Geschäftsbericht 2008

07.05.2015 Aufrufe

Freizügigkeit: Frankreich macht’s vor Im Frühjahr 2009 werden die Mitgliedstaaten von der Kommission aufgefordert mitzuteilen, ob sie in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten weiterhin Übergangsfristen in Anspruch nehmen wollen. Spätestens sieben Jahre nach dem Beitritt, im Jahr 2011, müssen alle Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit beseitigt sein. Derzeit haben elf der EU-15-Staaten ihre Arbeitsmärkte vollständig geöffnet: Das Vereinigte Königreich, Irland und Schweden hatten ihre Arbeitsmärkte bereits während der Phase 1 geöffnet. Ihnen folgten am 1. Mai 2006 Spanien, Finnland, Griechenland und Portugal und am 27. Juli 2006 Italien. In den Niederlanden wurden die Beschränkungen ab dem 1. Mai 2007 aufgehoben und in Luxemburg ab dem 1. November 2007. Das Vereinigte Königreich behält sein obligatorisches Meldesystem bei und in Finnland muss die Beschäftigung nachträglich zu Überwachungszwecken registriert werden. Die meisten der EU-15-Staaten, die Beschränkungen beibehalten haben, haben ihre Verfahren vereinfacht oder die Beschränkungen in bestimmten Sektoren/Berufen reduziert (Belgien, Dänemark und seit dem 1. November 2007 Deutschland). Ebenso wurde in Deutschland die Dienstleistungsfreiheit für die Branchen Baugewerbe, Gebäudereinigung und Innendekoration beschränkt. Pünktlich zu Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli 2008 hat auch Frankreich seinen Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten geöffnet. Zu diesem Anlass hat sich Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt öffentlich geäußert: „Jetzt hat auch Frankreich erkannt, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten mehr Chancen als Risiken birgt. Deutschland darf sich nicht weiter abschotten, sondern muss aktiv sein, um im grenzüberschreitenden Wettbewerb um gute und ausgebildete Arbeitskräfte nicht dauerhaft ins Hintertreffen zu geraten. Ich fordere die Bundesregierung auf, die bisher in Deutschland noch bestehende generelle Abschottung gegenüber Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten zu beenden.“ Eine pauschale Verlängerung der Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist schon angesichts der 2011 ohnehin eintretenden uneingeschränkten Freizügigkeit nicht sinnvoll. Vielmehr sollten die damit einhergehenden Chancen genutzt werden. Vor allem Großbritannien und Irland haben durch eine frühzeitige Öffnung ihrer Arbeitsmärkte erhebliche Vorteile in Form einer stärkeren wirtschaftlichen Dynamik und eines insgesamt gewachsenen Arbeitsplatzangebotes auch für Inländer profitiert. Allein 500.000 Arbeitnehmer aus Polen haben zwischen Mai 2004 und Dezember 2007 in Großbritannien Arbeit gefunden. Deutschland ist in diesem Wettbewerb schon deutlich ins Hintertreffen geraten. Die Bundesregierung hat bereits 2007 den Arbeitsmarkt für Ingenieure aus den neuen EU-Mitgliedstaaten geöffnet. Dies ist ein wichtiger Schritt im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Bedauerlich ist aber, dass an der grundsätzlichen Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die dritte Phase festgehalten wird. Europäischer Sozialer Dialog steht für Praxisnähe und Verantwortung Der Soziale Dialog ist für zahlreiche sozialpolitische Initiativen das geeignete Instrument, um praxistaugliche Regelungen im Konsens der Sozialpartner zu finden, dies erkennt zunehmend auch die Europäische Kommission an. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Gewerkschaften ihre Verantwortung voll übernehmen und selbst proaktiv und gestaltend wirken, anstatt die Kommission zur Vorlage gesetzlicher Regelungen aufzufordern, wie dies Anfang 2008 im Falle der Neufassung der Richtlinie zu Europäischen Betriebsräten (EBR) geschah, als der EGB Sozialpartnerverhandlungen ablehnte. Damit wurde eine wichtige Chance für eine an der betrieblichen Praxis orientierte Verbesserung der Funktionsweise von Europäischen Betriebsräten vertan. Auch BDA | Geschäftsbericht 2008 | Europa und Internationales 129

wenn der EGB anschließend zu gemeinsamen Vorschlägen zur schließlich von der EU-Kommission vorgelegten Neufassung bereit war, ändert dies nichts an der Tatsache, dass er mit dem Ablehnen von Verhandlungen zu EBR das Heft des Handelns aus der Hand der Sozialpartner gegeben hat. Dass mit dem Sozialen Dialog erfolgreich praxistaugliche Lösungen auf EU-Ebene zu wichtigen Themen gefunden werden können, zeigen die Beispiele der Vereinbarungen zur Telearbeit, zu arbeitsbedingtem Stress sowie zu Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz. Verhandlungen zu „inclusive labour markets“ gestartet Die Modernisierung der europäischen Arbeitsmärkte ist unabdingbare Grundlage für mehr Beschäftigung. Die europäischen Sozialpartner hatten in einer gemeinsamen Analyse der Arbeitsmärkte, die sie im letzten Herbst vorgelegt hatten, moderne Arbeitsmarktverfassungen nachdrücklich angemahnt. Wörtlich forderten sie: „Der steigende Druck auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die Globalisierung und andere wirtschaftliche und soziale Veränderungen verlangt, dass das Arbeitsrecht auf diese neuen Herausforderungen antwortet. Vorrang muss es haben zu prüfen, welche Rolle Bestimmungen zum Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses bei erfolgreichen und sich lohnenden Übergängen in neue und bestehende Arbeitsplätze spielen, und diese gegebenenfalls anzupassen.“ Aufbauend auf dieser richtigen gemeinsamen Analyse haben die europäischen Sozialpartner nun Verhandlungen zu einer autonomen Rahmenvereinbarung zum Thema „inclusive labour markets“ aufgenommen. Ziel ist eine autonome Rahmenvereinbarung, die von den nationalen Mitgliedern der europäischen Sozialpartner umgesetzt wird. Es soll darum gehen, praxisnah Wege aufzuzeigen, wie den benachteiligten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich Brücken in Beschäftigung gebaut werden können. Umsetzung bestehender europäischer Sozialpartnervereinbarungen Zu zwei abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen finden derzeit Umsetzungsinitiativen statt: Die Vereinbarung zur Bekämpfung von Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz wird derzeit von einigen Unternehmen in die betriebliche Praxis umgesetzt. Dem „Freiwilligen Aktionsrahmen zur Gleichstellung von Mann und Frau“ wurde am 8./9. Juli eine zweitägige Konferenz in Berlin gewidmet. Diese gemeinsam von BDA und DGB initiierte und von der EU-Kommission unterstützte Tagung bot die Möglichkeit einer Zwischenbilanz des bisher Erreichten. Ausgehend von den vier Prioritäten des Aktionsrahmens der Sozialpartner – Rollenverständnis von Männern und Frauen, Frauen in Führungspositionen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen – wurde anhand von Best- Practice-Beispielen aus verschiedenen Mitgliedstaaten die Vielfalt möglicher Maßnahmen in den Unternehmen präsentiert. Am Ende der Konferenz stand fest, dass die vier Prioritäten des Aktionsrahmens richtig gesetzt worden waren. In der betrieblichen Praxis sind die Prioritäten eng verzahnt. Eine Maßnahme zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann z. B. zur Veränderung des Rollenverständnisses von Männern und Frauen beitragen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäischer Sozialer Dialog“ veröffentlicht. „Blue-Card“-Richtlinie – Öffnung des Arbeitsmarktes für Hochqualifizierte richtig und wichtig Vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe, des anhaltend hohen Fachkräftemangels und des langfristig demografisch bedingten Rückgangs der inländischen Erwerbsbevölkerung ist es richtig und wichtig, den Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte und qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten gezielt zu öffnen. Die „Blue Card“ soll nach dem Vorschlag der Kommission eine zunächst auf zwei Jahre befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für nicht europäische Fachkräfte nach dem Vorbild der US-ame- 130 BDA | Geschäftsbericht 2008 | Europa und Internationales

wenn der EGB anschließend zu gemeinsamen<br />

Vorschlägen zur schließlich von der EU-Kommission<br />

vorgelegten Neufassung bereit war, ändert<br />

dies nichts an der Tatsache, dass er mit dem Ablehnen<br />

von Verhandlungen zu EBR das Heft des<br />

Handelns aus der Hand der Sozialpartner gegeben<br />

hat. Dass mit dem Sozialen Dialog erfolgreich<br />

praxistaugliche Lösungen auf EU-Ebene zu wichtigen<br />

Themen gefunden werden können, zeigen<br />

die Beispiele der Vereinbarungen zur Telearbeit,<br />

zu arbeitsbedingtem Stress sowie zu Belästigung<br />

und Gewalt am Arbeitsplatz.<br />

Verhandlungen zu „inclusive<br />

labour markets“ gestartet<br />

Die Modernisierung der europäischen Arbeitsmärkte<br />

ist unabdingbare Grundlage für mehr<br />

Beschäftigung. Die europäischen Sozialpartner<br />

hatten in einer gemeinsamen Analyse der Arbeitsmärkte,<br />

die sie im letzten Herbst vorgelegt hatten,<br />

moderne Arbeitsmarktverfassungen nachdrücklich<br />

angemahnt. Wörtlich forderten sie:<br />

„Der steigende Druck auf Arbeitnehmer und<br />

Arbeitgeber durch die Globalisierung und andere<br />

wirtschaftliche und soziale Veränderungen verlangt,<br />

dass das Arbeitsrecht auf diese neuen Herausforderungen<br />

antwortet. Vorrang muss es haben<br />

zu prüfen, welche Rolle Bestimmungen zum<br />

Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses bei<br />

erfolgreichen und sich lohnenden Übergängen in<br />

neue und bestehende Arbeitsplätze spielen, und<br />

diese gegebenenfalls anzupassen.“<br />

Aufbauend auf dieser richtigen gemeinsamen<br />

Analyse haben die europäischen Sozialpartner<br />

nun Verhandlungen zu einer autonomen<br />

Rahmenvereinbarung zum Thema „inclusive labour<br />

markets“ aufgenommen. Ziel ist eine autonome<br />

Rahmenvereinbarung, die von den nationalen<br />

Mitgliedern der europäischen Sozialpartner umgesetzt<br />

wird. Es soll darum gehen, praxisnah Wege<br />

aufzuzeigen, wie den benachteiligten Gruppen auf<br />

dem Arbeitsmarkt erfolgreich Brücken in Beschäftigung<br />

gebaut werden können.<br />

Umsetzung bestehender<br />

europäischer Sozialpartnervereinbarungen<br />

Zu zwei abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen<br />

finden derzeit Umsetzungsinitiativen statt:<br />

Die Vereinbarung zur Bekämpfung von Belästigung<br />

und Gewalt am Arbeitsplatz wird derzeit<br />

von einigen Unternehmen in die betriebliche Praxis<br />

umgesetzt. Dem „Freiwilligen Aktionsrahmen<br />

zur Gleichstellung von Mann und Frau“ wurde am<br />

8./9. Juli eine zweitägige Konferenz in Berlin gewidmet.<br />

Diese gemeinsam von BDA und DGB initiierte<br />

und von der EU-Kommission unterstützte Tagung<br />

bot die Möglichkeit einer Zwischenbilanz des<br />

bisher Erreichten. Ausgehend von den vier Prioritäten<br />

des Aktionsrahmens der Sozialpartner –<br />

Rollenverständnis von Männern und Frauen,<br />

Frauen in Führungspositionen, Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie, Lohnunterschiede zwischen<br />

Männern und Frauen – wurde anhand von Best-<br />

Practice-Beispielen aus verschiedenen Mitgliedstaaten<br />

die Vielfalt möglicher Maßnahmen in den<br />

Unternehmen präsentiert. Am Ende der Konferenz<br />

stand fest, dass die vier Prioritäten des Aktionsrahmens<br />

richtig gesetzt worden waren. In der betrieblichen<br />

Praxis sind die Prioritäten eng verzahnt.<br />

Eine Maßnahme zur besseren Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie kann z. B. zur Veränderung des<br />

Rollenverständnisses von Männern und Frauen<br />

beitragen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Europäischer Sozialer Dialog“ veröffentlicht.<br />

„Blue-Card“-Richtlinie – Öffnung<br />

des Arbeitsmarktes für Hochqualifizierte<br />

richtig und wichtig<br />

Vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs<br />

um die besten Köpfe, des anhaltend hohen<br />

Fachkräftemangels und des langfristig demografisch<br />

bedingten Rückgangs der inländischen Erwerbsbevölkerung<br />

ist es richtig und wichtig, den<br />

Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte und qualifizierte<br />

Fachkräfte aus Drittstaaten gezielt zu öffnen. Die<br />

„Blue Card“ soll nach dem Vorschlag der Kommission<br />

eine zunächst auf zwei Jahre befristete<br />

Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für nicht europäische<br />

Fachkräfte nach dem Vorbild der US-ame-<br />

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