Geschäftsbericht 2008
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sozialbeiträge:<br />
40 %-Ziel wegen falscher Weichenstellungen<br />
wieder verfehlt<br />
CDU/CSU und SPD werden ihr im Koalitionsvertrag<br />
vom 11. November 2005 vereinbartes Ziel,<br />
den Gesamtsozialversicherungsbeitrag unter 40 %<br />
zu senken, zum 1. Januar 2009 verfehlen. Im Vorjahresvergleich<br />
wird sich die Beitragsbelastung<br />
für Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Sozialversicherung<br />
von knapp 39,9 % auf über 40,2 %<br />
erhöhen. Dabei wäre vor dem Hintergrund der immer<br />
stärkeren Abschwächung der konjunkturellen<br />
Dynamik eine Ent- und keine Belastung der Betriebe<br />
und Beschäftigten ökonomisch sinnvoll und<br />
notwendig.<br />
Dass es der großen Koalition nicht gelingt,<br />
den Wiederanstieg der Beitragssätze zu verhindern,<br />
liegt an den von ihr selbst beschlossenen milliardenschweren<br />
Leistungsausweitungen in allen<br />
Sozialversicherungszweigen. In den zurückliegenden<br />
Wochen und Monaten sind insbesondere die<br />
folgenden sozialpolitischen Fehlentscheidungen<br />
getroffen worden:<br />
Mit der Begründung, die Rentner angemessen<br />
am Wirtschaftsaufschwung beteiligen zu<br />
wollen, hat die Koalition zum 1. Juli <strong>2008</strong> per<br />
Gesetz in die Rentenformel eingegriffen und<br />
damit das Vertrauen in eine regelgebundene<br />
Rentenanpassung nachhaltig erschüttert. Der<br />
Eingriff in die Rentenanpassungsformel, der<br />
die Rentner in diesem und im nächsten Jahr<br />
mit einer Sonder-Rentenerhöhung von jeweils<br />
0,6 % begünstigt, wird in den Jahren <strong>2008</strong> bis<br />
2013 zusätzliche Rentenausgaben von rund<br />
12 Mrd. € verursachen, für die überwiegend<br />
die Beitragszahler aufkommen müssen.<br />
Die Bundesregierung hat ihr ebenfalls im Koalitionsvertrag<br />
fixiertes Ziel, die Beiträge in<br />
der gesetzlichen Krankenversicherung „mindestens<br />
stabil zu halten und möglichst zu<br />
senken“, meilenweit verfehlt. Lag der durchschnittliche<br />
Beitragssatz zu Beginn der Legislaturperiode<br />
noch bei 14,2 %, wird für die<br />
Absicherung des Krankheitsrisikos im kommenden<br />
Jahr der neue Rekordbeitragssatz<br />
von 15,5 % fällig. Nach Schätzungen des<br />
Bundesgesundheitsministeriums werden die<br />
Krankenkassen allein 2009 rund 11 Mrd. € an<br />
zusätzlichen Mitteln ausgeben, insbesondere<br />
für die Krankenhäuser (3,5 Mrd. €) und die<br />
niedergelassenen Ärzte (2,5 Mrd. €). Es sind<br />
vor allem diese politisch gewollten Mehrausgaben<br />
– und nicht wie teilweise fälschlich dargestellt<br />
der Gesundheitsfonds –, die für den<br />
Beitragssatzsprung um 0,6 Prozentpunkte<br />
zum 1. Januar 2009 verantwortlich sind.<br />
Mit dem „Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“,<br />
das zum 1. Juli <strong>2008</strong> in Kraft getreten ist,<br />
wurden die Leistungen ausgeweitet und es<br />
ist die Chance verpasst worden, die soziale<br />
Pflegeversicherung auf den demografischen<br />
Wandel vorzubereiten. Vor allem ist die<br />
im Koalitionsvertrag vereinbarte „Ergänzung<br />
des Umlageverfahrens durch kapitalgedeckte<br />
Elemente als Demografiereserve“ nicht<br />
Bestandteil der Pflegereform <strong>2008</strong> geworden.<br />
Hinzu kommt, dass die Leistungsausweitungen<br />
der sozialen Pflegeversicherung –<br />
trotz der Anhebung des Beitragssatzes um<br />
0,25 Prozentpunkte bzw. Beitragsmehreinnahmen<br />
von 2,5 Mrd. € auf Jahresbasis –<br />
nicht dauerhaft finanziert werden können.<br />
Ohne durchgreifende Strukturreformen auf<br />
der Leistungs- und Finanzierungsseite drohen<br />
bereits nach 2014 weitere Beitragssatzanhebungen.<br />
Und schließlich hat die Koalition die maximale<br />
Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I für Ältere<br />
rückwirkend zum 1. Januar <strong>2008</strong> von 18 auf bis zu<br />
24 Monate verlängert. Dadurch sinken zum einen<br />
die Chancen, ältere Arbeitslose in den Arbeitsmarkt<br />
zu reintegrieren, und zum anderen wird dadurch<br />
der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit<br />
dauerhaft belastet.<br />
Die Zielsetzung der großen Koalition, den Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz<br />
unter 40 %<br />
zu senken, bleibt richtig und unverzichtbar. Der<br />
Senkung der lohnbezogenen Sozialabgaben<br />
kommt – darauf haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute<br />
in ihrem jüngsten Herbstgutachten<br />
ebenfalls hingewiesen – entscheidende<br />
Bedeutung für die Schaffung neuer Beschäftigung<br />
zu.<br />
26 BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Soziale Sicherung