■ Gesundheitswesen<br />

■ Prävention ■ Pflegeversicherung<br />

■ Rehabilitation ■ Gesetzliche Rentenversicherung<br />

■ Betriebliche Altersvorsorge<br />

■ Private Vorsorge ■ Unfallversicherung<br />

■ Arbeitsschutz in Europa ■ Arbeitsmedizin<br />

■ Ordnungsprinzipien und Rahmen<br />

Frühkindliche Bildung ■ Schulpolitik<br />

■ Hochschulpolitik ■ Ausbildung ■ Weiterbildung<br />

■ Europäische Bildungspolitik<br />

■ Kindergarten ■ Obligatorisches<br />

Vorschulcurriculum ■ Migranten ■ Kooperation<br />

von Schule und Wirtschaft<br />

■ Berufsbefähigung<br />

BILDUNG,<br />

■ Schlüsselqualifikationen<br />

■ Bildungsfinanzierung ■ Qualitätsmanagement<br />

BERUFLICHE ■ Lehrerbildung BILDUNG ■ MINT<br />

■ Berufsorientierung ■ Bildungsstandards<br />

■ Ganztagsschulen ■ Ökonomische<br />

Bildung 76 ■ Werteerziehung ■ Durchlässigkeit<br />

der Bildungsbereiche ■ Wissenschaft<br />

und Forschung ■ Akkreditierung<br />

■ Bachelor/Master ■ Hochschulreform<br />

■ Hochschulzugang ■ Studien- und<br />

Hochschulfinanzierung ■ Ausbildungsfähigkeit<br />

■ Ausbildungsmarkt ■ Ausbildungspakt<br />

■ Ausbildungsabgabe ■ Duale<br />

Ausbildung ■ Lebenslanges Lernen<br />

Europäische Sozialpolitik ■ Der europäische<br />

Integrationsprozess ■ Internationale<br />

Interessenvertretungen der<br />

Arbeitgeber ■ Sozialer Dialog ■ Europäische<br />

Zuwanderung ■ Dreigliedriger<br />

EU-Sozialgipfel ■ EU-Gipfel ■ Politische<br />

Schwerpunkte der Integration ■ Europäische<br />

EUROPÄISCHE Sozialpolitik ■ Der UND europäische Integrationsprozess<br />

INTERNATIONALE<br />

■ Internationale Interessenvertretungen<br />

der Arbeitgeber<br />

■ Sozialer SOZIALPOLITIK<br />

Dialog ■ EU-Richtlinien<br />

■ Europäische Zuwanderung ■ Europäisches<br />

Arbeits- und Sozialrecht ■ Europäische<br />

100 Bildungspolitik ■ Dreigliedriger<br />

EU-Sozialgipfel ■ CSR ■ EU-Gipfel<br />

■ Politische Schwerpunkte der Integration<br />

■ Europäische Sozialpolitik<br />

■ Der europäische Integrationsprozess<br />

■ Internationale Interessenvertretungen<br />

der Arbeitgeber ■ Sozialer Dialog


05<br />

Konjunktur und Wachstum ■ Indikatoren<br />

und Prognosen ■ Wirtschafts- und<br />

Finanzpolitik ■ Steuerpolitischer Arbeitskreis<br />

der Spitzenverbände ■ Kampagnen<br />

und Initiativen ■ Jahreswirtschaftsbericht<br />

■ Sachverständigenratsgutachten<br />

VOLKSWIRTSCHAFT<br />

■ Frühjahrs- und Herbstgutachten<br />

■ Prognosen des BIP ■ Prognose der Wirtschaftsentwicklung<br />

UND FINZANZEN ■ Arbeitskosten<br />

■ Produktivität ■ Einkommensverteilung<br />

■ Statistik ■ Föderalismus ■ Globalisierung<br />

116 ■ Finanzpolitik ■ Finanzplan des<br />

Bundes ■ Standort Deutschland im internationalen<br />

Vergleich ■ Mittelstandspolitik<br />

■ Demografie ■ Konjunktur und<br />

Wachstum ■ Indikatoren und Prognosen<br />

■ Wirtschafts- und Finanzpolitik ■ Steuerpolitischer<br />

Arbeitskreis der Spitzenverbände<br />

■ Kampagnen und Initiativen<br />

■ Jahreswirtschaftsbericht ■ Sachver<br />

Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

■ Elternzeit/Mutterschutz ■ Unternehmensethik<br />

■ CSR und CC ■ Wertevermittlung<br />

■ Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

■ Familienpolitik 130 und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Elternzeit/Mutterschutz ■ Unternehmensethik<br />

■ CSR und CC ■ Chancen<br />

von Frauen in der Wirtschaft<br />

■ Wertevermittlung ■ Familienpolitik<br />

und Chancengleichheit ■ Wirtschaftsethik<br />

■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-Ton<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Fotos<br />

PRESSE- ■ Internet<br />

UND<br />

■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-<br />

Ton ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

136 ■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-Ton<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Fotos ■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-


07<br />

Beschäftigungspolitik ■ Arbeitslosenversicherung<br />

■ Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld<br />

II ■ Ältere Arbeitnehmer<br />

■ Betriebliche Personalpolitik ■ Zielgruppen<br />

des Arbeitsmarktes ■ Arbeitsmarktforschung<br />

und -statistik ■ ZeitarbeiT<br />

■ Reform der Selbstverwaltung ■ Fachkräftesicherung<br />

ARBEITSMARKT<br />

■ Integration ■ Geringfügige<br />

Beschäftigung ■ Bundesagentur<br />

für Arbeit ■ Entgeltfortzahlung ■ Unternehmenskultur<br />

■ Schwarzarbeit/Illegale<br />

Beschäftigung ■ Grundsicherung ■ Erwerbsbeteiligung<br />

Älterer ■ Altersteilzeit<br />

■ Arbeitsförderungsrecht ■ Personalführung<br />

■ Personalgewinnung ■ Personalbindung<br />

■ Personalentwicklung<br />

■ Personalcontrolling ■ Altersteilzeit<br />

■ Beschäftigungs- und Strukturpolitik<br />

der EU ■ Beschäftigungspolitik<br />

■ Arbeitslosenversicherung ■ Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II ■ Ältere<br />

Arbeitnehmer ■ Betriebliche Personalpolitik<br />

■ Zielgruppen des Arbeitsmarktes<br />

■ Arbeitsmarktforschung und -statistik<br />

■ ZeitarbeiT ■ Integration ■ Schwarzarbeit/Illegale<br />

Beschäftigung ■ Geringfügige<br />

Beschäftigung ■ Fachkräftesicherung<br />

■ Bundesagentur für Arbeit<br />

■ Entgeltfortzahlung ■ Reform der<br />

Selbstverwaltung ■ Arbeitsförderungsrecht<br />

■ Grundsicherung ■ Erwerbsbeteiligung<br />

Älterer ■ Altersteilzeit ■ Personalführung<br />

■ Personalgewinnung<br />

■ Personalbindung ■ Personalentwicklung<br />

■ Personalcontrolling ■ Unternehmenskultur<br />

■ Arbeitsgestaltung<br />

■ Beschäftigungspolitik ■ Zielgruppen<br />

des Arbeitsmarktes ■ Fachkräftesicherung<br />

■ Erwerbsbeteiligung ■ Arbeitsgestaltung<br />

■ Schwarzarbeit/Illegale<br />

Beschäftigung ■ Älterer Arbeitslosenversicherung<br />

■ Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld<br />

II ■ Ältere Arbeitnehmer<br />

■ Betriebliche Personalpolitik ■ Zielgruppen<br />

des Arbeitsmarktes ■ Arbeitsmarktforschung<br />

und -statistik ■ ZeitarbeiT<br />

■ Integration ■ Schwarzarbeit/Illegale<br />

Beschäftigung ■ Geringfügige Beschäftigung<br />

■ Fachkräftesicherung<br />

■ Bundesagentur für Arbeit ■ Entgeltfortzahlung<br />

■ Reform der Selbstverwaltung<br />

■ Grundsicherung ■ Erwerbsbeteiligung<br />

Älterer ■ Altersteilzeit<br />

■ Arbeitsförderungsrecht ■ Personalführung<br />

■ Personalgewinnung ■ Personalbindung<br />

■ Personalentwicklung<br />

■ Personalcontrolling ■ Unternehmenskultur<br />

■ Beschäftigungs- und Strukturpolitik<br />

der EU ■ Beschäftigungspolitik<br />

■ Personalgewinnung ■ Altersteilzeit


08<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Ohne Fortsetzung der<br />

Reformpolitik keine<br />

Vollbeschäftigung<br />

Aufgrund der sichtbaren beschäftigungspolitischen Erfolge<br />

in den Jahren 2006 und 2007 wird in der Politik<br />

endlich auch wieder das Ziel der Vollbeschäftigung<br />

als realisierbar anerkannt und verfolgt. Die positiven<br />

Wirkungen der Agenda 2010 und der Hartz-Reformen<br />

haben bewiesen: Vollbeschäftigung ist möglich, wenn<br />

die Politik die richtigen Rahmenbedingungen für mehr<br />

Wachstum und Beschäftigung stellt. Vollbeschäftigung<br />

anzustreben ist auch notwendig, denn Beschäftigung<br />

schützt am besten vor Armut. Arbeitslosigkeit ist und<br />

bleibt die Hauptursache für Armut in Deutschland. Deshalb<br />

darf die Bundesregierung die Chance auf einen<br />

weiteren nachhaltigen Abbau der Arbeitslosigkeit nicht<br />

durch politische Fehlentscheidungen wie Lohnzusatzkosten<br />

erhöhende, neue teure Ausgabenprogramme,<br />

bürokratische Hürden für den Jobmotor Zeitarbeit oder<br />

staatliche Mindestlöhne verspielen. Vermeintliche soziale<br />

Wohltaten verbauen gerade wenig qualifizierten<br />

Langzeitarbeitslosen den Weg zurück in Lohn und Brot<br />

und entfalten so ihre unsozialste Wirkung. Stattdessen<br />

müssen die Reformen am Arbeitsmarkt konsequent und<br />

konsistent fortgesetzt werden.<br />

Der Aufschwung am deutschen Arbeitsmarkt hat sich im<br />

ersten Halbjahr <strong>2008</strong> zwar fortgesetzt. Aber es ist auch<br />

klar erkennbar: Er hat an Kraft verloren. Fehler wie die reformpolitische<br />

Rückwärtsrolle zum wieder längeren Arbeitslosengeldbezug<br />

für Ältere seit Beginn dieses Jahres<br />

scheinen schon jetzt ihre Bremsspuren zu hinterlassen.<br />

Die Arbeitslosigkeit 55- bis 64-Jähriger ist im Gegensatz<br />

zum Vorjahr – in dem ein überproportionaler Rückgang<br />

der Arbeitslosigkeit erreicht werden konnte – zuletzt nur<br />

noch unterdurchschnittlich gesunken.<br />

Erfreulich ist, dass sich in der Regierungskoalition die<br />

Auffassung durchzusetzen scheint, dass der Beitrag zur<br />

Arbeitslosenversicherung weiter gesenkt werden kann<br />

und muss. Hierzu hat die BDA erneut den Anstoß gegeben<br />

und frühzeitig darauf hingewiesen, dass eine zusätzliche<br />

Senkung des Beitrags um 0,6 Prozentpunkte<br />

möglich ist, wenn der system- und verfassungswidrige<br />

Eingliederungsbeitrag zu den Kosten der staatlichen Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II beseitigt wird.<br />

Je anhaltender der Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt<br />

ist, umso mehr bietet er gerade auch geringer Qualifizierten<br />

und Langzeitarbeitslosen bessere Beschäftigungsperspektiven.<br />

Im Jahresverlauf 2007 haben fast<br />

700.000 Arbeitslosengeld-II-Bezieher den Zugang in<br />

eine ungeförderte Erwerbstätigkeit geschafft. Umso<br />

schärfer tritt aber auch das Fortbestehen der Aktivierungsprobleme<br />

im Bereich der staatlichen Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II zu Tage. Hier entwickeln<br />

sich die Fortschritte trotz der guten Arbeitsmarktlage<br />

nur äußerst schleppend. Das muss für die Politik<br />

Mahnung genug sein, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

zur Verfassungswidrigkeit der<br />

SGB-II-Arbeitsgemeinschaften schnellstens für eine<br />

gute, leistungsfähige Organisation zu sorgen. Dazu<br />

muss das Versprechen der „Leistung aus einer Hand“<br />

eingelöst werden. Ein Mega-Bundessozialamt mit dem<br />

Bundesarbeitsministerium an der Spitze wäre dabei ein<br />

Irrweg. Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände<br />

müssen stattdessen jetzt eine kommunale Lösung<br />

mit vollständiger Transparenz, Steuerung der Fördermaßnahmen<br />

nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit und<br />

nicht zuletzt einem finanziellen Eigeninteresse der<br />

Kommunen erarbeiten.<br />

Irreführend ist die Diskussion über eine angebliche massenhafte<br />

„Lohndrückerei“ von Arbeitgebern unter Hinweis<br />

auf Arbeitnehmer, die aufgrund von Bedürftigkeit<br />

ergänzend Arbeitslosengeld II beziehen (sog. „Aufstocker“).<br />

Der Vorwurf, immer mehr Menschen könnten<br />

trotz Vollzeitarbeit von ihrem eigenen Einkommen nicht<br />

leben, ist haltlos: Rund 70 % der „Aufstocker“ arbeiten<br />

lediglich in Teilzeit, 50 % sogar nur in einem Minijob,<br />

mit dem sich der Bezug von Arbeitslosengeld II, eigenem<br />

Erwerbseinkommen und Freizeit „optimieren“<br />

lässt. Von den Vollzeitbeschäftigten, die ohne Unterhaltsverpflichtung<br />

für eine Familie nur ihren eigenen Lebensunterhalt<br />

erwirtschaften müssen, waren nur 4.100<br />

ganzjährig auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />

Von allen Vollzeitbeschäftigten sind noch nicht<br />

einmal 0,3 % alleinstehend und beziehen ergänzendes<br />

Arbeitslosengeld II. Die vollbeschäftigten „Aufstocker“<br />

erhalten im Übrigen im Durchschnitt einen Stundenlohn<br />

von rund 10,50 €. Die gesamte Diskussion über<br />

angebliche „Lohndrückerei“ hält keiner faktenbasierten<br />

Prüfung stand. Sie lenkt zudem vom eigentlichen Problem<br />

ab: Von ca. 5 Mio. Arbeitslosengeld-II-Beziehern<br />

geht gerade einmal ein Viertel überhaupt einer Beschäf-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

09<br />

tigung – meist sogar nur einem Minijob – nach. Die<br />

große Masse der erwerbsfähigen Fürsorgeempfänger erwirtschaftet<br />

dagegen keinen einzigen Euro zum eigenen<br />

Lebensunterhalt.<br />

Abbau der Arbeitslosigkeit<br />

verliert an Fahrt<br />

Die Lage am deutschen Arbeitsmarkt hat sich auch<br />

im ersten Halbjahr <strong>2008</strong> insgesamt zwar weiterhin<br />

positiv entwickelt, aber bei gedrosseltem Tempo.<br />

Die Fachkräftenachfrage der Unternehmen lag in<br />

den ersten sechs Monaten weiter auf einem hohen<br />

Niveau und die Zahl der Arbeitslosen erreichte Mitte<br />

des Jahres mit weniger als 3,2 Mio. (Juni <strong>2008</strong>) den<br />

niedrigsten Stand seit 16 Jahren. Entsprechend hat<br />

sich auch bei der Beschäftigung der positive Entwicklungstrend<br />

vom vergangenen Jahr im ersten Halbjahr<br />

<strong>2008</strong> fortgesetzt. Erstmals in der Geschichte der<br />

Bundesrepublik Deutschland waren in einem April<br />

über 40 Mio. Menschen erwerbstätig, im März rund<br />

27,2 Mio. mit einem sozialversicherungspflichtigen<br />

Job. Besonders große Beschäftigungszuwächse im<br />

Vergleich zum Vorjahr gab es in den Bereichen unternehmensnahe<br />

Dienstleistungen, Gastgewerbe sowie<br />

auch im verarbeitenden Gewerbe. Dies zeigt, dass viele<br />

zuvor vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Menschen<br />

inzwischen vom Aufschwung profitiert und eine neue<br />

Perspektive erhalten haben.<br />

Allerdings verdichteten sich im ersten Halbjahr <strong>2008</strong><br />

auch die Signale, dass sich der positive Trend am Arbeitsmarkt<br />

verlangsamt. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit<br />

gegenüber dem Vorjahr hat sich in der ersten<br />

Jahreshälfte verkleinert – von mehr als 617.000 im Februar<br />

auf rund 529.000 im Mai. Obgleich weiterhin<br />

viele Unternehmen händeringend nach qualifizierten<br />

Fachkräften suchen, erreichte die Zahl der offenen Stellen<br />

insgesamt im ersten Halbjahr <strong>2008</strong> nicht mehr das<br />

hohe Niveau des Vorjahres. Bei den Arbeitsagenturen<br />

Rückgang der Arbeitslosigkeit von jANUAR BIS MAI <strong>2008</strong> (im Vergleich zum Vorjahr)<br />

– 450.000<br />

– 500.000<br />

– 529.000<br />

– 550.000<br />

– 563.000<br />

– 600.000<br />

– 624.000<br />

– 630.000<br />

– 617.000<br />

– 650.000<br />

Januar<br />

Februar März April Mai<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, <strong>2008</strong>


10<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

waren Mitte des Jahres (Mai) gut 12 % weniger offene<br />

Stellen für eine ungeförderte Beschäftigung am ersten<br />

Arbeitsmarkt gemeldet als noch vor einem Jahr.<br />

Leider hat sich auch der Abbau der Arbeitslosigkeit älterer<br />

Arbeitnehmer verlangsamt – bislang hatten gerade Ältere<br />

überproportional vom konjunkturellen Aufschwung<br />

profitiert. Gegen Ende des ersten Halbjahres <strong>2008</strong> ging<br />

die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe der über 55-Jährigen<br />

erstmals seit Monaten nur noch unterdurchschnittlich<br />

zurück. Es ist zu befürchten, dass sich hier schon<br />

die negativen Konsequenzen der Verlängerung des maximalen<br />

Arbeitslosengeldbezugs für ältere Arbeitslose<br />

auf bis zu 24 Monate bemerkbar machen. Sowohl die<br />

Wirtschaftsforschungsinstitute als auch die BDA hatten<br />

vor einer erneuten Verlängerung der Arbeitslosengeldbezugsdauer<br />

gewarnt.<br />

Insgesamt zeigt die Entwicklung am Arbeitsmarkt ganz<br />

deutlich, dass die Politik jetzt zügig ausstehende Reformen<br />

in Angriff nehmen muss, um den Beschäftigungsaufbau<br />

zu stützen, statt mit immer neuen Sozialausgaben<br />

vorgezogene Wahlgeschenke zu verteilen.<br />

Rückfall in alte ausgabenorientierte<br />

Arbeitsmarktpolitik<br />

verhindern<br />

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat in den letzten<br />

Jahren durch ihr neues Steuerungssystem, nach dem<br />

die Mittel in der Arbeitsmarktförderung nach Wirkung<br />

und Wirtschaftlichkeit eingesetzt werden, einen erheblichen<br />

Eigenbeitrag dazu geleistet, den Beitragssatz von<br />

Fachkräfteengpässe führen zu Wohlstandsverlusten<br />

Als hoch entwickeltes Industrieland ist Deutschland in besonderem Maße auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen.<br />

Mit dem konjunkturellen Aufschwung haben sich die Probleme der Unternehmen verschärft, offene<br />

Stellen für qualifizierte Fachkräfte zu besetzen. Damit verbunden sind erhebliche Wohlstandsverluste für die<br />

Gesellschaft insgesamt. Nachdem das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) bereits für das Jahr 2006 einen<br />

gesamtwirtschaftlichen Wohlstandsverlust infolge unfreiwilliger Vakanzen im Bereich hochqualifizierter<br />

Arbeit in Höhe von mindestens 18,5 Mrd. € errechnet hat, geht eine Anfang <strong>2008</strong> veröffentlichte Untersuchung<br />

des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) für das Jahr 2007 von einer Größenordnung von<br />

23 Mrd. € aus.<br />

Besonders gravierend sind die Stellenbesetzungsprobleme im Bereich der Ingenieure. So konnten nach einer Unternehmensumfrage<br />

vom Verband Deutscher Ingenieure (VDI) und dem IW, die im April <strong>2008</strong> vorgestellt wurde,<br />

im Jahr 2007 fast 70.000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden. Probleme hatten dabei vor allem Unternehmen der<br />

Maschinen-, Fahrzeugbau- und der Elektroindustrie – hier stuften 75 % der befragten Unternehmen die Verfügbarkeit<br />

an Ingenieuren als „schlecht“ bzw. „sehr schlecht“ ein. Fachkräfteengpässe sind jedoch kein Problem allein<br />

der Industrieunternehmen. Nicht viel besser war die Lage z. B. im Dienstleistungsbereich: Auch hier konnte laut<br />

DIHK 2007 jedes dritte Unternehmen offene Stellen nicht besetzen.<br />

Da unbesetzte Stellen das wirtschaftliche Wachstum bremsen und den Aufschwung gefährden, ist die Politik gefordert,<br />

zügig eine schlüssige Gesamtstrategie zu entwickeln. Neben Verbesserungen im Bildungsbereich und weiteren<br />

Reformen am Arbeitsmarkt, die nicht zuletzt auf eine weitere Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen<br />

und älteren Arbeitnehmern abzielen müssen, ist nach wie vor eine stärker an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes<br />

orientierte Zuwanderung erforderlich.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Fachkräftesicherung“ veröffentlicht. Dieser ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

11<br />

6,5 % (bis 2006) auf aktuell 3,3 % fast zu halbieren. Zu<br />

Recht hat die Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag<br />

2005 versprochen, unwirksame und ineffiziente<br />

Arbeitsförderungsmaßnahmen abzuschaffen und so<br />

sicherzustellen, dass die „Mittel der Beitrags- und Steuerzahler<br />

künftig so effektiv und effizient wie möglich<br />

eingesetzt werden“.<br />

Statt diesen Koalitionsauftrag umzusetzen, droht mit<br />

dem jetzt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

(BMAS) vorgelegten Gesetzentwurf zur „Neuausrichtung<br />

der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“<br />

eine Rolle rückwärts in die alte ausgabenorientierte<br />

Arbeitsmarktpolitik. Unter dem Vorwand einer stärkeren<br />

Ausrichtung der BA auf ihren sozialpolitischen<br />

Auftrag, der „einen höheren Stellenwert“ erhalten soll,<br />

stellt das BMAS das erfolgreiche Steuerungssystem der<br />

BA in Frage. Denn mit dem konsequenten Einsatz aller<br />

Fördermaßnahmen nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit<br />

wird auch sichergestellt, dass der sozialpolitische<br />

Auftrag der BA, Menschen wieder in Arbeit zu bringen<br />

und dabei z. B. gerade auch Frauen eine bestmögliche<br />

Unterstützung zu gewähren, in gezielter und optimierter<br />

Weise umgesetzt wird. Ohne eine Steuerung der<br />

Mittel nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit wird nicht<br />

nur der sozialpolitische Auftrag schlecht erfüllt, sondern<br />

es würden auch finanzielle Ressourcen vergeudet<br />

und Beitragszahler über das notwendige Maß hinaus<br />

belastet. Der sozialpolitische Auftrag der BA kann deshalb<br />

nicht durch die Verfolgung pauschaler programmatischer<br />

Ziele, sondern erfolgreich und sinnvoll nur<br />

im Rahmen des jetzigen Steuerungssystems der BA<br />

wahrgenommen werden. Andernfalls droht eine Rückkehr<br />

zur alten haushalterischen Punktlandung, bei der<br />

„Erfolg“ danach bemessen wurde, ob es gelungen war,<br />

die Haushaltsmittel vollständig auszugeben.<br />

Umgesetzt werden sollten diese veränderten Schwerpunkte<br />

in der Arbeitsmarktpolitik nach den ursprünglichen<br />

Vorstellungen des Arbeitsministeriums sogar durch<br />

einseitige eigene Zielvorgaben, wenn eine Zielvereinbarung<br />

mit der BA nicht zustande kommen sollte. Dieser<br />

Versuch, die selbstverwaltete Arbeitslosenversicherung<br />

durch die Ministerialbürokratie des BMAS zu steuern,


12<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

war im Eckpunkteentwurf des Ministeriums enthalten.<br />

Gegen die damit verbundene Zentralisierung und Verstaatlichung<br />

der Arbeitslosenversicherung hat die BDA<br />

intern und öffentlich protestiert, so dass die einseitigen<br />

Zielvorgaben nicht in den Gesetzentwurf übernommen<br />

wurden. Im Kern zeigt sich aber auf allen die BA betreffenden<br />

Feldern (SGB II und SGB III) seit geraumer Zeit<br />

der massive Versuch der Ministerialbürokratie, ihren<br />

Einfluss zu Lasten von Vorstand und Selbstverwaltung<br />

auszuweiten.<br />

Völlig unzureichend bleibt der Ministeriumsentwurf bei<br />

der Umsetzung des Koalitionsauftrages, den für die Vermittler<br />

vor Ort kaum noch überschaubaren Instrumentenkasten<br />

zu vereinfachen und zu verschlanken. Zwar<br />

werden Instrumente der Arbeitsförderung bei Einschaltung<br />

privater Dritter und Instrumente zur Aufnahme<br />

einer Beschäftigung, wie z. B. Bewerbungs- und Umzugskosten,<br />

richtigerweise zusammengefasst. Gleichzeitig<br />

versucht das Bundesarbeitsministerium jedoch,<br />

sich selbst für detaillierte Einzelregelungen gesetzlich<br />

ermächtigen zu lassen. Statt den Arbeitsvermittlern vor<br />

Ort Freiräume für einen effektiven Mitteleinsatz nach<br />

den Erfordernissen des Einzelfalls zu schaffen, hält das<br />

Bundesarbeitsministerium am Prinzip der Einzelinstrumente<br />

fest bzw. versucht sogar, im SGB II heute beste-<br />

Eingliederungsbeitrag statt Aussteuerungsbetrag –<br />

beides ist verfassungswidrig<br />

Im Jahr 2005 hat der Gesetzgeber den sog. Aussteuerungsbetrag eingeführt, durch den die Arbeitslosenversicherung<br />

bei jedem Übertritt aus dem Versicherungssystem in das Fürsorgesystem Arbeitslosengeld II mit pauschal<br />

10.000 € belastet wurde. Bis 2007 hat dies zu einer Gesamtbelastung von rund 10 Mrd. € geführt. Ein<br />

von BDA und DGB beauftragtes Gutachten hat die von Anfang an erhobenen verfassungsrechtlichen Zweifel<br />

an dieser Zweckentfremdung von Beitragsmitteln zu Gunsten des Bundes eindeutig bestätigt. Statt jedoch den<br />

Aussteuerungsbetrag zu beseitigen, hat der Gesetzgeber ihn Anfang <strong>2008</strong> durch den neuen Eingliederungsbeitrag<br />

ersetzt. Mit dem Eingliederungsbeitrag wird die Arbeitslosenversicherung nun hälftig mit den Kosten<br />

für die Arbeitsförderung und Verwaltung im staatlichen Fürsorgesystem Arbeitslosengeld II belastet, allein im<br />

Jahr <strong>2008</strong> mit geplanten 5 Mrd. €. Auch das neue Finanzierungsinstrument des Eingliederungsbeitrags ist verfassungswidrig,<br />

weil Mittel der Beitragszahler zur Finanzierung allgemeiner Staatsausgaben zweckentfremdet<br />

werden. Der Beitragssatz kann bei einer Streichung des Eingliederungsbeitrags sofort um 0,6 Prozentpunkte<br />

gesenkt werden.<br />

BDA und DGB werden einzelnen Beitragszahlern (Arbeitnehmern und Arbeitgebern) empfehlen, gegen den wegen<br />

des Eingliederungsbeitrags überhöhten Arbeitslosenversicherungsbeitrag bei den Sozialgerichten zu klagen. Ziel<br />

dieser Klagen ist es, ein Sozialgericht dazu zu veranlassen, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Eingliederungsbeitrags<br />

unmittelbar gemäß Art. 100 Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen (konkrete Normenkontrolle).<br />

Wegen der Schwere des fortgesetzten Verfassungsverstoßes und weil der Bund mit dem Wechsel vom<br />

Aussteuerungsbetrag zum Eingliederungsbeitrag auf Zeit spielt, lässt die BDA parallel derzeit auch anwaltlich eine<br />

unmittelbare Verfassungsbeschwerde vorbereiten. Zwar wäre mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des<br />

Eingliederungsbeitrags keine automatische Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung verbunden.<br />

Da jedoch anerkannt ist, dass die Beitragszahler nicht mit höheren Abgaben belastet werden dürfen, als dies zur<br />

Erfüllung der Aufgaben zur Arbeitslosenversicherung notwendig ist, besteht dann ein entsprechend hohes Beitragssatzsenkungspotenzial,<br />

das vom Gesetzgeber ausgeschöpft werden muss.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosenversicherung“ veröffentlicht. Dieser ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

13<br />

hende Freiräume wieder zurückzunehmen. Dabei kann<br />

der Arbeitsvermittler den konkreten Förderbedarf im jeweiligen<br />

Einzelfall vor Ort viel besser als der Gesetzgeber<br />

oder die Ministerialbürokratie feststellen.<br />

Arbeitslosengeld II: Kein zentralistisches<br />

„Bundessozialamt“<br />

im Arbeitsministerium<br />

Die von der BDA von Anfang an kritisierte Mischverwaltung<br />

aus Arbeitsagenturen und Kommunen für<br />

die Betreuung von Arbeitslosengeld-II-Beziehern ist<br />

im Dezember 2007 vom Bundesverfassungsgericht<br />

für verfassungswidrig erklärt worden. Damit ist die<br />

Chance eröffnet, die dringend notwendige Aktivierung<br />

von Langzeitarbeitslosen voranzubringen, indem<br />

die Mischverwaltung abgeschafft und stattdessen der<br />

richtige Gedanke der SGB-II-Reform der „Leistung aus<br />

einer Hand“ in kommunaler Verantwortung organisatorisch<br />

verwirklicht wird.<br />

Stattdessen sieht jedoch der Vorschlag des Bundesarbeitsministers<br />

für sog. Kooperative Jobcenter eine<br />

Fortsetzung der Mischverwaltung in abgewandelter<br />

Form vor – mit Aufwertung des Ministeriums zu einem<br />

faktischen „Bundessozialamt“. Unter neuem Namen<br />

und ohne gesetzliche Grundlage sollen Kommunen und<br />

Arbeitsagenturen zusammenwirken – und dies unter der<br />

Führung eines Geschäftsführers, der von der Arbeitsagentur<br />

gestellt wird. Hinter der Fassade würden sich<br />

die Gewichte danach ganz erheblich zu Gunsten der<br />

Arbeitsagenturen als Teil dieses Bundessozialamtes verschieben.<br />

Denn das Jobcenter wäre vom BMAS über<br />

eine eigens zu schaffende SGB-II-Linie steuerbar. Ein<br />

„Mega-Bundessozialamt mit kommunaler Beteiligung“<br />

lehnt die Wirtschaft in Übereinstimmung mit allen Bundesländern<br />

entschieden ab.<br />

In einer gemeinsamen Stellungnahme haben die vier<br />

Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft BDA, BDI,<br />

DIHK und ZDH dies kritisiert und sich für eine einheitliche<br />

Übertragung der Arbeitslosengeld-II-Ausführung<br />

auf die Kommunen ausgesprochen. Nur so können Reibungsverluste<br />

und „organisierte Verantwortungslosigkeit“<br />

vermieden werden. Die ganzheitliche Unterstützung von<br />

Menschen, die oft mit Schulden, familiären, gesundheitlichen<br />

und anderen Problemen zu kämpfen haben und<br />

nicht selten seit Jahren keiner geregelten Arbeit nachgegangen<br />

sind, ist eine ureigene Aufgabe der kommunalen<br />

Gemeinschaft und kann am besten dort erledigt werden.<br />

Hier lenkt inzwischen auch das BMAS ein, das nun insbesondere<br />

für arbeitsmarktferne Personen ein „kommunales<br />

Fallmanagement“ mit sozialintegrativen und beschäftigungsfördernden<br />

Maßnahmen vorschlägt.<br />

Unverzichtbar für eine gute Aufgabenerledigung ist dabei,<br />

dass auch im Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld<br />

II vollständige Transparenz, eine Steuerung der<br />

Fördermaßnahmen nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit<br />

sowie nicht zuletzt ein finanzielles Eigeninteresse der


14<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Kommunen an einer guten Leistung hergestellt werden.<br />

Auch die Länder haben den Vorstoß des Bundesarbeitsministers<br />

für eine handstreichartige Übernahme einer<br />

kommunalen Kernaufgabe geschlossen abgelehnt. Die<br />

Stellungnahme der Länder hat allerdings auch deutlich<br />

gemacht, dass Knackpunkt jeder Organisationsreform die<br />

Finanzierungsfrage ist. Es wäre unverantwortlich, wenn<br />

die von allen Beteiligten als richtig erkannte „Leistung aus<br />

einer Hand“ an der Finanzierungsfrage scheiterte. Der<br />

Bund muss weiterhin seine Finanzierungsverantwortung<br />

für die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II wahrnehmen.<br />

Zugleich muss bei einer Übertragung auf die Kommunen<br />

aber auch ein finanzielles Eigeninteresse hergestellt werden,<br />

womit ein begrenztes, überschaubares finanzielles<br />

Risiko, aber auch die Chance auf eine finanzielle Besserstellung<br />

bei gutem Wirtschaften verbunden ist. In den<br />

anstehenden Gesprächen zwischen Bund, Ländern und<br />

Kommunen über die zukünftige Organisation der Arbeitslosengeld-II-Verwaltung<br />

sollten in jedem Fall die 69 Optionskommunen,<br />

die bereits heute die gesamte Aufgabe<br />

Arbeitslosengeld II einheitlich ausführen, auf eine dauerhafte<br />

gesetzliche Grundlage gestellt und die Option den<br />

Kommunen generell geöffnet werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosengeld<br />

II“ veröffentlicht. Dieser ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

„Aufstocker“-Zahlen kein<br />

Argument für Mindestlöhne<br />

Während sich die Lage am Arbeitsmarkt insgesamt auch<br />

im ersten Halbjahr <strong>2008</strong> erfreulich positiv entwickelt hat,<br />

kommt der Abbau der Arbeitslosigkeit im Bereich der Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II nur schleppend voran:<br />

Die Zahl der arbeitslosen Hilfeempfänger lag mit über<br />

2,3 Mio. im Mai <strong>2008</strong> gerade einmal um 10 % unter dem<br />

Niveau des Vorjahres, bei den Arbeitslosengeldempfängern<br />

ging die Arbeitslosigkeit hingegen im gleichen Zeitraum<br />

um 22 % zurück und sank zuletzt unter die Marke<br />

von 1 Mio. Damit verharrt der Anteil der Arbeitslosengeld-II-Bezieher<br />

an allen Arbeitslosen weiter bei über<br />

70 %. Rund die Hälfte von ihnen hat keine abgeschlossene<br />

Berufsausbildung und zählt somit zu den gering Qualifizierten.<br />

Es ist offensichtlich, dass für einen Großteil dieser<br />

Arbeitslosen der (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt<br />

nur über eine einfache, entsprechend geringer entlohnte<br />

Tätigkeit gelingen kann, dem dann der Aufstieg durch<br />

Qualifikation folgen soll. Um gerade Un- und Angelernten<br />

die Rückkehr in Beschäftigung zu erleichtern, hat sich<br />

das Anfang 2005 eingeführte Kombi-Einkommen aus eigenem<br />

Erwerbseinkommen und ergänzender staatlicher<br />

Fürsorgeleistung als hilfreich erwiesen. Es stellt sicher,<br />

dass auch bei einem geringen Erwerbseinkommen aus<br />

einer einfachen Tätigkeit letztlich immer ein existenzsicherndes<br />

Gesamteinkommen erreicht wird. Inzwischen<br />

gibt es rund 1,3 Mio. „Aufstocker“, die zusätzlich zum<br />

Erwerbseinkommen Arbeitslosengeld II erhalten (letzte<br />

verfügbare Daten für Januar <strong>2008</strong>).<br />

Bedenklich ist, dass in der anhaltenden Mindestlohndebatte<br />

die vom Ansatz her richtige, bedürftigkeitsorientierte<br />

Kombi-Einkommens-Regelung immer wieder als Instrument<br />

zur angeblichen „Lohndrückerei“ diffamiert wird.<br />

Das in diesem Zusammenhang beharrlich wiederholte Argument,<br />

immer mehr Menschen wären wegen „Hartz IV“<br />

arm trotz Arbeit, ist geradezu absurd und entpuppt sich<br />

bei genauerem Hinsehen als haltlos: Von 1,3 Mio. „Aufstockern“<br />

ist fast niemand wegen eines extrem niedrigen<br />

Arbeitslohnes bedürftig. Zentrale Ursache für den ergänzenden<br />

Fürsorgebezug sind vor allem die geringe Arbeitszeit<br />

sowie Unterhaltspflichten für die Familie – rund<br />

70 % der „Aufstocker“ haben nur einen Minijob oder sind<br />

teilzeitbeschäftigt. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten<br />

ist nach den letzten Daten der BA hingegen inzwischen<br />

sogar rückläufig. Nach Erkenntnissen der BA steigen seit<br />

Herbst 2007 die „Aufstocker“-Zahlen nur noch bei Minijobbern<br />

und anderen Teilzeitbeschäftigten weiter an. Viele<br />

Erwerbstätige sind bedürftig, weil sie als Alleinverdiener<br />

einen Haushalt versorgen müssen. Fast drei Viertel der<br />

„Aufstocker“ mit einem Vollzeitjob leben nach Erhebungen<br />

der BA in Mehrpersonenhaushalten, viele von ihnen<br />

mit Kindern. Die familiäre Situation des Arbeitnehmers ist<br />

für das Gesamteinkommen zu berücksichtigen, nicht aber<br />

für den Lohn. Über den Lohn entscheidet die Produktivität<br />

der Tätigkeit. Die Familienförderung für ein existenzsicherndes<br />

Gesamteinkommen ist und bleibt hingegen<br />

originäre staatliche Aufgabe. Zumal bei einem Alleinverdiener<br />

wegen des familiär bedingten höheren Grundbedarfs<br />

selbst Stundenlöhne weit oberhalb der von den<br />

Gewerkschaften geforderten 7,50 € oft nicht ausreichen,<br />

um aus dem Kreis der „Aufstocker“ herauszufallen. Man<br />

stelle sich vor: Ein verheirateter Alleinverdiener mit zwei<br />

Kindern über 14 Jahren und durchschnittlichen Unter-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

15<br />

kunftskosten wäre ohne jede Qualifikation bzw. in einer<br />

sehr einfachen Tätigkeit und müsste trotzdem mindestens<br />

13 € brutto pro Stunde (40-Stunden-Woche) verdienen,<br />

weil er nur dann den Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld<br />

II vollständig verlieren würde. Ein solcher Mensch<br />

bliebe dauerhaft arbeitslos.<br />

Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

(DIW) zum Lohnniveau von „Aufstockern“<br />

belegen entsprechend auch, dass der Vorwurf des<br />

„Lohndumpings“ vor allem bei vollzeiterwerbstätigen<br />

„Aufstockern“ geradezu absurd ist: Diese haben einen<br />

durchschnittlichen Stundenlohn von über 10 €. Hinzu<br />

kommt, dass nur ein geringer Teil der „Aufstocker“ längerfristig<br />

ergänzende Leistungen erhält. Untersuchungen<br />

des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)<br />

zeigen, dass im Jahr 2005 weniger als 63.000 Vollzeitbeschäftigte<br />

das ganze Jahr über ergänzend Arbeitslosengeld<br />

II bezogen haben, lediglich 4.100 von ihnen<br />

waren Alleinstehende. Die Mehrheit der erwerbstätigen<br />

Hilfebezieher überwindet also den Leistungsbezug bereits<br />

nach kurzer Zeit – vor allem, wenn sie einen Vollzeitjob<br />

annehmen: Nach zehn Monaten haben bereits<br />

fast zwei Drittel der vollzeitbeschäftigten „Aufstocker“<br />

den Ausstieg aus der Hilfebedürftigkeit geschafft.<br />

Insgesamt zeigt sich: Dass Erwerbstätige ergänzend<br />

zum Arbeitseinkommen staatliche Leistungen beziehen,<br />

ist kein Indiz für ein Problem von „working poor“ in<br />

Deutschland und auch als Kronzeuge der Befürworter<br />

gesetzlicher Mindestlöhne ist die Zahl der „Aufstocker“<br />

völlig ungeeignet. Notwendig sind gerade nicht beschäftigungsschädliche<br />

gesetzliche Mindestlöhne und<br />

weitere Regulierungen im Bereich einfacher Arbeit, die<br />

Beschäftigungsperspektiven gerade für geringer Qualifizierte<br />

und Langzeitarbeitslose vernichten, sondern eine<br />

bessere Erschließung von Beschäftigungspotenzialen in<br />

diesem Bereich und nicht zuletzt eine bessere Aktivierung<br />

und Vermittlung arbeitsloser Fürsorgeempfänger.<br />

Dazu gehört auch eine konsequente Weiterentwicklung<br />

der im Kern richtigen Kombi-Einkommens-Regelung.<br />

Gesetzliche Fehlanreize, die es derzeit oft attraktiv machen,<br />

sich mit einem kleinen „Hinzuverdienst“ dauerhaft<br />

im Bezug staatlicher Fürsorgeleistungen einzurichten<br />

– der extrem hohe Anteil an „Aufstockern“ mit<br />

Mini- bzw. Teilzeitjob ist hierfür bezeichnend –, müssen<br />

endlich beseitigt werden. Die BDA fordert dazu seit<br />

langem, wie vom Sachverständigenrat vorgeschlagen,<br />

bis zu 200 € eigenes Bruttoerwerbseinkommen künftig<br />

voll auf die Fürsorgeleistung anzurechnen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Kombi-<br />

Einkommen“ und den kompakt „Mindestlohn“ sowie die<br />

argumente „Mindesteinkommen statt Mindestlohn“ und<br />

„Niedriglohnbereich: Sprungbrett in Beschäftigung“ veröffentlicht.<br />

Diese sind über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Ganzjährige „Aufstocker“<br />

62.800 Vollzeitbeschäftigte<br />

4.100 Alleinstehende<br />

5.600 Alleinerziehende<br />

mit Kindern unter 18 Jahren<br />

19.700 Paare ohne Kinder<br />

241.500 Sonstige<br />

(Teilzeitbeschäftigte,<br />

Minijobber etc.)<br />

33.400 Paare mit Kindern<br />

unter 18 Jahren<br />

Quelle: IAB, 2005<br />

304.300 Gesamt<br />

62.800 Vollzeitbeschäftigte


16<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Zuwanderung: Deutschland<br />

bleibt auf der Bremse<br />

Deutschland steht in Sachen Zuwanderung weiterhin<br />

auf der Bremse und verspielt damit wichtige Chancen<br />

im internationalen Wettbewerb um die „besten Köpfe“.<br />

Anders als auf der Klausur der Bundesregierung im August<br />

2007 in Meseberg vereinbart, sind keine ernsten<br />

politischen Initiativen der Bundesregierung erkennbar,<br />

das geplante Konzept für eine „arbeitsmarktadäquate<br />

Zuwanderung“ jetzt schnell umzusetzen. Im deutschen<br />

Bundestag ist eine Initiative der FDP-Fraktion zur Einführung<br />

eines Punktesystems für die Steuerung der Zuwanderung<br />

qualifizierter Fachkräfte leider auf Ablehnung<br />

aus dem Regierungslager gestoßen.<br />

Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern – neuerdings<br />

auch Frankreich, das seinen Arbeitsmarkt jetzt umfassend<br />

für Arbeitnehmer aus den der EU 2004 beigetretenen<br />

Staaten öffnen will – will die Koalition leider an<br />

ihrem in Europa zunehmend isolierten Kurs festhalten:<br />

Die vorhandenen weitgehenden Beschränkungen auch<br />

für die dritte und letzte Phase des Übergangs sollen offensichtlich<br />

bis 2011 aufrechterhalten werden. Damit<br />

würde die Koalition es nicht nur versäumen, die jetzige<br />

gute Arbeitsmarktlage mit wachsenden zum Teil ungedeckten<br />

Fachkräftebedarfen für die grundsätzliche Öffnung<br />

des Arbeitsmarktes zu nutzen, sondern auch jeden<br />

Spielraum in der Gestaltung eines pragmatischen Übergangs<br />

zur vollen Freizügigkeit aufgeben. Denn zum<br />

Ende der dritten Phase, im Mai 2011, muss der Arbeitsmarkt<br />

bedingungslos für Arbeitnehmer aus den neuen<br />

EU-Mitgliedstaaten – mit Ausnahme von Rumänien und<br />

Bulgarien – geöffnet werden. Die BDA wird deshalb in<br />

der politischen Diskussion weiterhin auf die Schädlichkeit<br />

für unsere wirtschaftliche und soziale Entwicklung<br />

einer derartigen passiven Politik hinweisen.<br />

Zur Verbesserung des Personalaustausches in international<br />

tätigen Unternehmen mit deutscher Beteiligung<br />

wird die BDA einen eigenen Gesetzesvorschlag vorlegen.<br />

Damit soll verhindert werden, dass Projekte<br />

und Aktivitäten global agierender Unternehmen aus<br />

Deutschland weg ins Ausland verlagert werden, weil<br />

es leichter ist, Deutsche für Kurzzeitprojekte ins Ausland<br />

zu bringen, als Ausländer nach Deutschland zu<br />

holen. Der Gesetzesvorschlag sieht – ähnlich dem<br />

US-amerikanischen Modell der Blanket-Petition – die<br />

Möglichkeit eines vereinfachten, beschleunigten Verfahrens<br />

vor. Dabei soll durch die Erteilung einer Vorabgenehmigung<br />

für die Beschäftigung aller im Rahmen<br />

des internationalen Personalaustausches beschäftigten<br />

ausländischen Mitarbeiter eine erhebliche Verfahrens-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

17<br />

straffung erreicht werden. Im Gegenzug muss das Unternehmen<br />

versichern, dass es notfalls für Lebensunterhalt<br />

und Krankenversicherung während der Dauer<br />

des Aufenthaltes der ausländischen Arbeitnehmer einschließlich<br />

der eventuell anfallenden Rückführungskosten<br />

aufkommt.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zuwanderung“<br />

und den kompakt „Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

für die EU-8-Staaten“ veröffentlicht. Diese sind über<br />

www.bda- online.de abrufbar.<br />

Auch aus der Sicht anerkannter Arbeitswissenschaftler<br />

ist die Aussagefähigkeit des DGB-Index stark in Zweifel<br />

zu ziehen. So scheidet eine betriebliche Anwendung zur<br />

Erfassung des angeblichen Bedarfs bei der Verbesserung<br />

der Arbeitssituation schon deshalb aus, weil auch Sachverhalte<br />

abgefragt werden, die im Wesentlichen nicht<br />

oder nicht allein im Einflussbereich des Unternehmens<br />

liegen, wie z. B. die subjektiv empfundene Angst des<br />

Einzelnen bezüglich der eigenen beruflichen Zukunft.<br />

Die unternehmensrelevante Aussagekraft des Index tendiert<br />

daher gegen null.<br />

Arbeitswirklichkeit in Deutschland<br />

widerlegt DGB-Index<br />

„Gute Arbeit“<br />

Der Begriff „Gute Arbeit“ ist derzeit ein Schwerpunkt gewerkschaftlicher<br />

Aktivitäten und wird u. a. als Argument<br />

für Mindestlöhne, (noch) mehr Mitbestimmung oder für<br />

eine weitgehende gesetzliche Regulierung von Praktika<br />

herangezogen. Der DGB beauftragte das Internationale<br />

Institut für empirische Sozialökonomie (INIFES) mit der<br />

Entwicklung des Index „Gute Arbeit“, um die Einkommens-<br />

und Arbeitsbedingungen in Deutschland zu messen.<br />

INIFES kam für das Jahr 2007 zu dem zweifelhaften<br />

Ergebnis, dass die Arbeit in Deutschland nach DGB-<br />

Maßstab mehrheitlich „mittelmäßig bis schlecht“ sei.<br />

Tatsächlich sind die Arbeitsbedingungen in Deutschland<br />

gut und haben sich stetig verbessert. So wird laut<br />

einer aktuellen Studie des BMAS zum Thema „Unternehmenskultur,<br />

Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement“<br />

(2007) die Arbeitszufriedenheit von den Beschäftigten<br />

in den Unternehmen mehrheitlich positiv<br />

bewertet. Zwei Drittel der Befragten stimmten darüber<br />

hinaus der Aussage „Alles in allem kann ich sagen, dies<br />

hier ist ein sehr guter Arbeitsplatz“ überwiegend zu.<br />

Schlussendlich gaben ebenfalls 77 % der Befragten hinsichtlich<br />

des Mitarbeiterengagements an, dass sie noch<br />

mindesten fünf Jahre bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber<br />

bleiben wollen. Ähnlich Positives bestätigen auch andere<br />

Studien und ermitteln für Deutschland im internationalen<br />

Vergleich Spitzenwerte bei der Zufriedenheit mit<br />

den Arbeitsinhalten oder der Sinnhaftigkeit der Tätigkeit.<br />

Damit erweisen sich die Ergebnisse des DGB-Index als<br />

ein Zerrbild der Arbeitswirklichkeit in Deutschland.<br />

Der Begriff „Gute Arbeit“ prägt darüber hinaus auch<br />

die Phantomdiskussion über die angebliche „Generation<br />

Praktikum“. Die im April <strong>2008</strong> veröffentlichte<br />

Studie „Was ist gute Arbeit? Anforderungen an den Berufseinstieg“<br />

des BMAS (durchgeführt wiederum von<br />

INIFES) versucht die Situation junger Berufseinsteiger<br />

mit abgeschlossener Berufsausbildung abzubilden. Die<br />

Erfahrungen der Berufseinsteiger mit Praktika werden<br />

dabei als Begründung für gesetzlichen Regulierungsbedarf<br />

herangezogen, um die angeblich „prekäre“ Situation<br />

der „Generation Praktikum“ zu verbessern. Auch<br />

hier stellt sich die tatsächliche Situation aber anders<br />

dar als behauptet: Nicht etwa eine ganze Generation,<br />

sondern lediglich jeder Fünfte zwischen 18 und 34 Jahren<br />

hat nach der Ausbildung überhaupt ein Praktikum<br />

absolviert. Praktika nach der Ausbildung sind also<br />

kein Massenphänomen, langfristige Praktika oder gar<br />

„Praktikumskarrieren“ die große Ausnahme. Dementsprechend<br />

stellte schon 2007 die mit ca. 12.000 Befragten<br />

bis heute empirisch bedeutendste Studie „Generation<br />

Praktikum – Mythos oder Massenphänomen?“<br />

der Hochschul-Informations-Systeme GmbH (HIS) abschließend<br />

fest, dass „die Bewertung des Praktikums<br />

nach dem Studium im Wesentlichen positiv ausfällt<br />

und die Absolventen das Praktikum nicht als Ausbeutung<br />

empfunden haben“. Gesetzliche Regulierungen<br />

von Praktika wären daher fehl am Platz. Bürokratische<br />

Anforderungen würden im Gegenteil die Bereitschaft<br />

der Unternehmen schwächen, Praktika anzubieten,<br />

und gingen im Zweifel vor allem zu Lasten derjenigen,<br />

die für eine berufliche Entwicklung am dringendsten<br />

auf ein Praktikum angewiesen sind.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Praktika in<br />

der Wirtschaft“ veröffentlicht. Dieser ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


19<br />

Individualarbeitsrecht ■ Arbeitsrecht<br />

in der EU ■ Betriebsverfassungsgesetz<br />

■ Mitbestimmung ■ Unternehmensmitbestimmung<br />

■ Antidiskriminierung<br />

■ Arbeitszeitflexibilisierung ■ Mitbestimmung<br />

■ Betriebsübergang ■ Befristung<br />

■ Entgeltfortzahlung ■ Arbeitnehmererfindungsrecht<br />

ARBEITSRECHT ■ Kündigungsschutz<br />

■ Tarifrecht ■ Tarifvertragsrecht ■ Arbeitnehmerdatenschutz<br />

■ Tarifverhandlungsrecht<br />

■ Streik- und Arbeitskampfrecht<br />

■ Arbeitsrechtliche Richtlinien<br />

■ Bürokratieabbau in der Sozialpolitik<br />

■ Tarifrecht ■ Mitbestimmung ■ Individualarbeitsrecht<br />

■ Arbeitsrecht in der EU<br />

■ Betriebsverfassungsgesetz ■ Unternehmensmitbestimmung<br />

■ Antidiskriminierung<br />

■ Arbeitszeitflexibilisierung<br />

■ Betriebsübergang ■ Kündigungsschutz<br />

■ Befristung ■ Urlaub ■ Entgeltfortzahlung<br />

■ Tarifverhandlungsrecht ■ Streikund<br />

Arbeitskampfrecht ■ Arbeitsrechtliche<br />

Richtlinien ■ Bürokratieabbau in der<br />

Sozialpolitik ■ Individualarbeitsrecht<br />

■ Tarifrecht ■ Mitbestimmung ■ Arbeitsrecht<br />

in der EU ■ Betriebsverfassungsgesetz<br />

■ Unternehmensmitbestimmung<br />

■ Gesellschaftsrecht ■ Antidiskriminierung<br />

■ Betriebsübergang ■ Kündigungsschutz<br />

■ Befristung ■ Entgeltfortzahlung<br />

■ Arbeitnehmererfindungsrecht<br />

■ Arbeitnehmerdatenschutz ■ Tarifrecht<br />

■ Tarifvertragsrecht ■ Tarifverhandlungsrecht<br />

■ Streik- und Arbeitskampfrecht<br />

■ Bürokratieabbau in der Sozialpolitik<br />

■ Unternehmensmitbestimmung<br />

■ Tarifrecht ■ Arbeitsrecht in der EU<br />

■ Betriebsverfassungsgesetz ■ Gesellschaftsrecht<br />

■ Arbeitsrechtliche Richtlinien<br />

■ Antidiskriminierung ■ Arbeitszeitflexibilisierung<br />

■ Betriebsübergang<br />

■ Kündigungsschutz ■ Entgeltfortzahlung<br />

■ Arbeitnehmererfindungsrecht<br />

■ Befristung ■ Tarifrecht ■ Tarifvertragsrecht<br />

■ Arbeitnehmerdatenschutz ■ Arbeitsrecht<br />

■ Tarifverhandlungsrecht<br />

■ Arbeitsrecht ■ Individualarbeitsrecht<br />

■ Arbeitsrechtliche Richtlinien ■ Bürokratieabbau<br />

in der Sozialpolitik<br />

■ Tarifrecht ■ Mitbestimmung ■ Arbeitsrecht<br />

in der EU ■ Betriebsverfassungsgesetz<br />

■ Tarifrecht ■ Gesellschaftsrecht<br />

■ Befristung ■ Antidiskriminierung<br />

■ Arbeitszeitflexibilisierung ■ Betriebsübergang<br />

■ Kündigungsschutz ■ Befristung<br />

■ Streik- und Arbeitskampfrecht<br />

■ Tarifverhandlungsrecht ■ Streik- und<br />

Arbeitskampfrecht ■ Individualarbeitsrecht<br />

■ Tarifrecht ■ Mitbestimmung<br />

■ Arbeitsrecht ■ Individualarbeitsrecht


20<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Für eine neue<br />

Arbeitsmarktordnung<br />

Das deutsche Arbeitsrecht ist mittlerweile ein verschachteltes<br />

hochkomplexes System, das trotz einer<br />

Vielzahl von teils unsystematischen, sich teils sogar<br />

widersprechenden Regelungen ganz sicher eines nicht<br />

mehr garantiert: Beschäftigungssicherheit. Seine Unübersichtlichkeit,<br />

die von der Rechtsprechung vielfach<br />

noch gefördert statt eingedämmt wird, hat sich zum Beschäftigungshindernis<br />

entwickelt. Mit der Arbeit unserer<br />

Kommission „Für eine neue Arbeitsmarktordnung“<br />

wollen wir daher Wege aus dem komplexen artifiziellen<br />

System des Arbeitsrechts schaffen.<br />

Beschäftigungshemmnisse abzubauen und einen neuen<br />

Rechtsrahmen im Individualarbeitsrecht zu begründen.<br />

Vor dem Hintergrund anderer kontinentaler Rechtsordnungen,<br />

wie z. B. der dänischen oder österreichischen,<br />

werden wir neue Wege für das deutsche Arbeitsrecht<br />

prüfen und auf dieser Grundlage Vorschläge für einen<br />

ganzheitlichen neuen Ansatz ausarbeiten.<br />

Eine Kodifikation des Arbeitsrechts kann ein Element<br />

einer neuen, modernen Arbeitsmarktordnung sein. Der<br />

dritte Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes<br />

im Auftrag der Bertelsmann Stiftung ist – trotz eines beachtlichen<br />

wissenschaftlichen Ansatzes – in seiner vorliegenden<br />

Fassung zurzeit allerdings nicht geeignet, das<br />

deutsche Arbeitsrecht zukunftsfähig zu machen.<br />

Mit der Arbeit unserer Kommission wollen wir gemeinsam<br />

mit unseren Mitgliedern die notwendigen Bausteine<br />

definieren, die für ein modernes Individualarbeitsrecht<br />

konstitutiv sind. Unser Ziel ist ein Arbeitsrecht, das den<br />

Anforderungen einer extrem arbeitsteiligen, im globalen<br />

Wettbewerb stehenden Wirtschaft genügt. Ein solches<br />

Arbeitsrecht muss ein Höchstmaß an Rechtssicherheit<br />

und Kalkulierbarkeit sicherstellen. Wir wollen vor dem<br />

Hintergrund auch der europäischen Debatte über den<br />

Kunstbegriff „Flexicurity“ die notwendige Flexibilität<br />

im Arbeitsrecht schaffen, um mehr Beschäftigungssicherheit<br />

zu garantieren. Dies setzt voraus, bestehende<br />

So bleibt z. B. die Schwelle für die Anwendbarkeit<br />

kündigungsschutzrechtlicher Regelungen identisch,<br />

allerdings wird die Bezugsgröße geändert. Nicht mehr<br />

der Betrieb ist die maßgebliche Einheit, sondern das<br />

Unternehmen. Diese Änderung der Bezugsgröße führt<br />

zu einer Ausdehnung der Anwendbarkeit kündigungsschutzrechtlicher<br />

Regelungen. Noch schwerer wiegt<br />

die Einführung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />

für Kündigungen, die während der Wartezeit ausgesprochen<br />

werden. Nach dem Entwurf ist eine solche<br />

Kündigung unwirksam, wenn die Kündigung durch<br />

eine gleich geeignete, für den Arbeitnehmer mildere


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

21<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA vom 7. April <strong>2008</strong><br />

Arbeitsvertragsgesetz muss Beschäftigungshemmnisse abbauen!<br />

Das deutsche Arbeitsrecht ist unübersichtlich, überreguliert und beschäftigungsfeindlich. Mangelnde Vorhersehbarkeit<br />

von Gerichtsentscheidungen und die Sprunghaftigkeit in der Gesetzgebung führen zu Rechtsunsicherheit<br />

und Unkalkulierbarkeit.<br />

Die BDA fordert daher eine grundlegende Reform der Arbeitsmarktordnung. Notwendig ist ein Arbeitsrecht, das<br />

Beschäftigungshemmnisse abbaut, indem es Rechtsklarheit garantiert und Vorhersehbarkeit schafft. Ein Beitrag<br />

hierzu kann ein einheitliches Arbeitsvertragsgesetz sein.<br />

Der im Auftrag der Bertelsmann Stiftung von den Professoren Preis und Henssler vorgelegte Entwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz<br />

ist in der derzeitigen Fassung als Grundlage für ein Gesetzgebungsverfahren nicht geeignet.<br />

Bei seiner Umsetzung würde es – insbesondere im Bereich des Kündigungsschutzes – zu weiteren Verschärfungen<br />

des Arbeitsrechts kommen. An anderen für das Arbeitsrecht wesentlichen Stellen käme es nicht zu der<br />

notwendigen Verbesserung und Modernisierung, sondern allenfalls zu einem Festhalten am Status quo. Darüber<br />

hinaus führt der Entwurf zwangsläufig viele neue unbestimmte Rechtsbegriffe ein, die zu neuer Rechtsunsicherheit<br />

und Rechtsstreitigkeiten über Jahre führen würden. Es bedarf deshalb noch vielfältiger Vorarbeiten, um den<br />

Entwurf fortzuentwickeln.<br />

Das Präsidium der BDA ist deswegen der Auffassung, dass die vom Bundesarbeitsminister in der Präsidiumssitzung<br />

der BDA vom 28. Januar <strong>2008</strong> vorgeschlagene Verfahrensweise, nach Konsensgesprächen zwischen BDA und<br />

DGB kurzfristig ein Gesetzgebungsverfahren auf der Grundlage des vorhandenen Diskussionsentwurfes in Gang<br />

zu setzen, nicht zielführend ist.<br />

Die BDA hat zu den bisherigen Diskussionsentwürfen für ein Arbeitsvertragsgesetz umfassend Stellung genommen.<br />

Sie wird sich an dem Diskussionsprozess weiter konstruktiv beteiligen und Vorschläge für eine Modernisierung des<br />

Arbeitsrechts vorlegen.<br />

Maßnahme vermieden werden kann. Dadurch werden<br />

Kündigungen in der Probezeit mit einem unnötigen Risiko<br />

versehen, obwohl es insbesondere in der Probezeit<br />

für Arbeitsvertragsparteien wichtig ist, sich problemlos<br />

voneinander trennen zu können.<br />

Zur Begründung der Verschlechterung im Beendigungsrecht<br />

wird offiziell die Steigerung der sog. Binnenbeweglichkeit<br />

angeführt, da im Entwurf neue Regelungen<br />

zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten entwickelt<br />

werden. Diese sind allerdings nicht zielführend.<br />

Die häufig in Arbeitsverträgen zu findende Regelung,<br />

dass eine Sonderzahlung eine freiwillige Leistung ist,<br />

die eingestellt werden kann, wäre bei Umsetzung des<br />

Entwurfes nicht mehr sinnvoll einzusetzen. Eine solche<br />

Regelung wäre nur als Widerrufsvorbehalt möglich mit<br />

der Folge, dass die strengeren Voraussetzungen des Widerrufsvorbehaltes<br />

auf solche Konstellationen, insbesondere<br />

auf Sondervergütungen wie das Weihnachtsgeld,<br />

Anwendung finden. Es kommt mithin zu einer Vereinheitlichung<br />

von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt<br />

zu Lasten des Freiwilligkeitsvorbehalts.<br />

Die BDA beteiligt sich seit dem Beginn der Diskussion<br />

über die Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts an der<br />

Auseinandersetzung und hat umfassende Stellungnahmen<br />

ausgearbeitet. Mit unserem Konzept für eine neue<br />

Arbeitsmarktordnung werden wir Alternativen vorlegen,<br />

wie das deutsche Arbeitsrecht beschäftigungsfördernd<br />

kodifiziert werden kann.


22<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Attraktivität von Langzeitarbeitszeitkonten<br />

erhalten<br />

und Arbeitszeitflexibilisierung<br />

unangetastet lassen<br />

ein bestehender Insolvenzschutz nur mit schriftlicher<br />

Zustimmung aller Arbeitnehmer auf einen anderen Träger<br />

der Insolvenzsicherung übertragen werden können.<br />

Diese Regelung ist bei großen Teilnehmerzahlen nicht<br />

praktikabel.<br />

Der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

am 30. Mai vorgelegte Referentenentwurf eines „Gesetzes<br />

zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der<br />

sozial rechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen“<br />

macht die Einrichtung von Arbeitszeitkonten<br />

durch neue gesetzliche Belastungen unattraktiv.<br />

Das Wort im Titel des Gesetzentwurfs „sozialrechtlich“<br />

täuscht über seinen wirklichen Inhalt hinweg.<br />

Durch die geplanten Änderungen im SGB IV würden arbeitsrechtliche<br />

Abreden beeinträchtigt und ausgehebelt<br />

werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden in der<br />

Gestaltung ihrer vertraglichen Vereinbarungen zu Langund<br />

Lebensarbeitszeitkonten erheblich eingeschränkt.<br />

Die Einrichtung dieser Konten würde durch zahlreiche<br />

zusätzliche Regulierungen unattraktiv, bürokratisch<br />

und kostenintensiv. Viele fragwürdige Regelungsvorschläge<br />

machen das Gesetz schwer verständlich und<br />

verursachen Rechtsunsicherheit. Es sind z. B. Einschränkungen<br />

vorgesehen, die die Anlage- und Sicherungsmöglichkeiten<br />

beschränken würden. Attraktive Wertentwicklungen,<br />

die auch für den Arbeitnehmer von großer<br />

Bedeutung sind, sind – außer in den Fällen, in denen das<br />

Konto allein für eine ruhestandsnahe Freistellung verwendet<br />

wird – praktisch ausgeschlossen. Außerdem soll<br />

Geplante Gesetzesänderungen<br />

sind mittelstandsfeindlich<br />

Nur unbürokratische und flexible Lösungen machen Arbeitszeitflexibilisierung<br />

auch für Klein- und Mittelbetriebe<br />

handhabbar. Arbeitszeitkonten unterliegen deshalb erst<br />

ab einer bestimmten zeitlichen Dauer und einer bestimmten<br />

Größe des Wertguthabens einer gesetzlichen Insolvenzsicherungspflicht.<br />

Die geplanten Regelungen eignen<br />

sich keinesfalls zur Umsetzung in der Praxis, schon gar<br />

nicht in kleinen und mittleren Unternehmen. Dies wird<br />

schon aus dem Umfang der neuen Normen deutlich,<br />

die in Zukunft annähernd drei maschinenschriftliche<br />

DIN-A4-Seiten umfassen werden. Mittelstandsfeindlich<br />

ist insbesondere auch die geplante Regelung, nach der<br />

der Arbeitgeber das Wertguthaben getrennt vom Betriebs-<br />

und Anlagevermögen führen muss. Der Arbeitgeber<br />

müsste das Wertguthaben immer ausfinanzieren, also<br />

auf einen externen Dritten übertragen. Folglich kommt es<br />

zu einem Liquiditätsabfluss im Unternehmen. Der Erhalt<br />

der liquiden Mittel ist aber gerade für den Mittelstand von<br />

entscheidender Bedeutung. Die Pflicht zur Trennung vom<br />

Arbeitgebervermögen hätte außerdem zur Folge, dass die<br />

Absicherung des Wertguthabens durch die in der Praxis<br />

oft genutzte Bankbürgschaft faktisch unmöglich wird.<br />

Hauptkritikpunkte am 2. referentenentwurf zu arbeitszeitkonten:<br />

•Die Wertguthabendefinition führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei der Arbeitszeitflexibilisierung.<br />

•Aus Sicht der betrieblichen Praxis gibt es keinen Grund, die Pflicht zur Führung von Wertguthaben in Entgelt<br />

einzuführen. Diese greift in die Gestaltungsfreiheit der Betriebe ein.<br />

•Die Pflicht des Arbeitgebers zur Trennung des Wertguthabens vom Betriebsvermögen ist mittelstandsfeindlich.<br />

•Die Beschränkung der Anlage des Wertguthabens in Aktien und Aktienfonds auf 20 % ist kontraproduktiv für die<br />

Akzeptanz von Langzeitkonten bei den Beschäftigten.<br />

•Es gibt keinen praktischen Bedarf für die Zurechnung des Wertguthabens zum Vermögen des Beschäftigten.<br />

•Der bei einem Wechsel des Trägers der Insolvenzsicherung vorgesehene Zustimmungsvorbehalt aller Arbeitnehmer<br />

ist bei größeren Teilnehmerzahlen nicht praktikabel und beeinträchtigt die Handlungsfreiheit des Arbeitgebers<br />

unverhältnismäßig.<br />

•Die<br />

neue Informationspflicht führt zu zusätzlicher Bürokratie.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

23<br />

Arbeitszeitkonten: GroSSe UnternEHmen flexibler<br />

So viel Prozent der Unternehmen boten ihren Mitarbeitern im Jahr 2004 folgende Formen der Arbeitszeitflexibilisierung<br />

Jahresarbeitszeitkonten Lebensarbeitszeitkonten keine flexiblen Arbeitszeiten<br />

1 bis 9 Beschäftigte<br />

18 1<br />

50<br />

10 bis 19<br />

26 2<br />

45<br />

20 bis 199<br />

39 3 32<br />

200 bis 999<br />

50 5 15<br />

1.000 und mehr<br />

52 8 7<br />

Befragung von mehr als 20.000 deutschen Unternehmen im Herbst 2004; Mehrfachnennungen; Rest zu 100: sonstige Flexibilisierungsformen wie etwa<br />

Telearbeit und Gleitzeit<br />

Quelle: DIHK<br />

Einschränkung der Arbeitszeitflexibilisierung<br />

schadet dem<br />

Wirtschaftsstandort<br />

Die Einschränkung der Arbeitszeitflexibilisierung, mit<br />

der auf schwankende Auftragslagen reagiert wird, durch<br />

bürokratische Insolvenzsicherungsregelungen würde<br />

dem Wirtschaftsstandort Deutschland schweren Schaden<br />

zufügen. Trotz gegenteiliger Äußerungen des Bundesministeriums<br />

für Arbeit und Soziales bergen Wortlaut<br />

und Struktur der Änderungen (insbesondere des Wertguthabenbegriffs)<br />

das Risiko, dass in die Arbeitszeitflexibilisierung<br />

massiv eingegriffen wird.<br />

Die im internationalen Vergleich hohen Arbeitskosten<br />

in der Bundesrepublik Deutschland verbunden<br />

mit der für eine führende Industrienation fast einmalig<br />

geringen Arbeitszeit machen Arbeitszeitflexibilität zu<br />

einem, wenn nicht dem bestimmenden Faktor für die<br />

Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der deutschen<br />

Wirtschaft. Zudem gibt der Koalitionsvertrag von CDU/<br />

CSU und SPD allein den Auftrag, die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

von Langzeitkonten zu verbessern.<br />

Überlegungen, die die Arbeitszeitflexibilisierung einschränken,<br />

sind davon nicht gedeckt.<br />

Die BDA hat mehrfach gegenüber dem Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales zu den Diskussionsentwürfen<br />

und zum Referentenentwurf Stellung genommen<br />

und sich für den Erhalt der Attraktivität von Langzeitarbeitszeitkonten<br />

und gegen die Einschränkung der Arbeitszeitflexibilität<br />

eingesetzt. Die BDA hat einen Alternativvorschlag<br />

vorgelegt, mit dem der Koalitionsvertrag<br />

umgesetzt wird, ohne die Arbeitszeitflexibilität einzuschränken<br />

und die Einrichtung von Langzeitarbeitszeitkonten<br />

unattraktiv zu machen.<br />

Zwischenbilanz zum Allgemeinen<br />

Gleichbehandlungsgesetz (AGG):<br />

Viel Bürokratie, unnötige Prozesse<br />

•Kosten und Bürokratie<br />

Für die Unternehmen ist durch das AGG ein bürokratischer<br />

und kostenträchtiger Begründungs- und<br />

Dokumentationsaufwand entstanden. Der Rechtfertigungsdruck<br />

geht so weit, dass viele Unternehmen sich<br />

genötigt sehen, sog. AGG-Policen bei Versicherungen<br />

abzuschließen, um Schadensersatzforderungen entgegenzuwirken.<br />

Diese Ausgaben sowie weitere Kosten


24<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

für Schulungen und die übrige Gesetzesimplementierung<br />

haben hohe Kosten für die Unternehmen verursacht.<br />

Allein im ersten Jahr nach der Einführung des<br />

AGG haben die Unternehmen für seine Umsetzung<br />

1,73 Mrd. € ausgegeben, so eine Studie der Universität<br />

Dortmund im Auftrag der Initiative Neue Soziale<br />

Marktwirtschaft.<br />

Prozesse. Das ArbG Stuttgart hat die Indizwirkung<br />

des § 22 AGG im Hinblick auf eine Diskriminierung<br />

von Männern schon deshalb bejaht, weil im Zuge<br />

einer Neubesetzung einer größeren Anzahl von Arbeitsplätzen<br />

der Anteil von Männern in der Gruppe<br />

der Eingestellten signifikant geringer war als in der<br />

Gruppe aller Bewerber.<br />

•Rechtsunsicherheit<br />

Das AGG erweist sich als Auslöser erheblicher<br />

Rechtsunsicherheit. Es lässt sich z. B. kaum vorhersagen,<br />

wann eine unterschiedliche Behandlung wegen<br />

des Alters gerechtfertigt ist. Im Zuge einer Massenentlassung<br />

in Niedersachsen wurde z. B. 600 Beschäftigten<br />

gekündigt. In Sozialplan und Interessenausgleich<br />

war vereinbart worden, dass die Sozialauswahl zur<br />

Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des<br />

Betriebes nach Altersgruppen erfolgt, um eine weitere<br />

Verschlechterung der Altersstruktur zu verhindern.<br />

Das ArbG Osnabrück sah hierin eine Diskriminierung<br />

wegen des Alters, während die nächste Instanz, das<br />

LAG Niedersachsen, die Entscheidung zu Recht aufgehoben<br />

hat.<br />

•Streitförderung<br />

Das Gesetz bietet Anreize zur Erhebung von Klagen.<br />

Insbesondere bei Kündigungsschutzprozessen werden<br />

auch dann Diskriminierungsvorwürfe vorgebracht,<br />

wenn es dazu nicht im Entferntesten Anlass gibt. Eine<br />

Arbeitnehmerin klagte gegen ihre am 8. März ausgesprochene<br />

Kündigung. Diese sei u. a. geschlechtsdiskriminierend,<br />

weil an diesem Tag Weltfrauentag ist.<br />

Sie begehrte eine Entschädigung von knapp 10.000 €,<br />

die zu Recht abgelehnt wurde.<br />

Streitfördernd ist auch die im AGG geregelte Beweislastverteilung.<br />

Der Arbeitgeber ist danach gezwungen,<br />

Personalprozesse bis aufs kleinste Detail<br />

zu dokumentieren und zu archivieren, um möglichen<br />

Diskriminierungsvorwürfen entgegentreten zu<br />

können. Völlig unklar ist, welche Qualität Indizien<br />

haben müssen, die die Beweislastumkehr auslösen.<br />

Weiter unklar ist, mit welchem Vorbringen sich der<br />

Arbeitgeber anschließend entlasten kann. Er muss<br />

nämlich negative Tatsachen – das Nichtvorliegen<br />

einer Diskriminierung – beweisen. Dies ist immer<br />

schwieriger, als das Vorliegen von positiven Tatsachen<br />

zu beweisen. Diese Rechtsunsicherheit fördert<br />

•Regelungen zu Schadensersatz und Entschädigung<br />

sind streitfördend<br />

Der Schadensersatzanspruch ist zwar nach allgemeinen<br />

zivilrechtlichen Regelungen, jedoch nicht nach<br />

dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 AGG begrenzt. Diese<br />

uneindeutige Regelung veranlasst Kläger, entgangenen<br />

Gewinn bis zum Renteneintrittsalter geltend zu<br />

machen. Eine Arbeitnehmerin aus der Versicherungsbranche<br />

hat ihren Arbeitgeber wegen Diskriminierung<br />

aufgrund ihrer Schwangerschaft und ihrer türkischen<br />

Herkunft auf 500.000 € Schadensersatz und<br />

Entschädigung verklagt. 433.000 € werden davon als<br />

materieller Schaden für die verbleibenden 29 Jahre<br />

bis zu ihrer Verrentung eingeklagt, als Kompensation<br />

für die mit ihrer Versetzung angeblich verbundenen<br />

Einkommenseinbußen.<br />

•Rechtsmissbrauch<br />

Das AGG öffnet dem Rechtsmissbrauch Tür und Tor.<br />

„AGG-Hopper“ suchen gezielt nach formalen Fehlern<br />

in Stellenanzeigen und bewerben sich allein mit dem<br />

Ziel, abgelehnt zu werden und den potenziellen Arbeitgeber<br />

auf Entschädigungszahlungen in Anspruch<br />

zu nehmen. Darüber hinaus gibt es Verbände, die auf<br />

diesen Zug aufspringen.<br />

Der deutsche Gesetzgeber hat die EU-Nichtdiskriminierungsrichtlinien<br />

schon überobligatorisch umgesetzt.<br />

Nichtsdestotrotz hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren<br />

gegen Deutschland wegen angeblich<br />

unzureichender Umsetzung eingeleitet.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

25<br />

Die EU-Kommission bemängelt<br />

folgende Punkte im AGG:<br />

•Das nationale Recht decke Entlassungen nicht ab.<br />

•Menschen mit Behinderungen seien von Seiten des<br />

Arbeitgebers unzureichend geschützt.<br />

•Die Frist von zwei Monaten für die Einreichung einer<br />

Beschwerde sei zu kurz.<br />

•Hinterbliebene von Beamten und Soldaten erhalten<br />

Witwen- und Witwergeld, wenn sie verheiratet<br />

sind, nicht aber, wenn sie in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft<br />

verbunden sind. Die EU-Kommission<br />

sieht darin eine Diskriminierung wegen der sexuellen<br />

Ausrichtung.<br />

•Die sog. Kirchenklausel – der Rechtfertigungsgrund<br />

der Kirchen und Religionsgemeinschaften – sei zu<br />

weit gefasst.<br />

•Die Regelung zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung<br />

wegen des Alters in Bezug auf eine Altersgrenze<br />

in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit<br />

wird als zu weit bemängelt.<br />

•Die Beteiligungsrechte der Antidiskriminierungsverbände<br />

blieben hinter den europäischen Vorgaben<br />

zurück, weil ihnen lediglich ein Beistands- und kein<br />

Beteiligungsrecht eingeräumt wurde, sie mindestens<br />

75 Mitglieder haben müssen und nicht gewerbsmäßig<br />

arbeiten dürfen.<br />

•Die Verschuldensabhängigkeit des Anspruchs auf<br />

Schadensersatz für eine Diskriminierung sei europarechtswidrig.<br />

Nach den Vorgaben des EuGH müsse<br />

eine solche Haftung verschuldensunabhängig sein.<br />

Mit dem im August 2006 in Kraft getretenen AGG wurden<br />

die Vorgaben aus Brüssel nicht nur erfüllt, sondern<br />

sogar übererfüllt. Die Vorwürfe der EU-Kommission<br />

machen deutlich, dass sie ihr Verständnis von Nichtdiskriminierung<br />

an die Stelle des Umsetzungsermessens<br />

der Mitgliedstaaten setzt. Die Bundesregierung hat<br />

Anfang Juni gegenüber der EU-Kommission Stellung<br />

genommen. Zudem hatte sie bereits Ende April in ihrer<br />

Antwort auf eine kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache<br />

16/8965) deutlich gemacht, dass sie derzeit davon<br />

ausgeht, dass eine Nachbesserung des AGG nicht erforderlich<br />

ist. Darüber hinaus wurde gegen elf weitere<br />

Mitgliedstaaten – darunter Irland, Frankreich und die<br />

Niederlande – bereits die zweite und letzte Stufe eines<br />

Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet.<br />

Neue Bürokratie droht:<br />

Ausweitung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien<br />

geplant<br />

Die Europäische Kommission hat die Vorlage einer neuen<br />

Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierung außerhalb<br />

des Arbeitsmarktes angekündigt. Die geplante<br />

Richtlinie soll zumindest das Merkmal der Behinderung<br />

abdecken. Eine weitere Erstreckung auf die Diskriminierungsmerkmale<br />

Alter, Religion und Weltanschauung<br />

sowie sexuelle Orientierung des Art. 13 EGV ist jedoch<br />

nicht ausgeschlossen. Der Richtlinienvorschlag soll im<br />

Rahmen der neuen Sozialagenda <strong>2008</strong> vorgelegt werden.<br />

Das Vorhaben wird von dem Europäischen Parlament<br />

unterstützt, welches durch den Lynne-Bericht eine umfassende<br />

und weitgehende Richtlinie gefordert hatte.<br />

Ein solcher Richtlinienvorschlag hätte Auswirkungen<br />

auf deutsches Recht, obwohl das Diskriminierungsmerkmal<br />

„Behinderung“ bereits in den zivilrechtlichen<br />

Teil des AGG aufgenommen wurde. Das AGG sieht bei<br />

dem Schutz vor Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr<br />

ein differenziertes Regel-Ausnahme-System – wie<br />

z. B. die Beschränkung des Benachteiligungsverbots<br />

auf Massengeschäfte und verschiedene Rechtfertigungsgründe<br />

– vor, welchem durch den Richtlinienvorschlag<br />

die Grundlage entzogen werden kann. Auch droht ein<br />

weiterer umfassender und überflüssiger Eingriff in die<br />

grundgesetzlich geschützte Privatautonomie.<br />

Durch dieses Legislativvorhaben konterkariert die<br />

Kommission aber auch ihr eigenes Konzept der besseren<br />

Rechtsetzung („better regulation“), das gerade darauf<br />

abzielt, die regulativen Belastungen abzubauen.<br />

Auch verkennt sie, dass auf europäischer und nationaler<br />

Ebene bereits ausreichend Regelungen zum Schutz<br />

vor Diskriminierungen vorhanden sind. Ebenso verhält<br />

sich das Europäische Parlament widersprüchlich. Einerseits<br />

hat es schon oft eine bessere Rechtsetzung, also<br />

den Abbau von Bürokratie, angemahnt, z. B. in seinem<br />

Bericht „Über die bessere Rechtsetzung in der Europäischen<br />

Union“ vom Juli 2007. Andererseits fordert es nun<br />

eine neue Regulierung.<br />

Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene<br />

gibt es ausreichend Regelungen zum Schutz vor Diskriminierungen.<br />

Statt sie auszuweiten, sollte die EU-Kom­


26<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

mission die bestehenden Nichtdiskriminierungsrichtlinien<br />

überarbeiten. Sie sollte sie auf bürokratische und<br />

kostenintensive Regelungen durchforsten und die Ankündigung,<br />

noch weiter gehende Regelungen zur Antidiskriminierung<br />

zu erarbeiten, noch einmal überdenken.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Antidiskriminierung“<br />

veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Das neue Pflegezeitgesetz –<br />

bürokratisch und überflüssig<br />

Am 1. Juli <strong>2008</strong> tritt das neue Pflegezeitgesetz in Kraft,<br />

das im Rahmen des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung<br />

der Pflegeversicherung verabschiedet worden<br />

ist. Das Gesetz sieht einen Anspruch auf vollständige<br />

oder teilweise Freistellung von der Arbeit für die<br />

Dauer von bis zu sechs Monaten für die Pflege eines<br />

nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung vor. Die<br />

Pflegezeit ist unbezahlt. Der Arbeitnehmer hat einen<br />

Rückkehranspruch auf seinen Arbeitsplatz. Daneben<br />

besteht ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit für<br />

bis zu zehn Tage, um in einer akut aufgetretenen Pflegesituation<br />

eines nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte<br />

Pflege zu organisieren oder kurzzeitig zu übernehmen.<br />

Das Gesetz verzichtet auf die Einführung der zunächst<br />

vorgesehenen Lohnersatzleistung für die Zeit der kurzzeitigen<br />

Freistellung.<br />

Die BDA konnte erreichen, dass der Anspruch auf Pflegezeit<br />

auf sechs Monate begrenzt wird und nicht gegenüber<br />

Arbeitgebern mit 15 oder weniger Arbeitnehmern besteht.<br />

Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder hatte<br />

eine Freistellung von bis zu drei Jahren vorgeschlagen.<br />

Der Referentenentwurf sah zunächst einen Schwellenwert<br />

von nur zehn Arbeitnehmern vor. Das Gesetz verzichtet<br />

nunmehr auch auf die Einführung der zunächst<br />

vorgesehenen Lohnersatzleistung für die Zeit der kurzzeitigen<br />

Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Tagen.<br />

Dennoch führt das Gesetz zu einer bürokratischen und<br />

finanziellen Belastung insbesondere kleiner und mittlerer<br />

Betriebe, die auf die Mitarbeit eines jeden Arbeitnehmers<br />

angewiesen sind. Das gilt hinsichtlich der kurzen Ankündigungsfrist<br />

für die Pflegezeit von nur zehn Arbeitstagen,<br />

die es kaum ermöglicht, adäquat auf den Ausfall eines<br />

Mitarbeiters zu reagieren, eine entsprechend ausgebildete<br />

Vertretung zu finden und die erforderliche Übergabe und<br />

Einarbeitung zu organisieren. Für Pflegende besteht ein<br />

zeitlich ausgedehnter Sonderkündigungsschutz, der systemwidrig<br />

auch für arbeitnehmerähnliche Personen gilt.<br />

Und es besteht die Gefahr, dass die sechsmonatige Pflegezeit<br />

auf mehrere Abschnitte aufgeteilt wird. Das Gesetz<br />

führt an zahlreichen Stellen zu Systembrüchen und Rechtsunsicherheit.<br />

Es passt sich nicht in das – ohnehin zerstü­<br />

Immer Mehr Pflegebedürftige<br />

Index (2006 = 100)<br />

150<br />

140<br />

130<br />

120<br />

110<br />

100<br />

2006 2009 2012 2015 2018 2021 2024 2027 2030<br />

Quelle: Prognose des Statistischen Bundesamtes, Robert Koch Institut und eigene Darstellung der BDA


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

27<br />

ckelte – geltende Recht ein und orientiert sich nur bruchstückhaft<br />

am Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Beruf und<br />

Pflege“ veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de<br />

abrufbar.<br />

GroSSelternzeit ist überflüssig<br />

Ende Februar hat das Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) den Referentenentwurf<br />

eines Gesetzes zur Änderung des Bundeselterngeld-<br />

und Elternzeitgesetzes vorgelegt. Dieser hat Mitte<br />

Mai das Bundeskabinett passiert und wurde vom Bundestag<br />

am 5. Juni in erster Lesung beraten (Bundestagsdrucksache<br />

16/9415). Darin ist u. a. vorgesehen, einen<br />

Anspruch auf „Elternzeit für Großeltern“ einzuführen,<br />

die ihre minderjährigen Kinder bei der Erziehung von<br />

deren Kindern unterstützen. Voraussetzung soll sein,<br />

dass die Mutter oder der Vater des Kindes minderjährig<br />

ist oder ein Elternteil des Kindes sich im letzten oder<br />

vorletzten Jahr einer Ausbildung befindet, die vor Vollendung<br />

des 18. Lebensjahres begonnen wurde und die<br />

Arbeitskraft des Elternteils voll in Anspruch nimmt. Die<br />

Großeltern müssen aber in jedem Fall in einem Haushalt<br />

mit ihrem Enkelkind leben.<br />

Ein Anspruch auf „Großelternzeit“ ist überflüssig. Im<br />

Jahr 2007 hatten lediglich 0,9 % aller Neugeborenen<br />

minderjährige Eltern (ca. 6.000 Fälle). In der Praxis<br />

wird es daher der Ausnahmefall sein, dass „Großelternzeit“<br />

in Anspruch genommen wird. Solche Einzelfälle<br />

sollten und können individuell auf betrieblicher Ebene<br />

geregelt werden. Über Teilzeitvereinbarungen im Rahmen<br />

des Teilzeit- und Befristungsgesetzes haben heute<br />

bereits alle Arbeitnehmer, also auch Großeltern, einen<br />

Anspruch, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Zudem kann<br />

das Ziel der Unterstützung minderjähriger Eltern ebenso<br />

mit einer ausreichenden und qualifizierten staatlichen<br />

Kinderbetreuung erreicht werden, ohne die Arbeitgeber<br />

einseitig zu belasten. In spezifischen Situationen besteht<br />

bereits heute ein Anspruch auf Elterngeld und Elternzeit<br />

für Verwandte bis zum dritten Grad und deren Ehegatten<br />

und Lebenspartner. Das ohnehin schon überregulierte<br />

Arbeitsrecht sollte nicht mit einer weiteren Vorschrift<br />

überfrachtet werden.<br />

Mitbestimmung – Modernisierung<br />

statt Bürokratisierung<br />

Mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Begrenzung der<br />

mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken“ wird eine<br />

neue Informationspflicht im Betriebsverfassungsgesetz<br />

geschaffen. Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten,<br />

über die das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss<br />

rechtzeitig und umfassend unter Vorlage der erforderlichen<br />

Unterlagen unterrichten muss, gehört danach auch<br />

die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der<br />

Erwerb der Kontrolle verbunden ist.<br />

Diese Neuregelung ist überflüssig, weil entsprechende<br />

Informationspflichten – sofern unmittelbare Auswirkungen<br />

für die Arbeitnehmer bestehen – bereits heute im<br />

Betriebsverfassungsgesetz und z. B. bei Betriebsübergängen<br />

verankert sind. Durch die Neuregelung werden<br />

gesellschaftsrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche<br />

Begriffe vermischt und damit neue Rechtsunsicherheiten<br />

und Bürokratie geschaffen, die insbesondere kleine<br />

und mittlere Betriebe belasten.<br />

Stattdessen wäre ein beherzter Schritt in Richtung Flexibilisierung<br />

und Verhandlungsoffenheit der betrieblichen<br />

Mitbestimmung erforderlich. Diese muss schnell,<br />

flexibel und passgenau sein. Wir setzen uns deshalb<br />

dafür ein, dass stärker als bisher Abweichungen von<br />

gesetzlichen Betriebsratsstrukturen ermöglicht werden.<br />

Dabei müssen betriebliche Regelungen tariflichen vorgehen.<br />

Damit Teilhabe nicht erzwungen wird, sollte<br />

die Errichtung eines Betriebsrates vom Erreichen eines<br />

Wahlquorums abhängig gemacht werden. Ein Betriebsrat<br />

sollte nur errichtet werden, wenn sich mindestens<br />

ein Drittel der wahlberechtigten Arbeitnehmer an der<br />

Wahl beteiligt.<br />

Die Dauer der Mitbestimmungsverfahren führt oft zu<br />

erhöhten Kosten für die Unternehmen, weil die Umsetzung<br />

dringend erforderlicher geplanter Vorhaben<br />

verzögert wird. Deswegen sollte eine allgemeine Beschleunigungsvorschrift<br />

dem Arbeitgeber vorläufige<br />

Entscheidungen ermöglichen. Auch die Einigungsstellenverfahren<br />

müssen durch die Einführung von Fristen<br />

beschleunigt werden. Und schließlich muss die Betriebsverfassung<br />

umfassend für die technische Entwicklung<br />

geöffnet werden. Elektronische Wahlverfahren müssen


28<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Mitbestimmung: Minus Für Standort D<br />

So viel Prozent der befragten Unternehmen mit dieser Mitbestimmungsregel<br />

antworteten auf die Frage „Ist die Unternehmensmitbestimmung ein<br />

Nachteil für die Attraktivität Deutschlands als Standort von Holdinggesellschaften?“<br />

Mitbestimmung: weniger bringt mehr<br />

So viel Prozent der befragten Industrieunternehmen mit einer Nettoumsatzrendite<br />

von über 5 % hatten folgende Mitbestimmungsregelung<br />

Ja<br />

Nein<br />

Keine<br />

Gemeinsames Gremium<br />

Aufsichtsrat zur Hälfte mit<br />

Arbeitnehmern besetzt<br />

67<br />

Sonstige<br />

Betriebsrat<br />

33<br />

11,1<br />

7,8<br />

6,3<br />

Aufsichtsrat zu einem Drittel<br />

mit Arbeitnehmern besetzt<br />

55<br />

74,8<br />

45<br />

Befragung von 821 Unternehmen mit fünf und mehr Beschäftigten<br />

im Jahr 2007; gemeinsames Gremium: z. B. runder Tisch, Betriebsausschuss;<br />

Sonstige: Belegschaftssprecher, Mitarbeiterausschuss<br />

Befragung von 138 Unternehmen in Deutschland im Jahr 2006<br />

Quelle: IW Köln<br />

Quelle: IW-Zukunftspanel<br />

ebenso zugelassen werden wie die Nutzung moderner<br />

Kommunikations- und Konferenztechnik für die Abstimmung<br />

im und mit dem Betriebsrat.<br />

Grundlegender Flexibilisierungs- und Modernisierungsbedarf<br />

besteht auch in der Unternehmensmitbestimmung.<br />

Sie muss vereinbarungsoffen nach dem Vorbild<br />

europäischer Mitbestimmungsregelungen ausgestaltet<br />

werden. Unternehmen und Arbeitnehmer müssen die<br />

Möglichkeit erhalten, ein passendes Mitbestimmungssystem<br />

zu vereinbaren. Kommt es zu keiner Vereinbarung,<br />

kann als Auffangregelung nur eine im europäischen<br />

Kontext akzeptable Form der Mitbestimmung<br />

eingreifen. Das ist allenfalls eine Drittelbeteiligung.<br />

Positive Erfahrungen bei der Gründung einer Europäischen<br />

Gesellschaft (SE) zeigen deutlich, dass Vereinbarungsoptionen<br />

unternehmensindividuell – z. B. zur<br />

Verkleinerung des Aufsichtsrates – genutzt werden<br />

können und zu einer besseren Positionierung im Wettbewerb<br />

führen.<br />

Die BDA begrüßt den „Gesetzentwurf zum internationalen<br />

Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und anderen<br />

juristischen Personen“, der die Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofes (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit<br />

umsetzt. In konsequenter Weise soll mit dem<br />

Gesetz der Wechsel vom Sitzlandprinzip zum Gründungslandprinzip<br />

vorgenommen werden, für die Gründung<br />

einer Gesellschaft soll grundsätzlich das Recht des<br />

Gründungslandes maßgeblich sein, unabhängig davon,<br />

ob die Gesellschaft später ihren Sitz verlegt. Es ist rechtsdogmatisch<br />

richtig und zwingend, dass mit dem Gesetz<br />

keine materiellen Sonder- und Ausnahmeregelungen,<br />

z. B. für die Unternehmensmitbestimmung, geschaffen<br />

werden sollen. Nur so kann auch der Rechtsprechung<br />

des EuGH Rechnung getragen werden.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unternehmensmitbestimmung“<br />

und den kompakt „Betriebsverfassung“<br />

veröffentlicht. Beide sind unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


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europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

29<br />

Europäisches Gesellschaftsrecht<br />

– Vielfalt fördern<br />

Nach dem Erfolg der Europäischen Gesellschaft hat die<br />

Europäische Kommission angekündigt, in Kürze den<br />

Vorschlag einer Verordnung für das Statut einer Europäischen<br />

Privatgesellschaft (EPG) vorzulegen – ein Vorhaben,<br />

das von der BDA unterstützt wird. Die EPG würde<br />

in den Wettbewerb z. B. zur deutschen GmbH oder zur<br />

britischen Limited treten.<br />

Für die Attraktivität auch dieser Gesellschaftsform wird<br />

es von besonderer Bedeutung sein, dass einer schnellen<br />

und unkomplizierten Gründung keine Bremsklötze<br />

durch Regelungen zur Arbeitnehmerbeteiligung in den<br />

Weg gelegt werden. Die Generaldirektion Markt hat angekündigt,<br />

dass die Arbeitnehmerbeteiligung sich nach<br />

den Regeln des Staates richten soll, in dem die EPG gegründet<br />

bzw. registriert wird. Noch besser wäre ein an<br />

die SE angelehntes Verhandlungsmodell, allerdings mit<br />

einer einheitlichen Auffanglösung, die für die Unternehmensmitbestimmung<br />

maximal eine Fünftelbeteiligung<br />

vorsehen sollte. Außerdem müsste ein einheitlicher<br />

Schwellenwert für die Verhandlungspflicht von mindestens<br />

500 Arbeitnehmern eingezogen werden.<br />

Gesetzliche Fixierung eines<br />

Anzeigerechts der Arbeitnehmer<br />

überflüssig<br />

Die gesetzliche Regelung eines Anzeigerechts der<br />

Arbeitnehmer gegen ihren Arbeitgeber soll in einem<br />

neuen § 612a BGB eingeführt werden. Die Änderung<br />

wird derzeit im Zuge der anstehenden Änderung<br />

des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches<br />

vor dem Hintergrund des „Gammelfleisch“-Skandals<br />

diskutiert.<br />

Es besteht keine Notwendigkeit, eine gesetzliche<br />

Regelung des Anzeigerechts der Arbeitnehmer vorzunehmen.<br />

Ein solches ist schon heute unter der<br />

hinreichenden Berücksichtigung der Interessen von<br />

Arbeitnehmern und Arbeitgebern von der Rechtsprechung<br />

anerkannt. Arbeitnehmer können sich an<br />

öffentliche Stellen wenden, wenn sie sich zuvor um<br />

eine innerbetriebliche Klärung bemüht haben. Dort,<br />

wo es um Straftaten mit schweren Folgen für Einzelne<br />

oder die Allgemeinheit geht, ist dies heute ebenfalls<br />

möglich. Keinesfalls darf eine Anzeige aber mit dem<br />

Ziel abgegeben werden, in erster Linie den Arbeitgeber<br />

zu diffamieren.


30<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Diese Rechtsprechung berücksichtigt die Interessen<br />

von Arbeitgebern und Arbeitnehmern hinreichend.<br />

Eine gesetzliche Regelung ist daher überflüssig. Die<br />

aktuellen Überlegungen einer gesetzlichen Regelung<br />

gehen in entscheidenden Teilen über die Rechtsprechung<br />

hinaus. Sie schaffen faktisch für jeden Rechtsverstoß<br />

ein Anzeigerecht, bei dem der Arbeitnehmer<br />

auf die Einhaltung der innerbetrieblichen Klärung<br />

verzichten kann. Besonders bedenklich ist, dass der<br />

Gesetzentwurf die Motive des Arbeitnehmers nicht<br />

berücksichtigt. Danach könnte der Arbeitnehmer, der<br />

aus unsachlichen persönlichen Motiven heraus das<br />

Verhalten seines Vorgesetzten anzeigt, sich vor Sanktionen<br />

sicher fühlen. Mit dem berechtigten Anliegen,<br />

die Allgemeinheit vor Rechtsverstößen zu schützen,<br />

hat das nichts zu tun.<br />

Die vorgesehene Regelung des sog. „Whistleblowings“<br />

lässt sich nicht mit dem Grundsatz der vertrauensvollen<br />

Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern<br />

im Betrieb vereinbaren. Sie ist geeignet, Denunziantentum<br />

im Betrieb zu fördern, und führt somit zu gegenseitigem<br />

Misstrauen sowohl im Verhältnis zwischen Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer als auch im Verhältnis der<br />

Arbeitnehmer untereinander.<br />

Hinzu kommt, dass eine solche Regelung das ohnehin<br />

schon an bürokratischen Lasten überfrachtete Arbeitsrecht<br />

erneut mit Bürokratie beladen würde. Eine solche<br />

Belastung des Arbeitsrechts unter dem Deckmantel des<br />

Verbraucherschutzes ist zu verhindern.<br />

Die BDA hat massiv interveniert und auf allen Ebenen<br />

deutlich gemacht, dass dieses Gesetzesvorhaben überflüssig<br />

ist und zudem erhebliche Risiken in sich birgt.<br />

Keine Ausdehnung der<br />

Strafvorschriften zu<br />

Bestechlichkeit<br />

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes<br />

vorgelegt. Der Entwurf sieht eine Erweiterung<br />

des Straftatbestandes der Bestechlichkeit und<br />

Bestechung im gesetzlichen Verkehr (§ 299 StGB) und<br />

eine Ausdehnung der Strafbarkeit der Bestechlichkeit<br />

und Bestechung von ausländischen Amtsträgern vor.<br />

Anlass für den Entwurf ist das Bestreben der Bundesregierung,<br />

internationale Regelungen des Europarates,<br />

der Vereinten Nationen und der Europäischen Union<br />

umzusetzen. Wie im Entwurf selbst eingeräumt wird,<br />

geht der Entwurf über die umzusetzenden internationalen<br />

Regelungen hinaus und schafft für die beteiligten<br />

Rechtskreise, insbesondere für die Unternehmen, eine<br />

erhebliche Rechtsunsicherheit sowie eine nicht notwendige<br />

Ausdehnung der Strafbarkeit.<br />

Dies gilt insbesondere für die geplante Änderung des<br />

§ 299 StGB. In der bisherigen Fassung stellt § 299 StGB<br />

darauf ab, dass ein Vorteil als Gegenleistung für eine<br />

unlautere Bevorzugung im Wettbewerb angenommen<br />

oder gewährt wird. Nach dem Gesetzentwurf sollen<br />

nunmehr auch Handlungen strafbar sein, die sich auf<br />

die Gewährung oder Annahme von Vorteilen beziehen,<br />

ohne dass es auf eine Bevorzugung im Wettbewerb<br />

ankäme. Eine solche Ausweitung ist abzulehnen.<br />

Eine Pflichtverletzung gegenüber dem eigenen Unternehmen<br />

ist schon jetzt bei Eintritt eines Vermögensschadens<br />

eine strafbare Handlung (§§ 263, 266 StGB).<br />

Ist eine Pflichtverletzung nach diesen Vorschriften<br />

nicht strafbar, so obliegt es der Entscheidung des Unternehmens<br />

selbst, auf diese zu reagieren. Die vorgesehene<br />

Änderung des § 299 StGB stellt einen Eingriff<br />

in die wirtschaftliche Autonomie des Unternehmens<br />

dar und verletzt den strafrechtlichen Ultima-Ratio-<br />

Grundsatz. Die BDA hat ihre Bedenken in einer ausführlichen<br />

Stellungnahme gegenüber den rechtspolitischen<br />

Sprechern der Bundestagsfraktionen deutlich<br />

gemacht.<br />

Vertretungsbeschränkung vor<br />

Arbeitsgerichten durch feste<br />

kammerzuweisung ausgleichen<br />

Am 1. Juli tritt das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts<br />

in Kraft. Damit sind auch Änderungen<br />

in einzelnen Verfahrensordnungen verbunden. Nach<br />

den Neuregelungen im Arbeitsgerichtsgesetz und im<br />

Sozialgerichtsgesetz dürfen ehrenamtliche Richter von<br />

Arbeitgeberverbänden (und Gewerkschaften) in Zukunft<br />

nicht mehr vor dem Spruchkörper des Gerichts,<br />

d. h. der Kammer oder dem Senat, als Parteivertreter<br />

auftreten, dem sie angehören.


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europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

31<br />

An Gerichten, an denen ehrenamtliche Richter keinem<br />

festen Spruchkörper zugewiesen werden, kann ein solches<br />

Vertretungsverbot faktisch wie ein Vertretungsverbot<br />

für das gesamte Gericht wirken. Ehrenamtliche<br />

Richter aus dem Bereich der Arbeitgebervereinigungen<br />

werden für das Gericht bestellt, an dem auch ihr jeweiliger<br />

Verband seinen Sitz hat. Folglich müsste die Tätigkeit<br />

als ehrenamtlicher Richter in Zukunft – zumindest<br />

an den Gerichten ohne feste Kammerzuweisung – aufgegeben<br />

werden, um weiterhin als Bevollmächtigter vor<br />

Gericht auftreten zu können.<br />

Keine überobligationsmäSSige<br />

Umsetzung der EU-Richtlinie<br />

zur Mediation<br />

Die EU-Richtlinie über bestimmte Aspekte der Mediation<br />

in Zivil- und Handelssachen soll den Zugang zum Recht,<br />

insbesondere zur außergerichtlichen Mediation, verbessern.<br />

Nach der Richtlinie, deren Anwendungsbereich auf<br />

grenzüberschreitende Angelegenheiten beschränkt ist,<br />

haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Vertraulichkeit<br />

im Rahmen einer Mediation gewährleistet<br />

wird, die Mediationsvereinbarung vollstreckbar sein kann<br />

und die Forderung nicht während der Durchführung eines<br />

Mediationsverfahrens verjährt. Die Mitgliedstaaten sollen<br />

zudem die Qualität der Mediation gewährleisten, indem<br />

freiwillige Verhaltenskodizes gefördert werden, sowie die<br />

Ausbildung von Mediatoren.<br />

Da der Anwendungsbereich der Richtlinie auf grenzüberschreitende<br />

Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen<br />

beschränkt ist, ist die derzeit diskutierte<br />

Umsetzung der Richtlinie für Inlandssachverhalte insbesondere<br />

für das Arbeitsrecht abzulehnen. Die Mindestanforderungen<br />

an das Verfahren, insbesondere<br />

im Hinblick auf Vollstreckung, Verjährung und Vertraulichkeit,<br />

die in der Richtlinie vorgegeben werden,<br />

werden durch die geltende Rechtslage in Deutschland<br />

bereits erfüllt. Eine weitere Reglementierung der Mediation<br />

läuft dem Zweck der Mediation zuwider, ein<br />

vollständig freiwilliges Verfahren zu sein, in welchem<br />

sich die Parteien autonom auf Verfahrensregeln verständigen<br />

können. Die BDA hat deshalb gegenüber<br />

den zuständigen Ministerien nach einem ausführlichen<br />

Konsultationsprozess mit den Mitgliedsverbänden<br />

dezidiert dazu Stellung genommen, dass eine<br />

überobligationsmäßige Umsetzung für innerdeutsche<br />

Sachverhalte, zumindest im Bereich des Arbeitsrechts,<br />

abzulehnen ist.<br />

Der Messung von Bürokratiekosten<br />

müssen Taten folgen!<br />

Überbordende Bürokratie belastet die Wirtschaft. Insbesondere<br />

kleine und mittelständische Unternehmen<br />

in Deutschland leiden unter einer Vielzahl von bürokratischen<br />

Hemmnissen gerade auch auf dem Gebiet<br />

des Arbeits- und Sozialrechts. Die Wirtschaft muss von<br />

diesen Lasten befreit werden. Insbesondere durch die<br />

die Unternehmen treffenden Informationspflichten werden<br />

enorme Kosten verursacht, durch die diese in ihrer<br />

Produktivität geschwächt werden. Allerdings reicht<br />

es nicht aus, wenn der Gesetzgeber einzelne Verbesserungen<br />

einführt. Erforderlich ist vielmehr ein umfassendes<br />

Gesamtkonzept. Mit seinem Zwischenbericht<br />

vom 30. April <strong>2008</strong> an das Bundeskabinett blieb der<br />

Staatssekretärs ausschuss Bürokratieabbau die Vorlage<br />

eines solchen Gesamtkonzeptes erneut schuldig.<br />

Die BDA unterstützt weiterhin nachdrücklich das Ziel<br />

der Bundesregierung, bis 2011 25 % der Bürokratielasten<br />

für die Wirtschaft abzubauen. Einige Aussagen des<br />

Zwischenberichts geben jedoch Anlass zu Zweifeln an<br />

der Ernsthaftigkeit des politischen Willens, einen durchgreifenden<br />

Bürokratieabbau zu erreichen.<br />

So geht der Staatssekretärsausschuss in seinem Zwischenbericht<br />

davon aus, dass die durch die derzeit<br />

gemessenen Informationspflichten verursachten Bürokratiekosten<br />

in Höhe von 29,5 Mrd. € bereits die kostenintensivsten<br />

Informationspflichten enthalten. Es bedarf<br />

jedoch der Klarstellung, dass sich noch ca. 2.000 Informationspflichten<br />

mit einem Kostenvolumen von rund<br />

10 Mrd. € im Abnahmeverfahren befinden und weitere<br />

2.000 Informationspflichten darüber hinaus noch überhaupt<br />

nicht im Messprozess erfasst sind. Hinzu kommt,<br />

dass auf Informationspflichten beruhende Bürokratiekosten<br />

von großer Bedeutung bisher noch gar nicht berücksichtigt<br />

wurden. So sind z. B. die infolge des AGG<br />

entstandenen Bürokratiekosten und die von den Sozialversicherungsträgern<br />

verursachten Bürokratielasten bis­


32<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Informationspflichten (IP) nach gesetzgebungsebene<br />

Stand: 31. März <strong>2008</strong><br />

nationales Recht<br />

erweitertes EU- und internationales Recht mit aufgeteiltem Kostenanteil<br />

erweitertes EU- und internationales Recht (soweit noch nicht aufgeteilt)<br />

EU- und internationales Recht<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

10.516<br />

2.635<br />

1.925<br />

2.102<br />

7.041<br />

261<br />

697<br />

919<br />

2.000<br />

0<br />

5.956<br />

IP der Wirtschaft am 30. September 2006 in Kraft,<br />

Stand: März <strong>2008</strong><br />

63<br />

5.164<br />

563<br />

1.476<br />

gemessene IP Oktober 2007 gemessene IP März <strong>2008</strong><br />

Quelle: Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses Bürokratieabbau an das Bundeskabinett, April <strong>2008</strong><br />

her in keiner Weise berücksichtigt. Die BDA setzt sich<br />

weiterhin für deren Berücksichtigung ein.<br />

Der Staatssekretärsausschuss stellt zudem fest, dass mindestens<br />

14,5 Mrd. € der bislang gemessenen Bürokratiekosten<br />

in Höhe von 29,5 Mrd. € nicht unmittelbar<br />

auf den nationalen Gesetzgeber zurückzuführen sind.<br />

Die BDA hat darauf hingewiesen, dass dieses Untersuchungsergebnis<br />

nicht zur Folge haben darf, dass diese<br />

14,5 Mrd. € nicht bei den Gesamtkosten berücksichtigt<br />

werden, von welchen 25 % abgebaut werden sollen.<br />

Aus Bundesrecht resultierende Bürokratiekosten sind<br />

stets unabhängig davon zu erfassen, auf welcher Grundlage<br />

die Vorschriften zu Bundesrecht wurden.<br />

Im Zwischenbericht ist die Rede von einem Anstieg der<br />

Vereinfachungsmaßnahmen der Ressorts seit dem Jahresbericht<br />

aus dem Jahre 2007 um 1,8 Mrd. € auf nun<br />

4,4 Mrd. €. Diese positive Meldung verschleiert, dass<br />

die Abbaumaßnahmen mit einem abzubauenden Kostenvolumen<br />

in Höhe von 4,4 Mrd. € größtenteils noch<br />

gar nicht in Kraft getreten sind.<br />

Es ist zudem notwendig, eine eindeutige und plausibel<br />

nachvollziehbare Aussage darüber zu treffen, aus welchen<br />

Belastungen sich die Gesamtsumme der durch Bundesrecht<br />

verursachten Bürokratiekosten zusammensetzt.<br />

Nur wenn dies der Fall ist, lässt sich überhaupt klar erkennen,<br />

von welcher Basis aus das Abbauziel der Bundesregierung<br />

von 25 % erreicht werden soll. Ohne diese<br />

Information bleibt weiterhin unklar, welcher Umfang an<br />

abzubauenden Kosten erwartet werden kann.<br />

Über dem Abbau von Informationspflichten darf zudem<br />

nicht das Ziel aus den Augen verloren werden, das gesamte<br />

materielle Recht zu vereinfachen. Gerade viele<br />

materielle Vorschriften verursachen in einem Folgeschritt<br />

Bürokratie. Auch hier bedarf es eines umfassenden<br />

Entbürokratisierungsansatzes. Die Mittelstandsentlastungsgesetze<br />

(MEG) enthalten zwar richtige Ansätze,<br />

bleiben jedoch weit hinter den Anforderungen an eine<br />

durchgreifende Entbürokratisierung des Arbeits- und<br />

Sozialrechts zurück. So haben wir schon mehrfach für<br />

ein drittes Mittelstandsentlastungsgesetz (MEG III) den<br />

Vorschlag unterbreitet, die Generalunternehmerhaftung


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

33<br />

nach dem Sozialgesetzbuch IV und VII abzuschaffen<br />

und das Umlageverfahren U1 durch die Freistellung der<br />

Teilnahme für Arbeitgeber und Krankenkassen neu zu<br />

gestalten. Trotz dieser konkreten Vorschläge ist der nunmehr<br />

vorliegende Entwurf eines MEG III nicht geeignet,<br />

die Wirtschaft von überflüssigen Bürokratielasten zu<br />

befreien. Das erste und zweite Mittelstandsentlastungsgesetz<br />

sowie das im Gesetzgebungsverfahren befindliche<br />

MEG III können daher nur ein Anfang sein.<br />

Entscheidend bleibt, endlich den Abbau von Bürokratielasten<br />

für die Unternehmen anhand konkreter Konzepte<br />

im Dialog mit der Wirtschaft in Angriff zu nehmen,<br />

um für diese spürbare Ergebnisse zu erreichen.<br />

Dem Messprozess müssen nun Taten in Form der Abschaffung<br />

bürokratischer Belastungen als einzigen Erfolgsmaßstabes<br />

folgen. Gleichzeitig muss der Normenkontrollrat<br />

seine wertvolle Arbeit zur Verhinderung der<br />

Einführung neuer belastender Bürokratie im Zusammenhang<br />

mit neuen Gesetzen fortsetzen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Bürokratieabbau“<br />

veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de<br />

abrufbar.


35<br />

Tarifautonomie ■ Lohnpolitik ■ Tarifverträge<br />

■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Tarifbindung ■ Grundsatzfragen<br />

der Lohnpolitik ■ Gesetzlicher Mindestlohn<br />

■ Arbeitnehmer-entsendegesetz<br />

■ Tarifrunden ■ Tarifautonomie ■ Lohnpolitik<br />

■ Tarifverträge ■ Allgemeinverbindlicherklärung<br />

TARIFPOLITIKvon<br />

Tarifverträgen<br />

■ Tarifbindung ■ Lohnentwicklung<br />

■ Allgemeinverbindlicherklärung von<br />

Tarifverträgen ■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Lohnentwicklung<br />

■ Grundsatzfragen der Lohnpolitik<br />

■ Gesetzlicher Mindestlohn ■ Arbeitnehmer-entsendegesetz<br />

■ Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

■ Tarifrunden ■ Tarifautonomie<br />

■ Lohnpolitik ■ Tarifverträge<br />

■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Tarifbindung ■ Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von Tarifverträgen ■ Lohnentwicklung<br />

■ Grundsatzfragen der<br />

Lohnpolitik ■ Gesetzlicher Mindestlohn<br />

■ Arbeitnehmer-entsendegesetz<br />

■ Tarifrunden ■ Tarifautonomie ■ Lohnpolitik<br />

■ Tarifverträge ■ Tarifautonomie<br />

■ Lohnpolitik ■ Tarifverträge ■ Reform<br />

des Branchentarifvertrags ■ Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von Tarifverträgen<br />

■ Tarifbindung ■ Lohnentwicklung<br />

■ Grundsatzfragen der Lohnpolitik ■ Gesetzlicher<br />

Mindestlohn ■ Arbeitnehmerentsendegesetz<br />

■ Tarifrunden ■ Tarifautonomie<br />

■ Lohnpolitik ■ Tarifverträge<br />

■ Tarifbindung ■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Tarifverträge ■ Grundsatzfragen<br />

der Lohnpolitik ■ Lohnentwicklung<br />

■ Gesetzlicher Mindestlohn<br />

■ Arbeitnehmer-entsendegesetz ■ Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

■ Tarifautonomie<br />

■ Lohnpolitik ■ Tarifverträge<br />

■ Tarifbindung ■ Gesetzlicher<br />

Mindestlohn ■ Arbeitnehmer-entsendegesetz<br />

■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Tarifbindung ■ Lohnentwicklung<br />

■ Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von Tarifverträgen ■ Grundsatzfragen<br />

der Lohnpolitik ■ Gesetzlicher Mindestlohn<br />

■ Arbeitnehmer-entsendegesetz<br />

■ Tarifrunden ■ Tarifautonomie ■ Tarifrunden<br />

■ Tarifautonomie ■ Lohnpolitik<br />

■ Tarifverträge ■ Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von Tarifverträgen<br />

■ Tarifbindung ■ Lohnentwicklung<br />

■ Allgemeinverbindlicherklärung von<br />

Tarifverträgen ■ Reform des Branchentarifvertrags<br />

■ Lohnentwicklung<br />

■ Grundsatzfragen der Lohnpolitik<br />

■ Gesetzlicher Mindestlohn ■ Arbeitnehmer-entsendegesetz<br />

■ Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

■ Tarifrunden


36<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Tarifhalbjahr <strong>2008</strong> –<br />

an den Grenzen des<br />

Verteilungsspielraums<br />

Die Tarifverhandlungen in der ersten Jahreshälfte <strong>2008</strong><br />

waren zum Teil durch völlig überzogene Lohnforderungen<br />

von 7 bis 8 % und eine spürbar gestiegene Streikbereitschaft<br />

der Gewerkschaften geprägt. Grund für das<br />

tarifpolitisch erhitzte Klima lieferte das allgemeine Gefühl<br />

auf der Arbeitnehmerseite, am Aufschwung nicht oder<br />

nur unzureichend beteiligt gewesen zu sein. Sogar von<br />

Teilen der Politik wurden die auf gesamtwirtschaftlicher<br />

Ebene gesunkenen Nettoreallöhne der vergangenen Jahre<br />

als Argument herangezogen, für hohe Tariflohnabschlüsse<br />

zu werben. Diese Einflussnahme beschädigt nicht nur<br />

die Tarifautonomie; die Analyse geht auch an der Realität<br />

vorbei, verengt die ökonomischen Zusammenhänge und<br />

verschweigt die wirtschaftspolitischen, insbesondere die<br />

arbeitsmarktpolitischen Erfolge einer moderaten Lohnpolitik.<br />

Es ist erfreulich, dass – trotz dieses Klimas – die aus<br />

den Tarifabschlüssen resultierenden Kostenbelastungen<br />

durch flexible Entgeltbestandteile, vor allem aber durch<br />

Vereinbarung von Nullmonaten und längeren Laufzeiten<br />

mit mehrstufigen Lohnerhöhungen, abgefedert werden<br />

konnten. Dennoch gehen die Entgelterhöhungen an die<br />

Grenzen des Verteilungsspielraums.<br />

Differenzierte Lohnrunde<br />

mit längerer Laufzeit<br />

und Nahrungsmittel. Angesichts der hohen Lohnforderungen<br />

ist ein positives Signal dieser Tarifrunde, dass<br />

die Tarifabschlüsse von Branche zu Branche ein nicht<br />

unbeachtliches Maß an Differenzierung erkennen lassen.<br />

So schwanken die Entgelterhöhungen für <strong>2008</strong><br />

in einer Bandbreite zwischen 2,5 % im Ernährungsbereich<br />

und 5,2 % in der exportorientierten Stahlindustrie.<br />

Zudem wurden zur Entlastung der Betriebe in<br />

einigen Abschlüssen erneut flexible Entgeltbestandteile<br />

vereinbart. Vor allem jedoch sehen die Tarifabschlüsse<br />

verstärkt Nullmonate und – im Vergleich zu vorherigen<br />

Tarifrunden – deutlich längere Laufzeiten von bis zu<br />

drei Jahren vor.<br />

Langfristigere Tarifverträge geben Unternehmen Planungssicherheit<br />

und haben dadurch positive Auswirkungen<br />

auf das Investitionsklima insgesamt. Gerade<br />

in Zeiten strukturellen Wandels, zunehmender internationaler<br />

Verflechtungen und damit einhergehender<br />

Unsicherheiten ist eine verlässliche – auf Stabilität ausgerichtete<br />

– Tarifpolitik ein unschätzbarer Wert für investitionsbereite<br />

Unternehmen.<br />

Eine insgesamt moderate Lohnpolitik, die gleichzeitig<br />

eine ausreichende betriebliche Differenzierung und<br />

Flexibilisierung zulässt, gewinnt durch eine mittel- bis<br />

langfristige Ausrichtung an Glaubwürdigkeit und Wirkung.<br />

So empfiehlt z. B. der Sachverständigenrat zur<br />

Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung<br />

schon seit längerem eine langfristige Ausrichtung der<br />

Tarifverträge mit einer Dauer von sogar fünf Jahren als<br />

Orientierungsgröße.<br />

Die Notwendigkeit, hohe Tarifabschlüsse durch entlastende<br />

Vertragsbestandteile abzumildern, war und ist<br />

für die aktuellen Tarifrunden auch deshalb so bedeutsam,<br />

weil der Konjunkturaufschwung der letzten beiden<br />

Jahre mit Wirtschaftswachstumsraten von 2,5 %<br />

und 2,9 % bereits deutlich an Fahrt verloren hat. So<br />

erwarten die wirtschaftswissenschaftlichen Institute für<br />

dieses Jahr nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts<br />

um etwa 2 %. Selbst die Bundesregierung<br />

hat ihre Konjunkturprognose für <strong>2008</strong> auf lediglich<br />

1,7 % reduziert. Wesentliche Gründe hierfür sind die<br />

Meldungen über immer neue Kapitalverluste von Banken<br />

und Versicherungen infolge der Immobilienkrise<br />

in den USA, die Dollarschwäche sowie der weltweit<br />

anhaltende Preisanstieg für Rohstoffe, Energieträger<br />

Ausgewählte Tarifabschlüsse<br />

Der erste große und zugleich sehr hohe Abschluss der<br />

Tarifrunde <strong>2008</strong> wurde Ende Februar in der Stahlindustrie<br />

mit der IG Metall vereinbart. Nach einem Nullmonat,<br />

für den eine Einmalzahlung von 200 € zu leisten ist,<br />

sieht der Tarifvertrag bei einer insgesamt 14-monatigen<br />

Laufzeit eine tabellarische Entgeltanhebung von 5,2 %<br />

vor. Dieses Ergebnis spiegelt in erster Linie die konjunkturelle<br />

Sondersituation in der Branche wider und ist auch<br />

dadurch bedingt, dass jeder Arbeitskampf angesichts des<br />

Booms in der Stahlindustrie und der guten Auftragslage<br />

der Unternehmen zu gravierenden Auswirkungen auch


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

37<br />

auf andere Branchen geführt hätte. Erfreulicherweise<br />

kam es nicht zu einer möglichen Signalwirkung dieses<br />

Abschlusses auf andere Branchen.<br />

Mitte März hat sich die Bekleidungs- und Textilindustrie<br />

vom Stahlabschluss absetzen können. Hier hatten die<br />

Arbeitgeber bereits frühzeitig ein erstes Angebot vorgelegt<br />

und waren gleichwohl massiven Warnstreiks der<br />

IG Metall ausgesetzt. Vereinbart wurde letztlich eine<br />

tabellenwirksame Entgelterhöhung von 3,6 % zuzüglich<br />

einer variabel ausgestalteten Einmalzahlung von 200 €<br />

bei drei Nullmonaten und einer Gesamtlaufzeit von<br />

zwölf Monaten. Neben einer Altersteilzeit-Verlängerung<br />

bis Ende 2009 haben die Tarifparteien eine Empfehlung<br />

zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft abgegeben.<br />

Deutlich oberhalb des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts<br />

liegen die beschlossenen Entgelterhöhungen<br />

von insgesamt 6,9 %, die Ende März im öffentlichen<br />

Dienst zwischen dem Bund und der Vereinigung<br />

der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sowie<br />

ver.di und der dbb tarifunion vereinbart wurden. Der<br />

Tarifkonflikt entbrannte an der Forderung der Gewerkschaften<br />

nach einem Lohnplus von 8 % und dem Ziel<br />

der Arbeitgeber, eine Arbeitszeitverlängerung durchzusetzen.<br />

Tarifpolitischer Druck wurde auf Arbeitnehmerseite<br />

vor allem auch deshalb aufgebaut, weil der öffentliche<br />

Dienst in den vorausgegangenen Jahren keine<br />

bzw. nur leichte Lohnerhöhungen vorgenommen hatte.<br />

Dies zum Anlass nehmend schalteten sich sogar Vertreter<br />

aus der Politik in die laufende Tarifrunde ein. Einvernehmen<br />

konnte erst nach einem erfolglosen Schlichtungsverfahren<br />

erreicht werden: Vereinbart wurden ein<br />

einheitlicher Sockelbetrag von 50 € je Monat und eine<br />

zusätzliche Anhebung der Entgelte von 3,1 % in einer<br />

ersten Stufe sowie eine Einmalzahlung von 225 € und<br />

eine weitere Erhöhung von 2,8 % ab 2009. Außerdem<br />

wurde die volle Ost-West-Angleichung der Entgelte beschlossen.<br />

Die durch die Abschlusshöhe verursachte<br />

Kostenbelastung dürfte die Konsolidierung der Haushalte<br />

gefährden. Um eine stärkere Neuverschuldung zu<br />

vermeiden, besteht die Gefahr, dass die Bürger durch<br />

steigende Gebühren zur Kasse gebeten und Leistungen<br />

abgebaut werden. Vor allem die mit dem Abschluss verbundenen<br />

überproportionalen Anhebungen der unteren<br />

Entgeltgruppen erhöhen den Druck auf die Kommunen.<br />

Gut jede dritte Stadt oder Gemeinde hält einen Personalabbau<br />

zum Ausgleich der überzogenen Lohnsteigerungen<br />

für wahrscheinlich. Demgegenüber ergeben<br />

sich positive Effekte aus der relativ langen Gesamtlaufzeit<br />

von 24 Monaten und der Arbeitszeitverlängerung<br />

für die Gemeindebeschäftigten in Westdeutschland von<br />

38,5 auf 39 Stunden.<br />

Im April folgte der Tarifabschluss in der chemischen Industrie.<br />

Dieser enthält eine 4,4-prozentige Entgeltanhebung<br />

im Jahr <strong>2008</strong>, verbunden mit einer variablen Einmalzahlung<br />

und anschließenden 3,3 % im Jahr 2009.<br />

Zwar wurde damit auch in dieser Branche der zur Verfügung<br />

stehende Verteilungsspielraum ausgereizt. Als<br />

Entlastungselement wirken jedoch auch hier die relativ<br />

lange Gesamtlaufzeit des Tarifvertrages von 25 Monaten<br />

und die Möglichkeit, durch Betriebsvereinbarung<br />

die Einmalzahlung aus wirtschaftlichen Gründen zu<br />

verschieben, zu verkürzen oder wegfallen zu lassen.<br />

Gleichzeitig wird das Ausbildungsengagement für die<br />

Jahre 2009 und 2010 erneut durch konkrete Ausbildungsplatzangebote<br />

unterstrichen. Wegweisend sind die<br />

Lösungsansätze zur Bewältigung des demografischen<br />

Wandels und damit zur strukturellen Verbesserung der<br />

Beschäftigungsbasis in dieser Branche. Nach dem hierfür<br />

abgeschlossenen neuen Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit<br />

und Demografie“ können die Betriebspartner auf<br />

Basis eines Demografiefonds eine flexible Gestaltung<br />

der Lebensarbeitszeit durch Langzeitkonten, Teilrente,<br />

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, tarifliche Altersvorsorge<br />

und Altersteilzeit vornehmen. Der Demografie-Tarifvertrag<br />

in der Chemie ist ein überaus innovativer<br />

Ansatz, die Herausforderungen der demografischen Entwicklung<br />

erfolgreich zu meistern (vgl. Kasten, S. 38).<br />

Bereits Anfang des Jahres hatte die Landwirtschaft mit der<br />

IG Bauen-Agrar-Umwelt eine Tarifvereinbarung erzielt,<br />

die zu Beginn der 27-monatigen Laufzeit zwei Nullmonate<br />

vorsieht, gefolgt von einer tabellarischen Entgeltanhebung<br />

von 3,8 % und ab 2009 zusätzlich 3,3 %.<br />

Anfang Februar erzielten im Bereich der Ernährungsindustrie<br />

die Brauereien mit der Gewerkschaft Nahrung-<br />

Genuss-Gaststätten erste Tarifergebnisse, die je nach<br />

Tarifgebiet voneinander abweichen. So schwanken die<br />

Laufzeiten der Tarifverträge zwischen 12 und 23 Monaten.<br />

In Bayern z. B. folgt nach vier Nullmonaten und<br />

Einmalzahlungen von insgesamt 600 € ein tabellenwirksames<br />

Lohnplus von 2,9 % bei einer Gesamtlaufzeit von<br />

14 Monaten.


38<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Herausforderung demografischer Wandel – Flexible Gestaltung<br />

der Lebensarbeitszeit am beispiel der chemischen industrie<br />

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist die Wirtschaft immer stärker auf ältere Beschäftigte angewiesen.<br />

Zugleich hat der Gesetzgeber mit der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre ein wichtiges<br />

Signal für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit und mehr Beschäftigung Älterer gegeben. Außerdem werden durch<br />

das Auslaufen der Förderung der Altersteilzeit aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit Ende 2009 beitragsfinanzierte<br />

Fehlanreize zur Frühverrentung abgeschafft.<br />

Gleichwohl wird es auch zukünftig zur betrieblichen Realität gehören, dass individuell ein Bedürfnis nach einem flexiblen<br />

Übergang in den Ruhestand besteht. Die Tarifvertragsparteien stehen vor der Herausforderung, Regelungen zur<br />

Gestaltung des Arbeitslebens zu finden, die den Beschäftigten einerseits ermöglichen, länger tätig zu sein, aber auch in<br />

Einzelfällen vor Erreichen der Regelarbeitsgrenze aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Im Vordergrund steht dabei die<br />

flexiblere Gestaltung der Lebensarbeitszeit.<br />

Eine innovative Lösung dazu bietet der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ der chemischen Industrie vom<br />

16. April <strong>2008</strong>. Mit diesem Tarifvertrag werden die Herausforderungen der alternden Gesellschaft aufgegriffen und Unterstützung<br />

im Interesse einer längeren Beschäftigung angeboten. Elemente der neuen „Chemieformel Demografie“ sind:<br />

•Betriebliche Demografieanalyse (Alters- und Qualifikationsstruktur)<br />

•Maßnahmen zur alters- und gesundheitsgerechten Gestaltung des Arbeitsprozesses mit dem Ziel der Verbesserung<br />

der Beschäftigungs- und Leistungsfähigkeit<br />

•Maßnahmen zur Qualifizierung während des gesamten Arbeitslebens<br />

•Maßnahmen der (Eigen-)Vorsorge und Nutzung verschiedener Instrumente für gleitende Übergänge zwischen<br />

Bildungs-, Erwerbs- und Ruhestandsphase<br />

Zentraler Baustein des Tarifvertrages sind betriebliche Demografiefonds. Die Betriebe stellen ab 2010 einen Betrag von<br />

zunächst jährlich 300 € je Tarifarbeitnehmer für Instrumente zur flexiblen Gestaltung der Lebensarbeitszeit zur Verfügung.<br />

Zur Wahl stehen:<br />

•Langzeitkonten<br />

•Teilrente<br />

•Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Chemie<br />

•Tarifliche Altersvorsorge<br />

•Altersteilzeit<br />

Die Auswahl der konkreten Instrumente für die Verwendung des Demografiefonds erfolgt aufgrund freiwilliger Betriebsvereinbarungen.<br />

Falls auf betrieblicher Ebene keine Einigung erzielt wird, ist als Auffangregelung für Betriebe mit bis<br />

zu 200 Arbeitnehmern die tarifliche Altersvorsorge vorgesehen. Betriebe mit mehr als 200 Arbeitnehmern müssen die<br />

Wertguthaben aus dem Demografiefonds in ein Langzeitkonto einbringen. Wird keine Einigung über die Verwendung des<br />

Langzeitkontos erzielt, soll es zur Freistellung vor der Altersrente genutzt werden.<br />

Die Altersteilzeit dürfte künftig nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Es besteht ab 2010 kein individueller Anspruch<br />

auf Altersteilzeit mehr. Die Aufstockungsbeträge sind aus den Mitteln des Demografiefonds zu finanzieren und damit begrenzt.<br />

Gleichzeitig entfällt die bisherige Abfindungsregelung, mit der Renteneinbußen ausgeglichen werden sollten. Außerdem<br />

darf der „Demografiebetrag“ im Rahmen der Altersteilzeit nicht zur Personalreduzierung verwendet werden.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

39<br />

In der Zeit von Februar bis Mai folgten die Tarifabschlüsse<br />

im Hotel- und Gaststättengewerbe mit Entgeltanhebungen<br />

je nach Region in einer Bandbreite zwischen<br />

3,0 und 4,0 %. Ebenso unterschiedlich fielen die Tarifverträge<br />

hinsichtlich der Vereinbarung von Nullmonaten<br />

und Laufzeiten aus.<br />

Der Abschluss im Steinkohlenbergbau Ende April zeichnet<br />

sich durch eine überaus lange Laufzeit von insgesamt<br />

36 Monaten aus, von denen die ersten vier Nullmonate<br />

sind. Auf eine tabellarische Entgeltanhebung von 3,4 %<br />

und eine Einmalzahlung von 300 € folgt ein weiteres<br />

Lohnplus von 2,0 % im Jahr 2009. Des Weiteren wurde<br />

der Tarifvertrag zur Gestaltung des Anpassungsprozesses<br />

im Steinkohlenbergbau verlängert.<br />

Anfang Mai erzielte die Papier, Pappe und Kunststoff<br />

verarbeitende Industrie mit ver.di ein Tarifergebnis mit<br />

einer Laufzeit von insgesamt 25 Monaten. Der Abschluss<br />

beinhaltet nach einem Nullmonat eine zweistufige<br />

Tariflohnerhöhung von 3,9 % und weiteren<br />

2,9 % im Jahr 2009.<br />

Ende Mai hat sich die Immobilienwirtschaft mit ver.di<br />

auf einen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 29 Monaten<br />

geeinigt. Dieser sieht Entgeltsteigerungen von 3,0 % im<br />

Jahr <strong>2008</strong> vor, gefolgt von 1,5 % im Jahr 2009 und<br />

1,0 % in 2010. Zusätzlich wurden zwei Einmalzahlungen<br />

für <strong>2008</strong> und 2009 in Höhe von 1,0 % eines auf<br />

das Jahr kumulierten Monatseinkommens im Tarifgebiet<br />

Westdeutschland vereinbart. In Ostdeutschland<br />

können die Einmalzahlungen ganz oder teilweise gewährt<br />

werden.<br />

Einen besonders hohen Preis musste die Deutsche<br />

Bahn AG zahlen. Zum einen hebt sich die Entgelterhöhung,<br />

die AGV MoVe und die Gewerkschaft Deutscher<br />

Lokomotivführer (GDL) vereinbart haben, mit zunächst<br />

8,0 % und anschließenden 3,0 % zuzüglich einer Einmalzahlung<br />

von 800 € bei einer Gesamtlaufzeit des<br />

Tarifvertrages von nur 19 Monaten deutlich von den<br />

Ergebnissen anderer Branchen ab. Zum anderen war<br />

dieser Tarifkonflikt durch über elf Monate währende<br />

Streikmaßnahmen der GDL belastet. Hintergrund war<br />

die Forderung der GDL nach einem eigenständigen<br />

Tarifpolitik: Lohnzurückhaltung trägt Früchte<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, wenn es keine Lohnzurückhaltung gegeben hätte<br />

28.000<br />

28.118<br />

0<br />

27.000<br />

0<br />

13<br />

142<br />

190<br />

192 192<br />

251<br />

26.880<br />

26.000<br />

337<br />

26.002<br />

So viele Arbeitsplätze hat die Lohnzurückhaltung<br />

insgesamt gesichert oder geschaffen<br />

371<br />

524 680<br />

879<br />

25.000<br />

1995<br />

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, wenn es keine Lohnzurückhaltung gegeben hätte: Beschäftigungsentwicklung, wenn die Gewerkschaften<br />

immer Lohnerhöhungen im Ausmaß von Produktivitätswachstum und Inflationsrate durchgesetzt hätten – in Jahren, in denen die Lohnsteigerungen darüber<br />

hinausgingen, wurde der tatsächliche Abschluss für die Berechnungen zugrunde gelegt.<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt, IW Köln


40<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Ausgewählte Tarifabschlüsse <strong>2008</strong> (nach Abschlussdatum)<br />

Tarifbereich/Beschäftigte<br />

Tariferhöhung<br />

in %<br />

Laufzeiten (Gesamtlaufzeit)<br />

Weitere Vereinbarungen/Bemerkungen<br />

Landwirtschaft<br />

West + Ost (23.01.08)<br />

40.000<br />

3,8<br />

3,3<br />

03/08–01/09<br />

02/09–03/10<br />

2 Nullmonate<br />

(27 Monate)<br />

Tarifempfehlung für Landarbeiter<br />

Untere Entgeltgruppen entfallen, zukünftig individuelle Vereinbarungen für Entgelte<br />

unter 7 € (West) / 6,10 € (Ost)<br />

Brauereien<br />

Bayern (6.02.08)<br />

11.000<br />

2,9<br />

03/08–12/08<br />

4 Nullmonate m.<br />

Einmalzahlung<br />

(14 Monate)<br />

Schlichtungsergebnis<br />

Einmalzahlung von insgesamt 600 €<br />

Weitere Tarifgebiete mit regional unterschiedlichen Vereinbarungen von Laufzeiten<br />

zwischen 12 und 23 Monaten und ein- bis zweistufigen Anhebungen der Tarifsätze<br />

Stahlindustrie<br />

West + Ost (20.02.08)<br />

85.000<br />

5,2<br />

03/08–03/09<br />

1 Nullmonat m.<br />

Einmalzahlung<br />

(14 Monate)<br />

Einmalzahlung von 200 €<br />

Hotel- und Gaststättengewerbe<br />

NRW (ab 20.02.08)<br />

180.000<br />

3,0<br />

2,5<br />

03/08–02/09<br />

03/09–05/10<br />

(27 Monate)<br />

Unterste Entgeltgruppe entfällt, Tätigkeiten in neuer Gruppe 2a<br />

Weitere Tarifgebiete mit regional unterschiedlichen Vereinbarungen von Nullmonaten,<br />

Laufzeiten (15–24 Monate) und ein- bis zweistufigen Anhebungen der Tarifsätze<br />

Deutsche Bahn AG<br />

Lokführer<br />

West + Ost<br />

(30.01./9.03.08)<br />

20.000<br />

8,0<br />

3,0 *<br />

03/08–08/08<br />

09/08–01/09<br />

8 Nullmonate m.<br />

Einmalzahlung<br />

(19 Monate)<br />

Einmalzahlung von 800 €<br />

*) durchschnittliche Anhebung (bei unveränderter Anfangsstufe)<br />

Stufenweise Absenkung der Jahressollarbeitszeit<br />

Grundlagenvertrag zur Regelung der Beziehung von Bahngewerkschaften und Arbeitgeberverband<br />

Bekleidungsindustrie/<br />

Textilindustrie<br />

West (11.03.08)<br />

120.000<br />

3,6<br />

06/08–02/09<br />

3 Nullmonate m.<br />

Einmalzahlung<br />

(12 Monate)<br />

Variabel gestaltete Einmalzahlung von 200 €<br />

Altersteilzeit-Verlängerung bis Ende 2009<br />

Empfehlung zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft<br />

Öffentlicher Dienst<br />

Bund, Gemeinden<br />

West + Ost (31.03.08)<br />

2.000.000<br />

3,1 + 50 €<br />

Sockelbetrag<br />

2,8<br />

01/08*–12/08<br />

01/09–12/09<br />

(24 Monate)<br />

*) Tarifanhebung Ost ab April <strong>2008</strong><br />

Zusätzliche Pauschale von 225 € im Januar 2009<br />

Arbeitszeitverlängerung für Gemeinden West auf 39 Stunden<br />

Vereinbarung zur Ost-West-Angleichung der Entgelte<br />

Chemische Industrie<br />

West + Ost<br />

(16./27.04.08)<br />

580.000<br />

4,4<br />

3,3<br />

Laufzeitbeginn regional<br />

unterschiedlich<br />

03-05/08–03-05/09<br />

04-06/09–03-05/10<br />

(25 Monate)<br />

Zusätzliche, auf erster Stufe der Laufzeit (13 Monate) bezogene und variabel gestaltete<br />

Einmalzahlung von 0,5 % des Tarifentgelts<br />

Fortschreibung des TV „Zukunft durch Ausbildung“ mit insgesamt 18.200 Ausbildungsplätzen<br />

für 2009 und 2010<br />

Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ mit arbeitgeberfinanzierten betrieblichen<br />

Fonds ab 2010<br />

Ost: zweistufige Entgeltanpassung Berlin-West im Oktober <strong>2008</strong>/2009<br />

Steinkohlenbergbau<br />

West (22.04.08)<br />

40.000<br />

3,4<br />

2,0<br />

05/08–06/09<br />

07/09–12/10<br />

4 Nullmonate m.<br />

Einmalzahlung<br />

(36 Monate)<br />

Einmalzahlung von 300 €<br />

Verlängerung des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung zur Begleitung des<br />

Steinkohle-Anpassungsprozesses<br />

Deutsche Post AG<br />

West + Ost (30.04.08)<br />

130.000<br />

4,0<br />

3,0<br />

11/08–11/09<br />

12/09–06/10<br />

6 Nullmonate m.<br />

Einmahlzahlung<br />

(26 Monate)<br />

Einmalzahlung von 200 €<br />

Absenkung tarifvertraglicher Kurzpausen um ca. 50 Minuten pro Woche<br />

Entsorgungswirtschaft<br />

West + Ost (7.05.08)<br />

20.000<br />

2,8 + 50 €<br />

Sockelbetrag<br />

3,0<br />

05/08–04/09<br />

05/09–04/10<br />

4 Nullmonate m.<br />

Einmalzahlung<br />

(28 Monate)<br />

Einmalzahlung von 100 €<br />

Stufenweise Verlängerung der Wochenarbeitszeit West von 37 auf 38 Stunden<br />

Vereinbarung von Mindestlohnverhandlungen mit VKA und ver.di<br />

Papier, Pappe und<br />

Kunststoff verarbeitende<br />

Industrie<br />

West + Ost (8.05.08)<br />

95.000<br />

3,9<br />

2,9<br />

05/08–04/09<br />

05/09–04/10<br />

1 Nullmonat<br />

(25 Monate)<br />

Immobilienwirtschaft<br />

West + Ost (28.05.08)<br />

50.000<br />

3,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

07/08–06/09<br />

07/09–04/10<br />

05/10–11/10<br />

(29 Monate)<br />

West: zwei zusätzliche Einmalzahlungen für <strong>2008</strong> und 2009 in Höhe von 1 %<br />

bezogen auf zwölf Monatseinkommen<br />

Ost: Einmalzahlungen können ganz oder teilweise gezahlt werden


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

41<br />

Tarifvertrag. Im März wurde schließlich eine Einigung<br />

zwischen der Deutsche Bahn AG und GDL, aber auch<br />

zwischen der Deutsche Bahn AG und der Tarifgemeinschaft<br />

aus Transnet und GDBA (TG) erzielt. Danach<br />

gibt es zukünftig einen eigenständigen Lokomotivführertarifvertrag,<br />

der sich konflikt- und widerspruchsfrei<br />

in das neue Tarifwerk der Deutsche Bahn AG einfügt.<br />

Ein Basistarifvertrag regelt die typischen Mantelthemen,<br />

während sechs funktionsspezifische Zusatztarifverträge<br />

für einzelne Berufsgruppen – darunter der Lokomotivführertarifvertrag<br />

– insbesondere die Entgelt- und Arbeitszeitbestimmungen<br />

erfassen. Des Weiteren wurden<br />

mit der TG Grundlagentarifverträge abgeschlossen, um<br />

Überschneidungen im persönlichen Geltungsbereich<br />

zu verhindern und auf diese Weise die Tarifeinheit im<br />

Deutsche-Bahn-Konzern zu sichern. GDL und TG haben<br />

sich verpflichtet, die Tarifverträge des jeweils anderen<br />

anzuerkennen.<br />

Nettoreallöhne: Falscher<br />

MaSSStab für Lohnforderungen<br />

Die Rufe nach höheren Löhnen – auch aus der Politik – resultieren<br />

in erster Linie aus einer verzerrten Wahrnehmung<br />

und falschen Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung.<br />

So wurden immer wieder die seit 2005 im gesamtwirtschaftlichen<br />

Durchschnitt gesunkenen Nettoreallöhne als<br />

Argument für Lohnforderungen herangezogen. Sie seien<br />

ein Beleg dafür, dass der wirtschaftliche Aufschwung nicht<br />

bei allen Beschäftigten angekommen sei.<br />

Bereits die Eckdaten belegen das Gegenteil: Die monatlichen<br />

Bruttoverdienste je Arbeitnehmer sind 2007<br />

um durchschnittlich 1,5 % gestiegen; das ist die stärkste<br />

Zunahme seit 2001. Gesamtwirtschaftlich betrachtet<br />

lag die Veränderungsrate der Bruttolöhne und -gehälter<br />

im selben Zeitraum sogar bei 3,4 % und damit über<br />

den Zuwächsen der vergangenen sechs Jahre. Die Zahl<br />

der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in den<br />

letzten beiden Jahren kräftig gestiegen und hat um fast<br />

1,3 Mio. zugelegt (März 2006 gegenüber März <strong>2008</strong>).<br />

Im März <strong>2008</strong> hatten rund 27,2 Mio. Menschen einen<br />

sozialversicherungspflichtigen Job. Gleichzeitig sank<br />

die Zahl der Arbeitslosen allein im vergangenen Jahr<br />

um etwa ein Sechstel und betrug im Mai <strong>2008</strong> laut<br />

Bundesagentur für Arbeit (BA) nur noch etwa 3,3 Mio.<br />

Darüber hinaus sind die verfügbaren Einkommen nach<br />

Angaben des Statistischen Bundesamtes in den letzten<br />

beiden Jahren um 4 % und die Sparquote 2007 mit<br />

11 % auf das höchste Niveau seit 1995 gestiegen. Insgesamt<br />

zeigt sich, dass der Aufschwung sowohl bei<br />

den vorher Arbeitslosen als auch bei den Beschäftigten<br />

angekommen ist.<br />

Die in den letzten Jahren gesunkenen Nettoreallöhne<br />

resultieren vor allem aus den stark gestiegenen Verbraucherpreisen.<br />

Diesen nun in Form von kräftigen<br />

Entgeltanhebungen entgegenzuwirken, wäre kontraproduktiv.<br />

Die Preissteigerungen sind vor allem extern<br />

verursacht: Mehrwertsteuererhöhung und höhere<br />

Energie- und Ölpreise haben die Lebenshaltungskosten<br />

nach oben getrieben. Aber auch Unternehmen sind<br />

von diesen Belastungen betroffen; überproportionale<br />

Entgeltanhebungen führen in dieser Situation zu einer<br />

weiteren Kostenverschärfung. Unternehmen wären gezwungen,<br />

die gestiegenen Kosten über die Erhöhung<br />

der Produktpreise zu kompensieren – was sich negativ<br />

auf den Konsum und damit zu Lasten der Verbraucher<br />

auswirken würde. Andernfalls wären Unternehmen<br />

gezwungen, die gestiegenen Personalkosten durch Beschäftigungsabbau<br />

aufzufangen. Auch die Deutsche<br />

Bundesbank hat Anfang dieses Jahres davor gewarnt,<br />

die erhöhten Preissteigerungsraten in Deutschland und<br />

im Euroraum zur Messlatte für kommende Lohnverhandlungen<br />

werden zu lassen.<br />

In Wahrheit geht es um eine andere Stellschraube: Die<br />

Differenz zwischen Nettoverdiensten und Arbeitskosten<br />

– der sog. Abgabenkeil – hat sich zu einem beträchtlichen<br />

Fixkostenbestandteil entwickelt. Ergab sich 1991<br />

aus den durchschnittlichen Arbeitskosten je Arbeitnehmer<br />

von 2.008 € noch ein Netto von 1.141 € (57 %), kamen<br />

bei den Arbeitnehmern 2007 von den 2.795 €, die die<br />

Arbeitgeber im Mittel monatlich für sie zahlten, nur noch<br />

1.474 € (53 %) auf dem Konto an. Obwohl die monatlichen<br />

Bruttoverdienste je Arbeitnehmer zwischen 2006<br />

und 2007 um 1,5 % gestiegen sind, hat sich der Anteil, der<br />

den Arbeitnehmern netto verbleibt, nicht verändert.<br />

Löhne dürfen nur so stark steigen, wie es nach dem<br />

Anstieg der Wirtschaftsleistung bzw. Produktivität gerechtfertigt<br />

ist. Demgegenüber ist es erforderlich, die<br />

Lohnzusatzkosten zu senken. Hauptbestandteil der<br />

Lohnzusatzkosten sind die Beiträge zur Sozialversiche-


42<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Arbeitskosten: Was der Staat nimmt<br />

So viel Prozent der Arbeitskosten, die ein Unternehmen für einen Mitarbeiter aufwenden muss, fließen an den Staat<br />

Sozialabgaben<br />

Steuern<br />

Belgien<br />

34,0<br />

21,3<br />

55,4<br />

Deutschland<br />

35,0<br />

17,5<br />

52,5<br />

Frankreich<br />

39,3<br />

10,9<br />

50,2<br />

Österreich<br />

36,5<br />

11,5<br />

48,1<br />

Italien<br />

31,2<br />

13,9<br />

45,2<br />

Niederlande<br />

32,7<br />

11,7<br />

44,4<br />

Dänemark 11,2<br />

30,1<br />

41,3<br />

Spanien<br />

28,3<br />

10,8<br />

39,1<br />

Norwegen<br />

18,6<br />

18,7<br />

37,3<br />

Vereinigtes Königreich<br />

18,0<br />

15,9<br />

33,9<br />

Schweiz<br />

19,9<br />

9,8<br />

29,7<br />

USA 14,3<br />

14,6<br />

28,9<br />

Japan<br />

22,4<br />

6,4<br />

28,8<br />

Australien<br />

5,7<br />

22,4<br />

28,1<br />

Irland<br />

14,3<br />

8,8 23,1<br />

Stand: 2006; alleinstehende Durchschnittsverdiener; Arbeitskosten: Bruttolöhne plus Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber<br />

Quelle: OECD, IW Köln<br />

rung. Seit 1990 sind sie um über vier Prozentpunkte<br />

angestiegen, so dass der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz<br />

im Juli 40,1 % erreicht – verbunden mit entsprechend<br />

niedrigen Nettoeinkommen der Arbeitnehmer.<br />

Eine Abgabensenkung hat daher unmittelbare Auswirkungen<br />

auf die Einkommenssituation. Zudem verbessert<br />

sie erheblich die Beschäftigungschancen. Wissenschaftliche<br />

Untersuchungen belegen, dass ein Prozentpunkt<br />

sinkender Sozialversicherungsbeiträge längerfristig etwa<br />

150.000 neue Jobs bringt.<br />

Verschärfte Diskussion über<br />

gesetzliche Mindestlöhne<br />

Die Diskussion über gesetzliche Mindestlöhne hat<br />

sich im ersten Halbjahr <strong>2008</strong> verschärft fortgesetzt.<br />

Gewerkschaften und SPD fordern unverändert einen<br />

allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn und verstehen<br />

die bisher geforderten 7,50 € nur als Zwischenschritt.<br />

Dies bestätigt die Sorge, dass gesetzliche Mindestlöh-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

43<br />

Beschäftigungsentwicklung bei Wettbewerbern der Deutsche Post AG<br />

Einführung des gesetzlichen<br />

Mindestlohns für Briefdienstleister<br />

zum 1. Januar <strong>2008</strong><br />

50.000<br />

31. März <strong>2008</strong><br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

Dez. 2002 Dez. 2003 Dez. 2004 Dez. 2005 Dez. 2006 Dez. 2007<br />

Dez. <strong>2008</strong><br />

Quellen: Bundesnetzagentur, BDA<br />

ne auch in Deutschland zum Spielball der Politik und<br />

zum immerwährenden Wahlkampfthema würden.<br />

Spätestens seit dem Desaster mit dem Post-Mindestlohn<br />

ist deutlich: Gesetzliche Mindestlöhne kosten<br />

Arbeitsplätze. Folglich ist jede Form gesetzlicher Mindestlöhne<br />

entschieden abzulehnen. Die BDA hat aus<br />

diesem Grund ihre Kampagne „Mindestlohn macht arbeitslos“<br />

gestartet.<br />

Angriffe auf die Tarifautonomie<br />

durch Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

und Arbeitnehmer-Entsendegesetz<br />

Anfang Januar wurden vom Bundesarbeitsminister erste<br />

Entwürfe zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)<br />

und zur Änderung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes<br />

(MiaG) vorgelegt. Auf diesen Weg hatte sich<br />

die Koalition im vergangenen Jahr verständigt. Die bereits<br />

nach dem Kompromiss vom Juni 2007 aufgekommenen<br />

Befürchtungen wurden durch die Gesetzentwürfe<br />

noch weit übertroffen: Geschaffen werden sollte<br />

nicht nur die Voraussetzung für ein flächendeckendes<br />

System branchenbezogener Mindestlöhne. Es sollte zugleich<br />

die Ermächtigung entstehen, Tarifverträge außer<br />

Kraft zu setzen, selbst wenn diese von der Mehrheit<br />

einer Branche angewendet werden. Damit war ein brutaler<br />

Angriff auf die Tarifautonomie geplant. Das Präsidium<br />

der BDA hat die Bundesregierung mit Beschluss<br />

vom 28. Januar <strong>2008</strong> (vgl. Kasten) aufgefordert, die<br />

entsprechenden Entwürfe zum AEntG und zum MiaG<br />

zurückzuziehen.<br />

Diese ersten Entwürfe wurden in der Ressortabstimmung<br />

der Bundesministerien gestoppt. Bundeskanzleramt,<br />

Bundeswirtschaftsministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium<br />

sahen in ihnen keine geeignete<br />

Diskussionsgrundlage. Auch das Bundesinnenministerium<br />

äußerte erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.<br />

Innerhalb der Union stießen die Vorschläge auf Ablehnung,<br />

weil der Bundesarbeitsminister an entscheidenden<br />

Stellen weit über den Koalitionskompromiss vom<br />

Juni 2007 hinausgegangen war.<br />

Nach längerem Stillstand und diskreten Gesprächen<br />

zwischen Bundeskanzleramt, Bundesarbeitsministerium<br />

und Bundeswirtschaftsministerium hat der Bundesarbeitsminister<br />

Mitte Juni neue Gesetzentwürfe vorgelegt.<br />

Diese sind in einigen Punkten gegenüber den<br />

ersten Entwürfen nachgebessert worden. So ist z. B.<br />

die regionale Anwendung der Gesetze und damit die<br />

Möglichkeit zur flächendeckenden Lohnfestsetzung in<br />

allen Branchen vom Tisch. Und die Anwendung des<br />

MiaG soll auf Mindestentgelte beschränkt werden und<br />

nicht mehr alle Arbeitsbedingungen umfassen. Unverändert<br />

enthalten allerdings beide Gesetze die Ermäch-


44<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA vom 28. Januar <strong>2008</strong><br />

Stellungnahme zu den Referentenentwürfen zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz<br />

und zum Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

Das Präsidium der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) fordert die Bundesregierung auf,<br />

die vorgelegten Referentenentwürfe zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zum Mindestarbeitsbedingungengesetz zurückzuziehen.<br />

Eine Umsetzung dieser Entwürfe wäre die Ermächtigung zu einem flächendeckenden staatlichen Lohndiktat,<br />

mit dem sogar mehrheitlich in einer Branche angewendete Tarifverträge außer Kraft gesetzt werden könnten.<br />

Dies käme einer Ermächtigung zur Abschaffung der Tarifautonomie gleich.<br />

I. Referentenentwurf zum Entsendegesetz<br />

Die BDA lehnt es entschieden ab, das bestehende Entsendegesetz zu einem völlig neuen Gesetz zur staatlichen Lohnfestsetzung<br />

umzufunktionieren, wie es im Referentenentwurf vorgesehen ist.<br />

1. Tarifverträge einer Minderheit können der Mehrheit einer Branche aufgezwungen werden – dem Missbrauch wird<br />

Tür und Tor geöffnet!<br />

Nach dem Gesetzentwurf können Tarifverträge einer Minderheit einer ganzen Branche mit gesetzlicher Wirkung per<br />

Rechtsverordnung aufgezwungen werden und dabei sogar die in der Branche überwiegend angewandten Tarifverträge<br />

verdrängen und außer Kraft setzen. Damit kann durch das geplante Gesetz und die darauf gestützten Rechtsverordnungen<br />

die positive und negative Koalitionsfreiheit außer Kraft gesetzt werden.<br />

In das Entsendegesetz sollen auf Antrag Branchen aufgenommen werden, in denen insgesamt eine Tarifbindung<br />

von mindestens 50 % besteht, wobei sich diese sogar aus einer Addition von Firmen- und Branchentarifverträgen<br />

unterschiedlicher Tarifvertragsparteien ergeben soll. Ist die Aufnahme erfolgt, kann der Bundesminister per Rechtsverordnung<br />

auf Antrag einer Tarifvertragspartei einen Tarifvertrag der ganzen Branche selbst dann aufzwingen, wenn<br />

der betroffene Tarifvertrag nur von einem kleinen Teil der Branche abgeschlossen ist und für diesen Tarifvertrag<br />

selbst nur eine Tarifbindung von z. B. 10 oder 20 % besteht. Diese gesetzliche Konstruktion lädt – wie im Fall der<br />

Briefdienste – zur missbräuchlichen Anwendung ein, wenn ein Teil einer Branche z. B. höhere Löhne im Tarifvertrag<br />

aufweist und diese Arbeitsbedingungen den Wettbewerbern aufzwingen will. Der missbräuchlichen Anwendung des<br />

Gesetzes zur Verhinderung von Wettbewerb wird damit vollends Tür und Tor geöffnet.<br />

2. Konkurrierende Tarifverträge können außer Kraft gesetzt werden!<br />

Konkurrierende, abweichende Tarifverträge sollen auf der Grundlage des neuen Gesetzes durch eine Rechtsverordnung<br />

zwingend verdrängt werden. Bestehen in einer Branche z. B. mehrere Branchentarifverträge, so kann aufgrund<br />

des Antrags einer Gewerkschaft ein bestimmter Tarifvertrag per Rechtsverordnung für die ganze Branche mit gesetzlicher<br />

Wirkung vorgeschrieben werden, wobei alle abweichenden Tarifverträge außer Kraft gesetzt werden. Auch<br />

wenn der per Rechtsverordnung erstreckte Tarifvertrag in der Branche mehrheitlich angewandt wird, ist damit die<br />

Tarifautonomie jener Tarifvertragsparteien beseitigt, die einen anderen, abweichenden Tarifvertrag für sich vereinbart<br />

haben.<br />

3. Die Anwendung des Gesetzes wird ausgeweitet, bisherige Voraussetzungen werden gestrichen!<br />

In dem Gesetzentwurf wird die nach geltendem Recht erforderliche bundesweite Tarifstruktur als Voraussetzung<br />

für die Erstreckung von Tarifverträgen gestrichen. Es sollen künftig auch Tarifverträge mit regional beschränktem<br />

Geltungsbereich durch Rechtsverordnung auf nicht an diesen Tarifvertrag gebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

erstreckt werden können.<br />

Selbst nach der Ablehnung einer Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages in einem Bundesland könnte<br />

der Bundesarbeitsminister den entsprechenden Tarifvertrag durch Rechtsverordnung erstrecken. Damit wird mit dem<br />

neuen Gesetz eine Entmachtung der Länderzuständigkeiten betrieben.<br />

Diese Regelung zielt vor allem auf Regionen mit geringer Tarifbindung. So könnten in den neuen Bundesländern<br />

durch Rechtsverordnung des Bundes Tarifverträge zwingend auferlegt werden, obwohl in diesen Regionen nur eine<br />

geringe Tarifbindung besteht.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

45<br />

4. Die Beteiligung des Tarifausschusses ist nur ein Feigenblatt!<br />

Der Gesetzentwurf sieht eine Beteiligung des Tarifausschusses nur vor, wenn nach Aufnahme einer Branche in das<br />

Entsendegesetz erstmals ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages gestellt wird. Diese Regelung<br />

ist ein völlig wirkungsloses Feigenblatt. Wenn nämlich zu irgendeinem Tarifvertrag einmal ein Antrag gestellt ist<br />

und der Tarifausschuss beteiligt war, können danach alle anderen und weiteren Tarifverträge ohne Beteiligung des<br />

Tarifausschusses durch den Arbeitsminister auf Antrag einer Tarifvertragspartei erstreckt werden. Bei jedem folgenden<br />

Tarifvertrag wird das Verordnungsverfahren also ohne Tarifausschuss durchgeführt. Selbst wenn der Tarifausschuss<br />

den erstmaligen Antrag mehrheitlich abgelehnt hat, kann eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundeskabinetts<br />

ergehen. Die Beteiligung des Tarifausschusses ist damit in jedem Fall nur ein Feigenblatt, mit dem das staatliche<br />

Verordnungsverfahren nur im Falle des erstmaligen Antrages garniert werden soll.<br />

5. Die Ausweitung des Entsendegesetzes ist nur bei Vorliegen einer Entsendeproblematik vertretbar!<br />

Das Präsidium der BDA tritt dafür ein, eine Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen nur dann in Betracht<br />

zu ziehen, wenn tatsächlich eine Entsendeproblematik vorliegt und Tarifverträge gelten, die zuvor nach den<br />

Regeln des Tarifvertragsgesetzes allgemeinverbindlich erklärt wurden. Eine Ausweitung des Entsendegesetzes ohne<br />

diese Voraussetzungen lehnt die BDA ab. Nach dem Gesetzentwurf spielen diese Voraussetzungen keine Rolle. Der<br />

eigentliche Zweck des Gesetzes, die Anwendung allgemeinverbindlicher Tarifverträge auf ausländische Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer im Fall einer Entsendeproblematik zu ermöglichen, tritt völlig zurück. Der Gesetzescharakter wird<br />

grundlegend und zum Nachteil der Tarifautonomie verändert.<br />

II. Referentenentwurf zum Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

Das Präsidium der BDA wendet sich entschieden gegen die Aktivierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes von<br />

1952. Dieses Gesetz mag unter den Bedingungen der Nachkriegszeit Mitte des vorigen Jahrhunderts vertretbar gewesen<br />

sein, jedoch ist es aus guten Gründen nie angewandt worden. Unter den heutigen Bedingungen einer international<br />

verflochtenen, arbeitsteiligen und globalisierten Wirtschaft ist dieses Gesetz völlig untauglich. Auch wenn die staatlichen<br />

Rechtsverordnungen aufgrund dieses Gesetzes nach vorherigen Empfehlungen eines Haupt- und Fachausschusses<br />

erfolgen sollen, wird im Ergebnis mit dem Gesetzentwurf eine staatliche Festsetzung von Löhnen und Arbeitsbedingungen<br />

ermöglicht, womit massiv in die positive und negative Koalitionsfreiheit eingegriffen wird.<br />

1. Konkurrierende Tarifverträge können außer Kraft gesetzt werden!<br />

Bestehende Tarifverträge sollen durch eine Rechtsverordnung auf der Grundlage des neuen Gesetzes außer Kraft<br />

gesetzt werden können. Damit wird eine höchst bedenkliche Tarifzensur ermöglicht. Der Bundesarbeitsminister hat<br />

durch die Berufung insbesondere des Fachausschusses einen maßgeblichen Einfluss auf die Empfehlungen, die dann<br />

durch eine staatliche Rechtsverordnung zu gesetzlichen Arbeitsbedingungen umgesetzt werden sollen. Da nach dem<br />

Gesetzentwurf entgegenstehende tarifliche Regelungen aufgehoben werden, stellt dies eine staatliche Tarifzensur<br />

dar, gegen die wir uns mit aller Entschiedenheit wenden.<br />

2. Das Gesetz soll die Festsetzung sämtlicher Arbeitsbedingungen ermöglichen!<br />

Nach dem Referentenentwurf soll es künftig möglich sein, in Branchen mit geringer Tarifbindung nicht nur Mindestlöhne,<br />

sondern sämtliche Arbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung festzusetzen. Damit können nicht nur<br />

Löhne, sondern z. B. auch Arbeitszeiten, Urlaub usw. per Rechtsverordnung festgesetzt werden. Es gibt keinerlei<br />

Grund, neben dem Arbeitszeitgesetz und Urlaubsgesetz weitere Mindestarbeitsbedingungen per Rechtsverordnung<br />

mit gesetzlicher Wirkung festzusetzen!


46<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

3. Tarifliche Arbeitsbedingungen einer Minderheit können einer ganzen Branche aufgezwungen werden!<br />

Die BDA warnt nachdrücklich vor der Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung eines solchen Gesetzes. Der Gesetzentwurf<br />

enthält die Ermächtigung, die Arbeitsbedingungen, die nach einem Tarifvertrag für einen kleinen Teil einer<br />

Branche gelten, auf eine ganze Branche zu übertragen und verbindlich vorzugeben. Der vom Arbeitsminister eingesetzte<br />

Fachausschuss, der die Empfehlungen beschließen soll, die dann per Rechtsverordnung mit gesetzlicher Wirkung<br />

umgesetzt werden, wird sich an bereits bestehenden Tarifverträgen orientieren, selbst wenn diese nur für einen kleinen<br />

Teil der Branche gelten. Das gilt vor allem, wenn der Bundesarbeitsminister entsprechend dem vorgelegten Gesetzentwurf<br />

in den Fachausschuss Vertreter der Antragsteller beruft, die ihre Arbeitsbedingungen anderen aufzwingen wollen.<br />

Durch die Berufung der Mitglieder des Fachausschusses und die mögliche Einflussnahme auf den Vorsitzenden von<br />

Haupt- und Fachausschuss hat der Arbeitsminister einen prägenden Einfluss auf die Inhalte.<br />

4. Das im Gesetzentwurf vorgesehene Verfahren schützt nicht vor Missbrauch des Gesetzes!<br />

Das Verfahren zur Festsetzung der Arbeitsbedingungen über Hauptausschuss, Fachausschuss und Rechtsverordnung<br />

ermöglicht eine missbräuchliche Anwendung der gesetzlichen Ermächtigung. Der Bundesarbeitsminister besetzt die<br />

Fachausschüsse mit Vertretern „betroffener“ Arbeitgeber und Arbeitnehmer und ermöglicht damit z. B. die Beteiligung<br />

einer antragstellenden Tarifvertragspartei, die ein Interesse daran hat, die eigenen tarifvertraglichen Bestimmungen<br />

der ganzen Branche aufzuerlegen. Damit wird die Gefahr einer Instrumentalisierung des Gesetzes zur Verhinderung<br />

von Wettbewerb erhöht.<br />

5. Alles ist möglich – flächendeckende, aber auch regionale Festsetzungen!<br />

Eine Festsetzung der Arbeitsbedingungen im Wege der Rechtsverordnung ist nach dem Gesetzentwurf nahezu flächendeckend<br />

möglich. Für die Anwendung des Gesetzes soll es bereits ausreichen, dass regional weniger als 50 %<br />

der Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sind. Damit zielt auch dieses Gesetz vor allem auf<br />

Branchen in den neuen Ländern, in denen die Tarifbindung unter 50 % liegt. Das Gesetz würde zudem zu einem<br />

parteipolitischen Instrument, da der Antrag zur Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen auch von einer Landesregierung<br />

gestellt werden kann.<br />

III. Mehr Beschäftigung für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose statt Vernichtung der Arbeitsplätze durch<br />

staatliche Lohndiktate!<br />

Die Arbeitgeber fordern die Koalition auf, den Weg der schrittweisen und schleichenden Abschaffung der Tarifautonomie<br />

zu verlassen und keine weitere Verstaatlichung der Lohnfestsetzung zu betreiben. Das Desaster bei der Post<br />

hat mehr als deutlich gezeigt, dass gesetzliche Mindestlöhne in großem Umfang vorhandene Arbeitsplätze vernichten<br />

sowie Investitionen und zusätzliche Arbeitsplätze verhindern können.<br />

Die Zahl der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, die ergänzend auf staatliche Fürsorgeleistungen angewiesen sind,<br />

liefert kein Indiz für ein zunehmendes Niedriglohnproblem in Deutschland. Nach den aktuellsten Zahlen des IAB erhalten<br />

lediglich 64.000 alleinstehende Vollzeitbeschäftigte und damit gerade 0,15 % aller Erwerbstätigen ergänzendes<br />

Arbeitslosengeld II. Ganzjährig erhalten diese Leistung tatsächlich nur 4.100 Vollzeitbeschäftigte. Wenn Vollzeitbeschäftigte<br />

ergänzendes ALG II erhalten, dann in der Regel als Familienleistung.<br />

Deutschland hat nicht zu viel, sondern zu wenig Arbeitsplätze für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose. Der Arbeitsmarkt<br />

muss für einfache Tätigkeiten erschlossen werden, damit auch die Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt<br />

erhalten, die keine Ausbildung und keinerlei Qualifizierung haben oder seit Jahren arbeitslos sind.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

47<br />

tigung, tarifvertragliche Regelungen auszuschalten.<br />

Sie sind damit weiterhin ein massiver Angriff auf die<br />

Tarifautonomie.<br />

Nach dem geltenden MiaG haben Tarifverträge immer<br />

Vorrang vor einer staatlichen Lohnfestsetzung. Das ist keine<br />

Wohltat des Gesetzgebers, sondern verfassungsrechtlich<br />

unverzichtbar zum Schutz der Tarifautonomie. Dieser<br />

Tarifvorrang soll nun durch die Ermächtigung beseitigt<br />

werden, Tarifverträge durch staatliche Eingriffe außer<br />

Kraft zu setzen. Die als „Tarifvorrang“ bezeichnete Regelung<br />

des neuen Entwurfs, nach der vor dem 1. Juni <strong>2008</strong><br />

abgeschlossene Tarifverträge für die Zeit ihres Bestehens<br />

den staatlich festgesetzten Mindestentgelten vorgehen,<br />

läuft völlig leer. Sie sichert den Tarifvorrang nicht, denn<br />

nach spätestens zwei Jahren wäre eine staatliche Tarifzensur<br />

in allen Branchen möglich. Die Laufzeit von Entgelttarifverträgen<br />

ist grundsätzlich beschränkt und beträgt<br />

in der Regel 12 bis 24 Monate. Nach Ablauf dieser Zeit<br />

würde zugleich die Geltung des Tarifvorrangs ein für alle<br />

Mal erlöschen. Neue Tarifverträge wären nicht mehr vor<br />

staatlichem Lohndiktat geschützt.<br />

Mit der Änderung des AEntG soll genau die Regelung<br />

gestrichen werden, deretwegen das Berliner Verwaltungsgericht<br />

im März <strong>2008</strong> die Post-Mindestlohnverordnung<br />

für rechtswidrig erklärt hat: Der Entwurf sieht<br />

die Ermächtigung zur Erstreckung auch auf anders Tarifgebundene<br />

vor. Dagegen ist der Wortlaut des geltenden<br />

Gesetzes darauf beschränkt, die Rechtsnormen<br />

eines Tarifvertrages auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer zu erstrecken. Mit der beabsichtigten<br />

Änderung schafft der Bundesarbeitsminister die<br />

Voraussetzung für eine Reparatur seiner Post-Mindestlohnverordnung,<br />

die bereits jetzt tausende Arbeitsplätze<br />

vernichtet hat.<br />

Mit der vorgeschlagenen Regelung zur Tarifkonkurrenz<br />

im AEntG zielt der Gesetzentwurf eindeutig auf die Zeitarbeit<br />

und eine Schwächung der christlichen Gewerkschaften:<br />

Bei mehreren Tarifverträgen in einer Branche<br />

soll die Repräsentativität des jeweiligen Tarifvertrages<br />

dafür ausschlaggebend sein, ob dieser auf die gesamte<br />

Branche erstreckt werden kann. Die Erstreckung hätte<br />

zwangsweise das Ende konkurrierender Tarifverträge<br />

zur Folge. Das wäre eine verfassungsrechtlich höchst<br />

bedenkliche Ermächtigung zur staatlichen Zensur von<br />

Tarifverträgen zu Gunsten der DGB-Gewerkschaften. In<br />

der Zeitarbeit würde das Verfahren dazu führen, dass<br />

mit christlichen Gewerkschaften abgeschlossene Tarifverträge<br />

durch solche verdrängt würden, die mit DGB-<br />

Gewerkschaften abgeschlossen worden sind.<br />

Rechtswidrigkeit des Post-„Monopolsicherungslohns“ festgestellt<br />

Trotz der vollständigen Öffnung des deutschen Briefmarktes zu Beginn des Jahres ist es der Deutsche Post AG<br />

gemeinsam mit ver.di gelungen, mit einem 30 % über dem Durchschnittslohn der Wettbewerber liegenden<br />

„Mindestlohn“ von bis zu 9,80 € die Monopolstellung der Deutsche Post AG zu festigen und weiter auszubauen.<br />

Nach Inkrafttreten der Mindestlohnverordnung mussten viele Wettbewerber ihr Geschäft einstellen, tausende<br />

Arbeitsplätze gingen verloren.<br />

Im März hat das Berliner Verwaltungsgericht die Post-Mindestlohnverordnung für rechtswidrig erklärt. Nach<br />

dem Entsendegesetz könnten Tarifverträge nur auf nicht Tarifgebundene erstreckt werden. Es ermächtige nicht<br />

dazu, andere Tarifverträge zu verdrängen und so in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie einzugreifen.<br />

Darüber hinaus hatte das Gericht erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit einer Verordnung<br />

geäußert, die für viele Unternehmen wirtschaftlich das Ende bedeutet, bevor sie überhaupt auf dem gerade erst<br />

für den Wettbewerb geöffneten Briefmarkt Fuß fassen konnten. Der Bundesarbeitsminister hält gleichwohl an<br />

der Mindestlohnverordnung fest und will den Rechtsstreit in die nächsten Instanzen tragen, statt die Notbremse<br />

zu ziehen und so den Druck von der Branche zu nehmen, der weiterhin viele Existenzen und zahlreiche Arbeitsplätze<br />

bedroht.


48<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Branchen erfüllen Voraussetzungen<br />

für Aufnahme ins<br />

ARBEITNEHMER-ENTSENDEGESETZ<br />

nicht<br />

Die Koalition hatte sich in ihrem Kompromiss vom<br />

Juni 2007 darauf verständigt, weitere Branchen in das<br />

AEntG aufzunehmen, wenn beide Tarifvertragsparteien<br />

dies bis zum 31. März <strong>2008</strong> beantragen und in der betreffenden<br />

Branche eine Tarifbindung von mindestens<br />

50 % besteht. Obwohl weite Teile der Politik bis zum<br />

Schluss von einem großen Interesse von mindestens<br />

zehn Branchen mit 4,4 Mio. Beschäftigten ausgegangen<br />

waren, ist das Ergebnis ernüchternd: Lediglich acht<br />

überwiegend kleine Branchen bzw. Teilbranchen haben<br />

sich bis zum Stichtag gemeldet.<br />

Interesse kam aus der Zeitarbeit, der Entsorgungswirtschaft,<br />

der textilen Dienstleistungsbranche, dem Wachund<br />

Sicherheitsgewerbe, den forstwirtschaftlichen<br />

Dienstleistungen, der Weiterbildung, der Altenpflege<br />

und von den Bergbauspezialisten. Es ist erfreulich,<br />

dass sich die Bundeskanzlerin entschieden gegen eine<br />

Aufnahme der Zeitarbeit in das AEntG ausgesprochen<br />

hat: In dieser Branche werden nahezu flächendeckend<br />

Tarifverträge angewendet, und auch ein Entsendeproblem<br />

liegt nicht vor. Ebenso sind bei den übrigen sieben<br />

Branchen die Voraussetzungen für eine Aufnahme in<br />

das AEntG zumindest derzeit nicht erfüllt. So ist die erforderliche<br />

50-prozentige Tarifbindung in allen diesen<br />

Branchen mehr als fraglich. In vier Branchen besteht<br />

nicht einmal ein Mindestlohntarifvertrag, der aber notwendig<br />

wäre, um dies festzustellen.<br />

Regelung zur Tariftreueerklärung<br />

widerspricht<br />

europäischem Recht<br />

Eine Vielzahl von Landesvergabegesetzen geben Regelungen<br />

vor, nach denen die Vergabe öffentlicher Aufträge<br />

davon abhängig gemacht werden kann, dass vom<br />

Auftragnehmer eine sog. Tariftreueerklärung abgegeben<br />

wird, nach der er sich zur Einhaltung von Tarifverträgen<br />

verpflichtet. Dies ist in Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg,<br />

Hessen, Niedersachsen, dem Saarland und Schleswig-Holstein<br />

der Fall. Der Europäische Gerichtshof<br />

hat in der sog. „Rüffert“-Entscheidung ausgehend vom<br />

niedersächsischen Vergabegesetz festgestellt, dass die<br />

Forderung nach Abgabe einer Tariftreueverpflichtung<br />

nicht mit der Entsenderichtlinie und der europäischen<br />

Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Mit der Entscheidung<br />

dürften alle Tariftreueregelungen in den Vergabegesetzen<br />

mit dem europäischen Recht unvereinbar sein.<br />

Die Landesgesetzgeber sind nun gefordert, die Vergabevorschriften<br />

europarechtskonform zu gestalten. Als erste<br />

Reaktion haben alle Bundesländer die verwaltungsinterne<br />

Anweisung gegeben, bis auf weiteres im Rahmen der<br />

öffentlichen Auftragsvergabe keine Tariftreueerklärung<br />

mehr zu fordern. Folgen hat diese Entscheidung auch<br />

auf die geplante Novellierung des Vergaberechts des<br />

Bundes. Auch dort soll eine Regelung aufgenommen<br />

werden, auf deren Grundlage es zukünftig möglich sein<br />

soll, für die Auftragsausführung zusätzliche Anforderungen<br />

an Auftragnehmer zu stellen, die insbesondere soziale,<br />

umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen,<br />

wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem<br />

Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung<br />

ergeben.<br />

Tarifeinheit unverändert in Gefahr<br />

Zunehmend versuchen Arbeitnehmer in Sparten- und<br />

Berufsgewerkschaften ihre Schlüsselpositionen auszunutzen<br />

und trotz eines alle Beschäftigten umfassenden<br />

Tarifvertrages einen zusätzlichen Spartentarifvertrag<br />

durchzusetzen. Dadurch wird der für die Tarifautonomie<br />

und die betriebliche Praxis wichtige Grundsatz der<br />

Tarifeinheit in Frage gestellt, nach dem in einem Betrieb<br />

nur ein Tarifvertrag gelten kann.<br />

Die GDL hatte trotz eines für alle Beschäftigten der Deutsche<br />

Bahn AG bestehenden Tarifwerks über Monate mit<br />

Streiks und Streikdrohungen versucht, der Bahn einen<br />

eigenen Tarifvertrag abzupressen. Die Bahn musste am<br />

Ende einen hohen Preis dafür zahlen, dass zumindest für<br />

die nächsten Jahre die Tarifeinheit innerhalb des Konzerns<br />

gesichert ist (vgl. Kapitel „Ausgewählte Tarifabschlüsse“).<br />

Basis sind Vereinbarungen, die mit allen bei der Deutschen<br />

Bahn verhandelnden Gewerkschaften getroffen<br />

wurden (vgl. Kasten). Dauerhaft ist die Gefahr für die Tarifeinheit<br />

im Bahnverbund damit aber nicht beseitigt. Eine


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

49<br />

Tarifeinheit bei der Bahn – zunächst – gesichert<br />

Bei der Deutsche Bahn AG wird es zukünftig einen funktionsübergreifenden Basistarifvertrag geben, in dem alle typischen<br />

Mantelthemen geregelt sind. Daneben bestehen sechs funktionsspezifische Zusatztarifverträge für einzelne<br />

Berufsgruppen. Einer dieser Tarifverträge ist der mit der GDL abgeschlossene Lokomotivführertarifvertrag (LfTV). Seitens<br />

der Bahn wird die Eigenständigkeit dieses Tarifvertrages in den Grenzen seines genau definierten persönlichen<br />

Geltungsbereichs (Lokführer) anerkannt. Zentraler Baustein für die Sicherung der Tarifeinheit sind die Grundlagentarifverträge,<br />

welche die Bahn darüber hinaus sowohl mit der GDL als auch mit der Tarifgemeinschaft aus Transnet<br />

und GDBA (TG) abgeschlossen hat. Durch die gegenseitige Anerkennung der Zuständigkeiten und der persönlichen<br />

Geltungsbereiche wird die Widerspruchsfreiheit aller Tarifverträge im Tarifgefüge der Bahn gesichert. Es wurde vereinbart,<br />

dass TG und GDL mindestens bis 31. Dezember 2012 keine Tarifverträge fordern, die sich auf eine andere<br />

Mitarbeitergruppe beziehen. Zudem verpflichten sich GDL und TG gegenüber der Bahn, die Tarifverträge des jeweils<br />

anderen anzuerkennen. Sowohl die GDL als auch die TG haben sich im Übrigen gegenüber der Bahn verpflichtet,<br />

untereinander eine Kooperationsabrede abzuschließen. Dadurch soll ein „Aufschaukeln“ der Tarifforderungen vermieden<br />

und Konfliktlösungsprozesse (z. B. Schiedsverfahren) geregelt werden.<br />

Neues TArifwerk im DB-Konzern<br />

Funktionsübergreifender Basistarifvertrag<br />

•Eintritt/Austritt aus dem Arbeitsverhältnis<br />

•Urlaub/sonst. Abwesenheit/Beurlaubung<br />

•Zahlungsmodalitäten/Ecklohn<br />

•Erfolgsbeteiligung<br />

•Altersvorsorge<br />

•Beschäftigungssicherung<br />

I. Anlagen- und<br />

Fahrzeuginstandhaltung<br />

II. Zugbildung<br />

und -bereitstellung<br />

III. Bahnbetrieb<br />

und Netze<br />

IV. Lokomotivführer<br />

V. Bahnservice<br />

und Vertrieb<br />

VI. Allgemeine<br />

Aufgaben<br />

•Meister<br />

•Facharbeiter<br />

•Werke<br />

•Facharbeiter<br />

•Infrastruktur<br />

•Wagenmeister<br />

•Lokrangierführer<br />

•Rangierer<br />

•Fahrdienstleister<br />

•Weichenwärter<br />

•Schrankenwärter<br />

•Lehr-<br />

•Ausbildungs-<br />

•Auslands-<br />

•Streckenlokomotivführer<br />

•Zugchef<br />

•Zugbegleiter<br />

•KiN<br />

•Reiseberater<br />

•Steward<br />

•Mitarbeiter<br />

Servicepoint<br />

•Mitarbeiter<br />

3-S-Zentrale<br />

•Referent<br />

•Fachkraft<br />

•Servicekraft<br />

27.000 11.000 20.000 20.000 20.000 35.000<br />

Funktionsspezifische Zusatztarifverträge für rund 133.000 Mitarbeiter<br />

•Das Tarifsystem der Deutschen Bahn, das sog. „Brandenburger-<br />

Tor-Modell“, gilt für rund 133.000 Mitarbeiter. Es besteht aus einem<br />

einheitlichen Basistarifvertrag, der rund 80 % aller Bestimmungen<br />

umfasst.<br />

• Unterhalb davon gibt es sechs funktionsspezifische Zusatztarifverträge.<br />

Diese regeln insbesondere Entgelt- und Arbeitszeitbestimmungen.<br />

Einer dieser Verträge ist der mit der GDL vereinbarte<br />

Lokomotivführertarifvertrag.<br />

Quelle: Deutsche Bahn AG


50<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

ähnliche Auseinandersetzung um die Tarifeinheit droht<br />

gegenwärtig der Deutschen Lufthansa im Bereich des<br />

Kabinenpersonals. Hier fordern mit ver.di und der Gewerkschaft<br />

der unabhängigen Flugbegleiter (UFO) aktuell<br />

zwei Gewerkschaften Tariferhöhungen und versuchen<br />

sich dabei gegenseitig zu überbieten.<br />

Der Grundsatz der Tarifeinheit ist ein Garant für die<br />

tarifliche Friedenspflicht und damit für ein funktionierendes<br />

Tarifvertragssystem. Er ist wesentliche Voraussetzung<br />

zur Sicherung des Betriebsfriedens. Ohne<br />

Friedenspflicht besteht für die Unternehmen die Gefahr<br />

ständiger Tarifauseinandersetzungen oder gar Streiks.<br />

Spartengewerkschaften mit hohem Erpressungspotenzial<br />

könnten jederzeit Arbeitskämpfe um tarifliche Regelungen<br />

führen, die bereits in einem anderen Tarifwerk<br />

geregelt sind. Die Motivation nimmt ab, sich den Regelungen<br />

eines Tarifvertrages für die ganze Branche oder<br />

das gesamte Unternehmen zu unterwerfen. Denn trotz<br />

eines geltenden Tarifvertrages muss der Arbeitgeber jederzeit<br />

mit Arbeitskämpfen rechnen.<br />

Auch für die betriebliche Praxis besteht ein großes Bedürfnis<br />

nach Anwendung nur eines einheitlichen, für<br />

alle Beschäftigten geltenden Tarifvertrages. Eine Aufgabe<br />

des Grundsatzes der Tarifeinheit würde zu zahlreichen<br />

nur schwer lösbaren Problemen führen: Der Arbeitgeber<br />

müsste z. B. die Gewerkschaftszugehörigkeit<br />

seiner Arbeitnehmer erfragen, um den richtigen Tarifvertrag<br />

anzuwenden. Auch inhaltliche Unterschiede<br />

zwischen den einzelnen Tarifverträgen führen zu erheblichen<br />

Schwierigkeiten. Bei Arbeitsbedingungen<br />

wie z. B. der Arbeitszeit lassen sich unterschiedliche<br />

tarifvertragliche Regelungen in einem Betrieb praktisch<br />

nicht umsetzen.<br />

Das Bundesarbeitsgericht hält zwar im Wesentlichen<br />

seit 1957 am Grundsatz der Tarifeinheit fest. Unterschiedliche<br />

Entscheidungen der Instanzgerichte zum<br />

Grundsatz der Tarifeinheit und zum Streikrecht von<br />

Spartengewerkschaften haben aber zu Rechtsunsicherheit<br />

geführt. Da eine schnelle höchstrichterliche<br />

Klärung nicht in Sicht ist, sollte der Grundsatz der Tarifeinheit<br />

auf andere Weise sichergestellt werden. Im<br />

Zweifel muss der Gesetzgeber handeln und durch die<br />

Bekräftigung des Grundsatzes der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz<br />

die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages<br />

sichern.<br />

Zeitarbeit als Jobmotor sichern<br />

Die Bedeutung der Zeitarbeit als Jobmotor ist ungebrochen.<br />

Zum 30. Juni 2007 gab es nach den aktuellen<br />

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit insgesamt<br />

731.152 Zeitarbeitnehmern 22 % mehr Beschäftigte in<br />

dieser Branche als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.<br />

2007 sind allein 127.000 der insgesamt 500.000<br />

neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse<br />

in der Zeitarbeit entstanden. Der Zuwachs<br />

hat allerdings im Vergleich zu den vergangenen Jahren<br />

etwas nachgelassen. Unternehmen gewinnen mit anhaltendem<br />

Aufschwung Vertrauen in die wirtschaftliche<br />

Stabilität und stellen selbst Personal ein. Zugleich wird<br />

es auch für die Zeitarbeit immer schwieriger, geeignete<br />

Bewerber zu finden.<br />

Arbeitnehmer erhalten durch Zeitarbeit die Chance zur<br />

Qualifizierung durch Beschäftigung. Damit trägt die<br />

Branche entscheidend dazu bei, den drohenden Fachkräftemangel<br />

abzufedern. Darüber hinaus erhalten viele<br />

Arbeitnehmer über die Zeitarbeit die Chance zum Einstieg<br />

in Arbeit. Zeitarbeit leistet damit einen wichtigen<br />

Beitrag zur Vermeidung und Überwindung von Arbeitslosigkeit.<br />

Nach den aktuellen Zahlen der BA waren<br />

am 30. Juni 2007 67,6 % der in Zeitarbeit Beschäftigten<br />

zuvor ohne Arbeit, fast 15 % sogar langzeitarbeitslos.<br />

Zeitarbeit schafft es damit wie keine andere Branche,<br />

die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen wiederherzustellen.<br />

Eine aktuelle Studie des IW-Zeitarbeitsindex<br />

zeigt zudem, dass fast ein Viertel der Zeitarbeitnehmer<br />

von Kundenunternehmen übernommen werden, wenn<br />

sie dort eine gewisse Zeit gearbeitet haben. Ein weiteres<br />

Fünftel kommt in einem Betrieb außerhalb der Zeitarbeit<br />

unter. Eine Studie des IAB von 2003 war noch davon<br />

ausgegangen, dass 30 % der Zeitarbeitnehmer nach ihrer<br />

Tätigkeit in der Zeitarbeit in eine Festanstellung beim<br />

Einsatzbetrieb oder in einem anderen Unternehmen<br />

übernommen wurden.<br />

Vor dem Hintergrund der großen beschäftigungspolitischen<br />

Bedeutung der Zeitarbeit sind Forderungen<br />

nach neuen Hürden für die Zeitarbeit kontraproduktiv.<br />

Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt gerade, dass<br />

eine wirksame Deregulierung und ein Mehr an Flexibilität<br />

Arbeitsplätze schaffen können. Das Rad der<br />

Geschichte zurückzudrehen, würde vielen Menschen,


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

51<br />

Tätigkeit der Arbeitnehmer<br />

vor Zeitarbeit<br />

Zeitarbeiter: Viele bleiben im<br />

Kundenbetrieb<br />

vorher beschäftigt<br />

noch nie beschäftigt<br />

vorher weniger als ein Jahr arbeitslos<br />

vorher ein Jahr und länger arbeitslos<br />

So viel Prozent der Zeitarbeitnehmer, die ihr ehemaliges Zeitarbeitsunternehmen<br />

verlassen haben, sind jetzt ...<br />

beim letzten<br />

Kundenunternehmen<br />

24,3<br />

13,4 %<br />

7,5 %<br />

33,3 %<br />

bei einem anderen<br />

Arbeitgeber<br />

erwerbslos<br />

bei einem anderen<br />

Zeitarbeitsunternehmen<br />

6,4<br />

15,1<br />

21,9<br />

in Rente, Mutterschutz,<br />

Studium etc.<br />

3,1<br />

45,7 %<br />

Befragung von 210 Zeitarbeitsunternehmen im Januar <strong>2008</strong>;<br />

Rest zu 100: keine Informationen<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 30. Juni 2007<br />

Quelle: IW-Zeitarbeitsindex (BZA)<br />

insbesondere Langzeitarbeitslosen, die Chance auf<br />

Rückkehr in den Arbeitsmarkt nehmen. Vor diesem<br />

Hintergrund hat das Präsidium der BDA am 28. Januar<br />

<strong>2008</strong> den Beschluss „Zeitarbeit: Flexibilität schafft<br />

Beschäftigung“ gefasst.<br />

Aktuell macht vor allem die IG Metall Stimmung gegen<br />

die Zeitarbeit. Im Rahmen ihrer Kampagne „Gleiche Arbeit<br />

– gleiches Geld“ wurden z. B. Zeitarbeitsunternehmen<br />

und deren Kundenbetriebe zur Unterzeichnung eines<br />

sog. Fairness-Abkommens aufgefordert und mit der<br />

Aufnahme in eine „schwarze Liste“ bedroht.<br />

Ein solches Vorgehen ist entschieden abzulehnen.<br />

Nach jahrelangem Stillstand ist auch auf europäischer<br />

Ebene Bewegung in das Thema „Zeitarbeit“ gekommen.<br />

Dies hat am 9. Juni <strong>2008</strong> zu einem Kompromiss im Sozialministerrat<br />

geführt, der den Vorschlag einer Zeitarbeitsrichtlinie<br />

beschlossen hat. Das deutsche Zeitarbeitsrecht<br />

entspricht bereits diesem Richtlinienentwurf.<br />

Dies gilt insbesondere für den Gleichbehandlungsgrundsatz,<br />

von dem weiterhin durch Tarifvertrag abgewichen<br />

werden kann. Einer Änderung des deutschen Rechts<br />

bedarf es daher nicht. Die Richtlinie erkennt darüber hinaus<br />

die Bedeutung der Zeitarbeit im Interesse von Unternehmen<br />

und Arbeitnehmern an und lässt Einschränkungen<br />

und Verbote nur unter engen Voraussetzungen<br />

zu. Aktuelle Forderungen nach einer Einschränkung der<br />

Zeitarbeit müssen damit vom Tisch.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zeitarbeit“<br />

veröffentlicht. Dieser ist über www.bda-online.de<br />

abrufbar.


52<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA vom 28. Januar <strong>2008</strong><br />

Zeitarbeit: Flexibilität schafft Beschäftigung<br />

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnt entschieden davor, den Erfolg der Zeitarbeitsbranche<br />

durch Reformrücknahmen und neue Reglementierungen zu torpedieren. Zeitarbeit hat sich zu einem wichtigen<br />

Beschäftigungsmotor in Deutschland entwickelt. Allein 2007 sind von 500.000 neuen sozialversicherungspflichtigen<br />

Beschäftigungsverhältnissen 127.000 in der Zeitarbeit geschaffen worden. Die Zeitarbeitsbranche hat maßgeblich dazu<br />

beigetragen, dass der Arbeitsmarkt insgesamt wieder in Schwung gekommen ist. Dies zeigt, dass durch mehr Flexibilität<br />

Arbeitsplätze geschaffen werden können.<br />

1. Zeitarbeit hilft Arbeitslosigkeit überwinden<br />

Zeitarbeit vermeidet und überwindet Arbeitslosigkeit. Nach aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren Ende<br />

2006 von den insgesamt 631.076 Zeitarbeitnehmern über die Hälfte zuvor arbeitslos, viele von ihnen sogar ein Jahr und<br />

länger. Dies beweist: Zeitarbeit ist wie keine andere Branche in der Lage, Langzeitarbeitslosen wieder eine Beschäftigungsperspektive<br />

zu geben. Dabei schlägt die Zeitarbeit auch eine Brücke zur Beschäftigung in andere Branchen: Aus<br />

dem Zeitarbeitsverhältnis heraus wird fast ein Drittel der Zeitarbeitnehmer von einem Unternehmen außerhalb der<br />

Zeitarbeit übernommen.<br />

2. Zeitarbeit schafft Qualifizierung<br />

Insbesondere für Nicht- oder gering Qualifizierte, für Langzeitarbeitslose und Menschen mit Vermittlungshemmnissen<br />

ist Zeitarbeit ein Weg in den Arbeitsmarkt. Gut 30 % aller Zeitarbeitnehmer verfügen nicht über eine abgeschlossene<br />

Berufsausbildung. Diesen Arbeitnehmern eröffnet Zeitarbeit die Chance zur Qualifizierung durch Beschäftigung.<br />

Zeitarbeit fördert zudem den Trend zur Spezialisierung und Höherqualifizierung. Sie erfüllt damit eine wichtige Funktion<br />

auf dem Weg von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Unternehmen, die aus Kostengründen teure Spitzenkräfte<br />

nur bei konkretem Bedarf einsetzen, können mit Zeitarbeitsfirmen zusammenarbeiten und auf diesem Weg ihren Fachkräftebedarf<br />

decken. Darüber hinaus kann Zeitarbeit durch Qualifizierung in Beschäftigung einen wichtigen Beitrag<br />

leisten, den drohenden Fachkräftemangel abzufedern.<br />

3. Zeitarbeit gibt Unternehmen die notwendige Flexibilität<br />

Unternehmen erhalten durch Zeitarbeit die notwendige Flexibilität, auf die Herausforderungen von Globalisierung und<br />

Strukturwandel reagieren zu können. Unternehmen mit variierenden Auftragsbeständen bekommen durch Zeitarbeit<br />

ein Instrument an die Hand, mit dem sie kurzfristige Auftragsspitzen zeitnah abarbeiten können. Auf Nachfrageschwankungen<br />

und wechselnde Produktionskapazitäten kann schnell reagiert und neue Arbeitskräfte können rechtzeitig rekrutiert<br />

werden. Zeitarbeit wird dementsprechend ganz überwiegend dazu genutzt, zeitlich begrenzten Bedarf an Personal<br />

flexibel zu decken.<br />

Vor dem Hintergrund des viel zu starren und unflexiblen deutschen Arbeitsrechts wirkt Zeitarbeit auch als Ausweg. Insbesondere<br />

das Kündigungsschutzrecht lässt viele Unternehmen bei Ungewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung<br />

vor der Einstellung eigener Arbeitskräfte zurückschrecken. Die Entwicklung der Zeitarbeitsbranche zeigt, dass ein Mehr<br />

an Flexibilität Arbeitsplätze schafft und sichert, weil Unternehmen rechtzeitig auf veränderte Rahmenbedingungen<br />

reagieren können.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

53<br />

4. Jobmotor Zeitarbeit nicht durch neue Regulierung abwürgen<br />

Die BDA warnt vor einer Rolle rückwärts in der Zeitarbeit. Die Forderungen von SPD und Gewerkschaften nach ausnahmsloser<br />

Gleichbehandlung mit der Belegschaft im Einsatzbetrieb, Beschränkung der Höchstüberlassungsdauer oder<br />

Quoten für den Einsatz von Zeitarbeit sind gefährliche Ansätze, die darauf abzielen, den Beschäftigungs- und Wirtschaftswachstumsmotor<br />

Zeitarbeit abzuwürgen.<br />

Der Erfolg der Zeitarbeitsbranche zeigt, dass die Deregulierung und Flexibilisierung der Zeitarbeit einer der erfolgreichsten<br />

Bausteine der Arbeitsmarktreform von 2002 war und immer noch ist. Durch Abschaffung von Wiedereinstellungs-,<br />

Synchronisations- und Befristungsverboten sowie Aufhebung der Beschränkung der Höchstüberlassungsdauer<br />

konnte die Branche die Bedeutung für Arbeitnehmer und Unternehmen erhalten, die sie heute hat.<br />

Es ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, die Zeitarbeit als Jobmotor uneingeschränkt zu erhalten. Andernfalls würde<br />

vielen Menschen, insbesondere Langzeitarbeitslosen, die Chance auf Rückkehr in den Arbeitsmarkt genommen. Ein<br />

solcher Schritt würde zudem den Flexibilitätsbedürfnissen der Unternehmen diametral entgegenstehen, mit negativen<br />

Konsequenzen auch für deren Stammbelegschaften.<br />

Die BDA lehnt die Aufnahme der Zeitarbeit in das Entsendegesetz ab. Derzeit besteht in der Zeitarbeitsbranche keine<br />

Entsendeproblematik, weil dies durch die noch immer bestehenden Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer<br />

aus den neuen EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen wird. Allerdings kann sich diese Situation nach Herstellung<br />

der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit – frühestens im Mai 2009 – ändern. Wenn dann eine<br />

Entsendeproblematik in der Zeitarbeit entsteht, könnte eine Aufnahme dieser Branche in das Entsendegesetz vertretbar<br />

sein; allerdings setzt dies voraus, dass ein nach den Regeln des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärter<br />

Tarifvertrag vorliegt und dadurch keine konkurrierenden Branchentarifverträge verdrängt werden.


55<br />

Gesundheit und Pflege ■ Rente und Ältere<br />

■ Arbeitsschutz ■ Sozialstaat ■ Krankenversicherung<br />

■ Gesundheitswesen<br />

■ Prävention ■ Pflegeversicherung ■ Rehabilitation<br />

■ Gesetzliche Rentenversicherung<br />

■ Betriebliche Altersvorsorge<br />

■ Private Vorsorge ■ Unfallversicherung<br />

■ Arbeitsschutz SOZIALE in SICHERUNG<br />

Europa ■ Arbeitsmedizin<br />

■ Ordnungsprinzipien und Rahmenbedingungen<br />

■ Finanzierung ■ Soziale<br />

Selbstverwaltung ■ Beitrags- und Melderecht<br />

■ Gesundheit und Pflege ■ Rente<br />

und Ältere ■ Arbeitsschutz ■ Sozialstaat<br />

■ Krankenversicherung ■ Gesundheitswesen<br />

■ Prävention ■ Pflegeversicherung<br />

■ Rehabilitation ■ Gesetzliche Rentenversicherung<br />

■ Betriebliche Altersvorsorge<br />

■ Private Vorsorge ■ Unfallversicherung<br />

■ Arbeitsschutz in Europa ■ Arbeitsmedizin<br />

■ Ordnungsprinzipien und Rahmenbedingungen<br />

■ Finanzierung ■ Soziale<br />

Selbstverwaltung ■ Beitrags- und Melderecht<br />

■ Gesundheit und Pflege ■ Rente<br />

und Ältere ■ Arbeitsschutz ■ Sozialstaat<br />

■ Krankenversicherung ■ Gesundheitswesen<br />

■ Prävention ■ Pflegeversicherung<br />

■ Rehabilitation ■ Gesetzliche Rentenversicherung<br />

■ Betriebliche Altersvorsorge<br />

■ Private Vorsorge ■ Unfallversicherung<br />

■ Arbeitsschutz in Europa ■ Arbeitsmedizin<br />

■ Ordnungsprinzipien und Rahmenbedingungen<br />

■ Finanzierung ■ Soziale<br />

Selbstverwaltung ■ Beitrags- und Melderecht<br />

■ Gesundheit und Pflege ■ Rente<br />

und Ältere ■ Arbeitsschutz ■ Sozialstaat<br />

■ Krankenversicherung ■ Gesundheitswesen<br />

■ Prävention ■ Pflegeversicherung<br />

■ Rehabilitation ■ Gesetzliche Rentenversicherung<br />

■ Betriebliche Altersvorsorge<br />

■ Private Vorsorge ■ Unfallversicherung<br />

■ Arbeitsschutz in Europa ■ Arbeitsmedizin<br />

■ Ordnungsprinzipien und Rahmenbedingungen<br />

■ Finanzierung ■ Soziale<br />

Selbstverwaltung ■ Beitrags- und Melderecht<br />

■ Gesundheit und Pflege ■ Rente<br />

und Ältere ■ Arbeitsschutz ■ Sozialstaat<br />

■ Krankenversicherung ■ Gesundheitswesen<br />

■ Prävention ■ Pflegeversicherung<br />

■ Rehabilitation ■ Gesetzliche Rentenversicherung<br />

■ Betriebliche Altersvorsorge<br />

■ Private Vorsorge ■ Unfallversicherung<br />

■ Arbeitsschutz in Europa ■ Arbeitsmedizin<br />

■ Ordnungsprinzipien und Rahmenbedingungen<br />

■ Finanzierung ■ Soziale Selbstverwaltung<br />

■ Beitrags- und Melderecht<br />

■ Gesundheit und Pflege ■ Rente und Ältere<br />

■ Arbeitsschutz ■ Sozialstaat ■ Krankenversicherung<br />

■ Gesundheitswesen<br />

■ Prävention ■ Pflegeversicherung ■ Rehabilitation<br />

■ Betriebliche Altersvorsorge


56<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Sozialbeiträge – 40 %-Marke wird<br />

zur Jahresmitte bereits wieder<br />

überschritten<br />

CDU/CSU und SPD haben ihr im Koalitionsvertrag vom<br />

11. November 2005 vereinbartes Ziel, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag<br />

wieder unter 40 % zu senken,<br />

zum 1. Januar <strong>2008</strong> erstmals erreicht, wenn auch äußerst<br />

knapp. Die Beitragssatzsumme ging zum Jahreswechsel<br />

um 0,8 Prozentpunkte auf 39,9 % zurück. Der spürbaren<br />

Senkung des Beitragssatzes zur Bundesagentur für Arbeit<br />

von 4,2 auf 3,3 % stand eine leichte Anhebung des durchschnittlichen<br />

Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

von 14,8 auf 14,9 % gegenüber. Die Beitragssätze<br />

in der Renten- und Pflegeversicherung blieben<br />

unverändert bei 19,9 bzw. durchschnittlich 1,8 %.<br />

Seit Amtsantritt der großen Koalition ist die Beitragssatzsumme<br />

in der Sozialversicherung um insgesamt 2,1 Prozentpunkte<br />

zurückgegangen. Die damit verbundene<br />

Entlastung der Arbeitskosten der Unternehmen hat einen<br />

wichtigen Beitrag zum Aufbau von Beschäftigung sowie<br />

zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit geleistet.<br />

Allerdings steht die positive Entwicklung bei den Beitragssätzen<br />

auf tönernen Füßen: Zum einen ist der<br />

Rückgang nicht – wie von der BDA immer wieder<br />

angemahnt – das Ergebnis durchgreifender Ausgaben<br />

senkender Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen,<br />

sondern einseitig bedingt durch die<br />

Beitragsentlastung in der Arbeitslosenversicherung, die<br />

zudem auch nur teilweise durch echte Strukturreformen<br />

ermöglicht wurde: Während der Beitragssatz zur<br />

Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen beiden<br />

Jahren von 6,5 auf 3,3 % (minus 3,2 Prozentpunkte)<br />

reduziert und der Beitragssatz zur Pflegeversicherung<br />

– inklusive Beitragszuschlag für Kinderlose – zumindest<br />

bei 1,8 % konstant gehalten wurde, stieg der<br />

Rentenversicherungsbeitragssatz von 19,5 auf 19,9 %<br />

(plus 0,4 Prozentpunkte) und der durchschnittliche<br />

Beitragssatz zur Krankenversicherung sogar von 14,2<br />

auf 14,9 % (plus 0,7 Prozentpunkte).<br />

Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz könnte noch<br />

sehr viel niedriger liegen, wenn die große Koalition die<br />

erfolgten kräftigen Beitragssatzsteigerungen in der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung durch eine durchgreifende<br />

und zukunftsweisende Gesundheitsreform verhin­<br />

BEITRAGSSÄTZE STEIGEN ZUR JAHRESMITTE WIEDER ÜBER 40 %<br />

(Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt)<br />

Pflegeversicherung (Durchschnitt)<br />

Arbeitslosenversicherung<br />

Krankenversicherung (Durchschnitt)<br />

Rentenversicherung<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

in %<br />

26,5<br />

1,3<br />

8,2<br />

32,4<br />

3,0<br />

11,4<br />

35,8<br />

4,3<br />

12,8<br />

41,1<br />

1,70<br />

6,5<br />

13,6<br />

42,0<br />

1,77<br />

6,5<br />

14,2<br />

42,0<br />

1,77<br />

6,5<br />

14,2<br />

40,7<br />

1,77<br />

4,2<br />

14,8<br />

39,9 40,1<br />

1,77 2,02<br />

3,3<br />

3,3<br />

14,9 14,9<br />

20<br />

15<br />

17,0<br />

18,0<br />

18,7<br />

19,3 19,5<br />

19,5<br />

19,9<br />

19,9 19,9<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1970 1980 1990 2000 2005 2006 2007 <strong>2008</strong> 1.7.<strong>2008</strong><br />

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Deutsche Rentenversicherung Bund; eigene Darstellung der BDA


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

57<br />

dert hätte. Das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, die<br />

Krankenkassenbeiträge „stabil zu halten und möglichst<br />

zu senken“, wurde jedoch voll verfehlt.<br />

Zum anderen versäumt es die Bundesregierung, die erreichte<br />

Senkung bei den Beiträgen für die Zukunft zu sichern:<br />

Mit der Pflegereform <strong>2008</strong> („Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“)<br />

erhöht sich der Beitragssatz in der sozialen<br />

Pflegeversicherung zur Jahresmitte <strong>2008</strong> um 0,25 Prozentpunkte<br />

und der Gesamtsozialversicherungsbeitrag<br />

steigt damit wieder über 40 %. Hinzu kommt, dass die<br />

Leistungen der sozialen Pflegeversicherung – trotz dieser<br />

Beitragssatzanhebung – nicht dauerhaft finanziert werden<br />

können. Laut Gesetzesbegründung werden die Reserven<br />

der Pflegekassen spätestens „Ende 2014/Anfang 2015“ so<br />

weit abgeschmolzen sein, dass eine weitere Beitragssatzanhebung<br />

notwendig wird, wenn nicht rechtzeitig durch<br />

Reformen gegengesteuert wird.<br />

Der Eingriff in die Rentenanpassungsformel durch das<br />

„Gesetz zur Rentenanpassung <strong>2008</strong>“ wird nicht nur die<br />

Entlastungswirkungen der „Rente mit 67“ bis 2020 vollkommen<br />

aufzehren, sondern auch die bislang bereits ab<br />

dem Jahr 2011 erwarteten Beitragssatzsenkungen verzögern<br />

bzw. verringern. Nach Berechnungen des Bundesministeriums<br />

für Arbeit und Soziales (BMAS) muss das<br />

heutige Beitragssatzniveau bis 2011 bei 19,9 % beibehalten<br />

werden und kann nicht – wie nach geltendem<br />

Recht – 2011 auf 19,3 % gesenkt werden. Auch 2012<br />

wird der Beitragssatz mit 19,5 statt 19,1 % noch deutlich<br />

höher liegen als ohne Eingriff in die Rentenformel.<br />

Die Zielsetzung der großen Koalition, den Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz<br />

unter 40 % zu senken und zu<br />

halten, bleibt richtig und unverzichtbar. Der Senkung<br />

der lohnbezogenen Sozialabgaben kommt entscheidende<br />

Bedeutung für die Schaffung neuer Beschäftigung zu.<br />

Zur Einhaltung des 40 %-Ziels müssen jedoch dringend<br />

weitere Schritte unternommen werden. Insbesondere<br />

muss die Bundesregierung, wenn sie im Herbst <strong>2008</strong><br />

erstmals den Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung<br />

selbst festsetzt, neue Belastungen der Beitragszahler<br />

vermeiden bzw. diese durch rechtzeitig davor<br />

eingeleitete Maßnahmen verhindern. Die BDA hat hierzu<br />

im April <strong>2008</strong> ein ausführliches Positionspapier vorgelegt,<br />

mit dem sich die wesentlichen Konstruktionsfehler<br />

und gravierenden Nachteile des Gesundheitsfonds<br />

beseitigen lassen.<br />

Im Bereich der Rentenversicherung konnte die BDA<br />

erreichen, dass der Spielraum für künftige Beitragssatzsenkungen<br />

nicht noch weiter eingeengt wird. So hat<br />

das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zumindest<br />

von seinen weiter gehenden Rentenplänen Abstand<br />

genommen, die Höchstnachhaltigkeitsrücklage<br />

auf 2,5 Monatsausgaben anzuheben und die erstmalige<br />

Anwendung des Anpassungsfaktors von 2011 auf<br />

2013 zu verschieben.<br />

Gesetzliche Rentenversicherung<br />

– Mehrausgaben durch<br />

Sonder-Rentenerhöhung<br />

Nach der Verabschiedung im Bundestag am<br />

8. Mai <strong>2008</strong> hat auch der Bundesrat das „Gesetz zur<br />

Rentenanpassung <strong>2008</strong>“ gebilligt. Es sieht vor, die<br />

sog. Riester-Treppe, die den Rentenanstieg pro Jahr<br />

um gut 0,6 Prozentpunkte dämpft, in diesem und im<br />

nächsten Jahr auszusetzen und erst in den Jahren 2012<br />

und 2013 nachzuholen. Dadurch können die Renten<br />

zum 1. Juli <strong>2008</strong> um 1,1 statt um 0,5 % und zum<br />

1. Juli 2009 um 2,0 statt um 1,4 % angehoben werden.<br />

Damit sollen die Rentner – so die Begründung der<br />

Bundesregierung – „angemessen“ am Wirtschaftsaufschwung<br />

beteiligt werden.<br />

Die BDA hat das „Gesetz zur Rentenanpassung <strong>2008</strong>“<br />

als Rentenwillkür bezeichnet und abgelehnt. Der beschlossene<br />

Eingriff in die Rentenformel öffnet einer Rentenpolitik<br />

nach Wahlterminen und Kassenlage Tür und<br />

Tor. Das Abweichen von der gesetzlichen Rentenformel<br />

sendet die Botschaft, dass die Rentenhöhe weniger von<br />

klaren Regeln als von politischer Opportunität abhängt.<br />

Wer zur Finanzierung zusätzlicher Rentenanpassungen<br />

kurzfristig in die Rentenformel eingreift, darf sich nicht<br />

wundern, wenn bei künftigen Rentenanpassungen erneut<br />

eine zusätzliche Anhebung gefordert wird.<br />

Für die Kosten der geplanten zusätzlichen Rentenleistungen<br />

– rund 12 Mrd. € in den Jahren <strong>2008</strong> bis 2013<br />

im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung – müssen<br />

vor allem die Beitragszahler aufkommen. So können<br />

die Beitragssätze nicht wie geplant in den Jahren<br />

2011 und 2012 sinken. Die Folge sind höhere Personalzusatzkosten<br />

für die Arbeitgeber und weniger Netto für<br />

die Beschäftigten. Die höheren Beitragssätze werden die


58<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

rentenanpassung <strong>2008</strong> – Beitragszahler werden 2011 und 2012 zur Kasse gebeten<br />

Jahr<br />

Szenario 1:<br />

Ohne Sonder-Rentenerhöhung<br />

2)<br />

Szenario 2:<br />

Mit Sonder-Rentenerhöhung<br />

3)<br />

Szenario 3:<br />

Ursprünglicher Plan des BMAS<br />

4)<br />

Beitragssatz Rücklage Beitragssatz Rücklage Beitragssatz Rücklage<br />

<strong>2008</strong><br />

2009<br />

2010<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

0,88<br />

1,12<br />

1,45<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

0,83<br />

0,92<br />

1,05<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

0,80<br />

0,90<br />

1,10<br />

2011<br />

2012<br />

2013<br />

19,3<br />

19,1<br />

19,1<br />

1,52<br />

1,56<br />

1,52<br />

19,9<br />

19,5<br />

19,1<br />

1,35<br />

1,52<br />

1,50<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

1,30<br />

1,70<br />

2,10<br />

2014<br />

2015<br />

2016<br />

19,1<br />

19,1<br />

19,1<br />

1,37<br />

1,14<br />

0,82<br />

19,1<br />

19,1<br />

19,1<br />

1,40<br />

1,15<br />

0,83<br />

19,7<br />

19,3<br />

19,3<br />

2,50<br />

2,60<br />

2,50<br />

2017<br />

2018<br />

2019<br />

19,1<br />

19,6<br />

19,9<br />

0,41<br />

0,25<br />

0,21<br />

19,1<br />

19,6<br />

19,9<br />

0,43<br />

0,26<br />

0,23<br />

19,3<br />

19,3<br />

19,3<br />

2,20<br />

1,90<br />

1,50<br />

2020<br />

20,0<br />

0,21<br />

20,0<br />

0,22<br />

19,3<br />

1,00<br />

2025<br />

21,0<br />

0,25<br />

20,9<br />

0,23<br />

20,9<br />

0,50<br />

2030<br />

21,9<br />

0,25<br />

21,8<br />

0,21<br />

21,9<br />

0,50<br />

1) Beitragssatz in %, Nachhaltigkeitsrücklage in Monatsausgaben<br />

2) Szenario 1 = nach altem Recht, d. h. mit einer Rentenanpassung von 0,46 % zum 1. Juli <strong>2008</strong> in West- und Ostdeutschland<br />

3) Szenario 2 = nach dem „Gesetz zur Rentenanpassung <strong>2008</strong>“, d. h. mit einer Rentenanpassung von 1,10 % zum 1. Juli <strong>2008</strong> in West- und Ostdeutschland<br />

4) Szenario 3 = nach der „Formulierungshilfe“ für ein Gesetz über die Bestimmung der aktuellen Rentenwerte ab 1. Juli <strong>2008</strong>, d. h. mit Sonder-Rentenerhöhung,<br />

Anheben der Höchstnachhaltigkeitsrücklage von 1,5 auf 2,5 Monatsausgaben und Verschiebung des Anpassungsfaktors zur Nachholung unterbliebener<br />

Rentendämpfungen um zwei Jahre auf 2013<br />

Quellen: „Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung <strong>2008</strong>“ vom 8. April <strong>2008</strong> und „Formulierungshilfe“ für ein Gesetz über die Bestimmung der aktuellen<br />

Rentenwerte ab 1. Juli <strong>2008</strong> vom 20. März <strong>2008</strong>; eigene Zusammenstellung der BDA<br />

Beitragszahler insgesamt um mehr als 9 Mrd. € belasten<br />

und zudem einen um mehr als 2 Mrd. € höheren Bundeszuschuss<br />

erfordern.<br />

Mit den zusätzlichen Rentenerhöhungen <strong>2008</strong> und<br />

2009 führt die Koalition ihre eigene Rentenpolitik ad absurdum:<br />

Das mit der „Rente mit 67“ verfolgte Ziel, die<br />

nachhaltige Finanzierbarkeit der Rentenversicherung zu<br />

verbessern, wird durch den jetzt geplanten Eingriff konterkariert.<br />

Bis zum Jahr 2020 sind die aus dem Eingriff<br />

in die Rentenanpassungsformel resultierenden Belastungen<br />

größer als die Entlastungen, die mit der schrittweisen<br />

Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters<br />

verbunden sind.<br />

Die zusätzlichen Rentenleistungen in den Jahren <strong>2008</strong><br />

bis 2013 führen ferner zu einer einseitigen Besserstellung<br />

der heutigen Rentner zu Lasten der heutigen Beitragszahler:<br />

Sie müssen mit höheren Beiträgen dafür<br />

aufkommen, dass die heutigen Rentner zusätzliche Leistungen<br />

erhalten, werden dafür aber selber keine zusätzlichen<br />

Anwartschaften erwerben, weil das langfristige<br />

Rentenniveau durch die jetzt geplanten zwischenzeitlichen<br />

Rentenerhöhungen nicht verändert wird.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

59<br />

Es ist schwer begreiflich, warum die Jüngeren angesichts<br />

des derzeitigen gesetzlichen Rentenniveaus von rund<br />

50 % über mehrere Jahre hinweg höhere Rentenleistungen<br />

finanzieren sollen, obwohl bei ihrem Renteneintritt<br />

das Rentenniveau deutlich niedriger liegen wird<br />

(46 % im Jahr 2020 und 43 % im Jahr 2030 nach letzten<br />

Vorausberechnungen).<br />

Auch mit Blick auf die Verteilungswirkungen ist unverständlich,<br />

warum ausgerechnet zu Gunsten der Rentner<br />

und damit derjenigen Bevölkerungsgruppe, die am wenigsten<br />

von Armut betroffen und mit 2 % am seltensten<br />

auf Grundsicherung angewiesen ist, jetzt ein zusätzliches<br />

Leistungspaket von rund 12 Mrd. € verabschiedet<br />

worden ist.<br />

Der aktuelle Fall zeigt aber auch: Finanzielle Rücklagen<br />

verführen zu Leistungsausweitungen, denn sie ermöglichen<br />

kurzfristig, höhere Leistungen ohne höheren<br />

Beitragssatz zu finanzieren. Die zusätzlichen Rentenerhöhungen<br />

<strong>2008</strong> und 2009 wären kaum beschlossen<br />

worden, wenn die Höhe der Nachhaltigkeitsrücklage<br />

dafür nicht ausgereicht hätte und eine Beitragssatzanhebung<br />

hierfür erforderlich gewesen wäre. Für die Zukunft<br />

kann das nur heißen, die Rücklagen der Sozialversicherung<br />

zwar immer so hoch wie nötig, aber immer auch so<br />

knapp wie möglich zu halten.<br />

Verfehlt ist insbesondere, dass das „Gesetz zur Rentenanpassung<br />

<strong>2008</strong>“ – entgegen seinem Namen – gleich für<br />

dieses und für nächstes Jahr zusätzliche Steigerungen<br />

vorsieht. Schließlich ist bereits auf der Grundlage des<br />

geltenden Rechts und der Annahmen der Bundesregierung<br />

davon auszugehen, dass die Renten im kommenden<br />

Jahr so stark steigen wie seit 2002 nicht mehr. Wenn<br />

dennoch zusätzliche Rentensteigerungen 2009 erfolgen<br />

sollen, lässt sich dies nur mit kurzsichtigen wahltaktischen<br />

Überlegungen erklären.<br />

Ursprünglich wollte das BMAS die Sonder-Rentenerhöhung<br />

mit weiteren rentenpolitischen Maßnahmen verknüpfen.<br />

Vor allem war daran gedacht, die Höchstnachhaltigkeitsrücklage<br />

von 1,5 auf 2,5 Monatsausgaben<br />

anzuheben und die erstmalige Anwendung des Anpas­<br />

Nachhaltigkeitsrücklage wieder angestiegen<br />

Rücklagen der allgemeinen Rentenversicherung am Jahresende<br />

in Mrd. €<br />

25<br />

1,00<br />

0,93<br />

in Mrd. €<br />

in Monatsausgaben<br />

in Monatsausgaben<br />

1,0<br />

0,9<br />

20<br />

0,74<br />

0,8<br />

15<br />

0,63<br />

0,61<br />

0,7<br />

0,6<br />

14,2<br />

13,8<br />

0,48<br />

0,5<br />

10<br />

9,7<br />

7,5<br />

0,32<br />

9,7<br />

11,7<br />

0,4<br />

0,3<br />

5<br />

5,0<br />

0,2<br />

0,11<br />

0,1<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

1,7<br />

0<br />

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund


60<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

sungsfaktors zur Nachholung unterbliebener Rentendämpfungen<br />

von 2011 auf 2013 zu verschieben.<br />

Die BDA konnte durch ihre umgehende Intervention<br />

erreichen, dass die Bundesregierung zumindest von diesen<br />

weiter gehenden Rentenplänen Abstand genommen<br />

hat. Allein die beabsichtigte Anhebung der Höchstnachhaltigkeitsrücklage<br />

hätte die Ansammlung zusätzlicher<br />

Beitrags- und Steuermittel in Höhe von rund 16 Mrd. €<br />

erforderlich gemacht und dadurch künftige Beitragssatzsenkungen<br />

stark erschwert.<br />

Nach dem Finanztableau des „Gesetzes zur Rentenanpassung<br />

<strong>2008</strong>“ (siehe Übersicht „Rentenanpassung<br />

<strong>2008</strong> – Beitragszahler werden 2011 und 2012 zur<br />

Kasse gebeten“) kann der Beitragssatz in der allgemeinen<br />

Rentenversicherung 2012 auf 19,5 % und 2013<br />

nochmals auf 19,1 % abgesenkt werden (Szenario 2).<br />

Das ist zwar ein Jahr später als nach geltendem Recht<br />

(Szenario 1). Aber nach den ursprünglichen Planungen<br />

des BMAS wäre der Beitragssatz bis 2013 bei 19,9 %<br />

konstant geblieben, erst 2014 auf 19,7 % gesunken und<br />

hätte 2015 bereits mit 19,3 % sein Minimum erreicht.<br />

Zurzeit entspricht ein Beitragssatzpunkt einer Beitragsbelastung<br />

von 8,7 Mrd. €.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche<br />

Rentenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Betriebliche Altersvorsorge –<br />

Zusätzliche Steuerbelastung<br />

verhindern<br />

Bislang ist es gelungen, eine zusätzliche Steuerbelastung<br />

der betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen des<br />

Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2009<br />

zu verhindern. Insbesondere konnten die ursprünglichen<br />

Pläne des Bundesministeriums der Finanzen<br />

(BMF), eine Besteuerung von Erträgen aus Streubesitzbeteiligungen<br />

(Beteiligung an Unternehmen von<br />

unter 10 %) einzuführen, vereitelt werden. Zwar ist<br />

nachvollziehbar, dass das BMF in Anbetracht eines<br />

anhängigen EU-Vertragsverletzungsverfahren versucht,<br />

eine EU-konforme Besteuerung von Streubesitzerträgen<br />

zu erreichen. Allerdings dürfen diese Vorschläge<br />

nicht zu Lasten der betrieblichen Altersvorsorge gehen.<br />

Denn die geplante Gesetzes änderung würde die<br />

Rentabilität der betrieblichen Altersvorsorge deutlich<br />

beeinträchtigen. Im Ergebnis müssten nämlich Kapitalerträge<br />

aus Streubesitz beteiligungen, die von den<br />

Unternehmen zur Abdeckung von Pensionszusagen<br />

gebildet wurden, zunächst auf betrieblicher Ebene versteuert<br />

werden und anschließend erneut von den Betriebsrentnern<br />

im Rahmen der nachgelagerten Besteuerung.<br />

Allein Unternehmen, die zur Abdeckung ihrer<br />

Pensionszusagen Aktienbeteiligungen halten, hätten<br />

nach erster Schätzung eine steuerliche Mehrbelastung


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

61<br />

von ca. 800 Mio. € jährlich zu tragen. Diese Mehrbelastung,<br />

von der sowohl Arbeitgeber als auch – bei<br />

beitragsorientierten Zusagen – Arbeitnehmer direkt<br />

betroffen wären, würde die betriebliche Altersvorsorge<br />

deutlich schwächen.<br />

Insofern ist es zu begrüßen, dass auf Intervention der<br />

BDA dieses Vorhaben nicht im Rahmen des Jahressteuergesetzes<br />

2009 von der Bundesregierung beschlossen<br />

wurde. Allerdings ist vorgesehen, noch im laufenden<br />

Jahr eine Lösung zum EU-Vertragsverletzungsverfahren<br />

zu finden. Die BDA wird sich weiter dafür einsetzen,<br />

dass hierbei zusätzliche steuerliche Belastungen von<br />

Pensionszusagen verhindert werden.<br />

Mehrbelastung der Unternehmen<br />

durch Reform des<br />

Versorgungsausgleichs auf<br />

MindestMaSS beschränken<br />

Die Bundesregierung hat am 21. Mai <strong>2008</strong> einen Gesetzentwurf<br />

zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs<br />

beschlossen, der jedoch dem Erfordernis noch<br />

nicht hinreichend Rechnung trägt, die mit dem Versorgungsausgleich<br />

verbundenen Belastungen für die<br />

betriebliche Altersvorsorge auf ein Mindestmaß zu beschränken.<br />

Deshalb wird sich die BDA im anstehenden<br />

Gesetzgebungsverfahren weiterhin für Nachbesserungen<br />

einsetzen, um unnötige bürokratische Belastungen<br />

durch die Reform des Versorgungsausgleichs, die insbesondere<br />

aus verfassungsrechtlichen Gründen unverzichtbar<br />

ist, zu vermeiden.<br />

Vor allem im Hinblick auf die vorgesehene obligatorische<br />

Realteilung sieht der Vorschlag vermeidbare Belastungen<br />

vor. Die geplante zwangsweise Aufnahme<br />

von geschiedenen Ehegatten in betriebliche Versorgungssysteme<br />

würde die Versorgungssysteme zusätzlich<br />

aufblähen und zu mehr Bürokratie führen. Um dies<br />

zu vermeiden, sollten ausgleichsberechtigte Personen<br />

regelmäßig – unabhängig vom betroffenen Durchführungsweg<br />

– ohne Betragsobergrenzen abgefunden<br />

werden können. Insoweit ist zu begrüßen, dass der<br />

Gesetzentwurf bei den internen Durchführungswegen<br />

(Direktzusage, Unterstützungskasse) den Forderungen<br />

der BDA entgegenkommt, indem für diese die Betragsgrenzen<br />

für das einseitige Abfindungsrecht der Anrechte<br />

der Berechtigten durch die Arbeitgeber (externe<br />

Realteilung), im Gegensatz zum Referentenentwurf,<br />

erheblich nach oben erweitert wurden (von 5.964 €<br />

auf 63.600 €). Bei den externen Durchführungswegen<br />

(Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherung)<br />

sieht der Gesetzentwurf hingegen weiterhin nur<br />

die Abfindungsmöglichkeit von Kleinst anwartschaften<br />

(50 € Monatsrente) vor. Durch diese Beschränkung<br />

würden Arbeitgeber, die ihre Versorgung über die externen<br />

Durchführungswege durchführen, aufgrund der<br />

internen Teilung gezwungen, betriebsfremde Personen<br />

in ihr Versorgungssystem aufzunehmen, womit ein erheblicher<br />

zusätzlicher Bürokratieaufwand verbunden<br />

wäre. Die Einschränkung der Abfindungsmöglichkeiten<br />

in den externen Durchführungswegen ist auch<br />

deshalb nicht sachgerecht, weil dieser Mehraufwand<br />

unabhängig davon entsteht, ob der Arbeitgeber die betriebliche<br />

Altersvorsorge selbst durchführt oder über<br />

einen Versorgungsträger. Besonders benachteiligt wären<br />

die Arbeitgeber, die ihre Versorgung über eigene<br />

Firmenpensionskassen oder Pensionsfonds durchführen,<br />

da der zusätzliche Aufwand die Arbeitgeber als<br />

Trägerunternehmen direkt belasten würde.<br />

Im Interesse einer Vereinfachung ist weiterhin erforderlich,<br />

dass verfallbare Anwartschaften nicht in den<br />

Versorgungsausgleich einbezogen werden. Nach dem<br />

Gesetzentwurf sind verfallbare Anwartschaften jedoch<br />

weiterhin über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich<br />

auszugleichen, wodurch die Unternehmen<br />

gezwungen wären, dauerhaft zwei Ausgleichssysteme<br />

parallel anzuwenden. Auch dies würde zu doppeltem<br />

Aufwand für die Unternehmen führen und das selbst gesetzte<br />

Ziel, den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich<br />

zurückzudrängen, konterkarieren.<br />

Zudem sollten sämtliche Kosten des Versorgungsausgleichs<br />

verursachergerecht auf die Ehegatten umgelegt<br />

werden können – unabhängig davon, ob die Anrechte<br />

im Wege der internen oder externen Realteilung geteilt<br />

werden.<br />

Zu begrüßen ist, dass Vorschläge der BDA für weitere Erleichterungen,<br />

wie z. B. den Verzicht auf einen Versorgungsausgleich<br />

bei geringen Ausgleichswerten und bei<br />

einer kurzen Ehedauer, aufgegriffen wurden. Bedauerlicherweise<br />

sollen nach dem Gesetzentwurf jedoch nur


62<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

noch Ehen mit einer Dauer von bis zu zwei Jahren vom<br />

Versorgungsausgleich ausgenommen werden. Wäre<br />

es – wie noch im Referentenentwurf vorgesehen – dabei<br />

geblieben, dass auch Ehen, die bis zu drei Jahre bestanden<br />

haben, vom Versorgungsausgleich ausgenommen<br />

worden wären, hätte dies die Zahl der Versorgungsausgleichsfälle<br />

signifikant begrenzt.<br />

Zusätzliche Pensionsgutachten<br />

durch Bilanzrechtsreform<br />

verhindern<br />

Durch den am 21. Mai <strong>2008</strong> von der Bundesregierung<br />

beschlossenen Gesetzentwurf zur Reform des Bilanzrechts<br />

droht der betrieblichen Altersvorsorge zusätzliche<br />

Bürokratie, da der Entwurf keine Regelung zur steuerrechtlichen<br />

Flankierung enthält.<br />

Dabei wurde das Vorhaben der Bundesregierung, das<br />

Bilanzrecht zur Anpassung an internationale Standards<br />

und zur Entlastung des Mittelstands zu reformieren,<br />

von der deutschen Wirtschaft grundsätzlich begrüßt.<br />

Auch im Hinblick auf die betriebliche Altersvorsorge<br />

unterstützt die BDA den Gesetzentwurf weitgehend,<br />

da er vorsieht, dass in der HGB-Bilanz die tatsächlichen<br />

Belastungen der Unternehmen durch Pensionsverpflichtungen<br />

präziser ausgewiesen werden müssen.<br />

So ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass Pensionsverpflichtungen<br />

mit einem marktüblichen Durchschnittszinssatz<br />

bewertet sowie künftige Inflations- und Gehaltstrends<br />

berücksichtigt werden müssen. Positiv zu<br />

werten ist auch, dass einige Hinweise der BDA zum<br />

Referentenentwurf im Gesetzentwurf berücksichtigt<br />

wurden. Bedauerlicherweise wurde das Anliegen, die<br />

neuen handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften entsprechend<br />

steuerlich zu flankieren, von der Bundesregierung<br />

nicht aufgegriffen.<br />

Wenn aber eine steuerrechtliche Flankierung der Bilanzreform<br />

ausbleibt, wird das zu einem Auseinanderfallen<br />

von steuer- und handelsbilanzieller Bewertung<br />

von Pensionsverpflichtungen führen, so dass die Unternehmen<br />

regelmäßig ihre Pensionsverpflichtungen<br />

zweimal gutachterlich bewerten lassen müssen. Nach<br />

derzeitigem Handelsbilanzrecht ist die Bewertung nach<br />

steuerrechtlichen Vorschriften ausreichend.<br />

Die zusätzliche bürokratische Belastung der Unternehmen<br />

wird im Gesetzentwurf auch eingeräumt,<br />

allerdings liegt die Schätzung der Mehrkosten mit<br />

ca. 50 Mio. € im Jahr deutlich zu niedrig. Realistischer<br />

sind hingegen Kostensteigerungen von rund<br />

100 bis 150 Mio. € pro Jahr. Dabei vermögen die in der<br />

Vergangenheit angeführten fiskalischen Argumente, denen<br />

zufolge Steuerausfälle zu befürchten sind, nicht zu<br />

überzeugen. Zum einen verringert sich derzeit der zusätzliche<br />

Rückstellungsbedarf aufgrund der steigenden<br />

Zinsen. Zum anderen ließen sich fiskalische Auswirkungen<br />

durch eine angemessene Übergangs regelung<br />

nahezu gänzlich minimieren. Mit dieser Angleichung<br />

würde auch dem Prinzip der Besteuerung nach der<br />

Leistungsfähigkeit Rechnung getragen, wonach eine<br />

erhöhte Belastung auch die Besteuerungsgrundlage<br />

vermindert, da es ansonsten zu einer Besteuerung von<br />

Scheingewinnen käme.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Betriebliche<br />

Altersvorsorge“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Zusätzliche Bürokratie auch auf<br />

europäischer Ebene vermeiden<br />

Derzeit wird im Europäischen Parlament (EP) ein neugefasster<br />

Richtlinienvorschlag der EU-Kommission<br />

vom 26. Februar <strong>2008</strong> zur Aufnahme und Ausübung<br />

der Versicherungstätigkeit (Solvabilität II) beraten. Mit<br />

dieser Richtlinie sollen auf EU-Ebene die Aufsichtsregeln<br />

für Versicherungsunternehmen in Europa weiter<br />

vereinheitlicht werden. Im Zentrum des Vorschlages<br />

stehen dabei neue Eigenkapitalvorschriften für Versicherungsunternehmen<br />

(Solvabilitätsvorschriften) sowie<br />

Regelungen zum Risikomanagement und Berichtspflichten.<br />

Im Gegensatz zum bisherigen europäischen<br />

Aufsichtsregime Solvency I soll sich die Eigenkapitalausstattung<br />

nicht nur am Volumen des Geschäfts orientieren,<br />

sondern darüber hinaus stärker am tatsächlichen<br />

Risiko. Dies kann bei Zusagen mit Garantien<br />

zu Mehraufwendungen führen. Von dieser Richtlinie<br />

wären grundsätzlich auch Einrichtungen der betrieblichen<br />

Altersvorsorge (Pensionskassen, Pensionsfonds)<br />

erfasst. Eine ausnahmslose Anwendung dieser Vorschriften<br />

würde aufgrund der beschriebenen höheren


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

63<br />

Anforderungen zur Solvabilität sowie der sonstigen<br />

Verpflichtungen zu einer zusätzlichen Belastung der<br />

betrieblichen Altersvorsorge führen. Die BDA hat deshalb<br />

sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene<br />

darauf hingewiesen, dass bei dieser Richtlinie den<br />

Besonderheiten der betrieblichen Altersvorsorge Rechnung<br />

getragen werden muss. Aus diesem Grund ist zu<br />

begrüßen, dass die politisch Verantwortlichen der Bundesregierung<br />

bereits signalisiert haben, diesen wichtigen<br />

Aspekt bei den weiteren Beratungen der Richtlinie<br />

berücksichtigen zu wollen.<br />

Zum überarbeiteten EU-Richtlinienvorschlag zur Verbesserung<br />

der Mindeststandards von Betriebsrenten<br />

(vormals „Portabilitätsrichtlinie“) vom 9. Oktober 2007<br />

konnte auch während der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft<br />

keine Einigung erzielt werden, weshalb dieser<br />

Punkt von der Tagesordnung des EU-Sozialministerrates<br />

vom 9. Juni <strong>2008</strong> gestrichen wurde. Somit scheiterte<br />

auch der slowenische Kompromissvorschlag, der grundsätzlich<br />

eine Unverfallbarkeitsfrist von zwei Jahren vorsah,<br />

wobei den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt<br />

werden sollte, auf nationaler Ebene eine längere<br />

Unverfallbarkeitsfrist fortzuführen. Die BDA begrüßt,<br />

dass sich die Bundesregierung auf keine Regelung eingelassen<br />

hat, die darauf angelegt war, die Unverfallbarkeitsfristen<br />

mittelfristig deutlich zu verkürzen, weil sonst<br />

die betriebliche Altersvorsorge als Personalbindungsinstrument<br />

entwertet worden wäre und den Betrieben zusätzlicher<br />

Verwaltungsaufwand durch die Administration<br />

von Kleinstrentenanwartschaften gedroht hätte.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Richtlinienvorschlag<br />

zur betrieblichen Altersvorsorge“ veröffentlicht.<br />

Er ist über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Gesetzliche Krankenversicherung:<br />

Konstruktionsfehler des<br />

Gesundheitsfonds beseitigen<br />

Das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung“ (GKV-WSG) mit dem<br />

zum 1. Januar 2009 in Kraft tretenden Gesundheitsfonds<br />

löst nicht die Herausforderungen und Probleme,<br />

vor denen das Gesundheitswesen steht. Die tatsächlich<br />

erforderlichen und vom BDA-Präsidium angemahnten<br />

Strukturreformen, sowohl auf der Finanzierungsseite als<br />

auch auf der Leistungsseite der gesetzlichen Krankenversicherung,<br />

sind unterblieben:<br />

•An den falschen Finanzierungsgrundlagen wird festgehalten.<br />

Es bleibt im Grundsatz bei der lohnbezogenen<br />

Finanzierung, die einer Strafsteuer auf Beschäftigung<br />

gleichkommt. Die Krankheitskostenfinanzierung<br />

muss vom Arbeitsverhältnis entkoppelt werden,<br />

am besten durch die Umstellung der Finanzierung<br />

auf einkommensunabhängige Gesundheitsprämien<br />

mit Auszahlung des Arbeitgeberanteils in den Bruttolohn<br />

und steuerfinanziertem Sozialausgleich für<br />

Einkommensschwache.<br />

•Maßnahmen zur Begrenzung des – auch demografisch<br />

bedingten – Ausgaben- und Beitragssatzwachstums<br />

fehlen. Ein staatlich organisiertes und über<br />

Zwangsabgaben finanziertes Gesundheitssystem<br />

muss sich auf eine Basissicherung mit Kernleistungen<br />

beschränken sowie Anreize für ein gesundheitsund<br />

kostenbewusstes Verhalten der Versicherten<br />

setzen.<br />

•Es wird kein Beitrag geleistet, das Gesundheitswesen<br />

durch den Aufbau einer kapitalgedeckten Risikovorsorge<br />

auf die Herausforderung einer alternden<br />

Gesellschaft vorzubereiten. Die volle Beibehaltung<br />

des heutigen Umlagesystems führt angesichts der<br />

demografischen Entwicklung zu massiven Beitragssatzsteigerungen<br />

und gravierenden intergenerativen<br />

Umverteilungen.<br />

•Die Krankenkassen erhalten kaum mehr Vertragsfreiheit.<br />

Die Versorgung wird auch weiterhin vor allem<br />

durch kollektiv vereinbarte, einheitlich geltende Bedingungen<br />

geregelt und weniger durch Wettbewerb<br />

von Krankenkassen und Leistungserbringern bestimmt.<br />

Dabei ist Wettbewerb eines der wirksamsten<br />

Mittel zur Begrenzung der Ausgabenentwicklung,<br />

Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Verbesserung<br />

der Versorgungsqualität.<br />

Insbesondere sind die vom Gesetzgeber mit der Einführung<br />

des Gesundheitsfonds – als Herzstück des GKV-<br />

WSG – verbundenen Erwartungen unrealistisch. Der Gesundheitsfonds<br />

ist – anders als in der Gesetzesbegründung<br />

behauptet – in keiner Weise geeignet, eine „wirtschaftliche<br />

Verwendung von Beitrags- und Steuermitteln“ zu garantieren,<br />

und damit auch keine Antwort auf die Herausforderungen<br />

und Probleme des Gesundheitswesens.


64<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Die BDA wirbt daher weiter für das von ihr im Jahr 2006<br />

vorgelegte „Konzept für eine nachhaltige Reform der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung“, in dem alle notwendigen<br />

Schritte zur Reform des Leistungsrechts und zur<br />

Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung,<br />

einschließlich Vorschlägen zum Aufbau ergänzender<br />

Kapitaldeckung, dargelegt sind.<br />

Wenn die Politik jedoch nicht bereit ist, diesen Weg zu<br />

gehen, und an der Einführung des Gesundheitsfonds festhält,<br />

muss der Gesetzgeber – zur Vermeidung schädlicher<br />

Folgewirkungen – gewährleisten, dass alle wesentlichen<br />

Konstruktionsfehler und gravierenden Nachteile des Gesundheitsfonds<br />

vorab beseitigt werden. Zudem muss der<br />

ab dem 1. Januar 2009 vorgesehene einheitliche Beitragssatz<br />

– vor allem zur Begrenzung der Personalzusatzkosten<br />

– so niedrig wie möglich festgelegt werden.<br />

Insbesondere ist sicherzustellen,<br />

•dass der geplante Aufbau einer Liquiditätsreserve<br />

beim Gesundheitsfonds die Beitragszahler nicht zusätzlich<br />

belastet,<br />

•dass die Voraussetzungen für einen verzerrungsfreien<br />

Wettbewerb der Krankenkassen vorliegen,<br />

•dass die bestehenden Ungereimtheiten beim kassenindividuellen<br />

Zusatzbeitrag beseitigt sind,<br />

•dass zusätzliche Bürokratie auf ein Minimum beschränkt<br />

und durch bürokratieentlastende Maßnahmen<br />

– wie den geplanten zentralen Beitragseinzug<br />

– kompensiert wird und<br />

•dass die von den Krankenkassen formulierten Detailfragen<br />

zur Abwicklung des kassenindividuellen<br />

Zusatzbeitrages (u. a. Zahlungsrhythmus, Sanktionsmöglichkeiten<br />

bei Nichtzahlung) geklärt sind.<br />

Nur dann überhaupt können positive Wirkungen der<br />

durch die Gesundheitsreform veränderten Finanzierung<br />

zum Tragen kommen: Dies betrifft die Einführung kassenindividueller<br />

Zusatzbeiträge bzw. Rückerstattungen,<br />

die zumindest einen Einstieg in die Abkopplung der<br />

Krankheitskostenfinanzierung vom Arbeitsverhältnis<br />

darstellen und den Anteil der lohnbezogenen Finanzierung<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung per saldo<br />

zumindest geringfügig reduzieren. Dies setzt voraus,<br />

dass die Zusatzbeiträge – so wie von der BDA gefordert<br />

– pauschal und nicht auch einkommensorientiert<br />

erhoben werden. Auch leisten die Zusatzbeiträge bzw.<br />

Rückerstattungen einen Beitrag zu mehr Kosten- und<br />

Gesetzliche Krankenversicherung<br />

erzielt 2007<br />

erneut Überschuss<br />

Die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen<br />

sind im vergangenen Jahr mit 3,7 % je Mitglied<br />

überaus stark gestiegen. Dagegen nahmen die beitragspflichtigen<br />

Einnahmen je Mitglied – die „Grundlöhne<br />

der Krankenkassen“ – nur um 0,7 % zu. Dass<br />

die gesetzliche Krankenversicherung dennoch ihren<br />

Überschuss von 1,63 auf 1,78 Mrd. € steigern konnte,<br />

ist vor allem auf die überaus starke Beitragssatzanhebung<br />

von 14,2 auf 14,8 % (inkl. Sonderbeitrag<br />

der Versicherten von 0,9 %) zum 1. Januar 2007<br />

zurückzuführen. Unterstützend wirkte der konjunkturelle<br />

Aufschwung, der die Zahl der beitragszahlenden<br />

Krankenkassenmitglieder um rund 581.000<br />

erhöht hat. An der überholten lohnbezogenen Finanzierung<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung,<br />

die einer Strafsteuer auf Beschäftigung gleichkommt,<br />

wird auch der zum 1. Januar 2009 vorgesehene Gesundheitsfonds<br />

im Grundsatz wenig ändern.<br />

Beitragstransparenz. Zugleich wird mit der Erhebung<br />

von Zusatzbeiträgen bzw. mit der Rückerstattung von<br />

Beiträgen die Einrichtung von Versichertenkonten bei<br />

den Krankenkassen gewährleistet, was notwendige Voraussetzung<br />

für eine künftige Auszahlung des Arbeitgeberbeitrags<br />

in den Bruttolohn ist.<br />

Insolvenzfähigkeit von Krankenkassen<br />

sachgerecht geregelt<br />

Die BDA begrüßt den Kabinettsentwurf für ein Gesetz zur<br />

Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung vom 21. Mai <strong>2008</strong>, da er<br />

mit der Herstellung der Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen<br />

eine wesentliche Voraussetzung für gleiche Wettbewerbsbedingungen<br />

unter den Krankenkassen schafft.<br />

Positiv zu werten ist insbesondere, dass die bisher aufgelaufenen<br />

Versorgungsverpflichtungen der Krankenkassen


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

65<br />

Spitzenverband Bund der Krankenkassen nimmt Arbeit auf<br />

Ab 1. Juli <strong>2008</strong> wird der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) die ihm gesetzlich<br />

zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen und insbesondere die bisherigen Spitzenverbände als Verhandlungspartner<br />

für kollektivvertragliche Entscheidungen auf Bundesebene ablösen. Die von der BDA geforderte Parität von<br />

Arbeitgeber- und Versichertenvertretern im Verwaltungsrat des neuen Dachverbandes ist am Ende des Gesetzgebungsverfahrens<br />

zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz erreicht worden. Der GKV-Spitzenverband verfügt<br />

über einen Haushalt von rund 21 Mio. € bzw. rund 30 Cent je Versicherten und Jahr.<br />

für den Fall einer Insolvenz einer Krankenkasse im System<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung abgesichert<br />

werden sollen und der von den Arbeitgebern finanzierte<br />

Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (PSVaG) insoweit<br />

ausschließlich für Versorgungsverpflichtungen, die nach<br />

dem 31. Dezember 2009 entstanden sind, einstehen<br />

muss. Damit ist gewährleistet, dass die Arbeitgeber im<br />

Insolvenzfall nicht für die bis zu diesem Datum aufgelaufenen<br />

Versorgungsverpflichtungen (Altlasten) der Krankenkassen<br />

haften müssen. Eine Übernahme der Haftung<br />

für die Altlast durch den PSVaG – wie ursprünglich vom<br />

Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplant – wäre<br />

nicht gerechtfertigt gewesen: zum einen, weil die bislang<br />

nicht insolvenzfähigen Krankenkassen für die Vergangenheit<br />

keine Beiträge an den PSVaG gezahlt haben, zum anderen,<br />

weil der PSVaG mit den milliardenschweren nicht<br />

ausfinanzierten Altlasten der Krankenkassen ein unangemessenes<br />

Risiko übernommen hätte. Es ist erfreulich, dass<br />

das BMG der Argumentation der BDA gefolgt ist.<br />

Sinnvoll ist auch, dass die noch nicht ausfinanzierten<br />

Altlasten von den jeweiligen Krankenkassen schrittweise<br />

nachfinanziert werden müssen. Damit wird der<br />

entstehende Schaden im Fall einer Schließung oder<br />

Insolvenz einer Krankenkasse begrenzt. Der Nachfinanzierungszeitraum<br />

von 40 Jahren ist sachgerecht,<br />

um die betroffenen Krankenkassen mit der notwendigen<br />

Nachfinanzierung nicht unangemessen im Kassenwettbewerb<br />

zu benachteiligen bzw. die Rücklagen<br />

beitragsneutral aufzubauen.<br />

Zu begrüßen ist auch, dass freiwillige finanzielle Hilfen<br />

innerhalb einer Kassenart möglich sein und Vorrang haben<br />

sollen. Die im früheren Referentenentwurf angelegte<br />

Einschränkung der Wettbewerbsneutralität des Spitzenverbandes<br />

Bund der Krankenkassen konnte von der<br />

BDA verhindert werden. Im Kabinettsentwurf sind die<br />

Vorschriften über das Haftungsmanagement deutlich<br />

verbessert worden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche<br />

Krankenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Präventionsgesetz offenbar auch<br />

im zweiten Anlauf gescheitert<br />

Die BDA begrüßt, dass das zum zweiten Mal aufgegriffene<br />

Vorhaben eines Präventionsgesetzes offensichtlich<br />

erneut vor dem Scheitern steht, denn die Sozialversicherung<br />

darf nicht als nahezu alleiniger Finanzier für<br />

eine Stärkung der Prävention herangezogen werden.<br />

Die Gesetzespläne sind zudem verfehlt, weil die Länder<br />

ein Mitentscheidungsrecht über die Verwendung von<br />

Beitragsmitteln erhalten hätten. Außerdem kritisiert die<br />

BDA, dass die Krankenkassen und Unfallversicherungsträger<br />

funktionierende und wirksame Präventionsprogramme<br />

aufgeben müssten, wenn das Präventionsgesetz<br />

umgesetzt würde.<br />

Das Ziel des umstrittenen Präventionsgesetzes ist es,<br />

Gesundheitsförderung und gesundheitliche Prävention<br />

zu einer eigenständigen Säule im Gesundheitswesen<br />

auszubauen. Ein Nationaler Präventionsrat soll vorrangige<br />

Ziele festlegen und Vorschläge für Leistungen<br />

entwickeln. Die Maßnahmen sollen auf Landesebene<br />

durchgeführt werden, deren Finanzierung aus Mitteln<br />

der Kranken-, Pflege- Renten- und Unfallversicherung<br />

vorgesehen ist. Das Finanzvolumen wird auf insgesamt<br />

knapp 300 Mio. € veranschlagt.


66<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Soziale Pflegeversicherung –<br />

Finanzierungsprobleme bleiben<br />

ungelöst<br />

Mit der am 14. März <strong>2008</strong> vom Bundestag beschlossenen<br />

Reform der Pflegeversicherung („Gesetz zur<br />

strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung<br />

– Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“) wurde die<br />

Chance verpasst, die soziale Pflegeversicherung auf den<br />

demografischen Wandel vorzubereiten. Insbesondere<br />

fehlt die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Ergänzung<br />

des Umlageverfahrens durch kapitalgedeckte Elemente<br />

als Demografiereserve“.<br />

Die beschlossenen Maßnahmen zur Weiterentwicklung<br />

der Pflegeversicherung mit einem Finanzvolumen von<br />

rund 2,5 Mrd. € bestehen im Wesentlichen aus Leistungsausweitungen.<br />

Die Kernfrage, wie die Pflegeversicherung<br />

angesichts des bevorstehenden demografischen<br />

Wandels dauerhaft leistungsfähig und finanzierbar gestaltet<br />

werden kann, bleibt unbeantwortet. Das Maßnahmenpaket<br />

sieht insbesondere vor, dass<br />

•die ambulanten Sachleistungsbeträge in allen drei<br />

Pflegestufen,<br />

•die stationären Sachleistungsbeträge in der Pflegestufe<br />

III und in Härtefällen sowie<br />

•das Pflegegeld in allen drei Pflegestufen<br />

in den Jahren <strong>2008</strong>, 2010 und 2012 schrittweise angehoben<br />

werden. Ferner werden die ergänzenden Leistungen<br />

für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinem<br />

Betreuungsbedarf (z. B. Demenz- und Alzheimer-Kranke)<br />

erhöht und der Anspruch auf Tagespflege ausgebaut.<br />

Darüber hinaus wird erstmals im Jahr 2015 – und<br />

anschließend im dreijährigen Rhythmus – eine Dynamisierung<br />

der Pflegeversicherungsleistungen erfolgen.<br />

Maßstab wird die kumulierte Inflationsentwicklung der<br />

jeweils letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahre<br />

sein, wobei als Obergrenze der Anstieg der Bruttolohnentwicklung<br />

vorgesehen ist. Der Zeitraum ab 2015<br />

liegt jedoch jenseits des Zeithorizonts des Gesetzes.<br />

Es ist unverantwortlich, eine regelmäßige Ausweitung<br />

der Pflegeleistungen festzuschreiben, ohne die Frage<br />

der langfristigen Finanzierung auch nur ansatzweise zu<br />

beantworten.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

67<br />

SOZIALE PFLEGEVERSICHERUNG SEIT neun JAHREN defizitär<br />

(Jahresfehlbeträge in Mio. €)<br />

0<br />

– 30<br />

– 130<br />

– 60<br />

– 300<br />

– 380<br />

– 360 – 370<br />

– 320<br />

– 600<br />

– 690<br />

– 900<br />

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

– 820<br />

Quelle: eigene Darstellung der BDA; ohne Beachtung der einmaligen, zusätzlichen Beiträge im Jahr 2006 durch die Vorverlegung der Beitragsfälligkeit<br />

(820 Mio. €)<br />

Wegen der vorgesehenen umfangreichen Leistungsausweitungen<br />

wird die finanzielle Schieflage der sozialen<br />

Pflegeversicherung weiter verschärft. Denn bei einer<br />

rückläufigen Zahl potenzieller Beitragszahler werden die<br />

zu schulternden Finanzierungslasten nun nicht nur durch<br />

die steigende Zahl der Pflegefälle, sondern zusätzlich<br />

durch höhere Kosten je Pflegefall zunehmen.<br />

Trotz der Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes<br />

von 1,7 auf 1,95 % zum 1. Juli <strong>2008</strong> – was einer Steigerung<br />

von fast 15 % entspricht – können die Leistungen<br />

der Pflegeversicherung laut Gesetzesbegründung<br />

nur bis „Ende 2014/Anfang 2015“ finanziert werden,<br />

„ohne dass die Mindestreserve von einer Monatsausgabe<br />

in Anspruch genommen werden muss“. Dabei<br />

wird sogar der weitere Abbau der vorhandenen Finanzreserven<br />

(Ende 2007: 2,06 Monatsausgaben) billigend<br />

in Kauf genommen.<br />

Die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen widersprechen<br />

zudem ganz überwiegend dem Ziel, durch eine<br />

Absenkung der Lohnzusatzkosten Wachstum und Beschäftigung<br />

zu fördern. Zwar gibt es nachvollziehbare<br />

Gründe, Demenzkranke, Schwerstpflegebedürftige<br />

und pflegende Angehörige künftig stärker zu unterstützen,<br />

dies darf jedoch nicht zu einer Verteuerung der<br />

Arbeitskosten führen. Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz<br />

überschreitet durch die Anhebung des<br />

Pflegebeitragssatzes im zweiten Halbjahr <strong>2008</strong> bereits<br />

wieder die 40 %-Marke. Angesichts der demografischen<br />

Veränderungen und mit Blick auf die überhöhten<br />

gesetzlichen Personalzusatzkosten hätte es deshalb<br />

oberstes Ziel der Pflegereform sein müssen, eine Beitragssatzanhebung<br />

zu vermeiden.<br />

Bestandteile einer zukunftsweisenden Reform der<br />

Pflege versicherung hätten insbesondere die Abkopplung<br />

der Pflegekosten vom Arbeitsverhältnis, eine strukturelle<br />

beitragsneutrale Neuausrichtung des Leistungskatalogs<br />

der Pflegeversicherung sowie ein wirksamer Wettbewerb<br />

sowohl zwischen den Pflegekassen als auch zwischen<br />

Pflegekassen und Leistungserbringern sein müssen.<br />

Außerdem wäre ein Ausbau der Eigenbeteiligung<br />

der Versicherten erforderlich gewesen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Soziale<br />

Pflegeversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


68<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

ELENA-Verfahren einführen und<br />

ausbauen – Leistungsgesetze<br />

harmonisieren<br />

Am 25. Juni <strong>2008</strong> hat das Bundeskabinett die Einführung<br />

des elektronischen Entgeltnachweisverfahrens (ELENA-<br />

Verfahren) beschlossen. Mit dem ELENA-Verfahren<br />

soll die Verpflichtung der Arbeitgeber zur schriftlichen<br />

Ausstellung von Entgeltbescheinigungen (vor allem als<br />

Grundlage für die Berechnung von Sozialleistungen ihrer<br />

Arbeitnehmer, z. B. Arbeitslosengeld oder Elterngeld)<br />

durch die Verpflichtung zur monatlichen elektronischen<br />

Meldung von Entgeltdaten an eine zentrale Speicherstelle<br />

ersetzt werden. Aus der zentralen Speicherstelle ruft<br />

die bewilligende Behörde bei Bedarf die notwendigen<br />

Daten ab und berechnet auf ihrer Grundlage die Leistung.<br />

Dies setzt voraus, dass sich der Beschäftigte mit<br />

einer qualifizierten elektronischen Signatur als Teilnehmer<br />

zum ELENA-Verfahren anmeldet. Die Daten können<br />

nur nach Anmeldung und mit seiner Beteiligung,<br />

unter Einsatz der qualifizierten Signatur, von der Leistungsbehörde<br />

abgerufen werden.<br />

Die BDA setzt sich bereits seit Jahren für die Einführung<br />

des ELENA-Verfahrens ein, weil es die Grundlage<br />

für den Wegfall der zahlreichen von den Arbeitgebern<br />

zu erfüllenden Entgeltbescheinigungspflichten liefert.<br />

Sie hat ihre Zustimmung aber immer davon abhängig<br />

gemacht, dass die Entlastung der Arbeitgeber durch<br />

den Wegfall von Entgeltbescheinigungspflichten größer<br />

ausfällt als der administrative Mehraufwand der<br />

Arbeitgeber durch die mit dem ELENA-Verfahren verbundene<br />

monatliche Meldung. Immerhin konnte die<br />

BDA erreichen, dass sich das ELENA-Verfahren – anders<br />

als ursprünglich vorgesehen – nicht mehr nur<br />

auf drei Bescheinigungen der Bundesagentur für Arbeit<br />

(§§ 312, 313 und 315 Abs. 3 SGB III) beschränkt,<br />

sondern von Beginn an auch die Bescheinigungspflichten<br />

für Wohn- und Elterngeld mit einbezogen werden<br />

sollen. Allerdings wird das Potenzial des neuen Verfahrens<br />

auch mit dem jetzigen Kabinettsbeschluss bei<br />

weitem nicht ausgeschöpft. Die Arbeitgeber müssen<br />

heute über 100 Auskunfts-, Melde- und Bescheinigungspflichten<br />

nachkommen, darunter rund 45 Entgeltbescheinigungspflichten.<br />

Der Minderaufwand durch<br />

die entfallenden Bescheinigungspflichten übertrifft<br />

So funktioniert das Elena-Verfahren<br />

Beispiel: Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung<br />

Arbeitgeber<br />

1<br />

meldet monatlichen<br />

Datensatz<br />

zentrale<br />

Speicherstelle<br />

4<br />

startet Datenabfrage<br />

erhält Arbeitsbescheinigung<br />

3<br />

Agentur<br />

für Arbeit<br />

5<br />

2<br />

gibt Datenabruf frei<br />

Teilnehmer<br />

erhält Leistung<br />

Zeitplan:<br />

ab 1. Januar 2009: Aufbau der zentralen Speicherstelle<br />

ab 1. Januar 2010: monatliche Entgeltmeldungen der Arbeitgeber – Aufbau des Datenpools<br />

ab 1. Januar 2012: Datenabrufe durch die leistungsgewährenden Stellen


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

69<br />

daher nur in begrenztem Umfang den Mehraufwand<br />

der Arbeitgeber, der mit der Einführung des ELENA-<br />

Verfahrens verbunden ist. Notwendig ist ein klarer<br />

Fahrplan zur zeitnahen Ersetzung aller Entgeltbescheinigungspflichten<br />

der Arbeitgeber. Das hat zu Recht<br />

auch der Nationale Normenkontrollrat (NKR) in seinem<br />

Gutachten zum ELENA-Verfahren gefordert. Ein<br />

Hinweis in der Gesetzesbegründung, weitere Bescheinigungen<br />

in das Verfahren mit einbeziehen zu wollen,<br />

reicht nicht aus.<br />

Zudem müssen auch die jeweiligen Leistungsgesetze,<br />

die die Abfrage von Entgeltdaten erfordern, besser<br />

aufeinander abgestimmt werden (einheitliche Entgeltbegriffe<br />

etc.). Nur dann kann der vom Arbeitgeber<br />

monatlich für jeden Arbeitnehmer zu übermittelnde<br />

ELENA-Datensatz tatsächlich auf ein Minimum reduziert<br />

werden.<br />

Sozialversicherung wird in<br />

den Bürokratieabbauprozess<br />

einbezogen<br />

Die Initiative der Bundesregierung zum Bürokratieabbau<br />

hat bislang die von den Sozialversicherungsträgern<br />

geschaffenen Verwaltungsvorschriften (Rundschreiben<br />

etc.), die auch Bürokratieaufwand in den Unternehmen<br />

verursachen, nicht berücksichtigt. Dies haben<br />

sowohl der NKR als auch die BDA bereits im September<br />

bzw. Oktober letzten Jahres kritisiert und eine Einbeziehung<br />

der Sozialversicherung in den Bürokratieabbauprozess<br />

gefordert. Der NKR schreibt in seinem<br />

Jahresbericht 2007: „Länder, Kommunen, Sozialversicherungsträger<br />

und andere öffentliche Körperschaften<br />

sind alle aufgerufen, die von ihnen verantworteten Verfahren<br />

und Abläufe auf den Prüfstand zu stellen und entsprechende<br />

Belastungen für Bürger und Wirtschaft abzubauen.<br />

In dieser Hinsicht gibt es noch viel zu tun.“<br />

Ende Februar <strong>2008</strong> fand nunmehr auf Einladung der<br />

Bundesregierung und des NKR-Vorsitzenden ein Gespräch<br />

mit den hauptamtlichen Vorständen der Spitzenverbände<br />

der Sozialversicherungsträger und den<br />

zuständigen Staatssekretären des Bundesministeriums<br />

für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums<br />

für Gesundheit statt. Die Teilnehmer haben einmütig<br />

die Initiative der Bundesregierung begrüßt. Das Ob<br />

der Einbeziehung der Sozialversicherung in den Bürokratieabbauprozess<br />

wurde von keinem der Eingeladenen<br />

in Frage gestellt. Es sollen nunmehr konkrete<br />

Bürokratie abbauprojekte vorangetrieben werden. Die<br />

BDA wird in den im Juni <strong>2008</strong> gebildeten Arbeitsgruppen<br />

mitwirken und sich mit eigenen Vorschlägen für<br />

eine Entlastung der Unternehmen einsetzen.<br />

Gesetzliche Unfallversicherung:<br />

Generalüberholung überfällig –<br />

verpasste Leistungsrechtsreform<br />

baldmöglichst nachholen<br />

Am 26. Juni <strong>2008</strong> hat der Bundestag den Entwurf eines<br />

Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

beschlossen. Der Gesetzentwurf enthält<br />

insbesondere Regelungen zur Organisation, zur Lastenverteilung,<br />

zu neuen Meldepflichten im Rahmen<br />

der Übertragung der Betriebsprüfung auf die Rentenversicherung<br />

und zu rechtlichen Grundlagen der Gemeinsamen<br />

Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA).<br />

Das Leistungsrecht wird – im Gegensatz zu den Festlegungen<br />

im Koalitionsvertrag – gänzlich ausgespart.<br />

Das BDA-Präsidium hat dies zuletzt im Januar <strong>2008</strong><br />

als sehr enttäuschend kritisiert. Die Koalition verpasst<br />

damit das selbst gesteckte Ziel, die Unfallversicherung<br />

umfassend zu reformieren und ein zielgenaueres Leistungsrecht<br />

einzuführen. Nur eine Reform des Leistungsrechts<br />

ermöglicht die überfällige Beitragsentlastung der<br />

Unternehmen. Mit dem jetzt verfolgten Reform-Stückwerk<br />

wird vielmehr ein großer Teil der Wirtschaft belastet.<br />

Durch die vorgesehenen Regelungen zu einer<br />

geänderten Verteilung von Altlasten zwischen den Berufsgenossenschaften<br />

führt die Reform für viele Unternehmen<br />

zu höheren statt zu niedrigeren Beiträgen. Das<br />

darf nicht das Ergebnis der Reform der Unfallversicherung<br />

sein. Die ausgesparte Reform des Leistungsrechts<br />

muss baldmöglichst nachgeholt werden.<br />

Die BDA begrüßt, dass bei der Reform der Organisation<br />

der Unfallversicherung weitgehend die Vorschläge<br />

der Selbstverwaltung der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />

aufgegriffen werden. Das gilt vor allem<br />

für den notwendigen Fusionsprozess und das Konzept<br />

für einen Überaltlastausgleich. Anders als jetzt vor­


70<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

geplanter überaltlastausgleich be- bzw. entlastet branchen unterschiedlich stark<br />

Verteilung: 70 % Entgelte, 30 % Neurenten, Datenbasis 2006<br />

Berufsgenossenschaft<br />

Bergbau-BG<br />

Steinbruchs-BG<br />

BG Keramik<br />

und Glas<br />

BG Gas-, Fernwärme-<br />

u. Wasserwirtschaft<br />

Hütten- und<br />

Walzwerks-BG<br />

Maschinenbau- und<br />

Metall-BG<br />

Norddeutsche<br />

Metall-BG<br />

BG Metall Süd<br />

BG der Feinmechanik<br />

und Elektrotechnik<br />

BG der chemischen<br />

Industrie<br />

Holz-BG<br />

Papiermacher-BG<br />

BG Druck und<br />

Papierverarbeitung<br />

Lederindustrie-BG<br />

Textil- und<br />

Bekleidungs-BG<br />

BG Nahrungsmittel<br />

und Gaststätten<br />

Fleischerei-BG<br />

Zucker-BG<br />

BG der<br />

Bauwirtschaft<br />

Großhandels- und<br />

Lagerei-BG<br />

BG für den<br />

Einzelhandel<br />

Verwaltungs-BG<br />

BG der Straßen-,<br />

U- und Eisenbahnen<br />

BG für Fahrzeughaltungen<br />

See-BG<br />

BGW<br />

Durchschnitt<br />

Beitragshöhe<br />

Be- bzw. Entlastung<br />

Durchschnittsbetrag (in €) je 100 € Lohnsumme Veränderung ggü.<br />

Ausgleichsbetrag in Mio. €<br />

geltendem Recht<br />

künftiges Recht geltendes Recht in %<br />

künftiges Recht geltendes Recht<br />

7,87<br />

2,55<br />

1,69<br />

1,08<br />

1,42<br />

1,57<br />

1,69<br />

1,16<br />

1,11<br />

1,22<br />

1,70<br />

1,61<br />

0,99<br />

1,31<br />

1,05<br />

1,61<br />

1,56<br />

2,02<br />

3,60<br />

0,88<br />

0,96<br />

0,87<br />

1,27<br />

2,28<br />

2,71<br />

0,82<br />

1,31<br />

8,00<br />

3,04<br />

2,18<br />

0,90<br />

2,57<br />

1,81<br />

1,76<br />

1,14<br />

1,02<br />

1,24<br />

2,16<br />

1,86<br />

0,96<br />

1,42<br />

1,35<br />

1,66<br />

1,67<br />

2,71<br />

3,95<br />

0,82<br />

0,90<br />

0,74<br />

1,21<br />

2,11<br />

3,63<br />

0,74<br />

1,31<br />

– 1,55<br />

– 16,29<br />

– 22,51<br />

21,01<br />

– 44,79<br />

– 13,60<br />

– 4,24<br />

0,78<br />

8,60<br />

– 1,60<br />

– 21,43<br />

– 13,77<br />

3,68<br />

– 7,93<br />

– 22,09<br />

– 2,70<br />

– 6,45<br />

– 25,45<br />

– 8,83<br />

6,97<br />

6,43<br />

17,07<br />

4,96<br />

8,13<br />

– 25,27<br />

11,21<br />

0,00<br />

– 383,35<br />

– 31,62<br />

– 16,62<br />

19,08<br />

– 37,77<br />

– 44,83<br />

8,13<br />

75,91<br />

137,50<br />

32,02<br />

– 40,72<br />

– 3,11<br />

18,71<br />

– 0,41<br />

– 24,34<br />

8,27<br />

– 3,73<br />

–1,67<br />

– 288,68<br />

97,71<br />

52,59<br />

288,86<br />

7,50<br />

65,39<br />

– 12,15<br />

77,32<br />

0,00<br />

– 379,80<br />

– 13,47<br />

5,00<br />

7,42<br />

– 5,43<br />

26,92<br />

23,91<br />

69,96<br />

74,76<br />

38,96<br />

8,49<br />

2,11<br />

13,87<br />

2,11<br />

– 2,07<br />

21,90<br />

1,13<br />

0,31<br />

– 158,29<br />

63,38<br />

30,94<br />

122,83<br />

5,17<br />

23,01<br />

– 0,61<br />

17,49<br />

0,00<br />

Veränderung ggü.<br />

geltendem Recht<br />

in €<br />

– 3,55<br />

– 18,15<br />

– 21,63<br />

11,66<br />

– 32,34<br />

– 71,75<br />

– 15,78<br />

5,95<br />

62,74<br />

– 6,94<br />

– 49,21<br />

– 5,21<br />

4,84<br />

– 2,52<br />

– 22,27<br />

– 13,63<br />

– 4,86<br />

– 1,98<br />

– 130,39<br />

34,33<br />

21,65<br />

166,03<br />

2,33<br />

42,38<br />

– 11,55<br />

59,84<br />

0,00<br />

Quellen: Bundestagsdrucksache 16/7663


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

71<br />

gesehen, sollte die Überaltlast allerdings hälftig nach<br />

Neurenten und Entgelten verteilt werden, denn die<br />

Abwägung der unterschiedlichen Argumente rechtfertigt<br />

keine Übergewichtung eines der beiden Verteilkriterien.<br />

Außerdem gilt es, mit der Einführung des<br />

Überaltlastausgleichs große Beitragssprünge der höher<br />

belasteten Branchen zu vermeiden. Erfreulich ist, dass<br />

der Bundestag zur zeitlichen Streckung der Mehrbelastung<br />

– wie von der BDA gefordert – eine Verdoppelung<br />

der Übergangsfrist beschlossen hat.<br />

Die BDA begrüßt ferner, dass die von der Selbstverwaltung<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung Mitte 2007<br />

gegründete neue Spitzenorganisation, die Deutsche<br />

Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), bestehend<br />

aus den früheren Organisationen des Hauptverbandes<br />

der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG)<br />

und des Bundesverbandes der Unfallkassen (BUK), in<br />

ihrer privatrechtlichen Ausgestaltung weiter bestehen<br />

soll. Zudem ist positiv zu bewerten, dass der Bundestag<br />

– auch hier entsprechend der Forderung der<br />

BDA – den Gesetzentwurf dahingehend abgeändert<br />

hat, dass auf die Einführung von Fachaufsicht über die<br />

DGUV durch das Bundesministerium für Arbeit und<br />

Soziales verzichtet wird.<br />

Entgegen den ursprünglichen Regelungen im Arbeitsentwurf<br />

und der Vereinbarung von Bund und Ländern<br />

in den Eckpunkten aus dem Jahr 2006 enthielt der<br />

Gesetzentwurf keine Regelung mehr zum Einsparziel<br />

von 20 % bei den Verwaltungs- und Verfahrenskosten.<br />

Die BDA hat sich nachdrücklich dafür eingesetzt, dass<br />

eine derartige Zielvorgabe wieder in den Gesetzentwurf<br />

aufgenommen wird. Der Bundestag hat – wenn<br />

auch ohne konkrete Zahlenangabe – nunmehr beschlossen,<br />

dass die DGUV auf die Verminderung von<br />

Verwaltungs- und Verfahrenskosten bei den gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften hinzuwirken hat. Von<br />

2009 an hat sie jedes Jahr dem Bundesministerium für<br />

Arbeit und Soziales über die Entwicklung der Kosten<br />

sowie über die durchgeführten und geplanten Maßnahmen<br />

Bericht zu erstatten.


72<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Äußerst kritisch sind des Weiteren die vorgesehenen<br />

neuen Meldepflichten. Mit dem Mittelstandsentlastungsgesetz<br />

II erfolgte die Übertragung der<br />

Betriebsprüfung von der Unfallversicherung auf die<br />

Rentenversicherung. Ziel war, dass sowohl der Gesamtsozialversicherungsbeitrag<br />

als auch der Beitrag<br />

zur Berufsgenossenschaft einer einheitlichen Betriebsprüfung<br />

unterzogen werden und die Betriebe damit<br />

von Doppelprüfungen entlastet werden. Mit dem jetzigen<br />

Beschluss des Bundestages wird das Ziel des<br />

Bürokratie abbaus jedoch konterkariert. Danach gibt es<br />

zwar nur noch eine Betriebsprüfung, dafür aber immense<br />

neue bürokratische Meldepflichten für die Arbeitgeber.<br />

Insbesondere die erst in letzter Minute durch einen<br />

Änderungsantrag in das Gesetz aufgenommene Einführung<br />

einer Meldepflicht der geleisteten Arbeitsstunden<br />

für jeden einzelnen Arbeitnehmer stellt die Unternehmen<br />

vor nahezu unlösbare Aufgaben. Viele Unternehmen<br />

erfassen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten nicht<br />

durch eine Zeiterfassung und müssen dies auch nicht.<br />

Nach dem Arbeitszeitgesetz sind grundsätzlich nur<br />

solche Arbeitszeiten aufzuzeichnen, die werktäglich<br />

acht Stunden überschreiten. Bei Arbeitnehmern wie<br />

leitenden Angestellten gibt es sogar überhaupt keine<br />

Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten. Dort, wo<br />

aufgezeichnet werden muss, gilt heute eine Aufbewahrungsfrist<br />

von zwei Jahren. Die jetzt vorgesehene neue<br />

Meldung bedeutet für ausnahmslos alle Arbeitnehmer<br />

eine Aufzeichnungs- und Meldepflicht. Die Aufbewahrungsfrist<br />

würde sich zudem von zwei auf fünf Jahre<br />

mehr als verdoppeln. Für eine Meldung der individuellen<br />

Arbeitszeiten besteht zudem überhaupt kein Bedarf,<br />

da diese weder für die Beitragsberechnung und für die<br />

Aufstellung der Gefahrtarife noch für statistische Zwecke<br />

notwendig sind. Die BDA wird sich weiter intensiv<br />

für eine Korrektur dieser Fehlentscheidung einsetzen.<br />

Weiterhin sollen mit dem Entwurf die gesetzlichen<br />

Grundlagen für die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie<br />

geschaffen werden. Als zentrales Gremium<br />

für die Planung, Koordinierung, Entscheidung<br />

und Evaluierung ist die Nationale Arbeitsschutzkonferenz<br />

vorgesehen. Die BDA hat sich gemeinsam mit<br />

dem DGB nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die Sozialpartner<br />

unmittelbar in der Arbeitsschutzkonferenz<br />

vertreten sind, was Bund und Länder zunächst nicht<br />

geplant hatten. Der Gesetzentwurf sieht jetzt zwar vor,<br />

dass die Arbeitgeber mit bis zu drei Vertretern Mitglied<br />

der Arbeitsschutzkonferenz werden, ihnen wird jedoch<br />

nur eine beratende Mitgliedschaft zugebilligt. Arbeitgeber<br />

und Beschäftigte sind maßgebliche Akteure des<br />

Arbeitsschutzes. Sie müssen die Vorbereitung und Planung<br />

der nationalen Arbeitsschutzstrategie mitgestalten<br />

können, da sie diese nachher auch mit umzusetzen<br />

haben. Daher ist ihnen ein Stimmrecht in der Nationalen<br />

Arbeitsschutzkonferenz einzuräumen.<br />

Die BDA wird sich weiterhin für eine umfassende Reform<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung einsetzen.<br />

Eine Strukturreform muss zu einer Konzentration der<br />

Leistungen auf betriebsspezifische Risiken führen, bestehende<br />

Überversorgung abbauen sowie die Wirtschaftlichkeit<br />

verbessern.<br />

Rechtsvereinfachung bei der<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorge<br />

sicherstellen<br />

Das Bundesarbeitsministerium hat im Januar <strong>2008</strong><br />

einen Referentenentwurf für eine „Verordnung zur<br />

Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge“ vorgelegt. Damit soll ein kohärentes<br />

Vorschriften- und Regelwerk zur arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge geschaffen werden. Wie im geltenden Recht<br />

soll eine Differenzierung nach Pflicht- und Angebotsuntersuchungen,<br />

je nach Gefährdungspotenzial des<br />

Untersuchungsanlasses, erfolgen. Zur Konkretisierung<br />

der Verordnung und zur Erarbeitung von Regeln und<br />

Erkenntnissen ist die Einrichtung eines Ausschusses für<br />

Arbeitsmedizin vorgesehen.<br />

Die BDA begrüßt das mit der Verordnung verfolgte Ziel,<br />

die in unterschiedlichen Gesetzen, Verordnungen und<br />

Unfallverhütungsvorschriften enthaltenen Regelungen<br />

zur arbeitsmedizinischen Vorsorge zusammenzuführen.<br />

Allerdings wird dieses Ziel nicht erreicht, da wichtige<br />

Bereiche der arbeitsmedizinischen Vorsorge wie z. B.<br />

der Strahlenschutz und die Nachtarbeit außen vor bleiben.<br />

Kritisch beurteilt die BDA zudem die Einrichtung<br />

eines weiteren staatlichen Ausschusses. Da zu den Aufgaben<br />

des Ausschusses die Erarbeitung von technischen<br />

Regeln und Erkenntnissen gehören soll, besteht die<br />

Gefahr, dass eine Vielzahl von Dokumenten erarbeitet<br />

und so das Ziel der Rechtsvereinfachung konterkariert


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

73<br />

wird. Die BDA wird daher weiter auf eine grundlegende<br />

Überarbeitung des Verordnungsentwurfs dringen.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unfallversicherung<br />

und Arbeitsschutz“ veröffentlicht. Er ist<br />

über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Aktiver Sozialer Dialog macht<br />

StressRichtlinie überflüssig<br />

Die europäischen Sozialpartner sind mit Erfolg den<br />

Richtlinienüberlegungen der Kommission zum Thema<br />

„Stress“ entgegengetreten und haben sich in einer<br />

im Jahr 2004 abgeschlossenen Rahmenvereinbarung<br />

zu arbeitsbedingtem Stress zu Umsetzungsaktivitäten<br />

verpflichtet. In diesem Jahr endet die Umsetzungsfrist<br />

dieser Vereinbarung. Eine Zusammenfassung der Abschlussberichte<br />

über die Aktivitäten der Sozialpartner<br />

der Mitgliedstaaten wird der Europäischen Kommission<br />

zur Bewertung über den Erfolg dieses Vorhabens<br />

Mitte <strong>2008</strong> vorgelegt.<br />

Die BDA legt mit dem Umsetzungsbericht zur Rahmenvereinbarung<br />

zu arbeitsbedingtem Stress eindrucksvoll<br />

dar, dass der gewählte Weg über die Sozialpartnervereinbarung<br />

effektiver ist als neue gesetzliche Regelungen<br />

und damit dem Lissabon-Ziel europäischer Politik „better<br />

and smarter regulation“ besser entspricht.<br />

die bda gibt der diskussion über arbeitsbedingten stress<br />

die richtige richtung<br />

BDA-Symposien<br />

Datum<br />

Titel Fachvorträge und Podiumsbeiträge Teilnehmerzahl<br />

16. November 2005<br />

Psychische Belastung bei der Arbeit<br />

BDA, Universität München, Universität Wuppertal, BASF,<br />

Berufsgenossenschaftliche Zentrale für Sicherheit und Gesundheit,<br />

Berufsgenossenschaft Metall Süd, BKK-Bundesverband,<br />

DaimlerChrysler, Verwaltungs-BG, Firma Rolf<br />

Benz, Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (IfaA)<br />

100 Personen<br />

21. November 2006<br />

Zielgerichtete Prävention – psychische<br />

Belastung bei der Arbeit sicher<br />

erkennen und einordnen<br />

BDA, Gesellschaft für Arbeits-, Wirtschafts- und Organisationspsychologische<br />

Forschung, IfaA, BG für Gesundheitsdienst<br />

und Wohlfahrtspflege, Norddeutsche Metall-BG,<br />

Maschinenbau- und Metall-BG, Telekom, ULA Deutscher<br />

Führungskräfteverband, DaimlerChrysler, Deutsche Bahn,<br />

INFRACOR, HVBG<br />

150 Personen<br />

5. März <strong>2008</strong><br />

Umgang mit psychischer Belastung<br />

im Unternehmen: betriebliche Konzepte<br />

und externe Unterstützung<br />

BDA, BG-Metall Nord Süd, Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung<br />

BGF, ADAC, Universität Wuppertal,<br />

Metall NRW, Firma Rolf Benz, Unfallkasse Rheinland-<br />

Pfalz, Daimler, AOK BGF, BKK Bundesverband<br />

150 Personen<br />

Informationsmedien<br />

Broschüren:<br />

•Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit, Stand: Mai 2005, 2., überarbeitete Auflage<br />

•Leistung und Lohn – Zeitschrift für Arbeitswissenschaft: Die Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit, November<br />

2005, Nr. 417/418/419<br />

•Leistung und Lohn – Zeitschrift für Arbeitswissenschaft: Erfassung psychischer Belastung und Rückwirkung auf die Arbeitsgestaltung, KPB – ein Praxisinstrument<br />

zur Erfassung psychischer Belastungen, April <strong>2008</strong>, Nr. 445/446/447/448/449<br />

Mustervortragssatz „Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit“


74<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Die BDA hat während der Umsetzungsfrist die Fachdiskussion<br />

mit allen relevanten Präventionsverantwortlichen<br />

zum Thema „Psychische Belastung und arbeitsbedingter<br />

Stress“ in Deutschland in Symposien, Vorträgen<br />

und Veröffentlichungen maßgeblich geprägt.<br />

Die Arbeitsbedingungen in Deutschland befinden<br />

sich auf einem hohen Niveau. Demgegenüber heben<br />

Krankenkassen in ihren Gesundheitsberichten den<br />

starken Anstieg der psychischen Erkrankungen hervor.<br />

Für diesen Trend wird zum großen Teil die steigende<br />

psychischen Belastung aus veränderten Arbeitsbedingungen<br />

wie Leistungsverdichtung und gestiegenem<br />

Arbeitstempo verantwortlich gemacht. Bei Prüfung der<br />

diesen Aussagen zugrunde liegenden Daten wird jedoch<br />

deutlich, dass die Fallzahlen psychischer Erkrankungen<br />

über die letzten fünf Jahre annähernd konstant<br />

geblieben sind. Die BDA fordert eine realistische Betrachtung<br />

des Risikos, aus arbeitsspezifischen Inhalten<br />

und Faktoren ernsthaft psychisch zu erkranken. Die<br />

psychische Gesundheit ist ein allgemeines gesundheitspolitisches<br />

Anliegen. Sie darf nicht auf die Arbeitswelt<br />

reduziert werden, indem sämtliche Einflüsse aus<br />

dem Privatleben und aus individuellen Lebensumständen<br />

unbeachtet bleiben.<br />

Dennoch wenden sich europäische und nationale Arbeitsschutzeinrichtungen<br />

verstärkt dem Thema der psychosozialen<br />

Risiken aus veränderten Arbeitsbedingungen<br />

zu. Die BDA hat mit den Umsetzungsaktivitäten<br />

im Rahmen der Sozialpartnervereinbarung zu arbeitsbedingtem<br />

Stress einen erheblichen Beitrag auf diesem<br />

Feld geleistet. Hieran anknüpfend wird sie das Thema<br />

der Einflüsse auf die psychische Gesundheit der Beschäftigten<br />

mit gleicher Intensität bearbeiten.<br />

Selbstverwaltung stärken<br />

statt schwächen<br />

Das im April <strong>2008</strong> vom Bundesministerium für Arbeit<br />

und Soziales vorgelegte Gutachten zur „Geschichte<br />

und Modernisierung der Sozialversicherungswahlen“<br />

enthält keine geeigneten Vorschläge zur Reform der<br />

sozialen Selbstverwaltung. Die BDA hat die darin unterbreiteten<br />

Empfehlungen weitgehend abgelehnt. Insbesondere<br />

der Vorschlag, die Mitwirkung der Arbeitgeber<br />

in den Selbstverwaltungsorganen auf ein Drittel<br />

zu beschränken, ist nachdrücklich abzulehnen. Dies<br />

gilt schon deshalb, weil der als Begründung gegebene<br />

Hinweis auf einen geringeren Beitragsanteil der Arbeitgeber<br />

nicht zutreffend ist. Richtig ist vielmehr, dass die<br />

Arbeitgeber in den meisten Sozialversicherungszweigen<br />

sogar höhere Beiträge als die Versicherten zahlen.<br />

Ohnehin ist der tragende Grund für die paritätische<br />

Selbstverwaltung jedoch nicht der jeweilige Finanzierungsanteil:<br />

Andernfalls wäre z. B. eine Mitwirkung von<br />

Arbeitnehmervertretern in der Selbstverwaltung der Unfallversicherung<br />

überhaupt nicht zu erklären. Vielmehr<br />

beruht die paritätische Mitwirkung vor allem darauf,<br />

dass die Beiträge zur Sozialversicherung nach wie vor<br />

ganz überwiegend über lohnbezogene Beiträge aufgebracht<br />

werden. Zudem soll mit der gleichberechtigten<br />

Einbindung der Arbeitgeber in die Selbstverwaltung<br />

der Sozialversicherung auch ihre Mitverantwortung<br />

für die Sozialversicherung zum Ausdruck gebracht und<br />

eingefordert werden. Bei einer bloßen Mitwirkung der<br />

Arbeitgeber in der Selbstverwaltung ohne tatsächliche<br />

Gestaltungsmöglichkeiten würde diese wesentliche<br />

Aufgabe und Rolle der paritätischen Selbstverwaltung<br />

durch Arbeitgeber und Versicherte hingegen aufgegeben.<br />

Kritisch zu sehen sind auch Überlegungen der<br />

Gutachter hinsichtlich einer Ausweitung des aktiven<br />

und passiven Wahlrechts auf Personen, die selbst nicht<br />

Mitglied der Sozialversicherung sind. Es darf nicht sein,<br />

dass weitere Personen in den Selbstverwaltungsorganen<br />

mitwirken, die nicht selbst mit eigenen Beiträgen<br />

an der Finanzierung der Sozialversicherung beteiligt<br />

sind und damit kein Interesse an einem möglichst wirtschaftlichen<br />

Einsatz der Beitragsmittel haben, sondern<br />

ausschließlich an höheren Leistungen. Des Weiteren<br />

fehlt ein überzeugender Vorschlag zur Modernisierung<br />

der Organisationsstrukturen.<br />

Im Hinblick auf das Gutachten und die aktuelle Diskussion<br />

über eine Reform der Selbstverwaltung hat die<br />

BDA im März <strong>2008</strong> das aktualisierte Positionspapier<br />

„Autonomie stärken – Organisationsstrukturen modernisieren“<br />

mit Reformvorschlägen zur sozialen Selbstverwaltung<br />

vorgelegt. Die BDA hat sich darin klar für<br />

eine Reform der sozialen Selbstverwaltung ausgesprochen.<br />

Der in den letzten Jahren gewachsene Staatseinfluss<br />

auf die Sozialversicherung muss gestoppt und<br />

zurückgedrängt werden. Dafür ist die Autonomie der<br />

Selbstverwaltung zu stärken, ihre Gestaltungsmöglich­


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

75<br />

keiten sind zu erweitern. Es muss sichergestellt werden,<br />

dass Versicherte und Arbeitgeber die von ihnen<br />

finanzierten Sozialversicherungen verantwortlich und<br />

aktiv mitgestalten können. Um die Effizienz der Arbeit<br />

der sozialen Selbstverwaltung zu erhöhen, sollten<br />

außerdem die historisch gewachsenen, teilweise<br />

aufgeblähten Organisationsstrukturen der Sozialversicherung<br />

durch ein einheitlich für alle Zweige der Sozialversicherung<br />

geltendes schlankes Verwaltungsratsmodell<br />

ersetzt werden. Ferner muss die paritätische<br />

Selbstverwaltung der Sozialversicherung durch Arbeitgeber<br />

und Versicherte auch dort eingeführt werden,<br />

wo sie heute noch fehlt.<br />

Das BMAS wird bis September <strong>2008</strong> entscheiden, welche<br />

Schlussfolgerungen aus dem Gutachten zu ziehen<br />

sind. Die BDA wird sich weiter nachdrücklich für eine<br />

Reform der Selbstverwaltung, die deren Autonomie<br />

stärkt und ihre Organisationsstrukturen modernisiert,<br />

einsetzen.


77<br />

Frühkindliche Bildung ■ Schulpolitik<br />

■ Hochschulpolitik ■ Ausbildung ■ Weiterbildung<br />

■ Europäische Bildungspolitik<br />

■ Kindergarten ■ Obligatorisches<br />

Vorschulcurriculum ■ Migranten ■ Kooperation<br />

von Schule und Wirtschaft<br />

■ Berufsbefähigung<br />

BILDUNG,<br />

■ Schlüsselqualifikationen<br />

■ Bildungsfinanzierung ■ Qualitätsmanagement<br />

BERUFLICHE ■ Lehrerbildung BILDUNG ■ MINT<br />

■ Berufsorientierung ■ Bildungsstandards<br />

■ Ganztagsschulen ■ Ökonomische<br />

Bildung ■ Werteerziehung ■ Durchlässigkeit<br />

der Bildungsbereiche ■ Wissenschaft<br />

und Forschung ■ Akkreditierung<br />

■ Bachelor/Master ■ Hochschulreform<br />

■ Hochschulzugang ■ Studien- und<br />

Hochschulfinanzierung ■ Ausbildungsfähigkeit<br />

■ Ausbildungsmarkt ■ Ausbildungspakt<br />

■ Ausbildungsabgabe ■ Duale<br />

Ausbildung ■ Lebenslanges Lernen<br />

■ Qualitätssicherung ■ IT-Weiterbildung<br />

■ Bologna-Prozess ■ Europäische Berufsbildungspolitik<br />

■ Frühkindliche Bildung<br />

■ Schulpolitik ■ Hochschulpolitik<br />

■ Ausbildung ■ Weiterbildung ■ Europäische<br />

Bildungspolitik ■ Kindergarten<br />

■ Obligatorisches Vorschulcurriculum<br />

■ Migranten ■ Kooperation von Schule<br />

und Wirtschaft ■ Berufsbefähigung<br />

■ Schlüsselqualifikationen ■ Studienund<br />

Hochschulfinanzierung ■ Qualitätsmanagement<br />

■ Lehrerbildung ■ MINT ■ Berufsorientierung<br />

■ Bildungsstandards<br />

■ Ökonomische Bildung ■ Werteerziehung<br />

■ Ganztagsschulen ■ Durchlässigkeit<br />

der Bildungsbereiche ■ Wissenschaft<br />

und Forschung ■ Akkreditierung<br />

■ Bachelor/Master ■ Hochschulreform<br />

■ Hochschulzugang ■ Studien- und<br />

Hochschulfinanzierung ■ Ausbildungsfähigkeit<br />

■ Ausbildungsmarkt ■ Ausbildungspakt<br />

■ Ausbildungsabgabe ■ Duale<br />

Ausbildung ■ Lebenslanges Lernen<br />

■ Qualitätssicherung ■ Wissenschaftliche<br />

Weiterbildung ■ IT-Weiterbildung<br />

■ Bologna-Prozess ■ Europäische Berufsbildungspolitik<br />

■ Frühkindliche Bildung<br />

■ Schulpolitik ■ Hochschulpolitik ■ Ausbildung<br />

■ Weiterbildung ■ Europäische<br />

Bildungspolitik ■ Kindergarten ■ Obligatorisches<br />

Vorschulcurriculum ■ Migranten<br />

■ Kooperation von Schule und<br />

Wirtschaft ■ Berufsbefähigung ■ Schlüsselqualifikationen<br />

■ Bildungsfinanzierung<br />

■ Qualitätsmanagement ■ Lehrerbildung<br />

■ MINT ■ Berufsorientierung<br />

■ Bildungsstandards ■ Ganztagsschulen<br />

■ Ökonomische Bildung ■ Werteerziehung<br />

■ Durchlässigkeit der Bildungsbereiche<br />

■ Wissenschaft und Forschung


78<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Bildung – das Zukunftsthema<br />

für Deutschland<br />

Bildung ist das Zukunftsthema für Deutschland und<br />

Kern jeder Nachhaltigkeitsstrategie für unseren Wirtschaftsstandort.<br />

Bildungspolitik ist mit Blick auf Sicherheit,<br />

Wohlstand und Chancengerechtigkeit für die Menschen<br />

auch die eigentliche Sozialpolitik. Motivation,<br />

Qualifikation und Kompetenz entscheiden, ob jemand<br />

selbstständig sein Leben gestalten kann oder dauerhaft<br />

am Tropf staatlicher Transferleistungen hängt.<br />

Im vergangenen Jahr haben BDA und BDI entschieden,<br />

ihre bildungspolitischen Positionen in einem gemeinsamen<br />

Fachausschuss unter Federführung der BDA zu<br />

entwickeln und ihre Initiativen gemeinsam zu gestalten.<br />

Im April diesen Jahres hat das gemeinsame Präsidium<br />

von BDA und BDI die zentralen Leitlinien und Forderungen<br />

der Wirtschaft für die anstehenden Reformen in<br />

frühkindlicher Bildung, Schule, Hochschule sowie beruflicher<br />

Aus- und Weiterbildung im Beschluss „Bildung<br />

schafft Zukunft“ zusammengefasst. Der Beschluss stellt<br />

die bildungspolitische Arbeit von BDA und BDI auf eine<br />

gemeinsame Basis und formuliert konkrete quantitative<br />

Zielvorgaben bis 2015 sowie die Wege und Orientierungsmarken,<br />

die zur Zielerreichung führen.<br />

Das gemeinsame Präsidium fordert, die Weiterentwicklung<br />

aller Bildungsbereiche auf drei Leitlinien auszurichten<br />

– damit BILDUNG ZUKUNFT SCHAFFT:<br />

Bis 2015 muss<br />

in den Schulen<br />

•der Anteil der Schulabbrecher von heute 8 % auf 4 %<br />

halbiert werden<br />

•der Anteil der leistungsschwachen, nicht ausbildungsreifen<br />

Schulabgänger von heute 20 % auf 10 % gesenkt<br />

werden<br />

•der Anteil der Leistungsstärksten von heute 10 % auf<br />

15 % steigen<br />

in den Hochschulen<br />

•die Studienanfängerquote von heute 36 % auf deutlich<br />

über 40 % steigen<br />

•die Betreuungsrelation zwischen Studierenden und<br />

Lehrkräften insgesamt um ein Drittel verbessert<br />

werden<br />

•die Quote der Studienabbrecher von heute 21 % auf<br />

10 % reduziert werden<br />

•der Anteil der Hochschulabsolventen in MINT-<br />

Fächern an allen Hochschulabsolventen von heute<br />

31 % auf 40 % steigen<br />

in der beruflichen Bildung<br />

•der Anteil junger Menschen ohne Ausbildungsabschluss<br />

von heute 16 % der 20- bis 29-Jährigen auf<br />

8 % halbiert werden<br />

•die Zahl der beruflich Qualifizierten ohne formale<br />

Hochschulzugangsberechtigung, die ein Studium beginnen,<br />

von knapp 1 % auf 5 % der Studienanfänger<br />

steigen<br />

1. Mehr Selbstständigkeit der einzelnen Bildungseinrichtungen<br />

und mehr Wettbewerb sind in allen Bildungsbereichen<br />

der Schlüssel zu mehr Qualität.<br />

2. Die Abschottung der verschiedenen Bildungswege gegeneinander<br />

muss überwunden, die Durchlässigkeit des<br />

Bildungssystems und die internationale Vergleichbarkeit<br />

der Qualifikationen müssen verbessert werden.<br />

3. Zur kurz- und langfristigen Sicherung des Nachwuchses<br />

im Bereich MINT müssen Unterricht und<br />

Lehre in Kindergarten, Schule und Hochschule hier<br />

Prioritäten setzen.<br />

Um diese Ziele zu erreichen, braucht unser Land eine<br />

nachhaltige Prioritätensetzung bei der Bildung. Der Kindergarten<br />

muss als erste Stufe des Bildungssystems mit<br />

dafür noch besser qualifizierten Erzieher/-innen ausgebaut<br />

werden.<br />

Zu begrüßen sind die Anstrengungen der Länder in den<br />

letzten Jahren zur Verbesserung der Bildung, z. B. durch<br />

die Einführung von nationalen Bildungsstandards für die<br />

Schulen. Auch die Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung,<br />

die im Januar <strong>2008</strong> vorgelegt wurde, zeigt,<br />

welche Bedeutung das Thema „Bildung“ gewonnen hat.<br />

Positiv sind insbesondere folgende Ziele der Initiative:<br />

die Stärkung der frühkindlichen Bildung, die Verbesserung<br />

der Ausbildungsreife, mehr Durchlässigkeit zwischen<br />

hochschulischer und beruflicher Bildung, mehr


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

79<br />

Interesse für MINT-Berufe, die Gewinnung von mehr<br />

Studierenden. Dies muss nun von Bund und Ländern<br />

gemeinsam unterfüttert werden mit konkreten Zielen,<br />

z. B. einer Halbierung der Schulabbrecherquote und<br />

der Studien abbrecherquote. Die Anstrengungen von<br />

Ländern und Bund müssen konsequent fortgesetzt und<br />

intensiviert werden.<br />

Die Wirtschaft leistet ihren Beitrag zur Bildung mit Investitionen<br />

zur Sicherung ihres Fachkräftebedarfs von<br />

jährlich rund 28 Mrd. € in die Ausbildung und noch<br />

einmal rund 27 Mrd. € in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter.<br />

Wir engagieren uns aber auch mehr denn je in<br />

der Bildungspolitik und kooperieren eng mit Kindergärten,<br />

Schulen und Hochschulen, denn die Betriebe und<br />

Unternehmen sind elementar auf eine bessere Bildungsqualität<br />

in Deutschland angewiesen.<br />

„Bildungsmonitoring der<br />

Wirtschaft <strong>2008</strong>“ bewertet<br />

Schulreformen<br />

auf die Themen „Selbstständige Schule“ und „Ökonomische<br />

Bildung“, im zweiten Halbjahr wird das Thema<br />

„Lehreraus- und fortbildung“ hinzukommen.<br />

Selbstständige Schule: Noch<br />

nicht konsequent umgesetzt<br />

Die Wirtschaft setzt auf einen Paradigmenwechsel im<br />

Schulsystem – weg von der administrativen Durchregulierung<br />

ohne Effizienzüberprüfung hin zu einem neuen<br />

System von selbstständigen Schulen und definierten,<br />

überprüften Zielen. Auch die OECD unterstreicht in ihrem<br />

Wirtschaftsbericht, dass für Fortschritte in der Schule<br />

die Lehrqualität entscheidend ist: Um sie zu steigern, bedarf<br />

es nach internationalen Erkenntnissen vor allem der<br />

Schulautonomie mit einer starken Schulleitung sowie der<br />

Verantwortlichkeit der Schule für die Schülerleistungen.<br />

Tatsächlich haben Schulleiter in Deutschland noch zu<br />

wenig Verantwortung für die Entscheidung über Einstellung<br />

und Entlassung von Lehrkräften, die Festlegung des<br />

konkreten Lehrstoffs und die Schülerbeurteilung.<br />

Die deutsche Wirtschaft hat sich im Schulbereich in den<br />

vergangenen Jahren zu den maßgeblichen Themen mit<br />

Publikationen, Tagungen und Studien positioniert und<br />

viele Veränderungsprozesse angestoßen. Nun kommt es<br />

darauf an, die in Gang gesetzten Entwicklungen weiterzuverfolgen,<br />

kritisch zu bewerten und je nachdem zu korrigieren<br />

oder voranzutreiben. Im ersten Halbjahr konzentriert<br />

sich das „Bildungsmonitoring der Wirtschaft <strong>2008</strong>“<br />

Die Selbstständige Schule ist dabei Dreh- und Angelpunkt<br />

des Paradigmenwechsels im Schulsystem und daher das<br />

erste Thema im Rahmen des „Bildungsmonitoring <strong>2008</strong>“.<br />

Um die Selbstständige Schule zur gelebten Realität werden<br />

zu lassen, muss die Entwicklung in den Ländern<br />

über Modellversuche oder Teilselbstständigkeiten weit<br />

hinausgehen. Zu oft bleibt es beim Lippenbekenntnis zur<br />

Selbstständigen Schule, fehlt es an wirklichem Vertrauen


80<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

in ihre Leistungsfähigkeit. Die Schulen brauchen mehr<br />

Freiheiten, um einen individuellen Weg bei der Förderung<br />

ihrer Schüler einschlagen, eigene Schwerpunkte<br />

setzen, Lehrkräfte aussuchen, Verträge schließen und ein<br />

Budget verwalten zu können. Dabei wird sich die Rolle<br />

des Schulleiters grundlegend wandeln – er wird zum Chef<br />

des „Unternehmens“ Schule. Für die Entwicklung der<br />

notwendigen Führungskompetenzen sind Erfahrungen<br />

der Unternehmen mit Leitung, Personalentwicklung und<br />

Verantwortung hilfreich. Diesen Zusammenhang thematisierte<br />

die BDA/BDI-Tagung „Selbstständige Schule<br />

braucht Führung“ am 23. Juni <strong>2008</strong> in Berlin. Die Tagung<br />

stellte – auch im Rahmen einer Pressekonferenz – die<br />

neueste Publikation der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

SCHULEWIRTSCHAFT vor, die Auswahl, Qualifizierung<br />

und Kompetenzprofil der Schulleiter in den Bundesländern<br />

analysiert und Empfehlungen für die Aus- und Fortbildung<br />

von Schulleitern gibt.<br />

Ausgewählte Ergebnisse und Empfehlungen der SCHULEWIRTSCHAFT-<br />

Publikation „Was Schulleiter als Führungskräfte brauchen“<br />

Bundesweite Trends<br />

•Die Verantwortung der Schulleitung für das Profil und die Organisationsentwicklung ihrer Schule ist weithin<br />

selbstverständlich.<br />

•Die Verantwortungsübernahme der Schulleitung für die Personalrekrutierung und -entwicklung wurde von den<br />

Ländern noch nicht konsequent durchdekliniert. Meist fehlen den Schulleitungen die dafür notwendigen Führungsmittel.<br />

Insbesondere das Führungsinstrument Zielvereinbarung wird noch zu wenig genutzt.<br />

•Sachmittel- und Personalbudgets sind noch nicht konsequent auf die einzelne Schule übertragen worden.<br />

•Es gibt häufig Besetzungsprobleme von Schulleiterstellen. Sie sind Indiz für eine mangelnde Führungskräfteentwicklung<br />

der Länder und für nicht leistungsgerechte Bezahlung.<br />

•Bei der Besetzung von Schulleiterstellen haben externe Führungskräfte kaum eine Chance.<br />

•Die Führungskräfteentwicklung der Schulleitungen erfolgt erst in Ansätzen kontinuierlich und systematisch.<br />

Empfehlungen von SCHULEWIRTSCHAFT<br />

•Die Länder müssen den eingeschlagenen Weg der Selbstständigen Schule konsequent umsetzen.<br />

•Die Personalverantwortung muss ganz in die Eigenverantwortung der Schulleitungen gelegt werden.<br />

•Für die Organisations- und Personalentwicklung benötigen Schulleitungen finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Dafür müssen angemessene Ressourcen bereitgestellt und die bisher häufig noch zentral verwalteten Budgets<br />

konsequent auf die Einzelschule übertragen werden.<br />

•Für die Besetzung von Schulleiterstellen soll ein qualifiziertes Einstellungsverfahren angewendet werden, das<br />

auch externen Bewerbern offensteht.<br />

•Der Beamtenstatus soll zu Gunsten einer leistungsgerechten Personal- und Besoldungspolitik aufgegeben werden.<br />

•Die Fortbildung soll konsequent auf eine nachfrageorientierte Fortbildung umgestellt werden und eine Öffnung<br />

zu freien Bildungsanbietern zulassen.<br />

•Exzellente Führung gibt es nicht zum Nulltarif: Es müssen Ressourcen für eine systematische und professionelle<br />

Führungskräfteentwicklung, professionelle Begleitung der Schulleitung bei Veränderungsprozessen, Personalentwicklung<br />

und Personalausstattung sowie für die Schaffung leistungsgerechter finanzieller Anreizsysteme für<br />

Führungskräfte und Lehrer bereitgestellt werden.<br />

Weitere Informationen unter www.schulewirtschaft.de.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

81<br />

Ökonomische Bildung in<br />

der Schule: Fehlanzeige<br />

Zu den Forderungen der deutschen Wirtschaft gehört<br />

seit längerem eine Verbesserung der ökonomischen<br />

Bildung an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland.<br />

In Zeiten der Globalisierung ist die Vermittlung<br />

ökonomischen Wissens fundamental: Junge Menschen<br />

brauchen wirtschaftliche Grundkenntnisse und Kompetenzen,<br />

um mündige Wirtschafts- und Staatsbürger<br />

sein zu können.<br />

Kürzlich veröffentlichte Studien der Bertelsmann Stiftung<br />

und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln<br />

belegen die unbefriedigende Situation. Die Vermittlung<br />

wirtschaftlicher Grundkenntnisse in Schulbüchern<br />

und Lehrplänen ist absolut unzureichend. So wird häufig<br />

eine sehr einseitig interessenorientierte Sichtweise<br />

vermittelt, während die Funktionsweisen von Unternehmen<br />

in sich ständig ändernden Märkten, die Leistungen<br />

von Unternehmern und auch die Motivation<br />

zur unternehmerischen Selbstständigkeit fehlen. Die<br />

Bertelsmann-Studie hat mit beeindruckenden Zahlen<br />

belegt, dass sowohl Schüler als auch Lehrer eine breitere<br />

und fundiertere Behandlung wirtschaftlicher Themen<br />

im Schulunterricht wünschen. Dabei haben die<br />

Jugendlichen durchweg ein sehr großes Interesse an<br />

Wirtschaftsthemen, jeder Zweite schätzt sich selbst als<br />

Unternehmertyp ein. Mangel an Wissen, bei großem<br />

Interesse, charakterisiert die Einstellung der Jugendlichen<br />

zur Ökonomie und nicht Ablehnung.<br />

Die deutsche Wirtschaft hat im Jahr 2000 – gemeinsam<br />

mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund – die<br />

Einführung eines eigenständigen Fachs „Wirtschaft“<br />

an den allgemeinbildenden Schulen ab Klasse 5 gefordert.<br />

2003 haben sich Kultusministerkonferenz (KMK),


82<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Schüler wollen wissen, wie Wirtschaft funktioniert<br />

Würden Sie gerne mehr darüber wissen, wie die Wirtschaft in Deutschland funktioniert, wie wirtschaftliche Vorgänge ablaufen?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Alle (15 bis 20 Jahre) 67<br />

33<br />

Männlich<br />

63<br />

37<br />

Weiblich<br />

71<br />

29<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren (Angaben in %)<br />

Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2007<br />

Lehrer sehen Notwendigkeit, Wirtschaftsfragen stärker in den Unterricht zu integrieren<br />

Sollten in Zukunft vermehrt wirtschaftliche Fragen im Schulunterricht vorkommen?<br />

Ja Weiß nicht Nein<br />

Alle Lehrer<br />

67<br />

27<br />

6<br />

Gymnasium<br />

65<br />

28<br />

7<br />

Realschule<br />

71<br />

20<br />

9<br />

Hauptschule<br />

76<br />

23<br />

1<br />

Grundschule<br />

53<br />

38<br />

9<br />

Andere Schulen*<br />

87<br />

13<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Bundesweite Lehrerstichprobe (Angaben in %)<br />

* Ohne Gesamt- und Sonderschulen<br />

Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2007<br />

Jeder zweite Schüler schätzt sich als Unternehmertyp ein<br />

Glauben Sie, dass Sie grundsätzlich der richtige Typ sind, um Unternehmer zu sein oder es zu werden?<br />

Ja Weiß nicht Nein<br />

Alle (15 bis 20 Jahre)<br />

44<br />

4<br />

52<br />

Männlich<br />

48<br />

4<br />

48<br />

Weiblich<br />

40<br />

3<br />

57<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren (Angaben %)<br />

Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2007


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

83<br />

Wirtschaftsministerkonferenz, die Spitzenverbände der<br />

Wirtschaft und der DGB für 200 Stunden Wirtschaftsunterricht<br />

in der Sekundarstufe I ausgesprochen. Seitdem<br />

ist der Anteil der ökonomischen Bildung in den<br />

Lehrplänen gestiegen. Zunehmend sind Fächer oder<br />

Fächerverbünde mit einem größeren Wirtschaftsanteil<br />

entstanden. Die Wirtschaft nimmt in der Schule<br />

damit breiteren Raum ein. Dennoch ist das Ziel der<br />

Vermittlung einer umfassenden ökonomischen Bildung<br />

an alle Jugendlichen noch immer nicht greifbar.<br />

Es dominieren in den Ländern Fächerverbünde statt<br />

eines Fachs „Wirtschaft“; selbst diese sind in der Regel<br />

Wahl-, nicht Pflichtfächer und der Anteil der Wirtschaft<br />

bleibt unverbindlich. Ohne ein eigenständiges<br />

Fach „Wirtschaft“ etabliert sich auch keine systematische<br />

Lehrerausbildung.<br />

BDA und BDI haben daher im „Bildungsmonitoring <strong>2008</strong>“<br />

ihre Forderung nach ökonomischer Bildung in der Schule<br />

in einem 6-Punkte-Katalog erneuert (siehe Kasten).<br />

Als Neustart für eine bessere ökonomische Bildung sind<br />

wir dabei, das Thema in die nationale Qualifizierungsinitiative<br />

von Bund und Ländern in Kooperation mit der<br />

Wirtschaft einzubringen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Schulpolitik“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.<br />

6-Punkte-katalog zur ökonomischen Bildung<br />

1. Wirtschaft muss ein eigenständiges Unterrichtsfach an allgemeinbildenden Schulen sein. Erst ein Fach „Wirtschaft“<br />

wird einen deutlichen Qualitätssprung in der Vermittlung ökonomischen Wissens und Könnens schaffen.<br />

2. Für die ökonomische Bildung sind wie für alle Fächer nationale Standards zu entwickeln, mit denen die zu erreichenden<br />

Kompetenzen definiert werden.<br />

3. Eine zielführende und hochwertige Aus- und Weiterbildung von Fachlehrern für die ökonomische Bildung ist<br />

notwendig, die wissenschaftlich fundiert und praxisnah ist.<br />

4. In Forschung und Lehre ist die Didaktik der Wirtschaftswissenschaften zu stärken und an Kapazitäten auszubauen.<br />

5. Schulbücher und Unterrichtsmaterialien spielen eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung ökonomischer Bildung<br />

an die Jugendlichen. Sie müssen um ausgewogene Darstellungen von Unternehmensabläufen und unternehmerischer<br />

Wertschöpfung ergänzt werden und auch Mut zum Unternehmertum machen.<br />

6. Ein anschaulicher, die Jugend ansprechender Unterricht „Wirtschaft“ braucht die enge Zusammenarbeit mit<br />

der Wirtschaft, mit Unternehmen, Verbänden und Bildungswerken. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaften<br />

SCHULEWIRTSCHAFT kooperieren bundesweit bereits tausende von Schulen und Betrieben mit Schüler- und<br />

Lehrerpraktika, Berufs- und Betriebserkundungen, Planspielen und Schülerfirmen u. a. m.


84<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Interesse an MINT-Berufen und<br />

MINT-Studiengängen: Ausbaufähig<br />

Dass es schulpolitisch in Deutschland vorangeht, aber<br />

nach wie vor große Anstrengungen erforderlich sind,<br />

belegten die letzte PISA-Studie 2006, die Ende 2007<br />

erschien, ebenso wie der OECD-Wirtschaftsbericht im<br />

Frühjahr <strong>2008</strong> und der schulpolitische Check des Instituts<br />

der deutschen Wirtschaft Köln.<br />

Die PISA-Studie erfasste diesmal die naturwissenschaftlichen<br />

Kompetenzen der 15-Jährigen; dabei erzielte<br />

Deutschland einen überdurchschnittlichen Leistungswert<br />

und steigerte sich von Platz 15 im Jahr 2003 auf<br />

den achten Platz. Die Einstellung der Jugendlichen zu<br />

den Naturwissenschaften ist aber längst nicht so positiv<br />

wie in anderen Ländern: Nur jeder Vierte möchte z. B.<br />

nach dem Schulabschluss ein naturwissenschaftliches<br />

Fach studieren, im OECD-Durchschnitt ist es jeder dritte<br />

Jugendliche.<br />

Nach wie vor erreichen Schüler mit Migrationshintergrund<br />

erheblich geringere Kompetenzen als Schüler<br />

ohne Migrationshintergrund; sie liegen 77 Punkte hinter<br />

ihren einheimischen Mitschülern (OECD-Durch-<br />

Handlungsschwerpunkte von<br />

„MINT Zukunft schaffen“<br />

MINT-Signet<br />

Das Signet „MINT Zukunft schaffen” steht für den<br />

übergreifenden MINT-Gedanken, junge Menschen<br />

in ganz Deutschland für Technologie zu faszinieren.<br />

Es setzt sichtbare Zeichen für die Teilhabe an der<br />

MINT-Vision.<br />

MINT-Portal<br />

Das MINT-Portal ist die digitale Multiplikationsplattform<br />

der MINT-Initiativen. Das Portal ist medialer<br />

Verstärker für den MINT-Gedanken und macht alle<br />

Informationen rund um die MINT-Projekte für Lernende,<br />

Lehrende und Eltern zugänglich.<br />

MINT-Barometer<br />

Das MINT-Barometer überprüft kontinuierlich den<br />

Fortschritt der MINT-Ziele. Im Zentrum steht die<br />

Frage: Drehen Wirtschaft, Bildungsträger und Politik<br />

an den richtigen Stellschrauben, um die Jugend für<br />

MINT-Bildung zu begeistern?<br />

MINT-Programmatik<br />

Mit der „Politischen Vision 2015” definiert die Initiative<br />

eindeutige Ziele für das MINT-Engagement<br />

von Wirtschaft, Bildungsträgern und Politik. „MINT<br />

Zukunft schaffen” kommuniziert bis 2015 in enger<br />

Abstimmung mit den Einzelinitiativen den Stand der<br />

qualitativen und quantitativen MINT-Ziele und thematisiert<br />

die notwendigen bildungspolitischen Schritte.<br />

MINT-Preise<br />

An deutschen Schulen und Hochschulen existiert vielfältiges<br />

Engagement für MINT-Bildung. Der Deutsche<br />

Arbeitgeberpreis für Bildung <strong>2008</strong> zeichnet in diesem<br />

Jahr in den Kategorien Vorschule, Schule, Hochschule<br />

und Betrieb/Berufsschule die nachhaltige Herausbildung<br />

von MINT-Kompetenzen der Kinder, Schüler und<br />

Jugendlichen aus. Zusätzlich wird ein Sonderpreis Diversity<br />

vergeben.<br />

MINT-Pressearbeit<br />

Die Pressearbeit von „MINT Zukunft schaffen” trägt<br />

dazu bei, eine breite Öffentlichkeit für die MINT-Thematik<br />

zu gewinnen und noch mehr Engagement für<br />

MINT zu entfachen.<br />

MINT-Botschafter<br />

MINT wird von Menschen gemacht! Die MINT-Botschafter<br />

sind das menschliche Gesicht zur MINT-Idee,<br />

sie machen Mut und motivieren junge Menschen, sich<br />

an MINT heranzuwagen.<br />

MINT-Konferenzen<br />

Regelmäßige Veranstaltungen vernetzen die MINT-<br />

Gemeinschaft, verbreitern die Wissensbasis und stoßen<br />

neue Initiativen an. Hier wird „MINT Zukunft<br />

schaffen” vor- und mitgelebt.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

85<br />

Das portal zu den mint-initiativen in deutschland<br />

schnitt: 58 Punkte). Rund die Hälfte des Leistungsabstands<br />

zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund<br />

ist auf den schwächeren wirtschaftlichen und sozialen<br />

Status der Familien zurückzuführen, während dies im<br />

OECD-Mittel nur ein Drittel des Leistungsabstands ausmacht.<br />

40 % der Schüler der zweiten Generation erreichen<br />

noch nicht einmal die Kompetenzstufe 2 (OECD-<br />

Mittel: 17 %). Der OECD-Wirtschaftsbericht stellt als<br />

Ursache für den auffällig engen Zusammenhang von<br />

Migrantenstatus und schwächeren Schulleistungen<br />

in Deutschland vor allem fest, dass zuhause nicht die<br />

Landessprache gesprochen wird – auch die Differenz<br />

zwischen Schülern, die zuhause deutsch sprechen,<br />

und denen, die dies nicht tun, ist in Deutschland besonders<br />

groß. Als wichtiges Handikap wird dargestellt,<br />

dass schon die Schulanfänger mit Migrationshintergrund<br />

mit schlechten Sprachkenntnissen bei der Einschulung<br />

starten. Deshalb sollen nach Auffassung der deutschen<br />

Wirtschaft überall Sprachstandstests verbindlich gemacht<br />

und Förderprogramme aufgelegt werden, damit<br />

kein Kind mehr ohne ausreichende Sprachkenntnisse<br />

eingeschult wird. Eindeutig ist der Zusammenhang zwischen<br />

frühkindlicher Bildung und späterer Lernleistung;<br />

insofern betrachtet es die OECD als gravierend, dass<br />

nach wie vor Migrantenkinder zu geringeren Anteilen<br />

(7 % weniger) Kindergärten etc. besuchen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Frühkindliche<br />

Bildung“ und den kompakt „Integration durch<br />

Bildung“ veröffentlicht. Diese sind über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

BDA und BDI begrüßten, dass die von PISA erfassten<br />

deutschen Schülerleistungen mit dem Schwerpunkt<br />

Naturwissenschaften besser geworden sind. Erstmals<br />

liegen sie im vorderen Drittel und erkennbar über dem<br />

OECD-Durchschnitt. Zwingend notwendig ist es, die<br />

Leistungen der Schüler mit Migrationshintergrund zu<br />

verbessern, die den einheimischen Schülerleistungen<br />

im Bereich Naturwissenschaften um mehr als zwei<br />

Schuljahre hinterherhinken. Ziel muss es sein, dass<br />

diese Kinder von Beginn an den Kindergarten besuchen


86<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Zu hoch: Studienabbrecherquoten in den Mint-Fächern an universitäten<br />

Physik,<br />

Geowissenschaften<br />

Maschinenbau<br />

Elektrotechnik<br />

34 %<br />

33 %<br />

36 %<br />

Informatik<br />

Chemie<br />

32 %<br />

31 %<br />

Mathematik<br />

31 %<br />

Biologie 15 %<br />

Alle Fächer<br />

(Durchschnitt)<br />

20 %<br />

Quelle: HIS, <strong>2008</strong><br />

Ingenieurlücke gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands<br />

Arbeitslos gemeldete Ingenieure<br />

Gesamtwirtschaftliches Stellenangebot<br />

Ingenieurlücke<br />

120.000<br />

100.000<br />

80.000<br />

60.000<br />

40.000<br />

20.000<br />

0<br />

– 20.000<br />

Jan 05<br />

Eeb 05<br />

Mrz 05<br />

Apr 05<br />

Mai 05<br />

Jun 05<br />

Jul 05<br />

Aug 05<br />

Sep 05<br />

Okt 05<br />

Nov 05<br />

Dez 05<br />

Jan 06<br />

Feb 06<br />

Mrz 06<br />

Apr 06<br />

Mai 06<br />

Jun 06<br />

Jul 06<br />

Aug 06<br />

Sep 06<br />

Okt 06<br />

Nov 06<br />

Dez 06<br />

Jan 07<br />

Feb 07<br />

Mrz 07<br />

Apr 07<br />

Mai 07<br />

Jun 07<br />

Jul 07<br />

Aug 07<br />

Sep 07<br />

Okt 07<br />

Nov 07<br />

Dez 07<br />

Jan 08<br />

Feb 08<br />

Mrz 08<br />

Quelle: IW Köln, <strong>2008</strong>


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

87<br />

und dort systematisch in ihrer Entwicklung gefördert<br />

werden, so dass sie die gleichen guten Startbedingungen<br />

haben. Ein Stufenplan zur kontinuierlichen Förderung<br />

der Sprachentwicklung wie des mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

und technischen Interesses<br />

der Kinder und Schüler muss bereits im Kindergarten<br />

ansetzen, in den Grundschulen fortgeführt und in den<br />

weiterführenden Schulen konsequent vertieft werden.<br />

Angesichts der unterdurchschnittlichen Neigung der<br />

Schüler, später ein naturwissenschaftliches Studium<br />

aufzunehmen oder einen naturwissenschaftlichen oder<br />

technischen Beruf zu ergreifen, muss das Engagement<br />

für eine frühzeitige Berufsorientierung an den Schulen<br />

in diese Richtung erhöht werden. Ebenfalls müssen in<br />

der Lehreraus- und weiterbildung neue Akzente gesetzt<br />

werden, um genügend gut qualifizierte Lehrkräfte zu<br />

gewinnen, die das Interesse an naturwissenschaftlichtechnischen<br />

Fragestellungen bei den Jugendlichen wecken<br />

und vertiefen.<br />

Gegen den Fachkräftemangel:<br />

Initiative „MINT Zukunft schaffen“<br />

gestartet<br />

Dies ist umso notwendiger, weil es dem Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland an naturwissenschaftlich-technisch<br />

qualifizierten Fachkräften fehlt. Dieser Nachwuchsmangel<br />

hemmt Wachstum und Innovation und<br />

verursacht einen hohen Wertschöpfungsverlust für die<br />

deutsche Volkswirtschaft. Eine im April <strong>2008</strong> veröffentlichte<br />

Studie des Vereins Deutscher Ingenieure und des<br />

MINT-Initiative am 5. mai <strong>2008</strong> gestartet<br />

von links: Dr. Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)<br />

Andreas Storm MdB, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

Thomas Sattelberger, Vorstand Personal Deutsche Telekom AG


88<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Instituts der deutschen Wirtschaft Köln hat 2007 eine<br />

Ingenieurlücke von 70.000 ausgewiesen, die im Vergleich<br />

zu 2006 um 44 % angestiegen ist. Nahezu zwei<br />

Drittel aller Ingenieure beschäftigenden Unternehmen<br />

klagen über die schlechte Verfügbarkeit von Ingenieuren<br />

und Ingenieurinnen.<br />

Um diese bedrohliche Entwicklung zu stoppen, haben<br />

BDA und BDI im Frühjahr eine gemeinsame<br />

MINT-Strategie gestartet, mit der in den kommenden<br />

sechs Jahren insbesondere die Zahl der MINT-Studienanfänger<br />

und -absolventen erhöht werden soll. Dabei<br />

sollen die vielfältigen und seit Jahren sehr erfolgreich<br />

arbeitenden regionalen und branchenbezogenen<br />

MINT-Initiativen stärker vernetzt, sichtbar gemacht<br />

und fokussiert werden.<br />

Der Fokus der Initiative „MINT Zukunft schaffen“ liegt<br />

zum einen auf den Schülern und Schülerinnen ab Klasse<br />

8 und deren Lehrkräften, um die Zahl der MINT-Studienanfänger<br />

sowie Ausbildungsbewerber und insbesondere<br />

hier den Frauenanteil zu erhöhen. Zum anderen<br />

konzentriert sich die Initiative auf MINT-Studierende,<br />

um die extrem hohen Abbrecherquoten in den MINT-<br />

Studiengängen zu senken und die Qualität der MINT-<br />

Absolventen zu steigern.<br />

Unterricht und Lehre in den MINT-Fächern müssen<br />

an Schule und Hochschule quantitativ und qualitativ<br />

deutlich verbessert werden. Das gemeinsame Präsidium<br />

von BDA und BDI hat im Rahmen seines Beschlusses<br />

„Bildung schafft Zukunft“ im März <strong>2008</strong> diese Forderungen<br />

bekräftigt: Die Quote der Studienabbrecher<br />

muss bis 2015 von 21 % auf 10 % halbiert werden.<br />

Der Anteil der Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern<br />

an allen Hochschulabsolventen muss von heute<br />

31 % auf 40 % steigen.<br />

Ende Februar <strong>2008</strong> wurde der Verein MINT Zukunft<br />

e. V. als Träger der Geschäftsstelle der Initiative<br />

gegründet; die Geschäftsstelle hat am 1. März <strong>2008</strong><br />

ihre Arbeit aufgenommen. Hauptförderer von „MINT<br />

Zukunft schaffen“ sind bisher die Deutsche Telekom<br />

AG, die Telekom-Stiftung, Gesamtmetall, der Bundesarbeitgeberverband<br />

Chemie BAVC sowie das Berufsbildungswerk<br />

der Deutschen Versicherungswirtschaft.<br />

SCHULEWIRTSCHAFT und IW sind strategische Partner<br />

von „MINT Zukunft schaffen“.<br />

Durch das gemeinsame Auftreten können wir unseren<br />

politischen Forderungen starken Nachdruck verleihen.<br />

Das hat schon die Auftaktveranstaltung am 5. Mai <strong>2008</strong><br />

unter aktiver Beteiligung von Thomas Sattelberger, Personalvorstand<br />

Deutsche Telekom AG und Vorsitzender<br />

der Initiative „MINT Zukunft schaffen“, Arbeitgeberpräsident<br />

Dr. Dieter Hundt und Andreas Storm MdB,<br />

Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung, mit der Freischaltung<br />

des Internetportals www.mintzukunft.de gezeigt.<br />

Mehr Mädchen und junge Frauen<br />

in MINT-Berufe<br />

Die bundesweite Aktion „Girls’ Day – Mädchenzukunftstag“<br />

hat in diesem Jahr zum achten Mal in Folge erfolgreich<br />

stattgefunden. Die Resonanz der Mädchen und die<br />

der Betriebe und Unternehmen war sehr hoch. Mehr als<br />

130.000 Mädchen haben sich zu dem Aktionstag angemeldet,<br />

um sich in 8.500 Unternehmen, Verbänden,<br />

Forschungseinrichtungen und Universitäten über naturwissenschaftliche<br />

und technische Berufe zu informieren.<br />

Junge Frauen haben bereits die beruflichen Zukunftsperspektiven<br />

in diesem innovativen Bereich erkannt und<br />

sich für eine berufliche Laufbahn in diesem Gebiet entschlossen.<br />

Der Anstieg von 13 % mehr Frauen, die ein<br />

ingenieurwissenschaftliches Studium im Wintersemester<br />

2006/07 im Vergleich zum Vorjahr aufgenommen haben,<br />

untermauert den positiven Trend.<br />

Die BDA trägt die Aktion seit 2002 politisch mit. Sie hat<br />

auch in diesem Jahr wieder ihre Türen zum Girls’ Day<br />

geöffnet. In Kooperation mit den Unternehmen Bayer<br />

Schering Pharma AG und Deutsche Bahn AG erhielten<br />

30 Schülerinnen der Jahrgangsstufen 10 und 11 des<br />

Bonner Clara-Fey-Gymnasiums Einblicke in die Tätigkeiten<br />

eines Spitzenverbands der deutschen Wirtschaft<br />

und in die Arbeits- und Personalentwicklungsprozesse<br />

zweier renommierter deutscher Großkonzerne. Die<br />

Bayer Schering Pharma AG präsentierte die Forschung<br />

und Produktion eines Pharmakonzerns und informierte<br />

die Schülerinnen über das duale Studienangebot des<br />

Unternehmens. Die Deutsche Bahn AG berichtete, neben<br />

Ausbildungsmöglichkeiten und Berufsperspektiven,<br />

über Nachhaltigkeits- und Umweltkommunikation bei<br />

der Deutschen Bahn.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

89<br />

Schülerinnen des Bonner Clara-Fey-Gymnasiums beim Girls´ Day in der BDA<br />

Frauen sind im deutschen Bildungssystem immer erfolgreicher.<br />

Vor allem der Anteil der Abiturientinnen stieg<br />

in den letzten Jahren kontinuierlich an und liegt inzwischen<br />

bei rund 53 %. Mädchen und Frauen erwerben<br />

in der Schule hervorragende Qualifikationen für technische<br />

und naturwissenschaftliche Berufe, ihr Anteil an<br />

Ausbildungs- und Studiengängen im MINT-Bereich ist<br />

jedoch viel zu niedrig. Um Mädchen und Frauen für<br />

MINT-Berufe zu gewinnen, sind Anstrengungen in allen<br />

Bildungsbereichen notwendig. Im Juni <strong>2008</strong> unterzeichneten<br />

BDA-Vizepräsident Dr. Braun und andere<br />

Wirtschaftsvertreter gemeinsam mit der Bundesministerin<br />

für Bildung und Forschung Dr. Schavan den „Nationalen<br />

Pakt für Frauen in MINT-Berufen“. Verbände,<br />

Unternehmen und die Bundesregierung setzen sich<br />

im Rahmen dieses Paktes für die nächsten drei Jahre<br />

konkrete Ziele und vereinbarten die notwendigen<br />

Verfahrensschritte.<br />

Lehre an Hochschulen aufwerten<br />

Exzellente Forschungsvorhaben an deutschen Universitäten<br />

haben durch die Exzellenzinitiative des Bundes<br />

und der Länder neue Aufmerksamkeit und eine umfangreiche<br />

Förderung von insgesamt 1,9 Mrd. € erhalten.<br />

Damit werden wichtige Anreize zur Leistungsorientierung<br />

gesetzt. Die Arbeitgeber fordern jedoch, dass nun<br />

auch die Hochschullehre aus ihrem Schattendasein geholt<br />

wird. Eine exzellente Hochschule muss exzellent<br />

in der Lehre und in der Forschung sein. Das vom Stifterverband<br />

für die Deutsche Wissenschaft im Januar <strong>2008</strong><br />

initiierte Förderprogramm „Exzellenzinitiative für die<br />

Lehre“ sowie die geplante Gründung einer „Deutschen<br />

Lehrgemeinschaft“ können hierzu einen wichtigen Beitrag<br />

leisten. Der Stellenwert und die Qualität der Lehre<br />

an Universitäten und Fachhochschulen können durch


90<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

einen solchen Wettbewerb erhöht und eine neue Lehrkultur<br />

etabliert werden, die denselben Qualitätsansprüchen<br />

genügt wie die Forschung. Das Programm soll gemeinsam<br />

von Partnern aus Unternehmen und Stiftungen<br />

und von den Ländern durchgeführt werden. Es wird mit<br />

zunächst nur 10 Mio. € dotiert sein, dies kann nur ein<br />

Anfang sein, der aber richtige Akzente setzt.<br />

Gute Lehrbedingungen müssen darüber hinaus an allen<br />

Hochschulen selbstverständlich sein. In ihrem gemeinsamen<br />

Präsidiumsbeschluss vom März <strong>2008</strong> fordern<br />

BDA und BDI daher, die Betreuungsrelation zwischen<br />

Studierenden und Lehrkräften bis 2015 um ein Drittel<br />

zu verbessern. Die Professoren – vor allem auch in<br />

technisch-naturwissenschaftlichen Fächern – dürfen<br />

Prüfungsdurchfallquoten von teilweise 50 % und mehr<br />

nicht als Ausdruck ihrer Qualitätssicherung definieren.<br />

Die Wirtschaft benötigt neben „nobelpreisverdächtigen“<br />

Spitzenkräften auch den technischen Nachwuchs<br />

für das „bread-and-butter“-Geschäft. Dem muss auch<br />

die Hochschullehre gerecht werden.<br />

Systemakkreditierung zur<br />

Qualitätssicherung an<br />

Hochschulen: Eingeführt<br />

Im Oktober 2007 und Februar <strong>2008</strong> hat der Akkreditierungsrat<br />

die entscheidenden Beschlüsse zur Einführung<br />

der Systemakkreditierung an deutschen Hochschulen<br />

gefasst, denen im März <strong>2008</strong> von Seiten der Kultusministerkonferenz<br />

zugestimmt wurde. In Zukunft können<br />

die Hochschulen wählen, ob sie wie bisher ihre Studiengänge<br />

einzeln akkreditieren lassen (Programmakkreditierung)<br />

oder ob sie ihr System interner Qualitätssicherung<br />

in Studium und Lehre überprüfen lassen<br />

(Systemakkreditierung).<br />

eingesetzt. Diese Forderung konnte insofern durchgesetzt<br />

werden, als die Verfahrensregeln nun auch eine<br />

sog. Halbzeitstichprobe im Sinne einer Programmstichprobe<br />

vorsehen. Sie gibt im Follow-up-Prozess der<br />

ausgesprochenen Akkreditierung ein Feedback an die<br />

Hochschule. Zum Zeitpunkt der Reakkreditierung muss<br />

die Hochschule berichten, welche Konsequenzen sie<br />

aus den Ergebnissen der Halbzeitstichprobe gezogen<br />

hat. Damit erhält die Systemakkreditierung ein dynamisches<br />

Element, wofür die Vertreter der Arbeitgeber<br />

im Akkreditierungsrat nachdrücklich plädiert hatten.<br />

Bologna als europäisches<br />

Gütesiegel prägen<br />

Entsprechend den Beschlüssen im Kommuniqué der<br />

Bologna-Nachfolgekonferenz 2007 in London wird<br />

die Qualitätssicherung auch auf europäischer Ebene<br />

vorangetrieben. Im März <strong>2008</strong> wurde in Brüssel das<br />

European Quality Assurance Register (EQAR) gestartet.<br />

Ziel des neuen Registers ist es, die europaweite Zusammenarbeit<br />

in der hochschulischen Qualitätssicherung<br />

im Rahmen des Bologna-Prozesses zu verbessern.<br />

In das Register aufgenommen werden Agenturen, die<br />

in den Bologna-Staaten berechtigt sind, Studiengänge<br />

zu akkreditieren, d. h. eine Qualitätsüberprüfung hinsichtlich<br />

definierter Kriterien wie Studierbarkeit, Modularisierung<br />

und Arbeitsmarktrelevanz durchzuführen.<br />

Arbeitgebern zeigt der Eintrag einer Agentur in das<br />

Register, dass die von dieser Agentur überprüften Studiengänge<br />

den europäischen Qualitätsanforderungen<br />

hochschulischer Ausbildung (European Standards and<br />

Guidelines for Quality Assurance in Higher Education)<br />

entsprechen. Das Register soll damit für Transparenz<br />

und Objektivität auf dem europäischen Markt der Qualitätssicherungsagenturen<br />

sorgen.<br />

Die Wirksamkeit des Qualitätssicherungssystems der<br />

Hochschule in der Systemakkreditierung soll durch<br />

Querschnittsuntersuchungen studiengangbezogener<br />

Merkmale („Merkmalsstichprobe“) und vertiefte Begutachtungen<br />

ausgewählter Studiengänge (Programmstichprobe)<br />

überprüft werden.<br />

Die Wirtschaft hatte sich vehement für kontinuierliche<br />

Stichproben im Laufe des Akkreditierungszeitraumes<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Hochschulpolitik“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Eingerichtet wurde das EQAR auf Initiative der sog. E4-<br />

Gruppe, eines Zusammenschlusses der europäischen<br />

Interessenvertreter der Studierenden, der Hochschulen<br />

und der nationalen Akkreditierungsagenturen. Die Aufnahme<br />

in das Register ist freiwillig. Die Entscheidung


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

91<br />

darüber, ob eine Agentur in das Register aufgenommen<br />

wird oder nicht, trifft ein Auswahlkomitee, in das die<br />

E4-Gruppe sowie BUSINESSEUROPE, Education International<br />

und Regierungsvertreter der Länder Experten<br />

entsandt haben. BUSINESSEUROPE, vertreten durch die<br />

BDA, gehörte ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern<br />

des Registers. Die BDA ist damit sowohl auf nationaler<br />

als auch auf europäischer Ebene in starkem Maße in die<br />

Ausgestaltung hochschulischer Qualitätssicherungssysteme<br />

eingebunden.<br />

Fortschritte bei gestufter<br />

Studienstruktur<br />

Auch die Umstellung auf die gestufte Studienstruktur<br />

schreitet voran: Mit Beginn des Sommersemesters<br />

<strong>2008</strong> waren an den deutschen Hochschulen 67 %<br />

aller Studiengänge umgestellt. Die Fachhochschulen<br />

haben bei der Umstellung der Studiengänge einen<br />

deutlichen Vorsprung: 82 % gegenüber den Universitäten<br />

mit 62 %. Der Anteil der Absolventen aus diesen<br />

Studiengängen liegt inzwischen bei rund 11 %, davon<br />

sind mehr als die Hälfte Bachelor-Absolventen. Nur<br />

schleppend kommt die Bologna-Reform, die insbesondere<br />

der Förderung internationaler Mobilität und Wettbewerbsfähigkeit<br />

sowie der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit<br />

von Hochschulabsolventen dient, in<br />

den Fächern mit Staatsexamen (Medizin, Rechtswissenschaften<br />

und Lehramt) voran. Hier ist die Politik<br />

gefordert, die Umstellung zügig und sachgerecht voranzutreiben,<br />

um die bundesweite Mobilität der Studierenden<br />

zu ermöglichen.<br />

Am 20. Juni <strong>2008</strong> wurde in Berlin von rund 40 Personalvorständen<br />

bzw. Personalverantwortlichen führender<br />

deutscher Unternehmen die Erklärung „Bachelor<br />

Welcome – MINT-Nachwuchs sichern!“ unterzeichnet.<br />

Mit dieser konzertierten Aktion bekräftigt die Wirtschaft<br />

ihr Ja zum Bologna-Prozess und zur Umstellung<br />

der Studienabschlüsse auf Bachelor und Master. Sie<br />

richtet sich damit insbesondere gegen die an vielen<br />

Hochschulen immer noch bestehenden Vorbehalte,<br />

dass Bachelor-Absolventen ingenieurwissenschaftlicher<br />

Studiengänge keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />

hätten. Die diesjährige Erklärung knüpft an die<br />

„Bachelor-Welcome“-Aktionen der Jahre 2004 („Bachelor<br />

Welcome“) und 2006 („More Bachelors and<br />

Masters Welcome“) an.


92<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Studierende umfassend auf den<br />

Arbeitsmarkt vorbereiten<br />

Durch die Bologna-Reform ist auch die Arbeitsmarktrelevanz<br />

des Studiums stärker in den Mittelpunkt des<br />

Interesses gerückt. Zentrales Ziel des Hochschulstudiums<br />

muss aus Sicht der Arbeitgeber die Beschäftigungsfähigkeit<br />

der Absolventen sein. Dazu müssen die<br />

Studiengänge im Hinblick auf die Erfordernisse des<br />

Arbeitsmarktes gestaltet werden. Fachliche, überfachliche<br />

und Schlüsselkompetenzen müssen integriert vermittelt<br />

werden.<br />

BDA, BDI und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK)<br />

haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein gemeinsames<br />

Verständnis von Arbeitsmarktrelevanz und Beschäftigungsfähigkeit<br />

formulieren und Möglichkeiten<br />

der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen<br />

aufzeigen wird, um beides noch besser an<br />

den Hochschulen zu verankern. In der zweiten Jahreshälfte<br />

<strong>2008</strong> werden die Partner hierzu eine gemeinsame<br />

Stellungnahme veröffentlichen.<br />

Auswahlverfahren der<br />

Hochschulen für beruflich<br />

Qualifizierte öffnen<br />

Angesichts des erheblichen Potenzials dieser Gruppe und<br />

vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels fordern die<br />

Arbeitgeber eine stärkere Durchlässigkeit zwischen den<br />

Bildungsbereichen und eine Erleichterung des Hochschulzugangs<br />

für beruflich Qualifizierte. In ihrem gemeinsamen<br />

Präsidiumsbeschluss fordern BDA und BDI,<br />

die Studienanfängerquote von heute 36 % auf deutlich<br />

über 40 % zu steigern. Die Erschließung neuer Studierendengruppen<br />

kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung<br />

dieses Zieles leisten. Wer studierfähig ist, muss studieren<br />

können, auch wenn er nicht über die formale Hochschulzugangsberechtigung<br />

verfügt. Erfahrungen mit beruflich<br />

qualifizierten Studierenden ohne Abitur zeigen, dass diese<br />

in der Lage sind, ihr Studium erfolgreich und in der<br />

gleichen Zeit wie ihre Kommilitonen abzuschließen, und<br />

aufgrund ihrer hohen Motivation und einer gezielten Studienplanung<br />

seltener ihr Studium abbrechen.<br />

Derzeit arbeiten BDA und BDI gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz<br />

(HRK) an einem Vorschlag zur<br />

bundesweiten Neuregelung des Hochschulzugangs für<br />

beruflich Qualifizierte. Alle Absolventen einer anerkannten<br />

Berufsausbildung sollen das Recht erhalten, sich an<br />

einer Hochschule für ein Studium zu bewerben. Die<br />

Hochschulen sollen die Auswahl der Studierenden eigenverantwortlich<br />

nach transparenten Kriterien gestalten.<br />

BDA, BDI und HRK werden ihren Vorschlag in der zweiten<br />

Jahreshälfte <strong>2008</strong> der Öffentlichkeit vorstellen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Hochschulen<br />

und Weiterbildung“ veröffentlicht. Er ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Hochschulfinanzierung<br />

investitionsorientiert gestalten<br />

Nach wie vor wird beruflich Qualifizierten ohne Abitur<br />

der Zugang zur Hochschule in erheblichem Maße<br />

erschwert. In den verschiedenen Bundesländern bestehen<br />

ein undurchschaubares Regelungsdickicht und eine<br />

Fülle von formalen Voraussetzungen, die teilweise nicht<br />

den geringsten Bezug zur angestrebten Qualifikation<br />

haben. Nur etwa 1 % der Studierenden an deutschen<br />

Hochschulen haben die Zugangsberechtigung aufgrund<br />

ihrer beruflichen Qualifikation erworben.<br />

Die Arbeitgeber fordern seit langem eine grundlegende<br />

Reform der Hochschulfinanzierung, um die Mittelvergabe<br />

stärker an Aufgaben und Leistung auszurichten und<br />

Investitionen in die Hochschulen zu fördern.<br />

Nach wie vor ist das Finanzierungssystem für die deutschen<br />

Hochschulen durch eine Reihe miteinander verketteter<br />

Probleme gekennzeichnet: Für die einzelnen<br />

Bundesländer bestehen kaum Investitionsanreize, da<br />

Studienplätze teuer sind und Akademiker auch aus anderen<br />

Bundesländern angeworben werden können bzw.<br />

zu attraktiven Standorten wandern. Hochschuletats sind<br />

nur zu einem geringen Anteil an erbrachten Leistungen<br />

orientiert, der private Finanzierungsanteil ist gering.<br />

Schließlich besteht die öffentliche Förderung von Studierenden<br />

aus einer wenig überzeugenden Summe von<br />

Einzelinstrumenten, die insgesamt zu wenig an der Bedürftigkeit<br />

der Studierenden ausgerichtet sind.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

93<br />

BDA, BDI, das Institut der deutschen Wirtschaft Köln und<br />

der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft erarbeiten<br />

zurzeit ein Eckpunktepapier, das der Politik konkrete<br />

Lösungen zur Behebung der Probleme unterbreitet.<br />

Kernelement ist die Einrichtung eines bundesweiten<br />

Gutscheinpools, der von den Ländern anteilig finanziert<br />

wird und die Studierenden mit einem bestimmten Guthaben<br />

ausstattet, das sie direkt bei der Hochschule ihrer<br />

Wahl einlösen können. Eine Erhöhung des privaten Finanzierungsanteils<br />

hätte weitere positive Wirkungen für<br />

die Verbesserung von Studium und Lehre. Schließlich<br />

sind öffentliche Transfers strikt an dem Grundsatz der<br />

Bedürftigkeit auszurichten, um allen jungen Menschen<br />

unabhängig vom sozialen Hintergrund ein Studium zu<br />

ermöglichen. Im Juli wird das Eckpunktepapier im Rahmen<br />

einer gemeinsamen Veranstaltung der Öffentlichkeit<br />

vorgestellt werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema die argumente<br />

„Studiengebühren zeigen Wirkung“ veröffentlicht. Sie<br />

sind über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Deutscher Qualifikationsrahmen:<br />

Praxistauglich gestalten<br />

konkrete Wahl der Beschreibungskategorien besteht<br />

noch kein Einvernehmen. Allerdings soll im Vergleich<br />

zum EQR in Deutschland die Handlungskompetenz<br />

stärker in den Mittelpunkt gerückt werden: eine Forderung,<br />

die gerade die Wirtschaft vehement vertritt.<br />

Als Diskussionsgrundlage haben die Spitzenorganisationen<br />

der deutschen Wirtschaft im März <strong>2008</strong> einen Vorschlag<br />

für einen DQR vorgelegt, in dem sie die Orientierung<br />

an den Anforderungen des Beschäftigungssystems<br />

fordern und für eine strikte Kompetenzorientierung in den<br />

Kategorien Fach-, Sozial- und Personalkompetenz eintreten.<br />

Der Vorschlag der Wirtschaft sieht auch eine exemplarische<br />

Zuordnung deutscher Qualifikationen in den<br />

DQR vor. Diese soll jedoch nur eine erste Orientierung<br />

geben. Für eine tatsächliche Zuordnung muss eine individuelle<br />

Prüfung der jeweiligen Qualifikation und der vermittelten<br />

Kompetenzen vorgenommen werden. Eine pauschale<br />

Zuordnung einer Abschlussart ist nicht sachgerecht<br />

und würde der Kompetenzorientierung widersprechen.<br />

Wichtiges Anliegen der Wirtschaft bei der Gestaltung des<br />

DQR ist zudem die Förderung der Durchlässigkeit, insbesondere<br />

zwischen der beruflichen und hochschulischen<br />

Bildung. Alle Stufen müssen unabhängig vom Lernort erreichbar<br />

sein, also sowohl über den hochschulischen als<br />

auch über den beruflichen Bildungsweg.<br />

Die Empfehlung der EU zur Einrichtung des Europäischen<br />

Qualifikationsrahmens (EQR) sieht vor, dass die<br />

an der Umsetzung beteiligten Mitgliedstaaten bis 2010<br />

ihre nationalen Bildungssysteme an den EQR koppeln.<br />

Bis 2012 sollen alle nationalen Qualifikationsnachweise<br />

einen klaren Verweis auf das entsprechende EQR-<br />

Niveau enthalten.<br />

Ziel des vom BMBF und der KMK eingerichteten Arbeitskreises<br />

DQR ist es, bis Ende <strong>2008</strong> einen ersten Entwurf<br />

eines Qualifikationsrahmens zu entwickeln, der dann<br />

ab 2009 erprobt werden soll. In den ersten vier Sitzungen<br />

haben sich die Mitglieder des Arbeitskreises, in dem<br />

auch die BDA vertreten ist, auf die Eckpunkte und Leitlinien<br />

eines Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) geeinigt.<br />

Danach soll der DQR insbesondere Transparenz<br />

und Durchlässigkeit im deutschen Bildungssystem fördern.<br />

Er soll sich strukturell am EQR anlehnen, d. h. voraussichtlich<br />

acht Stufen enthalten, die in verschiedenen<br />

Kategorien Lernergebnisse beschreiben, die im Rahmen<br />

einer Qualifikation vermittelt werden müssen. Über die<br />

Zentrale Forderung von BDA und BDI ist es, den Qualifikationsrahmen<br />

praxistauglich auszugestalten, damit<br />

er einen tatsächlichen Mehrwert für seine zukünftigen<br />

Hauptanwender bietet: Personalverantwortliche in Unternehmen.<br />

Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt wird,<br />

kann der DQR ein erfolgreiches Instrument zur Förderung<br />

von Transparenz und Durchlässigkeit auch innerhalb<br />

des deutschen Bildungssystems werden.<br />

Europäisches Leistungspunktesystem<br />

für die Berufsbildung:<br />

Muss erprobt werden<br />

Die EU-Kommission hat im April <strong>2008</strong> ihren Vorschlag für<br />

eine Empfehlung zur Einrichtung des Europäischen Leistungspunktesystems<br />

für die Berufsbildung (ECVET) vorgelegt.<br />

Damit verfolgt sie den Ansatz, mit einem freiwilligen<br />

System die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat<br />

erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompeten-


94<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

zen zu erleichtern und dadurch die Mobilität der Bürger<br />

zu erhöhen. Die BDA hatte anlässlich des Konsultationsverfahrens<br />

im letzten Jahr ihre Skepsis hinsichtlich der<br />

Praktikabilität des Leistungspunktesystems ausgedrückt.<br />

Einige der Kritikpunkte wurden bei dem nun vorliegenden<br />

Vorschlag berücksichtigt. So enthält die Empfehlung<br />

eine Klarstellung, dass ECVET den EQR ergänzen soll und<br />

keine eigenständigen parallelen Beschreibungen von<br />

Lernergebnissen entwickelt werden sollen. Ausdrücklich<br />

wird auch die angestrebte Kompatibilität mit dem<br />

Leistungspunktesystem im Hochschulbereich (ECTS) genannt,<br />

die zur Steigerung der Durchlässigkeit zwischen<br />

den Bildungsbereichen beitragen soll. Trotz dieser Klarstellung<br />

sind Praktikabilität und Mehrwert des geplanten<br />

Leistungspunktesystems weiterhin fraglich. Das von der<br />

EU-Kommission vorgeschlagene äußerst komplexe System<br />

der Unterteilung von ganzheitlichen Qualifikationen<br />

in Einheiten, die mit Punkten versehen werden, ist<br />

mit erheblichem Aufwand für die Beteiligten verbunden.<br />

Eine Anwendung ist gegenwärtig nur im Rahmen von<br />

festen transnationalen Partnerschaften auf Grundlage<br />

von bilateralen Vereinbarungen vorstellbar. Wie ECVET<br />

außerhalb von diesen „learning agreements“ funktionieren<br />

soll, ist gegenwärtig nicht ersichtlich.<br />

Die EU plant eine umfassende Erprobung des Systems<br />

z. B. im Rahmen von Leonardo-da-Vinci-Projekten,<br />

wobei insbesondere die Sektorenebene angesprochen<br />

wird. Die Ergebnisse dieser Projekte können Aufschluss<br />

über die Effektivität von ECVET geben. Auf ihrer<br />

Grundlage muss darüber entschieden werden, ob<br />

das System eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden<br />

Transparenzinstrumente darstellt oder ob Aufwand<br />

und Nutzen in keinem Verhältnis stehen – wie es im<br />

Augenblick aussieht.<br />

Ausbildungsmarkt: Gute Bilanz<br />

2007 und optimistische Aussichten<br />

für <strong>2008</strong><br />

Die gute konjunkturelle Lage hat sich deutlich auf den<br />

Ausbildungsmarkt ausgewirkt. Für das Ausbildungsjahr<br />

2007 konnte eine sehr positive Bilanz gezogen<br />

werden:<br />

Das Niveau der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge<br />

hat 2007 mit 626.000 Verträgen den zweithöchsten<br />

Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. Gegenüber<br />

2006 hat sich die Zahl der neuen Ausbildungsverträge<br />

dank des zusätzlichen betrieblichen Engagements um<br />

knapp 9 % erhöht. Schon 2006 war ein Zuwachs von<br />

rund 5 % erreicht worden.<br />

Auch die Daten der Ausbildungsvermittlung der Bundesagentur<br />

für Arbeit (BA) zeigen 2007 eine weiter verbesserte<br />

Ausbildungssituation: Von den rund 734.000<br />

im Vermittlungsjahr 2006/2007 bei den Arbeitsagentu-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

95<br />

ren gemeldeten Bewerbern waren im Januar <strong>2008</strong> nur<br />

noch 11.300 Jugendliche – rund ein Drittel weniger als<br />

im Vorjahr – unvermittelt gemeldet. Das ist ein Anteil<br />

an allen gemeldeten Bewerbern von 1,5 %, der selbst in<br />

Jahren mit einem deutlichen Lehrstellenüberschuss bestehen<br />

bleibt. Für jeden der noch unvermittelt gemeldeten<br />

Bewerber standen 2007 zudem noch gut zwei Qualifizierungsangebote<br />

in Form von Ausbildungsplätzen<br />

oder Einstiegsqualifizierungen zur Verfügung.<br />

Für <strong>2008</strong> zeichnen die Daten im Frühsommer ebenfalls<br />

eine erfreuliche Tendenz: Im Mai <strong>2008</strong> waren bei den<br />

Arbeitsagenturen gut 8 % mehr betriebliche Ausbildungsplätze<br />

gemeldet als im Vorjahr. Auch die Zahl der<br />

neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Industrie<br />

und Handel sowie Handwerk weist nach oben: Bis Mai<br />

wurden in Industrie und Handel 6 % und im Handwerk<br />

3 % mehr Verträge registriert als im Vorjahr.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildungsmarkt“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />

abrufbar.<br />

Ausbildungspakt: Ehrgeizige<br />

Zusagen deutlich erfüllt<br />

Mit dem „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs<br />

in Deutschland“ ist seit 2004 eine<br />

deutliche Stabilisierung und – beflügelt durch die zuletzt<br />

gute konjunkturelle Lage – eine deutliche Verbesserung<br />

der Ausbildungssituation erreicht worden.<br />

Auch für 2007 konnte wieder eine positive Bilanz gezogen<br />

werden.<br />

Die Wirtschaft hat die mit der Paktverlängerung<br />

im März 2007 gesteigerten Zusagen deutlich erfüllt:<br />

Rund 88.900 neue Ausbildungsplätze (Zusage:<br />

60.000) und rund 43.250 Einstiegsqualifizierungen<br />

(Zusage: 40.000) wurden zur Verfügung gestellt.<br />

53.600 Betriebe konnten neu für Ausbildung gewonnen<br />

werden.<br />

Die Einstiegsqualifizierungen (EQJ) wurden 2007 erneut<br />

als erfolgreiche Brücke in Ausbildung bestätigt – mit einer<br />

nochmaligen Steigerung der Übergangsquote in Ausbildung:<br />

2005 hatten schon gute 60 % der Teilnehmer<br />

im Anschluss eine Ausbildung begonnen, 2007 waren<br />

es sogar rund 75 %. Auch der Effekt bei den Betrieben ist<br />

weiter sehr positiv: Die EQJ-Betriebe haben ihre Ausbildungsleistung<br />

um rund 14 % gesteigert.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildungspakt“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />

abrufbar.<br />

Ausbildungsbonus: GieSSkannen-förderung<br />

schadet<br />

der Ausbildung<br />

Am 5. Juni <strong>2008</strong> hat der Bundestag das „Gesetz zur<br />

Verbesserung der Ausbildungschancen förderungsbedürftiger<br />

junger Menschen“ beschlossen. Kernelement<br />

dieses Gesetzes ist der Ausbildungsbonus, bei dessen<br />

Ausgestaltung sich Bundesregierung und Gesetzgeber<br />

über die großen Bedenken einer breiten Front bestehend<br />

aus Wirtschaft und Gewerkschaften hinweggesetzt<br />

haben.<br />

Die Zielgruppe für diesen Bonus wurde viel zu weit<br />

gefasst. Damit drohen Fehlanreize auf dem Ausbildungsmarkt.<br />

Denn mit dem Ausbildungsbonus können<br />

praktisch alle Altbewerber – immerhin regelmäßig über<br />

300.000 Jugendliche – gefördert werden. Dabei werden<br />

in der Regel rund die Hälfte der Ausbildungsverträge<br />

mit Altbewerbern abgeschlossen – auch ohne Bonus. Im<br />

Rahmen der Ermessensleistung sind selbst Abiturienten<br />

ohne erkennbares Vermittlungshemmnis „bonusfähig“.<br />

Die Ausbildung von Hauptschulabgängern ist ohne jede<br />

weitere Einschränkung sogar in Form einer Pflichtleistung<br />

„bonusfähig“. Dieser Schulabschluss wird so pauschal<br />

diskreditiert; dabei sind knapp 30 % aller Ausbildungsanfänger<br />

Hauptschulabsolventen.<br />

Nicht zuletzt weil die Chancen für junge Menschen und<br />

insbesondere der Altbewerber auf Ausbildungsplätze<br />

aktuell wieder wachsen, ist eine solche Gießkannenförderung,<br />

die auch gute Schulabgänger einschließt und<br />

damit zu teuren Mitnahmeeffekten führt, abzulehnen. Es<br />

drohen vom Ausbildungsbonus weit mehr Finanzmittel<br />

als die bisher veranschlagten 450 Mio. € verschlungen<br />

zu werden, weil der Gesetzgeber keine Obergrenze festgelegt<br />

hat. Und bei der weiten Ausgestaltung der Ziel-


96<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

gruppe ist zu erwarten, dass die Kosten sogar auf die<br />

Milliardengrenze zulaufen. Statt dieser Verschleuderung<br />

von Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern<br />

müssen diese vielmehr im Sinne von Impulsen für mehr<br />

Beschäftigung gesenkt werden.<br />

Kritisch ist insbesondere auch, dass durch die breite<br />

Ausgestaltung der Zielgruppe insbesondere jene Unternehmen<br />

benachteiligt werden, die in den vergangenen<br />

Jahren ohne Bonus und bei schwieriger wirtschaftlicher<br />

Lage zusätzlich ausgebildet haben und jetzt nicht noch<br />

einmal zulegen können. Dies demotiviert engagierte<br />

Ausbildungsbetriebe. Auch mittelfristig wirkt sich dieser<br />

Ausbildungsbonus negativ aus: Er torpediert die künftigen<br />

Anstrengungen, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />

und ohne Ausbildungsbonus Betriebe für zusätzliche<br />

Ausbildung zu gewinnen. Der Ausbildungsbonus stellt<br />

insgesamt eine schwere Hypothek für den Ausbildungsmarkt<br />

dar. Der BDA-Präsident hat in einem letzten Appell<br />

die Ministerpräsidenten aufgerufen, über den Bundesrat<br />

den Vermittlungsausschuss anzurufen, um doch<br />

noch zu einem vernünftigen Ausbildungsbonus zu gelangen,<br />

der die gemeinsamen Vorschläge von BDA und<br />

DGB substanziell aufgreift.<br />

gewollt ist oder nicht – das versteht sich von selbst. Es<br />

geht ausschließlich um die Frage des geeigneten Instrumentariums:<br />

Wir brauchen bedarfsgerechte, praxisnahe<br />

und niederschwellige Angebote, die das allgemein gewollte<br />

Ziel unterstützen, neue Betriebe für Ausbildung<br />

zu gewinnen. Neue Regelungen dürfen keinesfalls ein<br />

neues Ausbildungshemmnis insbesondere für kleine und<br />

mittelständische Unternehmen und für Unternehmer mit<br />

Migrationshintergrund aufbauen. Flexibilisierungen und<br />

Ausnahmen, die z. B. Ausbildungserfahrung aufgreifen,<br />

müssen Anwendung finden.<br />

Weiterbildung: Lebenslanges<br />

Lernen stärkt Wettbewerbs- und<br />

Beschäftigungsfähigkeit<br />

Die Stärkung des Lebenslangen Lernens ist aufgrund<br />

der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Anforderungs-<br />

und Qualifikationsprofile in der Wirtschaft<br />

eine zentrale Herausforderung. Berufliche Weiterbildung<br />

wird zum Schlüssel für Wettbewerbs- und<br />

Beschäftigungsfähigkeit.<br />

AEVO: Aussetzung verlängert<br />

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) hat 2004 die Ausbildereignungsverordnung<br />

(AEVO), die den gesonderten Nachweis von<br />

berufs- und arbeitspädagogischen Fertigkeiten und<br />

Kenntnissen von Ausbildern regelt, bis Mitte <strong>2008</strong> ausgesetzt,<br />

um Ausbildungshemmnisse gerade gegenüber<br />

kleinen und mittelständischen Unternehmen abzubauen.<br />

Diese Aussetzung ist bis zum 31. Juli 2009 verlängert<br />

worden. Zugleich hat das BMBF angekündigt,<br />

dass zum 1. August 2009 eine noch zu erarbeitende,<br />

neue Ausbildereignungsverordnung in Kraft gesetzt<br />

werden soll.<br />

Aus Sicht der Wirtschaft sind qualifizierte und geeignete<br />

Ausbilder entscheidend für eine hochwertige Ausbildung;<br />

eine anspruchsvolle Ausbildungspraxis liegt im<br />

Eigeninteresse der Unternehmen. Bei der zukünftigen<br />

Regelung zur Ausbildereignung geht es also nicht um<br />

die Frage, ob eine optimale Qualität in der Ausbildung<br />

Welche Verantwortung Arbeitgeber und Beschäftigte<br />

dabei tragen, welche Anforderungen sich den Weiterbildungsanbietern<br />

stellen und welche Herausforderungen<br />

der demografische Wandel mit sich bringt, waren<br />

zentrale Fragen im Rahmen der BDA/BDI-Fachtagung<br />

„Berufliche Weiterbildung – ein Thema in Sonntagsreden<br />

oder gelebte Realität?“ am 21. Februar <strong>2008</strong>. Mit<br />

ca. 150 Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik, Forschung<br />

und Weiterbildungseinrichtungen wurden konkrete<br />

Handlungsansätze und Praxisbeispiele, z. B. Angebote<br />

für Qualifizierungsberatung oder wissenschaftliche<br />

Weiterbildung, diskutiert.<br />

Auch die Bundesregierung hat das Thema „Berufliche<br />

Weiterbildung“ zu einem Handlungsschwerpunkt gemacht.<br />

Um konkrete Vorschläge zur Stärkung der Weiterbildung<br />

zu entwickeln, hat das BMBF im Mai 2006<br />

den Innovationskreis Weiterbildung (IKWB) eingerichtet.<br />

Die vom IKWB im März <strong>2008</strong> vorgelegten Empfehlungen<br />

richten sich nicht alleine an den Staat, sondern<br />

an alle, die ebenfalls Verantwortung für das Lernen im<br />

Lebensverlauf tragen – vor allem Sozialpartner, Verbände,<br />

Bildungsträger, Unternehmen sowie Mitarbeiter


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

97<br />

und Bürger. Als Ziel wurde formuliert, die Beteiligung<br />

am Lebenslangen Lernen bis 2015 von aktuell 72 %<br />

auf 80 % anzuheben; die Beteiligung an formalisierter<br />

Weiterbildung soll von aktuell 43 % auf 50 % steigen.<br />

Um diese Ziele zu erreichen, soll eine „Weiterbildung<br />

mit System“ etabliert werden. Im Fokus stehen<br />

formales wie informelles Lernen, die Vernetzung der<br />

Akteure vor Ort sowie die private wie auch öffentliche<br />

Verantwortung. Hervorgehoben wird auch die große<br />

Bedeutung der Bildungsphase vor der Weiterbildung –<br />

insbesondere der Schulabschluss als Grundlage jeder<br />

Bildungsbiografie.<br />

Aus Sicht der Wirtschaft weisen die Empfehlungen des<br />

IKWB vielfach in die richtige Richtung. Zu begrüßen ist<br />

insbesondere, dass eindeutig auch die Verantwortung<br />

Die Empfehlungen des Innovationskreises<br />

gliedern sich<br />

in zehn Themenbereiche:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

8.<br />

Motivation und Verantwortung stärken<br />

Anerkennung und Akzeptanz für das Lernen<br />

im Lebenslauf vertiefen<br />

Durchlässigkeit und Verzahnung der<br />

Bildungsbereiche ermöglichen<br />

Transparenz und Qualität sicherstellen;<br />

Bildungsberatung ausbauen<br />

Integration durch Bildung verbessern<br />

Lernen zwischen den Generationen:<br />

Potenziale ausschöpfen<br />

Lernen in der Zivilgesellschaft fördern<br />

Lernen in Unternehmen ausbauen –<br />

Hightech und Weiterbildung verbinden<br />

jedes Einzelnen für das Lebenslange Lernen eingefordert<br />

wird. Das BMBF plant eine entsprechende Marketingkampagne.<br />

Wichtig ist zudem, dass das Bildungssystem<br />

als Ganzes in den Blick genommen wird – z. B. mit dem<br />

Stichwort Durchlässigkeit.<br />

Zur Stärkung der Weiterbildung hat das Bundeskabinett<br />

im April <strong>2008</strong> eine „Konzeption Lebenslanges<br />

Lernen“ beschlossen. Kernelemente der „Konzeption<br />

Lebenslanges Lernen“ der Bundesregierung sind die<br />

Einführung einer Bildungsprämie von maximal 154 €<br />

für Personen, deren zu versteuerndes jährliches Einkommen<br />

17.900 € (Verheiratete 35.800 €) nicht übersteigt.<br />

Die Prämie kann einmal im Jahr dafür eingesetzt<br />

werden, 50 % von Seminarkosten oberhalb einer Bagatellgrenze<br />

von 30 € zu finanzieren. Zudem wird die<br />

Möglichkeit, ein Weiterbildungsdarlehen unabhängig<br />

von der Höhe des Einkommens – analog zu den KfW-<br />

Studienkrediten – aufzunehmen, geschaffen. Schließlich<br />

wird das Vermögensbildungsgesetz geöffnet, damit<br />

das Ansparguthaben auch vor Ablauf der Sperrfrist<br />

für Weiterbildungszwecke verwendet werden darf,<br />

ohne dass damit der Anspruch auf die Arbeitnehmersparzulage<br />

verloren geht. Die Wirtschaft hat das Konzept<br />

grundsätzlich begrüßt, da es auf dem Verständnis<br />

basiert, dass der Einzelne von Weiterbildung profitiert<br />

und sich daher dafür auch engagieren sollte. Kritisch<br />

ist, dass damit sicherlich kaum bildungsferne und einkommensschwache<br />

Personen erreicht werden. Hier ist<br />

die Frage der Lernmotivation entscheidender als die<br />

Frage der Finanzierung. Sichergestellt werden muss<br />

zudem, dass der bürokratische Aufwand nicht zu groß<br />

wird. Wenn z. B. für die Prämie von 150 € ein Antrag,<br />

eine Beratung sowie eine Bescheinigung, dass die Weiterbildung<br />

förderwürdig war, erforderlich ist, erscheint<br />

fraglich, ob der Nutzen größer ist als der administrative<br />

Aufwand.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Lebenslanges<br />

Lernen“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

9.<br />

Lernen in der Region<br />

10. Lernen ohne Grenzen


98<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Flexible Strukturen in der<br />

Ausbildung nutzen<br />

In der Diskussion über eine Modernisierung des Berufsbildungssystems<br />

werden häufig eine Reduzierung<br />

der bestehenden Ausbildungsberufe und eine verstärkte<br />

Bildung von Berufsgruppen gefordert. BDA und BDI<br />

unterstützen die vermehrte Bildung von Berufsgruppen,<br />

fassen den Begriff der Berufsgruppe aber weit, so dass<br />

z. B. auch die gemeinsame Beschulung verschiedener,<br />

aber verwandter Berufe erfasst wird. So verstanden<br />

weisen bereits heute knapp 70 % der Ausbildungsberufe,<br />

in denen 93 % der Auszubildenden ausgebildet<br />

werden, gemeinsame Qualifikationsanteile auf. Gerade<br />

für die Beschulung dieser Berufe ist dies oft von<br />

Vorteil. Zudem ist entgegen der oftmals anzutreffenden<br />

Meinung, die Anzahl der Ausbildungsberufe sei<br />

insbesondere durch sog. Splitterberufe gestiegen, ihre<br />

Anzahl in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken:<br />

Gab es 1960 noch über 620 Ausbildungsberufe, lag die<br />

Zahl 1985 bei knapp 430 Berufen und liegt aktuell bei<br />

rund 350 – trotz zahlreicher neuer Berufe in den letzten<br />

Jahren. Bei den neuen Ausbildungsberufen weisen<br />

gerade einmal fünf (bisher noch) weniger als 100 Ausbildungsplätze<br />

auf.<br />

Wie vom Innovationskreis Berufliche Bildung empfohlen,<br />

wird die Berufsgruppenzugehörigkeit gegenwärtig<br />

in jedem Neuordnungsverfahren geprüft. Dies<br />

ist sinnvoll, darf aber nicht dazu führen, dass ein von<br />

der Wirtschaft dringend nachgefragtes Berufsbild<br />

nicht verordnet wird, weil es keiner bestehenden oder<br />

zukünftigen Berufsgruppe zugeordnet werden kann.<br />

BDA und BDI setzen sich daher weiterhin aktiv für<br />

eine an den Anforderungen der Wirtschaft orientierte<br />

Gestaltung bzw. Modernisierung der Ausbildungsordnungen<br />

ein.<br />

Zum 1. August <strong>2008</strong> kann die Ausbildung in sieben<br />

neuen und in drei modernisierten Berufen starten. Der<br />

Beruf des/der Personaldienstleistungskaufmanns/-frau<br />

ermöglicht in der Personalvermittlung tätigen Unternehmen<br />

erstmals eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene<br />

Ausbildung und erspart dadurch aufwändige und<br />

kostspielige Nachqualifizierungen. Aber auch Personalabteilungen<br />

von Unternehmen bietet diese Ausbildung<br />

neue Wege der Qualifizierung.<br />

Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret<br />

Neue Berufe <strong>2008</strong>:<br />

Automatenfachmann/-frau, Fachkraft für Automatenservice (zweijähriger Beruf), Fotomedienfachmann/-frau,<br />

Personaldienstleistungskaufmann/-frau, Produktionstechnologe/-technologin, Servicekraft für Schutz und Sicherheit<br />

(zweijähriger Beruf), Speiseeishersteller/-in<br />

Neu geordnet wurden die Berufe:<br />

Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Friseur/-in, Seiler/-in<br />

Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2009 befinden sich die Berufe:<br />

Fotograf/-in, Musikfachhändler/-in, Industrieelektriker/-in (neuer Beruf), Keramiker/-in, Technische/-r Modellbauer/-in<br />

In der beruflichen Fortbildung wurden im Berichtshalbjahr die folgenden Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG):<br />

Geprüfte/-r Industriemeister/-in Papier- und Kunststoffverarbeitung, Immobilienfachwirt/-in, Geprüfte/-r<br />

Veranstaltungsfachwirt/-in<br />

Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen:<br />

Geprüfte/-r Industriemeister/-in Digital und Print, Meister/-in für Lagerwirtschaft, Geprüfte/-r Meister/-in für Veranstaltungstechnik,<br />

Tierpflegemeister/-in, Geprüfte/-r Versicherungsfachwirt/-in, Geprüfte/-r Polier/-in


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

99<br />

Sowohl in der Automatenbranche als auch im Bereich<br />

des Objekt- bzw. Personenschutzes wurde dem sehr<br />

unterschiedlichen Qualifizierungsbedarf der zukünftig<br />

ausbildenden Betriebe Rechnung getragen, indem jeweils<br />

von der Möglichkeit eines Anrechnungsmodells<br />

Gebrauch gemacht wurde. Neben der modernisierten<br />

Ausbildung zur dreijährigen Fachkraft für Schutz und Sicherheit<br />

können Betriebe der Sicherheitsbranche in Zukunft<br />

auch in dem zweijährigen Beruf der Servicekraft für<br />

Schutz und Sicherheit ausbilden. Das Anrechnungsmodell<br />

bietet sowohl Betrieben als auch Auszubildenden die<br />

Möglichkeit, bei Bedarf bzw. Eignung die Ausbildung in<br />

dem dreijährigen Beruf fortzusetzen. Betriebe in der Automatenbranche<br />

erhalten auf der Grundlage einer Erprobungsverordnung<br />

erstmals die Möglichkeit, Nachwuchsfachkräfte<br />

auszubilden. Sie können in Zukunft zwischen<br />

einer zweijährigen Ausbildung zur Fachkraft für Automatenservice<br />

und der dreijährigen Ausbildung zum/zur<br />

Automatenfachmann/-frau wählen bzw. gegebenenfalls<br />

von der Anrechnungsmöglichkeit Gebrauch machen.<br />

Damit wurden in beiden Branchen flexible Ausbildungsmöglichkeiten<br />

geschaffen, die die Anforderungsprofile<br />

der Betriebe berücksichtigen und dadurch mehr Betrieben<br />

den Einstieg in die Ausbildung ermöglichen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Moderne<br />

Strukturen in der dualen Ausbildung“ veröffentlicht. Er<br />

ist über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Stiftung der Deutschen Wirtschaft: „Wir fördern den Nachwuchs!“<br />

Bildung ist das zentrale Thema der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw). 1994 auf Initiative der BDA gegründet,<br />

schafft die sdw dem Nachwuchs bestmögliche Voraussetzungen für den Start in das Berufsleben. Ihre<br />

Programme und Projekte antworten auf die steigenden Qualifikationsanforderungen des Arbeitsmarktes. Kennzeichen<br />

der Stiftung ist die direkte Arbeit mit Schülerinnen und Schülern, Auszubildenden, Studierenden und<br />

Promovierenden.<br />

Den größten Raum in ihrem Tätigkeitsfeld nimmt die Begabtenförderung ein. Über 1.200 Studierende und Promovierende<br />

aller Fachbereiche – jeweils rund ein Drittel aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, dem ingenieurund<br />

naturwissenschaftlichen Bereich sowie weiteren Fächern – werden im „Studienförderwerk Klaus Murmann“ mit<br />

Stipendien und anspruchsvollen Seminaren und Trainings gefördert. Studierenden des Lehramts bietet die sdw im<br />

„Studienkolleg“ ein spezielles Förderprogramm, das sie zu künftigen Führungskräften an Schulen qualifizieren soll.<br />

Jungen Menschen den Übergang von der Schule in die Ausbildung bzw. an die Hochschule zu erleichtern, ist<br />

ein weiteres Kernanliegen. Besonderes Augenmerk richtet die Stiftung der Deutschen Wirtschaft auf angehende<br />

Abiturientinnen und Abiturienten aus nichtakademischen Elternhäusern. Durch gezielte Förderung sollen sie im<br />

„Studienkompass“ zur Aufnahme eines ihren Interessen entsprechenden Studiums motiviert werden. Gleichermaßen<br />

fördert die sdw im Programm „MINToring“ (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) den<br />

ingenieur- und naturwissenschaftlichen Nachwuchs, damit dieser seinen Studienwunsch in diesem Fächerspektrum<br />

realisiert. Ebenfalls unterstützt werden Jugendliche an Hauptschulen: Ziel des Programms „Zeig, was Du<br />

kannst!“ ist es, dass sie unmittelbar nach dem Schulabschluss eine Ausbildung aufnehmen können. Prägend ist<br />

in diesen Programmen die intensive Begleitung auch im ersten Hochschul- bzw. Ausbildungsjahr, um vorzeitigen<br />

Abbrüchen entgegenzuwirken. Darüber hinaus trägt die sdw mit SCHULEWIRTSCHAFT-Projekten zur Verbesserung<br />

der Schulqualität bei.<br />

Partner sind Bundes- und Länderministerien, Unternehmen, Unternehmensverbände, wirtschaftsnahe Stiftungen<br />

und die Bildungswerke der Wirtschaft. Ihnen bietet die Stiftung vielfältige Kooperationsmöglichkeiten.<br />

Mehr Informationen unter www.sdw.org.


100


101<br />

Europäische Sozialpolitik ■ Der europäische<br />

Integrationsprozess ■ Internationale<br />

Interessenvertretungen der<br />

Arbeitgeber ■ Sozialer Dialog ■ Europäische<br />

Zuwanderung ■ Dreigliedriger<br />

EU-Sozialgipfel ■ EU-Gipfel ■ Politische<br />

Schwerpunkte der Integration ■ Europäische<br />

EUROPÄISCHE Sozialpolitik ■ Der UND europäische Integrationsprozess<br />

INTERNATIONALE<br />

■ Internationale Interessenvertretungen<br />

der Arbeitgeber<br />

■ Sozialer SOZIALPOLITIK<br />

Dialog ■ EU-Richtlinien<br />

■ Europäische Zuwanderung ■ Europäisches<br />

Arbeits- und Sozialrecht ■ Europäische<br />

Bildungspolitik ■ Dreigliedriger<br />

EU-Sozialgipfel ■ CSR ■ EU-Gipfel<br />

■ Politische Schwerpunkte der Integration<br />

■ Europäische Sozialpolitik<br />

■ Der europäische Integrationsprozess<br />

■ Internationale Interessenvertretungen<br />

der Arbeitgeber ■ Sozialer Dialog<br />

■ EU-Richtlinien ■ Europäische Zuwanderung<br />

■ Europäisches Arbeits- und Sozialrecht<br />

■ Dreigliedriger EU-Sozialgipfel<br />

■ CSR ■ EU-Gipfel ■ Europäisches Arbeitsund<br />

Sozialrecht ■ Politische Schwerpunkte<br />

der Integration ■ Europäische<br />

Sozialpolitik ■ Der europäische Integrationsprozess<br />

■ Internationale Interessenvertretungen<br />

der Arbeitgeber<br />

■ Sozialer Dialog ■ EU-Richtlinien<br />

■ Europäische Zuwanderung ■ Europäisches<br />

Arbeits- und Sozialrecht ■ Europäische<br />

Bildungspolitik ■ Dreigliedriger<br />

EU-Sozialgipfel ■ CSR ■ EU-Gipfel<br />

■ Politische Schwerpunkte der Integration<br />

■ Europäische Sozialpolitik ■ Der<br />

europäische Integrationsprozess ■ Internationale<br />

Interessenvertretungen<br />

der Arbeitgeber ■ Sozialer Dialog ■ EU-<br />

Richtlinien ■ Europäische Zuwanderung<br />

■ Europäisches Arbeits- und Sozialrecht<br />

■ Europäische Bildungspolitik ■ Dreigliedriger<br />

EU-Sozialgipfel ■ CSR ■ EU-<br />

Gipfel ■ Politische Schwerpunkte der<br />

Integration ■ Europäische Sozialpolitik<br />

■ Der europäische Integrationsprozess<br />

■ Internationale Interessenvertretungen<br />

der Arbeitgeber ■ Sozialer Dialog<br />

■ EU-Richtlinien ■ Europäische Zuwanderung<br />

■ Europäisches Arbeits- und<br />

Sozialrecht ■ Europäische Bildungspolitik<br />

■ Dreigliedriger EU-Sozialgipfel<br />

■ CSR ■ EU-Gipfel ■ Politische Schwerpunkte<br />

der Integration ■ Europäische<br />

Sozialpolitik ■ Der europäische Integrationsprozess<br />

■ Sozialer Dialog<br />

■ Internationale Interessenvertretungen<br />

■ Europäische Bildungspolitik ■ CSR<br />

■ Politische Schwerpunkte der Integration<br />

■ Europäische Sozialpolitik


102<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Vertrag von Lissabon:<br />

Institutioneller Reformprozess<br />

durch Irland-Referendum schwer<br />

erschüttert<br />

Mit Sorge blickt die deutsche Wirtschaft nach dem Nein<br />

der Iren zum EU-Reformvertrag auf die weitere Entwicklung<br />

in Europa. „Es darf nicht sein, dass ein einzelner<br />

Staat die EU daran hindert, ihre nachhaltige Handlungsfähigkeit<br />

durch Vertragsanpassungen sicherzustellen.<br />

Das würde den Sinn des Integrationsprozesses auf den<br />

Kopf stellen“, erklärte Dr. Dieter Hundt, nachdem das<br />

Ergebnis der Abstimmung in Irland feststand.<br />

Die EU muss jetzt einen Weg finden, den Reformprozess<br />

dennoch fortzusetzen. Irland selbst ist ebenso gefragt,<br />

der Europäischen Union aufzuzeigen, wie nach dem<br />

negativen Referendum Europa dennoch handlungsfähig<br />

gemacht werden kann. Zumindest die institutionellen<br />

Regeln und die Verfahrens- und Entscheidungsregelungen<br />

des Vertrages müssen – als kurzfristige Lösung – in<br />

rATIFIZIERUNG DES vERTRAGES VON lISSABON schreitet voran<br />

Stand: 19. Juni <strong>2008</strong><br />

Land<br />

Verfahren Datum Status<br />

Belgien<br />

parlamentarisch<br />

Juli <strong>2008</strong><br />

offen<br />

Bulgarien<br />

parlamentarisch<br />

21. März <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Dänemark<br />

parlamentarisch<br />

24. April <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Deutschland<br />

parlamentarisch<br />

23. Mai <strong>2008</strong><br />

angenommen von Bundestag und Bundesrat – Unterschrift<br />

des Bundespräsidenten steht noch aus<br />

Estland<br />

parlamentarisch<br />

11. Juni <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Finnland<br />

parlamentarisch<br />

11. Juni <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Frankreich<br />

parlamentarisch<br />

14. Februar <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Griechenland<br />

parlamentarisch<br />

11. Juni <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Großbritannien<br />

parlamentarisch<br />

19. Juni <strong>2008</strong><br />

angenommen vom Parlament; unterzeichnet durch die Königin;<br />

Entscheidung des Verfassungsgerichts steht noch aus<br />

Irland<br />

Referendum,<br />

Zustimmung des Parlaments<br />

12. Juni <strong>2008</strong><br />

nicht ratifiziert<br />

Italien<br />

parlamentarisch<br />

August <strong>2008</strong><br />

offen<br />

Lettland<br />

parlamentarisch<br />

8. Mai <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Litauen<br />

parlamentarisch<br />

8. Mai <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Luxemburg<br />

parlamentarisch<br />

29. Mai <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Malta<br />

parlamentarisch<br />

29. Januar <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Niederlande<br />

parlamentarisch<br />

August <strong>2008</strong><br />

offen<br />

Österreich<br />

parlamentarisch<br />

9. April <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Polen<br />

parlamentarisch<br />

2. April <strong>2008</strong><br />

angenommen vom Parlament – Unterschrift des<br />

Präsidenten steht noch aus<br />

Portugal<br />

parlamentarisch<br />

23. April <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Rumänien<br />

parlamentarisch<br />

4. Februar <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Schweden<br />

parlamentarisch<br />

November <strong>2008</strong><br />

offen<br />

Slowakei<br />

parlamentarisch<br />

10. April <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Slowenien<br />

parlamentarisch<br />

29. Januar <strong>2008</strong><br />

ratifiziert<br />

Spanien<br />

parlamentarisch<br />

September <strong>2008</strong><br />

offen<br />

Tschechien<br />

parlamentarisch<br />

offen<br />

Entscheidung des Verfassungsgerichts wird abgewartet;<br />

danach Abstimmung im Parlament<br />

Ungarn<br />

parlamentarisch<br />

17. Dezember 2007<br />

ratifiziert<br />

Zypern<br />

parlamentarisch<br />

Juli <strong>2008</strong><br />

offen<br />

Vertrag von Lissabon bereits ratifiziert<br />

Quelle: www.spiegel.de


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

103<br />

Kraft treten können. Europa darf nicht durch eine totale<br />

Einstimmigkeitsfessel ad absurdum geführt werden.<br />

Gerade die Verbesserung der Entscheidungsstrukturen ist<br />

und bleibt für die deutsche Wirtschaft eines der wichtigsten<br />

Anliegen beim Reformvertrag. Für mehr Wachstum,<br />

Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung braucht die<br />

Europäische Union effiziente und transparente Entscheidungsstrukturen.<br />

Der Vertrag von Lissabon enthält eine<br />

Reihe von Neuerungen, die zu einer verbesserten Handlungsfähigkeit<br />

der Union mit 27 Mitgliedstaaten beitragen:<br />

eine klarere Kompetenzabgrenzung zwischen der EU<br />

und den Mitgliedstaaten, z. B. durch die Einführung eines<br />

Klagerechts der nationalen Parlamente, die Ausweitung<br />

der Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat, die Vereinfachung<br />

einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen einer<br />

Gruppe von Mitgliedstaaten sowie die Einführung der<br />

Mitentscheidung als Regelgesetzgebungsverfahren.<br />

In Kürze erscheint die gemeinsame BDA/BDI-Broschüre<br />

zum Vertrag von Lissabon, in der die wichtigsten Neuerungen<br />

dargestellt und bewertet werden.<br />

Europäische Sozialpolitik muss<br />

europäische Reformpolitik werden<br />

„Jobs, jobs, jobs, skills, skills, skills” –<br />

so muss das Mantra des Sozialpakets<br />

lauten<br />

Die BDA hat sich dafür starkgemacht, dass eine wirkliche<br />

Verbesserung der Lebenschancen dann erreicht<br />

wird, wenn es gelingt, den Menschen<br />

•einen Einstieg in Arbeit (Jobs) und<br />

•den Aufstieg durch Bildung (Skills)<br />

zu ermöglichen. Diese grundlegende Einsicht findet<br />

auch in der Europäischen Kommission zunehmend Resonanz.<br />

Besonders die jüngeren Politikvorschläge des<br />

EU-Kommissars für Beschäftigung, Vladimir Spidla, reflektieren<br />

immer stärker die Positionen und Argumente<br />

der Wirtschaft und erhalten zusätzliche Unterstützung<br />

durch den Kommissionspräsidenten Barroso.<br />

Dies spiegelt sich z. B. auch in einer früheren Feststellung<br />

der Kommission wider: Eine Kernaussage des<br />

Konsultationsdokuments „Soziale Wirklichkeit in Europa“<br />

vom Februar 2007, welches die Grundlage für<br />

die Sozialagenda bildet, lautet, dass die Sozialsysteme<br />

der EU-Mitgliedstaaten sehr gut in der Lage sind, Menschen<br />

in Armut materiell zu unterstützen, dass sie<br />

es aber offensichtlich nicht schaffen, den Menschen<br />

ausreichend neue Chancen auf Integration in den Arbeitsmarkt<br />

zu eröffnen. In starkem Kontrast zu dieser<br />

richtigen Erkenntnis konzentrieren sich die nationalen<br />

Politiker in vielen Ländern, zumal leider auch<br />

in Deutschland, auf zusätzliche Sozialleistungsversprechen,<br />

statt die Rahmenbedingungen konsequent<br />

auf Einstieg in Arbeit und Aufstieg durch Bildung<br />

auszurichten.<br />

Im Juli <strong>2008</strong> wird die Europäische Kommission ihr<br />

Sozial paket vorstellen. Dieses besteht aus der „Sozialagenda“<br />

und einer Reihe von zusätzlichen Einzelmaßnahmen.<br />

Die erste Hälfte des Jahres <strong>2008</strong> stand im Zeichen<br />

der Vorbereitung dieses Sozialpakets.<br />

Die Eckpunkte der Sozialagenda hatte die Kommission<br />

bereits durch ihre Mitteilung vom November 2007<br />

„Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität: eine<br />

neue gesellschaftliche Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts“<br />

festgelegt: „Verbesserung der Lebenschancen“<br />

lautet das Motto dieser Mitteilung und damit ist der richtige<br />

Ansatz für eine zukunftsweisende Sozialpolitik gewählt.<br />

Ob die Europäische Kommission diesen von ihr<br />

selbst gewählten Ansatz nun auch in ihren konkreten<br />

Umsetzungsvorschlägen durchhält, bleibt abzuwarten.<br />

Flexicurity weist die Richtung<br />

für sozialpolitische Agenda<br />

Die entscheidende Antwort auf die richtige Analyse<br />

der EU-Kommission war eine stärkere Förderung des<br />

Flexicurity-Konzepts durch die Kommission: Hier wurde<br />

ein Ansatz entwickelt, mit dem dieses Defizit an Chancen<br />

ins Zentrum gestellt wird. Der Grundgedanke von<br />

Flexicurity ist, dass Beschäftigungssicherheit sich in erster<br />

Linie nicht durch den Bestandsschutz bestehender<br />

Arbeitsverhältnisse erreichen lässt, sondern vor allem<br />

durch verbesserte Chancen, beim Verlust des Arbeitsplatzes<br />

schnell wieder in Beschäftigung zu kommen.<br />

Die neue sozialpolitische Agenda ist dann zukunftsweisend,<br />

wenn sie dem Flexicurity-Ansatz in vollem Umfang<br />

folgt.


104<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Die BDA unterstützt die Feststellung, dass es in den<br />

von der EU-Kommission genannten Bereichen Jugend,<br />

Arbeitsmarkt, alternde Gesellschaft, Gleichheit der Geschlechter,<br />

Eingliederung und Nichtdiskriminierung,<br />

Mobilität und Integration sowie Mitwirkung, Kultur und<br />

Dialog Investitionen bedarf, um zu einer Verbesserung<br />

der Lebenschancen möglichst aller beizutragen. Grundlegend<br />

dabei ist allerdings, dass die skizzierten Investitionen<br />

tatsächlich Chancen eröffnen. Sozialpolitik darf<br />

nicht als Alimentierung und Verwaltung von Bedürftigen<br />

oder als Verteilungspolitik von Transferleistungen<br />

missverstanden werden, sondern muss als Brücke in Beschäftigung<br />

gestaltet werden.<br />

Flexicurity-Prinzipien unterstützen soll. Die Expertengruppe<br />

wird in fünf EU-Mitgliedstaaten die Entwicklung<br />

nationaler Flexicurity-Strategien begutachten und diskutieren,<br />

um im Dezember <strong>2008</strong> den EU-Arbeitsministern<br />

einen Bericht mit Empfehlungen zur Umsetzung der<br />

Flexicurity-Prinzipien vorzulegen. Die BDA wird über<br />

BUSINESSEUROPE von Frau Hornung-Draus in der siebenköpfigen<br />

Expertengruppe, die von EU-Kommissar<br />

Vladimir Spidla persönlich geleitet wird, vertreten. Es<br />

geht darum, das Flexicurity-Konzept zu operationalisieren<br />

und sicherzustellen, dass die EU-Mitgliedstaaten der<br />

Reformrhetorik auf europäischer Ebene auch Taten auf<br />

nationaler Ebene folgen lassen.<br />

Die Arbeitsmarktverfassungen insgesamt gehören auf<br />

den Prüfstand der Beschäftigungsfreundlichkeit. Arbeitgeber<br />

und Gewerkschaften haben in ihrer Joint Labour<br />

Market Analysis nicht zufällig als zentrale Frage<br />

formuliert, „welche Rolle Bestimmungen zum Schutz<br />

des einzelnen Arbeitsverhältnisses bei erfolgreichen<br />

und sich lohnenden Übergängen in neue und bestehende<br />

Arbeitsplätze spielen“, und sich darauf verständigt,<br />

„diese gegebenenfalls anzupassen“. Die gemeinsame<br />

Analyse bescheinigt, dass „der steigende Druck<br />

auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die Globalisierung<br />

und andere wirtschaftliche Veränderungen<br />

verlangt, dass das Arbeitsrecht auf diese neuen Anforderungen<br />

antwortet.<br />

Immer wieder tritt das Phänomen auf, dass gut gemeinte<br />

Schutzvorschriften eine unheilvolle soziale Wirkung<br />

entfalten, da sie als Einstellungshemmnisse ausgrenzend<br />

wirken und die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt<br />

behindern. Hier muss angesetzt werden. Konsequent<br />

und konsistent muss die europäische Sozialpolitik<br />

die Weichen auf „Einstieg in Arbeit“ als oberste Priorität<br />

stellen und darauf die Arbeitsmarktverfassungen<br />

ausrichten.<br />

Damit das Flexicurity-Konzept keine leere Worthülse<br />

bleibt, sondern für die Modernisierung der nationalen<br />

Sozialsysteme wirkliche Relevanz bekommt, hat der<br />

Europäische Rat im Dezember 2007 acht gemeinsame<br />

Grundsätze zu Flexicurity beschlossen, die bei der Entwicklung<br />

nationaler Reformprogramme berücksichtigt<br />

werden sollen. Von der EU-Kommission wurde zudem<br />

eine hochrangige Expertengruppe zu Flexicurity eingesetzt,<br />

die die EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der<br />

Nun ist aber das letzte Amtsjahr der jetzigen Kommission<br />

angebrochen und damit wächst der Druck, insbesondere<br />

aus dem Europäischen Parlament, vor Ende der<br />

Amtszeit auf sozialpolitischem Gebiet noch etwas zu<br />

erreichen und damit dem Dauervorwurf zu begegnen,<br />

die Kommission unter Barroso würde die Wirtschaftspolitik<br />

in der Lissabonner Reformagenda überbetonen<br />

und die soziale Dimension vernachlässigen. Deshalb<br />

wird es weitere Elemente im Sozialpaket geben, die<br />

Revision der Richtlinie zu Europäischen Betriebsräten<br />

und Vorschläge, die die Diskriminierung von Behinderten<br />

betreffen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Flexicurity“<br />

veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de<br />

abrufbar.<br />

Europäische Betriebsräte: EU-Kommission<br />

hat Richtlinienrevision beschlossen<br />

Die Revision der Richtlinie ist beschlossene Sache. Nachdem<br />

die zweite Konsultation der Sozialpartner ergeben<br />

hatte, dass die Arbeitgeber die Inhalte der Revision zwar<br />

gerne verhandelt hätten, aber seitens der Gewerkschaften<br />

dazu – entgegen vorherigen Bekundungen – keine Bereitschaft<br />

bestand (vgl. unten), ist der Ball nun wieder bei der<br />

Kommission. Sie wird einen Vorschlag für die Revision<br />

vorlegen, voraussichtlich zusammen mit der Sozialagenda<br />

Anfang Juli. Die Arbeitgeber haben deutlich gemacht,<br />

und zwar gegenüber Kommission und Europäischen Gewerkschaftsbund<br />

(EGB), dass nur die Probleme, die sich<br />

wirklich und nachweislich aus der praktischen Erfahrung<br />

ergeben, verbesserungsbedürftig sind und dass auf keinen<br />

Fall externen Gewerkschaftsfunktionären größerer Ein-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

105<br />

fluss gegenüber betriebszugehörigen Arbeitnehmervertretern<br />

eingeräumt werden darf.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäische<br />

Betriebsräte“ veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Antidiskriminierung: Nationale<br />

Übererfüllung schafft gegenseitiges<br />

Aufschaukeln zu einem „Perpetuum<br />

Mobile“ von Regulierung<br />

Die Kommission hatte für das Jahr <strong>2008</strong> neue bürokratische<br />

Rechtsregeln zur Bekämpfung von Diskriminierungen<br />

aus Gründen des Geschlechts, der Religion, der<br />

Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder<br />

der sexuellen Orientierung auf anderen Gebieten als<br />

dem Arbeitsmarkt angekündigt. Nachdem diese Ankündigung<br />

auf erheblichen Widerstand aus mehreren<br />

Mitgliedstaaten stieß, ist derzeit geplant, sich auf Diskriminierung<br />

aufgrund von Behinderung zu konzentrieren.<br />

Entsprechende Vorschläge sollen gleichfalls Teil des Sozialpakets<br />

werden.<br />

Für den Fall, dass es tatsächlich zu einem zusätzlichen<br />

Richtlinienvorschlag kommt, der sich mit Diskriminierung<br />

von Behinderten befasst, gibt es aus deutscher<br />

Sicht zwei mögliche Fallstricke: 1. Es könnte eine europäische<br />

Definition für Behinderung festgelegt werden,<br />

die wesentlich umfassender ist als die bestehende deutsche<br />

Regelung. 2. Selbst wenn für Deutschland kein zusätzlicher<br />

Umsetzungsbedarf entstehen würde, so wäre<br />

doch, nach Verabschiedung einer solchen Richtlinie,<br />

der EuGH für die Rechtsprechung zuständig und damit<br />

sind erfahrungsgemäß zu oft einseitig ideologisch motivierte<br />

und realitätsferne Urteile verbunden.<br />

Bei der Antidiskriminierung zeigt sich exemplarisch,<br />

wie schädlich es ist, wenn europäische Gesetzgebung<br />

bei der nationalen Umsetzung übererfüllt wird: Die<br />

Bundesregierung hat mit dem AGG weit mehr getan,<br />

als die Europäische Union in ihren Richtlinien gegen<br />

Diskriminierung verlangt hatte. Auch hier wurde die<br />

europäische Ebene instrumentalisiert, um nationale<br />

Vorhaben, die sich politisch nicht ohne weiteres<br />

hätten durchsetzen lassen, unter dem Vorwand der<br />

Umsetzung europäischen Rechts in Gesetzesform zu


106<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

gießen. Nun bedient sich die Kommission solcher zusätzlichen<br />

nationalen Standards wie im AGG, um diese<br />

zum europäischen Mindeststandard zu erheben. Damit<br />

kann ein „Perpetuum mobile“ kreiert sein – einmal in<br />

Gang gesetzt, bleibt es ewig in Bewegung. Dem europäischen<br />

Standard folgt nationale Übererfüllung, was<br />

den Ansatzpunkt für neue europäische Standards bietet<br />

usw. So schaukeln sich die Regelungswut und die Bürokratie<br />

immer weiter hoch.<br />

EInführung flexibler arbeitszeiten<br />

wirkt sich positiv aus<br />

in %<br />

Manager<br />

Arbeitnehmer<br />

54<br />

67<br />

61<br />

73<br />

Weitere Richtlinienvorschläge auf<br />

der europäischen Agenda<br />

27<br />

31<br />

Neben den zu erwartenden Vorschlägen im Sozialpaket<br />

der Europäischen Kommission stehen weitere<br />

Richtlinien vorhaben auf der Agenda:<br />

Zeitarbeitsrichtlinie: Kein Änderungsbedarf<br />

in Deutschland – Absage an<br />

ReRegulierung des Jobmotors Zeitarbeit<br />

Im „Paket“ mit der Arbeitszeitrichtlinie ist beim Sozialministerrat<br />

im Juni <strong>2008</strong> die Zeitarbeitsrichtlinie verhandelt<br />

worden, die ebenfalls jahrelang blockiert war.<br />

Insbesondere Großbritannien hatte den darin vorgesehenen<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz abgelehnt. Erst<br />

nachdem die britische Regierung im Mai <strong>2008</strong> mit dem<br />

britischen Arbeitgeberverband CBI und dem britischen<br />

Gewerkschaftsbund TUC eine Vereinbarung zur Zeitarbeit<br />

abgeschlossen hatte, wonach der Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

für Zeitarbeitnehmer in Großbritannien<br />

ab einer Beschäftigungsdauer von zwölf Wochen gelten<br />

soll, war Großbritannien auch auf europäischer Ebene<br />

zu Zugeständnissen bereit. Die jetzt im Sozialministerrat<br />

erzielte Einigung macht keine Änderung der deutschen<br />

Regelungen zur Zeitarbeit notwendig, da der Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

im deutschen Recht bereits verankert<br />

ist. Die Tarifvertragsparteien haben in Deutschland<br />

die Möglichkeit, von diesem Grundsatz durch Tarifvertrag<br />

abzuweichen. Hiervon haben sie in verschiedenen<br />

Tarifverträgen verantwortungsvoll Gebrauch gemacht.<br />

Mit dem Kompromiss auf europäischer Ebene muss<br />

auch die nationale Diskussion über die Einschränkung<br />

der deutschen Regelungen zur Zeitarbeit beendet werden.<br />

Der Jobmotor Zeitarbeit darf durch eine nationale<br />

Reregulierung nicht abgewürgt werden!<br />

geringere Fehlzeiten<br />

bessere Anpassung<br />

an Arbeitsanfall<br />

höhere Arbeits-<br />

zufriedenheit<br />

Quelle: Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen,<br />

2006<br />

Arbeitszeitrichtlinie: Überfällige Einigung<br />

im Rat – Forderung der BDA nach Vorfahrt<br />

für flexible Arbeitszeitregeln erfüllt<br />

Nach jahrelangem Tauziehen ist es dem Sozialministerrat<br />

im Juni <strong>2008</strong> gelungen, eine politische Einigung<br />

zur Arbeitszeitrichtlinie zu erzielen. Bei den Beratungen<br />

der Arbeits- und Sozialminister hat sich letztlich<br />

eine pragmatische Linie durchgesetzt, die die Notwendigkeit<br />

von mehr Flexibilität für Unternehmen bei der<br />

Gestaltung der Arbeitszeit anerkennt. Damit müssen<br />

jetzt alle weiteren Versuche, das Arbeitszeitrecht zu<br />

verbürokratisieren, unterbunden werden. Das wird<br />

sich positiv für Beschäftigung in Deutschland und Europa<br />

auszahlen!<br />

Die BDA hatte seit langem gefordert, den Weg für<br />

eine Revision der Arbeitszeitrichtlinie frei zu machen,<br />

um die kostenträchtigen Auswirkungen der Rechtsprechung<br />

des Europäischen Gerichtshofs in den<br />

Rechtssachen „Simap“ und „Jaeger“ zu korrigieren.<br />

Mit dem im Rat verabschiedeten Kompromiss, wonach<br />

die inaktive Zeit des Bereitschaftsdienstes nicht<br />

mehr als Arbeitszeit zählt, ist diese Forderung endlich<br />

erfüllt worden. Der deutsche Gesetzgeber sollte<br />

jetzt die Chance ergreifen, die sich durch die Einigung<br />

auf europäischer Ebene eröffnet, und inaktive Zeiten


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

107<br />

während des Bereitschaftsdienstes nicht mehr als Arbeitszeit<br />

zählen. Dies wäre ein wichtiger Beitrag für<br />

mehr Arbeitszeitflexibilität, z. B. bei Feuerwehrleuten<br />

und in Krankenhäusern. Der Sozialministerrat hat zu<br />

Recht der Versuchung widerstanden, die Fortschritte<br />

bei der Korrektur des Bereitschaftsdienstes durch neue<br />

Beschränkungen bei der Arbeitszeitgestaltung zu konterkarieren.<br />

Die „Opt-out“-Regelung zur Abweichung<br />

von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit wird unbefristet<br />

beibehalten – und damit eine weitere Forderung<br />

der BDA erfüllt. Diese Regelung hilft vor allem kleinen<br />

und mittleren Unternehmen, Auftragsschwankungen<br />

auszugleichen und Beschäftigung zu sichern. Deshalb<br />

darf die Anwendung des „Opt-out“ auch nicht durch<br />

zusätzliche Vorgaben unnötig verkompliziert werden.<br />

Die Einigung bei der Arbeitszeitrichtlinie ist auch eine<br />

Folge der Beharrlichkeit der Wirtschaft. Immer wieder<br />

hatte die BDA die Notwendigkeit der Korrekturen beim<br />

Bereitschaftsdienst und die Beibehaltung der „Optout“-Regelung<br />

angemahnt und damit auch die Bundesregierung<br />

überzeugt.<br />

Entwarnung kann jedoch noch nicht gegeben werden.<br />

Das Europäische Parlament kann den Kompromiss<br />

in zweiter Lesung wieder kippen. Die sehr heftigen<br />

Reaktionen aus den linken Fraktionen des Europäischen<br />

Parlaments und der Gewerkschaften lassen<br />

schwierige Auseinandersetzungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren<br />

befürchten. Dabei sind nach<br />

der überfälligen Einigung im Rat alle EU-Institutionen<br />

aufgefordert, das Gesetzgebungsverfahren zügig abzuschließen.<br />

Der mühsam erzielte Ratskompromiss<br />

darf nicht torpediert werden!<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Arbeitszeitrichtlinie“<br />

veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Richtlinienvorschlag zur<br />

Portabilität steckt fest<br />

Am 23. April <strong>2008</strong> hat die EU-Ratsarbeitsgruppe einen<br />

neuen Vorschlag für eine Richtlinie für Mindeststandards<br />

in der betrieblichen Altersvorsorge beraten. Die<br />

EU-Mitgliedstaaten konnten sich allerdings auch auf<br />

den slowenischen Kompromissvorschlag nicht einigen,<br />

der an den bereits gescheiterten Vorschlag der portugiesischen<br />

Präsidentschaft anknüpfte.<br />

Im Hinblick auf die Unverfallbarkeitsfrist sah der slowenische<br />

Vorschlag vor, grundsätzlich an einer Frist<br />

von zwei Jahren und einem Mindestalter von 23 Jahren<br />

festzuhalten. Allerdings sollte den Mitgliedstaaten die<br />

Möglichkeit eingeräumt werden, auf nationaler Ebene<br />

die fünfjährige Unverfallbarkeitsfrist fortzuführen, wenn<br />

der Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge durch<br />

die kürzere Frist ein nachhaltiger Schaden droht. Diese<br />

verlängerte Frist sollte bis zum geplanten Inkrafttreten<br />

der Richtlinie ab 1. Juli 2013 für fünf Jahre beantragt<br />

werden können. Eine Verlängerung der in der EU-Richtlinie<br />

vorgesehenen Ausnahmeregelung wäre von der<br />

EU-Kommission zu prüfen gewesen.<br />

Dieser Vorschlag ist vor allem auf den Widerstand der<br />

Niederlande gestoßen, da diese Ausnahme regelung<br />

beliebig oft hätte verlängert werden können. Die Bundesregierung<br />

hält diesen Vorschlag gleichfalls für nicht<br />

umsetzbar, da die Ausnahmeregelung lediglich für Versorgungssysteme<br />

gelten soll, die bereits vor Inkrafttreten<br />

der Richtlinie existierten. Eine solche Unterscheidung<br />

ist aber in Deutschland kaum durchführbar.<br />

Die slowenische Ratspräsidentschaft hatte zunächst geplant,<br />

einen schlechten Kompromiss über die Übertragbarkeit<br />

von Betriebsrenten auf dem Sozialministerrat am<br />

9. und 10. Juni <strong>2008</strong> zu erzielen.<br />

Glücklicherweise wurde dieser Punkt in letzter Minute<br />

von der Tagesordnung gestrichen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Richtlinienvorschlag<br />

zur betrieblichen Altersvorsorge“ veröffentlicht.<br />

Er ist unter www.bda-online.de abrufbar.<br />

Bewährungsprobe für erweiterte<br />

EU: Freizügigkeit und Binnenmarkt<br />

Bessere Rechtsetzung muss konsequent<br />

weiterverfolgt werden<br />

Die Verringerung der Verwaltungslasten in den Unternehmen<br />

ist ein wichtiges Ziel, das die EU-Kommission<br />

im Rahmen ihrer Strategie zur Schaffung einer besseren<br />

Rechtsetzung verfolgt. Die hierdurch entstehenden Kosten<br />

sollen bis 2012 um 25 % verringert werden.


108<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Die EU-Kommission hat eine Online-Konsultation gestartet,<br />

um die Unternehmen unmittelbar in den Abbauprozess<br />

einzubinden. Um die Forderungen der<br />

Wirtschaft hinsichtlich besserer Rechtsetzung auch<br />

gebündelt gegenüber der Kommission darzustellen,<br />

haben BDA und BDI einen gemeinsamen Forderungskatalog<br />

zusammengestellt. Darin ist ausführlich dargestellt,<br />

in welchen Bereichen und bei welchen europäischen<br />

Regelungen Verbesserungsbedarf besteht und<br />

wie dort für die Unternehmen Verbesserungen erzielt<br />

werden können.<br />

Neben den Bereichen „Arbeitsrecht“ und „Sozialrecht“<br />

geht es z. B. um Forderungen zu den Themen „Umwelt<br />

und Technik“, „Verbraucherschutz“ und „Zoll“. Konkret<br />

fordern BDA und BDI u. a., die EU-Richtlinie zur Bildschirmarbeit<br />

zu streichen oder zumindest auf wenige,<br />

zeitgemäße Inhalte zu reduzieren. Außerdem sind die Art<br />

und Weise sowie der Inhalt der Unterrichtungspflichten<br />

bei einem Betriebsübergang auf ein sinnvolles Maß zurückzuführen.<br />

Im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie<br />

ist die EU-Kommission aufgefordert, die Rechtssicherheit<br />

für Unternehmen zu erhöhen und damit die grenzüberschreitende<br />

Dienstleistungserbringung zu vereinfachen.<br />

Es sollten nur diejenigen Regelungen bei einer grenzüberschreitenden<br />

Dienstleistung vom Unternehmen angewendet<br />

werden müssen, die der EU-Kommission zuvor<br />

von den Mitgliedstaaten gemeldet wurden.<br />

Der Forderungskatalog von BDA und BDI ist im Internet<br />

unter www.bda-online.de > Themen > EU und Internationales<br />

> Europäische Sozialpolitik > Arbeits- und Sozialrecht<br />

in Europa > Weitere Infos „Gemeinsame Forderungen<br />

von BDI und BDA zur Deregulierung und zum<br />

Abbau von Bürokratiekosten in der EU“ zu finden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Bessere<br />

Rechtsetzung“ veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

EuGH-Urteile „Laval“, „Viking“ und<br />

„Rüffert“: Rückfall in den Protektionismus<br />

oder Vollendung des<br />

Binnenmarktes?!<br />

Mit den Entscheidungen in den Rechtssachen „Laval“,<br />

„Viking“ und „Rüffert“ (vgl. im Einzelnen Kapitel „Tarifpolitik“)<br />

hat der Europäische Gerichtshof in begrüßenswerter<br />

Klarheit zu den im EU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten,<br />

insbesondere zur Dienstleistungsfreiheit und<br />

zur Niederlassungsfreiheit, Stellung genommen. Mit seinen<br />

Entscheidungen stärkt der Europäische Gerichtshof<br />

in der Europäischen Union den Ausgleich zwischen den<br />

Grundfreiheiten und dem Arbeitnehmerschutz. Nicht<br />

nur staatliche Eingriffe, auch kollektive Maßnahmen<br />

müssen wegen der Eingriffsqualität gerechtfertigt sein.<br />

So wurde einerseits das Recht der Gewerkschaften auf<br />

Ausübung kollektiver Rechte anerkannt, zugleich aber<br />

mit den Grundfreiheiten deren Schranken aufgezeigt.<br />

Der Europäische Gerichtshof stärkt damit die Entwicklung<br />

des europäischen Binnenmarktes – das Kernstück<br />

der europäischen Integration. Nichtsdestotrotz bleibt<br />

es ein Grundsatz – für den Fall einer Fortentwicklung<br />

dieser Rechtsprechung –, dass die Europäische Union<br />

im Bereich des Arbeitskampfrechts keine Kompetenzen<br />

besitzt.<br />

Forderungen aus dem Europäischen Parlament und von<br />

den Gewerkschaften, die Entscheidungen des Europäischen<br />

Gerichtshofs zum Anlass für neue Beschränkungen<br />

der Grundfreiheiten zu nehmen, sind dagegen eine ganz<br />

klare Absage zu erteilen. Die vom Europäischen Parlament<br />

ins Auge gefassten Maßnahmen wie die umfassende<br />

Überarbeitung der Entsenderichtlinie würden einen<br />

Protektionismus ermöglichen, welcher der europäischen<br />

Integration entgegensteht. Ebenso verfehlt ist der Versuch,<br />

die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs<br />

im Fall „Rüffert“ mit dem ILO-Übereinkommen Nr. 94 zu<br />

Löhnen bei öffentlicher Auftragsvergabe in Zusammenhang<br />

zu stellen. Die Vorschriften dieses Übereinkommens<br />

aus dem Jahr 1949 sind heute praxis- und realitätsferner<br />

denn je und führen in den wenigen Staaten der Europäischen<br />

Union, die es ratifiziert haben, zu erheblichen Anwendungsproblemen.<br />

Das Übereinkommen sollte daher<br />

aufgehoben werden, anstatt eine Ratifizierungskampagne<br />

auf internationaler Ebene zu starten.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäischer<br />

Gerichtshof (EuGH)“ veröffentlicht. Er ist unter<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Freizügigkeit: Frankreich macht’s vor<br />

Im Frühjahr 2009 werden die Mitgliedstaaten von der<br />

Kommission aufgefordert mitzuteilen, ob sie in Bezug<br />

auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den neuen


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

109<br />

Mitgliedstaaten weiterhin Übergangsfristen in Anspruch<br />

nehmen wollen. Spätestens sieben Jahre nach dem Beitritt,<br />

im Jahr 2011, müssen alle Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

und der Dienstleistungsfreiheit<br />

beseitigt sein.<br />

Derzeit haben zehn der EU-15-Staaten ihre Arbeitsmärkte<br />

vollständig geöffnet: das Vereinigte Königreich,<br />

Irland und Schweden hatten ihre Arbeitsmärkte bereits<br />

während der Phase I geöffnet. Ihnen folgten am<br />

1. Mai 2006 Spanien, Finnland, Griechenland und Portugal<br />

und am 27. Juli 2006 Italien. In den Niederlanden<br />

wurden die Beschränkungen ab dem 1. Mai 2007<br />

aufgehoben und in Luxemburg ab dem 1. November<br />

2007. Das Vereinigte Königreich behält sein obligatorisches<br />

Meldesystem bei und in Finnland muss die<br />

Beschäftigung nachträglich zu Überwachungszwecken<br />

registriert werden.<br />

Die meisten der EU-15-Staaten, die Beschränkungen<br />

beibehalten haben, haben ihre Verfahren vereinfacht<br />

oder die Beschränkungen in bestimmten Sektoren/Berufen<br />

reduziert (Belgien, Frankreich, Dänemark und – seit<br />

dem 1. November 2007 – Deutschland). In Belgien sieht<br />

ein königlicher Erlass für die Phase II der Übergangsregelungen<br />

ausdrücklich vor, dass die Beschränkungen<br />

vor dem formellen Ende der Phase II aufgehoben werden<br />

können, wenn bestimmte Bedingungen (insbesondere<br />

in Form von Durchsetzungsmaßnahmen) erfüllt sind.<br />

Deutschland und Österreich haben auch ihre nationalen<br />

Maßnahmen in Bezug auf die grenzüberschreitende<br />

Erbringung von Diensten beibehalten.<br />

Pünktlich vor Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft am<br />

1. Juli <strong>2008</strong> hat nun auch Frankreich angekündigt, seinen<br />

Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten<br />

zu öffnen. Zu dieser Ankündigung hat sich<br />

Arbeitgeberpräsident Dr. Hundt öffentlich geäußert:<br />

„Jetzt hat auch Frankreich erkannt, dass die Öffnung des<br />

Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten<br />

mehr Chancen als Risiken birgt. Deutschland<br />

darf sich nicht weiter abschotten, sondern muss aktiv<br />

sein, um im grenzüberschreitenden Wettbewerb um gute<br />

und ausgebildete Arbeitskräfte nicht dauerhaft ins Hintertreffen<br />

zu geraten. Ich fordere die Bundesregierung auf,<br />

die bisher in Deutschland noch bestehende generelle<br />

Abschottung gegenüber Arbeitnehmern aus den neuen<br />

Mitgliedstaaten zu beenden. Die Übergangsregelungen<br />

für die Arbeitnehmerfreizügigkeit von Arbeitnehmern aus<br />

den im Mai 2004 der EU beigetretenen Staaten Mittelund<br />

Osteuropas dürfen ab 2009 nicht mehr generell und<br />

umfassend verlängert werden. Die 2011 ohnehin erfolgende<br />

Öffnung darf nicht nur passiv abgewartet, sondern<br />

muss jetzt aktiv gestaltet werden. Das schließt nicht aus,<br />

im Einzelfall zu prüfen, inwieweit sehr gezielte und<br />

punktuelle, branchen- oder regionalspezifisch begründete<br />

Begrenzungen weiterhin notwendig sind.“<br />

Europäischer Sozialer Dialog<br />

muss für Praxisnähe stehen<br />

Der Soziale Dialog gewinnt weiter an Bedeutung. Auch<br />

die Kommission sieht, dass er für zahlreiche sozialpolitische<br />

Initiativen das geeignete Instrument ist, um praxisnahe<br />

und mehrheitsfähige Regelungen zu finden.<br />

Umso bedauerlicher ist es, dass die Gewerkschaften sich<br />

zunehmend vor ihrer Verantwortung drücken und sich<br />

lieber auf die Kommission verlassen, anstatt selbst proak-<br />

etappen der arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

2004<br />

2005 2006 2007 <strong>2008</strong> 2009 2010 2011<br />

1. Phase<br />

2. Phase 3. Phase<br />

Nationale Entscheidung<br />

Nationale Entscheidung –<br />

Benachrichtigung der Kommission<br />

Nationale Entscheidung –<br />

Begründung gegenüber<br />

der Kommission<br />

Volle Arbeitnehmerfreizügigkeit


110<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

tiv und gestaltend zu wirken. Besonders schädlich ist die<br />

jüngste Entscheidung des EGB, nicht über die Revision<br />

der Richtlinie zu Europäischen Betriebsräten zu verhandeln.<br />

Damit wurde eine wichtige Chance für eine an der<br />

betrieblichen Praxis orientierte Verbesserung der Funktionsweise<br />

von Europäischen Betriebsräten vertan.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäischer<br />

Sozialer Dialog“ veröffentlicht. Er ist unter<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Europäische Betriebsräte: Europäische<br />

Arbeitgeber bleiben gesprächsbereit<br />

Nachdem die EU-Kommission die Revision der EBR-<br />

Richtlinie angekündigt hatte, hat BUSINESSEUROPE<br />

dem EGB angeboten, die Inhalte der Revision im Sozialen<br />

Dialog zu verhandeln – so wie dies bereits mit anderen<br />

ursprünglich umstrittenen Themen, z. B. Gewalt am<br />

Arbeitsplatz, arbeitsbedingtem Stress oder Telearbeit,<br />

gelungen ist. Der EGB hat sich dem Angebot – trotz eindringlichen<br />

Appells der EU-Kommission – letztlich verweigert.<br />

Offensichtlich scheut dieser davor zurück, sich<br />

einer Diskussion im Sozialen Dialog zu stellen, und will<br />

stattdessen mit ideologischen Ansätzen seine eigenen<br />

Interessen vorantreiben. Diese scheinen eindeutig darin<br />

zu liegen, betriebsfremden Funktionären mehr Macht<br />

und Einfluss gegenüber Arbeitnehmervertretern aus den<br />

Betrieben einzuräumen.<br />

Der Ball ist nun wieder bei der Europäischen Kommission:<br />

Die Arbeitgeber haben ihre weiter bestehende<br />

Gesprächsbereitschaft gegenüber dem EGB<br />

signalisiert.<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein wichtiges<br />

Thema für den europäischen Sozialen Dialog, für Arbeitgeber<br />

und Gewerkschaften gleichermaßen. Nachdem<br />

die Europäische Kommission ihre zweite Phase der<br />

Sozialpartnerkonsultation im Mai vergangenen Jahres<br />

eingeleitet hatte, haben sich, nach einer fundierten Evaluierungsphase,<br />

BUSINESSEUROPE, UEAPME und CEEP<br />

für Verhandlungen ausgesprochen. Das Verhandlungsmandat<br />

sieht u. a. vor, dass durch die Sozialpartnervereinbarung<br />

mehr Anreize für Väter geschaffen werden,<br />

Elternurlaub zu nehmen, und eine möglichst flexible<br />

Ausgestaltung des Elternurlaubs erreicht wird (z. B. Vollzeit-<br />

oder Teilzeitbasis, „Kreditstunden“ etc.).<br />

Da die Kommission ihren Ursprungsgedanken ergänzender<br />

Rechtsvorschriften noch nicht gänzlich aufgegeben<br />

hat, ist das positive Signal für Verhandlungen im So-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

111<br />

zialen Dialog umso wichtiger, um so die Kommission zu<br />

überzeugen, dass zusätzliche Regulierungsschritte hier<br />

nicht zielführend sind. Vielmehr geht es darum, positive<br />

Entwicklungen, wie z. B. die Vätermonate in Deutschland,<br />

zu unterstützen und zu verbreiten.<br />

Umsetzung bestehender Europäischer<br />

Sozialpartner-vereinbarungen<br />

Zwei bereits abgeschlossene Rahmenvereinbarungen<br />

müssen sich derzeit in der nationalen Praxis bewähren:<br />

Die Vereinbarung zur Bekämpfung von Belästigung<br />

und Gewalt am Arbeitsplatz wird derzeit von<br />

einigen Unternehmen in die betriebliche Praxis umgesetzt,<br />

der Vereinbarung zur Chancengleichheit von<br />

Mann und Frau wird am 8. und 9. Juli eine Konferenz<br />

gewidmet. Diese gemeinsam von BDA und DGB initiierte<br />

und von der EU-Kommission unterstützte Tagung<br />

soll die Möglichkeit einer Zwischenbilanz des bisher<br />

Erreichten bieten.<br />

gelingt es am besten, mehr Menschen in reguläre Arbeit<br />

zu bringen und für Nachhaltigkeit zu sorgen? Der<br />

Einstieg in Arbeit und der Aufstieg durch Bildung sind<br />

auch auf globaler Ebene die großen wirtschaftlichen,<br />

und sozialen Herausforderungen, vor denen wir stehen,<br />

um einen nachhaltigen wirtschaftlichen Zusammenhalt<br />

zu gestalten.<br />

Dafür ist ein breites Beschäftigungswachstum notwendig,<br />

das auch die Menschen erfasst, die am Rande der<br />

Gesellschaft stehen. Die Rahmenbedingungen in den<br />

Arbeitsmarktverfassungen müssen auf Einstieg in Arbeit<br />

als Priorität Nr. 1 ausgerichtet sein. Und die Bildung<br />

muss viel mehr Aufmerksamkeit erhalten, sie ist die<br />

eigentliche sozialpolitische Herausforderung. Nur wer<br />

ausreichend auf die Anforderungen in unseren Arbeitsmärkten<br />

in Wirtschaft und Gesellschaft vorbereitet ist,<br />

kann selbstständig sein Leben gestalten und ohne dauerhafte<br />

Transferleistungen auskommen. Das ist das Ziel<br />

einer humanen und sozialen Gesellschaft.<br />

Internationale Sozialpolitik –<br />

CSR und soziale Dimension<br />

der Globalisierung stehen<br />

im Mittelpunkt<br />

Japanische G8-Präsidentschaft<br />

Nachdem Deutschland im Jahr 2007 die G8-Präsidentschaft<br />

innehatte, liegt der G8-Vorsitz für <strong>2008</strong> bei Japan.<br />

Vom 11. bis 13. Mai <strong>2008</strong> fand im japanischen Niigata<br />

das Treffen der G8-Arbeitsminister statt. Den Auftakt dieses<br />

Treffens bildete traditionell die Konsultation mit den<br />

Sozialpartnern. Die japanische G8-Präsidentschaft hat<br />

die bereits im Vorjahr in Dresden diskutierte Frage nach<br />

einer nachhaltigen Entwicklung aufgegriffen und diese<br />

für die Arbeitswelt durch drei Leitthemen konkretisiert:<br />

1. Gestaltung der Arbeit unter Berücksichtigung<br />

längerer Lebenserwartung<br />

2. Integration benachteiligter Gruppen in den<br />

Arbeitsmarkt<br />

3. Stärkung der globalen Nachhaltigkeit<br />

Die BDA hat in Niigata gleichermaßen unterstrichen,<br />

was sie auch für die europäische Ebene fordert: Wie<br />

Runder Tisch zum FolLow-up der<br />

Dresdner G8-Beschäftigungsministerkonferenz<br />

Im April <strong>2008</strong> hat Bundesarbeitsminister Olaf Scholz<br />

zu einem runden Tisch eingeladen, um eine erste Umsetzungsbilanz<br />

zu den Themen von Dresden, „Beschäftigung“,<br />

„Soziale Sicherung“ und „Gesellschaftliche<br />

Verantwortung von Unternehmen“, zu ziehen. Arbeitgeberpräsident<br />

Dr. Dieter Hundt nutzte diesen Anlass,<br />

um die Politik daran zu erinnern, dass sie sich in Dresden<br />

dazu verpflichtet hatte, Arbeitslosen verstärkt Chancen<br />

zum Einstieg in den Arbeitsmarkt zu eröffnen. In ihrem<br />

aktuellen Deutschlandbericht fordert die OECD die<br />

Bundesregierung auf, „eine Lockerung der im internationalen<br />

Vergleich strikten Beschäftigungsbestimmungen<br />

für reguläre Arbeitsverträge in Erwägung zu ziehen, um<br />

den gegenwärtigen Aufschwung dafür zu nutzen, eine<br />

größtmögliche Zahl von regulären Beschäftigungsverhältnissen<br />

zu schaffen“.<br />

Auch eine repräsentative Eurobarometer-Studie hat ergeben,<br />

dass sieben von zehn EU-Bürgern die Aussage<br />

bejahen, „dass Arbeitsverträge flexibler werden sollen,<br />

um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erleichtern“.


112<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Japan Business Summit: Abschluss-<br />

Kommuniqué stellt Weichen für<br />

italienische G8-Präsidentschaft<br />

Im Vorfeld des G8-Gipfels vom 7. bis 9. Juli <strong>2008</strong> in Japan<br />

haben die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände<br />

der G8-Länder ihre Forderungen auf dem Japan Business<br />

Summit an den Gipfel formuliert. Die zentralen Themen<br />

waren die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch<br />

Innovation, die Bewältigung des Klimawandels und eine<br />

Partnerschaft mit Asien. Mit der Forderung nach einer<br />

Verbesserung der Beziehungen zwischen Hochschule<br />

und Wirtschaft sowie der besseren Qualifikation der<br />

Arbeitskräfte zur Förderung der Privatwirtschaft in den<br />

Entwicklungsländern wurden zudem wichtige Weichenstellungen<br />

für die sich anschließende italienische G8-<br />

Präsidentschaft vorgenommen. Sozialpolitische Themen<br />

werden auf dem nächsten G8 Business Summit in Rom<br />

eine wichtige Rolle spielen.<br />

informieren, auch wenn sich Projekte noch in der Konzeption<br />

befinden.<br />

Dem richtigen Ansatz auf<br />

europäischer Ebene folgen<br />

Während die EU-Kommission mit der Allianz den richtigen<br />

Weg beschritten hat, droht in Deutschland der Rückfall<br />

in überkommene Modelle: Auf der nationalen CSR-<br />

Konferenz der Bundesregierung Ende April <strong>2008</strong> in Berlin<br />

kündigte Bundesarbeitsminister Scholz eine CSR-Positivliste<br />

für Unternehmen an. Eine Positivliste aber ist nichts<br />

anderes als CSR-Standardisierung durch die Hintertür<br />

und stellt damit einen Wortbruch der Politik in einer zentralen<br />

Frage dar. Durch sie wird das Engagement der Unternehmen<br />

begrenzt und nicht gefördert werden. Zudem<br />

ist eine Positivliste naturgemäß beschränkt und gibt daher<br />

Europäische CSR-Allianz:<br />

Unternehmen organisieren<br />

„Laboratory Meetings“<br />

Vielfältige Aktivitäten finden im Rahmen der Europäischen<br />

Allianz zu CSR statt, die die Wirtschaft zusammen<br />

mit der EU-Kommission im Frühjahr 2006 ins Leben gerufen<br />

hat. Ziel der CSR-Allianz ist es, Netzwerke und Kooperationen<br />

der Akteure zu bilden und den Erfahrungsaustausch<br />

mit sog. „Laboratory Meetings“ zu stärken. Die<br />

ersten „Laboratory Meetings“ haben bereits stattgefunden.<br />

Die BDA hat ein „Laboratory Meeting“ auf europäischer<br />

Ebene mitinitiiert, das von BUSINESS EUROPE koordiniert<br />

wird und sich mit dem Thema „Förderung des Unternehmertums“<br />

beschäftigt. In Deutschland haben die Deutsche<br />

Bank und die Ford Werke GmbH ein „Laboratory<br />

Meeting“ zum Thema „Corporate Volunteering“ angestoßen<br />

und durchgeführt, welches bei den Unternehmen<br />

den Wunsch nach weiteren Aktivitäten dieser Art geweckt<br />

hat. Das CSR-Internetportal „CSR Germany“ (www.csrgermany.de)<br />

ist als zentrales Kommunikationsinstrument<br />

für die Aktivitäten im Rahmen der CSR-Allianz auf deutscher<br />

Ebene etabliert. Durch einen neu eingerichteten<br />

geschützten internen Bereich ist es Unterstützern der<br />

CSR-Allianz möglich, sich gegenseitig über Aktivitäten zu<br />

umfangreiches soziales engagement<br />

deutscher unternehmen<br />

in %<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Anteil der Unternehmer, die sozial engagiert sind<br />

Anteil der Unternehmer, die meinen, eine besondere soziale<br />

Verantwortung zu tragen<br />

Anteil der Unternehmer, die ihr soziales Engagement im Untersuchungszeitraum<br />

ausgebaut haben<br />

94<br />

Quelle: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 2005<br />

76<br />

24


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

113<br />

ein verzerrtes Bild von der Vielfältigkeit und dem Ausmaß<br />

des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen<br />

wieder. Die BDA fordert daher die Bundesregierung auf,<br />

diesen falschen Weg zu verlassen und einen praxisorientierten<br />

Ansatz zu verfolgen, der das CSR-Engagement der<br />

Unternehmen unterstützt statt behindert.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Corporate<br />

Social Responsibility“ veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

ISO Social Responsibility:<br />

Praxisbezug fehlt<br />

Seit 2004 ist die ISO (International Organization for Standardization)<br />

dabei, einen ISO-Leitfaden zu „Social Responsibility“<br />

zu erarbeiten. Dabei ist die Vorgabe für die<br />

dafür zuständige internationale, 450-köpfige, aus sechs<br />

verschiedenen Stakeholderkategorien bestehende Arbeitsgruppe<br />

(WG), dass dieser Leitfaden nicht zertifizierbar<br />

sein und sich darüber hinaus nicht nur an Unternehmen,<br />

sondern an alle Organisationen richten soll. Der zweite<br />

Arbeitsentwurf des Leitfadens, der im Herbst 2006 vorlag,<br />

war aus Sicht der Wirtschaft völlig inakzeptabel, da er keine<br />

dieser Vorgaben erfüllte, sich also einseitig an Unternehmen<br />

und nicht an alle Organisationen richtete und in<br />

weiten Teilen der Logik eines Managementstandards folgte,<br />

wodurch die Gefahr bestand, dass er früher oder später<br />

doch zertifizierbar würde. Zudem war der Entwurf an<br />

vielen Stellen in sich widersprüchlich, enthielt zahlreiche<br />

Doppelungen und war sprachlich nicht überarbeitet. Im<br />

Januar 2007 konnte beim WG-Treffen in Sydney erreicht<br />

werden, dass der Entwurf bis zum nächsten WG-Treffen<br />

im November 2007 in Wien erneut grundsätzlich überarbeitet<br />

wird. Dieser dritte Arbeitsentwurf hat sich zwar<br />

an einzelnen Stellen etwas verbessert, ist aber in seiner<br />

Substanz weiterhin keine Grundlage für einen praxistauglichen<br />

Leitfaden. Einer der größten Streitpunkte zwischen<br />

Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen (NRO) ist<br />

die Zulieferkette. Die NRO möchten, dass sich CSR-Maßnahmen<br />

eines Unternehmens grundsätzlich über seine<br />

gesamte Zulieferkette erstrecken. Dies ist eine realitätsferne<br />

Forderung ohne jeden Praxisbezug. In einzelnen Branchen<br />

umfassen die Zulieferketten bis zu 20.000 Zulieferer,<br />

teilweise in der zweiten und dritten Ebene nach den<br />

Hauptlieferanten. Auch die primäre staatliche Verantwortung<br />

für die Durchsetzung von Menschenrechten<br />

wird immer wieder in Frage gestellt. Deshalb wurde in<br />

Wien ein vierter Arbeitsentwurf beschlossen. Neu ist<br />

nun, dass eine Redaktionsgruppe eingesetzt wurde, die<br />

für die Leserlichkeit, Stimmigkeit und Widerspruchslosigkeit<br />

des gesamten Dokuments zuständig ist und<br />

dafür auch Textkürzungen vornehmen darf, was bisher<br />

nicht möglich war. Bis zum nächsten Treffen im<br />

September <strong>2008</strong> soll der neue Text vorliegen. Von der<br />

ISO ist angestrebt, diesen CSR-Leitfaden bis Ende 2009<br />

fertig zu stellen.<br />

ISWA-Seminar zur internationalen<br />

Dimension von CSR<br />

Vom 2. bis 4. März <strong>2008</strong> fand in Berlin ein Seminar<br />

des Instituts für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung<br />

(ISWA) zum Thema „Corporate Social Responsibility“<br />

(CSR) statt. Das Seminar „Unternehmen<br />

und Gesellschaft: CSR im internationalen Kontext“<br />

stellte die internationalen Aspekte von CSR in den Mittelpunkt<br />

der Diskussion. Auch wenn die Referenten<br />

die unterschiedlichsten Hintergründe hatten, so kam<br />

doch eine Kernbotschaft ganz deutlich heraus: Es gibt<br />

für Unternehmen keine Möglichkeit der standardisierten<br />

und somit rechtssicheren Handhabung von CSR im<br />

internationalen Kontext. Die Herausforderungen und<br />

Lösungen sind zu unterschiedlich und vielfältig, abhängig<br />

von der Branche, den Märkten und den nationalen<br />

Gegebenheiten, mit denen ein Unternehmen<br />

konfrontiert ist.<br />

International Organisation<br />

of Employers (IOE): Globale<br />

Interessenvertretung für die<br />

Wirtschaft wird immer wichtiger<br />

Die IOE ist die globale Stimme der Arbeitgeber. In dieser<br />

Eigenschaft wird sie immer wichtiger, denn die internationalen<br />

Branchengewerkschaftsbünde organisieren<br />

sich auf globaler Ebene immer strategischer. Dies<br />

zeigt sich z. B. durch den Zusammenschluss der internationalen<br />

Branchengewerkschaften zur Global Union<br />

Federation, die es sich zum Ziel erklärt hat, die indus-


114<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

triellen Beziehungen global auszubauen. Hierbei geht<br />

es vor allem darum, eine stärkere Vereinheitlichung<br />

der Arbeitsbedingungen auf Weltebene zu erreichen.<br />

Mit den sog. „International Framework Agreements“,<br />

also Rahmenvereinbarungen, die zwischen einzelnen<br />

Unternehmen und den internationalen Branchengewerkschaften<br />

abgeschlossen werden, verschaffen sich<br />

die Gewerkschaften Zugang zu den Belegschaften<br />

der Unternehmen und versuchen diese national zu<br />

organisieren.<br />

Vor diesem Hintergrund kommt der IOE, neben ihrer<br />

Rolle als Arbeitgeberstimme in der ILO, eine strategische<br />

Bedeutung zu, um hier Arbeitgeberinteressen –<br />

gleichfalls global – entgegensetzen zu können. Zu diesem<br />

Zweck hat die IOE, u. a. auf Anregung der BDA, das<br />

„Global Industrial Relations Network“ (GIRN) gegründet,<br />

in dem multinationale Unternehmen Mitglieder werden<br />

können. Sie finden hier nicht nur eine Plattform für den<br />

spezifischen Erfahrungsaustausch zu internationaler<br />

Sozialpolitik und industriellen Beziehungen, sondern<br />

können bei konkreten Problemen, z. B. mit „Framework<br />

Agreements“, auch Beratung erhalten.<br />

Seit dem 27. Mai <strong>2008</strong> hat die IOE einen neuen Präsidenten:<br />

Professor Wiseman Nkuhlu aus Südafrika hat<br />

dieses Amt übernommen. Ihm ist die Förderung von<br />

nachhaltigen kleinen und mittleren Unternehmen ein<br />

wichtiges Anliegen: Zugang zu Krediten und Risikokapital<br />

sowie die Unterstützung von Unternehmensgründungen<br />

haben sein besonderes Augenmerk.<br />

Internationale Arbeitsorganisation<br />

(ILO): Wirtschaftsrelevanz<br />

erforderlich<br />

Die konkrete Ausgestaltung der sozialen Dimension der<br />

Globalisierung wird auch in der Internationalen Arbeitsorganisation<br />

(ILO) mit hoher Priorität vorangetrieben. Die<br />

ILO hat sich dieses Thema auf die Fahnen geschrieben<br />

und ist inzwischen das wichtigste Dialogforum zwischen<br />

Entwicklungsländern und Industrieländern in Bezug auf<br />

die soziale Entwicklung. Sie ist als einzige der UN-Organisationen<br />

dreigliedrig organisiert, so dass Arbeitgeber<br />

und Gewerkschaften jeweils ein Viertel der Stimmen im<br />

Verwaltungsrat und bei der Internationalen Arbeitskonferenz<br />

haben. Somit ist für die Arbeitgeber hier eine direkte<br />

Einflussnahme und Mitgestaltung möglich.<br />

Im Verwaltungsrat der ILO ist es gelungen, den Ausschuss<br />

„Multinationale Unternehmen“ in Richtung einer<br />

Arbeitsweise zu lenken, die für die Unternehmen<br />

einen wesentlich stärkeren Praxisbezug herstellt. In Kürze<br />

wird es einen „Helpdesk“ in der Abteilung für multinationale<br />

Unternehmen (MULTI) der ILO geben. Er soll<br />

als Anlaufstelle für Unternehmen dienen und ihnen bei<br />

konkreten Fragen/Problemen in Zusammenhang mit der<br />

Umsetzung von internationalen Arbeitsnormen direkte<br />

und praxisorientierte Hilfe durch ILO-Experten unter Beteiligung<br />

der Sozialpartner vermitteln.<br />

Bei der Internationalen Arbeitskonferenz <strong>2008</strong> wurde<br />

die Dreigliedrige Erklärung „On Social Justice for a Fair<br />

Globalisation“ verabschiedet. Diese Erklärung ist ein<br />

Meilenstein für die ILO. Sie stellt ein neues Instrumentarium<br />

zur Verfügung, mit welchem Arbeitgeber ihre Interessen<br />

innerhalb der ILO besser fördern können.<br />

OECD – wachsende Tendenz zu<br />

sozialpolitischen Themen<br />

Innerhalb der OECD lässt sich seit einiger Zeit eine Entwicklung<br />

beobachten, die für die BDA besondere Relevanz<br />

entfalten kann: Insbesondere der Internationale<br />

Währungsfonds und die Weltbank werden für ihre klassischen<br />

Aufgaben (Kredite an Entwicklungsländer) immer<br />

weniger benötigt, so dass sie zunehmend in Felder der<br />

allgemeinen globalen Wirtschaftspolitik vorstoßen und<br />

damit der OECD bei ihren Kernaufgaben Konkurrenz machen.<br />

Diese Institutionenkonkurrenz hat u. a. den Effekt,<br />

dass die OECD sich nun stärker in soziale Themen und<br />

Betrachtungen ohne Berücksichtigung des wirtschaftlichen<br />

Kontextes begibt. Besonders negativ aufgefallen<br />

ist dieser Trend im Entwurf des jüngsten „Employment<br />

Outlook“, der bei weitem nicht der sonst hohen Qualität<br />

entsprach und in dem sich eine einseitig negative Bewertung<br />

der Globalisierung findet. Über BIAC, den Arbeitgeber-<br />

und Wirtschaftsverband bei der OECD, setzt sich die<br />

BDA für die Korrektur dieser Unausgewogenheiten ein.<br />

Damit die Interessen der deutschen Unternehmen innerhalb<br />

von BIAC zukünftig besser koordiniert und wahrge-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

115<br />

nommen werden können, hat die BDA gemeinsam mit<br />

dem BDI ein deutsches Netzwerktreffen im Januar <strong>2008</strong><br />

vorbereitet. Damit war erstmals eine Gelegenheit geboten,<br />

die deutschen Vertreter aller BIAC-Ausschüsse zu<br />

versammeln und sich über Forderungen und Erwartungen<br />

an BIAC auszutauschen.<br />

Engere Zusammenarbeit der<br />

deutschen Wirtschaft mit den<br />

Mittelmeerstaaten<br />

Am 25. Februar <strong>2008</strong> hat die BDA, vertreten durch Randolf<br />

Rodenstock, Vizepräsident der BDA und Präsident<br />

der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw),<br />

mit der Vereinigung der Unternehmerverbände im Mittelmeerraum<br />

(UMCE), vertreten durch den UMCE-Präsidenten<br />

Jacques Jean Sarraf, in München ein Kooperationsabkommen<br />

unterzeichnet.<br />

Die UMCE repräsentiert Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände<br />

aus den Mittelmeer-Anrainerstaaten Algerien,<br />

Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Malta, Marokko,<br />

Palästina, Syrien, Tunesien, Türkei und Zypern. Die<br />

Spitzenverbände dieser Staaten sind unter einem Dach<br />

vereint, um die gemeinsamen Interessen der Region zu<br />

vertreten, ungeachtet der politischen Konflikte. Mit dem<br />

Kooperationsabkommen erhält die BDA stellvertretend<br />

für die deutsche Wirtschaft einen Beobachterstatus innerhalb<br />

der UMCE. Diesen Status als Partner und Impulsgeber<br />

haben bislang lediglich die Wirtschaftsverbände<br />

der europäischen Mittelmeerstaaten Frankreich (MEDEF),<br />

Italien (Confindustria), Griechenland (FIG-SEV) und<br />

Portugal (AIP).<br />

Es liegt im Interesse der deutschen Wirtschaft, die Kontakte<br />

in den Mittelmeerraum auszubauen und eine stärkere<br />

Anbindung an die Union im Sinne einer nachhaltigen<br />

Nachbarschaftspolitik zu unterstützen. Die BDA<br />

will mit UMCE die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen<br />

mitgestalten und damit auch einen Beitrag<br />

zur Friedenssicherung in der Region leisten.<br />

Für die Mittelmeerregion ist die deutsche Wirtschaft ein<br />

wichtiger Partner innerhalb der Europäischen Union,<br />

vor allem in Hinblick auf die Schaffung einer möglichen<br />

euromediterranen Freihandelszone bis 2010. Eine engere<br />

Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft bringt<br />

die Mittelmeerregion diesem Ziel ein Stück näher.


116


117<br />

Konjunktur und Wachstum ■ Indikatoren<br />

und Prognosen ■ Wirtschafts- und<br />

Finanzpolitik ■ Steuerpolitischer Arbeitskreis<br />

der Spitzenverbände ■ Kampagnen<br />

und Initiativen ■ Jahreswirtschaftsbericht<br />

■ Sachverständigenratsgutachten<br />

VOLKSWIRTSCHAFT<br />

■ Frühjahrs- und Herbstgutachten<br />

■ Prognosen des BIP ■ Prognose der Wirtschaftsentwicklung<br />

UND FINZANZEN ■ Arbeitskosten<br />

■ Produktivität ■ Einkommensverteilung<br />

■ Statistik ■ Föderalismus ■ Globalisierung<br />

■ Finanzpolitik ■ Finanzplan des<br />

Bundes ■ Standort Deutschland im internationalen<br />

Vergleich ■ Mittelstandspolitik<br />

■ Demografie ■ Konjunktur und<br />

Wachstum ■ Indikatoren und Prognosen<br />

■ Wirtschafts- und Finanzpolitik ■ Steuerpolitischer<br />

Arbeitskreis der Spitzenverbände<br />

■ Kampagnen und Initiativen<br />

■ Jahreswirtschaftsbericht ■ Sachverständigenratsgutachten<br />

■ Frühjahrsund<br />

Herbstgutachten ■ Prognosen des<br />

BIP ■ Prognose der Wirtschaftsentwicklung<br />

■ Arbeitskosten ■ Produktivität<br />

■ Einkommensverteilung ■ Statistik ■ Föderalismus<br />

■ Globalisierung ■ Finanzpolitik<br />

■ Finanzplan des Bundes ■ Standort<br />

Deutschland im internationalen Vergleich<br />

■ Mittelstandspolitik ■ Strukturwandel<br />

■ Demografie ■ Konjunktur und<br />

Wachstum ■ Indikatoren und Prognosen<br />

■ Wirtschafts- und Finanzpolitik ■ Steuerpolitischer<br />

Arbeitskreis der Spitzenverbände<br />

■ Kampagnen und Initiativen<br />

■ Jahreswirtschaftsbericht ■ Sachverständigenratsgutachten<br />

■ Frühjahrsund<br />

Herbstgutachten ■ Prognosen des<br />

BIP ■ Prognose der Wirtschaftsentwicklung<br />

■ Arbeitskosten ■ Produktivität<br />

■ Einkommensverteilung ■ Statistik ■ Föderalismus<br />

■ Globalisierung ■ Finanzpolitik<br />

■ Finanzplan des Bundes ■ Standort<br />

Deutschland im internationalen Vergleich<br />

■ Mittelstandspolitik ■ Kampagnen<br />

und Initiativen ■ Strukturwandel<br />

■ Demografie ■ Konjunktur und Wachstum<br />

■ Indikatoren und Prognosen ■ Wirtschafts-<br />

und Finanzpolitik ■ Steuerpolitischer<br />

Arbeitskreis der Spitzenverbände<br />

■ Jahreswirtschaftsbericht ■ Sachverständigenratsgutachten<br />

■ Frühjahrsund<br />

Herbstgutachten ■ Prognosen des<br />

BIP ■ Prognose der Wirtschaftsentwicklung<br />

■ Arbeitskosten ■ Produktivität<br />

■ Strukturwandel ■ Statistik ■ Föderalismus<br />

■ Globalisierung ■ Finanzpolitik<br />

■ Finanzplan des Bundes ■ Mittelstandspolitik<br />

■ Strukturwandel ■ Demografie<br />

■ Konjunktur und Wachstum ■ Indikatoren<br />

und Prognosen ■ Föderalismus


118<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Aufschwung setzt sich<br />

verhaltener fort<br />

Zur Jahresmitte <strong>2008</strong> wird die wirtschaftliche Lage in<br />

Deutschland von zwei Momenten geprägt: Zu Beginn<br />

des Jahres zog die wirtschaftliche Dynamik überraschenderweise<br />

an. Die starke Beschleunigung in den<br />

ersten drei Monaten hat dazu geführt, dass die Wachstumsprognosen<br />

für den Jahresdurchschnitt wieder über<br />

die Schwelle von 2 % heraufgesetzt worden sind. Es<br />

zeichnet sich aber bereits jetzt eine Verlangsamung der<br />

Konjunktur ab. Das andere Moment ist der deutliche<br />

Anstieg der Preise, insbesondere der Energie- und Rohstoffpreise;<br />

er macht sich mehr und mehr als Wachstumsbremse<br />

bemerkbar. Im Mai lagen die Verbraucherpreise<br />

für die privaten Haushalte um 3,0 % über dem<br />

Vorjahresniveau.<br />

Die anhaltend hohe Kapazitätsauslastung und das hohe<br />

Aktivitätsniveau bei den Dienstleistungen geben dem<br />

Arbeitsmarkt unverändert positive Impulse, wenn auch<br />

inzwischen etwas verhaltener. So lag die Zahl der Erwerbstätigen<br />

im April dieses Jahres mit 40,1 Mio. um<br />

über 831.000 über dem entsprechenden Vorjahreswert<br />

(+2,1 %). Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />

betrug der 12-Monats-Abstand im März knapp<br />

679.000 (+2,5 %). Die steigende Beschäftigung ist der<br />

Hauptmotor der Zunahme der verfügbaren Einkommen,<br />

die im ersten Quartal <strong>2008</strong> um 2,6 % gestiegen sind. Parallel<br />

dazu stiegen die laufenden Konsumausgaben der<br />

privaten Haushalte um 2,5 %.<br />

Direkte Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die<br />

deutsche Wirtschaft sind bislang nicht spürbar und es<br />

gibt auch kein Anzeichen dafür, dass sich dies ändert.<br />

Eigendynamik und Widerstandfähigkeit der deutschen<br />

Wirtschaft sind stärker als erwartet. Allerdings<br />

nehmen die indirekten Einflüsse zu. So hat sich der<br />

Export in die USA, die als Ursprungsland im besonderen<br />

Maße von dieser Krise betroffen sind, deutlich<br />

abgeschwächt. Bislang konnten solche Rückgänge jedoch<br />

zum großen Teil durch Lieferungen in Länder<br />

kompensiert werden, denen aufgrund der gestiegenen<br />

Energiepreise eine höhere Kaufkraft für ausländische<br />

Waren zugewachsen ist.<br />

Zwischenbilanz in Zahlen<br />

2005 2007 Veränderung in %<br />

Steuereinnahmen insgesamt in Mrd. €<br />

452,4<br />

538,2<br />

18,97<br />

Einkommen aus Unternehmertätigkeit + Vermögen in Mrd. €<br />

561,25<br />

643,18<br />

14,60<br />

Ausrüstungsinvestitionen in Mrd. €<br />

162,11<br />

186,53<br />

15,06<br />

Bruttojahresverdienst Vollzeitarbeitnehmer in €*<br />

40.541<br />

41.962<br />

3,51<br />

Arbeitslose insgesamt in 1.000<br />

4.861<br />

3.776<br />

– 22,31<br />

•unter 25 Jahre<br />

618.868<br />

404.911<br />

– 34,57<br />

•über 55 Jahre<br />

580.447<br />

475.421<br />

– 18,09<br />

•über 12 Monate**<br />

1.515<br />

1.387<br />

– 8,45<br />

Erwerbstätige in 1.000<br />

38.846<br />

39.737<br />

2,29<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in 1.000<br />

26.236<br />

26.898<br />

2,52<br />

* eigene Hochrechnung auf Basis der ersten drei Quartale 2007<br />

** ohne Optionskommunen


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

119<br />

Zwischenbilanz des Aufschwungs<br />

In der Öffentlichkeit hat sich der Eindruck durchgesetzt, dass der Aufschwung an den Menschen vorbeigeht. Entgegen<br />

dieser „gefühlten“ Wirklichkeit hat es jedoch selten einen Aufschwung gegeben, der so wie dieser die wirtschaftlichen<br />

und sozialen Grundlagen verbessert hat.<br />

Trotz Kritik im Einzelnen bleibt die unternehmerische Tätigkeit die entscheidende Grundlage für breiten Wohlstand<br />

in einer Gesellschaft. Zwischen 2005 und 2007 sind die Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit und<br />

Vermögen um 14,6 % gestiegen. Sie haben die Investitionen der Unternehmen in neue Maschinen und Anlagen<br />

angetrieben; die Ausrüstungsinvestitionen nahmen im gleichen Zeitraum um 15,1 % zu. Davon profitierte auch der<br />

Arbeitsmarkt in beachtlicher Weise. Die Zahl der Erwerbstätigen kletterte vom Jahresdurchschnitt 2005 bis 2007<br />

um 2,3 %, die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zog sogar um gut 2,5 % an.<br />

Auch dieser Aufschwung bestätigt die klassische Regel von Helmut Schmidt: „Die Gewinne von heute sind die<br />

Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen.“<br />

Die steigende Erwerbstätigkeit spiegelt sich in einer drastisch verminderten Arbeitslosigkeit. Im Jahresdurchschnitt<br />

lag 2007 die Arbeitslosenzahl um fast ein Viertel niedriger als 2005. Besonders stark ging dabei die Arbeitslosigkeit<br />

bei jungen Menschen unter 25 Jahren zurück; sie sank um mehr als ein Drittel. Auch die Zahl der älteren Arbeitslosen<br />

hat der Aufschwung erheblich reduziert; sie nahm um fast 20 % ab.<br />

Lediglich bei den Langzeitarbeitslosen fällt der Rückgang vom 2005 bis 2007 mit 8,5 % weniger beeindruckend<br />

aus. Allerdings ist hier eine natürliche Phasenverschiebung zu beachten. Es bedarf eines längeren Anlaufs und<br />

eines besonders kräftigen Impulses, um den Sockel der Langzeitarbeitslosen zu erreichen. Die vergangenen Aufschwünge<br />

hatten diese Ausdauer und Kraft nicht. Das ist erfreulicherweise diesmal anders. Der Beschäftigungsaufschwung<br />

erreichte den Sockel der Langzeitarbeitslosen 2006. Betrachtet man den Rückgang von 2006 auf 2007,<br />

fällt er auch in diesem Segment des Arbeitsmarktes mit 13,6 % sehr beachtlich aus.<br />

Mit diesem Aufschwung wurde erstmals seit 35 Jahren das wichtigste sozialpolitische Ziel, den Sockel der Langzeitarbeitslosigkeit<br />

spürbar abzubauen, erreicht. Zu Recht betont die Bundesregierung im 3. Armuts- und Reichtumsbericht:<br />

„Der Beschäftigungsaufschwung kommt bei allen an!“<br />

Das gilt nicht nur für die Arbeitslosen, die wieder in Beschäftigung und Verdienst kommen. Auch die bislang schon<br />

Beschäftigten profitieren durch einen beachtlichen Anstieg ihrer Bruttoeinkommen. So stieg der durchschnittliche<br />

Jahresverdienst eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers im produzierenden Gewerbe von 2005 auf 2007 um<br />

rund 3,5 %.<br />

Das relativ größte Stück vom Aufschwung sicherte sich der Staat. Seine Steuereinnahmen lagen 2007 um fast 20 %<br />

über dem Niveau von 2005. Dieser kräftige Zuwachs kommt zum einen durch konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen<br />

zustande und zum anderen aufgrund der kräftigen Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte<br />

zum 1. Januar 2007.


120<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Aufschwung füllt vor allem Steuerkassen<br />

Steuereinnahmen insgesamt<br />

Ausrüstungsinvestitionen<br />

Jahresverdienst Vollzeitarbeitnehmer*<br />

Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen<br />

120<br />

115<br />

110<br />

105<br />

100<br />

2005 2006<br />

2007<br />

Quelle: Basisdaten Destatis, SVR<br />

* für 2007 Hochrechnung auf Basis von drei Quartalen<br />

Arbeitslosigkeit sinkt<br />

Arbeitslose insgesamt<br />

Arbeitslose über 55 Jahre<br />

Arbeitslose unter 25 Jahre<br />

Langzeitarbeitslose über 12 Monate*<br />

110<br />

105<br />

100<br />

95<br />

90<br />

85<br />

80<br />

75<br />

70<br />

2005 2006<br />

2007<br />

Quelle: Basisdaten BA<br />

* ohne Optionskommunen<br />

Aufschwung bringt Jobs<br />

Erwerbstätige<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

103<br />

102,5<br />

102<br />

101,5<br />

101<br />

100,5<br />

100<br />

2005 2006<br />

2007<br />

Quelle: Basisdaten BA


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

121<br />

Arbeitskosten wachsen wieder<br />

schneller als die Produktivität<br />

Armuts- und Reichtumsbericht<br />

verzerrt die Wirklichkeit<br />

Für das Jahr <strong>2008</strong> rechnet die Bundesbank mit einem<br />

durchschnittlichen Anstieg der Tarifentgelte um 2,75 %<br />

und der Arbeitskosten, gemessen am Arbeitnehmerentgelt<br />

je Arbeitnehmer, um 2,25 %. Bei einem erwarteten<br />

Produktivitätswachstum von 1,0 % werden die Lohnstückkosten<br />

<strong>2008</strong> um etwa 1,5 % steigen. Damit läuft<br />

die Phase rückläufiger oder stagnierender Lohnstückkosten<br />

aus, der die deutschen Unternehmen ihre wiedergewonnene<br />

preisliche Konkurrenzfähigkeit zu verdanken<br />

haben. Die stark steigenden Vorleistungspreise und die<br />

steigenden Arbeitskosten der Unternehmen drücken auf<br />

die Erträge der Unternehmen.<br />

Kostensteigerungen durch<br />

Senkung der Sozialbeiträge<br />

abfangen<br />

Die Senkung der Lohnzusatzkosten entlastet Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer von Kostensteigerungen. Niedrigere<br />

Sozialversicherungsbeiträge reduzieren die Kostenbelastung<br />

der Unternehmen und erhöhen die Nettoeinkommen<br />

der Arbeitnehmer. Insbesondere müssen diejenigen<br />

Sozialversicherungsbeiträge abgebaut bzw. vom<br />

Arbeitsverhältnis abgekoppelt werden, denen keine<br />

lohnbezogene Leistung entspricht. Dies gilt insbesondere<br />

für den sog. Eingliederungsbeitrag der Bundesagentur<br />

für Arbeit, der im Ergebnis nichts anderes als eine Finanzierung<br />

des Bundeshaushalts zu Lasten von Löhnen und<br />

Gehältern ist. Eine Kostenentlastung durch geringere Sozialversicherungsbeiträge<br />

erleichtert den Aufbau neuer<br />

Beschäftigung und den Abbau der Arbeitslosigkeit.<br />

Das Thema „Armut“ bewegt derzeit Politik, Medien<br />

und Gesellschaft. Immer wieder wird auf der einen<br />

Seite über die neuen Armen, die Abnahme der Mittelschicht<br />

und die von Armut Bedrohten berichtet. Ein<br />

Auslöser neuerlicher Diskussionen war der 3. Armutsund<br />

Reichtumsbericht. Entgegen dem teilweise vermittelten<br />

Eindruck ist Armut in Deutschland jedoch nach<br />

wie vor die Ausnahme und weniger verbreitet als in<br />

anderen Industrieländern. Armut hat nicht zugenommen.<br />

Arme sind auch nicht ärmer geworden, weil das<br />

mittlere Einkommen (Medianeinkommen), von dem<br />

die Armutsgrenze abgeleitet wird, in den letzten Jahren<br />

weiter gewachsen ist.<br />

Eine empirische Untersuchung der OECD („Employment<br />

Outlook“, 2007, S. 268) zeigt, dass die Einkommensspreizung<br />

zwischen 1995 und 2005 in fast<br />

allen entwickelten Ländern zugenommen hat. Dieser<br />

Globalisierungsfolge kann sich laut OECD kaum ein<br />

Land entziehen, weil die Nachfrage nach Fachkräften<br />

schneller zunahm als das Angebot. Dagegen wuchs<br />

mit der Globalisierung das Angebot an gering qualifizierten<br />

Arbeitnehmern deutlich kräftiger als die Zahl<br />

entsprechender Jobs. In Entwicklungs- und Schwellenländern<br />

haben sich dadurch Chancen auf Investitionen<br />

und Arbeitsplätze ergeben. Unternehmen, die weltweit<br />

im Wettbewerb um die besten Köpfe stehen und ihre<br />

Produkte zu marktfähigen Preisen anbieten müssen,<br />

tragen der Globalisierung durch Anpassung ihrer Entlohnungssysteme<br />

Rechnung. Trotz der hohen Integration<br />

der deutschen Wirtschaft in die Weltwirtschaft zeigt<br />

die OECD-Studie für Deutschland eine unterdurchschnittliche<br />

Einkommensspreizung auf.<br />

Empirische Untersuchungen belegen die positiven Beschäftigungseffekte<br />

sinkender Sozialversicherungsbeiträge:<br />

Je nachdem, ob die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge<br />

durch Ausgaben senkende Strukturreformen im<br />

System der sozialen Sicherung erreicht wird oder mit<br />

Maßnahmen zur Gegenfinanzierung, sind die Beschäftigungswirkungen<br />

unterschiedlich, aber grundsätzlich immer<br />

positiv. Im Durchschnitt ergibt sich bei einer Senkung<br />

der Sozialversicherungsbeiträge um einen Prozentpunkt<br />

mittelfristig ein Plus von rund 150.000 Personen.<br />

Mit der hohen Umverteilung im deutschen Steuerund<br />

Transfersystem und den umfangreichen Sozialleistungen<br />

wirkt Deutschland der Armut mit hohem<br />

Aufwand entgegen. Nach Berechnungen der OECD<br />

wird Einkommensungleichheit in Deutschland mit am<br />

stärksten durch Steuern und Sozialtransfers verringert.<br />

Das Armutsrisiko liegt mit 13 % unter dem europäischen<br />

Durchschnitt von 16 %. Das Sozialbudget beträgt<br />

inzwischen über 700 Mrd. €. Damit gelangen<br />

rund 30 % der deutschen Wirtschaftsleistung in die


122<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Umverteilungsmaschinerie, prozentual doppelt so viel<br />

wie in den 1950er Jahren, als Armut tatsächlich weit<br />

verbreitet war.<br />

Im Unterschied zum Berichtsentwurf kommt der Bericht<br />

nun der Kritik der BDA an Mindestlöhnen entgegen. Denn<br />

gesetzlich verordnete Mindestlöhne sind zur Bekämpfung<br />

von Armut ungeeignet. Armut beruht in Deutschland<br />

vor allem auf Arbeitslosigkeit. Seit 2005 hat die Arbeitslosigkeit<br />

um 2 Mio. abgenommen und die Zahl der<br />

Erwerbstätigen um 1,5 Mio. – davon 1,25 Mio. sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte – zugenommen.<br />

Die Stellungnahme der BDA zum Entwurf des 3. Armutsund<br />

Reichtumsberichts ist im Internet unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung:<br />

Regierungskonzept geht an den<br />

Zielen vorbei<br />

Am 21. April dieses Jahres hat die Koalitionsarbeitsgruppe<br />

ihren Endbericht „Mehr Mitarbeiterbeteiligung<br />

in Deutschland“ der Öffentlichkeit präsentiert. Damit<br />

sind die Vorbereitungen, der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

durch neue gesetzliche Rahmenbedingungen<br />

zu einer weiteren Verbreitung in Deutschland zu verhelfen,<br />

zum Abschluss gekommen. Konkret soll zum<br />

einen die bestehende steuerliche Förderung der direkten<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung deutlich ausgebaut<br />

werden. Zum anderen soll in die Förderung auch die<br />

indirekte Form der Kapitalbeteiligung über regionalbzw.<br />

branchenbezogene Fonds einbezogen werden<br />

(siehe Kasten).<br />

Im vorliegenden Konzept, auf dessen Grundlage bis<br />

Ende Juli <strong>2008</strong> ein Gesetzentwurf erarbeitet werden soll,<br />

werden zwar der Einigungswille und die gemeinsame<br />

politische Absicht der Regierungsparteien deutlich, die<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu fördern, allerdings ist<br />

bei näherer Betrachtung auch abzulesen, dass die geplanten<br />

Maßnahmen an den Zielen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

weitgehend vorbeigehen.<br />

Die vorgesehene zusätzliche Subventionierung der<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist aus Sicht der BDA<br />

abzulehnen, weil sie zum einen dem nach wie vor<br />

höheren politischen Ziel der Haushaltskonsolidierung<br />

diametral entgegensteht. Zum anderen droht die Gefahr,<br />

dass künftig mehr Mittel in die Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

und weniger in die private und betriebliche<br />

Altersvorsorge bzw. Mitarbeitererfolgsbeteiligung<br />

fließen. Dabei muss mit Blick auf die demografische<br />

Entwicklung und das sinkende Leistungsniveau der ge-


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

123<br />

Kernelemente des Konzepts der Koalitionsarbeitsgruppe aus CDU/CSU<br />

und SPD „Mehr Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland“ vom 21. April <strong>2008</strong><br />

Verbesserung der Förderung nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz<br />

•Anhebung des Fördersatzes für in Beteiligungen angelegte vermögenswirksame Leistungen von 18 % auf 20 %<br />

•Erhöhung der Einkommensgrenzen von 17.900/35.800 € auf 20.000/40.000 € (Ledige/Verheiratete)<br />

Verbesserung der Förderung im Rahmen des § 19a EStG<br />

•Anhebung des steuer- und abgabenfreien Höchstbetrags für die Überlassung von Mitarbeiterbeteiligungen am<br />

arbeitgebenden Unternehmen von 135 € auf 360 € pro Jahr und Beschäftigten unter Wegfall der bisherigen Begrenzung<br />

auf den halben Wert der Beteiligung<br />

•Voraussetzung für die o. g. Förderung: Vermögensbeteiligung ist weder Lohnbestandteil noch Folge einer<br />

Entgeltumwandlung<br />

•Angebot zur Beteiligung am Unternehmen an alle Beschäftigten, es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung<br />

•Bestandsschutz für alle Beschäftigten, die bereits heute einen Anspruch auf unentgeltliche oder verbilligte Überlassungen<br />

von Vermögensbeteiligungen haben; insoweit bleibt steuer- und abgabenfreier Vorteil von bisher<br />

135 € in der geltenden Fassung im § 19a EStG, wenn Voraussetzungen der Neuregelung nicht erfüllt sind<br />

Einbeziehung von Regional- bzw. Branchenfonds in die Neuregelung der Förderung im Rahmen des § 19a EStG<br />

Neben der direkten Kapitalbeteiligung Einführung von überbetrieblichen Mitarbeiterbeteiligungsfonds (z. B. für<br />

•<br />

einzelne Branchen) als zusätzlichen, indirekten Durchführungswegen zur Inanspruchnahme der geplanten<br />

Förderung<br />

Angebot und Verwaltung der Fonds durch private Kapitalanlagegesellschaften<br />

•<br />

Garantierter Rückfluss aus dem Fonds in die beteiligten Unternehmen in Höhe von 75 % (25 % Beteiligungs­<br />

•<br />

kapital, 50 % Fremdkapital) nach einer Anlaufphase von zwei Jahren<br />

Möglichkeit für Anleger zur Rückgabe der Anteile an die Kapitalanlagegesellschaft unter Einhaltung einer Rück-<br />

•<br />

gabefrist von bis zu 24 Monaten<br />

setzlichen Rentenversicherung alles getan werden, um<br />

ergänzende Alterssicherung aufzubauen.<br />

Die Ausweitung der Förderung nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz<br />

ausschließlich für betriebliche<br />

und außerbetriebliche Kapitalbeteiligung ist daher ein<br />

Schritt in die falsche Richtung. Jeder zusätzliche Euro,<br />

der in diese Form der Vermögensbildung investiert würde,<br />

ist für das vorrangige Ziel der Altersvorsorge verloren.<br />

Darüber hinaus steht die Ausweitung der Arbeitnehmersparzulage<br />

für vermögenswirksame Leistungen in<br />

Beteiligungen im Gegensatz zu der seit 2002 verfolgten<br />

Tarifpolitik, die bisherigen vermögenswirksamen Leistungen<br />

in betriebliche Altersvorsorge umzuwidmen. Die<br />

Entscheidung, die Arbeitnehmersparzulage zu erhöhen,<br />

ist nicht nur unverantwortlich vor dem Hintergrund der<br />

Notwendigkeit, den Auf- und Ausbau der ergänzenden<br />

Alterssicherung voranzubringen. Sie ist auch eine grobe<br />

Missachtung der Entscheidungen der Tarifpartner in den<br />

vergangenen Jahren.<br />

Aus den gleichen Gründen abzulehnen ist die Ausweitung<br />

der steuer- und beitragsrechtlichen Förderung der<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung (nicht nur hälftige, sondern<br />

volle Steuer- und Beitragsfreiheit, zudem Anhebung des<br />

Förderhöchstbetrages von 135 € auf 360 €). Ein derartiger<br />

Eingriff führt zur stärkeren staatlichen Einflussnahme<br />

auf Arbeitnehmerentscheidungen und damit zu der Ge-


124<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

fahr von Fehlallokationen. Insbesondere geht eine solche<br />

Regelung zu Lasten anderer – weitaus zielführenderer<br />

– Spar- bzw. Vorsorgeformen wie der Altersvorsorge<br />

und der Mitarbeitererfolgsbeteiligung.<br />

Ohnehin geht die beabsichtigte erweiterte Förderung<br />

der Mitarbeiterkapitalbeteiligung weitgehend am Mittelstand<br />

vorbei. Es ist nicht erkennbar, inwieweit eine<br />

Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen<br />

erreicht werden kann, wenn der Arbeitgeber die Mittel<br />

für die Kapitalbeteiligung zusätzlich zum ohnehin<br />

geschuldeten Lohn selbst aufwenden soll. Das ist aber<br />

nach den vorliegenden Plänen Voraussetzung, wenn<br />

Arbeitnehmer in den Genuss des auf 360 € erhöhten<br />

Steuer freibetrages kommen sollen. Insbesondere kleine<br />

und mittelständische Unternehmen werden tendenziell<br />

nicht in der Lage sein, Lohn-on-top-Leistungen zu erbringen.<br />

Des Weiteren sind mittelständische Unternehmen<br />

in der Regel Personenunternehmen, bei denen eine<br />

echte Kapitalbeteiligung vergleichsweise nur schwer<br />

umzusetzen ist. Dies trifft tendenziell auch für die als<br />

GmbH organisierten mittelständischen Unternehmen<br />

zu, da u. a. der Erwerb eines Gesellschafteranteils stets<br />

eine notarielle Beurkundung voraussetzt. Die verstärkte<br />

Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung würde<br />

damit weiter vor allem die Beschäftigten von Aktiengesellschaften<br />

erreichen, die schon heute rund drei Viertel<br />

aller Mitarbeiterkapitalbeteiligungen halten.<br />

Die geplante Einführung von Fonds als neuer Form der<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung ändert an diesem Sachverhalt<br />

nichts. Die neuen Fonds sind für mittelständische<br />

Unternehmen kaum attraktiv. Denn auch hier muss der<br />

Arbeitgeber die Mittel für die Kapitalbeteiligung zu 100 %<br />

selbst aufbringen. Hinzu kommt, dass – frühestens nach<br />

einer zweijährigen Anlaufphase des Fonds – ein Kapitalrückfluss<br />

an die beteiligten Unternehmen von lediglich<br />

75 % garantiert sein soll, 50 % in Form von Fremdkapital.<br />

Das bedeutet in jedem Fall einen Eigenkapitalabfluss. Es<br />

ist auch nicht ersichtlich, inwieweit durch einen Mitarbeiterbeteiligungsfonds<br />

die Bindung von Arbeitnehmern und<br />

Arbeitgebern gestärkt und unternehmerisches Denken und<br />

Handeln gefördert werden könnte. Dies schafft am wirkungsvollsten<br />

die direkte Mitarbeiterkapitalbeteiligung.<br />

Auszug aus der gemeinsamen Stellungnahme von BDA und BDI<br />

vom 29. April <strong>2008</strong> zum Konzept von CDU/CSU und SPD<br />

„Mehr Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland“<br />

„Zusätzliche Förderung benachteiligt Altersvorsorge<br />

und geht am Mittelstand vorbei“<br />

Die geplante zusätzliche Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung benachteiligt sowohl die Altersvorsorge als<br />

auch die Mitarbeitererfolgsbeteiligung. Sie ist deshalb abzulehnen. Durch die vorgesehene erweiterte Subventionierung<br />

wird es noch lohnender, in Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu investieren als in den vordringlichen Auf- und<br />

Ausbau der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Zudem käme es zu einer weiteren ungerechtfertigten Begünstigung<br />

der Mitarbeiterkapitalbeteiligung gegenüber der Mitarbeitererfolgsbeteiligung.<br />

Die zusätzliche Förderung ginge an der Mehrheit der Beschäftigten kleiner und mittelständischer Unternehmen<br />

weitgehend vorbei. Schließlich ist Mitarbeiterkapitalbeteiligung nahezu ausschließlich in Aktiengesellschaften<br />

verbreitet, weil sie allein hier einfach und unbürokratisch umsetzbar ist. Daran würde auch die Einführung der<br />

geplanten Fonds nichts ändern. Es ist für ein Unternehmen kaum attraktiv, 100 % selbst für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

aufzubringen, wenn nur 75 % in den Betrieb zurückfließen. Von der höheren steuerlichen Förderung<br />

würden daher künftig überwiegend die Beschäftigten derjenigen Aktiengesellschaften profitieren, die schon heute<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung anbieten.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

125<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung ohnehin bereits am attraktivsten ausgestaltet<br />

Aufwandsphase<br />

Auszahlungsphase (bei Veräußerung)<br />

Beitragspflicht<br />

Steuerpflicht<br />

Beitragspflicht<br />

Steuerpflicht<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

(geplant: Förderhöchstbetrag<br />

§ 19a EStG: 360 €)<br />

alleinige Besteuerung<br />

der Erträge<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

(Status quo: Förderhöchstbetrag<br />

§ 19a EStG: 135 €)<br />

alleinige Besteuerung<br />

der Erträge<br />

Betriebliche Altersvorsorge<br />

Mitarbeitererfolgsbeteiligung<br />

Arbeitszeitkonten<br />

Private Riester-Verträge<br />

Sonstige private Altersvorsorge (z. B. private<br />

Rentenversicherungen, Investmentfonds,<br />

festverzinsliche Papiere, Aktien)<br />

alleinige Besteuerung<br />

der Erträge<br />

Betriebliche Riester-Verträge<br />

Volle Beitragspflicht in der Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung (durchschnittlicher Beitragssatz 39,9 %, Stand: 1. Januar <strong>2008</strong>)<br />

bzw. volle Steuerpflicht<br />

Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung (durchschnittlicher Beitragssatz 15,7 %, Stand: 1. Januar <strong>2008</strong>) bzw. hälftige Steuerpflicht<br />

Keine Beitragspflicht zur Sozialversicherung bzw. Steuerfreiheit<br />

Die neuen gesetzlichen Regelungen zur Förderung der<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung sollen nach den Plänen<br />

der Regierungskoalition zum 1. Januar 2009 in Kraft treten.<br />

Die BDA wird den angekündigten Gesetzgebungsprozess<br />

begleiten und sich im Zuge kommender Anhörungen<br />

für die Positionen der Arbeitgeber einsetzen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Mitarbeiterkapitalbeteiligung“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Erbschaftsteuerreform:<br />

Unternehmensnachfolge<br />

zügig erleichtern<br />

Die Verabschiedung der Erbschaftsteuerreform verzögert<br />

sich weiter: Nunmehr hat sich die große Koalition darauf<br />

verständigt, dass die parlamentarische Verabschiedung<br />

erst nach den Landtagswahlen in Bayern erfolgen soll.<br />

Bereits am 11. Dezember 2007 hatte die Bundesregie-


126<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

rung den Kabinettsentwurf beschlossen mit dem Ziel,<br />

die Unternehmensnachfolge zu erleichtern. Allerdings<br />

sind die konkreten Pläne noch weit davon entfernt, dieser<br />

Zielsetzung gerecht zu werden. Zudem drohen durch<br />

die geplanten Bewertungsregelungen für viele Unternehmensübergänge<br />

erhebliche Mehrbelastungen.<br />

Auf den großen Änderungsbedarf hat die BDA zusammen<br />

mit sieben weiteren Spitzenverbänden der deutschen<br />

Wirtschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme<br />

anlässlich der öffentlichen Anhörung am 5. März <strong>2008</strong><br />

hingewiesen.<br />

Insbesondere wird die Zusage des Koalitionsvertrages<br />

vom 11. November 2005, der den kompletten Wegfall<br />

der Erbschaftsteuer nach zehnjähriger Unternehmensfortführung<br />

vorsieht, nur unvollständig umgesetzt:<br />

dem diese Lohnsumme unterschritten wird, entfällt<br />

ein Zehntel des gewährten Abschlags.<br />

•Auch muss das vorhandene Betriebsvermögen 15 Jahre<br />

lang im Betrieb gehalten werden – andernfalls unterliegt<br />

entnommenes Betriebsvermögen der Nachversteuerung.<br />

Zugleich ist vorgesehen, dass pauschal<br />

15 % des Unternehmenswertes der Erbschaftsbesteuerung<br />

unterliegen.<br />

Insgesamt würde das deutsche Erbschaftsteuerrecht mit<br />

der zehnjährigen Fortführungsklausel und der 15-jährigen<br />

Vermögensbindungsfrist komplizierter. Deshalb<br />

müssen zumindest die Laufzeiten der beiden Regelungen<br />

verkürzt und angeglichen werden. Auch sollte ein<br />

Verstoß gegen die Vermögensbindungsfrist nur zu einer<br />

zeitanteiligen und nicht zur vollständigen Nachversteuerung<br />

führen.<br />

•Bislang ist lediglich eine Abschmelzung der Bemessungsgrundlage<br />

bei der Erbschaftsteuer um maximal<br />

85 % vorgesehen.<br />

•Zudem ist die Gewährung dieses Abschlags an weitere<br />

Voraussetzungen gekoppelt – so u. a. an eine zehnjährige<br />

Unternehmensfortführung, bei der die Lohnsumme<br />

in keinem Jahr geringer sein darf als 70 % der<br />

Lohnsumme im Durchschnitt der letzten fünf Jahre<br />

vor der Unternehmensübertragung. In jedem Jahr, in<br />

Problematisch ist zudem, dass vermögensverwaltende<br />

Unternehmen nur dann der steuerlichen Begünstigung<br />

unterliegen sollen, wenn das sog. Verwaltungsvermögen<br />

(z. B. fremdvermietete Grundstücke, Kunstgegenstände)<br />

nicht mehr als 50 % des Betriebsvermögens ausmacht.<br />

Noch nicht gelöst ist zudem die Doppelbelastung mit<br />

Einkommen- und Erbschaftsteuer, die bei der Übertragung<br />

stiller Reserven unter den derzeit geplanten Regelungen<br />

noch droht.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

127<br />

Zentrale Elemente der Erbschaftsteuerreform<br />

Steuersätze und Freibeträge<br />

•Anhebung der persönlichen Freibeträge für Ehegatten auf 500.000 €, für Kinder auf 400.000 €, für Enkel auf<br />

200.000 € – zudem gleitende Freigrenze in Höhe von 150.000 € zur Sicherstellung der Bewertungsfreiheit bei<br />

einem Betriebsvermögen von 150.000 €<br />

•Beibehaltung der Steuersätze in der Steuerklasse I (mit Sätzen von 7 bis 30 %), Anhebung der Steuersätze in<br />

den Steuerklassen II und III (auf 30 % bei einem Vermögen bis 6 Mio. € und auf 50 % bei darüberliegendem<br />

Vermögen)<br />

Neue Verschonungsregelung beim Betriebsvermögen<br />

Bewertung des Betriebsvermögens und des Grundvermögens mit dem Verkehrswert – Umsetzung durch Rechts-<br />

•<br />

verordnung des Bundesfinanzministeriums<br />

85-prozentiger Bewertungsabschlag von der Bemessungsgrundlage beim Betriebsvermögen – 15 % des Betriebs-<br />

•<br />

vermögens unterliegen der Erbschaftsbesteuerung<br />

Fortführungsklausel: Lohnsumme darf in den zehn Jahren der Unternehmensfortführung in keinem Jahr gerin-<br />

•<br />

ger sein als 70 % der Lohnsumme vor der Vermögensübertragung – sonst entfällt pro Jahr der Unterschreitung<br />

ein Zehntel des Abschlags<br />

15-jährige Bindungsfrist für das Betriebsvermögen – mit Nachversteuerungspflicht bei Veräußerung oder Entnah-<br />

•<br />

me, die aber bei Reinvestition entfällt<br />

Kein Bewertungsabschlag bei vermögensverwaltenden Unternehmen, mit einem Verwaltungsvermögen<br />

•<br />

(z. B. fremdvermietete Grundstücke, Kunstgegenstände), das mehr als 50 % des Betriebsvermögens ausmacht<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung<br />

vom 7. November 2006 dem Gesetzgeber aufgetragen,<br />

sich bei der Bewertung des vererbten Vermögens<br />

am Verkehrswert zu orientieren. Zugleich hat das<br />

Verfassungsgericht klargemacht, dass für die Bewertung<br />

maßgeblich ist, wie hoch der Erbe bereichert ist. Der<br />

Gesetzentwurf weicht nun bei der Bewertung von Gesellschaftsanteilen<br />

davon ab. Denn die Verfahren zur<br />

Ermittlung der Verkehrswerte gehen davon aus, dass<br />

Gesellschaftsanteile frei auf einem Markt gehandelt<br />

werden können. In vielen Familienunternehmen gibt<br />

es allerdings Gesellschafterverträge mit Verfügungsbeschränkungen<br />

und Abfindungsklauseln, die genau dies<br />

verhindern. Damit die geplante Erbschaftsteuerreform<br />

tatsächlich zu einer Erleichterung des Generationenwechsels<br />

führt, sollte der tatsächliche Wert der Bereicherung<br />

beim Erben die Ausgangsgröße für die Ermittlung<br />

der Erbschaftsteuerschuld sein.<br />

Neue steuerliche Lasten bei Unternehmenserben wären<br />

dagegen ein falsches Signal des Gesetzgebers. Angesichts<br />

des unverändert angestrebten Erbschaftsteuervolumens<br />

von gut 4 Mrd. € ist dies jedoch nicht gänzlich<br />

ausgeschlossen. Dabei wäre die Abschaffung der Erbschaftsteuer,<br />

wie sie z. B. in Österreich beschlossen<br />

wurde, die beste Lösung.<br />

Föderalismusreform II: Mehr<br />

Tempo beim Haushaltsausgleich<br />

Die von Bund und Ländern eingesetzte Föderalismuskommission<br />

II sollte zügig wirksame wie sanktionsbewährte<br />

Regeln zur Schuldenbegrenzung vorlegen, damit<br />

in der zweiten Jahreshälfte <strong>2008</strong> die parlamentarischen<br />

Beratungen beginnen können. Angesichts der immer<br />

näher rückenden Bundestagswahlen droht sonst dieses<br />

wichtige Reformvorhaben der großen Koalition unter<br />

die Räder zu kommen.<br />

Dabei sind viel zu lange neue Ausgaben bei den öffentlichen<br />

Haushalten allzu oft auf Pump finanziert worden.<br />

Die Folge sind ständig steigende Zinsverpflichtungen,


128<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

die insbesondere dem Bund zunehmend den Handlungsspielraum<br />

einengen. Schließlich stellt der Schuldendienst<br />

mit einem Volumen von 40 Mrd. € den zweitgrößten<br />

Ausgabenposten im Bundeshaushalt dar. Auch<br />

mit Blick auf künftige Generationen und die durch den<br />

demografischen Wandel bedingten Belastungen für die<br />

öffentlichen Haushalte muss es der großen Koalition gelingen,<br />

den ausufernden Schuldenstaat durch wirksame<br />

Regeln zu beschränken.<br />

Die BDA hat zusammen mit dem BDI hierzu eigene Reformvorschläge<br />

vorgelegt. Die bisherige Vorgabe gemäß<br />

Art. 115 Grundgesetz, nach der die Kreditaufnahme die<br />

Investitionsausgaben nicht überschreiten darf, hat sich<br />

in der politischen Praxis als ein wenig wirksames Instrument<br />

erwiesen. Eine wirksame Beschränkung des immer<br />

schneller anwachsenden Schuldenbergs der öffentlichen<br />

Hand gehört deshalb zum Pflichtprogramm der großen<br />

Koalition. Dies schließt insbesondere die verbindliche<br />

Verankerung eines mittelfristigen Haushaltsausgleichs<br />

in die Verfassung ein.<br />

Eine konjunkturell bedingte Schuldenaufnahme soll dabei<br />

zwar möglich sein, aber nur, wenn sie mit einem<br />

verbindlichen Plan zur Rückzahlung der Schulden in<br />

den Folgejahren verbunden ist. Generell sollte jedoch<br />

die Pflicht zum Haushaltsausgleich nicht durch interpretationsbedürftige<br />

Ausnahmeregelungen aufgeweicht<br />

werden, wie sie derzeit von der SPD in Gestalt von Finanzmarktkrisen<br />

und plötzlich fehlendem Bundesbankgewinn<br />

diskutiert werden. Hier reicht ein Blick nach<br />

Europa: Dem EU-Haushalt ist die Schuldenfinanzierung<br />

fremd – und trotzdem können die Aufgaben wahrgenommen<br />

werden.<br />

Neben dem Haushaltsausgleich und dem Abbau der<br />

hohen Staatsverschuldung von derzeit über 63 % des<br />

Bruttoinlandsprodukts sind zudem automatische Sanktionsmaßnahmen<br />

erforderlich, die bei verfassungswidrigen<br />

Haushalten auf Bundes- und Länderebene greifen.<br />

Dies erfordert u. a. ein beschleunigtes Klageverfahren<br />

vor dem Verfassungsgericht mit einer Entscheidung innerhalb<br />

von 60 Tagen.<br />

Dass neue Regeln zur Schuldenbegrenzung längst<br />

überfällig sind, folgt auch daraus, dass trotz steigender<br />

Steuereinnahmen der Schuldenstand in Deutschland<br />

zum Jahreswechsel einen neuen Rekordwert von<br />

1.553 Mrd. € erreicht hat. Dies sind je Einwohner im<br />

Durchschnitt ca. 18.800 € – davon ist der Bund für<br />

knapp 11.640 €, die Gesamtheit der Bundesländer für<br />

5.900 € sowie Gemeinden und Gemeindeverbände für<br />

1.450 € verantwortlich. Nachdem 2007 die öffentlichen<br />

Haushalte erstmals seit Inkrafttreten des Vertrages<br />

von Maastricht einen ausgeglichenen Gesamthaushalt<br />

(mit einem leichten Überschuss von 200 Mio. €) erzielt<br />

haben, stehen die Zeichen für <strong>2008</strong> und 2009 wieder<br />

auf Rot: Voraussichtlich bis zu 7 Mrd. € im Jahr <strong>2008</strong><br />

und ca. 5 Mrd. € im Jahr 2009 werden Bund, Länder,<br />

Gemeinden und Sozialversicherungen mehr ausgeben,<br />

als sie an regulären Steuern und Sozialbeiträgen einnehmen.<br />

Verantwortlich sind u. a. die außerplanmäßige<br />

Rentenerhöhung und der Tarifabschluss im öffentlichen<br />

Dienst.<br />

Insbesondere der Bundeshaushalt ist längst noch nicht<br />

im Lot – dies auch deshalb, weil angesichts unverändert<br />

steigender Steuereinnahmen die Ausgabenbegehrlichkeiten<br />

zunehmen. Von den rund 100 Mrd. € zusätzlichen<br />

Steuereinnahmen, mit denen der Bund auf der<br />

Grundlage des Finanzplans 2007 bis 2011 (Juli 2007)<br />

in den Jahren 2007 bis 2011 rechnet, gehen bislang<br />

rund 60 Mrd. € in den Abbau der Neuverschuldung<br />

und ca. 40 Mrd. € sind für neue Ausgabenprogramme<br />

vorgesehen (u. a. für „Hartz IV“, Entwicklungshilfe,<br />

Forschung und Bildung, Rentenversicherung und die<br />

gesetzliche Krankenversicherung). Dabei sind längst<br />

noch nicht alle Ausgabenverpflichtungen berücksichtigt;<br />

insbesondere fehlt es derzeit an der erforderlichen<br />

Gegenfinanzierung für die notwendige Umsetzung<br />

der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur<br />

steuer lichen Absetzbarkeit von Kranken- und Pflegebeiträgen<br />

sowie zur geplanten Anhebung des Kinderfreibetrages<br />

und des Kindergelds.<br />

Zudem unterstellt der für das Jahr 2011 vom Bundesfinanzminister<br />

angestrebte Haushaltsausgleich Privatisierungserlöse<br />

in einer Größenordnung von fast 7 Mrd. €.<br />

Damit wäre letztlich aber der Bundeshaushalt strukturell<br />

nicht ausgeglichen, da es sich bei Privatisierungserlösen<br />

um Einmaleinnahmen handelt. Jüngst hat daher das Kieler<br />

Weltwirtschaftsinstitut auf das unverändert bestehende<br />

Einsparpotenzial bei Finanzhilfen und Steuervergünstigungen<br />

hingewiesen: Deutschland gibt demnach Jahr für<br />

Jahr rund 143 Mrd. € für Subventionen aus. Statt immer<br />

neue Ausgaben auf den Weg zu bringen, sollten vielmehr


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

129<br />

die Konsolidierungsanstrengungen auf der Ausgabenseite<br />

konsequent intensiviert werden, um den Bundeshaushalt<br />

nachhaltig zu sanieren. Damit Deutschland das Ziel solider<br />

Staatsfinanzen nicht nur einmalig, sondern auch langfristig<br />

einhält, gehört die Vorgabe eines ausgeglichenen<br />

Staatshaushalts schnellstens in die Verfassung.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Föderalismusreform<br />

II“ veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


130


131<br />

Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

■ Elternzeit/Mutterschutz ■ Unternehmensethik<br />

■ CSR und CC ■ Wertevermittlung<br />

■ Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

■ Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Elternzeit/Mutterschutz ■ Unternehmensethik<br />

■ CSR und CC ■ Chancen<br />

von Frauen in der Wirtschaft<br />

■ Wertevermittlung ■ Familienpolitik<br />

und Chancengleichheit ■ Wirtschaftsethik<br />

■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

■ Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie ■ Elternzeit/Mutterschutz<br />

■ Unternehmensethik ■ CSR und CC ■ Wertevermittlung<br />

■ Familienpolitik und<br />

Chancengleichheit ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Chancen von Frauen in der Wirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie ■ Kirche und Wirtschaft ■ Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie<br />

■ Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie ■ Elternzeit/Mutterschutz<br />

■ Unternehmensethik ■ CSR<br />

und CC ■ Wertevermittlung ■ Familienpolitik<br />

und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und Wirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie ■ Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

■ Kirche und Wirtschaft<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie ■ Elternzeit/Mutterschutz<br />

■ Unternehmensethik ■ CSR<br />

und CC ■ Wertevermittlung ■ Familienpolitik<br />

und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und Wirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie ■ Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und Wirtschaft<br />

■ Soziale Marktwirtschaft<br />

■ Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

■ Familienpolitik und Chancengleichheit<br />

■ Wirtschaftsethik ■ Kirche und<br />

Wirtschaft ■ Soziale Marktwirtschaft


132<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Soziale Marktwirtschaft –<br />

eine Frage des Vertrauens<br />

Die Soziale Marktwirtschaft, deren 60. Geburtstag<br />

wir in diesem Jahr feiern, galt in Deutschland lange<br />

Zeit als Garant für Wohlstand, Fortschritt und sozialen<br />

Ausgleich. Rückblickend können wir zweifellos feststellen,<br />

dass Deutschland mit ihr als Wirtschafts- und<br />

Gesellschaftsordnung gut und erfolgreich gefahren ist.<br />

Sie hat breiten Wohlstand ermöglicht und gleichzeitig<br />

die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher<br />

Unternehmer gesichert. Dennoch ist unsere Wirtschaftsordnung<br />

in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten<br />

und mit ihr Unternehmen, Manager und Unternehmer.<br />

Viele Menschen in Deutschland trauen der Sozialen<br />

Marktwirtschaft nicht mehr zu, die Herausforderungen<br />

einer globalisierten Welt meistern zu können.<br />

Eine rasant wachsende Mehrheit der Bundesbürger<br />

empfindet – trotz des anhaltenden Aufschwungs – die<br />

wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland als ungerecht.<br />

Diskussionen über Managergehälter und Abfindungen,<br />

Standortverlagerungen und Werkschließungen<br />

vertiefen das Misstrauen noch. Auch hat es in<br />

der jüngsten Vergangenheit einige Beispiele gegeben,<br />

die dazu beigetragen haben, das Bild der Führungseliten<br />

zu erschüttern. So stellt sich die Frage, was die<br />

Wirtschaft selbst beitragen kann, um das Vertrauen in<br />

die Unternehmer und in unsere Wirtschaftsordnung<br />

zurückzugewinnen.<br />

Im Mai wurde eine Umfrage veröffentlicht, in der gefragt<br />

wurde, wem die Deutschen vertrauen. Unter 29<br />

zur Abstimmung gestellten Gruppen, Berufen und<br />

Institutionen belegten die Manager von Großkonzernen<br />

den letzten Platz mit nur 9 % Zustimmung. Die<br />

sonstigen Führungseliten unserer Gesellschaft, etwa<br />

die Parteien, kamen auf 16 %, die Wirtschaft insgesamt<br />

auf magere 33 %. Interessanterweise bekundeten<br />

gleichzeitig 68 % der Menschen großes Vertrauen zu<br />

dem Unternehmen, in dem sie arbeiten. Während also<br />

nur ein Drittel der Wirtschaft generell vertraut, bringen<br />

doch zwei Drittel der Menschen dem eigenen Unternehmen<br />

und dem eigenen Arbeitgeber Vertrauen entgegen.<br />

Hierin liegt die große Chance, im Betrieb mit<br />

gutem Beispiel voranzugehen und durch glaubwürdiges<br />

Handeln um Vertrauen zu werben. Das Ansehen<br />

der Wirtschaft kann nur dann steigen, wenn Unternehmer<br />

selbst für gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitische<br />

Ziele offensiv einstehen und werben. So gilt es,<br />

Preis der Initiative „Freiheit und Verantwortung“:<br />

Vorbilder für vorbildliche Unternehmenskultur gesucht<br />

Die Soziale Marktwirtschaft prägt Deutschland. In ihr kommt den Unternehmen eine besondere<br />

Rolle zu. Über die Wertschöpfung und das Bereitstellen von Arbeitsplätzen hinaus bringen sich<br />

Unternehmen aktiv in die Gesellschaft ein. Deshalb haben die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, BDA,<br />

BDI, ZDH und DIHK, im Jahre 2000 den Preis „Freiheit und Verantwortung“ für gesellschaftliches Engagement<br />

von Unternehmen ins Leben gerufen. Ziel des gemeinsam mit der WirtschaftsWoche vergebenen Preises, der unter<br />

der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht, ist es, das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen<br />

zu fördern und beispielhafte Aktionen auszuzeichnen.<br />

Auch in diesem Jahr können sich Unternehmen wieder um diesen attraktiven Preis bewerben. Mitmachen kann,<br />

wer sich in besonderer Weise gesellschaftlich engagiert – z. B. in Jugendarbeit, in Bildung, bei der Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf oder für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Initiative vergibt den Preis „Freiheit und<br />

Verantwortung“ in den Kategorien kleine, mittlere und große Unternehmen. Die Sieger werden im Rahmen einer<br />

Festveranstaltung am 1. Dezember <strong>2008</strong> im Haus des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks in Berlin ausgezeichnet.<br />

Bewerbungsschluss ist der 15. September <strong>2008</strong>.<br />

www.freiheit-und-verantwortung.de


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

133<br />

gerade jetzt die unzähligen Beispiele guten Unternehmertums<br />

hervorzuheben und öffentlich darzustellen.<br />

Missstände müssen dagegen klar verurteilt und das<br />

Fehlverhalten Einzelner geahndet werden.<br />

Zur Frage des Verhältnisses von Wirtschaft und Ethik<br />

hat sich die BDA positioniert und den kompakt „Wirtschaftsethik“<br />

und die argumente „Wirtschaft und<br />

Ethik – kein Widerspruch!“ veröffentlicht. Beide sind<br />

über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Kirche und Wirtschaft im Dialog<br />

Wie bereits in den vergangenen Jahren suchte die BDA<br />

den Dialog mit gesellschaftlich relevanten Akteuren.<br />

Insbesondere zu den Kirchen und den christlichen<br />

Unternehmerverbänden wurde der Kontakt gehalten.<br />

Bei Veranstaltungen der Kirchen hat sich die BDA zu<br />

Themen wie Globalisierung und Standortverlagerungen<br />

und zu bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Themen<br />

geäußert.<br />

Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt sprach auf<br />

der Tagung „Marktwirtschaft in der Legitimationskrise?<br />

Zur Diskussion um die staatliche Lohnregulierung<br />

im Höchst- und Mindestlohnbereich“ der<br />

Evangelischen Akademie in Bad Boll über „Markt – Verband<br />

– Staat: Lohnfindung zwischen Wettbewerb,<br />

Korporatismus und staatlichem Interesse“. Er nutzte<br />

die Gelegenheit, um die Bedeutung der Tarifautonomie<br />

hervorzuheben und vor den Gefahren staatlicher<br />

Lohnfestsetzung zu warnen: „Jede Form staatlicher<br />

Lohnfestsetzung – egal ob über einen allgemeinen gesetzlichen<br />

Mindestlohn oder über branchenbezogene<br />

Mindestlöhne – ist ein empfindlicher Eingriff in die Tarifautonomie.<br />

Mindestlöhne entwerten bestehende Tarifverträge<br />

und bringen das ausbalancierte Tarifsystem<br />

aus dem Gleichgewicht.“<br />

Die zentralen Positionen der BDA zu Beschäftigung und<br />

Armut vertrat BDA-Vizepräsident Dr. Gerhard F. Braun<br />

beim Evangelischen Dialog mit Politik und Wirtschaft<br />

zu Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik am 4. Juni <strong>2008</strong><br />

in Berlin. Dr. Braun hob auf dem Podium zum Thema<br />

„Armut an Leib und Seele – Arbeit für Leib und Seele“<br />

die Rolle von Bildung für die Armutsbekämpfung<br />

und die Befähigung zur Teilhabe hervor: „Arbeit ist der<br />

Schlüssel gegen Armut. Bildung und Ausbildung sind<br />

der Schlüssel, um in Beschäftigung zu kommen.“<br />

Ebenso stellte die BDA beim Forum „Menschenrechte<br />

– Schlüssel für eine gerechtere Gesellschaft?“ der<br />

Evangelischen Kirche von Westfalen im Juni ihre zentralen<br />

Botschaften zum Thema „Menschenbilder und<br />

Menschenwürde in der globalisierten Weltwirtschaft“<br />

dar: Gerade unter ethischen Gesichtspunkten dürfen<br />

die Wirkungen im Zielland nicht vernachlässigt werden.<br />

Die Globalisierung bietet eine große Chance für<br />

die weltweite Anerkennung der Menschenrechte. Der<br />

Protest gegen die Standortverlagerungen des Bochumer<br />

Nokia-Werkes nach Rumänien ging fehl: Nicht<br />

die Werksverlagerung war der Sündenfall, sondern<br />

die Entscheidung, das Werk mit Subventionen nach<br />

Deutschland zu holen. Damit sind frühere Ansiedlungen<br />

in ärmere Länder verhindert worden. Wer soziale<br />

Gerechtigkeit weltweit fordert, darf nicht gegen Standortverlagerungen<br />

in andere Länder sein.<br />

„Gelebte Unternehmensethik“ ist der Titel eines praxisnahen<br />

Forschungsprojekts des Sozialwissenschaftlichen<br />

Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),<br />

das die BDA durch die Herstellung von Kontakten zu verschiedenen<br />

Unternehmen unterstützt. Im Dialog mit betrieblichen<br />

Partnern wird der Frage nachgegangen, was<br />

Großunternehmen unter „gelebter Unternehmensethik“<br />

verstehen und wie ethische und ökonomische Handlungslogiken<br />

mitein ander vereint werden können. Darin<br />

werden Beispiele für eine aus Unternehmenssicht erfolgreiche<br />

Bearbeitung ethischer Fragen im wirtschaftlichen<br />

Alltag zusammengetragen, um die Funktionsweise und<br />

die Rahmenbedingungen dieser Lösungen zu diskutieren.<br />

Ziel ist es, ein aussagekräftiges Bild davon zu entwickeln,<br />

unter welchen Bedingungen Ethik auch im Alltag<br />

komplexer Organisations- und Entscheidungsstrukturen<br />

erfolgreich mit Leben gefüllt werden kann. Eine Tagung<br />

und eine Veröffentlichung werden die gewonnenen Erkenntnisse<br />

im nächsten Jahr zusammenfassen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Kirche<br />

und Wirtschaft“ veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


134<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

46. Kolloquium der Walter-<br />

Raymond-Stiftung<br />

„Perspektiven für eine moderne Arbeitsmarktordnung“<br />

– unter diesem Leitmotto stand das 46. Kolloquium<br />

der Walter-Raymond-Stiftung. Mehr als<br />

100 Repräsentanten aus Wissenschaft, Wirtschaft und<br />

Politik diskutierten am 30. und 31. März <strong>2008</strong> u. a.<br />

mit BDA-Präsident Dr. Dieter Hundt, dem Vorsitzenden<br />

von Südwestmetall Dr. Jan Stefan Roell, Bundesverfassungsrichter<br />

Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio sowie<br />

dem Vorstandsmitglied der Allianz Deutschland AG<br />

Ulrich Schumacher. Ausgangspunkt des Diskurses war<br />

die Feststellung, dass die Globalisierung durch den<br />

verschärften weltweiten Standortwettbewerb auch unweigerlich<br />

die nationalen Arbeitsmarktordnungen unter<br />

Wettbewerbsdruck stellt. Intensiv wurde darüber<br />

beraten, wie viel und welchen Arbeitnehmerschutz<br />

eine Volkswirtschaft benötigt, damit unternehmerische<br />

Freiheiten erhalten bleiben bzw. geschaffen werden<br />

und sich zugleich die Wirtschaft im Interesse eines<br />

hohen Beschäftigungsniveaus dynamisch entwickeln<br />

kann. Hierbei kommt es u. a. darauf an, die Regelungen<br />

des Arbeitsrechts so zu gestalten, dass letztlich die<br />

Beschäftigung nachhaltig wächst. Die Ergebnisse und<br />

Vorträge des Kolloquiums liegen im Band 48 der Großen<br />

Reihe der Walter-Raymond-Stiftung vor.<br />

Stärkere Erwerbsbeteiligung<br />

von Frauen<br />

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft konnten<br />

mit der Bundesregierung zum nunmehr dritten Mal<br />

die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der<br />

Privatwirtschaft bilanzieren. Besonders erfreulich ist<br />

der steigende Bildungsgrad von Mädchen und Frauen.<br />

Mittlerweile absolvieren sogar mehr Frauen als Männer<br />

das Abitur. Bei den Studienabschlüssen liegen Frauen<br />

und Männer gleichauf. Hier werden die Grundlagen<br />

für den beruflichen Erfolg und spätere Führungspositionen<br />

gelegt.<br />

Auch das Berufswahlspektrum junger Frauen hat sich<br />

erweitert; hierfür wirbt die BDA u. a. auch im Rahmen<br />

des Girls’ Day. So stieg der Anteil studierender Frauen<br />

um rund die Hälfte in den Fächern Elektrotechnik auf<br />

8 % und Maschinenbau auf 17 %. Auch die Situation im<br />

Handwerk verbessert sich. Hier holen Frauen fast überall<br />

auf: 2006 gingen die Meisterbriefe zu knapp einem<br />

Fünftel an Frauen. Der Frauenanteil bei den Selbstständigen<br />

ist in den letzten Jahren kontinuierlich und schneller<br />

als bei Männern gestiegen.<br />

Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit der allgemeinen<br />

Entwicklung der Frauenerwerbstätigenquote in<br />

Deutschland. So wurde schon 2006 mit einer Frauenerwerbstätigenquote<br />

von über 62 % ein wesentliches<br />

Lissabon-Kriterium vorzeitig übertroffen. Bis 2007 stieg<br />

die Frauenerwerbstätigenquote nochmals auf 64 %.<br />

EU-weit befindet sich Deutschland damit im oberen<br />

Mittelfeld.<br />

Lohnunterschiede bei Frauen und Männern werden in<br />

diesen Tagen verstärkt und oftmals auf zweifelhafter<br />

Grundlage diskutiert. Die BDA hat im März <strong>2008</strong> mit<br />

dem Positionspapier zur Entgeltgleichheit „Ursachen<br />

für Lohnunterschiede angehen“ versucht, die Debatte<br />

zu versachlichen und die vielfältigen objektiven Gründe<br />

für die unterschiedlichen Einkommen von Männern<br />

und Frauen herauszuarbeiten. Tatsächlich erweist sich<br />

der Vorwurf, die bestehenden Lohnunterschiede von<br />

Männern und Frauen seien Ausdruck von Diskriminierung,<br />

als nicht haltbar. Wissenschaftliche Studien<br />

haben ergeben, dass Frauen vor allem aus folgenden<br />

Gründen weniger als Männer verdienen: Aufgrund<br />

deutlich häufigerer familiär bedingter Berufsunterbrechungen,<br />

ihres engen und oftmals auf schlecht bezahlte<br />

Tätigkeiten konzentrierten Berufswahlspektrums und<br />

geringerer Wochenarbeitszeiten dringen sie immer<br />

noch zu wenig in höher bezahlte Arbeitsplätze und<br />

Führungspositionen vor. Der negative Einfluss längerer<br />

Berufsunterbrechungen auf die Lohn- und Gehaltsentwicklung<br />

ist belegt: So ist z. B. festgestellt worden,<br />

dass bei familienbedingten Auszeiten, die geringer als<br />

ein Jahr sind, die Lohndifferenz nur bei 6 % liegt, bei<br />

Frauen mit einer Auszeit von mehr als drei Jahren hingegen<br />

bei 14 %. Darüber hinaus sind nur 24 % der<br />

erwerbstätigen Mütter vollzeitbeschäftigt, was Aufstiegs-<br />

und Karrierechancen zwangsläufig mindert und<br />

damit erheblichen Einfluss auf den durchschnittlichen<br />

Lohn nimmt. Statt vermeintliche Diskriminierung zu<br />

beklagen, muss daher sehr viel mehr an den Ursachen<br />

der nach wie vor vorhandenen Lohnunterschiede von


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

135<br />

Frauen und Männern angesetzt werden. Insbesondere<br />

gilt es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu<br />

verbessern, damit möglichst viele junge Mütter wieder<br />

frühzeitig an den Arbeitsplatz zurückkehren können<br />

und gar nicht erst Gefahr laufen, durch eine längere<br />

Auszeit das eigene berufliche Vorankommen und damit<br />

die Verdienstperspektiven zu verzögern. Deshalb<br />

ist das von der Bundesregierung beschlossene Kinderförderungsgesetz<br />

(KiföG), mit dem entsprechend langjährigen<br />

Forderungen der BDA der Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten<br />

vorangetrieben wird, zu<br />

begrüßen. Ganz besonders wichtig ist vor allem auch<br />

der Ausbau von Ganztagsbetreuungsangeboten, und<br />

zwar nicht nur im Bereich der Kinderbetreuung, sondern<br />

auch bei den Schulen. Das nach wie vor dürftige<br />

Angebot in diesem Bereich hat maßgeblich die im internationalen<br />

Vergleich extrem hohe Teilzeitquote von<br />

Frauen verursacht. Mehr Ganztagsbetreuung ist daher<br />

eine wichtige Voraussetzung für mehr Vollzeittätigkeit<br />

von Frauen und damit die Angleichung an die Verdienste<br />

von Männern.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Chancengleichheit<br />

von Frauen und Männern“ und den<br />

kompakt „Familienpolitik“ veröffentlicht. Diese sind<br />

über www.bda-online.de abrufbar.


136


137<br />

Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-Ton<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Fotos<br />

PRESSE- ■ Internet<br />

UND<br />

■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-<br />

Ton ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-Ton<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Fotos ■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-<br />

Ton ■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-Ton<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Fotos ■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-<br />

Ton ■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-Ton<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Fotos ■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-<br />

Ton ■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-Ton<br />

■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag<br />

■ Fotos ■ Internet ■ Reden ■ Presseinformation<br />

■ Newsletter ■ Statements ■ O-<br />

Ton ■ Pressegespräch ■ Pressekonferenz<br />

■ Hintergrund ■ Öffentlichkeitsarbeit<br />

■ Medien ■ Pressespiegel ■ Interview ■ Aktualität<br />

■ Deutscher Arbeitgebertag


138<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

Seriöse Schlagzeilen für die<br />

Modernisierung Deutschlands<br />

Die BDA hat sich auch in der Öffentlichkeit mit Nachdruck<br />

gegen den allgemeinen Linksruck gestemmt und<br />

entscheidend dazu beigetragen, die Entlastung von<br />

Steuern und Abgaben wieder auf die politische Agenda<br />

zu setzen.<br />

Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA bewegt<br />

sich derzeit in einem äußerst bemerkenswerten Umfeld:<br />

Während Deutschland einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung<br />

erlebt und die Unternehmen weit über 1 Mio.<br />

neue Arbeitsplätze schaffen, zeichnet die Politik vielfach<br />

ein düsteres Bild der Lage und verbindet dies mit<br />

der Forderung nach weiteren sozialen Wohltaten. Die<br />

BDA hat sich dem allgemeinen Linksruck mit Nachdruck<br />

entgegengestellt und die Positionen der Arbeitgeber<br />

immer wieder in die Öffentlichkeit getragen. Der<br />

Erfolg ist augenfällig: Inzwischen steht die Senkung<br />

der Steuer- und Abgabenlast wieder ganz oben auf der<br />

politischen Agenda. Die Vertrauenskrise der Sozialen<br />

Marktwirtschaft werden wir nur dann überwinden,<br />

wenn wir die Öffentlichkeit von der Leistungsfähigkeit<br />

dieser Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung überzeugen.<br />

Auch dies ist ein zentrales Anliegen der Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit der BDA.<br />

Repertoire. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wurde<br />

verstärkt: Insgesamt hat die BDA im ersten Halbjahr <strong>2008</strong><br />

über 50 Presseerklärungen veröffentlicht und sich mit<br />

zahlreichen Interviews, Stellungnahmen und Pressekonferenzen<br />

an die breite Öffentlichkeit gewandt.<br />

Renten-Erhöhung kommt uns noch<br />

teuer zu stehen<br />

Kritik von Politikern und Wirtschafts-Experten<br />

Bild, 18. März <strong>2008</strong><br />

Intern setzt die BDA auf einen regelmäßigen und engen<br />

Kontakt mit den Pressestellen der Mitgliedsverbände.<br />

Neben dem informellen Austausch ist vor allem der „Arbeitskreis<br />

der Pressesprecher“ hervorzuheben, der sich<br />

inzwischen als fester Bestandteil der Kommunikation<br />

etabliert hat. Er bietet den Pressesprechern von BDA und<br />

Mitgliedsverbänden die Möglichkeit zum direkten Dialog<br />

und zur internen Vernetzung. Darüber hinaus werden die<br />

Treffen zum Gedankenaustausch mit renommierten Journalisten<br />

genutzt. Im Jahr <strong>2008</strong> war z. B. Steffen Range von<br />

WELT ONLINE zu Gast, der seine aktuelle Studie „Klicks,<br />

Quoten, Reizwörter: Nachrichtensites im Internet“ präsentierte<br />

und den Teilnehmern einen äußerst erhellenden<br />

Einblick in den Online-Journalismus gab.<br />

„Wir können den Mindestlohn<br />

noch stoppen“<br />

Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt fordert<br />

Reformen für höhere Nettolöhne – Wirtschaft<br />

will Jobverlust zum Thema machen<br />

Stuttgarter Zeitung, 21. Februar <strong>2008</strong><br />

Die BDA setzt in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

auf Service und Seriosität. Wir pflegen zu allen relevanten<br />

Medien einen ausgezeichneten Kontakt, der auf<br />

gegenseitigem Respekt und ständiger Gesprächsbereitschaft<br />

basiert. Unser konkretes Angebot reicht dabei von<br />

aktuellen Statements über Interviews bis hin zu tiefgehenden<br />

Hintergrundinformationen. Wolkige Worte oder<br />

überzogene Schlagzeilen gehören dagegen nicht zum<br />

Schlagzeilen: Rente<br />

und Entlastung<br />

Die mediale Auseinandersetzung hat sich im ersten Halbjahr<br />

<strong>2008</strong> wesentlich um den Vorwurf angeblicher sozialer<br />

Ungerechtigkeiten gedreht. Im Mittelpunkt der Debatten<br />

standen der gesetzliche Mindestlohn (siehe unten),<br />

die Extra-Rentenerhöhung und der allgemeine Linksruck<br />

der Politik. Insbesondere die außerplanmäßige Rentenerhöhung<br />

wurde von der BDA öffentlich als Täuschungsmanöver<br />

entlarvt: Statt die Botschaft vom warmen Geldregen<br />

für die Rentner zu verbreiten, thematisierten die<br />

Medien die hohen Kosten der Entscheidung und ihre negativen<br />

Auswirkungen für das Rentensystem. Als Wahlgeschenk<br />

gedacht, entpuppte sich die Rentenerhöhung<br />

letztlich als politischer Rohrkrepierer.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

139<br />

Arbeitgeber wollen niedrige Beiträge<br />

erzwingen<br />

Arbeitslosenversicherung soll nur noch<br />

2,7 Prozent kosten – Hundt droht Steinbrück<br />

mit Verfassungsklage<br />

Die Welt, 2. Juni <strong>2008</strong><br />

Im Gegenzug forcierte die BDA eine öffentliche Debatte<br />

über die Senkung der Steuer- und Abgabenlast. Viel Aufmerksamkeit<br />

erzielte die Ankündigung einer Klage in<br />

Karlsruhe gegen den Eingliederungsbeitrag, mit der eine<br />

weitere Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung<br />

erzwungen werden soll. Die Wende in der medialen<br />

Auseinandersetzung kann nicht hoch genug eingeschätzt<br />

werden: Statt ausschließlich über vermeintliche<br />

soziale Wohltaten zu diskutieren, steht nun wieder das<br />

Thema „Entlastung“ auf der Agenda.<br />

Kampagne „Mindestlohn<br />

macht arbeitslos“<br />

Auf die sich verschärfende Mindestlohndebatte hat die<br />

BDA im Januar <strong>2008</strong> mit dem Start der Kampagne „Mindestlohn<br />

macht arbeitslos“ reagiert. Die Kampagne war<br />

von Anfang an auf zwei Phasen angelegt. In der ersten<br />

Phase hat die BDA durch intensives Lobbying gepaart<br />

mit einer gezielten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

über die verheerenden Folgen der ersten Entwürfe aufgeklärt.<br />

Zielgruppen waren vor allem die politischen<br />

Entscheidungsträger, die eigenen Mitglieder und die<br />

Hundt: „Niemand, der arbeitet,<br />

muss in Armut leben“<br />

Die Welt, 2. Mai <strong>2008</strong>


140<br />

vorwort<br />

Arbeitsmarkt<br />

ArbeitsrechT<br />

Tarifpolitik<br />

Soziale sicherung<br />

medialen Multiplikatoren. Der BDA ist es damit gelungen,<br />

die drohenden Folgen gesetzlicher Mindestlöhne<br />

wirkungsvoll in die Öffentlichkeit zu transportieren und<br />

die Politik bereits vor Vorlage des Kabinettsentwurfs zu<br />

Zugeständnissen bei den Plänen zur Einführung gesetzlicher<br />

Mindestlöhne zu bringen. Wesentliche Giftzähne<br />

konnten aus den Entwürfen entfernt werden. In der<br />

zweiten Phase, die nach Veröffentlichung des Kabinettsentwurfs<br />

einsetzt, geht es nunmehr darum, die verbliebenen<br />

schädlichen Regelungen noch zu korrigieren.<br />

Dazu werden alle Mittel der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

sowie des Lobbyings weiterhin eingesetzt.<br />

BDA-Informationsdienste<br />

zur MindestlohnDebatte<br />

kompakt:<br />

•Mindestlohn<br />

•Arbeitnehmer-Entsendegesetz<br />

•Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

•Arbeitslosengeld II<br />

•Kombi-Einkommen<br />

•Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen<br />

Arbeitgeber wollen Regierung verklagen<br />

Große Koalition soll Arbeitslosen-Beiträge noch im<br />

Sommer senken. Interview mit Arbeitgeberpräsident<br />

Hundt<br />

argumente:<br />

•Arbeitsplätze statt Mindestlohn<br />

•Mindesteinkommen statt Mindestlohn<br />

•Tarifautonomie – Säule der Sozialen Marktwirtschaft<br />

•Mindestlohn<br />

– vom Ausland lernen<br />

Bild am Sonntag, 1. Juni <strong>2008</strong><br />

Die Kampagnenhomepage www.mindestlohn-macht-arbeitslos.de<br />

unterrichtet aktuell über den Stand der Dinge<br />

und verzeichnet täglich bis zu 13.000 Klicks. Sie wird<br />

inzwischen von allen Seiten als die zentrale Plattform<br />

der Mindestlohnkritiker angesehen. Auf der Homepage<br />

werden systematisch alle Informationen rund um die<br />

Gesetzentwürfe gesammelt und aufbereitet. Hier finden<br />

sich Videos, Grafiken, Zeitungskommentare und vieles<br />

mehr. Die Broschüre „Tarifautonomie statt Mindestlohn“<br />

informiert Politik, Medien und Öffentlichkeit in verständlicher<br />

Form über die Gefahren gesetzlicher Mindestlöhne.<br />

Die ersten beiden Auflagen waren bereits innerhalb<br />

weniger Tage vergriffen. Mehrere laufend aktualisierte<br />

Ausgaben der BDA-Informationsdienste argumente und<br />

kompakt liefern wertvolle Hintergrundinformationen.<br />

Das unter der Sonderrufnummer 030 2033-1919 erreichbare<br />

Kampagnenbüro der BDA beantwortet Fragen<br />

rund um den Mindestlohn und gibt weiter gehende<br />

Auskünfte.


Bildung, berufliche bildung<br />

europäische und internationale sozialpolitik<br />

volkswirtschaft und finanzen<br />

gesellschaftspolitik<br />

presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

141<br />

Pressestimmen:<br />

Eigene Medien ergänzen<br />

die Kommunikation<br />

Financial Times Deutschland, 18. April <strong>2008</strong><br />

„Es ist zum Heulen. Um einer kurzfristigen wahltaktischen<br />

Wohltat willen setzt die Bundesregierung<br />

eines der wenigen gelungenen Reformvorhaben der<br />

letzten Jahre aufs Spiel. Der jetzige willkürliche Eingriff<br />

in die Rentenformel ist ein Dammbruch.“<br />

Süddeutsche Zeitung, 9. April <strong>2008</strong><br />

„Das perfekte Geschenk ist eins, über das sich der<br />

Beschenkte und der Schenkende freuen. (…) So betrachtet,<br />

ist die von der Bundesregierung beschlossene<br />

Rentenerhöhung als Wahlgeschenk ein totaler<br />

Reinfall. Sie ist ein wertloses Präsent.“<br />

Südwest-Presse, 2. Juni <strong>2008</strong><br />

Die Kommunikation der BDA setzt vor allem auf die<br />

Berichterstattung in Presse, Hörfunk und Fernsehen.<br />

Dennoch werden nach wie vor auch eigene Publikationen<br />

und Medien genutzt, um die Positionen der<br />

Arbeitgeber einem breiteren Publikum zugänglich zu<br />

machen. Insbesondere die Internetseite www.bda-online.de<br />

ist ein beliebtes Informationsangebot. Die Seite<br />

bietet aktuelle Nachrichten und Positionen der Arbeitgeber<br />

sowie eine große Fülle an vertiefenden Hintergrundinformationen<br />

zu den BDA-Themen. Besonders<br />

gefragt ist die Reihe kompakt, die jeweils auf zwei Seiten<br />

einen schnellen und zuverlässigen Einstieg in die<br />

verschiedenen Sachthemen bietet. Insgesamt wurden<br />

im ersten Halbjahr <strong>2008</strong> weit über 12 Mio. Zugriffe auf<br />

die BDA-Homepage registriert, was rund 65.000 Zugriffen<br />

pro Tag entspricht.<br />

„Äußerst scharf fällt die Kritik des Arbeitgeberpräsidenten<br />

Dieter Hundt aus. Dass er mit einer Verfassungsklage<br />

die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung<br />

senken will und der Bundesregierung droht,<br />

zeigt seinen angestauten Brass über die große Koalition.<br />

Die hat den Reformprozess gänzlich aus<br />

den Augen verloren und ergeht sich – mit Blick auf<br />

die Bundestagswahl 2009 – schon seit Wochen in<br />

Machtspielen.“<br />

Die Welt, 2. Juni <strong>2008</strong><br />

„Im Kampf um die Milliarden der Bundesagentur für<br />

Arbeit holen die Arbeitgeber jetzt den juristischen<br />

Knüppel heraus. Und die Chancen für einen Erfolg<br />

vor Gericht stehen gut.“<br />

Über die Internetseite haben Nutzer auch die Möglichkeit,<br />

sich mit ihren Anliegen, Fragen und Kommentaren<br />

direkt an die BDA zu wenden. Dieser Service wird gerade<br />

von jungen Menschen gerne in Anspruch genommen.<br />

Die BDA nimmt Zuschriften sehr ernst und legt<br />

großen Wert darauf, jede seriöse Anfrage so schnell wie<br />

möglich zu beantworten.<br />

Abgerundet wird das Angebot durch die Informationsdienste<br />

„BDA Newsletter“, „Euro-Info“ und „Arbeitgeber“.<br />

Die beiden erstgenannten Angebote werden per<br />

Mail verschickt und können von Interessenten kostenfrei<br />

über die Internetseite abonniert werden. In der<br />

Zeitschrift PERSONAL ist die BDA mit der vierseitigen<br />

Beilage „Arbeitgeber – das BDA-Spezial zur unternehmerischen<br />

Sozialpolitik“ vertreten. Sie versorgt die Leser<br />

regelmäßig mit tiefergehenden Hintergrundinformationen<br />

und aktuellen politischen Analysen. Die monatlich<br />

erscheinende Zeitschrift PERSONAL ist dabei ein guter<br />

Partner und kann von Interessenten abonniert werden.<br />

Weitere Informationen finden sich im Internet unter<br />

www.personal-im-web.de.


Impressum<br />

Bundesvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

im Haus der Deutschen Wirtschaft<br />

Breite Straße 29<br />

10178 Berlin<br />

Tel. +49 30 2033-1020<br />

Fax +49 30 2033-1025<br />

www.bda-online.de<br />

info@bda-online.de<br />

Stand: 30. Juni <strong>2008</strong><br />

Fotografie<br />

Stefan Obermeier<br />

www.stefanobermeier.de<br />

Seite 3, 20, 105, 122, 126, 129<br />

Thomas Köhler<br />

www.photothek.net<br />

Seite 16, 29, 33, 71, 75, 115, 135, 139<br />

Sascha Nolte<br />

www.noltepicture.de<br />

Seite 140<br />

Christian Kruppa<br />

www.christiankruppa.de<br />

Seite 13, 60, 66, 79, 81, 87, 94<br />

Christian Lietzmann<br />

www.christian-lietzmann.com<br />

Seite 11, 91<br />

Konzeption und Gestaltung<br />

ariadne & wolf GmbH<br />

www.ariadneundwolf.de


www.BDA-online.de

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