Geschäftsbericht 2008

07.05.2015 Aufrufe

Gesellschaftsrecht an europäischen Maßstab anpassen Grundlegender Flexibilisierungs- und Modernisierungsbedarf besteht auch in der Unternehmensmitbestimmung. Sie muss vereinbarungsoffen nach dem Vorbild der europäischen Mitbestimmungsregelungen ausgestaltet werden. Positive Erfahrungen bei der Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) zeigen deutlich, dass Vereinbarungsoptionen unternehmensindividuell – z. B. zur Verkleinerung des Aufsichtsrates – genutzt werden können und zu einer besseren Positionierung im Wettbewerb führen. Die BDA begrüßt den „Gesetzentwurf zum internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und anderen juristischen Personen“ des Bundesjustizministeriums, der die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit umsetzen soll. In konsequenter Weise soll mit dem Gesetz der Wechsel vom Sitzlandprinzip zum Gründungslandprinzip vorgenommen werden, für die Gründung einer Gesellschaft soll grundsätzlich das Recht des Gründungslandes maßgeblich sein, unabhängig davon, ob die Gesellschaft später ihren Sitz verlegt. Es ist rechtsdogmatisch richtig und zwingend, dass mit dem Gesetz keine materiellen Sonder- und Ausnahmeregelungen, z. B. für die Unternehmensmitbestimmung, geschaffen werden sollen. Nur so kann auch der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen werden. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unternehmensmitbestimmung“ und den kompakt „Betriebsverfassung“ veröffentlicht. Europäische Privatgesellschaft zügig realisieren Nach jahrelangen Forderungen der Wirtschaft hat die Europäische Kommission den Vorschlag für das Statut einer Europäischen Privatgesellschaft vorgelegt. Ziel der Verordnung ist, dass überall in Europa ohne großen Beratungsaufwand Gesellschaften nach denselben Regeln gegründet werden können, die das europäische Pendant z. B. zur deutschen GmbH darstellen. Das Instrument einer einheitlichen Europäischen Privatgesellschaft kann insbesondere bei der Gründung von Tochtergesellschaften in den unterschiedlichen europäischen Mitgliedsländern äußerst hilfreich sein. Im Bereich des Gesellschaftsrechts wird diese Einheitlichkeit der Rechtsform mit dem Verordnungsvorschlag weitestgehend erreicht. Umstritten sind aber noch die Regelungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer. Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass bei der Gründung der Europäischen Privatgesellschaft die Mitbestimmungsrechte des Landes gelten, in dem die Europäische Privatgesellschaft eingetragen wird. Bei der Sitzverlegung soll verhandelt werden und beim Scheitern der Verhandlungen soll das Mitbestimmungssystem des Herkunftslandes mitgenommen werden. Auch dieses Modell ist im Hinblick auf die Einheitlichkeit nicht ideal. Die BDA favorisiert eine Verhandlungslösung mit einheitlicher Auffangregelung einer Fünftelbeteiligung der Arbeitnehmer, um europaweit gleiche Bedingungen für die Europäische Privatgesellschaft zu schaffen. Diesem Modell kommt der Vorschlag des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments nahe: Verhandlungsmodell, kombiniert mit Drittelbeteiligung als Auffanglösung. Wir setzen uns gegen eine Übertragung der Mitbestimmungsregelungen der Europäischen Aktiengesellschaft ein, wie sie z. B. das Bundesarbeitsministerium und der DGB fordern. Eine solche Übertragung der Auffangregelung des weitestgehenden Mitbestimmungssystems für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen über die Mitbestimmung würde die Europäische Privatgesellschaft, die vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen gedacht ist, vollkommen unattraktiv machen. Das Ziel der Einheitlichkeit der Rechtsform würde durch eine solche Übertragung nicht erreicht. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen scheint zurzeit der Vorschlag der Kommission die größten Realisierungschancen zu haben. Um diese Realisierung kurzfristig zu ermöglichen, ist die BDA bereit, ihre berechtigten Einwände hintanzustellen und das Modell der Kommission zu akzeptieren. Die französische Ratspräsidentschaft sollte darauf hinwirken, die Europäische Privatgesellschaft zu ermöglichen, und daher weiter gehende Änderungen an ihrer Struktur, vor BDA | Geschäftsbericht 2008 | Arbeitsrecht 61

allem auch an den vorgesehenen Regelungen zur Mitbestimmung, zurückweisen. Whistleblowing – gesetzliche Regelung verfehlt Die BDA hat erste Erfolge im Kampf gegen die Einführung gesetzlicher Anzeigerechte für Arbeitnehmer erzielt. Die Regelung des Informantenschutzes im Bürgerlichen Gesetzbuch scheint nach vielfältigen Initiativen der BDA nicht mehr auf der Tagesordnung zu stehen. Es gibt aber noch Anzeichen, dass das Anzeigerecht in das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) eingeführt werden soll. Trotz der Beschränkung auf das LFGB bestehen weiterhin erhebliche Einwände gegen die gesetzliche Fixierung von Anzeigerechten. Der Anwendungsbereich einer Regelung im LFGB wäre viel zu weit gefasst. Die Definitionen von Unternehmen und Unternehmern in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sollen für die unter den Anwendungsbereich fallenden Betriebe maßgeblich sein. Daher ist faktisch jedes Unternehmen, das in irgendeiner Weise mit Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen oder Futtermitteln in Berührung kommt, von den Anzeigerechten betroffen. Folglich würde z. B. auch einem Arbeitnehmer, der im Verkauf eines Supermarktes tätig ist, ein solches Anzeigerecht zustehen, da er durch die weite Auslegung des Begriffes der Bedarfsgegenstände mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer vom LFGB erfassten Ware in Kontakt kommen wird. Die vermeintliche Einschränkung, dass es sich um einen Verstoß aus dem Regelungsbereich des Gesetzes handeln muss, schafft kein Mehr an Rechtssicherheit. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass eingeschaltete Behörden einmal ergangene Anzeigen an Stellen weiterreichen, die für andere Sachgebiete zuständig sind. Dies ist eine überhaupt nicht akzeptable faktische Ausdehnung der Anzeigerechte, die einer Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch sehr nahe käme. Sie muss daher vollständig unterbleiben. Weiterhin soll die Motivation des anzeigenden Arbeitnehmers in keiner Weise berücksichtigt werden. Dieses Kriterium wird von der Rechtsprechung jedoch stets als wesentliches Abwägungskriterium mit einbezogen. Daher besteht stets die Gefahr eines persönlich motivierten Missbrauchs des Anzeigerechts. Nach wie vor soll es der subjektiven Einschätzung des Arbeitnehmers obliegen, ob der Arbeitgeber seinem Verlangen nach Abhilfe (ausreichend) nachgekommen ist. Allein von dieser Einschätzung würde abhängen, ob sich der Arbeitnehmer an zuständige Behörden wenden kann oder nicht. Die Ausnahme vom Grundsatz der Vorrangigkeit eines innerbetrieblichen Klärungsversuches wird auch im neuen Vorschlag aufgeweicht. Die Vorschrift enthält keine abschließende Aufzählung der Ausnahmetatbestände, so dass die Gefahr besteht, dass diese Tatbestände ständig erweitert werden. Darüber hinaus verwendet auch dieser Vorschlag bei den Voraussetzungen zur Ausübung des Rechts unbestimmte Rechtsbegriffe, die zu neuen Rechtsunsicherheiten im Arbeitsrecht führen werden. Datenschutz am Arbeitsplatz bedarf keines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes Die BDA lehnt von verschiedenen Seiten erhobene Forderungen ab, ein zusätzliches spezifisches Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu schaffen. Datenschutz im Arbeitsverhältnis bedarf keines Sonderrechts. Das Arbeitsverhältnis und die Parteien des Arbeitsvertrages unterliegen dem Anwendungsbereich sämtlicher datenschutzrechtlicher Vorschriften, insbesondere des Bundesdatenschutzgesetzes. Die datenschutzrechtlichen Fragestellungen innerhalb des Arbeitsverhältnisses sind dieselben wie innerhalb aller anderen Rechtsbeziehungen. Im Arbeitsrecht besteht daher kein spezifisch geringeres oder höheres Bedürfnis, die Ziele des Datenschutzes zu verwirklichen. Dort, wo Bedarf besteht, komplexe Vorschriften des Datenschutzes im Arbeitsverhältnis handhabbar zu machen, werden die unterschiedlichsten freiwilligen Regelungen und Leitlinien, z. B. für die Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz, getroffen. Solche betriebsnahen Lösungen sind besser geeignet, Datenschutzaspekte verständlich zu kommunizieren, als bürokratische Über- 62 BDA | Geschäftsbericht 2008 | Arbeitsrecht

allem auch an den vorgesehenen Regelungen zur<br />

Mitbestimmung, zurückweisen.<br />

Whistleblowing –<br />

gesetzliche Regelung verfehlt<br />

Die BDA hat erste Erfolge im Kampf gegen die<br />

Einführung gesetzlicher Anzeigerechte für Arbeitnehmer<br />

erzielt. Die Regelung des Informantenschutzes<br />

im Bürgerlichen Gesetzbuch scheint<br />

nach vielfältigen Initiativen der BDA nicht mehr auf<br />

der Tagesordnung zu stehen. Es gibt aber noch<br />

Anzeichen, dass das Anzeigerecht in das Lebensmittel-,<br />

Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch<br />

(LFGB) eingeführt werden soll. Trotz der<br />

Beschränkung auf das LFGB bestehen weiterhin<br />

erhebliche Einwände gegen die gesetzliche Fixierung<br />

von Anzeigerechten.<br />

Der Anwendungsbereich einer Regelung im<br />

LFGB wäre viel zu weit gefasst. Die Definitionen<br />

von Unternehmen und Unternehmern in Artikel 3<br />

der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sollen für die<br />

unter den Anwendungsbereich fallenden Betriebe<br />

maßgeblich sein. Daher ist faktisch jedes Unternehmen,<br />

das in irgendeiner Weise mit Lebensmitteln,<br />

Bedarfsgegenständen oder Futtermitteln in<br />

Berührung kommt, von den Anzeigerechten betroffen.<br />

Folglich würde z. B. auch einem Arbeitnehmer,<br />

der im Verkauf eines Supermarktes tätig ist,<br />

ein solches Anzeigerecht zustehen, da er durch<br />

die weite Auslegung des Begriffes der Bedarfsgegenstände<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer<br />

vom LFGB erfassten Ware in Kontakt kommen<br />

wird. Die vermeintliche Einschränkung, dass es<br />

sich um einen Verstoß aus dem Regelungsbereich<br />

des Gesetzes handeln muss, schafft kein Mehr an<br />

Rechtssicherheit. Es ist durchaus wahrscheinlich,<br />

dass eingeschaltete Behörden einmal ergangene<br />

Anzeigen an Stellen weiterreichen, die für andere<br />

Sachgebiete zuständig sind. Dies ist eine überhaupt<br />

nicht akzeptable faktische Ausdehnung der<br />

Anzeigerechte, die einer Regelung im Bürgerlichen<br />

Gesetzbuch sehr nahe käme. Sie muss<br />

daher vollständig unterbleiben.<br />

Weiterhin soll die Motivation des anzeigenden<br />

Arbeitnehmers in keiner Weise berücksichtigt werden.<br />

Dieses Kriterium wird von der Rechtsprechung<br />

jedoch stets als wesentliches Abwägungskriterium<br />

mit einbezogen. Daher besteht stets die<br />

Gefahr eines persönlich motivierten Missbrauchs<br />

des Anzeigerechts.<br />

Nach wie vor soll es der subjektiven Einschätzung<br />

des Arbeitnehmers obliegen, ob der Arbeitgeber<br />

seinem Verlangen nach Abhilfe (ausreichend)<br />

nachgekommen ist. Allein von dieser Einschätzung<br />

würde abhängen, ob sich der Arbeitnehmer<br />

an zuständige Behörden wenden kann oder nicht.<br />

Die Ausnahme vom Grundsatz der Vorrangigkeit<br />

eines innerbetrieblichen Klärungsversuches wird<br />

auch im neuen Vorschlag aufgeweicht. Die Vorschrift<br />

enthält keine abschließende Aufzählung<br />

der Ausnahmetatbestände, so dass die Gefahr<br />

besteht, dass diese Tatbestände ständig erweitert<br />

werden.<br />

Darüber hinaus verwendet auch dieser Vorschlag<br />

bei den Voraussetzungen zur Ausübung<br />

des Rechts unbestimmte Rechtsbegriffe, die zu<br />

neuen Rechtsunsicherheiten im Arbeitsrecht führen<br />

werden.<br />

Datenschutz am Arbeitsplatz<br />

bedarf keines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes<br />

Die BDA lehnt von verschiedenen Seiten erhobene<br />

Forderungen ab, ein zusätzliches spezifisches<br />

Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu schaffen. Datenschutz<br />

im Arbeitsverhältnis bedarf keines Sonderrechts.<br />

Das Arbeitsverhältnis und die Parteien<br />

des Arbeitsvertrages unterliegen dem Anwendungsbereich<br />

sämtlicher datenschutzrechtlicher<br />

Vorschriften, insbesondere des Bundesdatenschutzgesetzes.<br />

Die datenschutzrechtlichen Fragestellungen<br />

innerhalb des Arbeitsverhältnisses<br />

sind dieselben wie innerhalb aller anderen Rechtsbeziehungen.<br />

Im Arbeitsrecht besteht daher kein<br />

spezifisch geringeres oder höheres Bedürfnis, die<br />

Ziele des Datenschutzes zu verwirklichen. Dort,<br />

wo Bedarf besteht, komplexe Vorschriften des<br />

Datenschutzes im Arbeitsverhältnis handhabbar<br />

zu machen, werden die unterschiedlichsten freiwilligen<br />

Regelungen und Leitlinien, z. B. für die<br />

Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz,<br />

getroffen. Solche betriebsnahen Lösungen sind<br />

besser geeignet, Datenschutzaspekte verständlich<br />

zu kommunizieren, als bürokratische Über-<br />

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