Geschäftsbericht 2008

07.05.2015 Aufrufe

Tarifbindung nahezu unverändert hoch geblieben ist. Insgesamt arbeiteten im Jahre 2007 rund 73 % der Beschäftigten in Deutschland unmittelbar oder mittelbar auf der Basis von Branchentarifverträgen, 8 % auf Basis von Firmentarifverträgen. Für die meisten Unternehmen sind damit die kollektiv ausgehandelten Arbeitsbedingungen nach wie vor die bevorzugte Form der Regelung der Arbeitsbeziehungen. Im Einzelnen galten 2007 in Deutschland in 32 % aller Betriebe mit 53 % aller Beschäftigten Branchentarifverträge unmittelbar, während es im Vorjahr noch 54 % der Beschäftigten waren. Der Anteil der Betriebe, die sich an einem Branchentarifvertrag orientieren, lag bei 27 % aller Betriebe mit 20 % aller Beschäftigten, was einem Zuwachs bei den Beschäftigten um einen Prozentpunkt entspricht. Für 3 % aller Betriebe mit 8 % aller Beschäftigten galten Firmentarifverträge. Damit wurden 62 % aller Betriebe mit 81 % aller Beschäftigten direkt oder indirekt durch Tarifverträge erfasst. Der leichte Rückgang der unmittelbaren Bindung an den Branchentarif bei den Beschäftigten wurde durch eine Zunahme bei der mittelbaren Tarifbindung kompensiert. Dadurch wird aber auch deutlich, dass die Bedeutung individueller betrieblicher Gestaltungsspielräume weiter zunimmt. Um langfristig die originäre Bindungskraft der Branchentarifverträge wieder zu stärken, muss deshalb der tarifpolitische Reformprozess hin zu einer neuen Balance zwischen tariflichen und betrieblichen Regelungen weiter konsequent fortgesetzt werden. Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung unbegründet Die Veröffentlichung aktueller Zahlen zur Wochenarbeitszeit der Beschäftigten in den EU-Mitgliedstaaten war für die Gewerkschaften ein Anlass für erneute Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung. Diese Forderung ist verfehlt. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland nach wie vor zu den Ländern mit der kürzesten tariflichen Jahressollarbeitszeit (1.657 Stunden), der kürzesten tariflichen Wochenarbeitszeit (37,6 Stunden) und den meisten Urlaubstagen (30 Tage). Dieser Wettbewerbsnachteil wird durch die EU-Erweiterung verschärft. Die neuen Mitgliedstaaten der EU gehören fast alle zu den Ländern mit den längsten tariflichen Arbeitszeiten von bis zu 40 Stunden pro Woche. Die durchschnittlich tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit liegt mit etwa 41 Stunden zwar auch in Deutschland über der tariflichen Arbeitszeit. Hier muss aber berücksichtigt werden, dass es sich dabei regelmäßig um Überstunden handelt und für diese häufig Zuschläge anfallen, die an Sonn- und Feiertagen bis zu 150 % betragen können. Zudem ist ein Anstieg nicht erkennbar, vielmehr schwankte die Wochenarbeitszeit in den vergangenen zehn Jahren zwischen 41,0 und 41,8 Stunden. Pläne der Koalition zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne über Entsendegesetz und Mindestarbeitsbedingungengesetz Im Mittelpunkt der Diskussion über gesetzliche Mindestlöhne stand in diesem Jahr die Umsetzung des bereits völlig verfehlten Koalitionskompromisses vom Juni 2007. Die damit verbundenen Befürchtungen wurden von den Anfang Januar vom Bundesarbeitsminister vorgelegten Entwürfen zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zur Änderung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes bestätigt. Geschaffen werden sollte ein System flächendeckender, branchenbezogener Mindestlöhne verbunden mit der Ermächtigung, Tarifverträge außer Kraft zu setzen. Dies stellte einen brutalen Angriff auf die Tarifautonomie dar. Das Präsidium der BDA hat die Bundesregierung umgehend aufgefordert, die Gesetzentwürfe zurückzuziehen. Die beteiligten unionsgeführten Bundesministerien und das Bundeskanzleramt sind dem zumindest teilweise gefolgt. Sie sahen in den Entwürfen keine geeignete Diskussionsgrundlage und stoppten die Ressortabstimmung. Gesetzentwürfe ermächtigen zum Eingriff in die Tarifautonomie Die BDA hat gegenüber der Koalition deutlich gemacht, welcher Missbrauch aufgrund der Gesetze möglich ist und welche Gefahren davon für die BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik 81

Durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit 2007 im europäischen Vergleich Stunden 40,5 40 40 40 39,5 39 39 38,8 38,6 38,5 38,2 38 38 37,9 37,5 37,6 37,5 37,3 37 37 36,5 36 35,5 35 35 34,5 PL GRE IRL A EU-27 POR ITA E D SWE GB DK F Land Quelle: EIRO 2008; Darstellung: BDA 82 BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik

Tarifbindung nahezu unverändert hoch geblieben<br />

ist. Insgesamt arbeiteten im Jahre 2007 rund 73 %<br />

der Beschäftigten in Deutschland unmittelbar oder<br />

mittelbar auf der Basis von Branchentarifverträgen,<br />

8 % auf Basis von Firmentarifverträgen. Für<br />

die meisten Unternehmen sind damit die kollektiv<br />

ausgehandelten Arbeitsbedingungen nach wie vor<br />

die bevorzugte Form der Regelung der Arbeitsbeziehungen.<br />

Im Einzelnen galten 2007 in Deutschland in<br />

32 % aller Betriebe mit 53 % aller Beschäftigten<br />

Branchentarifverträge unmittelbar, während es im<br />

Vorjahr noch 54 % der Beschäftigten waren. Der<br />

Anteil der Betriebe, die sich an einem Branchentarifvertrag<br />

orientieren, lag bei 27 % aller Betriebe<br />

mit 20 % aller Beschäftigten, was einem Zuwachs<br />

bei den Beschäftigten um einen Prozentpunkt entspricht.<br />

Für 3 % aller Betriebe mit 8 % aller Beschäftigten<br />

galten Firmentarifverträge. Damit wurden<br />

62 % aller Betriebe mit 81 % aller Beschäftigten<br />

direkt oder indirekt durch Tarifverträge erfasst.<br />

Der leichte Rückgang der unmittelbaren Bindung<br />

an den Branchentarif bei den Beschäftigten<br />

wurde durch eine Zunahme bei der mittelbaren Tarifbindung<br />

kompensiert. Dadurch wird aber auch<br />

deutlich, dass die Bedeutung individueller betrieblicher<br />

Gestaltungsspielräume weiter zunimmt. Um<br />

langfristig die originäre Bindungskraft der Branchentarifverträge<br />

wieder zu stärken, muss deshalb<br />

der tarifpolitische Reformprozess hin zu einer<br />

neuen Balance zwischen tariflichen und betrieblichen<br />

Regelungen weiter konsequent fortgesetzt<br />

werden.<br />

Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung<br />

unbegründet<br />

Die Veröffentlichung aktueller Zahlen zur Wochenarbeitszeit<br />

der Beschäftigten in den EU-Mitgliedstaaten<br />

war für die Gewerkschaften ein Anlass für<br />

erneute Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung.<br />

Diese Forderung ist verfehlt. Im europäischen<br />

Vergleich gehört Deutschland nach wie vor zu<br />

den Ländern mit der kürzesten tariflichen Jahressollarbeitszeit<br />

(1.657 Stunden), der kürzesten<br />

tariflichen Wochenarbeitszeit (37,6 Stunden) und<br />

den meisten Urlaubstagen (30 Tage). Dieser Wettbewerbsnachteil<br />

wird durch die EU-Erweiterung<br />

verschärft. Die neuen Mitgliedstaaten der EU gehören<br />

fast alle zu den Ländern mit den längsten<br />

tariflichen Arbeitszeiten von bis zu 40 Stunden pro<br />

Woche. Die durchschnittlich tatsächlich geleistete<br />

Wochenarbeitszeit liegt mit etwa 41 Stunden zwar<br />

auch in Deutschland über der tariflichen Arbeitszeit.<br />

Hier muss aber berücksichtigt werden, dass<br />

es sich dabei regelmäßig um Überstunden handelt<br />

und für diese häufig Zuschläge anfallen, die<br />

an Sonn- und Feiertagen bis zu 150 % betragen<br />

können. Zudem ist ein Anstieg nicht erkennbar,<br />

vielmehr schwankte die Wochenarbeitszeit in den<br />

vergangenen zehn Jahren zwischen 41,0 und 41,8<br />

Stunden.<br />

Pläne der Koalition zur Einführung<br />

gesetzlicher Mindestlöhne über<br />

Entsendegesetz und Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />

Im Mittelpunkt der Diskussion über gesetzliche<br />

Mindestlöhne stand in diesem Jahr die Umsetzung<br />

des bereits völlig verfehlten Koalitionskompromisses<br />

vom Juni 2007. Die damit verbundenen<br />

Befürchtungen wurden von den Anfang Januar<br />

vom Bundesarbeitsminister vorgelegten Entwürfen<br />

zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zur<br />

Änderung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes<br />

bestätigt.<br />

Geschaffen werden sollte ein System flächendeckender,<br />

branchenbezogener Mindestlöhne<br />

verbunden mit der Ermächtigung, Tarifverträge<br />

außer Kraft zu setzen. Dies stellte einen brutalen<br />

Angriff auf die Tarifautonomie dar. Das Präsidium<br />

der BDA hat die Bundesregierung umgehend aufgefordert,<br />

die Gesetzentwürfe zurückzuziehen.<br />

Die beteiligten unionsgeführten Bundesministerien<br />

und das Bundeskanzleramt sind dem zumindest<br />

teilweise gefolgt. Sie sahen in den Entwürfen<br />

keine geeignete Diskussionsgrundlage und stoppten<br />

die Ressortabstimmung.<br />

Gesetzentwürfe ermächtigen zum<br />

Eingriff in die Tarifautonomie<br />

Die BDA hat gegenüber der Koalition deutlich gemacht,<br />

welcher Missbrauch aufgrund der Gesetze<br />

möglich ist und welche Gefahren davon für die<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 81

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