Geschäftsbericht 2008

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Im Juli 2008 legte die Kommission ihren Vorschlag zur Neufassung der EBR-Richtlinie vor. Der Text hat viele schädliche Gewerkschaftsforderungen nicht aufgegriffen, nicht zuletzt wegen zahlreicher intensiver Vorgespräche zwischen Wirtschaft und Kommissionsexperten. Zentraler Kritikpunkt blieb jedoch, dass kein ausreichender Bestandsschutz für bestehende EBR-Vereinbarungen gewährleistet wird. Die Arbeitgeber haben während des ganzen Prozesses eine konstruktive Haltung bewahrt. So ist es BUSINESSEUROPE gelungen, den EGB von einem gemeinsamen Brief an die französische EU-Ratspräsidentschaft zu überzeugen, in dem der Kommissionsvorschlag von beiden Seiten als Grundlage für eine schnelle Verabschiedung akzeptiert wird, allerdings wichtige Änderungsvorschläge am Kommissionstext, auf die sich beide Sozialpartner verständigt hatten, formuliert werden. Wichtigster Punkt ist aus BDA-Sicht der gemeinsame Vorschlag für eine rechtssichere Formulierung des Bestandsschutzes für sog. Artikel-13-Vereinbarungen. Um die Arbeitgeberposition gegenüber den politisch Verantwortlichen und der Öffentlichkeit nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen, hat die BDA am 9. September 2008 eine Konferenz zu Europäischen Betriebsräten in Brüssel veranstaltet, die auf große Resonanz stieß. Hauptredner und Gastgeber war für die BDA Dr. Siegfried Russwurm, Mitglied des Präsidiums der BDA und Personalvorstand der Siemens AG. EU-Kommissar Vladimir Špidla hielt den Einführungsvortrag. Zuvor hatten BDA-Präsidiumsmitglied Russwurm und EU-Kommissar Špidla eine Pressekonferenz gegeben. Hauptredner der Konferenz waren außerdem: der EP-Berichterstatter Philip Bushill- Matthews, der stellvertretende Generalsekretär des EGB, Reiner Hoffmann, die Kabinettschefin von EU-Kommissar Špidla, Kristin Schreiber, der Vorsitzende des Sozialausschusses von BUSI- NESSEUROPE, Jørgen Rønnest, der Vizepräsident Human Resources der Publicis Groupe und Vorsitzender des Ausschusses für Arbeitsbeziehungen von MEDEF, Benoît Roger-Vasselin. Außerdem legten Unternehmensvertreter ihre praktischen Erfahrungen mit den Europäischen Betriebsräten dar. Für die BDA unterstrich Präsidiumsmitglied Russwurm, dass der Vorrang für unternehmensspezifische Lösungen bei der weiteren Revision der Richtlinie unbedingt erhalten bleiben müsse, um die Erfolgsgeschichte der Europäischen Betriebsräte fortzusetzen. Vielfältigkeit als Ergebnis jeweils individueller, maßgeschneiderter Vereinbarungen sei zum Markenzeichen der Europäischen Betriebsräte geworden. Der vorgeschlagene Bestandsschutz für bestehende EBR-Vereinbarungen und ein neues zweijähriges Zeitfenster schüfen Spielraum für maßgeschneiderte Lösungen. BDA-Präsidiumsmitglied Russwurm begrüßte, dass der Grundgedanke des absoluten Vorrangs für betriebliche Vereinbarungen mit der gemeinsamen Stellungnahme der Sozialpartner zum Kommissionsvorschlag auch die Unterstützung der Gewerkschaften finde. Er appellierte an das Europäische Parlament und den Rat, die gemeinsam vorgetragenen Wünsche der europäischen Sozialpartner zu berücksichtigen, damit das Gesetzgebungsverfahren zügig abgeschlossen werden könne und die Unternehmen Rechtssicherheit erhielten. Unter dem Eindruck der auch in dieser Konferenz zum Ausdruck gebrachten Gemeinsamkeit des Ansatzes der europäischen Sozialpartner schwenkte der EP-Berichterstatter Bushill-Matthews auf die gemeinsame Linie der europäischen Sozialpartner ein und erklärte öffentlich, alles zu tun, um noch unter französischer EU-Ratspräsidentschaft die Richtlinie im Sinne der Sozialpartner zu verabschieden. Der EBR-Vorschlag wird derzeit im Europäischen Parlament und im Rat beraten. Der EP- Berichterstatter im Beschäftigungsausschuss, Philip Bushill-Matthews, hat Wort gehalten, inhaltlich die Sozialpartnervorschläge vertreten und für eine schnelle Verabschiedung der Richtlinie plädiert. Dagegen hat die sozialistische Fraktion trotz des klaren gemeinsamen Votums der europäischen Sozialpartner und des Berichterstatters weiter gehende und sehr problematische Änderungsanträge an dem Kommissionsvorschlag vorgelegt, die zu empfindlichen Verschärfungen in der Praxis der Information und Konsultation der Arbeitnehmer führen würden. Im Ergebnis hat der Beschäftigungsausschuss des EP einerseits die vom Berichterstatter eingebrachten Sozialpartnervorschläge angenommen und damit insbesondere den Bestandsschutz von Artikel-13- Vereinbarungen unangetastet gelassen. Gleichzeitig wurden aber aufgrund der besonderen BDA | Geschäftsbericht 2008 | Europa und Internationales 123

Mehrheitsverhältnisse in diesem Ausschuss auch die Änderungsanträge der sozialistischen Fraktion angenommen. Letztlich ist es aber in langwierigen Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament (Trilog) gelungen, die sozialistische Fraktion davon zu überzeugen, ihre Änderungsanträge zurückzuziehen. Die Sozialpartnervorschläge sollen nun lediglich um eine geringe Anzahl von Kompromissformulierungen ergänzt werden, die auch von Arbeitgeberseite akzeptiert werden können. Der im Trilog gefundene Kompromiss hat den Weg dafür eröffnet, dass der Richtlinienvorschlag der Kommission und die darauf basierenden Sozialpartnervorschläge im Kern erhalten bleiben und die Grundlage für eine Verabschiedung durch das Plenum des EP und den Rat noch im Dezember 2008 bilden. Damit würde sichergestellt, dass die Unternehmen und ihre Arbeitnehmervertreter über praxistaugliche und stabile rechtliche Rahmenbedingungen verfügen, die für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Betriebsräte notwendig sind. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäische Betriebsräte“ veröffentlicht. Neue Antidiskriminierungsrichtlinie schafft nur zusätzliche Bürokratie Immer wieder hat die BDA auf den „Perpetuummobile“-Effekt hingewiesen, der eintreten kann, wenn europäische Gesetzgebung bei der nationalen Umsetzung übererfüllt wird. Genau dies zeigt sich beim Antidiskriminierungsrecht leider exemplarisch, wie prognostiziert. Die große Koalition in Berlin hat mit dem AGG mehr getan, als das europäische Recht in bestehenden Richtlinien gegen Diskriminierung verlangt. In der Richtlinien- Umsetzungsgesetzgebung wurde die europäische Ebene instrumentalisiert, um gesetzgeberische Ziele, die sich politisch im rein nationalen Gesetzgebungsprozess nicht ohne weiteres hätten durchsetzen lassen können, unter dem Vorwand des Zwangs der Umsetzung europäischen Rechts quasi „durch die Hintertür“ durchzusetzen. Nun beruft sich die Kommission auf solche nationale Übererfüllung wie im AGG, um diese zum europäischen Standard zu erheben. Damit ist das „Perpetuum mobile“ kreiert – einmal in Gang gesetzt, bleibt es ewig in Bewegung. Denn nun folgt der nationalen Übererfüllung ein Vorschlag für einen neuen europäischen Mindeststandard im Bereich der Antidiskriminierung und so schaukelt sich die Regelungswut und Bürokratie immer weiter hoch. Deshalb muss die Forderung nach einer 1:1-Umsetzung europäischen Rechts und dem Verzicht auf Übererfüllung im Rahmen von Umsetzungsgesetzen nochmals deutlich unterstrichen werden. Am 2. Juli 2008 legte die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie vor. Das Ziel dieser zusätzlichen Antidiskriminierungsrichtlinie ist die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung künftig auch außerhalb des Arbeitsrechtes, also im allgemeinen Zivilrecht. Diese Richtlinie hätte zur Folge, dass die Vertragsfreiheit im gesamten Zivilrecht beschränkt würde. Damit verbunden wären darüber hinaus neue Regulierung, hohe Kosten und schädliche zusätzliche Bürokratie anstatt besserer Rechtsetzung. Aufgrund der Beweislastumkehr wären Anbieter von Gütern und Dienstleistungen faktisch zu einer systematischen und umfassenden Dokumentation und Archivierung der eigenen Beweggründe für die Auswahl ihrer Vertragspartner gezwungen. Die Richtlinie würde erheblichen Änderungsbedarf im deutschen Recht auslösen. Die Aufrechterhaltung der Beschränkung des Benachteiligungsverbots auf Massengeschäfte wäre z. B. nicht mehr möglich. Auch müssten gänzlich neue „angemessene Vorkehrungen“ für Behinderte aufgenommen werden, damit diese besseren Zugang zu Waren oder Dienstleistungen erhalten. Wer wollte da entscheiden, wo der Aufwand vertretbar wäre für größere bauliche Veränderungen, etwa für Rollstuhlfahrer? Wäre Preisauszeichnungspflicht in Blindenschrift „angemessen“? Fragen über Fragen und große Unsicherheit darüber, was wirklich mehr verlangt wird, wären die Folge. Die BDA hatte im Vorfeld der Vorlage intensive Gespräche geführt und ihre Argumente gegen eine weitere Antidiskriminierungsrichtlinie bei zahlreichen Gelegenheiten öffentlich vorgetragen. 124 BDA | Geschäftsbericht 2008 | Europa und Internationales

Im Juli <strong>2008</strong> legte die Kommission ihren Vorschlag<br />

zur Neufassung der EBR-Richtlinie vor.<br />

Der Text hat viele schädliche Gewerkschaftsforderungen<br />

nicht aufgegriffen, nicht zuletzt wegen<br />

zahlreicher intensiver Vorgespräche zwischen<br />

Wirtschaft und Kommissionsexperten. Zentraler<br />

Kritikpunkt blieb jedoch, dass kein ausreichender<br />

Bestandsschutz für bestehende EBR-Vereinbarungen<br />

gewährleistet wird.<br />

Die Arbeitgeber haben während des ganzen<br />

Prozesses eine konstruktive Haltung bewahrt. So<br />

ist es BUSINESSEUROPE gelungen, den EGB<br />

von einem gemeinsamen Brief an die französische<br />

EU-Ratspräsidentschaft zu überzeugen, in dem<br />

der Kommissionsvorschlag von beiden Seiten<br />

als Grundlage für eine schnelle Verabschiedung<br />

akzeptiert wird, allerdings wichtige Änderungsvorschläge<br />

am Kommissionstext, auf die sich<br />

beide Sozialpartner verständigt hatten, formuliert<br />

werden. Wichtigster Punkt ist aus BDA-Sicht der<br />

gemeinsame Vorschlag für eine rechtssichere<br />

Formulierung des Bestandsschutzes für sog. Artikel-13-Vereinbarungen.<br />

Um die Arbeitgeberposition gegenüber den<br />

politisch Verantwortlichen und der Öffentlichkeit<br />

nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen, hat die<br />

BDA am 9. September <strong>2008</strong> eine Konferenz zu<br />

Europäischen Betriebsräten in Brüssel veranstaltet,<br />

die auf große Resonanz stieß. Hauptredner<br />

und Gastgeber war für die BDA Dr. Siegfried<br />

Russwurm, Mitglied des Präsidiums der BDA und<br />

Personalvorstand der Siemens AG. EU-Kommissar<br />

Vladimir Špidla hielt den Einführungsvortrag.<br />

Zuvor hatten BDA-Präsidiumsmitglied Russwurm<br />

und EU-Kommissar Špidla eine Pressekonferenz<br />

gegeben. Hauptredner der Konferenz waren außerdem:<br />

der EP-Berichterstatter Philip Bushill-<br />

Matthews, der stellvertretende Generalsekretär<br />

des EGB, Reiner Hoffmann, die Kabinettschefin<br />

von EU-Kommissar Špidla, Kristin Schreiber, der<br />

Vorsitzende des Sozialausschusses von BUSI-<br />

NESSEUROPE, Jørgen Rønnest, der Vizepräsident<br />

Human Resources der Publicis Groupe<br />

und Vorsitzender des Ausschusses für Arbeitsbeziehungen<br />

von MEDEF, Benoît Roger-Vasselin.<br />

Außerdem legten Unternehmensvertreter ihre<br />

praktischen Erfahrungen mit den Europäischen<br />

Betriebsräten dar. Für die BDA unterstrich Präsidiumsmitglied<br />

Russwurm, dass der Vorrang für<br />

unternehmensspezifische Lösungen bei der weiteren<br />

Revision der Richtlinie unbedingt erhalten<br />

bleiben müsse, um die Erfolgsgeschichte der Europäischen<br />

Betriebsräte fortzusetzen. Vielfältigkeit<br />

als Ergebnis jeweils individueller, maßgeschneiderter<br />

Vereinbarungen sei zum Markenzeichen<br />

der Europäischen Betriebsräte geworden. Der<br />

vorgeschlagene Bestandsschutz für bestehende<br />

EBR-Vereinbarungen und ein neues zweijähriges<br />

Zeitfenster schüfen Spielraum für maßgeschneiderte<br />

Lösungen. BDA-Präsidiumsmitglied Russwurm<br />

begrüßte, dass der Grundgedanke des absoluten<br />

Vorrangs für betriebliche Vereinbarungen<br />

mit der gemeinsamen Stellungnahme der Sozialpartner<br />

zum Kommissionsvorschlag auch die Unterstützung<br />

der Gewerkschaften finde. Er appellierte<br />

an das Europäische Parlament und den Rat,<br />

die gemeinsam vorgetragenen Wünsche der europäischen<br />

Sozialpartner zu berücksichtigen, damit<br />

das Gesetzgebungsverfahren zügig abgeschlossen<br />

werden könne und die Unternehmen Rechtssicherheit<br />

erhielten. Unter dem Eindruck der auch<br />

in dieser Konferenz zum Ausdruck gebrachten<br />

Gemeinsamkeit des Ansatzes der europäischen<br />

Sozialpartner schwenkte der EP-Berichterstatter<br />

Bushill-Matthews auf die gemeinsame Linie der<br />

europäischen Sozialpartner ein und erklärte öffentlich,<br />

alles zu tun, um noch unter französischer<br />

EU-Ratspräsidentschaft die Richtlinie im Sinne<br />

der Sozialpartner zu verabschieden.<br />

Der EBR-Vorschlag wird derzeit im Europäischen<br />

Parlament und im Rat beraten. Der EP-<br />

Berichterstatter im Beschäftigungsausschuss,<br />

Philip Bushill-Matthews, hat Wort gehalten, inhaltlich<br />

die Sozialpartnervorschläge vertreten und<br />

für eine schnelle Verabschiedung der Richtlinie<br />

plädiert. Dagegen hat die sozialistische Fraktion<br />

trotz des klaren gemeinsamen Votums der europäischen<br />

Sozialpartner und des Berichterstatters<br />

weiter gehende und sehr problematische Änderungsanträge<br />

an dem Kommissionsvorschlag<br />

vorgelegt, die zu empfindlichen Verschärfungen<br />

in der Praxis der Information und Konsultation<br />

der Arbeitnehmer führen würden. Im Ergebnis<br />

hat der Beschäftigungsausschuss des EP einerseits<br />

die vom Berichterstatter eingebrachten Sozialpartnervorschläge<br />

angenommen und damit<br />

insbesondere den Bestandsschutz von Artikel-13-<br />

Vereinbarungen unangetastet gelassen. Gleichzeitig<br />

wurden aber aufgrund der besonderen<br />

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