Geschäftsbericht 2007

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GESCHÄFTSBERICHT 2007

GESCHÄFTSBERICHT <strong>2007</strong>


GESCHÄFTSBERICHT <strong>2007</strong>


03<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM<br />

04<br />

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21<br />

33<br />

47<br />

65<br />

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139


04 Vorwort<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

Deutschland hat im zweiten Jahr in Folge einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik<br />

gibt es mehr als 40 Mio. Erwerbstätige. Die Arbeitslosenzahl erreichte den niedrigsten Stand seit 14 Jahren.<br />

Die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte nimmt ab, das Staatsdefizit geht zurück, die Wirtschaft befindet sich<br />

insgesamt in einer robusten Verfassung und wächst solide, wenn auch abgeschwächt.<br />

Zur Euphorie besteht gleichwohl kein Anlass. Die Realität ist viel differenzierter. Viele unserer Strukturprobleme sind<br />

nach wie vor ungelöst, werden zurzeit nur überdeckt und die gute wirtschaftliche Lage gilt keineswegs für die ganze<br />

deutsche Wirtschaft. Im europäischen Vergleich steht Deutschland mit seinem Wachstum nach wie vor nur im Mittelfeld<br />

und ist somit weit davon entfernt, den Zug als Wachstumslokomotive anzuführen. Es gibt zahlreiche Risikofaktoren,<br />

die den Aufschwung begleiten: explodierende Energie- und Rohstoffpreise, ein massiver Dollarverfall, Auswirkungen<br />

der Finanzmarktkrise und eine sich abschwächende Welthandelskonjunktur.<br />

Wir dürfen uns bei den strukturellen Reformen in Deutschland deshalb keinen Stillstand erlauben und schon gar keine<br />

Reformrücknahmen, leichtsinnige Experimente wie beim Mindestlohn oder eine neue Verteilungsmentalität. Statt den<br />

Aufschwung zur Fortsetzung weiter gehender Strukturreformen zu nutzen, hat die große Koalition aber in diesem Jahr<br />

eine Kehrtwende vollzogen und sich zunehmend vom Reformkurs abgewandt, hat notwendige Reformen aufgeschoben,<br />

verwässert und sogar zurückgenommen und zusätzliche, unnötige Regulierung geschaffen. In der Arbeitsmarktpolitik<br />

ist dies mit der Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältere auf 24 Monate besonders spürbar. Zu einem<br />

Zeitpunkt, an dem die Rendite arbeitsmarktpolitischer Reformen gerade für die Älteren und für die Langzeitarbeitslosen<br />

sichtbar wird, nimmt die Politik eines der erfolgreichsten Elemente der Agenda 2010 zurück.<br />

Zur erfreulichen konjunkturellen Entwicklung haben in erster Linie die Anstrengungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

beigetragen, zum Teil nach vorherigen Umstrukturierungen und Anpassungsmaßnahmen, die häufig nicht populär<br />

waren. Dazu beigetragen hat auch die Tarifpolitik mit einer äußerst variablen Lohnpolitik, mehr Differenzierung<br />

zwischen den Branchen und betrieblichen Abweichungsmöglichkeiten innerhalb eines Branchentarifvertrages. Auch<br />

wurden einige Weichen zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen gestellt: Allen voran steht<br />

die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 %, die die BDA lange Zeit allein gefordert und<br />

rechnerisch für möglich gehalten hatte. Damit wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag endlich unter 40 % gesenkt,<br />

wenngleich dieser Wert mit der von der Bundesregierung geplanten Reform der Pflegeversicherung und einem Beitragsanstieg<br />

Mitte nächsten Jahres bereits wieder überschritten wird. Richtig war auch die Anhebung der Regelaltersgrenze<br />

in der Rentenversicherung auf 67 Jahre, die von der BDA teils gegen den heftigen Widerstand aus der Politik seit vielen<br />

Jahren beharrlich gefordert wurde. Auch bei der unbefristeten Fortführung der beitragsfreien Entgeltumwandlung in der<br />

betrieblichen Altersvorsorge hat sich die BDA mit einer langjährigen Forderung durchgesetzt. Beim Bürokratieabbau<br />

gibt es erste richtige Schritte, die die BDA mit vielen Vorschlägen begleitet. Beim Abbau der Bürokratie ist aber mehr<br />

erforderlich als die reine Messung – entscheidend ist die Verringerung der Lasten für die Unternehmen.<br />

Ebenfalls mit Sorge sehen wir die Gefahren, die der Tarifautonomie durch die Zersplitterung der Tarifeinheit und<br />

durch eine staatliche Lohnpolitik mit branchenbezogenen Mindestlöhnen drohen. Wenn kleine, spezialisierte Spartengewerkschaften<br />

aus der betrieblichen Tarifeinheit ausbrechen und ihr Erpressungspotenzial nutzen können, um<br />

auf dem Rücken der Gesamtbelegschaft oder gar der gesamten deutschen Wirtschaft ihre Partikularinteressen durchzusetzen,<br />

dann steht die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages auf dem Spiel. Der Tarifkonflikt bei der Bahn hat


Vorwort<br />

05<br />

dies sehr deutlich gemacht. Ebenso deutlich belegt der Fall Post, dass sich die Politik auf einem beschäftigungspolitischen<br />

Irrweg befindet und zur Vernichtung von Arbeitsplätzen beiträgt, wenn branchenbezogene Tariflöhne mit gesetzesgleicher<br />

Wirkung vorgeschrieben werden. Wenn die große Koalition mit weiteren Gesetzesänderungen, die für<br />

das Frühjahr kommenden Jahres geplant sind, ein System branchenbezogener gesetzlicher Mindestlöhne anstrebt,<br />

wird das zu erheblichem Schaden auf dem Arbeitsmarkt führen und die Tarifautonomie beschädigen. Wir werden<br />

uns dem entschieden entgegenstellen.<br />

Der vorliegende <strong>Geschäftsbericht</strong> informiert Sie über die wichtigsten politischen Schwerpunkte unserer Arbeit<br />

im Jahr <strong>2007</strong>.<br />

Dr. Reinhard Göhner<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

Berlin, im Dezember <strong>2007</strong>


07<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

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IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


08 Arbeitsmarkt<br />

Nachhaltige Erfolge brauchen<br />

konsequenten und konsistenten<br />

Reformkurs<br />

Der Arbeitsmarkt profitiert weiter vom kräftigen<br />

konjunkturellen Aufschwung. Die Zahl der Arbeitslosen<br />

ist gegenüber 2006 um rd. 700.000 zurückgegangen<br />

und lag im Jahresdurchschnitt <strong>2007</strong> nur noch bei<br />

rd. 3,8 Mio. Im November wurde sogar der niedrigste<br />

Stand seit 14 Jahren erreicht. Darüber hinaus darf aber<br />

nicht vergessen werden, dass die seit 2001 verloren<br />

gegangenen 1,7 Mio. sozialversicherungspflichtigen<br />

Arbeitsplätze gerade erst einmal gut zur Hälfte wieder<br />

wettgemacht sind. Auch der viel zu hohe Sockel der<br />

Langzeitarbeitslosen schmilzt noch immer zu langsam.<br />

Von zuletzt über 5 Mio. Arbeitslosengeld-II-Beziehern<br />

sind gerade einmal ein Viertel überhaupt einer Beschäftigung<br />

– meist sogar nur einem Minijob – nachgegangen.<br />

Drei Viertel gehen keiner offiziellen Erwerbsarbeit<br />

nach. Das alles ist ein klares Signal für die Politik, dass<br />

die gute Arbeitsmarktentwicklung nur nachhaltig werden<br />

kann, wenn die Reformpolitik in sich konsequent<br />

und konsistent bleibt.<br />

Die Regierungskoalition hat mit der von der BDA mit<br />

Nachdruck eingeforderten weiteren deutlichen Absenkung<br />

des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung auf<br />

3,3 % ab 2008 ohne Zweifel einen wichtigen Schritt<br />

getan. Zusammen mit der Senkung des Beitragssatzes<br />

von 6,5 % auf 4,2 % Anfang <strong>2007</strong> wird damit der Beitrag<br />

zur Arbeitslosenversicherung praktisch halbiert und<br />

erstmals wieder ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag<br />

von unter 40 % erreicht. Leider ist durch andere falsche<br />

und widersprüchliche Entscheidungen derselben Koalitionsregierung<br />

in der Arbeitsmarktpolitik ein schädlicher<br />

und vor allem auch langfristig beunruhigender Zickzackkurs<br />

eingeschlagen worden. Wichtige Reformen<br />

der Agenda 2010 wurden zurückgedreht. Das längere<br />

Arbeitslosengeld für Ältere ist nicht nur eine schwere<br />

Hypothek für die Arbeitslosenversicherung, sondern<br />

auch arbeitsmarktpolitisches Gift und ein Bärendienst<br />

für die vermeintlich Begünstigten. Diese Rolle rückwärts<br />

gegen die einhelligen Warnungen aller unabhängigen<br />

Wirtschaftsexperten ist umso unverständlicher, als der<br />

von der BDA zu Beginn des Jahrzehnts angestoßene<br />

Kurswechsel zu mehr Beschäftigung Älterer mittlerweile<br />

eine Erfolgsstory geworden ist.<br />

Im Widerspruch zur richtigen Reformpolitik stehen<br />

auch die neuen staatlichen Beschäftigungsmaßnahmen<br />

für hunderttausende Arbeitslose, mit denen Milliarden<br />

Euro verschwendet werden, weil sie nichts anderes<br />

sind als alte ABM in neuen Kleidern. Gerade jetzt,<br />

wo noch zögerlich, aber immerhin auch mehr langzeitarbeitslose<br />

Menschen in den ersten Arbeitsmarkt<br />

kommen, kann dies nur als arbeitsmarktpolitische<br />

Geisterfahrt bezeichnet werden.<br />

Eine komplette Rolle rückwärts findet auch bei der gerade<br />

erst mit Hartz IV völlig zu Recht eingeführten systematischen<br />

Trennung zwischen der beitragsfinanzierten<br />

Arbeitslosenversicherung und der steuerfinanzierten<br />

staatlichen Sozial- und Fürsorgepolitik statt. So werden<br />

die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung künftig<br />

jedes Jahr system- und wohl auch verfassungswidrig mit<br />

zunächst rd. 5 Mrd. € an der Hälfte der Verwaltungsund<br />

Maßnahmekosten im Bereich der Fürsorgeleistung<br />

Arbeitslosengeld II belastet. Nachdem das notwendige<br />

„Fordern und Fördern“ im Arbeitslosengeld-II-Bereich<br />

vor allem aufgrund der vom Gesetzgeber zu verantwortenden<br />

unklaren Verantwortlichkeiten immer noch<br />

nicht annähernd ausreichend geleistet wird, ist es geradezu<br />

widersinnig, jetzt die Beitragszahler für diese<br />

Versäumnisse haften zu lassen, um den Bundeshaushalt<br />

zu entlasten.<br />

Geradezu grotesk wäre überdies, den Beitragszahlern<br />

die Kosten einer neuen Fürsorgeleistung aufzubürden,<br />

wie sie in der Koalition mit dem sog. Erwerbstätigenzuschuss<br />

angestrebt wird. Eine solche Fürsorgeleistung<br />

bedeutete letztlich nichts anderes, als in unserem Sozialstaat<br />

jetzt ein Schutzsystem vor einem anderen<br />

Schutzsystem zu errichten. Absurder geht es kaum. Statt<br />

nach der gerade erst erfolgten Zusammenfassung von<br />

Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe jetzt ein ganz neues,<br />

zusätzliches Leistungssystem mit gewaltigem eigenen<br />

Bürokratieaufwand zu etablieren, muss die vom Grundansatz<br />

her richtige Hartz-IV-Reform vernünftig zu Ende<br />

geführt werden. Erforderlich sind die Herstellung klarer<br />

Verantwortlichkeiten und die konsequente Etablierung<br />

der gleichen Transparenz und der gleichen Steuerungslogik<br />

nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit wie im Versicherungszweig<br />

der Bundesagentur für Arbeit (BA). Außerdem<br />

bedarf es der Beseitigung der Fehlanreize, sich<br />

mit einem geringen Hinzuverdienst als Taschengeld in<br />

Leistungsbezug und Arbeitslosigkeit einzurichten.


Arbeitsmarkt<br />

09<br />

Zielgerichtete Reformen sind hier gerade auch im Interesse<br />

der betroffenen Menschen notwendig, um unsoziale<br />

Ausgrenzungen vom Arbeitsmarkt zu vermeiden.<br />

Der Erfolg bei der Beschäftigung Älterer hat bewiesen,<br />

dass gerade das, was anfangs unpopulär erscheint, letztlich<br />

doch für jedermann sichtbar positive Früchte trägt.<br />

Die Koalition ist jedoch dabei, sogar das Gegenteil zu<br />

tun und durch gesetzlich für verbindlich erklärte, viel<br />

zu hohe branchenspezifische Mindestlöhne Menschen<br />

mit geringer Produktivität regelrecht vom ersten Arbeitsmarkt<br />

auszusperren. Will die Koalition der positiven<br />

Arbeitsmarktentwicklung zu nachhaltigem Erfolg verhelfen,<br />

muss sie zu einem konsequenten und vor allem<br />

konsistenten Reformkurs zurückfinden.<br />

Aufschwung am Arbeitsmarkt<br />

stützen<br />

Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt infolge des<br />

konjunkturellen Aufschwungs hat sich auch im zweiten<br />

Halbjahr <strong>2007</strong> fortgesetzt. Die Arbeitslosenzahl ist weiter<br />

spürbar gesunken und erreichte Ende des Jahres (November)<br />

den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. Erstmals<br />

seit 2001 waren mit rd. 3,8 Mio. Arbeitslosen im Jahresschnitt<br />

<strong>2007</strong> wieder weniger als 4 Mio. Menschen ohne<br />

Arbeitsplatz. Gegenüber dem Vorjahr ging damit die Zahl<br />

der registrierten Arbeitslosen um rd. 700.000 zurück. Besonders<br />

profitiert vom Aufschwung am Arbeitsmarkt haben<br />

die Älteren: Die Zahl der Arbeitslosen, die 55 Jahre<br />

und älter sind, lag Ende <strong>2007</strong> sogar um über 20 % unter<br />

dem Vorjahresniveau.<br />

Parallel zum Rückgang der Arbeitslosigkeit hat die<br />

Zahl der Beschäftigten im Jahr <strong>2007</strong> zugelegt: Erstmals<br />

in der Geschichte der Bundesrepublik gab es im September<br />

mehr als 40 Mio. Erwerbstätige, die Zahl der<br />

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kletterte im<br />

August erstmals seit 2003 wieder über die 27-Mio.-<br />

Marke und lag zuletzt bei fast 27,5 Mio. (letztverfügbarer<br />

Wert: September). Allerdings ist damit gegenüber<br />

dem letzten Aufschwung – im Jahr 2001 gab es über<br />

28 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – erst<br />

gut die Hälfte der zwischenzeitlich verloren gegangenen<br />

1,7 Mio. Arbeitsplätze wieder wettgemacht.<br />

Noch immer sind fundamentale Reformaufgaben für<br />

den Arbeitsmarkt nicht erledigt, teilweise wurden richtige<br />

Reformen sogar zurückgeschraubt. Trotz weiterhin<br />

hoher Arbeitslosigkeit haben viele Unternehmen Pro-<br />

Arbeitslose im Jahr <strong>2007</strong>: Rückang vor allem bei Beziehern von Arbeitslosengeld<br />

5<br />

Arbeitslose in Mio.<br />

SGB II SGB III<br />

4<br />

3<br />

1,60<br />

1,58<br />

1,47<br />

1,35<br />

1,24<br />

1,16<br />

1,20 1,19<br />

1,10<br />

1,04<br />

1,01<br />

2<br />

2,65<br />

2,65<br />

2,63<br />

2,61 2,57<br />

2,52<br />

2,52 2,52<br />

2,45 2,40 2,37<br />

1<br />

0<br />

JAN FEB MRZ APR MAI JUN JUL AUG SEPT OKT NOV<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, <strong>2007</strong>


10 Arbeitsmarkt<br />

harrt: Während es Ende <strong>2007</strong> über ein Viertel weniger<br />

arbeitslose Arbeitslosengeldbezieher gab als im Vorjahr,<br />

sank die Zahl der Arbeitslosen, die die staatliche Fürsorgeleistung<br />

beziehen, um weniger als 10 %. So erfreulich<br />

es ist, dass sich die gute Konjunktur inzwischen auch<br />

hier positiv auswirkt – ohne eine breit angelegte, wirklich<br />

offensive Aktivierungs- und Vermittlungsstrategie<br />

der Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen und<br />

ohne Beseitigung fortbestehender gesetzlicher Fehlanreize<br />

beim Arbeitslosengeld II kann es kaum gelingen,<br />

die Zahl vor allem der langfristig Arbeitslosen nachhalbleme,<br />

geeignete Arbeitskräfte zu finden, und ein Teil<br />

der im Jahresdurchschnitt 1,1 Mio. offenen Stellen am<br />

ersten Arbeitsmarkt konnte <strong>2007</strong> nicht besetzt werden.<br />

Dies alles belegt, dass zu übertriebener Euphorie überhaupt<br />

kein Anlass besteht.<br />

Besonders negativ muss bewertet werden, dass trotz erster<br />

Fortschritte beim Abbau der Arbeitslosigkeit auch im<br />

Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II die Zahl<br />

Langzeitarbeitsloser und gering Qualifizierter ohne Beschäftigung<br />

auf einem inakzeptabel hohen Niveau ver-<br />

Zunehmende Fachkräfteengpässe gefährden den Aufschwung<br />

Obgleich die Arbeitsmarktstatistik im Jahr <strong>2007</strong><br />

noch immer durchschnittlich rd. 3,8 Mio. Arbeitslose<br />

gezählt hat, haben angesichts des konjunkturellen<br />

Aufschwungs viele Unternehmen in Deutschland<br />

zunehmend Schwierigkeiten, offene Stellen<br />

zu besetzen. Dies gilt vor allem für Tätigkeiten, die<br />

qualifizierte Fachkräfte erfordern. Zwar ist bislang<br />

nach wie vor noch kein genereller Fachkräftemangel<br />

zu verzeichnen, in einigen Branchen und Regionen<br />

sind jedoch Fachkräfteengpässe bereits deutlich<br />

spürbar geworden.<br />

Besonders offensichtlich sind die bestehenden Fachkräfteengpässe<br />

bei Ingenieuren: Nach neuesten Untersuchungen<br />

des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln<br />

(IW), die im Herbst <strong>2007</strong> vorgestellt wurden, konnten<br />

bereits im vergangenen Jahr etwa 48.000 Ingenieurstellen<br />

nicht besetzt werden. Die Unternehmen suchen<br />

aber nicht nur Hochschulabsolventen, sondern<br />

auch Facharbeiter. Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte<br />

zu finden, haben dabei vor allem Betriebe in<br />

der Metall- und Elektroindustrie. Hier gibt es in einigen<br />

Berufen im bundesweiten Durchschnitt bereits<br />

mehr offene Stellen als registrierte Arbeitslose – so<br />

z. B. bei Drehern, Schweißern, Elektrikern oder Werkzeugmachern.<br />

Daneben gibt es aber z. B. auch bei<br />

Werbe- und Dienstleistungskaufleuten einen Stellenüberhang.<br />

Hinzu kommen weitere Berufe, bei denen<br />

es bereits weniger als drei Arbeitslose pro offener Stelle<br />

gibt. Da nach Erfahrungen der Arbeitsvermittlung<br />

ein erfolgreiches „Matching“ bei einer Stellen-Bewerber-Relation<br />

von weniger als eins zu drei schwierig<br />

ist, kann dies ebenfalls als Indikator für einen Fachkräfteengpass<br />

gewertet werden.<br />

Fachkräfteengpässe, die mit anziehender Konjunktur<br />

und angesichts der demografischen Entwicklung weiter<br />

zunehmen werden, bremsen das wirtschaftliche<br />

Wachstum und den Aufschwung. Der gesamtwirtschaftliche<br />

Wohlstandsverlust infolge der unfreiwilligen<br />

Vakanzen im Bereich hochqualifizierter Arbeit<br />

belief sich nach aktuellen Untersuchungen des IW<br />

Köln bereits im Jahr 2006 auf rd. 18,5 Mrd. € – das<br />

entspricht 0,8 % des Bruttoinlandsproduktes. Die umfangreichen<br />

Anstrengungen der Unternehmen in der<br />

Aus- und Weiterbildung allein werden nicht ausreichen,<br />

um die damit verbundenen Herausforderungen<br />

bewältigen zu können. Notwendig ist vielmehr zügig<br />

eine ausgewogene und schlüssige Gesamtstrategie<br />

zur Fachkräftesicherung. Zu deren Eckpunkten muss<br />

neben Verbesserungen im Bildungsbereich und weiteren<br />

Reformen für den Arbeitsmarkt, die auch auf<br />

eine weitere Steigerung der Erwerbsbeteiligung von<br />

Frauen und älteren Arbeitnehmern abzielen müssen,<br />

eine stärker an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes<br />

orientierte Zuwanderung gehören.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Fachkräftesicherung“<br />

veröffentlicht. Dieser ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


Arbeitsmarkt<br />

11<br />

tig zu senken; schließlich haben Ende <strong>2007</strong> gut 70 %<br />

aller Arbeitslosen Arbeitslosengeld II bezogen und waren<br />

damit zum Großteil mindestens ein Jahr oder noch<br />

länger arbeitslos.<br />

Dies dürfte neben der voraussichtlich leichten Konjunkturabkühlung<br />

im Jahr 2008 ebenfalls ein Grund dafür<br />

sein, dass Wirtschaftsforscher davon ausgehen, dass<br />

sich der Abbau der Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr<br />

verlangsamen wird. Für 2008 rechnet das Institut für Arbeitsmarkt-<br />

und Berufsforschung (IAB) mit durchschnittlich<br />

3,4 Mio. Arbeitslosen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten wird 2008 nach den<br />

Schätzungen der Forscher nur noch um etwa 270.000<br />

zulegen – für <strong>2007</strong> geht das IAB von einem Plus im Vergleich<br />

zum Vorjahr von mehr als 530.000 aus.<br />

Damit wird ganz deutlich: Werden nicht substanzielle<br />

Reformen auf den Weg gebracht, um strukturelle Verkrustungen<br />

am Arbeitsmarkt aufzubrechen und auch gering<br />

Qualifizierte und Langzeitarbeitslose wieder stärker<br />

an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen, droht sich<br />

der Aufschwung am Arbeitsmarkt schnell abzukühlen.<br />

Weitere kräftige Senkung des BA-<br />

Beitragssatzes auch Erfolg der BDA<br />

Die weitere kräftige Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung<br />

von 4,2 % auf 3,3 % ab 2008 ist ein<br />

großer arbeitsmarktpolitischer Erfolg. Ursprünglich war<br />

lediglich eine Senkung auf 3,9 % vorgesehen. Die BDA<br />

hatte sich vor dem Hintergrund der positiven Finanzentwicklung<br />

bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits<br />

frühzeitig für 3,2 % als solide Senkungsperspektive eingesetzt.<br />

Zusammen mit der erst Anfang <strong>2007</strong> erfolgten – und<br />

auch von der BDA mit Nachdruck eingeforderten – Absenkung<br />

von 6,5 auf 4,2 % wird damit der Beitrag zur<br />

Arbeitslosenversicherung binnen Jahresfrist praktisch<br />

halbiert. Bund und Länder haben versicherungsfremde<br />

Leistungen der BA zumindest in Teilen systemgerecht in<br />

ihre Finanzierungsverantwortung übernommen und dafür<br />

einen Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens<br />

zur Verfügung gestellt, was die Beitragssatzsenkung unterstützte.<br />

Erstmals wird wieder ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag<br />

von unter 40 % erreicht. Dies gibt den<br />

Beitragszahlern ihr überzahltes Geld zurück, schafft zu-<br />

sätzliche Beschäftigungschancen und erschwert es gleichzeitig,<br />

dass Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung<br />

für unsinnige Arbeitsmarktprogramme verschwendet<br />

werden.<br />

Die Beitragssatzsenkung erfolgt mit Augenmaß auf der<br />

Grundlage der mittelfristigen Finanzplanung, basierend<br />

auf den ökonomischen Eckwerten der Bundesregierung<br />

über Wachstum und Beschäftigung. Der öffentlich erweckte<br />

Eindruck, die Beitragssatzsenkung treibe die BA<br />

im kommenden Jahr wieder in ein Defizit und damit in<br />

„alte Zeiten“, ist grob irreführend. Richtig ist zwar, dass<br />

Einnahmen und Ausgaben 2008 unterjährig nicht ausgeglichen<br />

sein werden. Zum einen ist aber der größte Teil<br />

des „Defizits“ die Zuführung von Mitteln in den neuen<br />

Versorgungsfonds. Die Arbeitslosenversicherung ist<br />

damit der einzige Zweig der Sozialversicherung, der zu<br />

Gunsten der künftigen Generation von Beitragszahlern<br />

vorausschauend Rücklagen für künftige Pensionsansprüche<br />

bildet. Zum anderen kann für die BA ein unge-<br />

Beschluss des Präsidiums der BDA<br />

vom 17. September <strong>2007</strong> – Auszug<br />

Das Präsidium der BDA hat in seinem Beschluss zu<br />

Arbeitsmarktreformen gefordert:<br />

• Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 3,2 %<br />

senken<br />

• Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung<br />

nicht mit neuen versicherungsfremden Ausgaben<br />

belasten<br />

• Keine neuen unsinnigen staatlichen Beschäftigungsprogramme<br />

auflegen<br />

• Mängel bei bestehenden öffentlichen Arbeitsgelegenheiten<br />

schnell beseitigen<br />

Abgesehen von der weitgehend umgesetzten Beitragssatzsenkung<br />

bleiben Politik und Gesetzgeber<br />

gefordert, Strukturreformen am Arbeitsmarkt voranzubringen,<br />

statt mit Beschäftigungsprogrammen<br />

und versicherungsfremden Lasten wie dem<br />

sog. Eingliederungsbeitrag neue Verwerfungen<br />

herbeizuführen.


12 Arbeitsmarkt<br />

Eingliederungsbeitrag<br />

abschaffen<br />

Der ab 2008 eingeführte „Eingliederungsbeitrag“<br />

ist entschieden abzulehnen. Die Finanzierung von<br />

Fördermaßnahmen für erwerbsfähige Fürsorgeempfänger<br />

ist eine staatliche Aufgabe, die aus Steuern<br />

finanziert werden muss und nicht aus Beiträgen. Zu<br />

Recht lehnen auch Bundesrat und Sachverständigenrat<br />

den Eingliederungsbeitrag nachdrücklich ab,<br />

denn damit wird der Fehler des im Gegenzug abgeschafften<br />

Aussteuerungsbetrags sogar noch vertieft.<br />

Die Verfassungswidrigkeit des Aussteuerungsbetrags<br />

war nach einem von BDA und DGB beauftragten<br />

Rechtsgutachten klar belegt. Offensichtlich spielt<br />

der Bund mit Einführung des Eingliederungsbeitrags<br />

auf Zeit, weil die Überprüfung des neuen Finanzierungstricks<br />

zu Lasten der Beitragszahler auch einen<br />

neuen Anlauf erfordert. Wenn Gelder der Arbeitslosenversicherung<br />

nicht für gesamtgesellschaftliche<br />

Zwecke entfremdet werden, kann der Beitragssatz<br />

erheblich stärker gesenkt werden. Das trägt bei zu<br />

neuen zusätzlichen Arbeitsplätzen und damit noch<br />

besseren Beschäftigungschancen für alle. Immerhin<br />

entspricht der Eingliederungsbeitrag allein jährlich<br />

einem weiteren Beitragssatzsenkungspotenzial von<br />

rd. 0,6 Prozentpunkten.<br />

decktes Defizit 2008 schon deshalb gar nicht entstehen,<br />

weil sie mit einem Finanzpolster von rd. 18 Mrd. € in<br />

das Jahr 2008 einsteigt. Trotz Beitragssatzsenkung wird<br />

die BA nach der mittelfristigen Finanzplanung dauerhaft<br />

bis 2011 über eine Reserve von fast 14 Mrd. €<br />

verfügen – plus dem Versorgungsfonds mit dann über<br />

3 Mrd. €. Die Arbeitgeber setzen sich dafür ein, von den<br />

Überschüssen 9 Mrd. € in eine gesonderte Liquiditätsreserve<br />

einzustellen, um BA und Beitragszahler auch über<br />

eine gewisse Phase konjunktureller Schwäche von Finanzrisiken<br />

weitgehend freizustellen. Diese Liquiditätsreserve<br />

muss gesetzgeberisch auf genau diesen Zweck<br />

hin ausgerichtet werden.<br />

Leider missbraucht der Bund die günstige Finanzsituation<br />

der Arbeitslosenversicherung in kurzsichtiger Weise<br />

zu einem erneuten tiefen Griff in die Beitragskasse. Mit<br />

dem sog. Eingliederungsbeitrag werden ab 2008 jährlich<br />

fast 5 Mrd. € aus der Beitragskasse abgezweigt, um damit<br />

arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und entsprechende<br />

Verwaltungskosten im Fürsorgebereich Arbeitslosengeld<br />

II zu finanzieren. Weitere versicherungsfremde<br />

Leistungen in Höhe von fast 300 Mio. € jährlich bürdet<br />

der Bund der Arbeitslosenversicherung auf, indem<br />

er sich ohne Begründung aus der Finanzierung von Arbeitslosengeldansprüchen<br />

aus Erziehungszeiten zurückzieht.<br />

Eine Politik nach Kassenlage und ohne sachliche<br />

Begründung begibt sich in gefährliches Fahrwasser, weil<br />

die Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit finanzieller<br />

Belastungen und damit auch deren Akzeptanz<br />

schwindet. Mit der Erhöhung der versicherungsfremden<br />

Lasten in der Arbeitslosenversicherung wird auf Kosten<br />

von Beschäftigungschancen Spielraum für Beitragssenkungen<br />

verschenkt und auch die mit der Zuführung von<br />

einem Mehrwertsteuerpunkt sachgerechte Finanzierung<br />

von Fremdleistungen aus Steuermitteln konterkariert.<br />

Gerade bei Großsystemen wie der Arbeitslosenversicherung<br />

bedarf es der Systemkonformität, um Vertrauen<br />

wachsen lassen und Nachhaltigkeit sichern zu können.<br />

Gegen die einhellige Expertenmeinung hat die Regierungskoalition<br />

auch entschieden, die Bezugsdauer<br />

des Arbeitslosengeldes für Ältere wieder zu verlängern.<br />

CDU und SPD haben sich von dieser Entscheidung<br />

nach den schon schweren Fehlern der Parteitagsbeschlüsse<br />

nicht mehr abbringen lassen. Längeres<br />

Arbeitslosengeld ist eine schwere Hypothek für die<br />

Arbeitslosenversicherung und arbeitsmarktpolitisches<br />

Gift. Ältere erhalten künftig wieder bis zu 24 Monate<br />

Arbeitslosengeld, nachdem richtigerweise erst Anfang<br />

2006 die Höchstdauer von 32 auf 18 Monate begrenzt<br />

worden waren. Statt die günstige Konjunktur zu<br />

weiteren Reformen für mehr Beschäftigung zu nutzen,<br />

wird die Agenda 2010 damit in einem zentralen Punkt<br />

leider wieder zurückgedreht, nachdem sie gerade erst<br />

in Kraft getreten war. Die Verlängerung ist ein Rückschlag,<br />

den auch Bundesbank und Sachverständigenrat<br />

heftig kritisiert haben.<br />

Ziel muss die schnelle Beendigung bzw. Verhinderung<br />

von Arbeitslosigkeit sein, nicht ein politischer Wettlauf<br />

darum, wer noch längere Versorgung bei Arbeitslosigkeit<br />

verspricht. Alle Kräfte müssen darauf konzentriert<br />

werden, gerade auch Ältere schnell wieder in


Arbeitsmarkt<br />

13<br />

Rente vorrangig vor Fürsorgeleistung<br />

Ende <strong>2007</strong> wurde intensiv darüber debattiert, wann<br />

Langzeitarbeitslose Rente beantragen müssen. Die staatliche<br />

Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II ist gegenüber<br />

jedem anderen Einkommen und Vermögen absolut<br />

nachrangig. Das ist schon deshalb sinnvoll und geboten,<br />

weil diese Leistung auch von Menschen über ihre<br />

Steuern mitfinanziert wird, die selbst nur ein geringes<br />

Einkommen erzielen. Wer durch die Inanspruchnahme<br />

einer Rente seine Bedürftigkeit vermeiden kann, muss<br />

dies deshalb ebenso tun wie jemand, der über anderes<br />

eigenes Einkommen, Vermögen oder die finanzielle<br />

Unterstützung eines Partners verfügt. Die Solidargemeinschaft<br />

springt nur dann und nur so weit ein, wenn<br />

der Einzelne sich nicht selbst helfen kann. Anderenfalls<br />

würde paradoxerweise sogar jemand mit hohem Rentenanspruch<br />

durch die Steuern von Arbeitnehmern unterstützt,<br />

die selbst nur eine geringere Rente erwarten<br />

können. Die vorrangige Nutzung der eigenen Rentenansprüche<br />

als „Zwangsverrentung“ zu bezeichnen, ist<br />

in doppelter Weise irreführend: So wird eine Schlechterstellung<br />

von Rentenberechtigten suggeriert, obwohl<br />

sie in Wirklichkeit mit Berechtigten anderer Einkunftsarten<br />

nur gleichgestellt werden. Außerdem wird mit der<br />

Anforderung, einen bestehenden Rentenanspruch auch<br />

geltend zu machen, niemand vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.<br />

Im Gegenteil kann jeder Arbeitslose auch<br />

nach Rentenbeginn weiter arbeiten. Die BDA tritt dafür<br />

ein, dies durch eine Abschaffung der überflüssigen gesetzlichen<br />

Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten<br />

noch zu fördern. Massiv hat sich die BDA gegen<br />

im November <strong>2007</strong> aufgekommene Bestrebungen<br />

gewandt, die gesetzlich Ende <strong>2007</strong> auslaufende „58 er-<br />

Regelung“ – nach der ältere Arbeitslose ab 58 Jahren<br />

nicht mehr für die Vermittlung zur Verfügung stehen<br />

müssen und trotzdem Leistungen erhalten – doch noch<br />

einmal zu verlängern. Dieser Einsatz war erfolgreich.


14 Arbeitsmarkt<br />

neue Arbeit zu bringen. Die Zeit dafür ist günstig. Ältere<br />

Arbeitslose profitieren vom aktuellen Aufschwung<br />

am Arbeitsmarkt mehr als andere. Im zweiten Quartal<br />

<strong>2007</strong> lag die Beschäftigungsquote 55- bis 64-Jähriger<br />

erstmals über dem von der EU-Kommission für<br />

das Jahr 2010 anvisierten Zielwert von 50 % („Lissabon-Ziel“).<br />

Auch die Arbeitslosigkeit Älterer ist <strong>2007</strong><br />

kräftig zurückgegangen: Die Zahl der Arbeitslosen<br />

über 55 Jahre lag Ende des Jahres um ein Fünftel unter<br />

dem Vorjahresniveau – damit war der Rückgang hier<br />

sogar stärker als bei der Arbeitslosigkeit insgesamt.<br />

Ohne Not wird mit der Verlängerung des Arbeitslosengelds<br />

den Beitragszahlern ein Kostenrisiko in Milliardenumfang<br />

aufgebürdet. Die Koalition hat zwar<br />

beschlossen, dies für die Arbeitslosenversicherung<br />

aufkommensneutral umzusetzen. Zu befürchten ist jedoch,<br />

dass dies letztlich auf ein Verschleierungsmanöver<br />

hinausläuft. Und selbst eine vermeintliche Kostenneutralität<br />

würde nichts an der fundamental falschen<br />

Weichenstellung beim Arbeitslosengeld ändern, weil<br />

längst erwiesen ist, dass längere Arbeitslosengeldansprüche<br />

auch zu längerer Arbeitslosigkeit führen und<br />

sich vor allem im Konjunkturabschwung zur teuren<br />

Brücke in die Rente entpuppen dürften.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosenversicherung“<br />

sowie den kompakt „Ältere Arbeitnehmer“<br />

veröffentlicht. Beide sind über www.bda-online.de<br />

abrufbar.<br />

Fördern und Fordern<br />

von Langzeitarbeitslosen<br />

statt kontraproduktive<br />

Arbeitsmarktprogramme<br />

Die Aufwärtsentwicklung am Arbeitsmarkt hat im Lauf<br />

des Jahres <strong>2007</strong> erfreulicherweise – wenn auch zögerlich<br />

– den Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II<br />

erreicht. Es gilt jetzt verstärkt, das weiterhin positive konjunkturelle<br />

Umfeld zu nutzen und mehr Langzeitarbeitslosen<br />

und geringer Qualifizierten echte Beschäftigungsperspektiven<br />

am ersten Arbeitsmarkt zu geben. Auch<br />

Beschäftigungsquote Älterer: Kurswechsel zeigt Erfolge (IN PRozent)<br />

52<br />

49<br />

45<br />

41<br />

38 38<br />

37<br />

38 38<br />

39<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 <strong>2007</strong><br />

Hier jeweils die Werte für das zweite Quartal. Quelle: Eurostat, <strong>2007</strong>


Arbeitsmarkt<br />

15<br />

knapp drei Jahre nach dem Start von Hartz IV ist aber<br />

die dazu notwendige Strategie für eine umfassende Aktivierung<br />

und gezielte Unterstützung von erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen noch nicht richtig und flächendeckend<br />

in Gang gekommen. Neben fortbestehenden Fehlanreizen<br />

im Arbeitslosengeld II bleibt größter Hemmschuh<br />

die falsch ausgestaltete Mischverwaltung aus Kommunen<br />

und Arbeitsagenturen, die zu mangelnder Transparenz<br />

und unklaren Verantwortlichkeiten führt. Weit reichende<br />

Initiativen der Bundesregierung, das Arbeitslosengeld II<br />

grundlegend zu überarbeiten und tatsächlich den Niedriglohnsektor<br />

neu zu ordnen, stehen Ende <strong>2007</strong> auch<br />

nach der Arbeit der Koalitionsarbeitsgruppe „AG Arbeitsmarkt“<br />

immer noch aus.<br />

Reformbedarf besteht weiterhin beim grundsätzlich<br />

richtigen Kombi-Einkommen aus Erwerbseinkommen<br />

und aufstockendem Arbeitslosengeld II. Rund die Hälfte<br />

der etwa 1,25 Mio. Kombi-Einkommens-Bezieher<br />

im Jahr <strong>2007</strong> hat ein eigenes Erwerbseinkommen von<br />

weniger als 400 € monatlich angegeben. Es ist offenbar<br />

nach wie vor attraktiv, sich nur ein geringes Erwerbseinkommen<br />

zum Arbeitslosengeld II „hinzuzuverdienen“<br />

und bei viel Freizeit im Leistungsbezug einzurichten.<br />

Um solche Fehlanreize zu vermeiden, ist es sinnvoll,<br />

bis zu 200 € eigenes Einkommen voll auf die Fürsorgeleistung<br />

anzurechnen, wie es der Sachverständigenrat<br />

schon 2006 vorgeschlagen hat. Darüber hinaus wäre<br />

eine durchgängige Anrechnungsfreistellung von 15 %<br />

denkbar. Die BDA setzt sich weiterhin dafür ein, dass<br />

für Jugendliche die Regelleistung generell auf 50 % abgesenkt<br />

und der volle Leistungssatz (bzw. plus Kombi-<br />

Einkommen) nur gewährt wird, wenn eine Arbeit, Ausbildung<br />

oder Fördermaßnahme angenommen wird. Für<br />

mehr Arbeitsanreize müssen zudem die Zuschläge zum<br />

Arbeitslosengeld II nach dem Bezug von Arbeitslosengeld<br />

gestrichen werden, weil diese letztlich höhere Leistungen<br />

für Nichtarbeit bedeuten.<br />

Völlig überflüssig und arbeitsmarktpolitisch fragwürdig<br />

wäre die Einführung einer neuen Parallelleistung<br />

zum Arbeitslosengeld II zur Unterstützung von Geringverdienern.<br />

Die Koalition hat im Herbst <strong>2007</strong> beschlossen,<br />

die Einführung eines sog. Erwerbstätigen-<br />

Aktivierungs- und Vermittlungsstrategie flächendeckend angehen<br />

Die passgenaue Arbeitsvermittlung bleibt eine zentrale<br />

arbeitsmarktpolitische Herausforderung – sowohl<br />

in der Arbeitslosenversicherung als auch im Fürsorgesystem.<br />

Während aber im Zuge der BA-Reform<br />

bereits entsprechende Konzepte Form annehmen, ist<br />

beim Arbeitslosengeld II noch keine klare Strategie zu<br />

erkennen. Kernelemente der BA-Strategie sind neben<br />

dem Ausbau des Arbeitgeberservice die in diesem Jahr<br />

durchgängig etablierten „Handlungsprogramme“, mit<br />

denen verbindliche Qualitätsstandards auch für die<br />

Aktivierung und Förderung von Arbeitslosen festgelegt<br />

werden. Die BDA setzt sich zudem auch im BA-Verwaltungsrat<br />

dafür ein, dass die Bundesagentur so weit<br />

wie möglich mit privaten Arbeitsmarktdienstleistern<br />

zusammenarbeitet. <strong>2007</strong> konnte mit Nachdruck der<br />

Arbeitgeber in immerhin zehn Arbeitsagenturen ein<br />

Modellversuch zum umfassenden Einsatz von Privaten<br />

gestartet werden. Ebenso wird die BA künftig bei der<br />

Integration von denjenigen Arbeitslosen, die beson-<br />

ders intensiv betreut werden müssen, verstärkt ganzheitlichen<br />

Service bei privaten Dritten einkaufen.<br />

Ganzheitliche Konzepte sind vor allem auch im Fürsorgesystem<br />

Arbeitslosengeld II notwendig, um Langzeitarbeitslosen<br />

und geringer Qualifizierten neue<br />

Jobperspektiven am ersten Arbeitsmarkt zu geben.<br />

Erfahrungen aus Großbritannien oder den Niederlanden<br />

zeigen, dass die erfolgreiche Arbeitsmarktintegration<br />

vor allem dort gelingt, wo die öffentliche<br />

Arbeitsverwaltung eng mit Privaten kooperiert. Auch<br />

in Deutschland gibt es in einigen Regionen durchaus<br />

schon ähnliche Ansätze, die jetzt zügig in die Fläche<br />

gebracht werden müssen. Im Rahmen von Aktivierung<br />

und Unterstützung kann ergänzend der Einsatz<br />

öffentlicher Arbeitsgelegenheiten hilfreich sein. Diese<br />

müssen aber stets wohldosiert, transparent und kontrolliert<br />

eingesetzt werden.


16 Arbeitsmarkt<br />

zuschusses inkl. eines Ausbaus des bürokratischen<br />

Kinderzuschlags zu prüfen. Für einen Teil der erwerbstätigen<br />

Hilfebedürftigen würde so die Fürsorgeleistung<br />

durch andere Solidarleistungen ersetzt. Diskutiert wird,<br />

Erwerbstätigen, die mehr als 30 Stunden pro Woche<br />

arbeiten und mindestens 800 € (Alleinstehende) bzw.<br />

mindestens 1.300 € (Paare) brutto monatlich verdienen,<br />

einen Lohnzuschuss von 20 % zum Einkommen<br />

zu gewähren. Darüber hinaus soll der Zuschuss sukzessive<br />

abgeschmolzen werden. Zudem sollen die Bezugsmöglichkeiten<br />

für den bisherigen Kinderzuschlag<br />

ebenso wie für das Wohngeld erheblich ausgeweitet<br />

werden. In der Diskussion steht auch, im Vergleich<br />

zum Arbeitslosengeld II großzügigere Freibeträge bei<br />

der Anrechnung von Vermögen und Partnereinkommen<br />

einzuführen. Die Kosten für das neue Transfersystem,<br />

die offenbar zum größten Teil von den Beitragszahlern<br />

zur Arbeitslosenversicherung getragen werden<br />

sollen, werden mit jährlich mindestens 1,2 Mrd. €<br />

veranschlagt.<br />

Es ist zwar richtig, mehr Anreize für Vollzeiterwerbstätigkeit<br />

zu schaffen, um ein Einrichten im Leistungsbezug<br />

zu verhindern. Einfacher und transparenter wäre hierzu<br />

jedoch eine Umgestaltung des Erwerbsfreibetrages beim<br />

heutigen Kombi-Einkommen. Auch ist es zwar erfreulich,<br />

dass nach bisheriger Planung die neue Transferleistung<br />

weiterhin grundsätzlich an die Bedürftigkeit anknüpfen<br />

soll. Es ist aber zu befürchten, dass die geplante<br />

Ausweitung der Fördergrenzen und Vermögensfreibeträge<br />

letztlich zu mehr Leistungsempfängern führt. Dies<br />

wäre nicht nur mit erheblichen Finanzierungsrisiken<br />

verbunden, sondern würde auch zu einer dauerhaften<br />

Subventionierung von Einkommen bis in den Bereich<br />

Aufgaben, Kriterien und Grenzen öffentlich geförderter Beschäftigung<br />

Öffentliche Beschäftigung darf nur als Ausnahme<br />

unter eng definierten Bedingungen organisiert werden:<br />

zur Prüfung von Arbeitsbereitschaft, als streng<br />

subsidiäre Gelegenheit zu sinnvoller Betätigung im<br />

Interesse der Allgemeinheit und zur Stärkung des Bewusstseins,<br />

dass für die Unterstützung mit Arbeitslosengeld<br />

II stets auch eine Gegenleistung zu erbringen<br />

ist. Arbeitsgelegenheiten dürfen daher nur in<br />

absoluter Transparenz und bei einem Vetorecht von<br />

Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Beiräten<br />

vor Ort eingesetzt werden. Dies ist gesetzlich<br />

sicherzustellen. Für einen sinnvollen Einsatz öffentlicher<br />

Beschäftigung muss insgesamt gelten:<br />

• Einsatz immer nur im Einzelfall auf Basis eines konsequenten<br />

Profilings.<br />

• Grundsätzlich keine öffentliche Beschäftigung in<br />

privaten Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes,<br />

da dies zu unkontrollierbaren Verdrängungsprozessen<br />

führen würde.<br />

• „Gegenleistungsprinzip“, d. h., das „Entgelt“ in<br />

öffentlicher Beschäftigung, darf die individuelle<br />

Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II nicht<br />

überschreiten.<br />

• Für Jugendliche unter 25 Jahren muss die Teilnahme<br />

an längerfristigen öffentlichen Beschäftigungsmaßnahmen<br />

grundsätzlich ausgeschlossen sein.<br />

• Keine Ausgestaltung als sozialversicherungspflichtiges<br />

Arbeitsverhältnis, weil ansonsten Arbeitslosen<br />

suggeriert wird, einer regulären Beschäftigung<br />

nachzugehen.<br />

• Einsatz grundsätzlich immer so kurz wie möglich,<br />

als Ultima Ratio sollte im Einzelfall unter konsequenter<br />

Einhaltung der beschriebenen Grundsätze<br />

aber auch eine längere Beschäftigung möglich<br />

sein, wenn der Arbeitslose trotz intensiver Bemühungen<br />

noch keine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt<br />

gefunden hat.<br />

Die tatsächliche Arbeitsmarktlage darf nicht länger<br />

durch eine irreführende Herausnahme Arbeitsloser in<br />

künstlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus der<br />

offiziellen Arbeitslosenstatistik geschönt werden. Schon<br />

gar nicht dürfen Arbeitslose in solchen Maßnahmen<br />

als Beschäftigte gezählt werden. Völlig absurd wäre es<br />

auch, Menschen erst über produktivitätsferne Mindestlöhne<br />

vom Arbeitsmarkt auszusperren, um sie dann<br />

dauerhaft in „künstlicher Beschäftigung“ zu „fördern“.


Arbeitsmarkt<br />

17<br />

von Facharbeitergehältern und damit zu neuen Fehlanreizen<br />

führen. Die BDA hat dies in der Diskussion über<br />

den Niedriglohnsektor deutlich kritisiert.<br />

Völlig inakzeptabel ist außerdem, dass angesichts der<br />

positiven Finanzlage der BA auch die Erwerbstätigenzuschüsse<br />

systemwidrig aus der Arbeitslosenversicherung<br />

bezahlt werden sollen. Der Bund würde damit<br />

zusätzlich zum verfassungsrechtlich höchst bedenklichen<br />

Eingliederungsbeitrag ein weiteres Mal tief in<br />

die Kasse der Beitragszahler greifen, um arbeitsmarktpolitische<br />

Leistungen im Fürsorgesystem zu finanzieren.<br />

Das wirkliche Finanzierungsrisiko für die BA kann<br />

bei abflauender Konjunktur schnell auf ein Vielfaches<br />

des jetzigen „Schönwetterbetrages“ von 1,2 Mrd. €<br />

p. a. anwachsen. Neue Verschiebebahnhöfe in der<br />

Arbeitsmarktpolitik zu Lasten von Arbeitgebern und<br />

Arbeitnehmern darf es nicht geben, vielmehr muss der<br />

Bund endlich seiner Verantwortung für die überfällige<br />

Revision des Fürsorgesystems gerecht werden. Auch<br />

dürfen die greifbaren Erfolge der BA-Reform der letzten<br />

Jahre, die neben der allgemein guten Konjunktur<br />

auch die Grundlage für die deutliche Beitragssatzsenkung<br />

in der Arbeitslosenversicherung waren, nicht<br />

gefährdet und die BA mit neuen Ausgabeprogrammen<br />

wieder dauerhaft in eine finanzielle Schieflage gebracht<br />

werden.<br />

In die falsche Richtung gehen auch die von der Bundesregierung<br />

in diesem Jahr angestoßenen beiden<br />

neuen Programme für mehr öffentliche Beschäftigung.<br />

Statt Langzeitarbeitslosen echte Beschäftigungsperspektiven<br />

zu geben, werden mit künstlicher Beschäftigung<br />

in der bereits im Oktober angelaufenen „Job-<br />

Perspektive“ und im „Kommunal-Kombi“ zusätzlich<br />

zu den am Jahresende <strong>2007</strong> bereits bestehenden<br />

rd. 360.000 öffentlich geförderten „Jobs“ (vor allem<br />

„Ein-Euro-Jobs“ und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen)<br />

weitere 200.000 vermeintlich „nicht mehr vermittelbare“<br />

Arbeitslose letztlich auf ein beschäftigungspolitisches<br />

Abstellgleis geschoben. Interessant ist, dass die<br />

Zahl 200.000 „zufällig“ im Wahljahr 2009 erreicht<br />

sein soll. Der ganze Politikansatz ist nicht zuletzt deswegen<br />

völlig inakzeptabel, weil es wegen der noch<br />

immer nicht hinreichend funktionierenden Aktivierung<br />

und Vermittlung durch die Arbeitsgemeinschaften und<br />

Optionskommunen bislang überhaupt keine präzisen<br />

Zahlen darüber gibt, wie viele schwer Vermittelbare<br />

sich tatsächlich unter den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

befinden. Zudem werden gerade mit den neuen<br />

Beschäftigungsprogrammen fatale Fehlanreize gesetzt:<br />

Die Teilnahme an einer Maßnahme, die vielfach sogar<br />

tariflich entlohnt werden soll, ist oft attraktiver als eine<br />

reguläre, ggf. auch geringer entlohnte Tätigkeit am ersten<br />

Arbeitsmarkt. Darüber hinaus nimmt die Gefahr<br />

einer Verdrängung von Arbeitsplätzen am ersten Arbeitsmarkt<br />

weiter zu. Dies gilt in besonderem Maße<br />

für den geplanten unmittelbaren Einsatz öffentlich geförderter<br />

Beschäftigter in privaten Unternehmen, der<br />

zu schwerwiegenden Verwerfungen am Arbeitsmarkt<br />

führt – potenzielle Stellen am ersten Arbeitsmarkt werden<br />

faktisch „verstopft“ und bestehende ungeförderte<br />

Arbeitsplätze verdrängt und damit letztlich sogar<br />

Beschäftigungschancen für gering Qualifizierte und<br />

Langzeitarbeitslose vernichtet.<br />

BDA und ZDH haben im August <strong>2007</strong> in einem gemeinsamen<br />

öffentlichen Aufruf die Verantwortlichen<br />

in der Politik eindringlich vor einer Ausweitung der<br />

öffentlichen Beschäftigung gewarnt. Beide Verbände<br />

haben dabei noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen,<br />

dass „Job-Perspektive“ und „Kommunal-Kombi“<br />

einen Flurschaden am Arbeitsmarkt hinterlassen<br />

werden. Auch der Sachverständigenrat hat im Jahresgutachten<br />

<strong>2007</strong> den „Kommunal-Kombi“ noch einmal<br />

als „äußerst kontraproduktiv“ gebrandmarkt und der<br />

Bundesregierung von einer Umsetzung der Pläne abgeraten.<br />

Statt sich darauf zu konzentrieren, vermeintlich<br />

nicht mehr Vermittelbare aus dem Erwerbsleben<br />

auszumustern, muss alles getan werden, um sie dort<br />

wieder zu integrieren.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosengeld<br />

II“, den kompakt „Kombi-Einkommen“ sowie<br />

den kompakt „Ein-Euro-Jobs“ veröffentlicht. Diese<br />

sind über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Gezielte Öffnung des Arbeitsmarktes<br />

für ausländische<br />

Fachkräfte voranbringen<br />

Im Jahr <strong>2007</strong> ist in die Diskussion über eine arbeitsmarktorientierte,<br />

gesteuerte Zuwanderung erfreulicherweise<br />

wieder Bewegung gekommen. Mit dem 2005 in


18 Arbeitsmarkt<br />

Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz wurden erstmalig<br />

Weichen für eine moderne Migrationspolitik gestellt.<br />

Nach wie vor besteht aber Verbesserungsbedarf.<br />

Positiv ist deshalb, dass auf der Grundlage der BDA-<br />

Forderungen u. a. durch die jüngste Novellierung des<br />

Zuwanderungsgesetzes weitere Schritte für eine stärker<br />

arbeitsmarktorientierte Zuwanderung erreicht wurden:<br />

Seit August <strong>2007</strong> können Selbstständige eine Aufenthaltserlaubnis<br />

schon bei einem Investitionsvolumen<br />

von 500.000 € (statt bisher 1 Mio. €) und der Schaffung<br />

von fünf Arbeitsplätzen (statt bisher zehn) erhalten.<br />

Auch für ausländische Studenten an deutschen<br />

Hochschulen und osteuropäische Maschinenbau- und<br />

Elektroingenieure gestaltet sich der Zugang zum Arbeitsmarkt<br />

seit Oktober <strong>2007</strong> einfacher, da in diesen<br />

Fällen jetzt auf die bürokratische und zeitintensive individuelle<br />

Vorrangprüfung verzichtet wird.<br />

Gerade im Hinblick auf die neuen EU-Mitglieder fordert<br />

die BDA als weiteren wichtigen Schritt für eine gezielte<br />

Öffnung des Arbeitsmarktes, dass die bestehenden<br />

Übergangsregelungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

von Arbeitnehmern aus den bereits im Mai 2004 beigetretenen<br />

Staaten Mittel- und Osteuropas nach 2009<br />

nicht mehr generell und umfassend verlängert werden.<br />

Dies hat das Präsidium der BDA im September <strong>2007</strong><br />

beschlossen. Es sollen nur dort Restriktionen bestehen<br />

bleiben, wo punktuelle, branchen- oder regionalspezifisch<br />

begründete Begrenzungen notwendig sind. Die<br />

Erfahrungen anderer EU-Länder wie beispielsweise<br />

Großbritannien und Schweden, die ihre Grenzen bereits<br />

zu einem früheren Zeitpunkt geöffnet haben, haben gezeigt,<br />

dass durch den zügigen Zugang zum Arbeitsmarkt<br />

zahlreiche Hochqualifizierte und qualifizierte Fachkräfte<br />

aus den osteuropäischen EU-Ländern angeworben<br />

werden konnten.<br />

Die Zahlen zur Zuwanderung von Hochqualifizierten<br />

belegen hingegen, dass Deutschland bei den ausländischen<br />

Fach- und Führungskräften nach wie vor leider<br />

noch nicht sehr hoch im Kurs steht. Auch wenn die Attraktivität<br />

Deutschlands für ausländische Fachkräfte von<br />

einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, so nimmt<br />

das restriktive Zuwanderungsrecht dabei doch eine<br />

wichtige Rolle ein. Notwendig wäre daher, für diese<br />

Zielgruppe ein klares positives Signal zu setzen. Bedauerlich<br />

ist, dass sich die Koalition immer noch nicht<br />

dazu durchgerungen hat, den Zuzug gut ausgebildeter<br />

Migranten durch Absenkung der im Gesetz genannten<br />

Mindesteinkommensgrenze von fast 86.000 € pro Jahr<br />

zu erleichtern. Die hohe Einkommensanforderung für<br />

Hochqualifizierte entspricht dem rd. Dreifachen des<br />

deutschen Durchschnittseinkommens und kann selbst<br />

von höchstqualifizierten jungen Nachwuchskräften in<br />

Deutschland oft nicht erreicht werden. Die Niederlande<br />

mit vergleichbaren nationalen Einkommensstrukturen<br />

lassen für den Zugang zum Arbeitsmarkt bereits ein<br />

Jahreseinkommen von 45.000 € ausreichen.<br />

In diesem Zusammenhang ist auch das von der EU-<br />

Kommission unter der Überschrift „EU-Blue-Card“ aus<br />

dem Oktober <strong>2007</strong> verfolgte Ziel, eine einfachere, unbürokratischere<br />

und flexiblere Lösung im Bereich der<br />

Wirtschaftsmigration von Hochqualifizierten zu schaffen,<br />

grundsätzlich zu begrüßen. Insbesondere die von<br />

der Kommission angeregte Absenkung der Einkommensgrenze<br />

für Hochqualifizierte ist sinnvoll. Fallstricke<br />

finden sich aber in den juristischen Details des entsprechenden<br />

Richtlinienentwurfs. Bei der Einführung<br />

neuer Zuwanderungsregelungen auf europäischer<br />

Ebene ist es besonders wichtig, dass der Entscheidungsspielraum<br />

der Mitgliedstaaten nicht so eingegrenzt<br />

wird, dass eine vernünftige, bedarfsorientierte<br />

und flexible Anpassung der nationalen Regelungen<br />

verhindert wird. Da der derzeitige Richtlinienentwurf<br />

Regelungen enthält, die es den Mitgliedstaaten verwehren<br />

könnten, den Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt<br />

flexibel und bedarfsorientiert nach einem Punktesystem<br />

zu steuern, kann er in seiner derzeitigen Fassung<br />

nicht akzeptiert werden.<br />

Die Einführung eines bedarfs- und qualifikationsorientierten<br />

Punktesystems, welches bereits in anderen<br />

Ländern erfolgreich funktioniert, ist vielmehr richtig<br />

und notwendig. Damit kann eine auf die erforderlichen<br />

Bedarfe der Wirtschaft abgestimmte Zuwanderung<br />

auf der Grundlage bestimmter Auswahlkriterien<br />

wie Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse<br />

zielgenau gesteuert werden. Im Rahmen von der<br />

Politik vorgegebener Kontingente können diejenigen<br />

schnell, unbürokratisch und flexibel ausgewählt werden,<br />

die dringend gebraucht werden und von denen<br />

eine schnelle Integration zu erwarten ist. Insbesondere<br />

vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs<br />

um die besten Köpfe, der steigenden Zahl<br />

nicht besetzbarer Arbeitsplätze und des demografisch


Arbeitsmarkt<br />

19<br />

Unternehmen und Mitarbeiter profitieren von Diversity Management<br />

Demografischer Wandel und Globalisierung sind<br />

die entscheidenden Treiber für die zunehmende<br />

Bedeutung von Diversity Management in den Unternehmen.<br />

Diversity Management ist ein Managementansatz<br />

zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien<br />

Arbeitsumfeldes durch die aktive<br />

Wertschätzung von Vielfalt in Belegschaften zur<br />

Steigerung des Unternehmenserfolges. Unternehmen,<br />

bei denen der Diversity-Ansatz in die Personalpolitik<br />

integriert ist, interpretieren die Vielfalt<br />

ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als betriebswirtschaftlich<br />

relevante Chance für alle Bereiche<br />

des Unternehmens. Diversity Management konzentriert<br />

sich dabei auf sog. Vielfaltsmerkmale wie Geschlecht,<br />

Nationalität, ethnische Herkunft, Religion<br />

oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle<br />

Orientierung und Identität.<br />

Im Dezember 2006 startete, initiiert durch die Unternehmen<br />

Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Deutsche<br />

BP und Daimler, die „Charta der Vielfalt“ als<br />

„grundlegendes Bekenntnis zum wirtschaftlichen<br />

Nutzen von Vielfalt und zu Toleranz, Fairness und<br />

Wertschätzung von Menschen in Unternehmen und<br />

öffentlichen Institutionen“. Im Zusammenhang mit<br />

dem nationalen Integrationsplan unterstützt die BDA<br />

u. a. die Implementierung der Charta und der ihr zu<br />

Grunde liegenden Idee in den Unternehmen, auch<br />

vor dem Hintergrund, die spezifischen Kompetenzen<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund stärker in<br />

die betrieblichen Abläufe einzubeziehen. Letztgenannten<br />

Zweck verfolgt auch die Kampagne „Vielfalt<br />

als Chance“, die das Potenzial von Migrantinnen<br />

und Migranten in den Bereichen Ausbildung und<br />

Beschäftigung für Wirtschaft und Verwaltung stärker<br />

ausschöpfen will. BDA-Präsident Dr. Dieter Hundt<br />

ist Botschafter der Kampagne, die BDA engagiert<br />

sich darüber hinaus im dazugehörigen Sachverständigengremium.<br />

Dieses Forum gilt es insbesondere<br />

dafür zu nutzen, alle Beteiligten nachdrücklich an<br />

den ökonomischen und ganzheitlichen Charakter<br />

von Diversity Management zu erinnern. Vielfalt,<br />

auch kulturelle Vielfalt, generiert erst dann Wettbewerbsvorteile<br />

für die Unternehmen, wenn betriebswirtschaftlich<br />

relevante Fragestellungen ausreichend<br />

berücksichtigt werden können.<br />

bedingten Rückgangs der inländischen Erwerbsbevölkerung<br />

wird ein von der BDA schon lange gefordertes<br />

flexibles Punktesystem immer dringlicher. Das im<br />

Sommer <strong>2007</strong> von der Bundesregierung vereinbarte<br />

Ziel, ein Gesamtkonzept für eine arbeitsmarktorientierte<br />

Zuwanderung zu entwickeln, muss ein solches<br />

System unbedingt aufgreifen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zuwanderung<br />

und Integration“ veröffentlicht. Dieser ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.


21<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


22 Arbeitsrecht<br />

Reformstillstand im ARBEITSrecht<br />

beenden – BESCHÄFTIGUNGSpotenziale<br />

nutzen<br />

Bei der dringend notwendigen Flexibilisierung des Arbeitsrechts<br />

tritt die große Koalition auf der Stelle. Teilweise<br />

hat sie im letzten Jahr sogar den Rückwärtsgang<br />

eingelegt. Beispiele hierfür sind u. a. das Vorhaben, einen<br />

Pflegezeitanspruch einzuführen, oder die Neuregelung<br />

einiger Vorschriften im Betriebsverfassungsgesetz<br />

durch das sog. Risikobegrenzungsgesetz, das eigentlich<br />

der Kapitalmarktregulierung dienen soll.<br />

Statt Deregulierung und Flexibilität stehen so immer<br />

wieder Bürokratie und neue Einschränkungen auf der<br />

Agenda. Der Arbeitsmarkt und damit das Arbeitsrecht<br />

bleibt damit die Achillesferse der deutschen Volkswirtschaft.<br />

Dies hat der jüngste Bericht des Weltwirtschaftsforums<br />

eindrucksvoll bestätigt: Die Restriktionen des<br />

Arbeitsrechts sind noch vor dem Steuerrecht der größte<br />

Negativposten unserer Volkswirtschaft.<br />

Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung verstärkt diese<br />

Tendenz vielfach noch. Wechselnde Entscheidungen<br />

führen nicht zu der möglicherweise gewollten<br />

Einzelfallgerechtigkeit, sondern zu immer neuer Rechtsunsicherheit.<br />

Ob Kündigung unbefristeter Arbeitsverhältnisse<br />

oder die Regulierung befristeter, Teilzeitansprüche<br />

oder Mitbestimmungsrechte, die Unvorhersehbarkeit<br />

einer Entscheidung macht die Anwendung des ohnehin<br />

schon undurchschaubaren Rechts vielfach zum<br />

Vabanquespiel.<br />

Zwei Beispiele aus diesem Jahr im Tarifrecht haben dies<br />

besonders deutlich gemacht: Der vom Bundesarbeits­


Arbeitsrecht<br />

23<br />

gericht sanktionierte, gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit<br />

gerichtete Versuch, Tarifverträge mit<br />

Sozialplancharakter zu erstreiken, und das Recht, durch<br />

Sympathiestreiks auch nicht an den Tarifverhandlungen<br />

beteiligte Unternehmen in einen Arbeitskampf zu ziehen,<br />

führen zu einer weiteren gefährlichen Verschiebung<br />

der Arbeitskampfmächtigkeit zu Lasten der Arbeitgeber.<br />

Durch diese Entscheidungen wird das deutsche<br />

Arbeitskampfrecht deutlich unberechenbarer als bisher.<br />

Flexibilität und Rechtssicherheit sind Voraussetzungen<br />

für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer<br />

Arbeitsplätze. Mangelnde Flexibilität im Arbeitsrecht –<br />

vor allem im Kündigungsschutzrecht – und von der<br />

Rechtsprechung geförderte Rechtsunsicherheit schaffen<br />

Einstellungshemmnisse. Notwendig sind daher mutige<br />

Reformschritte, die sich keinesfalls auf ein „Weiter<br />

so“ und das Drehen allenfalls kleiner Stellschrauben<br />

beschränken dürfen. Notwendig ist vielmehr der<br />

durchgreifende Umbau unserer Arbeitsmarktordnung<br />

und damit unseres Arbeitsrechts mit dem Ziel, neue Arbeitsplätze<br />

zu schaffen.<br />

Arbeitsvertragsrecht<br />

beschäftigungsfördernd<br />

gestalten<br />

Einen Beitrag zu einer solchen Reform kann die Kodifikation<br />

des Arbeitsvertragsrechts leisten. Dafür darf<br />

sich ein solches Vorhaben aber keinesfalls auf eine<br />

Kompilation bestehender Gesetze und vorgefundener<br />

Rechtsprechung beschränken. Schon gar nicht dürfen<br />

die ohnehin schon übermäßigen Restriktionen in<br />

Gesetz und Rechtsprechung noch weiter ausgebaut<br />

werden. Genau darin erschöpft sich aber in vielen Teilen<br />

der dritte Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz,<br />

den die Professoren Henssler und Preis im<br />

Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Herbst vorgestellt<br />

haben. Trotz einer mehr als einjährigen Überarbeitung<br />

auf Grundlage zahlreicher Änderungsvorschläge der<br />

BDA, aus Verbänden, Wirtschaft, Wissenschaft und<br />

Praxis und vielfältiger Diskussionen sind substanzielle<br />

Verbesserungen nicht zu erkennen. Im Gegenteil: In<br />

einem so zentralen Punkt wie dem Kündigungsschutz<br />

fallen die Überlegungen noch hinter das geltende<br />

Recht zurück.<br />

So wird im Entwurf der Schwellenwert für die Geltung<br />

des Kündigungsschutzgesetzes nicht mehr an<br />

den Betrieb, sondern an das Unternehmen gekoppelt,<br />

was zu einer gravierenden Ausweitung des<br />

Kündigungsschutzgesetzes führen würde. De facto<br />

soll beim Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit als<br />

Grundlage für die betriebsbedingte Kündigung auf<br />

das Unternehmen, nicht mehr auf den Betrieb abgestellt<br />

werden. Anknüpfungspunkt für die Betriebsbedingtheit<br />

der Kündigung wäre dann grundsätzlich das<br />

Unternehmen und nicht mehr wie bisher der Betrieb.<br />

Die Suche nach einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit<br />

wird für den Fall, dass eine konzernweite Versetzungsklausel<br />

mit dem Arbeitnehmer vereinbart<br />

ist, sogar vom Betrieb auf den Konzern ausgedehnt.<br />

Unverständlich und unnötig ist die Verlängerung der<br />

Klagefrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage<br />

von drei Wochen auf einen Monat. Gleiches gilt<br />

für die Anhebung der Abfindungshöchstgrenze im<br />

Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch<br />

das Gericht auf 18 Monatsverdienste.<br />

In seiner jetzigen Form ist der Entwurf daher – trotz seines<br />

bemerkenswerten wissenschaftlichen Ansatzes –<br />

nicht akzeptabel. Eine Versteinerung des Arbeitsrechts<br />

auf der Basis des geltenden Rechts und der aktuellen<br />

Rechtsprechung mit weiteren gefährlichen Einschränkungen<br />

in zentralen Rechtsbereichen gefährdet vielmehr<br />

Beschäftigung und demotiviert, neue Arbeitsplätze<br />

zu schaffen.<br />

Flexibilität verlangt<br />

praxisgerechte BEFRISTUNGSmöglichkeiten<br />

Befristete Arbeitsverträge sind ein Beschäftigungsmotor<br />

des deutschen Arbeitsmarktes. Sie bieten Arbeitssuchenden<br />

einen Erfolg versprechenden Weg für einen Erstoder<br />

Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Die Neuregelung<br />

des Rechts der Älterenbefristung, die am 1. Mai<br />

<strong>2007</strong> in Kraft getreten ist, beweist, dass die Bundesregierung<br />

die Chancen dieses Instruments zur Bekämpfung<br />

und Vermeidung von Arbeitslosigkeit noch immer verkennt.<br />

Die Attraktivität befristeter Arbeitsverträge muss<br />

gesteigert werden. Dies macht umfassende Änderungen<br />

im Befristungsrecht notwendig:


24 Arbeitsrecht<br />

Die Gestaltungsmöglichkeiten der sachgrundlosen<br />

Befristung sollten ausgedehnt werden. Dies setzt vor<br />

allem eine Ausdehnung des Befristungshöchstzeitraums<br />

auf fünf Jahre voraus. Die Möglichkeit der sachgrundlosen<br />

Befristung ist dabei besonders dort zu erweitern,<br />

wo Beschäftigungslosigkeit bekämpft werden kann. Der<br />

Ansatzpunkt hierfür muss der drohende Eintritt der Arbeitslosigkeit<br />

sein. Es ist kontraproduktiv, den Eintritt der<br />

Beschäftigungslosigkeit für die Nutzung der Befristung<br />

verpflichtend zu machen. Genau dieser Fehler wurde<br />

bei der Neuregelung der Älterenbefristung gemacht. Danach<br />

kann ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer,<br />

der das 52. Lebensjahr vollendet hat, ohne<br />

sachlichen Grund nur dann abgeschlossen werden,<br />

wenn der Arbeitnehmer unmittelbar vorher mindestens<br />

vier Monate beschäftigungslos gewesen ist. Das Erfordernis<br />

einer bereits bestehenden Beschäftigungslosigkeit ist<br />

kontraproduktiv, weil es erst den Eintritt eines Zustands<br />

erfordert, der bekämpft werden soll.<br />

Das Ersteinstellungserfordernis bei sachgrundlosen Befristungen<br />

muss abgeschafft werden. Seine Abschaffung<br />

würde gerade den Berufseinstieg junger, qualifizierter<br />

Arbeitskräfte erleichtern, die bereits während ihres Studiums<br />

in einem Unternehmen gearbeitet haben, um Praxiserfahrung<br />

zu sammeln. Ihnen wird ein erleichterter<br />

Berufseinstieg durch ein befristetes Arbeitsverhältnis<br />

in Unternehmen, in denen sie während des Studiums<br />

tätig waren, infolge des Ersteinstellungserfordernisses<br />

verwehrt. Der Zweck des Ersteinstellungserfordernisses,<br />

Kettenarbeitsverhältnisse zu verhindern, kann durch<br />

Einführung einer Wartefrist von sechs Monaten erreicht<br />

werden, die zwischen zwei Arbeitsverhältnissen liegen<br />

muss.<br />

Für eine sog. Prozessbeschäftigung, die bis zum Abschluss<br />

von laufenden Kündigungsschutzprozessen erfolgt,<br />

um Verzugslohnansprüche zu vermeiden, sollte<br />

das Schriftformerfordernis abgeschafft werden. Es ist<br />

praxisfern, dass ein Arbeitgeber mit seinem gekündigten<br />

Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag für<br />

die Dauer des Kündigungsschutzprozesses schriftlich<br />

abschließt.<br />

Ebenso muss die Nichteinhaltung der Schriftform nach<br />

Arbeitsaufnahme geheilt werden können, wenn sich die<br />

Parteien über die Befristung des Arbeitsverhältnisses im<br />

Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme einig waren.<br />

Pflegezeitanspruch<br />

überflüssig<br />

Am 17. Oktober hat die Bundesregierung den Entwurf<br />

eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der<br />

Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)<br />

beschlossen, der ein eigenständiges Pflegezeitgesetz<br />

enthält. Die erste Lesung im Bundestag hat am 14. Dezember<br />

stattgefunden. Das Gesetz soll am 1. Juli 2008<br />

in Kraft treten.<br />

Das Gesetz sieht einen Anspruch für Arbeitnehmer<br />

auf unbezahlte vollständige oder teilweise Freistellung<br />

von der Arbeit mit Rückkehrmöglichkeit für die Pflege<br />

eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung vor<br />

(Pflegezeit). Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz<br />

der Länder hatte sich im November letzten Jahres noch<br />

für eine Freistellung von bis zu drei Jahren ausgesprochen.<br />

Durch frühzeitiges Tätigwerden konnte die BDA<br />

erreichen, dass der Anspruch nunmehr auf maximal<br />

sechs Monate begrenzt ist. Nach dem Referentenentwurf<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit sollte er<br />

gegenüber Arbeitgebern mit zehn oder weniger Arbeitnehmern<br />

gelten. Die BDA konnte erreichen, dass der<br />

Anspruch nicht gegenüber Arbeitgebern mit zehn oder<br />

weniger Arbeitnehmern besteht. Der Schwellenwert<br />

orientiert sich jetzt an den entsprechenden Grenzen im<br />

Teilzeit- und Befristungsgesetz und Bundeselterngeldund<br />

Elternzeitgesetz. Bisher sieht der Gesetzentwurf<br />

eine Ankündigungsfrist von nur zehn Tagen vor, die<br />

der Arbeitnehmer einzuhalten hat, wenn er seine Arbeitszeit<br />

reduzieren oder freigestellt werden will. Die<br />

Pflegebedürftigkeit hat er durch Vorlage einer Bescheinigung<br />

der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes<br />

der Krankenversicherung nachzuweisen.<br />

Neben dem Anspruch auf Pflegezeit sieht der Gesetzentwurf<br />

die Einführung eines Anspruchs auf Freistellung<br />

von bis zu zehn Tagen für den Fall der kurzzeitigen<br />

Arbeitsverhinderung bei einer akut eingetretenen<br />

Pflegesituation vor. Die zunächst geplante Einführung<br />

eines sog. Pflegeunterstützungsgeldes während der<br />

kurzzeitigen Freistellung und eine damit verbundene<br />

weitere finanzielle Belastung der Pflegeversicherung<br />

konnte die BDA verhindern.


Arbeitsrecht<br />

25<br />

Bereits die Einführung eines eigenen gesetzlichen Freistellungs-<br />

und Teilzeitanspruchs für Fälle der Pflege ist<br />

dem Grunde nach überflüssig. Schon heute wird den<br />

Bedürfnissen der Arbeitnehmer durch flexible Arbeitszeitmodelle<br />

und die Möglichkeit von Teilzeitarbeit,<br />

Telearbeit und Heimarbeit entsprochen. Die Einführung<br />

eines weiteren Anspruchs darf in keinem Fall zu<br />

einer übermäßigen Belastung der Unternehmen mit<br />

weiterer Bürokratie führen. Im Hinblick darauf ist eine<br />

Ankündigungsfrist von zehn Tagen bei weitem nicht<br />

ausreichend. Sie wird den Bedürfnissen einer ordentlichen<br />

Personalplanung in der Praxis nicht gerecht. Erforderlich<br />

ist eine Frist von mindestens sieben Wochen<br />

entsprechend § 16 Abs. 1 BEEG. Für Fälle akut auftretender<br />

Pflegesituationen kann eine Abweichung vorgesehen<br />

werden. Einen Anspruch auf Pflegezeit dürfen<br />

außerdem nur solche Arbeitnehmer haben, die mehr als<br />

sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. Anderenfalls<br />

würde die Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes<br />

unterlaufen, weil für den jeweiligen Arbeitnehmer bereits<br />

ab Ankündigung der Pflegezeit ein umfassendes<br />

Kündigungsverbot bestehen soll. Gleichzeitig muss<br />

sichergestellt werden, dass der sechsmonatige Freistellungsanspruch<br />

nicht auf mehrere Freistellungszeiträume<br />

verteilt wird. Der Arbeitgeber muss auch die<br />

Möglichkeit haben, den Anspruch auf Pflegezeit oder<br />

die Verteilung der reduzierten Arbeitszeit abzulehnen,<br />

wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Eine vorzeitige<br />

Beendigung der Pflegezeit sollte immer nur mit<br />

Zustimmung des Arbeitgebers möglich sein.<br />

Statt einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung<br />

von der Arbeit bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung<br />

einzuführen, sollte vorrangig auf arbeitsvertraglichem<br />

Wege eine Lösung gefunden werden. Jedenfalls sollte<br />

zunächst übergesetzlicher Urlaub in Anspruch genommen<br />

werden müssen, bevor eine Freistellung gefordert<br />

werden kann. Darüber hinaus sollte für die Zeit der<br />

kurzzeitigen Arbeitsverhinderung eine Entgeltfortzahlung<br />

durch den Arbeitgeber ausdrücklich ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Freistellungsansprüche belasten gerade kleine und mittlere<br />

Unternehmen mit Bürokratie und Kosten. Grundsätzlich<br />

sollten daher alle gesetzlichen Ansprüche, die<br />

dem Arbeitnehmer einseitig ermöglichen, seine arbeitsvertraglich<br />

vereinbarte Arbeitszeit zu reduzieren, auf Betriebe<br />

mit mindestens 20 Beschäftigten unter Ausschluss<br />

der Auszubildenden beschränkt werden. Jedenfalls aber<br />

sollten abweichende Regelungen vom Pflegezeitgesetz<br />

durch die Arbeitsvertragsparteien, zumindest die Tarifvertragsparteien,<br />

in allen Bereichen möglich sein.<br />

Attraktivität von<br />

Langzeitarbeitszeitkonten<br />

erhalten<br />

Im Juli hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

(BMAS) einen ersten Diskussionsentwurf für ein<br />

„Gesetz zur Verbesserung von Rahmenbedingungen<br />

der sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen“<br />

vorgelegt. Der Diskussionsentwurf enthält<br />

erhebliche Verschärfungen der geltenden Rechtslage<br />

zur Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten.<br />

Mit dem Gesetz soll der Koalitionsvertrag zwischen<br />

CDU/CSU und SPD umgesetzt werden. Darin ist die<br />

„Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

bei der Verwendung und beim Schutz von Langzeitarbeitszeitkonten“<br />

vereinbart. Dies bedeutet aber auch,<br />

dass der Auftrag im Koalitionsvertrag allein Regelungen<br />

zu Langzeitarbeitszeitkonten betrifft. Überlegungen des<br />

BMAS, die Arbeitszeitflexibilisierung zur Anpassung an<br />

Produktions- und Nachfrageschwankungen einzuschränken,<br />

sind davon nicht gedeckt. Es muss sichergestellt<br />

bleiben, dass die notwendige Arbeitszeitflexibilisierung<br />

zum Ausgleich betrieblicher Konjunkturschwankungen<br />

nicht beeinträchtigt wird. Eine solche Beeinträchtigung<br />

ist inakzeptabel. Arbeitszeitflexibilität stellt einen zentralen<br />

Wettbewerbsvorteil der deutschen Wirtschaft dar.<br />

Gerade auf diese Arbeitszeitflexibilität sind die Unternehmen<br />

angewiesen, weil sie ein wesentliches Element<br />

darstellen, die im internationalen Vergleich sehr kurzen<br />

Arbeitszeiten auszugleichen.<br />

Bei der Umsetzung der Überlegungen des Ministeriums<br />

würde die Bildung von Lebens- und Langzeitkonten in<br />

den Betrieben unattraktiv. Deshalb hat die BDA frühzeitig<br />

und kontinuierlich den zuständigen Ministerien<br />

die Problematik dargelegt und auf Änderungen hingearbeitet.<br />

In die Bildung von Positionen zu diesem zentralen<br />

Thema wurden die Mitgliedsverbände in vielfältiger<br />

Weise einbezogen.


26 Arbeitsrecht<br />

Ein Zwischenziel hat die BDA bereits erreicht. Es wurde<br />

verhindert, dass die Möglichkeit vollständig abgeschafft<br />

wird, Guthaben auf Arbeitszeitkonten unter<br />

bestimmten Umständen in Bausteine der betrieblichen<br />

Altersvorsorge umzuwandeln.<br />

Nichtsdestotrotz enthält der vorliegende Diskussionsentwurf<br />

zahlreiche kritische Punkte, so z. B.:<br />

• Der für die Bildung von Lang- und Lebensarbeitszeitkonten<br />

zentrale Begriff des „Wertguthabens“ im<br />

SGB IV soll teilweise neu bestimmt werden. Hierin<br />

besteht das große Risiko, dass auch solche Arbeitszeitkonten<br />

einbezogen werden, die der Flexibilisierung<br />

der betrieblichen Arbeitszeit dienen.<br />

• Es sind weitere Einschränkungen vorgesehen, die die<br />

Führung von Arbeitszeitkonten bürokratischer machen<br />

und die Anlage- und Sicherungsmöglichkeiten<br />

massiv beschränken würden. So soll beispielsweise<br />

die Vermögensanlage von Wertguthaben in Aktien,<br />

Aktienfonds und Wertpapieren auf 20 % begrenzt<br />

werden. Attraktive Wertentwicklungen sind unter dieser<br />

Vorgabe praktisch ausgeschlossen.<br />

• Zudem soll das Wertguthaben in Zukunft getrennt<br />

vom Betriebs- und Anlagevermögen des Arbeitgebers<br />

zu führen sein. Faktisch führt diese Regelung dazu,<br />

dass die Absicherung des Wertguthabens durch eine<br />

Bankbürgschaft nicht mehr möglich ist, obwohl dies<br />

ein sicheres Insolvenzsicherungsmittel ist.<br />

• Die geplante Einführung der Pflicht zur Kontenführung<br />

in Geld stellt einen erheblichen Eingriff in die<br />

Gestaltungsfreiheit der Betriebe dar. Die bisher alternativ<br />

oder auch parallel mögliche Kontenführung in<br />

Geld und/oder Zeit hat sich in der betrieblichen Praxis<br />

bewährt.<br />

• Außerdem soll ein bestehender Insolvenzschutz nur<br />

mit schriftlicher Zustimmung des Arbeitnehmers auf<br />

einen anderen Träger der Insolvenzsicherung übertragen<br />

werden können. Diese Regelung ist bei großen<br />

Teilnehmerzahlen nicht praktikabel.<br />

• Schließlich soll auch die beitragsrechtliche Behandlung<br />

des Arbeitszeitkontos einer Neuregelung unterzogen<br />

werden.<br />

Nach den Plänen des BMAS sollen die neuen Regelungen<br />

im Herbst 2008 in Kraft treten.<br />

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz<br />

belastet die Wirtschaft<br />

Bereits nach eineinhalbjährigem Bestehen zeigt sich,<br />

dass das AGG die Arbeitgeber mit neuer Bürokratie, erheblicher<br />

Rechtsunsicherheit und zusätzlichen Kosten<br />

belastet. Missbrauchsfälle nehmen deutlich zu.<br />

Bürokratie ist insbesondere durch neuen Begründungsund<br />

Dokumentationsaufwand z. B. für eingegangene<br />

Bewerbungen, geführte Bewerbungsgespräche und<br />

sonstige Personalentscheidungen entstanden. Der<br />

Rechtfertigungsdruck, der vor allem aus der im Gesetz<br />

vorgesehenen Beweislastverteilung zu Lasten des Arbeitgebers<br />

herrührt, geht zum Teil sogar so weit, dass<br />

sich Unternehmen genötigt sehen, AGG-Policen bei<br />

Versicherungen abzuschließen, um Schadensersatzforderungen<br />

entgegenzuwirken. Dadurch entstehen<br />

ebenso zusätzliche Kosten wie durch die im Gesetz<br />

vorgeschriebenen Schulungen. Diese Kosten und weitere<br />

Ausgaben für die Gesetzesimplementierung haben<br />

dazu geführt, dass die Unternehmen im ersten Jahr<br />

nach Inkrafttreten des AGG mindestens 1,73 Mrd. €<br />

zusätzlich ausgegeben haben.<br />

Erhebliche Rechtsunsicherheit besteht vor allem bei der<br />

Auslegung der vielen unbestimmten Rechtsbegriffe, die<br />

im Gesetz verwendet werden. Unklar ist u. a., was „erforderliche<br />

Maßnahmen“ zum Schutz vor Benachteiligungen<br />

sind und wie der Arbeitgeber in „geeigneter Art<br />

und Weise“ Schulungen durchführen soll. Arbeitgeber<br />

werden damit unkalkulierbaren Prozessrisiken ausgesetzt<br />

und haben kaum Anhaltspunkte, wie sie sich gesetzeskonform<br />

verhalten sollen. Daneben lässt sich nicht vorhersagen,<br />

wann eine Differenzierung wegen des Alters<br />

noch gerechtfertigt werden kann. Viele Vergünstigungen<br />

für ältere Mitarbeiter enthalten zugleich eine Benachteiligung<br />

Jüngerer, die am Katalog der Rechtfertigungsgründe<br />

des § 10 AGG gemessen wird.<br />

Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung ist zum Teil<br />

abenteuerlich. So hat das Arbeitsgericht Osnabrück Kündigungen,<br />

die im Rahmen einer Massenentlassung unter<br />

Verwendung eines Interessenausgleichs mit Namensliste<br />

ausgesprochen wurden, für altersdiskriminierend erklärt.<br />

Die vom Arbeitgeber zur Sicherung einer ausgewogenen<br />

Personalstruktur nach Altersgruppen durchgeführte Sozi­


Arbeitsrecht<br />

27<br />

alauswahl hielt das Arbeitsgericht Osnabrück für nicht zulässig,<br />

obwohl genau das Gegenteil im Kündigungsschutzgesetz<br />

steht. Das LAG Niedersachsen hat die Urteile zu<br />

Recht aufgehoben und eine Diskriminierung verneint. Das<br />

letzte Wort in diesem Rechtsstreit wird das Bundesarbeitsgericht<br />

(BAG) haben.<br />

Die Befürchtungen über einen möglichen Rechtsmissbrauch<br />

durch obskure Vereinigungen und Einzelpersonen<br />

sind schneller als erwartet eingetreten. Sog. AGG-<br />

Hopper suchen gezielt nach Fehlern in Stellenanzeigen<br />

und bewerben sich allein mit dem Ziel, abgelehnt zu<br />

werden und den potenziellen Arbeitgeber auf eine<br />

Entschädigungszahlung in Anspruch zu nehmen. Die<br />

Rechtsprechung ist sich in Bezug auf (enttarnte) AGG-<br />

Hopper einig. Selbst wenn dem Arbeitgeber in einer<br />

Stellenausschreibung ein Fehler unterlaufen ist, hat der<br />

abgelehnte AGG-Hopper keinen Anspruch auf Zahlung<br />

einer Entschädigung, da es an der subjektiven Ernsthaftigkeit<br />

seiner Bewerbung fehlt. Zuletzt hat dies das LAG<br />

Baden-Württemberg im August entschieden.<br />

Da für Arbeitgeber oft schwer festzustellen ist, ob ein<br />

Bewerber ein AGG-Hopper ist, der sich eventuell auch<br />

schon in anderen Bundesländern beworben hat, hat<br />

die BDA ein Archiv eingerichtet, bei dem AGG-Hopper<br />

– unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben<br />

– sowohl gemeldet als auch abgefragt werden<br />

können. Das Archiv steht ausschließlich BDA-Mitgliedern<br />

zur Verfügung.<br />

In mehreren Fällen ist zumindest eine obskure Vereinigung<br />

aufgetreten, die angeblich die Interessen benachteiligter<br />

Personen oder Personengruppen nach dem<br />

AGG schützt. Es wurde damit gedroht, dem Bewerber<br />

zu raten, Arbeitgeber auf Schadensersatz und Unterlassung<br />

in Anspruch zu nehmen. Versehen wird das<br />

jeweilige Schreiben mit einer Kostennote, mit der der<br />

Verein sich für seine Tätigkeit – den Hinweis auf den<br />

Verstoß gegen das AGG – bezahlen lassen will. Ein<br />

solcher Kostenerstattungsanspruch ist juristisch nicht<br />

haltbar.<br />

Die BDA erleichtert mit zahlreichen Serviceleistungen<br />

ihren Mitgliedern den Umgang mit dem Gesetz. Neben<br />

der Veranstaltung von Fachtagungen und Schulungen<br />

unmittelbar vor und nach Inkrafttreten des Gesetzes<br />

hat die BDA die Broschüre „Das neue Allgemeine<br />

Gleichbehandlungsgesetz. Pflichten – Risiken – Gestaltungsmöglichkeiten“<br />

herausgegeben sowie zwei Merkblätter<br />

– jeweils eines für Mitarbeiter mit und ohne<br />

Führungsverantwortung – erstellt. Das AGG wird von<br />

der Rechtsprechung ausgelegt. Daher sollten Arbeitgeber<br />

die neuesten Entscheidungen im Blick haben. Die<br />

BDA hat deshalb eine Entscheidungssammlung angelegt,<br />

die ständig aktualisiert wird und bei Bedarf abgerufen<br />

werden kann.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Antidiskriminierung“<br />

veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de<br />

abrufbar.<br />

Verteilung der Gesamtkosten zum AGG nach Kostenblöcken<br />

7 %<br />

4 %<br />

1 %<br />

35 %<br />

Strategie<br />

Schulung<br />

22 %<br />

Screening, Standards<br />

Dokumentation<br />

Zusätzl. Aufwand Stammbelegschaft<br />

Sonstige<br />

31 %<br />

Quelle: Universität Dortmund, Lehrstuhlprojekt im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH


28 Arbeitsrecht<br />

Mitbestimmung – Modernisierung<br />

statt neuer bürokratischer<br />

informationspflichten<br />

Das geplante Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen<br />

für Kapitalbeteiligungen hat die richtige Zielsetzung,<br />

Wagniskapitalbeteiligungen zu fördern. Hierzu<br />

werden Wagniskapitalgesellschaften bei der Erfüllung<br />

bestimmter Voraussetzungen insbesondere von steuerrechtlichen<br />

Bürden befreit. Das damit unmittelbar zusammenhängende<br />

Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen<br />

verbundenen Risiken soll aber auch neue<br />

bürokratische und überflüssige Informationspflichten im<br />

Betriebsverfassungsgesetz einführen. Zu den wirtschaftlichen<br />

Angelegenheiten, über die das Unternehmen<br />

den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend<br />

unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichten<br />

muss, soll auch die Übernahme des Unternehmens<br />

gezählt werden, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle<br />

verbunden ist.<br />

Teilhabe ermöglichen, diese aber den Arbeitnehmern<br />

nicht aufzwingen. Daher sollte die Errichtung eines Betriebsrates<br />

vom Erreichen eines Wahlquorums abhängig<br />

gemacht werden. Ein Betriebsrat sollte nur errichtet werden,<br />

wenn sich mindestens ein Drittel der wahlberechtigten<br />

Arbeitnehmer an der Wahl beteiligt.<br />

Die Dauer der Mitbestimmungsverfahren verzögert oft<br />

die Umsetzung geplanter Vorhaben und führt zu erhöhten<br />

Kosten für die Unternehmen. Deswegen müssen<br />

die Mitbestimmungsverfahren beschleunigt werden.<br />

Eine allgemeine Beschleunigungsvorschrift sollte dem<br />

Arbeitgeber vorläufige Entscheidungen ermöglichen.<br />

Auch die Einigungsstellenverfahren müssen durch die<br />

Betriebliche Mitbestimmung:<br />

Eigenregie erwünscht<br />

So viel Prozent der Befragten wünschen sich folgende Änderungen<br />

im Betriebsverfassungsgesetz<br />

Änderungen in der Gesellschafterstruktur, die unmittelbare<br />

Auswirkungen für die Betriebe und ihre Arbeitnehmer haben,<br />

werden bereits heute von den Informationspflichten<br />

des Betriebsverfassungsgesetzes umfasst, so dass keinerlei<br />

Neuregelung erforderlich ist. Vielmehr sind die geplanten<br />

Änderungen ein weiterer Schritt in Richtung einer Aufhebung<br />

der Grenzen zwischen rein gesellschaftsrechtlichen<br />

Vorgängen und solchen, von denen Arbeitnehmer und<br />

Betrieb unmittelbar betroffen sind. Dies gilt vor allem<br />

dann, wenn – wie geplant – von der Informationspflicht<br />

auch Bieterverfahren umfasst werden, die einer Unternehmensübernahme<br />

oder -beteiligung vorangehen.<br />

Auf diese Weise wird das Betriebsverfassungsgesetz mit<br />

vielen kleinen Schritten weiter bürokratisiert und mit<br />

Detailpflichten überfrachtet. Richtig und erforderlich<br />

wäre aber ein großer Schritt in Richtung Flexibilisierung<br />

und Verhandlungsoffenheit.<br />

Beschleunigungsvorschriften in<br />

mehr Bereichen erlauben<br />

Abweichungen generell durch<br />

Betriebsvereinbarungen regeln<br />

Mindestwahlbeteiligung einführen<br />

Gremien, die Konflikten in Betrieben<br />

vorbeugen (z. B. runder Tisch)<br />

Zwei statt vier Betriebsversammlungen<br />

pro Jahr<br />

Verkürztes Betriebsratswahlverfahren<br />

abschaffen<br />

Brief- oder elektronische Betriebsratswahl<br />

generell zulassen<br />

Geschäftsführung<br />

92<br />

84<br />

67<br />

59<br />

56<br />

48<br />

44<br />

Betriebsrat<br />

41<br />

87<br />

18<br />

50<br />

49<br />

55<br />

41<br />

Betriebliche Mitbestimmung muss schnell, flexibel und<br />

passgenau sein. Flexible Regelungen sollten schnelle Entscheidungen<br />

im Interesse von Betrieben und Belegschaft<br />

fördern. Umfassender als bisher müssen Abweichungen<br />

von gesetzlichen Betriebsratsstrukturen ermöglicht werden.<br />

Dabei müssen betriebliche Regelungen tariflichen<br />

vorgehen. Betriebliche Mitbestimmung soll gewünschte<br />

Betriebsrat: Gremium; Beschleunigungsvorschriften: erlauben es dem<br />

Arbeitgeber bislang in wenigen Ausnahmefällen, eine Maßnahme<br />

auch gegen den Willen des Betriebsrats durchzuführen, bis ein Gericht<br />

endgültig entschieden hat; Befragung von 126 Unternehmen mit<br />

766 Betriebsratsgremien und 719.957 Beschäftigten von Mitte April bis<br />

Ende Juli <strong>2007</strong><br />

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)<br />

43/<strong>2007</strong> Deutscher Instituts-Verlag


Arbeitsrecht<br />

29<br />

Einführung von Fristen beschleunigt werden. Um die<br />

Kosten der Einigungsstelle in einem überschaubaren<br />

Rahmen zu halten, sollte eine moderate Gebührenordnung<br />

eingeführt werden. Dadurch kann die Berechenbarkeit<br />

und Vorhersehbarkeit der entstehenden Kosten<br />

wesentlich verbessert werden. Die Betriebsverfassung<br />

muss umfassend für die technische Entwicklung geöffnet<br />

werden. Elektronische Wahlverfahren müssen<br />

ebenso zugelassen werden wie die Nutzung moderner<br />

Kommunikations- und Konferenztechnik für die Abstimmung<br />

im und mit dem Betriebsrat.<br />

Betriebsräte:<br />

meist in Grossunternehmen<br />

So viel Prozent der Betriebe mit ... Mitarbeitern hatten im Jahr <strong>2007</strong><br />

einen Betriebsrat<br />

Beschäftigte in Betrieben mit Betriebsrat in Prozent aller<br />

Beschäftigten dieser Betriebsgröße<br />

5 bis 50<br />

51 bis 100<br />

7<br />

12<br />

45<br />

Grundlegender Flexibilisierungs- und Modernisierungsbedarf<br />

besteht auch in der Unternehmensmitbestimmung.<br />

Sie muss vereinbarungsoffen nach dem Vorbild<br />

europäischer Mitbestimmungsregelungen ausgestaltet<br />

werden. Unternehmen und Arbeitnehmer müssen die<br />

Möglichkeit erhalten, ein passendes Mitbestimmungssystem<br />

zu vereinbaren. Kommt es zu keiner Vereinbarung,<br />

kann als Auffangregelung nur eine im europäischen<br />

Kontext akzeptable Form der Mitbestimmung<br />

Platz greifen. Das ist allenfalls eine Drittelbeteiligung.<br />

Durch Vereinbarungslösungen für die Zusammensetzung<br />

des Aufsichtsrates kann dem Wandel Rechnung<br />

getragen werden, in dem sich die deutsche Mitbestimmung<br />

aufgrund der Entwicklungen des europäischen<br />

Gesellschaftsrechts, der internationalen Corporate Governance<br />

und der Verschärfung des Wettbewerbs der<br />

Gesellschaftsrechtssysteme befindet. Erste positive Erfahrungen<br />

bei der Gründung einer europäischen Gesellschaft<br />

(SE) zeigen deutlich, dass Vereinbarungsoptionen<br />

unternehmensindividuell – z. B. zur Verkleinerung des<br />

Aufsichtsrates – genutzt werden können und zu einer<br />

besseren Positionierung im Wettbewerb führen.<br />

Die von den wissenschaftlichen Mitgliedern der Biedenkopf-Kommission<br />

entwickelten Vorschläge würden dagegen<br />

die Isolation der deutschen Mitbestimmung noch<br />

verstärken. Dem treten wir entschieden entgegen. BDA<br />

und BDI haben daher eine Projektgruppe eingesetzt, die<br />

die weitere Entwicklung im Bereich der Mitbestimmung<br />

beobachtet und für den Fall gesetzgeberischer Initiativen<br />

konkrete Vorstellungen ausarbeitet.<br />

101 bis 200<br />

43<br />

65<br />

66<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unternehmensmitbestimmung“<br />

und den kompakt „Betriebsverfassung“<br />

veröffentlicht. Beide sind unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

201 bis 500<br />

88<br />

501 und mehr<br />

79<br />

92<br />

Europäisches Gesellschaftsrecht –<br />

Vielfalt der Gesellschaftsformen<br />

Insgesamt<br />

Betriebe: privatwirtschaftlich, mit mindestens fünf Beschäftigten<br />

Quelle: IAB-Betriebspanel<br />

89<br />

11<br />

46<br />

Kapitalgesellschaften gelangen durch die europarechtlichen<br />

Regelungen zum Gesellschaftsrecht in den Genuss<br />

einer größeren Wahlfreiheit. Die europäische Gesellschaft<br />

(SE) steht bereits im Wettbewerb zu den nationalen<br />

Gesellschaftsformen. Im nächsten Jahr will die Europäische<br />

Kommission darüber hinaus einen Vorschlag<br />

für das Statut einer europäischen Privatgesellschaft (EPG)


30 Arbeitsrecht<br />

vorlegen, die in den Wettbewerb z. B. zur deutschen<br />

GmbH oder zur britischen Limited treten soll.<br />

Für die Attraktivität dieser Gesellschaftsform wird es von<br />

besonderer Bedeutung sein, dass einer schnellen und<br />

unkomplizierten Gründung keine Bremsklötze durch<br />

Regelungen zur Arbeitnehmerbeteiligung in den Weg<br />

gelegt werden. Die Europäische Kommission favorisiert<br />

hinsichtlich der Regelungen zur Mitbestimmung das<br />

Sitzlandprinzip. Besser wäre ein an die SE angelehntes<br />

Verhandlungsmodell, allerdings mit einer einheitlichen<br />

Auffanglösung, die für die Unternehmensmitbestimmung<br />

maximal eine Fünftelbeteiligung vorsehen sollte.<br />

Außerdem muss ein einheitlicher Schwellenwert für die<br />

Verhandlungspflicht von mindestens 500 Arbeitnehmern<br />

eingezogen werden.<br />

Von der Vorlage eines Entwurfs einer Sitzverlegungsrichtlinie<br />

ist die Europäische Kommission inzwischen<br />

wieder abgerückt. Begründet wird dies damit, dass<br />

bereits durch die Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit europaweite<br />

Transaktionen und Kooperationen erleichtert wurden.<br />

Bürokratieabbau zügig<br />

vorantreiben!<br />

Die überbordende Bürokratie ist ein zentrales Hemmnis<br />

für Wachstum und Beschäftigung. Die BDA unterstützt<br />

das Projekt „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“<br />

der Bundesregierung. Die Einführung des<br />

Standardkostenmodells, die Schaffung des Normenkontrollrats<br />

und die Festlegung eines festen Abbauziels<br />

gehen in die richtige Richtung. Dies macht der Zwischenbericht<br />

der Bundesregierung vom 24. Oktober<br />

<strong>2007</strong> deutlich.<br />

Der Nationale Normenkontrollrat – der sehr nahe an<br />

den seit langem von der BDA geforderten Bürokratie-<br />

TÜV herankommt – hat seit seiner Arbeitsaufnahme<br />

im vergangenen Jahr dazu beigetragen, neue bürokratische<br />

Belastungen zu vermeiden. Es hat eine heilsame<br />

Wirkung, dass die Ministerien die bürokratischen Belastungen<br />

aus neuen Gesetzesvorlagen vorab quantifizieren<br />

und dem Normenkontrollrat zur Stellungnahme<br />

vorlegen müssen.<br />

In einer Datenbank beim Statistischen Bundesamt<br />

wurden rd. 11.000 Informations-, Berichts- und Dokumentationspflichten<br />

zusammengetragen. Seit Beginn<br />

des Jahres bis Ende September <strong>2007</strong> wurden auf dieser<br />

Grundlage mit dem Standardkostenmodell Bürokratiekosten<br />

in Höhe von 27 Mrd. € gemessen. Die BDA hat<br />

den Prozess durch die Vermittlung von Unternehmen<br />

und Experten unterstützt.<br />

Das Zwischenergebnis erfasst aber noch immer nicht<br />

die vollständige Belastung der Wirtschaft. Alle Informationspflichten<br />

müssen ausnahmslos erfasst werden.<br />

Einbezogen werden müssen auch sämtliche Informationspflichten<br />

aus dem Arbeitsrecht. Diese Informationspflichten,<br />

wie z. B. diejenigen aus dem Betriebsverfassungsrecht,<br />

fallen eindeutig unter die Definition<br />

einer Informationspflicht aus dem Gesetz zur Einsetzung<br />

des Nationalen Normenkontrollrats. Darüber hinaus<br />

müssen auch sämtliche Informationspflichten auf<br />

den Prüfstand, die von den Sozialversicherungsträgern<br />

vor allem durch das Gesetz auslegende Rundschreiben<br />

und Verlautbarungen geschaffen werden.<br />

Dafür hat sich die BDA nachdrücklich eingesetzt.<br />

Entscheidend ist im Weiteren, dass konkrete Konsequenzen<br />

gezogen und Informationspflichten abgeschafft<br />

oder vermindert werden. Der Zwischenbericht der Bundesregierung<br />

enthält keinen „Fahrplan“ bezüglich konkreter<br />

weiterer Abbaumaßnahmen. Die Messung ist gut,<br />

die Abschaffung konkreter bürokratischer Belastungen ist<br />

aber der entscheidende Erfolgsmaßstab! Die BDA hat dafür<br />

Vorschläge vorgelegt.<br />

Schließlich darf über den Abbau von Informationspflichten<br />

nicht das Ziel aus den Augen verloren werden,<br />

das materielle Recht zu vereinfachen. Gerade materielle<br />

Vorschriften verursachen vielfach Bürokratie. Auch insoweit<br />

bedarf es eines umfassenden Entbürokratisierungsansatzes.<br />

Die Mittelstandsentlastungsgesetze (MEG I<br />

und MEG II) enthalten zwar richtige Ansätze, nämlich<br />

geringfügige Erleichterungen in den Bereichen Sozialversicherung<br />

und Statistik. Sie bleiben jedoch weit hinter<br />

den Anforderungen an eine durchgreifende Entbürokratisierung<br />

des Arbeits- und Sozialrechts zurück.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Bürokratieabbau“<br />

veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de<br />

abrufbar.


Arbeitsrecht<br />

31<br />

Bürokratiekosten nach Ressort in Mio. Euro pro Jahr<br />

18.000<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

BMF<br />

17.905<br />

BMJ<br />

4.469<br />

BMG<br />

1.500<br />

BMI<br />

912<br />

BMAS<br />

772<br />

BMU<br />

633<br />

BMWi<br />

505<br />

BMELV<br />

152<br />

BMVBS<br />

55<br />

BMFSJ<br />

44<br />

Quelle: Zwischenbericht der Bundesregierung, Oktober <strong>2007</strong><br />

Neues Rechtsdienstleistungsrecht<br />

schränkt Vertretungsbefugnis<br />

für Verbandsvertreter ein<br />

Der Bundestag hat am 11. Oktober das Gesetz zur Neuregelung<br />

des Rechtsberatungsrechts (Rechtsdienstleistungsgesetz)<br />

beschlossen. Der Bundesrat hat es am 9. November<br />

gebilligt. Damit wird nicht nur das Rechtsberatungsgesetz<br />

durch das Rechtsdienstleistungsgesetz ersetzt, es wurden<br />

auch Änderungen in einzelnen Verfahrensordnungen beschlossen.<br />

Die Änderungen treten sieben Monate nach<br />

Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.<br />

Nach den Neuregelungen im Arbeitsgerichtsgesetz und<br />

im Sozialgerichtsgesetz dürfen ehrenamtliche Richter<br />

von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften in Zukunft<br />

nicht mehr vor dem Spruchkörper des Gerichts,<br />

d. h. der Kammer oder des Senats, dem sie angehören,<br />

als Parteivertreter auftreten.<br />

Im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen hat die BDA<br />

zwei Verbesserungen erreicht. Die zunächst auch für Unternehmensvertreter<br />

geplante Vertretungsbeschränkung<br />

wurde auf Drängen der BDA aus dem Gesetzentwurf gestrichen.<br />

Zudem sollte das Vertretungsverbot zunächst<br />

auf das gesamte Gericht erstreckt werden. Im Laufe des<br />

Gesetzgebungsverfahrens wurde dieses Vertretungsverbot<br />

auf den Spruchkörper des Gerichts beschränkt.<br />

An Gerichten, an denen ehrenamtliche Richter keinem<br />

festen Spruchkörper zugewiesen werden, kann aber ein<br />

solches Vertretungsverbot faktisch wie ein Vertretungsverbot<br />

für das gesamte Gericht wirken. Ehrenamtliche<br />

Richter aus dem Bereich der Arbeitgebervereinigungen<br />

werden für das Gericht bestellt, an dem auch ihr jeweiliger<br />

Verband seinen Sitz hat. Folglich müsste die Tätigkeit<br />

als ehrenamtlicher Richter in Zukunft – zumindest<br />

an den Gerichten ohne feste Kammerzuweisung – aufgegeben<br />

werden, um weiterhin als Bevollmächtigter vor<br />

Gericht auftreten zu können.<br />

Dies hat für die Arbeitsfähigkeit der Arbeits- und auch<br />

der Sozialgerichte ohne feste Kammerzuweisung gravierende<br />

Auswirkungen. Gerichte beklagen bereits heute,<br />

dass sich zu wenige Personen für eine ehrenamtliche<br />

Tätigkeit vor Gericht finden lassen. Diese Bereitschaft<br />

wird durch die Einschränkung der Vertretungsbefugnis<br />

weiter abnehmen, wenn mit dem ehrenamtlichen Engagement<br />

die Konsequenz verbunden wäre, nicht mehr<br />

vor demselben Gericht auftreten zu dürfen.<br />

Eine Lösung des Problems kann die Umstellung der Zuweisungspraxis<br />

in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit<br />

sein. Ehrenamtliche Richter sollten daher in allen Gerichtsbezirken<br />

einer festen Kammer zugewiesen werden.<br />

Die BDA wird sich hierfür nachdrücklich einsetzen.


33<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


34 Tarifpolitik<br />

Tarifjahr <strong>2007</strong> – Unter dem Einfluss<br />

der guten Konjunktur<br />

Die gute konjunkturelle Entwicklung hat sich <strong>2007</strong> fortgesetzt.<br />

Nachdem das reale Bruttoinlandsprodukt 2006<br />

um 2,9 % gestiegen ist, liegt die Schätzung des Sachverständigenrates<br />

(SVR) für das diesjährige Wirtschaftswachstum<br />

bei 2,6 %. Vor diesem Hintergrund wurden<br />

die Tarifverhandlungen <strong>2007</strong> mit Forderungen nach<br />

zum Teil kräftigen Lohnsteigerungen belastet. Zwar<br />

liegen die erwarteten Tariflohnanhebungen für dieses<br />

Jahr nach Angaben des SVR mit durchschnittlich 1,8 %<br />

deutlich über dem voraussichtlichen Produktivitätszuwachs<br />

<strong>2007</strong> (0,8 %) und über den Anstiegsraten der Tarifverdienste<br />

der Vorjahre (2006: 1,1 %, 2005: 1,5 %).<br />

Dennoch sind die bisherigen Tarifabschlüsse insgesamt<br />

wirtschafts- und beschäftigungspolitisch vertretbar, weil<br />

die mit den zum Teil deutlichen Anhebungen der Tarifverdienste<br />

verbundenen Kostensteigerungen für die<br />

Unternehmen durch weitere Differenzierungen und Flexibilisierungen<br />

abgemildert werden konnten.<br />

Die Lohnabschlüsse differieren sowohl nach Regionen<br />

als auch nach Branchen erheblich. So lagen die Tariflohnanhebungen<br />

in den einzelnen Branchen in einer<br />

Bandbreite zwischen 2,0 % (Ernährungsindustrie) und<br />

4,1 % (Metall- und Elektroindustrie) bzw. 4,5 % bei der<br />

Deutsche Bahn AG. Den Abschlüssen im industriellen<br />

Bereich mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung<br />

standen Abschlüsse in konjunkturell weniger gut gestellten<br />

Wirtschaftszweigen gegenüber, deren Lohnerhöhungen<br />

entsprechend geringer ausfielen. Insofern<br />

konnte ein Geleitzug hoher Tarifabschlüsse vermieden<br />

werden.<br />

Außerdem wurde der betriebliche Gestaltungsspielraum<br />

der Unternehmen durch Flexibilisierungsinstrumente<br />

bei Entgelt und Arbeitszeit spürbar erweitert. Der SVR<br />

hat erneut bestätigt, dass die Tarifparteien mit moderaten<br />

und flexiblen Lohnvereinbarungen auch in diesem<br />

Jahr einen wichtigen Beitrag zur deutlichen Verbesserung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in<br />

Deutschland geleistet haben.


Tarifpolitik<br />

35<br />

Moderate Lohnpolitik weiter<br />

unverzichtbar<br />

In einem wirtschaftlichen Umfeld, das durch einen zunehmenden<br />

Strukturwandel gekennzeichnet ist, benötigen<br />

die Unternehmen größtmögliche Handlungsspielräume.<br />

Ihre Wettbewerbsfähigkeit kann nur gehalten<br />

und weiter verbessert werden, wenn sie auf veränderte<br />

Rahmenbedingungen wie z. B. gestiegene Rohölpreise<br />

reagieren können. Variable Vergütungskomponenten,<br />

die die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen an die<br />

Wirtschafts-, Finanz- und Ertragslage erhöhen, bleiben<br />

daher unerlässlich. Das gilt vor allem auch deshalb,<br />

weil die Arbeitskosten unverändert hoch sind.<br />

Zwar hat die moderate Lohnentwicklung der letzten Jahre<br />

dazu beigetragen, dass die Arbeitskosten in Deutschland<br />

zuletzt weniger stark gestiegen sind als in anderen<br />

Industrienationen. Aufgrund des deutlich höheren Ausgangsniveaus<br />

bleiben jedoch die hohen Arbeitskosten<br />

im verarbeitenden Gewerbe mit 32,03 € je geleisteter<br />

Stunde (Stand: 2006) weiterhin ein gravierender Standortnachteil<br />

und eine große Belastung für die Unternehmen.<br />

Im internationalen Vergleich liegen die industriellen Arbeitskosten<br />

nach Angaben des Instituts der deutschen<br />

Wirtschaft Köln (IW) lediglich in Norwegen (38,07 €)<br />

und Schweden (32,81 €) noch höher. Nicht nur in den<br />

osteuropäischen Ländern wie Polen (5,16 €) oder Tschechien<br />

(6,71 €), sondern auch in den USA (23,94 €) oder<br />

Großbritannien (26,32 €) ist Arbeit wesentlich kostengünstiger.<br />

Dies macht eine moderate Lohnpolitik nach<br />

wie vor unverzichtbar.<br />

Mehr Betriebsnähe durch<br />

flexible und differenzierte<br />

Entgeltregelungen<br />

Erfreulich ist daher insbesondere die zunehmende Verbreitung<br />

flexibler Vergütungselemente. Aufgrund der<br />

guten Konjunktur wurden <strong>2007</strong> einige Branchen mit<br />

überdurchschnittlich hohen Tariflohnsteigerungen konfrontiert.<br />

Der damit verbundenen Kostenbelastung konnte<br />

dadurch Rechnung getragen werden, dass neben bzw.<br />

anstelle einer dauerhaften Anhebung der Tarifsätze nicht<br />

tabellenwirksame, laufzeitbezogene Einmalzahlungen<br />

vereinbart wurden. Diese sind in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen<br />

Erfolg des Unternehmens durch Öffnungsklauseln<br />

überwiegend rein betrieblich abdingbar. Die<br />

damit verbundene höhere Flexibilität mit der Möglichkeit<br />

zur betrieblichen Kostendämpfung trägt in nicht unerheblichem<br />

Maße zur Beschäftigungssicherung bei.<br />

Diese Aufteilung der Entgeltsteigerungen in Tabellenanhebung<br />

und Einmalzahlung wurde im Frühjahr erneut in<br />

der chemischen Industrie vereinbart. Die Beschäftigten erhalten<br />

neben der regulären Lohnerhöhung für 13 Monate<br />

monatlich 0,7 % des Tarifentgeltes zusätzlich. Je nach<br />

wirtschaftlicher Lage der Unternehmen ermöglicht eine<br />

Öffnungsklausel abweichende Regelungen über die Höhe<br />

und den Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung.<br />

In der Schuhindustrie wurde eine Einmalzahlung von<br />

0,5 % des tariflichen Monatsentgeltes für die Laufzeit<br />

von 16 Monaten vereinbart, die ebenso rein betrieblich<br />

abdingbar ist. Des Weiteren wurden solche Regelungen<br />

beispielsweise in die Tarifabschlüsse der Bauwirtschaft<br />

(0,4 % für zehn Monate und 0,5 % für weitere zwölf Monate)<br />

und des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus<br />

(0,4 % für 23 Monate) aufgenommen. In der Metall- und<br />

Elektroindustrie ist eine zusätzliche Einmalzahlung von<br />

monatlich 0,7 % für die zweite Steigerungsstufe ab Mitte<br />

2008 vorgesehen, die durch freiwillige Betriebsvereinbarung<br />

zeitlich um bis zu vier Monate verschoben werden<br />

kann.<br />

In anderen Wirtschaftszweigen wie etwa der Holz- und<br />

Kunststoffverarbeitung oder der Kautschukindustrie wurden<br />

pauschale Einmalzahlungen vereinbart. Diese können<br />

je nach wirtschaftlicher Lage ebenfalls durch freiwillige<br />

Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Höhe und des<br />

Auszahlungszeitpunktes abweichend gestaltet werden.<br />

Zudem wurden vermehrt Sonderzahlungen wie z. B. das<br />

Weihnachtsgeld flexibilisiert. So ist der keramischen Industrie<br />

in dem mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag<br />

Mitte Februar der Einstieg in die ergebnisorientierte Gestaltung<br />

der Jahressonderzahlung gelungen. Im Rahmen<br />

eines Optionsmodells kann diese durch freiwillige Betriebsvereinbarung<br />

in einer Bandbreite zwischen 80 %<br />

und 125 % erfolgsabhängig ausgestaltet werden. Darüber<br />

hinaus ist im Bereich der Energieversorgung durch freiwillige<br />

Betriebsvereinbarung eine am wirtschaftlichen<br />

Erfolg des Unternehmens bemessene Abweichung vom<br />

13. Monatsgehalt in einer Schwankungsbreite zwischen


36 Tarifpolitik<br />

30 % und 100 % möglich. Die Süßwarenindustrie hat<br />

das Variabilisierungsvolumen der Jahressonderzahlung<br />

je nach wirtschaftlichem Erfolg von bislang +/- 20 % auf<br />

+/- 30 % erhöht.<br />

Die Tarifabschlüsse <strong>2007</strong> enthalten neben der vorgenannten<br />

stärkeren Flexibilisierung von Entgeltbestandteilen<br />

auch ein höheres Maß an differenzierter Ausgestaltung.<br />

So wurden in zahlreichen Branchen neben Nullmonaten<br />

ohne Tarifanhebung auch längere Laufzeiten vereinbart,<br />

um den Unternehmen mehr Planungssicherheit zu geben.<br />

In der Versicherungswirtschaft wurde eine stärkere Lohnspreizung<br />

des Tarifgitters durch neue, beschäftigungsfördernde<br />

Einstiegstarife erreicht.<br />

Ausgewählte Tarifabschlüsse<br />

im Jahresverlauf<br />

Zu Beginn des Jahres erzielte die Deutsche Lufthansa AG<br />

mit ver.di ein Tarifergebnis für das Bodenpersonal. In<br />

den ersten vier von insgesamt 17 Monaten Laufzeit erhielten<br />

die Mitarbeiter eine Einmalzahlung von 525 €.<br />

Ab Mai wurden die Tarifentgelte um 3,4 % angehoben.<br />

Bereits vorhandene Tarifmaterien wie die Ergebnisbeteiligung,<br />

die Vereinbarungen zur Wettbewerbs- und<br />

Beschäftigungssicherung sowie die Regelungen zur Altersteilzeit<br />

wurden verlängert.<br />

Den ersten großen Abschluss der Tarifrunde <strong>2007</strong> vereinbarte<br />

die chemische Industrie Anfang März mit der<br />

IG BCE. Für den ersten Monat der insgesamt 14-monatigen<br />

Laufzeit sieht das Tarifergebnis einen Pauschalbetrag<br />

von 70 € vor. Anschließend folgt eine Lohnerhöhung, die<br />

sich aus einer tabellenwirksamen Entgeltanhebung von<br />

3,6 % sowie aus einer weiteren, nicht tabellenwirksamen<br />

Anhebung von 0,7 % zusammensetzt. Letztere kann aus<br />

wirtschaftlichen Gründen rein betrieblich verschoben<br />

oder gekürzt werden, aber auch vollkommen entfallen.<br />

Begrüßenswert ist ebenfalls, dass <strong>2007</strong> und 2008 in den<br />

alten Bundesländern insgesamt 16.800 und in den neuen<br />

Bundesländern 1.400 neue Ausbildungsplätze angeboten<br />

werden sollen. Damit setzt die chemische Industrie ihr<br />

Ausbildungsengagement auf hohem Niveau fort.<br />

Vor dem Hintergrund der außerordentlich guten konjunkturellen<br />

Lage erklärt sich der Anfang Mai erzielte<br />

Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie. Gegenüber<br />

der Tarifanhebung für <strong>2007</strong> von 4,1 %, die einer<br />

pauschalen Einmalzahlung von 400 € für die Monate<br />

April und Mai folgt, erweist sich die zweite Stufe<br />

mit einer Anhebung von 1,7 % ab Juni 2008 und einem<br />

nicht tabellenwirksamen Konjunkturbonus von 0,7 %<br />

als moderat. Positiv hervorzuheben sind darüber hinaus<br />

die lange Laufzeit von 19 Monaten, die den Betrieben<br />

Planungs- und Kalkulationssicherheit gibt, sowie die<br />

Tatsache, dass der bereits im vergangenen Jahr erfolgreich<br />

eingeschlagene Kurs hin zu mehr Entgeltflexibilität<br />

– wenn auch in geringerem Umfang – fortgesetzt<br />

wurde. So kann die zweite Stufe der Entgeltanhebung<br />

für 2008 rein betrieblich bis zu vier Monate verschoben<br />

werden. Darüber hinaus vereinbarten die Tarifpartner in<br />

der Sozialpartnererklärung „Demografiefeste Personalpolitik“,<br />

Gespräche auf Bundesebene über die Auswirkungen<br />

einer alternden Gesellschaft auf die Arbeitswelt<br />

der Metall- und Elektroindustrie zu führen.<br />

Das Schlichtungsergebnis in der westdeutschen Papierindustrie<br />

Mitte Mai sieht während der 19-monatigen<br />

Laufzeit nach zwei Nullmonaten eine Entgeltanhebung<br />

von 3,2 %, eine pauschale Einmalzahlung von 95 € und<br />

für die letzten fünf Monate eine weitere Tarifsteigerung<br />

von 2,0 % vor. Zur Beschäftigungssicherung und zur<br />

Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit können im Einzelfall<br />

durch Betriebsvereinbarung mit Zustimmung der<br />

Tarifvertragsparteien oder durch einen firmenbezogenen<br />

Verbandstarifvertrag befristet abweichende Regelungen<br />

getroffen werden. Diese Öffnungsklausel soll 2009<br />

überprüft werden. Darüber hinaus wird der Tarifvertrag<br />

über die Altersvorsorge in modifizierter Fassung fortgeschrieben.<br />

Zur Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge<br />

werden bei Neuverträgen die vermögenswirksamen<br />

Leistungen nur noch gezahlt, wenn diese verbindlich für<br />

die Altersvorsorge eingesetzt werden.<br />

Anfang Juni erzielte die Druckindustrie mit ver.di einen<br />

Tarifabschluss über eine Laufzeit von 24 Monaten. Nach<br />

drei Nullmonaten folgt eine zweistufige Tariflohnerhöhung<br />

von 3,0 % und weiteren 2,1 % ab 2008. Zudem<br />

wurde der geltende Altersteilzeittarifvertrag bis zum<br />

31. Dezember 2009 ohne Nachwirkung verlängert.<br />

Im Groß- und Außenhandel wurde in Bayern als erster<br />

Tarifregion der Branche Ende Juni ein Verhandlungsergebnis<br />

erzielt. Nach drei Nullmonaten wurden die Entgelte


Tarifpolitik<br />

37<br />

Tarifbereich/Beschäftigte<br />

Tariferhöhung<br />

in %<br />

Laufzeiten (Gesamtlaufzeit)<br />

Weitere Vereinbarungen/Bemerkungen<br />

Keramische Industrie<br />

West (15.02.07)<br />

25.000<br />

3,5<br />

Laufzeitbeginn regional<br />

unterschiedl.:<br />

03/07 – 04/07<br />

06/08 – 07/08<br />

2 Nullmonate m.<br />

Einmalzahlung<br />

(18 Monate)<br />

Zentrale Tarifvereinbarung<br />

Einmalzahlung von 100 €<br />

Ertragsabhängige Gestaltung der Jahressonderzahlung zwischen 80 und 125 %<br />

(durch Betriebsvereinbarung)<br />

Vereinbarung von 5 zusätzlichen Ausbildungsplätzen<br />

Umwidmung der vermögenswirksamen Leistungen mit zusätzl. AG-Beitrag<br />

für die Altersvorsorge<br />

Einführung von Langzeitkonten mit Insolvenzsicherung (durch Betriebsvereinbarung)<br />

Chemische Industrie<br />

West + Ost (08.03.07)<br />

550.000<br />

3,6<br />

Laufzeitbeginn regional<br />

unterschiedl.:<br />

02/07 – 04/07<br />

02/08 – 04/08<br />

1 Nullmonat, zusätzliche<br />

Einmalzahlungen<br />

(14 Monate)<br />

Einmalzahlung von 70 € für 1 Monat<br />

Zusätzliche laufzeitbezogene Einmalzahlung von 0,7 % des Tarifentgelts (13 Monate),<br />

Öffnungsklausel ermöglicht abweichende Vereinbarungen zur Höhe und zum<br />

Auszahlungszeitpunkt (durch Betriebsvereinbarung)<br />

Ausbildung: Fortschreibung des TV „Zukunft durch Ausbildung“ bis Ende 2010,<br />

Vereinbarung zur Einrichtung von insgesamt 16.800 (West)/1.400 (Ost)<br />

Ausbildungsplätzen für <strong>2007</strong> und 2008<br />

Süßwarenindustrie<br />

West (04.05.07)<br />

50.000<br />

2,4<br />

2,3<br />

Laufzeitbeginn regional<br />

unterschiedl.:<br />

04/07 – 07/07<br />

03/08 – 06/08<br />

04/08 – 07/08<br />

03/09 – 06/09<br />

(24 Monate)<br />

Zentrale Tarifvereinbarung<br />

Erweiterung des Variabilisierungsvolumens der Jahressonderzahlung von 20 % auf 30 %<br />

im TV „Zukunftssicherung“, Befristung der Vereinbarungen auf maximal 5 Jahre entfällt<br />

MTV-Laufzeit bis Ende Januar 2010<br />

Metall-/Elektroindustrie<br />

West + Ost (04.05.07)<br />

3.400.000<br />

4,1<br />

1,7<br />

06/07 – 05/08<br />

06/08 – 10/08<br />

2 Nullmonate, zusätzliche<br />

Einmalzahlungen<br />

(19 Monate)<br />

Pilotabschluss in Baden-Württemberg<br />

Einmalzahlungen von je 200 € für 2 Monate<br />

Zusätzliche Einmalzahlungen von je 0,7 % für die Laufzeit der 2. Tarifanhebung<br />

(5 Monate), Öffnungsklausel ermöglicht abhängig von der wirtschaftl. Lage Verschieben<br />

der 2. Anhebungsstufe und der Einmalzahlung bis zu 4 Monate (durch freiwillige<br />

Betriebsvereinbarung)<br />

Erklärung der Tarifvertragsparteien, Gespräche zur demografischen<br />

Personalentwicklung aufzunehmen<br />

Holz- und Kunststoffe<br />

verarb. Industrie<br />

West + Ost (ab 14.05.07)<br />

140.000<br />

3,6<br />

2,5<br />

Laufzeitbeginn/Laufzeiten<br />

regional unterschiedl.<br />

3 Nullmonate m. Einmalzahlungen<br />

(24/25 Monate)<br />

Regional unterschiedliche Einmalzahlungen zwischen 200 € und 665 €<br />

Öffnungsklauseln ermöglichen abweichende Vereinbarungen zur Höhe<br />

und zum Auszahlungsmodus (durch Betriebsvereinbarung)<br />

Papierindustrie<br />

West (15.05.07)<br />

45.000<br />

3,2<br />

2,0<br />

05/07 – 04/08<br />

05/08 – 09/08<br />

2 Nullmonate m.<br />

Einmalzahlung (19 Monate)<br />

Schlichtungsergebnis<br />

Einmalzahlung von 95 €<br />

Öffnungsklausel ermöglicht abweichende Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung<br />

und Wettbewerbsverbesserung (mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien)<br />

Altersvorsorge-TV mit umgewidmeten vermögenswirksamen Leistungen<br />

Druckindustrie<br />

West + Ost (o. Bdbg.)<br />

(06.06.07)<br />

180.000<br />

3,0<br />

2,1<br />

07/07 – 06/08<br />

07/08 – 03/09<br />

3 Nullmonate (24 Monate)<br />

Verlängerung des Altersteilzeit-TV bis Ende 2009<br />

(ohne Nachwirkung)<br />

Bauwirtschaft<br />

West + Ost (20.08.07)<br />

700.000<br />

3,1<br />

1,5<br />

1,6<br />

06/07 – 03/08<br />

04/08 – 08/08<br />

09/08 – 03/09<br />

2 Nullmonate, zusätzliche<br />

Einmalzahlungen<br />

(24 Monate)<br />

Schlichtungsergebnis (mit ergänzenden Vereinbarungen<br />

für Niedersachsen, Schleswig-Holstein)<br />

Zusätzliche laufzeitbezogene Einmalzahlungen von je 0,4 % der Monatsentgelte<br />

(10 Monate) und 0,5 % für weitere 12 Monate, Öffnungsklausel ermöglicht abweichende<br />

Vereinbarungen zur Höhe und zum Auszahlungsmodus (durch Betriebsvereinbarung)<br />

Anhebungen der Mindestlöhne West auf 10,70/12,85 € ab September 2008<br />

Keine Anhebung der Ausbildungsvergütungen Ost bei Einrichtung<br />

von 300 zusätzlichen Ausbildungsplätzen<br />

Anhebung des AG-Beitrags der Zusatzversorgung für 2008 und 2009 um jeweils<br />

0,6 Prozentpunkte (Arbeiter) und 14 € (Angestellte)<br />

Absenkung des zusätzlichen Urlaubsgelds ab 2008 um 5 % auf 25 % (Arbeiter), 24 €<br />

(Angestellte) als Arbeitnehmerbeitrag zur Finanzierung der Zusatzversorgungskasse<br />

Öffnungsklausel ermöglicht beschäftigungssichernde Vereinbarungen mit Entgeltabsenkung<br />

um 8 % für West durch Haustarifvertrag bzw. firmenbezogenen Verbandstarifvertrag<br />

Versicherungswirtschaft<br />

West + Ost (24.11.07)<br />

220.000<br />

3,0<br />

1,6<br />

01/08 – 12/08<br />

01/09 – 09/09<br />

4 Nullmonate m. Einmalzahlungen<br />

(25 Monate)<br />

2 Einmalzahlungen von 300 € und 3,6 % eines Monatsgehalts<br />

Einstiegsentgelte für einfachste Tätigkeiten in den beiden unteren Gehaltsgruppen<br />

Ab 2008 Qualifizierungs-Tarifvertrag mit jährlichem Qualifizierungsgespräch<br />

Verlängerung der Vereinbarungen zur Altersteilzeit, Arbeitszeit-Flexibilisierung<br />

und Absenkung der Wochenarbeitszeit


38 Tarifpolitik


Tarifpolitik<br />

39<br />

tabellenwirksam um 2,4 % zuzüglich monatlicher Pauschalzahlungen<br />

von 15,50 € erhöht, gefolgt von einer weiteren<br />

tabellarischen Entgeltanhebung von 2,0 % und einer<br />

monatlichen Pauschalzahlung von 7,50 € für die letzten<br />

zehn Monate der insgesamt 24-monatigen Laufzeit. In den<br />

übrigen Tarifgebieten des Groß- und Außenhandels wurden<br />

entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen.<br />

Der im Juli für die Deutsche Bahn AG vereinbarte Tarifabschluss<br />

mit einer Gesamtlaufzeit von 19 Monaten<br />

sieht nach sechs Nullmonaten eine Entgeltanhebung von<br />

4,5 % vor. Weiterhin wurden eine pauschale Einmalzahlung<br />

von 600 € und ein Mindestzuwachs des Bruttolohns<br />

von 1.600 € für die Laufzeit des Entgeltabschlusses vereinbart.<br />

Nicht übernommen wurde dieser Tarifabschluss<br />

von der Gewerkschaft der Lokführer (GDL), die für das<br />

Fahrpersonal einen eigenständigen Tarifvertrag und Entgeltsteigerungen<br />

von über 30 % fordert. Da insbesondere<br />

die zentrale Forderung der GDL nach einem eigenständigen<br />

Tarifvertrag das gesamte Tarifgefüge der Bahn bedroht,<br />

kam es bislang zu keiner Einigung.<br />

Im August gelang in der Bauwirtschaft nach sehr schwierigen<br />

Verhandlungen und einem vierwöchigen Arbeitskampf<br />

in Niedersachsen und Schleswig-Holstein die<br />

nahezu unveränderte Übernahme des zunächst gescheiterten<br />

Schlichtungsergebnisses vom 19. Mai <strong>2007</strong>. Der<br />

Tarifabschluss sieht eine 24-monatige Laufzeit vor, in der<br />

nach zwei Nullmonaten eine dreistufige Tabellenanhebung<br />

von 3,1 %, 1,5 % und 1,6 % folgt, die mit zusätzlichen,<br />

laufzeitbezogenen Einmalzahlungen gekoppelt<br />

wird. Die Änderungen gegenüber dem Schlichterspruch<br />

sind marginal: So wurde die im Mai vereinbarte Möglichkeit<br />

einer bis zu 8 %igen Tariflohnabsenkung nicht<br />

nur durch Haustarifvertrag, sondern auch durch firmenbezogenen<br />

Verbandstarifvertrag auf alle Westverbände<br />

erstreckt. Zur Entlastung der neuen Bundesländer erfolgt<br />

dort keine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen, wenn<br />

im Vergleich zum Vorjahr am 1. September 2008 zusätzlich<br />

300 Ausbildungsplätze geschaffen werden.<br />

Im November haben sich die Versicherungswirtschaft und<br />

ver.di auf einen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 25 Monaten<br />

geeinigt. Dieser sieht nach vier Nullmonaten eine<br />

zweistufige Entgeltanhebung von 3,0 % und danach von<br />

1,6 % vor. Zudem wurde eine Einmalzahlung von 300 €<br />

und eine pauschale, gehaltsabhängige Einmalzahlung<br />

von 3,6 % eines tariflichen Monatsentgelts vereinbart. Für<br />

Neueinstellungen im Bereich einfacher Bürotätigkeiten<br />

wurden zusätzliche, abgesenkte Tarifgruppen geschaffen,<br />

um hier positive Beschäftigungsanreize zu setzen. Des<br />

Weiteren umfasst der Tarifabschluss einen Tarifvertrag<br />

zur Qualifizierung, der insbesondere einen Anspruch auf<br />

ein jährliches Qualifizierungsgespräch vorsieht.<br />

Anhaltende Diskussion<br />

über Mindestlöhne<br />

Die politische Diskussion war auch <strong>2007</strong> in hohem<br />

Maße von der Forderung nach Einführung gesetzlicher<br />

Mindestlöhne geprägt. Nachdem sich die Bundeskanzlerin<br />

ausdrücklich gegen einen allgemeinen gesetzlichen<br />

Mindestlohn ausgesprochen hatte, konzentrierte sich die<br />

Forderung auf die Einführung branchenbezogener Mindestlöhne,<br />

insbesondere über eine Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes<br />

auf weitere Branchen. Zuletzt<br />

war zum 1. Juli <strong>2007</strong> das Gebäudereinigerhandwerk<br />

in dieses Gesetz aufgenommen worden. Neben dem<br />

Entsendegesetz sind auch das Instrument der Allgemeinverbindlichkeit<br />

und insbesondere die Rolle des Tarifausschusses<br />

in dem Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung<br />

in den Fokus geraten. Das Präsidium der BDA<br />

hat deshalb mit Beschluss vom 20. April <strong>2007</strong> noch<br />

einmal ausdrücklich den Ausnahmecharakter der Allgemeinverbindlicherklärung<br />

hervorgehoben und gleichzeitig<br />

Bedingungen formuliert, unter denen aus Sicht<br />

der Arbeitgeber eine Allgemeinverbindlicherklärung von<br />

Mindestentgelten in Betracht kommen kann.<br />

Fauler „Mindestlohn“-Kompromiss<br />

Einen vorläufigen Abschluss fand die Mindestlohndiskussion<br />

innerhalb der Koalition mit dem Kompromiss vom<br />

18. Juni <strong>2007</strong>. Danach soll weiteren Branchen die Möglichkeit<br />

gegeben werden, auf gemeinsamen Antrag der<br />

Tarifvertragsparteien in das Entsendegesetz aufgenommen<br />

zu werden. Außerdem ist vorgesehen, für Bereiche<br />

ohne Tarifvertrag oder mit nur geringer Tarifbindung<br />

(sog. weiße Flecken) das Gesetz über die Festsetzung<br />

von Mindestarbeitsbedingungen von 1952 zu aktivieren.<br />

Auch wenn auf den ersten Blick an beiden Gesetzen nur<br />

wenig geändert werden soll, ist dieser Kompromiss mit


40 Tarifpolitik<br />

erheblichen Gefahren für die Tarifautonomie verbunden:<br />

Dies nicht nur, weil das bisherige System der Lohnfindung<br />

durch drohende Eingriffe des Verordnungsgebers<br />

beeinträchtigt wird. Insbesondere würde mit einem geänderten<br />

Mindestarbeitsbedingungengesetz die Grundlage<br />

für massive Eingriffe in die positive und negative Koalitionsfreiheit<br />

durch staatliche Lohnfestsetzung geschaffen.<br />

Höchst problematisch ist zudem, dass in beiden Gesetzen<br />

eine Konkurrenzregelung eingefügt werden soll, mit<br />

deren Hilfe der Verordnungsgeber anhand von Kriterien<br />

den Vorrang eines Tarifvertrages bzw. einer staatlichen<br />

Lohnfestsetzung vor einem anderen Tarifvertrag erklären<br />

könnte. Mit einer solchen Regelung würde erstmals die<br />

Möglichkeit zur staatlichen Tarifzensur geschaffen.<br />

Entgegen den ursprünglichen Planungen lagen im Herbst<br />

noch keine konkreten Vorschläge für die Umsetzung des<br />

Koalitionskompromisses vor. Antworten auf die vielen<br />

Fragen, die dieser Kompromiss aufgeworfen hat, wurden<br />

damit noch nicht gegeben. Durch die Diskussion über<br />

die vorgezogene Aufnahme der Postdienstleistungen in<br />

das Entsendegesetz, auf die sich die Koalition verständigt<br />

hatte, war das Verfahren ins Stocken geraten. Eines<br />

wurde bei der Diskussion über den Post-„Mindestlohn“<br />

aber bereits deutlich: Auch der Weg über Branchenmindestlöhne<br />

ist ein Irrweg, der zum Missbrauch der entsprechenden<br />

Instrumente einlädt.<br />

Post-„Mindestlohn“ oder: Wie lässt<br />

sich Wettbewerb verhindern?<br />

Vor dem Hintergrund der Öffnung des Briefmarktes in<br />

Deutschland zum 1. Januar 2008 hat die Bundesregierung<br />

auf der Kabinettsklausur in Meseberg im August die kurzfristige<br />

Aufnahme der Postdienstleister in das Entsendegesetz<br />

beschlossen. Dabei war sie von einer Tarifbindung in<br />

der Postbranche von über 50 % ausgegangen. Kurz darauf<br />

wurde von dem Arbeitgeberverband Postdienste, in dem<br />

in erster Linie Unternehmen der Deutsche Post AG organisiert<br />

sind, und ver.di ein „Mindestlohn“-Tarifvertrag abgeschlossen<br />

und dessen Allgemeinverbindlicherklärung<br />

sowie die Aufnahme in das Entsendegesetz beantragt.<br />

Das Präsidium der BDA hat sich entsprechend einer<br />

Beschlussempfehlung des Lohn- und Tarifpolitischen<br />

Ausschusses am 17. September <strong>2007</strong> gegen eine Allgemeinverbindlicherklärung<br />

dieses Tarifvertrages ausgesprochen.<br />

Zum einen handelt es sich bei einem Tarifvertrag<br />

mit zwei Lohngruppen und Entgelten, die deutlich<br />

über den Durchschnittslöhnen der Wettbewerber liegen,<br />

nicht um einen „Mindestlohn“, sondern um einen<br />

„Monopolsicherungslohn“. Hinzu kommt, dass der Tarifvertrag<br />

mit seinem sehr weiten Geltungsbereich in erheblichem<br />

Umfang Beschäftigte auch anderer Branchen<br />

erfasst hat, beispielsweise aus den Bereichen Spedition<br />

und Logistik, Paket- und Expressdienste, Kurierdienste,<br />

Einzelhandel sowie mit den Zeitungszustellern vor allem<br />

der Zeitungsverlage. Jeder Betrieb und jeder Arbeitnehmer,<br />

der mit der Beförderung nur eines Briefes befasst<br />

ist, sollte unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages<br />

fallen. Damit war das für eine Allgemeinverbindlicherklärung<br />

notwendige 50 %-Quorum nicht erfüllt.<br />

Die Wettbewerber der Deutsche Post AG haben sich in<br />

dem Arbeitgeberverband „Neue Brief- und Zustelldienste“<br />

zusammengeschlossen. In einer „Aktionsgemeinschaft<br />

für Wettbewerb im Postmarkt“ haben sie sich<br />

gemeinsam mit anderen betroffenen Branchen gegen<br />

den wettbewerbsfeindlichen „Monopolsicherungslohn“<br />

ausgesprochen. Der BDA gelang es, insbesondere mit<br />

einer Gemeinsamen Erklärung betroffener Verbände, die<br />

Politik davon zu überzeugen, dass das 50 %-Quorum<br />

nicht erfüllt ist. Die Ausweitung des Entsendegesetzes<br />

auf „Tarifverträge für Briefdienstleistungen“, wie sie vom<br />

Bundeskabinett beschlossen und auch schon im Bundestag<br />

in erster Lesung behandelt worden war, konnte damit<br />

zunächst gestoppt werden. Leider wurde vom Arbeitgeberverband<br />

Postdienste und ver.di die damit eröffnete<br />

Chance nicht genutzt, unter Einbeziehung aller Beteiligten<br />

einen echten Mindestlohntarifvertrag abzuschließen.<br />

Ein gemeinsamer Mindestlohntarifvertrag, der nicht über<br />

den Durchschnittslöhnen der Wettbewerber liegt, hätte<br />

ohne gesetzliche Änderung nach geltendem Recht allgemeinverbindlich<br />

erklärt werden können. Stattdessen<br />

haben der Arbeitgeberverband Postdienste und ver.di einen<br />

lediglich im Geltungsbereich geänderten Tarifvertrag<br />

vorgelegt, der mit seinen unverändert hohen Löhnen als<br />

Vertrag zu Lasten Dritter den Wettbewerb in dem sich<br />

erst öffnenden Briefmarkt verhindern soll.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Mindestlohn“<br />

und den kompakt „Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von Tarifverträgen“ veröffentlicht. Beide sind über<br />

www.bda-online.de abrufbar.


Tarifpolitik<br />

41<br />

Beschluss des Präsidiums der Bda vom 20. April <strong>2007</strong><br />

Balance in der Tarifautonomie wahren<br />

Position der Arbeitgeber zur Mindestlohndebatte<br />

1. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wendet<br />

sich gegen jede Form gesetzlich verordneter Mindestlöhne.<br />

Der Staat sollte sich aus der Lohngestaltung heraushalten. Die<br />

BDA tritt für tariftvertraglich vereinbarte Mindestlöhne ein. Gesetzliche<br />

Mindestlöhne sind demgegenüber mit der Tarifautonomie<br />

nicht vereinbar. Die von Gewerkschaften vorgeschlagenen<br />

Mindestlöhne würden in erheblichem Umfange Arbeitsplätze gefährden,<br />

insbesondere auch in den neuen Bundesländern, weil betroffene<br />

Arbeitsplätze entweder ins Ausland verlagert oder in die<br />

Schwarzarbeit verdrängt würden. Bei jeder Art von gesetzlichem<br />

Mindestlohn besteht überdies die Gefahr, dass ständige politische<br />

Debatten, insbesondere zu Wahlkampfzeiten, über weitere Erhöhungen<br />

des Mindestlohnes erfolgen.<br />

Anders als in anderen europäischen Ländern mit zum Teil gesetzlichen<br />

Mindestlöhnen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland<br />

eine funktionierende Tarifautonomie, faktisch ein gesetzlich garantiertes<br />

Mindesteinkommen und schon heute einen gesetzlichen<br />

Schutz vor sittenwidrigen Löhnen.<br />

entgegenzutreten. Nur wenn solche Bedingungen nachgewiesen<br />

sind und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, kann<br />

ein Tarifvertrag ausnahmsweise allgemeinverbindlich sein.<br />

Die Arbeitgebervertreter im paritätisch besetzten Tarifausschuss<br />

werden einem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit von Mindestlohntarifverträgen<br />

grundsätzlich zustimmen, wenn die geltenden<br />

gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und<br />

• beide Tarifvertragsparteien die Allgemeinverbindlichkeit des Mindestlohntarifvertrages<br />

wollen,<br />

• eine beträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern der Branche erheblich<br />

unter den jeweils geltenden Tariflöhnen beschäftigt werden,<br />

• es sich bei dem tarifvertraglich vereinbarten Mindestlohn um die<br />

unterste Lohngruppe der Branche handelt,<br />

• dieser Mindestlohn auch im Verhältnis zu anderen Branchen nicht<br />

überdurchschnittlich hoch ist und<br />

• durch die Allgemeinverbindlichkeit keine in der Branche konkurrierenden<br />

Tarifverträge verdrängt werden.<br />

2. Als verantwortungsvolle Arbeitgeber lehnen wir sittenwidrige Löhne<br />

strikt ab. Über 1,2 Mio. Betriebe mit 80 % aller Beschäftigten in<br />

Deutschland wenden Tarifverträge an und zahlen Tariflöhne. Sie<br />

sind von der gesamten Mindestlohndebatte selbst und unmittelbar<br />

gar nicht betroffen, weil für sie tarifliche Mindestlöhne gelten.<br />

Einzelvertraglich vereinbarte Löhne in nicht tarifgebundenen Betrieben<br />

sind schon nach geltendem Recht und gefestigter Rechtsprechung<br />

unzulässig, wenn der einschlägige Tariflohn oder der<br />

regional übliche Lohn um ein Drittel unterschritten wird. Es bedarf<br />

keiner zusätzlichen, gesetzlichen Regelung zur Absicherung der<br />

Rechtsprechung, weil hierzu mit § 138 BGB bereits eine gesetzliche<br />

Grundlage besteht.<br />

3. Allgemeinverbindliche Tarifverträge – gegenwärtig sind von über<br />

60.000 Tarifverträgen ca. 500 Tarifverträge allgemeinverbindlich<br />

erklärt – müssen im Rahmen der Tarifautonomie die Ausnahme<br />

bleiben, denn allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten auch<br />

gegenüber denjenigen, die nicht tarifgebunden sind. Zur Tarifautonomie<br />

gehört das Recht, nicht Mitglied einer Koalitionspartei zu<br />

sein und keine Tarifverträge abzuschließen. Deshalb bedarf es für<br />

eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf sog. Außenseiter immer<br />

einer besonderen Rechtfertigung unter den bestehenden engen gesetzlichen<br />

Voraussetzungen.<br />

4. Die BDA sieht die Funktion der Allgemeinverbindlichkeit von Lohnund<br />

Gehaltstarifverträgen darin, nachgewiesenen unsozialen Lohnund<br />

Arbeitsbedingungen bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern<br />

5. Die Aufnahme weiterer Branchen in das Entsendegesetz kommt<br />

in Betracht, wenn unerwünschte soziale Verwerfungen durch Entsendearbeitnehmer<br />

nachgewiesen sind und Tarifverträge gelten,<br />

die zuvor nach den Regeln des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich<br />

erklärt wurden. Eine Ausweitung des Entsendegesetzes<br />

ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen lehnt die BDA ab. Wir<br />

unterstützen damit die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zum<br />

Entsendegesetz.<br />

6. Keine der in der aktuellen Diskussion über die Ausweitung des<br />

Entsendegesetzes genannten Branchen erfüllt derzeit die Bedingungen<br />

für die Aufnahme in dieses Gesetz.<br />

In der Zeitarbeit werden bedingt durch den Equal-Pay/Treatment-<br />

Grundsatz und dessen Öffnung für Tarifverträge fast flächendeckend<br />

tarifliche Mindestlöhne gezahlt. Im Übrigen scheidet bei<br />

konkurrierenden Tarifverträgen, wie sie in der Zeitarbeit bestehen,<br />

bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Regelung<br />

aus, die willkürlich den Lohn eines Tarifvertrages für allgemeinverbindlich<br />

erklärt und damit die Geltung der übrigen tariflichen<br />

Löhne außer Kraft setzt.<br />

Bei allen anderen Branchen fehlt es an bundesweiten Mindestlohntarifverträgen<br />

oder Mindestlohnstrukturen, so dass schon aus<br />

diesem Grund deren Aufnahme in das Entsendegesetz zurzeit nicht<br />

in Betracht kommt. Die Bemühungen einiger Arbeitgeberverbände,<br />

wettbewerbsfähige Mindestlohntarifverträge in ihren Branchen zustande<br />

zu bringen, werden von der BDA unterstützt.


42 Tarifpolitik<br />

Tarifrecht modernisieren,<br />

Flächentarifvertrag erhalten<br />

Der Flächentarifvertrag sichert die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.<br />

Er schafft den notwendigen Ausgleich<br />

und nimmt eine soziale Befriedungsfunktion wahr.<br />

Deutschland ist auf wirtschaftlich tragbare und sozial ausgewogene<br />

Tarifregelungen angewiesen. Den Tarifpartnern<br />

ist es durch Vereinbarungen zur betrieblichen Differenzierung<br />

gelungen, ihren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit<br />

des Flächentarifvertrages zu leisten. Durch die Rechtsprechung<br />

des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Zulässigkeit<br />

von Sozialplan- und Unterstützungsstreiks sowie durch<br />

die mit Spartengewerkschaften verbundene Entwicklung<br />

festigt sich allerdings der Eindruck, dass bisher anerkannte<br />

Grundprinzipien des Tarifrechts ins Rutschen gekommen<br />

sind und der Flächentarifvertrag gefährdet ist. Es ist daher<br />

höchste Zeit, dass durch den Gesetzgeber eine neue Balance<br />

im Tarifrecht geschaffen wird.<br />

Spartengewerkschaften – Gefahr<br />

für die Tarifeinheit<br />

Zunehmend versuchen spezialisierte Minderheiten von<br />

Arbeitnehmern ihre Schlüsselstellung auszunutzen und<br />

einen eigenen Tarifvertrag durchzusetzen. So fordert die<br />

Gewerkschaft der Lokführer (GDL) den Abschluss eines<br />

Spartentarifvertrages für einen kleinen Teil der Belegschaft<br />

der Deutsche Bahn AG, obwohl kurz zuvor ein für<br />

alle Beschäftigten geltender Tarifvertrag mit ordentlichen<br />

Lohnzuwächsen abgeschlossen worden war. Durch Spartengewerkschaften<br />

wird auf diesem Weg immer häufiger<br />

der für die betriebliche Praxis wichtige Grundsatz der Tarifeinheit<br />

infrage gestellt, nach dem in einem Betrieb nur<br />

ein Tarifvertrag gelten kann.<br />

Der Grundsatz der Tarifeinheit ist ein Garant für die tarifliche<br />

Friedenspflicht und damit für ein funktionsfähiges<br />

Tarifvertragssystem. Er ist wesentliche Voraussetzung<br />

zur Sicherung des Betriebsfriedens. Unterschiedliche<br />

Entscheidungen der Instanzgerichte zum Grundsatz der<br />

Tarifeinheit haben allerdings zu Rechtsunsicherheit geführt.<br />

Da eine schnelle höchstrichterliche Klärung nicht<br />

in Sicht ist, ist der Gesetzgeber gefordert, den Grundsatz<br />

der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz als zentrales Element<br />

des Tarifrechts klarzustellen.<br />

Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass Streiks<br />

nicht von spezialisierten Minderheiten geführt oder angedroht<br />

werden dürfen, wenn mit ihnen ein Ziel durchgesetzt<br />

werden soll, das nur dieser Minderheit zugutekommen<br />

soll, die übrige Belegschaft aber durch den<br />

Arbeitskampf die Möglichkeit verliert, ihrer Beschäftigung<br />

nachzugehen. Solche Streiks sind unverhältnismäßig und<br />

durch das Grundgesetz nicht geschützt.


Tarifpolitik<br />

43<br />

Beschluss des Präsidiums der Bda vom 17. September <strong>2007</strong><br />

Grundsatz der Tarifeinheit erhalten, Friedensfunktion<br />

des Flächentarifvertrages sichern<br />

Das deutsche Tarifvertragssystem hat einen Beitrag dazu geleistet, dass in Deutschland im europäischen Durchschnitt bisher eine relativ geringe<br />

Zahl an Arbeitskämpfen zu verzeichnen gewesen ist. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Unterstützungsstreiks und Arbeitskämpfen<br />

um Sozialpläne stellt diese positive Grundbewertung erheblich infrage. Daneben beobachten wir mit Sorge die Gefahr einer möglichen Erosion des<br />

funktionierenden Systems der Flächentarifverträge durch das Tätigwerden von Gruppierungen, die sich ausschließlich einer Berufsgruppe verpflichtet<br />

fühlen (Spartengewerkschaften).<br />

Zunehmend versuchen spezialisierte Minderheiten trotz eines alle Beschäftigten umfassenden Tarifvertrages ihre Schlüsselstellung auszunutzen und<br />

einen zusätzlichen Spartentarifvertrag durchzusetzen. Mit dem Konkurrenzkampf von Gewerkschaften und einzelnen Mitarbeitergruppen ist die Zahl<br />

konkurrierender Tarifforderungen und Tarifverträge sprunghaft angestiegen. Durch diese Entwicklung ergeben sich neue tarif- und arbeitskampfrechtliche<br />

Probleme, die ein klarstellendes Eingreifen des Gesetzgebers notwendig machen.<br />

• Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern<br />

Die Friedensfunktion des Flächentarifvertrags ist für die Tarifautonomie konstitutiv. Der Arbeitgeber muss sich darauf verlassen können, während der<br />

Laufzeit eines für alle Beschäftigten geltenden Tarifvertrages keinen Arbeitskampfmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Ohne die Friedenspflicht besteht<br />

für die Unternehmen die Gefahr ständiger Tarifauseinandersetzungen oder gar Streiks. Kleine Spartengewerkschaften mit einem hohen Erpressungspotenzial<br />

könnten jederzeit Arbeitskämpfe um tarifliche Regelungen führen, die bereits in einem anderen Tarifwerk geregelt sind. Die Motivation<br />

nimmt ab, sich den Regelungen eines Tarifvertrags für die ganze Branche oder das gesamte Unternehmen zu unterwerfen. Denn trotz eines geltenden<br />

Tarifvertrags muss der Arbeitgeber jederzeit mit Arbeitskämpfen rechnen.<br />

• Grundsatz der Tarifeinheit erhalten<br />

Bisher war der vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Grundsatz der Tarifeinheit, nach dem in einem Betrieb grundsätzlich nur ein Tarifvertrag mit<br />

demselben Geltungsbereich zur Anwendung kommen kann, ein Garant für die Friedenspflicht und damit für ein funktionsfähiges Tarifvertragssystem.<br />

Der Grundsatz der Tarifeinheit schließt dabei nicht aus, dass die Tarifvertragsparteien einzelne Beschäftigungsgruppen aus dem Geltungsbereich eines<br />

Tarifvertrages herausnehmen und so einer weiteren tarifvertraglichen Regelung – ggf. auch mit einer anderen Gewerkschaft – zugänglich machen<br />

können.<br />

Der Arbeitskampf einer Spartengewerkschaft ist unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, wenn in einem Betrieb bereits ein alle Beschäftigten<br />

umfassender Tarifvertrag gilt. Durch den Grundsatz der Tarifeinheit kommt ein solcher Spartentarifvertrag nicht zur Anwendung. Die mit dem Streik<br />

verbundenen Belastungen für das Unternehmen und die Mehrheit der Belegschaft stehen daher außer Verhältnis zu den Vorteilen, die nur für eine<br />

Minderheit der Belegschaft Wirkung entfalten sollen.<br />

• Betriebliche Praxis braucht Tarifeinheit<br />

Auch für die betriebliche Praxis besteht ein großes Bedürfnis nach einer betriebseinheitlichen Anwendung nur eines Tarifvertrages. Eine Aufgabe des<br />

Grundsatzes der Tarifeinheit würde zu zahlreichen nur schwer lösbaren Problemen führen: Der Arbeitgeber müsste beispielsweise die Gewerkschaftszugehörigkeit<br />

seiner Arbeitnehmer erfragen, um den richtigen Tarifvertrag anzuwenden. Auch inhaltliche Unterschiede zwischen den einzelnen<br />

Tarifverträgen führen zu erheblichen Schwierigkeiten. Bei Arbeitsbedingungen wie beispielsweise der Arbeitszeit lassen sich unterschiedliche tarifvertragliche<br />

Regelungen in einem Betrieb praktisch nicht umsetzen. Schließlich würden beim Umgang mit tarifvertraglichen Öffnungsklauseln und<br />

hinsichtlich des Verhältnisses der Tarifverträge zu Betriebsvereinbarungen Probleme entstehen.<br />

• Rechtsunsicherheit beseitigen<br />

Das Bundesarbeitsgericht hält zwar im Wesentlichen seit 1957 am Grundsatz der Tarifeinheit fest. Unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte<br />

zum Grundsatz der Tarifeinheit und zum Streikrecht von Spartengewerkschaften haben aber zu Rechtsunsicherheit geführt. Da eine schnelle höchstrichterliche<br />

Klärung nicht in Sicht ist, sollte der Gesetzgeber handeln und durch die Bekräftigung des Grundsatzes der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz<br />

die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit fordert das Präsidium der BDA daher den<br />

Gesetzgeber auf, im Tarifvertragsgesetz klarzustellen, dass der Grundsatz der Tarifeinheit ein zentrales Element des bestehenden Tarifrechts ist.


44 Tarifpolitik<br />

Friedensfunktion des<br />

Flächentarifvertrages sichern<br />

Die Zukunftsfähigkeit des Flächentarifvertrages darf nicht<br />

durch die Zulassung von Streiks gegen verbandsangehörige<br />

Arbeitgeber infrage gestellt werden. Die in Arbeitgeberverbänden<br />

organisierten Unternehmen müssen sich<br />

darauf verlassen können, dass die Grundsätze des Tarifrechts<br />

verwirklicht werden, insbesondere während der<br />

Laufzeit eines Tarifvertrages keinen Arbeitskampfmaßnahmen<br />

ausgesetzt zu werden. Ohne die Friedenspflicht<br />

nimmt die Motivation ab, sich den Regelungen eines Tarifvertrages<br />

zu unterwerfen. Diese negative Entwicklung<br />

wird durch die Rechtsprechung des BAG gefördert. So hat<br />

das BAG einen Streik um einen sog. Tarifsozialplan als<br />

zulässig erklärt. Trotz der gesetzlich geregelten Zuständigkeit<br />

der Betriebsparteien gem. §§ 111, 112 BetrVG<br />

sah es die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien als<br />

nicht beschränkt an. Darüber hinaus wurde vom Gericht<br />

erklärt, dass der Umfang einer auf ein tarifvertraglich regelbares<br />

Ziel gerichteten Streikforderung keiner gerichtlichen<br />

Kontrolle unterliegt. Auch mit dieser Entscheidung<br />

wird deutlich: Das deutsche Tarifrecht muss grundlegend<br />

überarbeitet und reformiert werden.<br />

Es ist eine gesetzliche Klarstellung notwendig, um die dem<br />

Tarifvertrag innewohnende Friedenspflicht zu bewahren<br />

und damit die Tarifautonomie zu schützen. Streiks um Tarifsozialpläne<br />

untergraben die Friedenspflicht und damit<br />

eines der Fundamente der Tarifautonomie in Deutschland.<br />

Solche Streiks gefährden zudem notwendige Umstrukturierungen,<br />

die zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Unternehmen und damit der Arbeitsplätze<br />

in Deutschland notwendig sind. Ferner muss gesetzlich<br />

abschließend klargestellt werden, ob im Fall struktureller<br />

Veränderungen im Unternehmen der Betriebsvereinbarung<br />

oder dem Tarifvertrag der Vorrang zukommt. Ein Nebeneinander<br />

muss gesetzlich ausgeschlossen werden.<br />

Bisher war anerkannt, dass Arbeitskämpfe, die nicht auf<br />

den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet sind, grundsätzlich<br />

unzulässig sind. Unterstützungsstreiks über den<br />

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu begrenzen, schafft<br />

keine Rechtssicherheit. Das Arbeitskampfrecht verliert damit<br />

wichtige Konturen. Arbeitskämpfe können allenfalls<br />

durch das Ziel legitimiert sein, Tarifforderungen durchzusetzen,<br />

und dürfen nicht auf dem Rücken unbeteiligter<br />

Betriebe und zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft<br />

ausgetragen werden. Solche Streiks gefährden – wie politische<br />

Streiks – den sozialen Frieden und untergraben die<br />

Tarifautonomie an entscheidender Stelle.<br />

Beschäftigungsmotor Zeitarbeit<br />

Zeitarbeit hat sich zu einem maßgeblichen Beschäftigungsmotor<br />

in Deutschland entwickelt: Nach den Mitte<br />

Oktober veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur<br />

für Arbeit waren zum Stichtag 31. Dezember 2006 über<br />

630.000 Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Insbesondere zur<br />

gegenwärtigen Belebung des Arbeitsmarktes hat die Zeitarbeit<br />

maßgebliche Impulse gesetzt. Insgesamt sind im<br />

letzten Jahr mehr als ein Viertel aller neuen sozialversicherungspflichtigen<br />

Beschäftigungsverhältnisse in der Zeitarbeit<br />

entstanden – so viele wie in keiner anderen Branche.<br />

Der europäische Vergleich zeigt, dass die Zeitarbeit in<br />

Deutschland weiteres Wachstumspotenzial hat. Mit 1,5 %<br />

liegt der Anteil der in Zeitarbeit Beschäftigten unter dem<br />

Zeitarbeit als Beschäftigungsmotor<br />

Tätigkeit der Arbeitnehmer vor Zeitarbeit<br />

15,1 %<br />

8,5 %<br />

32,0 %<br />

Unterstützungsstreiks gefährden<br />

Tarifautonomie<br />

44,4 %<br />

Mit seiner Entscheidung, dass Unterstützungsstreiks<br />

grundsätzlich zulässig sind, stellt das BAG ein weiteres<br />

wichtiges Fundament des deutschen Tarifrechts infrage:<br />

vorher 1 Jahr und länger arbeitslos vorher beschäftigt<br />

vorher weniger als 1 Jahr arbeitslos noch nie beschäftigt<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, <strong>2007</strong>, Stichtag: 31. Dezember 2006


Tarifpolitik<br />

45<br />

Zeitarbeit als Wachstumsbranche<br />

Anzahl der überlassenen Zeitarbeitnehmer in Tsd.<br />

631<br />

600<br />

500<br />

464<br />

400<br />

300<br />

200<br />

177<br />

200<br />

232<br />

286<br />

337<br />

302 308<br />

327<br />

389<br />

100<br />

0<br />

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, <strong>2007</strong>, Stichtag: 31.Dezember des jeweiligen Jahres<br />

europäischen Durchschnitt von 2,0 % und weit hinter<br />

Großbritannien (5,0 %) und den Niederlanden (2,5 %).<br />

In Zeiten der Globalisierung haben Unternehmen einen<br />

zunehmenden Bedarf an Flexibilität, dem die moderne<br />

Beschäftigungsform Zeitarbeit Rechnung trägt. Auf diese<br />

Weise sind sie in der Lage, den schwankenden und daher<br />

zeitlich begrenzten Bedarf an Personal flexibel zu decken.<br />

In diesem Zusammenhang spielt Zeitarbeit auch als<br />

Ventil für das ansonsten starre und unflexible deutsche<br />

Arbeitsrecht eine große Rolle.<br />

Für Arbeitnehmer leistet Zeitarbeit einen wichtigen Beitrag<br />

zur Vermeidung und Überwindung von Arbeitslosigkeit.<br />

Sie eröffnet ihnen die Chance zur Qualifizierung<br />

durch Beschäftigung. Knapp 70 % der Zeitarbeitnehmer<br />

haben durch Zeitarbeit die Chance erhalten, die Arbeitslosigkeit<br />

zu überwinden. Etwa ein Drittel der Arbeitnehmer<br />

wechselt aus der Zeitarbeit in das entleihende oder<br />

in ein anderes Unternehmen außerhalb der Zeitarbeit.<br />

Allerdings stehen die Zeitarbeitsunternehmen wegen des<br />

zunehmenden Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften immer<br />

mehr vor dem Problem, die notwendigen Fachkräfte<br />

zu rekrutieren. Die Themen Ausbildung und Qualifizierung<br />

gewinnen daher auch für Zeitarbeitsunternehmen<br />

weiter an Bedeutung.<br />

Eine erneute Beschränkung der Zeitarbeit, wie sie in Teilen<br />

der Politik diskutiert wird, ist ein gefährlicher Ansatz,<br />

der dazu führt, diesen Beschäftigungsmotor wieder abzuwürgen.<br />

Sie geht an den Bedürfnissen der Betriebe vorbei,<br />

gefährdet Arbeitsplätze sowohl in der Zeitarbeitsbranche<br />

als auch bei den Entleiherbetrieben und nimmt vielen Arbeitslosen<br />

die Chance zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt.<br />

Eine Aufnahme der Zeitarbeitsbranche in das Entsendegesetz<br />

ist weder erforderlich noch rechtlich zulässig. Auf<br />

nahezu 100 % der Zeitarbeitsverhältnisse finden Tarifverträge<br />

Anwendung, so dass keine sozialen Verwerfungen<br />

bestehen. Zudem stellt die Aufnahme in das Entsendegesetz<br />

und die Allgemeinverbindlicherklärung eines<br />

Mindestlohntarifvertrages wegen des Bestehens konkurrierender<br />

Tarifverträge einen Eingriff in die verfassungsrechtlich<br />

geschützte Koalitionsfreiheit des Verbandes<br />

dar, dessen Tarifverträge keine Anwendung mehr finden.<br />

Die Forderung nach einem Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

ohne Tariföffnung steht im Widerspruch zu dem Prinzip,<br />

dass Zeitarbeitsunternehmen vollwertige Arbeitgeber sind<br />

und Zeitarbeitnehmer auch in überlassungsfreien Zeiten<br />

vergütet werden. Im Übrigen würden die Tarifverträge der<br />

Zeitarbeit ausgehebelt und so in die Tarifautonomie der<br />

Zeitarbeitsverbände eingegriffen. Auch einer Ausweitung<br />

der Beteiligungsrechte der Betriebsräte bedarf es nicht, da<br />

die Interessen der Zeitarbeitnehmer bereits umfassend geschützt<br />

sind.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zeitarbeit“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.


47<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


48 Soziale Sicherung<br />

Wirtschaftlichen Aufschwung<br />

für weiter gehende Strukturreformen<br />

nutzen<br />

ausgabensenkende Strukturreformen in den Sozialversicherungen<br />

fortzusetzen bzw. noch ausstehende Reformen<br />

anzugehen.<br />

Trotz der dämpfenden Effekte der zum 1. Januar <strong>2007</strong><br />

wirksam gewordenen Mehrwertsteuererhöhung hat sich<br />

der wirtschaftliche Aufschwung in diesem Jahr weiter fortgesetzt.<br />

Das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts<br />

wird nach Ansicht des Sachverständigenrates zur Begutachtung<br />

der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit<br />

2,6 % zwar etwas schwächer als 2006 (2,9 %) ausfallen,<br />

aber deutlich dynamischer bleiben als in den von Stagnation<br />

und wachsender Arbeitslosigkeit gekennzeichneten<br />

Vorjahren. Diese Entwicklung ist erfreulich, und sie verbessert<br />

die Finanzlage aller Sozialversicherungszweige<br />

durch steigende Beitragseinnahmen.<br />

Der aktuelle Konjunkturaufschwung ist jedoch kein<br />

Selbstläufer. In der gerade begonnenen zweiten Hälfte<br />

der Legislaturperiode erwartet die deutsche Wirtschaft<br />

von der Bundesregierung eine wachstumsorientierte<br />

Politik und weitere intensive Reformanstrengungen.<br />

Stillstand oder Rücknahme von Erreichtem wären fatale<br />

Fehler, welche die gute wirtschaftliche Entwicklung<br />

leichtfertig aufs Spiel setzen würden. Die Bundesregierung<br />

muss den konjunkturellen Rückenwind nutzen, um<br />

Licht und Schatten<br />

CDU/CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vom<br />

11. November 2005 vereinbart, die Beitragssätze zur Sozialversicherung<br />

dauerhaft unter die Marke von 40 % zu<br />

senken. Durch die jetzt beschlossene weitere Absenkung<br />

des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von 4,2<br />

auf 3,3 % zum 1. Januar 2008 wird die große Koalition<br />

dieses wirtschafts- und sozialpolitisch unverzichtbare Ziel<br />

im ersten Halbjahr 2008 erstmals erreichen. Unter der<br />

Annahme, dass die Beitragsbelastung in der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung von zuletzt 14,8 % (inkl. Sonderbeitrag<br />

der Versicherten) unverändert bleibt, wird der<br />

Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz zum 1. Januar<br />

2008 auf 39,8 % zurückgehen. Sollte das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz,<br />

das eine Beitragssatzanhebung<br />

um 0,25 Prozentpunkte auf 1,95 % vorsieht, wie geplant<br />

zum 1. Juli 2008 in Kraft treten, wird die 40 %-Marke<br />

aber bereits im zweiten Halbjahr 2008 wieder überschritten.<br />

Deshalb müssen weitere, über die bislang ergriffenen<br />

Maßnahmen hinausgehende Schritte unternommen wer-


Soziale Sicherung<br />

49<br />

Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz sinkt kurzfristig unter 40 prozent<br />

(jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt; 2008: Schätzung der BDA)<br />

Pflegeversicherung (Durchschnitt)<br />

Arbeitslosenversicherung<br />

Krankenversicherung (Durchschnitt)<br />

Rentenversicherung<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

in %<br />

26,5<br />

1,3<br />

8,2<br />

32,4<br />

3,0<br />

11,4<br />

35,8<br />

4,3<br />

12,8<br />

41,0<br />

1,70<br />

6,5<br />

13,5<br />

42,0<br />

1,77<br />

6,5<br />

14,2<br />

42,0<br />

1,77<br />

6,5<br />

14,2<br />

40,7<br />

1,77<br />

4,2<br />

14,8<br />

39,8 40,0<br />

1,77 2,02<br />

3,3 3,3<br />

14,8 14,8<br />

20<br />

15<br />

17,0<br />

18,0<br />

18,7<br />

19,3 19,5<br />

19,5<br />

19,9<br />

19,9<br />

19,9<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1970 1980 1990 2000 2005 2006 <strong>2007</strong> 01.01.2008 01.07.2008<br />

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit; eigene Darstellung der BDA<br />

den. Das ist zwingend zur Entlastung der Betriebe bei<br />

den – auch im internationalen Vergleich – nach wie vor<br />

viel zu hohen Personalzusatzkosten.<br />

Das „RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz“ bringt – anders<br />

als in der Gesetzesbegründung behauptet – langfristig keine<br />

Senkung der Lohnzusatzkosten. Vielmehr wird lediglich<br />

der langfristige Beitragssatzanstieg in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung auf 21,9 % im Jahr 2030 vermindert.<br />

Der prognostizierte Beitragssatz liegt damit immer noch<br />

deutlich oberhalb des heutigen Niveaus von 19,9 %.<br />

Richtig war der Beschluss des Gesetzgebers, die Beitragsfreiheit<br />

der Entgeltumwandlung für betriebliche<br />

Altersvorsorge dauerhaft zu gewährleisten. Auf diese<br />

Weise wird eine doppelte Belastung der betrieblichen<br />

Altersvorsorge mit Sozialversicherungsbeiträgen in der<br />

Aufwands- und in der Leistungsphase verhindert und<br />

ihre Attraktivität auch für die Zukunft gesichert.<br />

Eine große Enttäuschung ist dagegen das am<br />

2. Februar <strong>2007</strong> vom Bundestag verabschiedete „GKV-<br />

Wettbewerbsstärkungsgesetz“. Es verfehlt alle wesentlichen<br />

Anforderungen an eine durchgreifende und<br />

zukunftssichere Neuordnung des Gesundheitswesens.<br />

Insbesondere ist – entgegen der Zusage im Koalitionsvertrag<br />

– der weitere Anstieg der Beitragssätze der<br />

Krankenkassen auf das neue Rekordniveau von 14,8 %<br />

nicht verhindert worden.<br />

Die Pflegeversicherung bedarf einer grundlegenden<br />

Reform auf der Leistungs- wie auf der Finanzierungsseite<br />

– insbesondere mit einer Abkopplung der<br />

Pflegefinanzierung von den Arbeitskosten. Der am<br />

17. Oktober <strong>2007</strong> von der Bundesregierung beschlossene<br />

Gesetzentwurf des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes,<br />

der einseitig Leistungsausweitungen und<br />

eine Beitragssatzanhebung vorsieht, ist die falsche<br />

Weichenstellung.<br />

In der Unfallversicherung droht die überfällige Beitragsentlastung<br />

der Unternehmen weiter auszubleiben. Das<br />

gilt jedenfalls, wenn die im Koalitionsvertrag vereinbarte<br />

Reform des Leistungsrechts erneut aufgeschoben wird<br />

und es beim aktuellen Gesetzentwurf des Bundesministeriums<br />

für Arbeit und Soziales bleibt, der ausschließlich<br />

eine Reform des Organisationsrechts der Unfallversicherung<br />

vorsieht.


50 Soziale Sicherung<br />

Gesetzliche Rentenversicherung:<br />

Regelaltersgrenze ohne<br />

Ausnahmen anheben<br />

RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz<br />

1. Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf<br />

67 Jahre zwischen 2012 und 2029<br />

2. Verzicht auf die nach geltendem Recht ab 2010<br />

vorgesehene Absenkung des Rentenzugangsalters<br />

für langjährig Versicherte von 63 auf 62 Jahre<br />

3. Einführung einer neuen abschlagsfreien Altersgrenze<br />

ab 65 Jahren für besonders langjährig<br />

Versicherte ab 2012, Voraussetzung: mindestens<br />

45 Jahre Pflichtbeiträge aus Beschäftigung,<br />

selbstständiger Tätigkeit und Pflege<br />

sowie Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten<br />

Lebensjahr des Kindes<br />

4. Anhebung des Referenzalters für die Inanspruchnahme<br />

einer Erwerbsminderungsrente von 63 auf<br />

65 Jahre zwischen 2012 und 2024, Ausnahme:<br />

erwerbsgeminderte Versicherte mit 35 bzw.<br />

40 Jahren Wartezeit<br />

5. Anhebung der abschlagsfreien Altersgrenze bei<br />

der Schwerbehindertenrente von 63 auf 65 Jahre<br />

zwischen 2012 und 2029<br />

6. Anhebung der Altersgrenze für die große Witwen-/Witwerrente<br />

von 45 auf 47 Jahre zwischen<br />

2012 und 2029<br />

7. Einführung eines Anpassungsfaktors zur Nachholung<br />

unterlassener Rentendämpfungen ab 2011<br />

Am 9. März <strong>2007</strong> hat der Bundestag das „Gesetz zur<br />

Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische<br />

Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung“ (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz)<br />

beschlossen. Dieses Gesetz,<br />

das am 1. Januar 2008 in Kraft tritt, sieht im Wesentlichen<br />

vor, die abschlagsfreie Regelaltersgrenze über<br />

einen Zeitraum von 18 Jahren um 24 Monate auf das<br />

vollendete 67. Lebensjahr anzuheben und die Rentenanpassungsformel<br />

um einen Anpassungsfaktor (Nachholfaktor)<br />

zu ergänzen. Durch diese Maßnahmen sollen<br />

die gesetzlich verankerten Beitragssatz- und Niveausicherungsziele<br />

– Beitragssatzobergrenze von 20 % bis<br />

2020 bzw. 22 % bis 2030 und Rentenniveauuntergrenze<br />

von 46 % bis 2020 bzw. 43 % bis 2030 – dauerhaft<br />

eingehalten werden.<br />

Die Anhebung der Altersgrenzen ist erst nach einer<br />

mehrjährigen Vorlaufzeit und zudem stufenweise vorgesehen.<br />

Damit will der Gesetzgeber Versicherten und<br />

Arbeitgebern ausreichend Zeit geben, sich in ihren Dispositionen<br />

auf die neue Rechtslage einzustellen. Die<br />

neue Regelaltersgrenze von 67 Jahren wird erstmals im<br />

Jahr 2029 erreicht und gilt für alle 1964 und später Geborenen.<br />

Auch bezüglich der Altersrente für langjährig<br />

Versicherte sieht das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz<br />

eine schrittweise Anhebung vom vollendeten 65. auf das<br />

67. Lebensjahr vor. Die vorzeitige Inanspruchnahme<br />

der Altersrente für langjährig Versicherte wird – sofern<br />

nicht ein besonderer Vertrauensschutz wegen Altersteilzeit<br />

gegeben ist – wie heute frühestens mit 63 Jahren<br />

möglich sein. Die nach geltendem Recht vorgesehene<br />

Absenkung des frühestmöglichen Renteneintrittsalters<br />

auf 62 Jahre unterbleibt.<br />

Hauptkritikpunkt der BDA am RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz<br />

ist, dass die Rente mit 67 nicht konsequent<br />

umgesetzt wird. Insbesondere die Ausnahmeregelung<br />

für besonders langjährig Versicherte, die<br />

eine Wartezeit von mindestens 45 Jahren zurückgelegt<br />

haben, reduziert die Einsparwirkung der Rentenreform<br />

<strong>2007</strong> um etwa 0,2 Beitragssatzpunkte bezogen<br />

auf das Jahr 2030. Sie wird dazu führen, dass ausgerechnet<br />

diejenigen, die bis 67 Jahre arbeiten könnten,<br />

dennoch vorher in Rente gehen. Damit wird ein neuer<br />

Fehlanreiz geschaffen, der dem Ziel der Bundesregierung,<br />

den Beschäftigungsgrad Älterer weiter zu erhöhen,<br />

widerspricht.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche<br />

Rentenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.


Soziale Sicherung<br />

51<br />

Weichen für betriebliche<br />

Altersvorsorge weiter auf<br />

Zuwachs gestellt<br />

Am 8. November <strong>2007</strong> hat der Bundestag die unbefristete<br />

Fortführung der beitragsfreien Entgeltumwandlung über<br />

2008 hinaus beschlossen und damit eine wichtige Weichenstellung<br />

vorgenommen. Auch der Bundesrat votierte<br />

am 30. November <strong>2007</strong> für dieses Gesetz, so dass eine<br />

Grundlage für das weitere Wachstum der betrieblichen<br />

Altersvorsorge künftig gesichert ist.<br />

Der Gesetzgeber hat mit diesem Beschluss einem langjährigen<br />

Anliegen der BDA Rechnung getragen. Damit werden<br />

für die Tarifpartner verlässliche Rahmenbedingungen<br />

zur Weiterentwicklung der tariflichen Entgeltumwandlungsvereinbarungen<br />

geschaffen. Im Juni <strong>2007</strong> hatten Arbeitgeberpräsident<br />

Dr. Dieter Hundt und der DGB-Vorsitzende<br />

Michael Sommer in einem gemeinsamen Schreiben<br />

an den Bundesarbeitsminister eine dauerhafte Beibehaltung<br />

der beitragsfreien Entgeltumwandlung eingefordert.<br />

Mit der Fortführung der Beitragsfreiheit wird verhindert,<br />

dass die Entgeltumwandlung ab 2009 sowohl in der Anspar-<br />

als auch in der Leistungsphase mit Abgaben zur<br />

gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und damit<br />

doppelt belastet wird. Dadurch wäre die Entgeltumwandlung<br />

für die meisten Arbeitnehmer – insbesondere<br />

für jene mit kleinem oder mittlerem Einkommen – nicht<br />

mehr attraktiv gewesen.<br />

Dass der Gesetzgeber mit der Fortführung der<br />

Beitragsfreiheit die richtige Entscheidung getroffen<br />

hat, belegt auch eine aktuelle Studie zur Verbreitung<br />

der betrieblichen Altersvorsorge von TNS Infratest.<br />

Hiernach hat die Entgeltumwandlung maßgeblich zum<br />

erfreulichen Wachstum der betrieblichen Altersvorsorge<br />

beigetragen. Seit der Ausweitung der Förderung der<br />

Entgeltumwandlung hat die Verbreitung der betrieblichen<br />

Altersvorsorge unter den sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten im Zeitraum vom 31. Dezember 2001 bis<br />

zum 31. Dezember 2006 von 52 auf 65 % zugenommen.<br />

Somit haben derzeit über 17 Mio. Beschäftigte eine<br />

Anwartschaft auf betriebliche Altersvorsorge.<br />

Immer mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

mit betrieblicher Altersvorsorge<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit betrieblicher Altersvorsorge (in %, jeweils zum 31. Dezember eines Jahres)<br />

2001<br />

52<br />

2002<br />

55<br />

2003<br />

58<br />

2005<br />

64<br />

2006<br />

65<br />

50<br />

60 70<br />

Quelle: TNS Infratest Sozialforschung; eigene Darstellung der BDA


52 Soziale Sicherung<br />

Das Gesetz sieht neben der Fortführung der Beitragsfreiheit<br />

auch vor, dass unverfallbare Betriebsrentenanwartschaften<br />

künftig bereits ab 25 Jahren statt bislang<br />

30 Jahren erworben werden können. Damit folgt der<br />

Gesetzgeber den entsprechenden Beschlüssen von<br />

Bundestag und Bundesrat im Rahmen der Diskussion<br />

über die EU-Portabilitätsrichtlinie vom April 2006. Die<br />

Absenkung des Mindestalters ist jedoch nicht unproblematisch,<br />

da die Ausweitung des anspruchsberechtigten<br />

Personenkreises zu einer zusätzlichen wirtschaftlichen<br />

Belastung der Unternehmen führen kann, die diese<br />

durch Gegenmaßnahmen – beispielsweise durch Reduzierung<br />

der Leistungspläne – auffangen müssen.<br />

Diese Belastung wird noch verstärkt durch die unzureichende<br />

steuerrechtliche Begleitung dieser Maßnahme.<br />

Die vorgesehene Absenkung des steuerlichen<br />

Mindestalters von 28 auf 27 Jahre wird dem Zuwachs<br />

des tatsächlichen Verpflichtungsumfangs des Arbeitgebers<br />

nicht gerecht. Angemessen ist hier sowohl aus<br />

betriebswirtschaftlicher als auch aus versicherungsmathematischer<br />

Sicht, das steuerliche Mindestalter um<br />

fünf Jahre auf 23 Jahre zu senken.<br />

EU-Richtlinienvorschlag für<br />

Mindeststandards der betrieblichen<br />

Altersvorsorge wäre<br />

schädlich<br />

Am 9. Oktober <strong>2007</strong> hat die EU-Kommission einen<br />

neuen Richtlinienvorschlag zur Verbesserung der Mindeststandards<br />

von Betriebsrenten (vormals: „Portabilitätsrichtlinie“)<br />

vorgelegt. Auch dieser Vorschlag kann<br />

die Bedenken der BDA nicht ausräumen. Der neue<br />

Vorschlag würde ebenfalls zu mehr Bürokratie und<br />

zu einer Verteuerung der betrieblichen Altersvorsorge<br />

führen. Durch den Richtlinienvorschlag, der viele<br />

verschärfende Regelungen enthält, würde das Interesse<br />

der Arbeitgeber an der betrieblichen Altersvorsorge,<br />

die eine freiwillige Leistung ist, sinken und die Bereitschaft,<br />

neue Zusagen für betriebliche Altersvorsorge für<br />

die Beschäftigten zu geben, zurückgehen. Dem notwendigen<br />

Ziel, die betriebliche Altersvorsorge weiter<br />

zu verbreiten, liefen die geplanten Vorschriften damit<br />

diametral zuwider.<br />

Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge<br />

1. Aufhebung der gesetzlichen Befristung (bis 31. Dezember 2008) der Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung.<br />

Diese bleibt auch nach diesem Datum bei allen Durchführungswegen in Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze<br />

zur gesetzlichen Rentenversicherung (West) beitragsfrei.<br />

2. Das Mindestalter für den Erwerb unverfallbarer Anwartschaften bei arbeitgeberfinanzierten Betriebsrentenzusagen<br />

wird von derzeit 30 auf 25 Jahre abgesenkt.<br />

3. Die Absenkung gilt für Neuzusagen, die ab dem 1. Januar 2009 erteilt werden. Für Zusagen, die nach dem 1. Januar<br />

2000, aber vor dem 1. Januar 2009 erteilt wurden, gilt eine Übergangsregelung, wonach ein Arbeitnehmer zwischen<br />

25 und 30 Jahren eine unverfallbare Anwartschaft erwirbt, wenn diese ab dem 1. Januar 2009 für fünf Jahre<br />

bestanden hat.<br />

4. Steuerlich wird das Alter, ab dem Rückstellungen gebildet bzw. Zuwendungen an eine Unterstützungskasse erbracht<br />

werden können, von derzeit 28 auf 27 Jahre abgesenkt.<br />

5. Bei der geförderten zusätzlichen Altersvorsorge (Riesterrente) wird für Kinder, die nach dem 1. Januar 2008 geboren<br />

werden, die Kinderzulage von derzeit 185 € auf 300 € erhöht.


Soziale Sicherung<br />

53<br />

Besonders gravierend ist, dass sich der Anwendungsbereich<br />

der Richtlinie auch beim neuen Vorschlag der<br />

Kommission auf alle Betriebsrentenzusagen, die in der<br />

Vergangenheit erteilt wurden, erstrecken soll. Der weite<br />

Anwendungsbereich kann insbesondere in Verbindung<br />

mit den vorgesehenen Vorgaben zur fairen Behandlung<br />

der Betriebsrentenanwartschaften von ausgeschiedenen<br />

Arbeitnehmern zu Verteuerungen von bestehenden Betriebsrentensystemen<br />

führen. Eine nachträgliche Verteuerung<br />

von Betriebsrentenzusagen, mit der die Unternehmen<br />

bei Zusageerteilung nicht rechnen konnten, würde<br />

aber notwendiges Vertrauen untergraben und dazu führen,<br />

dass sich Unternehmen bei ihrem künftigen freiwilligen<br />

Engagement zurückhalten.<br />

Eine weitere unannehmbare Regelung des neuen Vorschlags<br />

sieht vor, die Unverfallbarkeitsfrist für die Erlangung<br />

von Betriebsrentenanwartschaften auf ein Jahr<br />

festzulegen, wenn der Arbeitnehmer über 25 Jahre alt ist<br />

(fünf Jahre bei Arbeitnehmern bis zum 25. Lebensjahr).<br />

Diese Frist ist sogar noch kürzer als im ursprünglichen<br />

Kommissionsvorschlag, in dem eine zweijährige Unverfallbarkeitsfrist<br />

vorgesehen war. Diese Verkürzung würde<br />

die betriebliche Altersvorsorge nicht nur erheblich<br />

verteuern (nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft<br />

für betriebliche Altersversorgung e. V. um bis zu 20 %),<br />

sondern sie auch als personalpolitisches Instrument zur<br />

Mitarbeiterbindung nahezu völlig entwerten. Der Vorschlag<br />

enthält zudem Belastungen durch die Festlegung<br />

eines Mindestalters von 21 Jahren und neue bürokratische<br />

Informationspflichten, die im deutschen Recht<br />

bislang nicht bestehen. Zu begrüßen ist lediglich, dass<br />

der neue Vorschlag keine Regelungen zur Übertragbarkeit<br />

von Betriebsrentenansprüchen mehr enthält, die<br />

insbesondere bei den internen Durchführungswegen zu<br />

erheblichen Problemen geführt hätten.<br />

Der jetzige Kommissionsvorschlag bedeutet einen deutlichen<br />

Rückschritt gegenüber dem am 30. Mai <strong>2007</strong><br />

von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft formulierten<br />

Kompromissvorschlag, der zumindest wesentlichen<br />

Bedenken der BDA Rechnung getragen und damit größeren<br />

Schaden von der betrieblichen Altersvorsorge<br />

abgewendet hätte. Dieser Einigungsversuch scheiterte<br />

am Widerstand der Niederlande, die grundsätzliche<br />

Bedenken angeführt hatten. Bedauerlicherweise hat<br />

das Europäische Parlament in seiner Beschlussfassung<br />

vom 20. Juni <strong>2007</strong> den Vorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft<br />

nur teilweise aufgegriffen und im Hinblick<br />

auf die Unverfallbarkeitsfrist sogar ihre Abschaffung<br />

gefordert.<br />

Im EU-Rat konnte seit der Vorlage des überarbeiteten<br />

Vorschlags der Kommission bislang keine Einigung erzielt<br />

werden. Die deutsche Bundesregierung hat angekündigt,<br />

keinem Vorschlag zuzustimmen, der eine kürzere Unverfallbarkeitsfrist<br />

als fünf Jahre vorsieht und der sich nicht<br />

auf Neuzusagen beschränkt. Dennoch kann aus Sicht der<br />

BDA keine Entwarnung gegeben werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Richtlinienvorschlag<br />

zur betrieblichen Altersvorsorge“ veröffentlicht.<br />

Er ist über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Regelungen zur Rente mit 67 für<br />

betriebliche Altersvorsorge<br />

vereinfachen<br />

Im Rahmen des am 9. März <strong>2007</strong> beschlossenen Gesetzes<br />

zur schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze<br />

in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 67 Jahre wurden<br />

für die betriebliche Altersvorsorge Folgeänderungen<br />

beschlossen. Angepasst wurde die Regelung zur Berechnung<br />

der Höhe anteiliger Betriebsrentenanwartschaften<br />

bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers. Nachvollziehbar<br />

ist, dass die Regelungen zur Anwartschaftsberechnung<br />

sich künftig am jeweiligen Rentenalter der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung orientieren. Abzulehnen<br />

ist jedoch, dass die – ohnehin verfehlte – Ausnahmeregelung<br />

für besonders langjährig Versicherte mit 45 Beitragsjahren<br />

auch im Betriebsrentenrecht Anwendung finden<br />

soll. Dies führt für die Betriebe zu gravierenden Schwierigkeiten<br />

bei der Betriebsrentenberechnung und bei den<br />

Auskunftsverpflichtungen. Die BDA fordert einfache und<br />

klare Regelungen: Die Altersgrenze im Betriebsrentengesetz<br />

sollte daher für Neuzusagen nach einem festzulegenden<br />

Stichtag ausnahmslos auf 67 Jahre angehoben<br />

werden.<br />

Wenig praxisgerecht ist auch die als Folge der Altersgrenzenanpassung<br />

in der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

vorgesehene Anhebung der Altersuntergrenze für<br />

betriebliche Altersvorsorge von 60 auf 62 Jahre durch<br />

eine Änderung des entsprechenden BMF-Schreibens


54 Soziale Sicherung<br />

vom 17. November 2004. Gerade aufgrund der – notwendigen<br />

– Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung ist es erforderlich, den<br />

Unternehmen und Arbeitnehmern weiterhin flexible Lösungen<br />

für den Übergang von der Erwerbs- in die Ruhestandsphase<br />

zu eröffnen. Der betrieblichen Altersvorsorge<br />

wird in dieser Frage zukünftig eine noch wichtigere<br />

Rolle zukommen. Falls die Spielräume der betrieblichen<br />

Altersvorsorge verkleinert werden, ist zu erwarten, dass<br />

sie gegenüber anderen Instrumentarien wie Arbeitszeitkonten<br />

an Bedeutung verliert.<br />

Reform des Versorgungsausgleichs<br />

darf Unternehmen nicht zusätzlich<br />

belasten<br />

Das Bundesministerium der Justiz hat am 29. August<br />

<strong>2007</strong> einen Diskussionsentwurf zur Strukturreform<br />

des Versorgungsausgleichs vorgelegt. Zwar ist eine<br />

Reform des Versorgungsausgleichs unverzichtbar, um<br />

verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen.<br />

Allerdings müssen dabei die mit dem Versorgungsausgleich<br />

verbundenen Belastungen für die betriebliche Altersvorsorge<br />

auf ein Mindestmaß beschränkt werden.<br />

Deshalb ist zu begrüßen, dass der Diskussionsentwurf<br />

wichtige Anliegen der BDA zur Entlastung aufgreift,<br />

wie z. B. den Verzicht auf einen Versorgungsausgleich<br />

bei einer Ehedauer bis drei Jahren und bei geringen<br />

Ausgleichswerten. Im Hinblick auf die vorgesehene<br />

obligatorische Realteilung sieht der Vorschlag jedoch<br />

Belastungen vor, die vermieden werden könnten. Insbesondere<br />

die geplante zwangsweise Aufnahme betriebsfremder<br />

Personen in betriebliche Versorgungssysteme<br />

infolge von Scheidungen würde die Versorgungssysteme<br />

zusätzlich aufblähen und zu mehr Bürokratie führen.<br />

Daher sollten ausgleichsberechtigte Personen<br />

regelmäßig und damit auch außerhalb der jetzt vorgesehenen<br />

Grenzen abgefunden werden können. Eine weitere<br />

Vereinfachung kann vor allem durch den Verzicht<br />

auf die Einbeziehung verfallbarer Anwartschaften in den<br />

Versorgungsausgleich erreicht werden.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Betriebliche<br />

Altersvorsorge“ veröffentlicht. Er ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Gesetzliche Krankenversicherung:<br />

Gesundheitsreform enttäuscht<br />

Die Gesundheitsreform des Jahres <strong>2007</strong> ist eine große<br />

Enttäuschung. Das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs<br />

in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-<br />

Wettbewerbsstärkungsgesetz) verfehlt alle wesentlichen<br />

Anforderungen an eine durchgreifende und zukunftssichere<br />

Neuordnung des Gesundheitswesens.<br />

Der Wettbewerb als eines der wirksamsten Mittel zur<br />

Kostenbegrenzung bleibt weiter auf wenige Bereiche<br />

beschränkt. Die Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

wird auch künftig vor allem durch<br />

kollektiv vereinbarte, für alle Krankenkassen geltende<br />

einheitliche Bedingungen geregelt und weniger durch<br />

Wettbewerb zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern<br />

bestimmt.<br />

Die notwendige Begrenzung des Leistungskatalogs auf<br />

eine Basissicherung mit Kernleistungen und verstärkter<br />

Eigenbeteiligung bleibt aus, teilweise kommt es sogar<br />

zu Leistungsausweitungen. Das nach dem ursprünglichen<br />

Gesetzentwurf vorgesehene, ohnehin deutlich<br />

zu niedrige Entlastungsvolumen (Minderausgaben minus<br />

Mehrausgaben) in Höhe von 1,2 % der heutigen<br />

GKV-Leistungsausgaben wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens<br />

um 40 % auf nunmehr lediglich<br />

0,7 % reduziert.<br />

Die von der BDA vorgeschlagene Abkopplung der<br />

Krankheitskostenfinanzierung vom Arbeitsverhältnis<br />

durch Auszahlung des Arbeitgeberbeitrages in den Bruttolohn<br />

bleibt ebenfalls aus. Die ab 2009 steigenden<br />

Bundeszuschüsse an die Krankenkassen bewirken eine<br />

teilweise Lockerung der Abhängigkeit vom Faktor Arbeit.<br />

Ohne ausgabensenkende Reformen ist jedoch davon<br />

auszugehen, dass die Beitragssätze in den nächsten<br />

Jahren dennoch weiter steigen werden. Das aber bedeutet,<br />

dass die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

zu Lasten von Löhnen und Gehältern sogar<br />

noch ausgeweitet wird.<br />

Das Gesundheitswesen wird schließlich auch nicht – wie<br />

von der BDA gefordert – durch den Aufbau kapitalgedeckter<br />

Risikovorsorge demografiefest gemacht. Im<br />

Gegenteil wird die private Krankenversicherung, die mit


Soziale Sicherung<br />

55<br />

Die Änderungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes<br />

im zeitlichen Überblick<br />

Inkrafttreten<br />

Neuregelungen durch die Gesundheitsreform <strong>2007</strong><br />

2. Februar <strong>2007</strong><br />

• 3-Jahres-Regel: Stichtag für die Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze<br />

1. April <strong>2007</strong><br />

• Versicherungspflicht in der GKV für Personen ohne andere Absicherung im Krankheitsfall<br />

• Leistungsausweitungen: Palliativversorgung, geriatrische Reha, Impfungen, Eltern-Kind-Kuren<br />

• Mehr Eigenverantwortung bei selbstverschuldeter Behandlungsbedürftigkeit<br />

• Arzneimittelversorgung: Kosten-Nutzen-Bewertung, Zweitmeinung, Apothekenrabatt<br />

• Kassenfusionen über Kassenarten hinweg zulässig<br />

• Neue Wahltarife für die Versicherten: Versorgungsformen, Selbstbehalte, Kostenerstattung<br />

1. Juli <strong>2007</strong><br />

• Zugangsrecht zum Standardtarif der PKV für Personen ohne andere Absicherung im Krankheitsfall<br />

1. Januar 2008<br />

• Mehr Eigenverantwortung: reduzierte Belastungsobergrenze für Chroniker abhängig von Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen<br />

1. Juli 2008<br />

• Arbeitsaufnahme Spitzenverband Bund der Krankenkassen<br />

• Neubesetzung Gemeinsamer Bundesausschuss<br />

1. November 2008<br />

• Festlegung des einheitlichen allgemeinen Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

1. Januar 2009<br />

• Versicherung von bisher nicht Versicherten im Basistarif der PKV<br />

• Neue vertragsärztliche Gebührenordnung<br />

• Start des Gesundheitsfonds und des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs<br />

• Geltung des einheitlichen allgemeinen Beitragssatzes<br />

• Bundeszuschuss: Erhöhung um 1,5 Mrd. € pro Jahr<br />

• Einführung eines Basistarifs, Überführung des Standardtarifs in den Basistarif<br />

• Möglichkeit des Wechsels in den Basistarif für bisher Vollversicherte (bis 30. Juni 2009)<br />

1. Januar 2010<br />

• Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen: Bildung eines Kapitalstocks für Versorgungszusagen<br />

1. Januar 2011<br />

• Bündelung des Beitragseinzugs durch Weiterleitungsstellen<br />

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit; eigene Zusammenstellung der BDA<br />

Kapitaldeckung auf die demografische Entwicklung vorbereitet<br />

ist, durch die beschlossenen Maßnahmen insgesamt<br />

geschwächt.<br />

Präventionsgesetz: Inhalt ist<br />

völlig verfehlt<br />

Während des Gesetzgebungsverfahrens hat die BDA<br />

in mehreren Stellungnahmen und in zahlreichen Gesprächen<br />

mit der Politik immer wieder auf die ungelösten<br />

Probleme aufmerksam gemacht und die dringend<br />

notwendige Neuausrichtung des Gesundheitswesens angemahnt.<br />

Die zahlreichen unerledigten Reformaufgaben<br />

müssen unverzüglich in Angriff genommen werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche<br />

Krankenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Das Bundesministerium für Gesundheit hat Ende November<br />

<strong>2007</strong> den Referentenentwurf eines Präventionsgesetzes<br />

vorgelegt. Damit wird ein Gesetzesvorhaben<br />

erneut aufgegriffen, das bereits in der letzten Legislaturperiode<br />

Gegenstand parlamentarischer Beratungen war,<br />

Widerstand des Bundesrates erfahren hatte und schließlich<br />

dem vorzeitigen Ende der Legislaturperiode zum<br />

Opfer gefallen war.<br />

Ziel des Gesetzes ist es, Gesundheitsförderung und<br />

gesundheitliche Prävention zu einer eigenständigen


56 Soziale Sicherung


Soziale Sicherung<br />

57<br />

Säule im Gesundheitswesen auszubauen. Ein Nationaler<br />

Präventionsrat soll vorrangige Ziele festlegen<br />

und Vorschläge für Leistungen entwickeln. Maßnahmen<br />

sollen auf Landesebene durchgeführt werden,<br />

deren Finanzierung aus Mitteln der Kranken-, Pflege-,<br />

Renten- und Unfallversicherung vorgesehen ist. Das<br />

Finanzvolumen wird auf insgesamt knapp 300 Mio. €<br />

veranschlagt.<br />

Die Kritik, die die BDA zu dem damaligen Gesetzentwurf<br />

äußerte, bleibt uneingeschränkt bestehen. Es ist<br />

völlig verfehlt, dass die Sozialversicherung als nahezu<br />

alleiniger Finanzier für eine Stärkung der Prävention<br />

herangezogen werden soll. Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe, die somit aus Steuermitteln<br />

finanziert werden muss. Präventionsmaßnahmen, die<br />

der Allgemeinheit zugutekommen, dürfen nicht einseitig<br />

zu Lasten von Arbeitgebern und Versicherten<br />

gehen.<br />

Pflegeversicherung:<br />

Weiterentwicklungsgesetz<br />

verschärft ungelöste<br />

Finanzierungsprobleme<br />

Das Bundeskabinett hat am 17. Oktober <strong>2007</strong> den<br />

Entwurf eines „Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung<br />

der Pflegeversicherung“ (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)<br />

beschlossen. Dieser sieht vielfältige<br />

Leistungsausweitungen vor. Insbesondere sollen die ambulanten<br />

Sachleistungsbeträge in allen drei Pflegestufen,<br />

die stationären Sachleistungsbeträge in der Pflegestufe III<br />

und in Härtefällen sowie das Pflegegeld in allen drei<br />

Pflegestufen in den Jahren 2008, 2010 und 2012 schrittweise<br />

angehoben werden. Ferner ist beabsichtigt, die<br />

ergänzenden Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem<br />

allgemeinen Betreuungsbedarf (z. B. Demenzund<br />

Alzheimer-Kranke) zu erhöhen und den Anspruch<br />

auf Tagespflege auszubauen. Darüber hinaus soll erstmals<br />

im Jahr 2015 – und anschließend im dreijährigen<br />

Rhythmus – eine Dynamisierung der Pflegeversicherungsleistungen<br />

erfolgen.<br />

Des Weiteren ist geplant, die ambulante Versorgung<br />

besser auf den persönlichen Bedarf des Pflegebedürftigen<br />

abzustimmen. Dazu sind „Pflegestützpunkte“ vor-<br />

gesehen mit dem Ziel, die im unmittelbaren Wohnumfeld<br />

vorhandenen Angebote für Pflegebedürftige besser<br />

zu koordinieren und zu vernetzen. Diesem Ziel sollen<br />

auch „Pflegebegleiter“ dienen. Zur Finanzierung des<br />

Maßnahmenbündels soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung<br />

zum 1. Juli 2008 von 1,7 auf 1,95 % (für Kinderlose<br />

auf 2,2 %) angehoben werden. Auf Jahresbasis<br />

entspricht das einer Zusatzbelastung der Versicherten<br />

und Betriebe von rd. 2,4 Mrd. €.<br />

Der Entwurf des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes ist<br />

nicht geeignet, die soziale Pflegeversicherung auf den<br />

absehbaren demografischen Wandel vorzubereiten,<br />

vor allem, da eine Ergänzung des heutigen Umlageverfahrens<br />

durch den Auf- und Ausbau einer Kapitalrücklage<br />

fehlt. Der vorgelegte Gesetzentwurf nimmt<br />

im Gegenteil sogar den weiteren Abbau vorhandener<br />

Finanzreserven billigend in Kauf (2006: 2,3 Monatsausgaben).<br />

Trotz der geplanten Anhebung des allgemeinen<br />

Beitragssatzes können die Leistungen der<br />

Pflegeversicherung – laut Gesetzesbegründung – nur<br />

dadurch bis „Ende 2014/Anfang 2015“ finanziert werden,<br />

dass die Mindestreserve auf eine Monatsausgabe<br />

abgeschmolzen wird.<br />

Leistungsverbesserungen für einzelne Personengruppen<br />

(z. B. Demenz- und Alzheimer-Kranke) sind nur<br />

dann vertretbar, wenn sie durch mindestens gleichwertige<br />

Einsparungen an anderer Stelle voll kompensiert<br />

werden. Statt die ambulanten Sachleistungen durch<br />

Anhebung den stationären Sätzen anzunähern, sollten<br />

die Sachleistungen in der ambulanten und stationären<br />

Pflege – entsprechend einem Vorschlag der Rürup-<br />

Kommission – auf einem insgesamt niedrigeren Niveau<br />

angeglichen werden (einheitlich 400, 1.000 und<br />

1.500 € in den Pflegestufen I, II und III). Das verhindert<br />

zum einen falsche Anreize zur Verlagerung der Pflege<br />

in teurere stationäre Einrichtungen, nimmt zum anderen<br />

in sachgerechter Weise den Pflegebedürftigkeitsgrad<br />

zum alleinigen Maßstab für die jeweilige Leistungshöhe<br />

und schafft darüber hinaus eine finanzielle<br />

Entlastung in Höhe von rd. 2 Mrd. € pro Jahr bzw. von<br />

0,2 Beitragssatzpunkten. Bereits dadurch könnte das<br />

chronische Finanzierungsdefizit der Pflegeversicherung<br />

beseitigt, eine Anhebung des Pflegebeitragssatzes<br />

zur Jahresmitte 2008 verhindert und sogar darüber hinaus<br />

noch eine verbesserte Versorgung von besonders<br />

schweren Pflegefällen finanziert werden.


58 Soziale Sicherung<br />

Die Überlegung, die häuslichen Versorgungsstrukturen<br />

nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ durch<br />

„Pflegestützpunkte“ und „Pflegebegleiter“ zu fördern,<br />

ist zwar grundsätzlich richtig. Bevor jedoch bundesweit<br />

mit dem Aufbau flächendeckender Pflegestützpunkte<br />

begonnen wird, sollte zuvor in mehreren Modellregionen<br />

eine Erprobungsphase durchgeführt werden.<br />

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Beitragssatzanhebung<br />

um immerhin fast 15 % widerspricht dem Ziel,<br />

durch eine Absenkung der Lohnzusatzkosten Wachstum<br />

und Beschäftigung zu fördern. Zwar gibt es nachvollziehbare<br />

Gründe, Demenzkranke, Schwerstpflegebedürftige<br />

und pflegende Angehörige künftig stärker zu<br />

unterstützen, dies darf jedoch nicht zu einer weiteren<br />

Verteuerung der Arbeitskosten führen. Elementarer Bestandteil<br />

einer zukunftweisenden Reform der Pflegeversicherung<br />

muss vor allem die Abkopplung der Pflegekosten<br />

vom Arbeitsverhältnis sein.<br />

Insgesamt würde die finanzielle Schieflage der sozialen<br />

Pflegeversicherung durch die Umsetzung des Pflege-<br />

Weiterentwicklungsgesetzes langfristig weiter verschärft.<br />

Denn bei einer rückläufigen Zahl potenzieller Beitragszahler<br />

würden die zu schulternden Finanzierungslasten<br />

dann nicht nur durch die steigende Zahl der Pflegefälle<br />

wachsen, sondern zusätzlich auch noch durch höhere<br />

Kosten je Pflegefall.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Soziale<br />

Pflegeversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Künstlersozialabgabe verursacht<br />

Kosten und Bürokratie<br />

Am 15. Juni <strong>2007</strong> ist das „Dritte Gesetz zur Änderung<br />

des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer<br />

Gesetze“ in Kraft getreten. Zweck der Gesetzesnovelle<br />

ist vor allem die vollständige Erfassung aller abgabepflichtigen<br />

Verwerter. Die Prüfung der Abgabepflicht<br />

wurde deshalb von der Künstlersozialkasse auf die<br />

Deutsche Rentenversicherung übertragen. Außerdem<br />

soll die Prüfung der Versicherten – im Hinblick auf ihre<br />

Zugehörigkeit zur Künstlersozialversicherung – intensiviert<br />

werden.<br />

Die BDA hat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens<br />

deutlich gemacht, dass die Abgabepflicht zur Künstlersozialkasse<br />

bei den Unternehmen erhebliche Kosten<br />

und vor allem Verwaltungsaufwand verursacht. Hier<br />

sind insbesondere die zahlreichen unscharfen Regelungen<br />

im Künstlersozialversicherungsgesetz, die ausufernde<br />

Rechtsprechung der Sozialgerichte und die<br />

umfangreichen Aufzeichnungs- und Meldepflichten zu<br />

nennen. Die BDA hat daher konkrete Vorschläge zur<br />

Entbürokratisierung der Erhebung der Künstlersozialabgabe<br />

unterbreitet. Sie hat aber auch deutlich gemacht,<br />

dass die Künstlersozialversicherung, die ein unberechtigtes<br />

Privileg einer Gruppe von Selbstständigen darstellt,<br />

am besten abgeschafft und durch eine Renten-,<br />

Kranken- und Pflegeversicherungspflicht von Künstlern<br />

und Publizisten ersetzt werden sollte.<br />

Eine Möglichkeit, den bürokratischen Aufwand im Zusammenhang<br />

mit der Künstlersozialabgabe zu verringern,<br />

ist die Gründung einer sog. Ausgleichsvereinigung. Eine<br />

Ausgleichsvereinigung besteht in der Regel aus mehreren<br />

Unternehmen und übernimmt für diese die gegenüber<br />

der Künstlersozialkasse bestehenden Pflichten, insbesondere<br />

die Entrichtung der Künstlersozialabgabe. Bei<br />

den einzelnen Abgabepflichtigen entfallen zudem die<br />

Aufzeichnungspflichten. Die BDA hat daher am 8. Oktober<br />

<strong>2007</strong> zusammen mit der Künstlersozialkasse ein<br />

Werkstattgespräch „Ausgleichsvereinigungen“ veranstaltet.<br />

Dabei wurden Unternehmen und Verbände umfassend<br />

darüber informiert, wie eine Ausgleichsvereinigung<br />

funktioniert, welchen Aufwand die Organisation und die<br />

Mitgliedschaft in einer Ausgleichsvereinigung erfordert<br />

und ob bzw. wann sich letztlich der Aufwand einer Ausgleichsvereinigung<br />

im Vergleich zum ersparten Bürokratieaufwand<br />

lohnt.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Künstlersozialversicherung“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Pauschalversteuerte Sachzuwendungen<br />

beitragsfrei stellen<br />

Mit dem Jahressteuergesetz <strong>2007</strong> wurde mit § 37b EStG<br />

eine Vereinfachungsregelung zur Pauschalbesteuerung<br />

von Sachzuwendungen eingeführt. Das Ver-


Soziale Sicherung<br />

59<br />

einfachungsziel wird jedoch bisher nicht erreicht, da<br />

eine beitragsrechtliche Flankierung der Pauschalbesteuerungsnorm<br />

fehlt. Die Sozialversicherungsentgeltverordnung<br />

sieht für § 37b EStG eine Beitragsfreiheit<br />

nicht vor. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die steuerrechtliche<br />

Behandlung von Sachzuwendungen zwar<br />

einfach handhabbar ist, die sozialversicherungsrechtliche<br />

Erfassung aber einen erheblichen bürokratischen<br />

Aufwand für jeden Einzelfall verursacht. Dies gilt umso<br />

mehr, wenn die Zuwendungen nicht die „eigenen“ Arbeitnehmer<br />

betreffen.<br />

Pauschalierungsmöglichkeiten in der Lohnsteuer gehen<br />

regelmäßig mit Vereinfachungen auch im Beitragsrecht<br />

einher. Nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung<br />

sind pauschal versteuerte Entgeltbestandteile regelmäßig<br />

nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt<br />

zuzurechnen. Dieser Grundsatz muss auch<br />

für § 37b EStG gelten. Die BDA hat die zuständigen<br />

Ministerien aufgefordert, im Rahmen des Dritten Mittelstandsentlastungsgesetzes<br />

(MEG III) die Sozialversicherungsentgeltverordnung<br />

entsprechend zu ändern.<br />

Multifunktionale Verdienstbescheinigung<br />

konsequent<br />

umsetzen<br />

Am 30. November <strong>2007</strong> hat das „Gesetz zur Änderung<br />

des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer<br />

Gesetze“ (SVÄndG) den Bundesrat passiert. Mit dem<br />

SVÄndG soll § 108 GewO dahingehend geändert werden,<br />

dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

(BMAS) durch Rechtsverordnung Näheres zum Inhalt<br />

und Verfahren von Entgeltbescheinigungen regeln<br />

darf. Das BMAS hat bereits einen ersten Entwurf einer<br />

Entgeltbescheinigungsverordnung vorgelegt.<br />

Die BDA hat in ihren Stellungnahmen zum SVÄndG<br />

deutlich gemacht, dass der Schritt, eine einheitliche<br />

Verdienstbescheinigung auf den Weg zu bringen,<br />

grundsätzlich richtig ist. Parallel dazu muss aber auch<br />

klargestellt werden, welche der zahlreichen Bescheinigungen<br />

des Arbeitgebers stattdessen wegfallen können.<br />

Außerdem müssen alle leistungsgewährenden Behörden<br />

und Institutionen konsequent auf die Vorlage der bisherigen<br />

„Sonderbescheinigungen“ verzichten. Schließlich<br />

müssen sich die Angaben in der monatlichen Entgeltbescheinigung<br />

auf das Notwendigste beschränken.<br />

Gesetzliche Unfallversicherung:<br />

Koalition verpasst selbst<br />

gestecktes Reformziel deutlich<br />

Nachdem Ende Juni 2006 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe<br />

Eckpunkte zur Reform der Unfallversicherung beschlossen<br />

hatte, legte das BMAS im ersten Halbjahr <strong>2007</strong><br />

schrittweise Arbeitsentwürfe zur Reform der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung vor. Die Reformmaßnahmen betrafen<br />

die Bereiche des Leistungsrechts, der Organisation und<br />

der solidarischen Lastenverteilung. Nach Vorlage der Arbeitsentwürfe<br />

setzte in den Koalitionsfraktionen eine Diskussion<br />

über den weiteren Fortgang der Reform ein. Sie<br />

mündete in eine Beschränkung des Vorhabens auf eine<br />

Organisationsreform und in eine Abkopplung der notwendigen<br />

Leistungsrechtsreform. Ende November <strong>2007</strong><br />

hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dementsprechend<br />

einen Referentenentwurf vorgelegt, der<br />

insbesondere Regelungen zur Organisation und zur Lastenverteilung<br />

enthält. Das Leistungsrecht ist gänzlich ausgespart.<br />

Mit dieser Aufspaltung des Reformvorhabens, die<br />

das BDA-Präsidium ausdrücklich abgelehnt hat, besteht<br />

die große Gefahr, dass die Reform des Leistungsrechts<br />

gänzlich scheitert. Dies wäre sehr enttäuschend, denn<br />

nur durch eine Reform des Leistungsrechts kann das bestehende<br />

Beitragsentlastungspotenzial gehoben werden.<br />

Mit dem jetzt verfolgten Reform-Stückwerk wird vielmehr<br />

für einen großen Teil der Wirtschaft das Gegenteil einer<br />

Entlastung erreicht. Durch die vorgesehenen Regelungen<br />

zu einer geänderten Verteilung von Altlasten zwischen<br />

den Berufsgenossenschaften führt die Reform für viele<br />

Unternehmen zu höheren statt zu niedrigeren Beiträgen.<br />

Das darf nicht das Ergebnis der Reform der Unfallversicherung<br />

sein. Die Koalition verfehlt damit das selbst<br />

gesteckte Ziel des Koalitionsvertrags, die Unfallversicherung<br />

umfassend zu reformieren und ein zielgenaueres<br />

Leistungsrecht einzuführen.<br />

Die BDA begrüßt im Hinblick auf die Reform der Organisation<br />

der Unfallversicherung, dass weitgehend die Vorschläge<br />

der Selbstverwaltung der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />

aufgegriffen werden. Das gilt vor allem<br />

für den notwendigen Fusionsprozess und das Konzept für


60 Soziale Sicherung<br />

einen Überaltlastausgleich. Anders als jetzt vorgesehen,<br />

sollte die Überaltlast allerdings hälftig nach Neurenten<br />

und Entgelten verteilt werden, denn die Abwägung der<br />

unterschiedlichen Argumente rechtfertigt keine Übergewichtung<br />

eines der beiden Verteilkriterien. Außerdem<br />

gilt es, im Zusammenhang mit der Einführung des Überaltlastausgleichs<br />

große Beitragssprünge der höher belasteten<br />

Branchen zu vermeiden. Der hierzu vorgesehene<br />

Übergangszeitraum von drei Jahren ist in jedem Fall zu<br />

kurz. Im Übrigen ist durch entsprechende gesetzliche<br />

Regelungen sicherzustellen, dass Fusionen von Berufsgenossenschaften<br />

nicht durch die Ausgestaltung des Überaltlastausgleichs<br />

behindert werden.<br />

Die BDA begrüßt ferner, dass die von der Selbstverwaltung<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung zum 1. Juni <strong>2007</strong><br />

gegründete neue Spitzenorganisation, die Deutsche Gesetzliche<br />

Unfallversicherung (DGUV), bestehend aus<br />

den früheren Organisationen des Hauptverbandes der<br />

gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und des<br />

Bundesverbandes der Unfallkassen (BUK), in ihrer privatrechtlichen<br />

Ausgestaltung weiter bestehen soll. Kritisch ist<br />

jedoch, dass der staatliche Einfluss auf die DGUV durch<br />

Regelungen zum Haushaltsrecht, zur Durchführung des<br />

Lastenausgleichs und zu Fach- und Aufsichtsrechten ausgeweitet<br />

werden soll.<br />

Entgegen den ursprünglichen Regelungen im Arbeitsentwurf<br />

und entgegen der Vereinbarung von Bund und<br />

Ländern in den Eckpunkten aus dem Jahr 2006 enthält<br />

der Referentenentwurf keine Regelung mehr zum Einsparziel<br />

von 20 % bei den Verwaltungs- und Verfahrenskosten.<br />

Unabhängig davon muss das Ziel bleiben,<br />

durch Effizienzsteigerung eine Entlastung der beitragzahlenden<br />

Unternehmen zu erreichen.<br />

Äußerst kritisch sind des Weiteren die im Referentenentwurf<br />

vorgesehenen Regelungen zur Betriebsprüfung. Mit<br />

dem Mittelstandsentlastungsgesetz II erfolgte die Übertragung<br />

der Betriebsprüfung von der Unfallversicherung<br />

auf die Rentenversicherung. Ziel war, dass sowohl der<br />

Gesamtsozialversicherungsbeitrag als auch der Beitrag<br />

zur Berufsgenossenschaft in einer einheitlichen Betriebsprüfung<br />

erfolgt und die Betriebe damit von Doppelprüfungen<br />

entlastet werden. Mit dem Referentenentwurf<br />

wird das Ziel des Bürokratieabbaus konterkariert, weil<br />

zahlreiche neue Meldepflichten für die Arbeitgeber eingeführt<br />

werden. Damit wird ein weiteres Mal der von<br />

der Bundesregierung zu Recht zum Ziel erklärte Bürokratieabbau<br />

torpediert.<br />

Die BDA wird sich weiterhin für eine umfassende Reform<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung einsetzen. Eine Strukturreform<br />

muss zu einer Konzentration der Leistungen auf<br />

betriebsspezifische Risiken führen, bestehende Überversorgung<br />

abbauen, die Wirtschaftlichkeit verbessern sowie<br />

die Organisationsstruktur straffen. Sollte es tatsächlich<br />

jetzt nur zu einer Reform des Organisationsrechts kommen,<br />

muss die Reform des Leistungsrechts noch in dieser<br />

Legislaturperiode nachgeholt werden.<br />

Arbeitgeber in nationale Arbeitsschutzkonferenz<br />

einbeziehen<br />

Nachdem die Arbeits- und Sozialministerkonferenz<br />

(ASMK) im November 2006 ein zwischen dem Länderausschuss<br />

für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI),<br />

der Bundesregierung und den Unfallversicherungsträgern<br />

abgestimmtes Konzept für eine Gemeinsame Deutsche<br />

Arbeitsschutzstrategie beschlossen hat, wurden<br />

gemeinsame Arbeitsschutzziele und Handlungsfelder<br />

zur Ausfüllung der Strategie entwickelt. Die 84. ASMK<br />

hat Mitte November <strong>2007</strong> den Vorschlägen für gemeinsame<br />

Arbeitsschutzziele und prioritäre Handlungsfelder<br />

zugestimmt. Als Ziele der Arbeitsschutzstrategie wurden<br />

die Verringerung von Häufigkeit und Schwere von<br />

Arbeitsunfällen, die Verringerung von Muskel-Skelett-<br />

Erkrankungen sowie die Verringerung der Häufigkeit<br />

und Schwere von Hauterkrankungen beschlossen. Als<br />

zentrales Gremium für die Planung, Koordinierung,<br />

Entscheidung und Evaluierung ist die Nationale Arbeitsschutzkonferenz<br />

vorgesehen.<br />

Die BDA hat sich gemeinsam mit dem DGB nachdrücklich<br />

dafür eingesetzt, dass die Sozialpartner unmittelbar<br />

in der Arbeitsschutzkonferenz vertreten sind, was Bund<br />

und Länder zunächst nicht geplant hatten. Nach dem<br />

Beschluss der ASMK ist jetzt auch vorgesehen, dass die<br />

Arbeitgeber mit bis zu drei Vertretern beratendes Mitglied<br />

der Arbeitsschutzkonferenz werden. Der Ende<br />

November vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

vorgelegte Referentenentwurf für ein Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz<br />

hat diesen Beschluss<br />

nun auch bereits umgesetzt. Die BDA wird sich aller-


Soziale Sicherung<br />

61<br />

dings weiter dafür einsetzen, dass den Arbeitgebern, als<br />

maßgeblichen Akteuren des Arbeitsschutzes, auch ein<br />

Stimmrecht eingeräumt wird.<br />

Praxisgerechte Arbeitsstättenregeln<br />

notwendig<br />

Im Juni <strong>2007</strong> ist die Arbeitsstättenregel (ASR) „Fluchtwege,<br />

Notausgänge“ vom Arbeitsstättenausschuss – gegen<br />

die Stimmen der privaten Arbeitgeber – verabschiedet<br />

worden. Nach wie vor waren der Detaillierungsgrad,<br />

der Sprachduktus (rechtstechnische Formulierung als<br />

Muss-Vorschriften) und einzelne Regelungsbereiche der<br />

ASR nicht akzeptabel. Die BDA wird sich dennoch bei<br />

den noch zu erarbeitenden Arbeitsstättenregeln weiter<br />

dafür einsetzen, dass diese so knapp wie möglich gehalten<br />

werden, sich auf notwendige, die allgemeinen<br />

Schutzziele der Verordnung konkretisierende Aussagen<br />

beschränken und aufgrund ihrer Formulierung deutlich<br />

wird, dass es sich bei ihnen um Lösungsmöglichkeiten<br />

zur Erfüllung der in der Arbeitsstättenverordnung gestellten<br />

Anforderungen handelt.<br />

Betrieblichen Nichtraucherschutz<br />

praktikabel gestalten<br />

Zum 1. September <strong>2007</strong> ist das Gesetz zum Schutz<br />

vor den Gefahren des Passivrauchens in Kraft getreten.<br />

Es trifft größtenteils Regelungen über die Einführung<br />

eines Rauchverbotes in öffentlichen Einrichtungen des<br />

Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln. Daneben ist<br />

die Arbeitsstättenverordnung wie folgt ergänzt worden:<br />

„Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines<br />

oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte<br />

beschränktes Rauchverbot zu erlassen.“<br />

Die BDA hält die Ergänzung für überflüssig, da sie keinen<br />

über die geltende Rechtslage hinausgehenden Regelungsgehalt<br />

hat. Bereits bislang konnte unter bestimmten<br />

Voraussetzungen ein allgemeines oder auf einzelne<br />

Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot<br />

erlassen werden. Der Arbeitgeber wird jetzt jedoch<br />

durch die Vorgabe eines partiellen oder vollständigen<br />

Rauchverbots als Regelmaßnahme zum Nichtraucherschutz<br />

in falscher Sicherheit gewogen, er könne ohne<br />

weitere Voraussetzungen – vor allem ohne Mitwirkung<br />

des Betriebsrates – ein Rauchverbot erlassen. Das aber<br />

ist nicht der Fall.<br />

Auch auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, weitere<br />

Regelungen zum betrieblichen Nichtraucherschutz<br />

zu erlassen. Die Kommission hat hierzu Anfang <strong>2007</strong> ein<br />

Grünbuch „Für ein rauchfreies Europa: Strategieoptionen<br />

auf EU-Ebene“ vorgelegt. Im Oktober <strong>2007</strong> hat das Europäische<br />

Parlament eine Entschließung verabschiedet, die<br />

sehr umfangreiche Rauchverbote an Arbeitsplätzen fordert.<br />

Die BDA spricht sich gegen weitere gesetzliche Regelungen<br />

zum Nichtraucherschutz auf europäischer Ebene<br />

aus, da die bestehenden Arbeitsschutzregelungen – insbesondere<br />

in der Arbeitsstättenrichtlinie – ausreichen,<br />

um die Beschäftigten vor den Gesundheitsgefahren des<br />

Passivrauchens zu schützen.<br />

Rechtsvereinfachung bei der<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorge<br />

sicherstellen<br />

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im<br />

Juli <strong>2007</strong> einen Arbeitsentwurf für eine „Verordnung zur<br />

Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge“ vorgelegt. Damit soll ein kohärentes<br />

Vorschriften- und Regelwerk zur arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge geschaffen werden. Wie im geltenden Recht<br />

soll eine Differenzierung nach Pflicht- und Angebotsuntersuchungen,<br />

je nach Gefährdungspotenzial des Untersuchungsanlasses,<br />

erfolgen. Zur Konkretisierung der<br />

Verordnung und zur Erarbeitung von Regeln und Erkenntnissen<br />

ist die Einrichtung eines Ausschusses für Arbeitsmedizin<br />

vorgesehen.<br />

Die BDA begrüßt, dass mit der Verordnung eine Zusammenführung<br />

der in unterschiedlichen Gesetzen, Verordnungen<br />

und Unfallverhütungsvorschriften enthaltenen<br />

Regelungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge erfolgen<br />

soll. Kritisch beurteilt die BDA jedoch die Einrichtung<br />

eines weiteren staatlichen Ausschusses. Da zu den Aufgaben<br />

des Ausschusses die Erarbeitung technischer Regeln<br />

und Erkenntnisse gehören soll, besteht die Gefahr,<br />

dass eine Vielzahl von Dokumenten erarbeitet und so<br />

das Ziel der Rechtsvereinfachung konterkariert wird.


62 Soziale Sicherung<br />

Muskel-Skelett-Erkrankungen<br />

präventiv angehen<br />

Psychische Belastung: Nur<br />

praxisnahe Konzepte helfen<br />

Muskel-Skelett-Erkrankungen sind das häufigste Gesundheitsproblem<br />

in Europa. Zielgerichtete Prävention<br />

auf diesem Gebiet entlastet die Sozialsysteme und mindert<br />

wirtschaftlichen Schaden für die Unternehmen.<br />

Die Frage ist deshalb, wie bei der Prävention von Erkrankungen<br />

des Bewegungsapparates möglichst effektiv<br />

vorgegangen werden kann. Die BDA hat das Ansinnen<br />

der Europäischen Kommission, eine Richtlinie<br />

zur Bekämpfung arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Erkrankungen<br />

zu erlassen, strikt abgelehnt. Ein Konzept<br />

hierfür hatte die Kommission im Konsultationsprozess<br />

mit den Sozialpartnern bereits vorgestellt. Die darin<br />

geplante Zusammenführung der Bildschirmrichtlinie<br />

mit der Richtlinie zur Lastenhandhabung führt durch<br />

die Einbeziehung weiterer Einflussfaktoren zu einer<br />

völlig unpraktikablen, in der Aussage beliebigen Gefährdungsbewertung<br />

einzelner Arbeitsinhalte. Die<br />

Verbindung der Risiken aus schwerer körperlicher Arbeit,<br />

wie derjenigen der Bergleute, mit Gesundheitsproblemen<br />

von Beschäftigten in Büroberufen, die die<br />

eventuelle Bewegungsarmut ihrer Tätigkeit nicht in<br />

ausreichendem Maße kompensieren, in einer Regelung<br />

macht die Schwächen dieses Richtlinienansatzes<br />

deutlich. Zudem würde eine eigenständige Richtlinie<br />

zu arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen dem<br />

bislang verfolgten Ansatz, gefährdungsbezogen auf<br />

der Grundlage nachvollziehbarer Ursache-Dosis-Wirkungs-Beziehungen<br />

vorzugehen, zuwiderlaufen. Das<br />

Krankheitsbild einer Volkskrankheit lässt sich nicht in<br />

den betrieblichen Alltag übertragen. Eine Trennung<br />

von arbeitsbedingten und privat bedingten Einflüssen<br />

ist schwierig. Rückenschmerzen werden zumeist durch<br />

ein vielschichtiges Ursachenspektrum ausgelöst, das<br />

zu großen Teilen nicht auf die Belastungen aus der<br />

Arbeitswelt zurückzuführen ist. Deshalb ist es zur Reduzierung<br />

von Muskel-Skelett-Erkrankungen erforderlich,<br />

die individuellen Fähigkeiten der Menschen zu<br />

stärken und ihre Eigenverantwortung zu fordern. Die<br />

BDA befürwortet daher, branchen- und/oder tätigkeitsbezogene<br />

Handlungshilfen für die Unternehmen zu<br />

erarbeiten. Dies kann eine Aufgabenstellung der Gemeinsamen<br />

Deutschen Arbeitsschutzstrategie sein.<br />

Mit der Rahmenvereinbarung zu arbeitsbedingtem<br />

Stress haben sich die europäischen Sozialpartner zu<br />

ihrer Verantwortung bekannt. Bedingt durch Diskussionen,<br />

in denen der Anstieg psychischer Erkrankungen<br />

einseitig in Zusammenhang mit psychischer Belastung<br />

in der Arbeitswelt gebracht wird, wächst der Beratungsbedarf<br />

der Betriebe. Die BDA hat seit Abschluss<br />

der Vereinbarung mit verschiedenen Aktivitäten<br />

(z. B. Fachtagungen, Vorträgen bei Fachverbänden)<br />

zu einer realistischen Betrachtung und zu praxisnahen<br />

Erfassungs- und Präventionskonzepten beigetragen.<br />

In dem <strong>2007</strong> weitergeleiteten Umsetzungsbericht der<br />

Sozialpartner wurde dies dokumentiert. Im Dialog mit<br />

Krankenkassen und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung<br />

nimmt die BDA eine aktive, koordinierende<br />

Funktion ein. Ziel dieser Bemühungen ist es,<br />

Betriebe zu befähigen, ihre Situation realistisch einzuschätzen<br />

und, falls erforderlich, wirksame Präventionsmaßnahmen<br />

mit der Unterstützung dieser Dialogpartner<br />

zu ergreifen.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unfallversicherung<br />

und Arbeitsschutz“ veröffentlicht. Er ist<br />

über www.bda-online.de abrufbar.


Soziale Sicherung<br />

63


65<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


66 Bildung/Berufliche Bildung<br />

Bildungspolitik: die eigentliche<br />

Sozialpolitik<br />

Deutschland ist rohstoffarm. Bei uns sind die Kompetenzen<br />

und Qualifikationen der Menschen die zentrale<br />

Ressource, von der Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand<br />

und soziale Sicherheit abhängen. Nur mit umfassend und<br />

gut ausgebildeten Menschen können wir neue und kreative<br />

Ideen entwickeln und hochwertige, oft einzigartige<br />

Produkte und Dienstleistungen anbieten, die uns im harten<br />

globalen Wettbewerb Marktchancen sichern.<br />

Ohne ausreichend Ingenieurnachwuchs<br />

droht der Tanker<br />

Deutschland auf Grund zu<br />

laufen<br />

Bildungspolitik ist daher das Schicksalsthema für den<br />

Standort Deutschland. Bildungspolitik wird in diesem<br />

Verständnis aber auch zur eigentlichen Sozialpolitik.<br />

Nur wer ausreichend auf die Anforderungen auf unseren<br />

Arbeitsmärkten in Wirtschaft und Gesellschaft vorbereitet<br />

ist, kann selbstständig sein Leben gestalten und ohne<br />

dauerhafte Transferleistungen auskommen. Das ist unser<br />

Ziel einer humanen und sozialen Gesellschaft.<br />

Quelle: www.wiedenroth-karikatur.de<br />

Wir begrüßen daher die Reformen im Bildungssystem in<br />

den letzten Jahren. Weitere Schritte müssen unternommen<br />

werden. Richtig und wichtig ist die angekündigte<br />

Nationale Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung<br />

zusammen mit den Ländern. Anstrengungen in allen<br />

Bildungsbereichen – von der frühkindlichen Bildung bis<br />

zur Weiterbildung – müssen gebündelt und intensiviert<br />

werden, damit die Potenziale der Menschen in Deutschland<br />

ausgeschöpft werden – zu ihrem eigenen Wohl,<br />

zum Wohl unseres ganzen Landes.<br />

Fachkräftemangel rechtzeitig<br />

gegensteuern!<br />

Angesichts des mit der anziehenden Konjunktur im<br />

Jahr <strong>2007</strong> teils bereits akuten, teils perspektivisch zu<br />

erwartenden Fachkräftemangels gilt es, an den vielen<br />

strukturellen und inhaltlichen Reformbaustellen in<br />

Schule, Hochschule und beruflicher Bildung die Zielsetzung<br />

der Beschäftigungsfähigkeit, im europäischen<br />

Kontext Employability, in den Fokus zu rücken. Persönlichkeitsbildung,<br />

fachliche Qualifizierung und die<br />

Vermittlung von Schlüssel- und Sozialkompetenzen<br />

dürfen von der Bildungspolitik nicht als Entwederoder<br />

gegeneinander ausgespielt werden. Sie gehören<br />

zusammen; Gesamtkonzepte müssen realisiert<br />

werden, die alle Bildungsaspekte integrieren und die<br />

junge Generation befähigen, in der Gesellschaft und<br />

im Arbeitsleben Verantwortung zu übernehmen. Es<br />

gibt Fortschritte, auf die wir in den vergangenen Jahren<br />

intensiv hingewirkt haben. Immer mehr Schulen<br />

gehen im Rahmen von SCHULEWIRTSCHAFT Partnerschaften<br />

mit Unternehmen zur Verbesserung der<br />

Ausbildungsreife und zur Erleichterung des Übergangs<br />

ihrer Schüler in den Beruf ein. Immer mehr Studiengänge<br />

werden auf die Abschlüsse Bachelor und Master<br />

umgestellt, die das Ziel der Beschäftigungsfähigkeit<br />

ihrer Absolventen zumindest im Schilde tragen und<br />

zunehmend auch einlösen. Aber es bleibt noch viel<br />

zu tun – z. B. bei der Realisierung der selbstständigen<br />

Schule, bei der konsequenten Umsetzung der bundesweiten<br />

Leistungsstandards und bei der Einführung<br />

eines Hochschulfinanzierungssystems, das Anreize<br />

zum Ausbau statt wie bisher zum Abbau von Studienkapazitäten<br />

setzt.<br />

BDA und BDI beraten und gestalten ihre bildungspolitischen<br />

Initiativen und Positionen nun aus einem<br />

Guss – in einem gemeinsamen BDA/BDI-Fachausschuss<br />

„Bildung, Berufliche Bildung“ und im ge­


Bildung/Berufliche Bildung<br />

67<br />

meinsamen Präsidium. Die Federführung für die<br />

gemeinsame Bildungspolitik aller Arbeitgeber- und<br />

Wirtschaftsverbände hat die BDA übernommen, zugleich<br />

nimmt der BDI entsprechend übergreifend die<br />

Verantwortung für die gemeinsame Forschungs-, Innovations-<br />

und Technologiepolitik wahr. Gemeinsam<br />

werden sich BDA und BDI mit hohem Nachdruck<br />

für eine Trendumkehr des rückläufigen Interesses an<br />

MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,<br />

Technik) in Schule und Hochschule starkmachen.<br />

Die gemeinsame Initiative „MI(N)T Zukunft“<br />

wird hier Zeichen setzen.<br />

• Mehr als die Hälfte der Gymnasiasten haben in Physik<br />

und Chemie in den letzten beiden Schuljahren keinen<br />

Unterricht mehr.<br />

• Die Mehrheit der Hochschulen meldet freie, nicht<br />

nachgefragte Studienplätze in MINT-Fächern.<br />

• Zugleich konnten in Deutschland 2006 knapp<br />

50.000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden – Tendenz<br />

steigend, mit hohem Gefährdungspotenzial<br />

für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der<br />

Wirtschaft.<br />

• Im Jahr 2020 werden auf zehn Personen in der Altersgruppe<br />

der 55- bis 64-Jährigen mit MINT-Qualifikationen<br />

nur sieben entsprechend Qualifizierte 25- bis 34-<br />

Jährige kommen.<br />

Die „Bugwellen“-Jahre der auf Sicht letzten starken Schulentlassjahrgänge<br />

2008 bis 2013 müssen genutzt werden,<br />

um die Qualität und die Quantität von Unterricht und<br />

Lehre in MINT-Fächern in Schule und Hochschule entscheidend<br />

voranzubringen. Der Anteil der Absolventen in<br />

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik<br />

an den Hochschulabsolventen muss von rd. 30 % auf<br />

40 % erhöht werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Fachkräftesicherung“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />

abrufbar.<br />

Frühkindliche Bildung:<br />

Investition in die Zukunft<br />

BDA und DGB haben mit der Veröffentlichung einer<br />

gemeinsamen Stellungnahme „Für ein beitragsfreies<br />

letztes Kita-Jahr – eine Investition in die Zukunft“ im August<br />

<strong>2007</strong> die hohe Bedeutung einer verbesserten frühkindlichen<br />

Bildung unterstrichen.<br />

Jedem Kind in Deutschland soll zu guten Startbedingungen<br />

für sein Leben verholfen werden. Mit einem beitragsfreien<br />

letzten Kindergartenjahr sollen die notwendigen<br />

Kinder mit Migrationshintergrund besuchen seltener die Kita<br />

Besuchsquoten in Kitas für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, in %<br />

Kinder mit Migrationshintergrund<br />

Kinder ohne Migrationshintergrund<br />

85<br />

92<br />

84<br />

92<br />

85<br />

90<br />

76<br />

68<br />

Alter<br />

3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 6 Jahre<br />

Quelle: DJI-Betreuungsstudie <strong>2007</strong>


68 Bildung/Berufliche Bildung<br />

Voraussetzungen dafür deutlich verbessert werden, dass<br />

jedes Kind zumindest ein Jahr vor seinem Schuleintritt<br />

bestmöglich auf diesen Übergang vorbereitet und in<br />

seiner Entwicklung – insbesondere der Sprachentwicklung<br />

– unterstützt wird. Noch immer weisen bis zu<br />

30 % aller Schulanfänger Sprachentwicklungsstörungen<br />

auf. Sie brauchen eine frühestmögliche und intensive<br />

Sprachförderung. Die große Mehrzahl von ihnen besucht<br />

zwar heute schon den Kindergarten – aber gerade<br />

Kinder mit schlechten Startchancen deutlich seltener.<br />

Mit der Beitragsfreiheit sollen insbesondere diese Familien<br />

motiviert werden, ihre Kinder in den Kindergarten<br />

zu geben. Durch eine intensive Förderung können ihre<br />

Begabungen entfaltet und ihre Startbedingungen insgesamt<br />

deutlich verbessert werden.<br />

Mit der gemeinsamen Positionierung unterstützen<br />

BDA und DGB den von einigen Bundesländern und<br />

Kommunen bereits eingeschlagenen Weg, das letzte<br />

Kindergartenjahr kostenfrei zu halten, und ermutigen<br />

die übrigen Länder und Kommunen dazu, ebenfalls<br />

in die Zukunft der Kinder zu investieren. Zur Umsetzung<br />

haben BDA und DGB Qualitätskriterien entwickelt.<br />

Viele Bundesländer haben die Stellungnahme<br />

aufgegriffen und sind mit den Sozialpartnern dazu in<br />

einen Dialog getreten. BDA und DGB erwarten davon,<br />

dass die Länder konkrete Schritte unternehmen, um<br />

die frühkindliche Bildung in den Kindergärten fest zu<br />

verankern und die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr<br />

zügig umzusetzen. BDA und DGB werden<br />

2008 im Rahmen einer Veranstaltung die Umset­<br />

Gemeinsame Qualitätskriterien Frühkindliche Bildung von BDA und DGB<br />

1. Der Ausbau von Ganztagsplätzen für Kindergartenkinder sowie von Plätzen für unter Dreijährige muss schnellstens<br />

von Bund, Ländern und Kommunen umgesetzt werden.<br />

2. Kindertageseinrichtungen sollen grundsätzlich für die Eltern beitragsfrei sein, mindestens aber zunächst das letzte<br />

Kindergartenjahr.<br />

3. Das Fachpersonal, das hoch engagiert und willens ist, in frühe Bildungsprozesse mit den Kindern einzusteigen,<br />

braucht dazu gezielte Hilfe: in der Ausbildung und durch Fort- und Weiterbildung.<br />

4. Die Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals muss qualitativ verbessert werden. Um den Ausbau des Kindergartens<br />

als erste Stufe des Bildungssystems bewältigen zu können, brauchen wir eine Hochschulausbildung<br />

mindestens für die Einrichtungs- und Gruppenleitung.<br />

5. Die Bewertung und Bezahlung der Arbeit des Fachpersonals muss der anspruchsvolleren Qualifikation entsprechend<br />

verbessert werden. Es müssen deutlich mehr Männer als Kindergartenmitarbeiter gewonnen werden.<br />

6. In Deutschland müssen gezielt Mittel bereitgestellt werden, um an den Universitäten substanzielle, insbesondere<br />

auch längsschnittlich angelegte Forschungsvorhaben zur Entwicklung von Kindern in Tageseinrichtungen zu<br />

ermöglichen und zu fördern.<br />

7. Zur vergleichenden Analyse der Bildungs- und Lerneffekte unterschiedlicher frühpädagogischer Angebote ist die<br />

regelmäßige Durchführung repräsentativer Untersuchungen erforderlich.<br />

8. Eine enge Kooperation zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen sowie ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch<br />

und gemeinsame Fortbildungsangebote für Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen müssen etabliert<br />

werden.


Bildung/Berufliche Bildung<br />

69<br />

In Deutschland liegt der Private Finanzierungsanteil an den Kindergärten deutlich<br />

über OECD-Durchschnitt<br />

Privater Finanzierungsanteil an den Kindergärten im Jahr 2002, in %<br />

Deutschland<br />

25,4<br />

Österreich<br />

23,8<br />

USA<br />

22,4<br />

OECD-Mittel<br />

Polen<br />

17,2<br />

17,9<br />

Vereinigtes Königreich<br />

4,2<br />

Frankreich 4,1<br />

Niederlande<br />

3,3<br />

Schweden<br />

0<br />

Quelle: Bildung auf einen Blick, OECD-Indikatoren 2005<br />

zung der gemeinsam formulierten Qualitätskriterien<br />

überprüfen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Frühkindliche<br />

Bildung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Nachwuchssicherung in<br />

Deutschland: Schule und<br />

Wirtschaft gemeinsam<br />

in der Verantwortung<br />

Im September <strong>2007</strong> haben rd. 400 SCHULEWIRT­<br />

SCHAFT-Akteure aus ganz Deutschland am SCHULE­<br />

WIRTSCHAFT-Kongress „Verantwortung in und für<br />

Schule“ teilgenommen. Das SCHULEWIRTSCHAFT-<br />

Netzwerk macht sich stark für die Sicherung und Verbesserung<br />

der Qualität der schulischen Bildung und<br />

Erziehung und übernimmt Verantwortung „in und für<br />

Schule“: Es berät und begleitet die Schulen bei ihren<br />

Veränderungsprozessen.<br />

Dr. Dieter Hundt betonte bei der Eröffnung des Kongresses,<br />

dass die deutsche Wirtschaft im internationalen<br />

Wettbewerb nur erfolgreich sein kann, wenn sie innovative<br />

Produkte und neue Technologien entwickelt. Dafür<br />

brauchen die Unternehmen qualifizierte Fach- und Führungskräfte.<br />

Die Basis dafür muss schon in der Schule<br />

und in der Früherziehung gelegt werden.<br />

Das gemeinsame Engagement von Schul- und Unternehmensvertretern<br />

im SCHULEWIRTSCHAFT-Netzwerk<br />

ist ein wichtiger Katalysator für qualitative,<br />

dauerhafte Nachwuchsförderung. Es bringt jährlich<br />

mehr als 190.000 Schul- und Unternehmensvertreter<br />

zusammen, denen es ein gemeinsames Anliegen ist,<br />

die Perspektiven der jungen Menschen zu verbessern.<br />

Das Netzwerk garantiert jeder interessierten und kooperationsbereiten<br />

Schule die Vermittlung betrieblicher<br />

Partner.<br />

In einer Fülle von Workshops wurde dargestellt, wo<br />

die SCHULEWIRTSCHAFT-Arbeit erfolgreich „in und<br />

für Schule“ ansetzt. Sie dienten dem Austausch von<br />

erfolgreichen und übertragbaren Maßnahmen, Instrumenten<br />

und Methoden zu wichtigen Arbeitsfeldern<br />

von SCHULEWIRTSCHAFT, wie z. B. der Personalentwicklung<br />

in Schulen, der ökonomischen Grundbildung<br />

und der Förderung der MINT-Bildung (Mathematik,<br />

Informatik, Naturwissenschaften, Technik).


70 Bildung/Berufliche Bildung<br />

Schulsystem neu managen – die wichtigsten Forderungen<br />

von BDA und BDI:<br />

• Das Management des Schulsystems ist so auszurichten,<br />

dass es die selbstständige Qualitätsverbesserung<br />

der Schule fördert und ihr die Entscheidung<br />

über Organisation, Finanzen und Personal sowie<br />

über das pädagogische Profil und Programm überlässt.<br />

Dafür ist eine starke Position des Schulleiters<br />

Voraussetzung.<br />

• Zielvereinbarungen zwischen Kultusministerium<br />

und Schulaufsicht, Schulaufsicht und Schule, Schulleitung<br />

und Lehrkräften sind wichtige Steuerungsinstrumente<br />

in einem neuen Systemmanagement<br />

durch Zielorientierung.<br />

• Die Bildungsverwaltung muss zum Dienstleister für<br />

die Schule werden. Für ihre neue Selbstständigkeit<br />

brauchen die Schulen Hilfe durch effektive Beratungs-<br />

und Unterstützungssysteme bis hin zum individuellen<br />

Coaching.<br />

• Die Schulaufsicht muss zum ersten Ansprechpartner<br />

der Schule werden. Die Mitarbeiter der Schulaufsicht<br />

brauchen zur Weiterentwicklung ihrer<br />

Professionalität ein Leitbild mit klaren Aufgabenbeschreibungen<br />

und eine Vermittlung der geforderten<br />

Kompetenzen.<br />

• Schule, Schulaufsicht und Evaluationseinrichtungen<br />

brauchen als Referenzrahmen ein einheitliches und<br />

transparentes Verständnis mit eindeutigen Indikatoren,<br />

was Schulqualität ausmacht.<br />

• Die Bildungsverwaltung – vom Schulamt bis zum<br />

Kultusministerium – muss für sich ein funktionierendes<br />

Qualitätsmanagement entwickeln, das auch<br />

extern überprüft wird.<br />

• Die Qualitätssicherung des Gesamtsystems ist eine<br />

entscheidende Aufgabe der Kultusministerien.<br />

PISA: Trendwende in der Schule<br />

erkennbar – Reformweg<br />

konsequent ausbauen<br />

Die von PISA 2006 erfassten deutschen Schülerleistungen<br />

mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften sind<br />

besser geworden. Erstmals liegen sie in diesem Themenfeld<br />

im vorderen Drittel und erkennbar über dem OECD-<br />

Durchschnitt. Damit ist ein erster, wichtiger Schritt auf<br />

dem Weg in die Spitzengruppe gelungen. Nun muss<br />

alles darangesetzt werden, auf dieser Trendwende aufzubauen<br />

und auch bei allen anderen Schülerleistungen<br />

zu echten Verbesserungen zu kommen. Dies gilt vor<br />

allem für Mathematik und Lesen. Hier gibt es laut PISA<br />

zu wenig Fortschritte: Noch immer versteht jeder fünfte<br />

Jugendliche nicht, was er liest.<br />

Die Reformen, die nicht zuletzt infolge der Schockwelle<br />

der ersten PISA-Studie angestoßen wurden, müssen<br />

deshalb konsequent fortgesetzt werden. Die selbstständige<br />

Schule, die über die Umsetzung bundesweiter Leistungsstandards<br />

Transparenz herstellt, muss überall zur<br />

gelebten Realität werden. Die Schulaufsicht muss vom<br />

Weisungsgeber zum Ratgeber für Schulen werden und<br />

sich zum wirklichen Dienstleister entwickeln.<br />

Mit dem gemeinsamen Positionspapier „Schulsystem neu<br />

managen – Paradigmenwechsel in der Schulaufsicht“ haben<br />

BDA und BDI ein neues Management für das Schulsystem<br />

gefordert. Eine „Checkliste“ im Positionspapier<br />

ermöglicht eine Überprüfung, wie weit und wie effektiv<br />

das Systemmanagement für die Schule gelingt. Das Papier<br />

wurde im Rahmen einer Veranstaltung mit dem Titel<br />

„Schule unter Aufsicht?“ im Juni <strong>2007</strong> vorgestellt.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Schulpolitik“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />

abrufbar.


Bildung/Berufliche Bildung<br />

71<br />

Ausbildungsmarkt – Positive<br />

Entwicklung dank Unternehmensengagement<br />

und guter Konjunktur<br />

Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt <strong>2007</strong> belegt:<br />

Die wirkungsvollste Ausbildungsförderung ist eine<br />

wachsende Wirtschaft. Dank der guten konjunkturellen<br />

Lage kann bereits jetzt für das Jahr <strong>2007</strong> eine sehr positive<br />

Bilanz zum Übergang von Schule in Ausbildung<br />

gezogen und eine gewisse Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt<br />

insgesamt festgestellt werden.<br />

Erfreulich ist insbesondere der deutliche Anstieg bei den<br />

neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen: Insgesamt<br />

wurden <strong>2007</strong> 625.914 Ausbildungsverträge abgeschlossen;<br />

das sind 8,6 % mehr als im Vorjahr. Damit wurde<br />

<strong>2007</strong> das zweitbeste Ergebnis seit der Wiedervereinigung<br />

erreicht. Auch die Daten der BA-Ausbildungsvermittlung<br />

belegen diesen positiven Trend: Zum 30. September waren<br />

bei den Arbeitsagenturen noch 29.100 unversorgte Bewerber<br />

registriert – ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um<br />

gut 20.000 und der niedrigste Stand seit 2002. Ihnen standen<br />

noch 18.400 unbesetzte Ausbildungsplätze sowie ein<br />

Großteil der im Ausbildungspakt zugesagten 40.000 EQJ-<br />

Plätze zur Verfügung. Bis Ende November konnte die<br />

Zahl der unvermittelten Bewerber weiter deutlich reduziert<br />

werden auf 16.600 (November 2006: 27.800) – bei<br />

rd. 30.000 offenen Ausbildungsstellen und unbesetzten<br />

EQJ-Plätzen. Damit können jedem Bewerber im statistischen<br />

Durchschnitt knapp zwei Angebote unterbreitet<br />

und bis Jahresende die Zahl der unvermittelten Bewerber<br />

nochmals deutlich reduziert werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildungsmarkt“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Ausbildungspakt bis 2010<br />

verlängert<br />

Der „Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“<br />

hat unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen<br />

in den Jahren 2004 bis 2006 zu einer Verbesserung<br />

der Situation auf dem Ausbildungsmarkt beigetragen.<br />

Diese positive Zusammenarbeit wird – mit dem neuen<br />

Partner Bundesverband der Freien Berufe – durch die Verlängerung<br />

des Paktes im März <strong>2007</strong> bis 2010 fortgesetzt.<br />

Ziel der Paktpartner bleibt es, in enger Kooperation mit<br />

den Ländern allen ausbildungswilligen und -fähigen jungen<br />

Menschen ein Ausbildungsangebot zu unterbreiten.<br />

Die Wirtschaft hat zugesagt, jährlich 60.000 neue Ausbildungsplätze<br />

einzuwerben, 30.000 neue Ausbildungsbetriebe<br />

zu gewinnen und 40.000 Plätze für betriebliche<br />

Einstiegsqualifizierungen (EQJ) bereitzustellen. Mit diesen<br />

ehrgeizigen Zielen dokumentiert die Wirtschaft ihr<br />

stetiges Engagement für die Ausbildung ihres Fachkräftenachwuchses.<br />

Ganz wesentlich hängt die erfolgreiche<br />

Umsetzung dieser Ziele von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

ab – Reformen dürfen daher nicht zurückgedreht,<br />

sondern müssen fortgesetzt werden.<br />

Erste Zwischenergebnisse zur Umsetzung der neuen<br />

Paktziele <strong>2007</strong> zeigen, dass auch in diesem Jahr eine<br />

positive Bilanz gezogen werden kann. So wurden bis<br />

Ende September bereits 68.500 neue Ausbildungsplätze<br />

(Zusage: 60.000) und 43.400 neue Ausbildungsbetriebe<br />

(Zusage: 40.000) gewonnen. Zudem wurden bis Ende<br />

September bereits 31.500 EQJ-Plätze von den Betrieben<br />

bereitgestellt. Da die Einwerbung und der Einsatz dieser<br />

Plätze schwerpunktmäßig in der Nachvermittlung erfolgen,<br />

wird auch hier die Zusage von 40.000 Plätzen mit<br />

Sicherheit erreicht.<br />

Wichtiges Anliegen des Ausbildungspaktes bleibt die<br />

Verbesserung der Ausbildungsreife der Bewerber. Die<br />

Paktpartner bieten den Ländern eine intensive Kooperation<br />

an, um die noch immer hohe Zahl der Schulabgänger<br />

ohne Abschluss und ohne Ausbildungsreife nachhaltig<br />

und deutlich zu verringern. Das muss zentrales Ziel der<br />

Bildungspolitik der Länder sein. Dazu gehört auch, dass<br />

allgemein bildende Schulen ihre Kooperation mit Betrieben<br />

weiter intensivieren und die Berufsorientierung der<br />

Schüler verbessern. Gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) streben die Paktpartner ein Gesamtkonzept<br />

zur Berufswegeplanung an, das unter Federführung<br />

der BDA entwickelt wird und im Frühjahr 2008 vorgestellt<br />

werden soll.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildungspakt“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />

abrufbar.


72 Bildung/Berufliche Bildung<br />

SGB-III-Förderung – Konzentration<br />

auf Praxisnähe<br />

Noch immer gelingt vielen leistungsschwächeren Jugendlichen<br />

nicht der Übergang von der Schule in Ausbildung.<br />

Deshalb werden mehr wirkungsvolle Brücken<br />

in Ausbildung gebraucht. Erfolgreich sind hier vor<br />

allem betriebliche Angebote, wie beispielsweise die<br />

Einstiegsqualifizierungen mit Übergängen in Ausbildung<br />

von knapp 70 %. Solche betriebsnahen Angebote<br />

gilt es auszuweiten.<br />

BDA und DGB haben im Herbst 2006 in der Bundesagentur<br />

für Arbeit einen Verwaltungsratsbeschluss<br />

initiiert, der genau darauf abzielt: durch mehr flankierende<br />

Unterstützungsangebote die Chancen leistungsschwacher<br />

Jugendlicher auf betriebliche Qualifizierung<br />

zu verbessern. Die jüngsten SGB-III-Änderungen haben<br />

einige wesentliche Forderungen bereits aufgegriffen:<br />

• Förderung sozialpädagogischer Begleitung bei betrieblicher<br />

Berufsvorbereitung<br />

• Förderung organisatorischer Unterstützung von KMU<br />

bei Ausbildung und Berufsvorbereitung<br />

• Verankerung der Einstiegsqualifizierungen im SGB III<br />

(wenn auch falsch, nämlich über Beiträge statt Steuern,<br />

finanziert)<br />

• Breitere Fördermöglichkeiten bei der vertieften<br />

Berufsorientierung<br />

Positiv ist ebenfalls, dass bei der außerbetrieblichen<br />

Ausbildung benachteiligter Jugendlicher nicht mehr<br />

zwingend eine Berufsvorbereitungsmaßnahme vorgeschaltet<br />

werden muss – es gilt nun durchzusetzen,<br />

dass diese befristete Öffnung auch über das Jahr <strong>2007</strong><br />

hinaus Bestand hat. Darüber hinaus muss die Integration<br />

leistungsschwacher Jugendlicher künftig mit<br />

einer finanziellen Eingliederungshilfe in betriebliche<br />

Ausbildung unterstützt werden. Im SGB III muss<br />

daher – analog zur Eingliederungshilfe in Beschäftigung<br />

– eine Eingliederungshilfe in betriebliche Ausbildung<br />

verankert werden. BDA und DGB fordern auch<br />

dies gemeinsam.<br />

Die Bundesregierung prüft, der Erklärung der Kabinettsklausur<br />

in Meseberg im August <strong>2007</strong> zufolge, folgende<br />

Punkte:<br />

•<br />

die Einführung eines Ausbildungsbonus für überdurchschnittlich<br />

ausbildende Betriebe<br />

einen Ausbildungskostenzuschuss für die Ausbildung<br />

bestimmter Gruppen von benachteiligten<br />

Altbewerbern<br />

den Einsatz von Ausbildungspaten<br />

die Verstärkung der personellen Ressourcen der<br />

Berufsberatung<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Den Übergang von der Schule in Ausbildung durch<br />

Ausbildungspaten sowie eine verstärkte Berufsberatung<br />

zu unterstützen, ist ebenso zu begrüßen wie ein Ausbildungskostenzuschuss,<br />

Letzterer aber nur, wenn er eng<br />

auf leistungsschwache Altbewerber konzentriert ist und<br />

ihnen gezielt neue Chancen eröffnet. Ein allgemeiner<br />

Ausbildungsbonus führt hingegen zu Fehlanreizen und<br />

Verwerfungen auf dem Ausbildungsmarkt. Er brüskiert<br />

jene Unternehmen, die in den letzten Jahren trotz großer<br />

wirtschaftlicher Probleme und ohne Bonus über den eigenen<br />

Bedarf hinaus ausgebildet haben und gerade deshalb<br />

jetzt nicht noch einmal zulegen können, und „belohnt“<br />

einseitig diejenigen, die sich in der Krise zurückgehalten<br />

haben und jetzt – wo sie ohnehin Bedarf haben – mehr<br />

als im Durchschnitt der schwierigen Jahre ausbilden.<br />

AEVO – Ausbilderqualifizierung<br />

bedarfsgerecht gestalten<br />

Im Jahr 2003 hat die Bundesregierung die Ausbildereignungsverordnung<br />

(AEVO) ausgesetzt. Diese Verordnung<br />

regelte, dass der Erwerb der berufs- und arbeitspädagogischen<br />

Fertigkeiten und Fähigkeiten von<br />

Ausbildern nachzuweisen ist – in der Regel durch eine<br />

entsprechende Prüfung. Die Aussetzung gilt bis zum<br />

31. Juli 2008. Aktuell werden von Seiten des BMBF<br />

Überlegungen angestellt, ob die Aussetzung verlängert<br />

und ob ggf. eine Überarbeitung der Regelung vorgenommen<br />

werden soll.<br />

Nicht nur weil es das Berufsbildungsgesetz, dessen<br />

Anforderungen an Ausbilder richtigerweise nie ausgesetzt<br />

waren, zu Recht erfordert, sondern weil wir uns<br />

aus Eigeninteresse klar für eine anspruchsvolle Ausbildungspraxis<br />

entschieden haben, brauchen wir überall<br />

qualifizierte und geeignete Ausbilder. Bei den anstehenden<br />

Überlegungen zur Zukunft der AEVO geht es


Bildung/Berufliche Bildung<br />

73


74 Bildung/Berufliche Bildung<br />

daher nicht um die Frage, ob wir optimale Qualität<br />

in der Ausbildung wollen oder nicht – das versteht<br />

sich von selbst. Es geht ausschließlich um die Frage<br />

des geeigneten Instrumentariums. Aus Sicht der ganz<br />

überwiegenden Mehrheit der Arbeitgeber stellt die alte<br />

AEVO kein heute noch Qualität sicherndes, Ausbildungsbereitschaft<br />

wirksam förderndes Instrument dar.<br />

Denn sie wirkt aufgrund des teilweise unnötigen und<br />

beträchtlichen Aufwandes gerade für KMU als Ausbildungshemmnis.<br />

Zudem wird sie als pauschale Regelung<br />

den sehr unterschiedlichen Rollen und Aufgaben<br />

von Ausbildern nicht gerecht.<br />

Ziel der aktuellen Überlegungen muss deshalb sein, ein<br />

attraktives Angebot zu schaffen, das von vielen Betrieben<br />

und Ausbildungsverantwortlichen in unterschiedlichen<br />

Funktionen im Sinne qualitativ hochwertiger Ausbildung<br />

genutzt wird. Ein zukunftsfähiges und praxisgerechtes<br />

Konzept sollte die folgenden Kriterien erfüllen: Optimierung<br />

von Aufwand und Ertrag, Differenzierungsmöglichkeiten<br />

sowie enger Praxisbezug. In die aktuelle Diskussion<br />

werden die Arbeitgeber daher folgende Eckpunkte<br />

einbringen: Verlängerung der Aussetzung der AEVO, die<br />

die Voraussetzung schafft für eine zügige und fundierte<br />

Neukonzeptionierung der Ausbildungsqualifizierung<br />

und die begrenzt ist auf maximal zwei Jahre; Neukonzeptionierung<br />

basierend auf Modulen, so dass ein passgenaues<br />

und attraktives Angebot entsteht; Reduzierung<br />

des Aufwandes ohne Verzicht auf Qualität.<br />

Ausbildungsstrukturen – auf<br />

dem Weg zu mehr Flexibilität<br />

und Durchlässigkeit<br />

Ausbildung hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt.<br />

In verschiedenen Ausbildungsberufen sind in puncto<br />

Flexibilität mit innovativen Strukturkonzepten bereits<br />

erhebliche Fortschritte erzielt und passgenaue Lösungen<br />

gefunden worden. Zur Stärkung der betrieblichen Ausbildung<br />

braucht das duale System aber ein „Mehr“ an<br />

Differenzierungsmöglichkeiten in einer Ausbildung, die<br />

immer auf ganzheitliche Berufe ausgerichtet bleibt.<br />

Wo gewollt und sinnvoll, wollen BDA und BDI als Gestaltungsoptionen<br />

den Einsatz von Ausbildungsbausteinen,<br />

die Schaffung von Berufsgruppen bei sich überlappenden<br />

Kompetenzen sowie eine stärkere Differenzierung des<br />

Ausbildungsniveaus und eine stärkere Dokumentation<br />

von Teilleistungen ermöglichen. Die Arbeitgeber haben<br />

daher die vom Innovationskreis Berufliche Bildung des<br />

BMBF vorgelegten Empfehlungen für die Erprobung von<br />

Ausbildungsbausteinen, die Bildung von Berufsgruppen<br />

sowie die stärkere Nutzung betrieblichen Know-hows<br />

bei den Prüfungen begrüßt und werden sich intensiv für<br />

die Umsetzung dieser Vereinbarungen engagieren. Denn<br />

durch mehr Flexibilität im Rahmen von Berufsbildern<br />

wird die betriebliche Ausbildung gestärkt.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Moderne<br />

Strukturen in der dualen Ausbildung“ veröffentlicht. Er ist<br />

über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Auswahlverfahren der<br />

Hochschulen für beruflich<br />

Qualifizierte öffnen<br />

Die Arbeitgeber begrüßen, dass sich der Innovationskreis<br />

Berufliche Bildung ausdrücklich für eine „transparentere<br />

und offenere Gestaltung der Regelungen für den Hochschulzugang<br />

beruflich Qualifizierter“ ausgesprochen und<br />

an die Hochschulen appelliert hat, „gemeinsam mit der<br />

Wirtschaft Eingangs-, Anerkennungs- und Anrechnungsverfahren<br />

für beruflich Qualifizierte zu entwickeln“.<br />

Noch immer wird beruflich Qualifizierten der Hochschulzugang<br />

durch intransparente Regelungen und spezielle<br />

Zulassungserfordernisse erschwert. In der Folge<br />

nehmen deutschlandweit nur wenige beruflich Qualifizierte<br />

ohne formale Hochschulzugangsberechtigung ein<br />

Studium auf – sie stellen nur 1 % der Studienanfänger.<br />

Deshalb muss die Durchlässigkeit zwischen beruflicher<br />

und akademischer Bildung erhöht werden.<br />

Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gilt<br />

es, das Potenzial hervorragender Absolventen der beruflichen<br />

Erstausbildung für die hochschulische Bildung zu<br />

erschließen. Wer studierfähig ist, muss studieren können,<br />

auch wenn er nicht über die formale Hochschulzugangsberechtigung<br />

verfügt. BDA und BDI schlagen deshalb vor,<br />

im Rahmen von Auswahlverfahren den Hochschulzugang<br />

für alle Studienbewerber nach bundesweit einheitlichen<br />

Kriterien zu regeln. Ziel muss es sein, beruflich Quali­


Bildung/Berufliche Bildung<br />

75<br />

fizierten ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung<br />

gleichermaßen wie schulisch qualifizierten Hochschulbewerbern<br />

die Teilnahme an Auswahlverfahren zu<br />

ermöglichen und dabei eine Gleichbehandlung sicherzustellen.<br />

Die Hochschulen sollten die Auswahl der<br />

Studierenden eigenverantwortlich – insbesondere auch<br />

zur Senkung der hohen Studienabbrecherquoten und<br />

im Sinne einer Profilbildung – gestalten. BDA und BDI<br />

werden in der ersten Jahreshälfte 2008 gemeinsam mit<br />

der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Hochschulzugangskriterien<br />

für die allgemeine Studierfähigkeit sowie<br />

die spezielle Studiengangeignung entwickeln.<br />

Lebenslanges Lernen durch<br />

moderne und praxisgerechte<br />

Ausbildungsberufe und<br />

Fortbildungen fördern<br />

Die bedarfsgerechte Neuentwicklung von Ausbildungsberufen<br />

sowie die Überarbeitung bestehender<br />

Ausbildungsberufe sind das zentrale Anliegen von BDA<br />

und BDI im Rahmen der Ordnungsarbeit. Moderne Ausbildungsberufe<br />

steigern nicht nur die Attraktivität der Berufsbildung,<br />

sie ermöglichen zugleich den Unternehmen,<br />

sich ihren Bedürfnissen entsprechend in der Ausbildung<br />

zu engagieren und damit auch den weiteren Erfolg des<br />

Ausbildungspakts zu gewährleisten. Diese Auswirkung<br />

der Ordnungsarbeit belegt eine Befragung des Kuratoriums<br />

der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (KWB)<br />

über die 55 zwischen 1996 und 2006 neu geordneten<br />

Berufe: Obwohl es in der Regel mehrere Jahre dauert,<br />

bis ein neuer Beruf sein gesamtes Ausbildungspotenzial<br />

ausschöpfen kann, machen diese mittlerweile bereits<br />

knapp 10 % aller Ausbildungsverhältnisse im dualen System<br />

aus. Ende 2006 wurden fast 150.000 Jugendliche in<br />

den neuen Berufen ausgebildet. Fast die Hälfte der neuen<br />

Berufe hat mehr als 1.000 Ausbildungsverhältnisse, acht<br />

neue Berufe sogar mehr als 5.000. Bei nur fünf der neuen<br />

Berufe lagen die Ausbildungszahlen unter 100; diese befinden<br />

sich teilweise aber noch in der Einführungsphase<br />

und haben ihr volles Potenzial noch nicht entfaltet.<br />

Seit dem 1. August <strong>2007</strong> kann die Ausbildung in vier<br />

neuen Berufen angeboten werden, sechs Berufe wurden


76 Bildung/Berufliche Bildung<br />

überarbeitet. Ziel der Ordnungsarbeit ist es dabei auch,<br />

Branchen bzw. Beschäftigungsbereiche für die Ausbildung<br />

zu gewinnen, deren Potenzial bislang nicht ausgeschöpft<br />

wurde, weil es an geeigneten Ausbildungsprofilen<br />

fehlte. Der neue Beruf des/der Sportfachmanns/-frau<br />

bietet ein derartiges innovatives Ausbildungsprofil, das<br />

im Gegensatz zum Sport- und Fitnesskaufmann die Sportpraxis<br />

stärker betont und damit den Bedürfnissen einer<br />

Branche entspricht, die bislang ihr Ausbildungspotenzial<br />

durch das schwerpunktmäßig kaufmännische Profil<br />

des bestehenden Berufs nicht ausschöpfen konnte. Vor<br />

diesem Hintergrund setzt sich die BDA auch erfolgreich<br />

für einen neuen Beruf im Bereich der Personaldienstleistungsunternehmen<br />

ein. Das entsprechende Neuordnungsverfahren<br />

steht unmittelbar vor dem Abschluss<br />

und ermöglicht in naher Zukunft sowohl Unternehmen,<br />

die in der Personalvermittlung tätig sind, als auch Personalabteilungen<br />

in Unternehmen, erstmalig bzw. verstärkt<br />

ihren Bedürfnissen entsprechend auszubilden.<br />

Zur Förderung des lebenslangen Lernens müssen aber<br />

auch moderne Fortbildungsprofile angeboten werden,<br />

die zugleich dem gesteigerten Qualifikationsbedarf der<br />

Unternehmen Rechnung tragen. Der Übergang von<br />

der Aus- in die Fortbildung muss dabei so fließend wie<br />

möglich gestaltet werden, die Anschlussfähigkeit muss<br />

gewährleistet sein. Dabei nehmen neue Fortbildungsprofile<br />

ebenso wie einige neue Ausbildungsberufe verstärkt<br />

die Kompetenz- und Prozessorientierung in den<br />

Blick. Sie berücksichtigen damit die betriebliche Wirklichkeit<br />

gerade im Bereich der gewerblich-technischen<br />

Unternehmen.<br />

Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret<br />

Neue Berufe <strong>2007</strong>:<br />

Fachkraft für Holz- und Bautenschutzarbeiten (zweijähriger Beruf), Holz- und Bautenschützer/-in, Mathematischtechnische/-r<br />

Softwareentwickler/-in, Sportfachmann/-frau<br />

Neu geordnet wurden die Berufe:<br />

Bestattungsfachkraft, Brauer/-in und Mälzer/-in, Mechatroniker/-in für Kältetechnik, Mediengestalter/-in Digital und<br />

Print, Produktprüfer/-in Textil, Sport- und Fitnesskaufmann/-frau<br />

Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2008 befinden sich die Berufe:<br />

Automatenfachmann/-frau (neuer Beruf), Fachangestellte/-r für Tanzschulen (neuer Beruf), Fachkraft für Automatenservice<br />

(neuer zweijähriger Beruf), Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Keramiker/-in, Seiler/-in, Servicekraft für<br />

Schutz und Sicherheit (neuer zweijähriger Beruf), Speiseeishersteller/-in (neuer zweijähriger Beruf), Friseur/-in, Fotomedienfachmann/-frau<br />

(vorheriger Arbeitstitel: Medienberater/-in für visuelle Kommunikation), Personaldienstleistungskaufmann/-frau<br />

(neuer Beruf), Produktionstechnologe/-technologin (neuer Beruf)<br />

In der beruflichen Fortbildung wurden die folgenden Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG):<br />

Geprüfte/-r Bilanzbuchhalter/-in, Geprüfte/-r Pharmareferent/-in, Geprüfte/-r Wasserbaumeister/-in, Prozessmanager/-<br />

in für Mikrotechnologie<br />

Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen:<br />

Betriebswirt/-in nach Handwerksordnung, Fortbildung in der Produktionstechnologie, Geprüfte/-r Veranstaltungsfachwirt/-in,<br />

Immobilienfachwirt/-in, Geprüfte/-r Industriemeister/-in Fachrichtung Papier und Kunststoff, Meister/-<br />

in für Lagerwirtschaft, Geprüfte/-r Meister/-in für Veranstaltungstechnik, Geprüfte/-r Polier/-in, Tierpflegemeister/-in,<br />

Geprüfte/-r Versicherungsfachwirt/-in


Bildung/Berufliche Bildung<br />

77<br />

Weiterbildung – Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Beschäftigungsfähigkeit<br />

sichern<br />

Hochschulen als Weiterbildungsträger:<br />

Attraktive Angebote<br />

erforderlich<br />

Für die deutschen Arbeitgeber ist Weiterbildung kein<br />

Lippenbekenntnis, sondern vielfach gelebte Realität. Sie<br />

investieren pro Jahr rd. 27 Mrd. € in die Weiterbildung<br />

ihrer Mitarbeiter. Wie Weiterbildung weiter gestärkt<br />

werden kann, hat die BDA in ihrem im Frühjahr veröffentlichten<br />

Positionspapier „Berufliche Weiterbildung:<br />

Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit“<br />

dargestellt.<br />

Für Unternehmen bedeutet Verantwortung für Weiterbildung,<br />

die Bedeutung der Qualifikationen ihrer<br />

Mitarbeiter als Wert für das Unternehmen zu erkennen<br />

und ihr Engagement für berufliche Weiterbildung als<br />

Investition in die Zukunft zu verstehen. Für den Einzelnen<br />

sollte Eigenverantwortung und -initiative in der beruflichen<br />

Weiterbildung selbstverständlich sein und er<br />

sollte Chancen und Nutzen beruflicher Weiterbildung<br />

als lebensbegleitende Aufgabe erkennen. Gerade die<br />

Einbringung von Freizeit stellt eine gute Möglichkeit<br />

zur Beteiligung des Einzelnen am Weiterbildungsaufwand<br />

dar. Aktuell finden noch drei Viertel der betrieblichen<br />

Weiterbildung in der Arbeitszeit statt. Hier ist<br />

ein stärkeres Engagement des Einzelnen erforderlich.<br />

So wären knapp 60 % der Unternehmen bereit, noch<br />

stärker in Weiterbildung zu investieren, wenn die<br />

Mitarbeiter mehr Freizeit einbrächten. Die Weiterbildungsanbieter<br />

stehen ihrerseits vor der Aufgabe, sich<br />

zu Dienstleistern mit individuellen Angeboten, insbesondere<br />

in Form von Weiterbildungsberatung und -begleitung,<br />

weiterzuentwickeln. Das Handeln der Politik<br />

sollte sich auf die Sicherung lernförderlicher Rahmenbedingungen<br />

beschränken und von regulierenden Eingriffen<br />

in den Weiterbildungsmarkt absehen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Lebenslanges<br />

Lernen“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Der Bedarf an wissenschaftlicher Weiterbildung als Bestandteil<br />

lebenslangen Lernens wächst. Der Gesetzgeber<br />

hat im Hochschulrahmengesetz die wissenschaftliche<br />

Weiterbildung als eine Kernaufgabe der Hochschulen<br />

definiert. In den jeweiligen Landeshochschulgesetzen ist<br />

dies – wenn auch mit deutlichen Unterschieden – eben­<br />

7-Punkte-Plan von Wirtschaft<br />

und Hochschulen<br />

1. Die Hochschulen entwickeln im Dialog mit der<br />

Wirtschaft Angebote wissenschaftlicher Weiterbildung<br />

auf Grundlage ihres eigenen Profils.<br />

2. Die Hochschulen gewährleisten eine anwendungsorientierte<br />

und kostendeckende Konzeption und<br />

Durchführung wissenschaftlicher Weiterbildung.<br />

3. Die Hochschulen legen für die wissenschaftlichen<br />

Weiterbildungsangebote die Lernziele fest und<br />

gestalten die Qualitätskontrollen transparent. Ein<br />

modularer Aufbau ist sinnvoll.<br />

4. Die Hochschulen richten kundenorientierte „Service-Center<br />

Weiterbildung“ für nachfragende Unternehmen<br />

und Einzelpersonen ein.<br />

5. Die Hochschulen und die Politik gestalten faire<br />

und qualitätsbewusste Alternativen zum Hochschulzugang<br />

über Schulabschlüsse.<br />

6. Die Politik schafft Anreize für Hochschulen, wissenschaftliche<br />

Weiterbildung kontinuierlich anzubieten,<br />

und beseitigt bestehende Restriktionen.<br />

7. Hochschulen und Wirtschaft bauen regional organisierte<br />

„Netzwerke Weiterbildung“ auf und kooperieren<br />

bei der Ermittlung von Bedarf und Angebot<br />

wissenschaftlicher Weiterbildung.


78 Bildung/Berufliche Bildung<br />

falls verankert. Aufgrund gesetzlicher Einschränkungen<br />

vor allem im öffentlichen Dienst- und Haushaltsrecht ist<br />

es für die Hochschulen jedoch wenig attraktiv, Angebote<br />

wissenschaftlicher Weiterbildung zu entwickeln.<br />

Ausgehend von einem fachlich breit angelegten Bachelor-Studium<br />

und einem frühen Berufseinstieg werden im<br />

Laufe des Berufslebens mit wachsender Spezialisierung<br />

und sich verändernden Anforderungen im Beschäftigungssystem<br />

jedoch entsprechende wissenschaftliche<br />

Weiterbildungen künftig noch dringender als bisher benötigt.<br />

Dies können sowohl einzelne Module als auch<br />

komplette (ggf. berufsbegleitende) Master-Studiengänge<br />

sein. Den Hochschulen eröffnet sich damit ein breites<br />

und attraktives Betätigungsfeld.<br />

Vor diesem Hintergrund haben BDA, BDI und Hochschulrektorenkonferenz<br />

gemeinsam die gegenseitigen<br />

Erwartungen von Hochschulen und Beschäftigungssystem<br />

in ihrem Positionspapier „Wissenschaftliche Weiterbildung<br />

im System der gestuften Studienstruktur“<br />

formuliert und einen 7-Punkte-Plan erarbeitet. Mit der<br />

Umsetzung des 7-Punkte-Plans kann das Engagement<br />

der Hochschulen gesteigert und somit der Bedarf an<br />

wissenschaftlicher Weiterbildung im Beschäftigungssystem<br />

besser gedeckt werden.<br />

Deutscher Qualifikationsrahmen<br />

muss sich an den Anforderungen<br />

des Beschäftigungssystems<br />

orientieren<br />

Der Startschuss für die Umsetzung des Europäischen<br />

Qualifikationsrahmens (EQR) ist gefallen: Das Europäische<br />

Parlament hat im Oktober <strong>2007</strong> dem Vorschlag der<br />

Kommission für eine Empfehlung über die Einrichtung<br />

eines EQR zugestimmt. Die Empfehlung sieht jetzt vor,<br />

dass die Mitgliedstaaten ihre jeweiligen nationalen Qualifikationssysteme<br />

nicht bis 2009, sondern erst bis 2010<br />

an den EQR koppeln. Auch sollen individuelle Zeugnisse<br />

und Diplome ab 2012 und nicht bereits ab 2011 einen<br />

EQR-Verweis erhalten.<br />

Damit dürfte sich auch der zeitliche Rahmen für die Entwicklung<br />

des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR)<br />

verschieben. Dieser soll die Umsetzung und Anwendung<br />

des EQR erleichtern, indem er die im deutschen<br />

Bildungssystem erworbenen Qualifikationen transparent<br />

und vergleichbar macht, bei der Einstufung aber<br />

nationale Besonderheiten berücksichtigt. Entscheidend<br />

für die Funktionsfähigkeit eines solchen Rahmens wird<br />

seine Praxistauglichkeit sein. Die BDA hat daher von<br />

Anfang an gefordert, bei der Gestaltung des Rahmens<br />

die Anforderungen der Unternehmen zu beachten.<br />

BMBF und KMK haben bereits im Januar <strong>2007</strong> mit der<br />

Entwicklung des DQR begonnen. Seit Juni <strong>2007</strong> sind<br />

auch die zentralen Stakeholder – Arbeitgeber, Gewerkschaften,<br />

HRK sowie Vertreter der Wissenschaft – im<br />

Rahmen eines Arbeitskreises in den Entwicklungsprozess<br />

eingebunden. Zunächst sollen die Eckpunkte<br />

für die Gestaltung des DQR festgelegt werden, insbesondere<br />

die Anzahl der Niveaustufen und die Art der<br />

Deskriptoren, anhand derer die Qualifikationen später<br />

eingeordnet werden sollen. Die BDA ist in der Steuerungsgruppe<br />

dieses Arbeitskreises vertreten und beteiligt<br />

sich auch darüber hinaus aktiv am Erarbeitungsprozess<br />

z. B. in der Arbeitsgruppe des Hauptausschusses<br />

des Bundesinstituts für Berufsbildung. Der DQR bietet<br />

die Chance, über alle Bildungsbereiche hinweg Qualifikationen<br />

anhand einheitlicher und gemeinsam entwickelter<br />

Beschreibungen zu kategorisieren und damit<br />

transparent und vergleichbar zu machen. Für die berufliche<br />

Bildung bietet der DQR damit erstmalig die Möglichkeit,<br />

die Gleichwertigkeit von in der Berufsbildung<br />

und an Hochschulen erworbenen Qualifikationen aufzuzeigen,<br />

ggf. auch eine Höherwertigkeit beruflicher<br />

Qualifikationen abzubilden. Voraussetzung hierfür ist<br />

die strikte Outcome-Orientierung des Rahmens. Die<br />

Kompetenzorientierung ist deshalb Hauptaugenmerk<br />

der BDA bei der Entwicklung des DQR.<br />

Über den Erfolg des Rahmens werden seine Anwender<br />

entscheiden – zu einem Großteil spätere Arbeitgeber,<br />

insbesondere die Personalabteilungen der Unternehmen.<br />

Diese wenden heute schon vielfach Verfahren zur Kompetenzmessung<br />

an und verfügen dadurch bereits über<br />

praktische Erfahrung in der Beschreibung von Kompetenzen.<br />

Die BDA setzt sich deshalb weiterhin dafür ein,<br />

bei der Entwicklung der Deskriptoren des DQR Vertreter<br />

von Unternehmen als spätere Hauptanwender auch direkt<br />

mit einzubeziehen.<br />

Neben dem EQR plant die Europäische Kommission die<br />

Einführung eines Europäischen Leistungspunktesystems


Bildung/Berufliche Bildung<br />

79<br />

für die Berufsbildung (ECVET). Nach Abschluss des<br />

Konsultationsverfahrens, an dem sich die Spitzenorganisationen<br />

der deutschen Wirtschaft mit einer konstruktiv-kritischen<br />

Stellungnahme beteiligt haben, wird die<br />

Kommission voraussichtlich im März 2008 einen Vorschlag<br />

für die Ausgestaltung dieses neuen Instruments<br />

vorlegen. Erst dann wird ersichtlich werden, inwieweit<br />

die zentralen Forderungen der Spitzenorganisationen<br />

aufgegriffen werden. Diese beziehen sich vor allem<br />

auf das Verhältnis des geplanten Leistungspunktesystems<br />

zu den bereits bestehenden europäischen Instrumenten,<br />

dem EQR und dem Leistungspunktesystem im<br />

Hochschulbereich (ECTS). Nach Ansicht der BDA sollten<br />

sich die verschiedenen Instrumente – die gemeinsame<br />

Ziele verfolgen – ergänzen und nicht gegenseitig<br />

behindern. ECVET wird nur dann einen Mehrwert haben,<br />

wenn es kompatibel zu ECTS gestaltet wird – damit<br />

die Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und<br />

Hochschule erleichtert – und als zusätzliches quantitatives<br />

Element eng in den EQR integriert wird.<br />

MINT-Strategie der Arbeitgeber<br />

zur Nachwuchssicherung<br />

Der Mangel an Fachkräften entwickelt sich immer<br />

mehr zu einer Wachstumsbremse in Deutschland. Insbesondere<br />

Ingenieure, aber auch IT-Fachkräfte und<br />

Naturwissenschaftler fehlen. Dieser MINT-Fachkräfteengpass<br />

ist nicht konjunkturell bedingt, sondern stellt<br />

ein strukturelles Problem dar.<br />

Der im September von der OECD veröffentlichte Bericht<br />

„Bildung auf einen Blick <strong>2007</strong>“ hat Deutschland<br />

vor Augen geführt, dass die Absolventenquoten in<br />

den Ingenieur- und Naturwissenschaften nicht mehr<br />

zur Bestandssicherung ausreichen und – schlimmer<br />

noch – die Tendenz nach unten weist. Das Problem<br />

des Fachkräftemangels insbesondere im MINT-Bereich<br />

wird klar als Hemmnis für Deutschlands Wirtschaftswachstum<br />

und Innovationsfähigkeit bewertet.<br />

Das Interesse von Frauen an MINT-Studiengängen darf nicht weiter absinken<br />

Rückläufige Zahl von Studienanfängerinnen im MINT-Bereich<br />

Informatik<br />

Maschinenbau/ Verfahrenstechnik<br />

Bauingenieurwesen<br />

Elektrotechnik<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Quelle: VDI, <strong>2007</strong>


80 Bildung/Berufliche Bildung<br />

Unternehmensnahe Dienstleistungen und die Metall- und Elektroindustrie<br />

trifft der Ingenieurmangel besonders hart<br />

Ingenieure gesucht<br />

Unternehmensnahe Dienstleistungen<br />

14.957<br />

Metall- und Elektroindustrie, Fahrzeugbau<br />

12.488<br />

Maschinenbau<br />

7.926<br />

Datenverarbeitung und Datenbanken, Forschung und Entwicklung<br />

4.124<br />

Bauwirtschaft<br />

3.217<br />

sonstige Industrie<br />

2.378<br />

Logistik<br />

2.052<br />

Chemie und Kunststoffherstellung<br />

856<br />

Quelle: Ergebnisse einer Unternehmensbefragung im Jahr 2006 durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) (veröffentl. <strong>2007</strong>)<br />

Eine der wesentlichen Herausforderungen in der Hochschulpolitik<br />

liegt deshalb darin, den Anteil von Studierenden<br />

im MINT-Bereich in den nächsten Jahren zu<br />

erhöhen und dauerhaft auf einem hohen Niveau zu<br />

halten. Die Forderung der Wirtschaft, insbesondere<br />

auch die Ausbildung im MINT-Bereich an den Schulen<br />

stärker zu verankern, leitet sich aber nicht nur aus dem<br />

Fachkräftebedarf der Unternehmen und den damit einhergehenden<br />

Beschäftigungschancen für Absolventen<br />

der hochschulischen und beruflichen Bildung ab. Generell<br />

sollten Technik und Naturwissenschaften wieder<br />

stärker als bisher zum Bildungskanon der jungen Menschen<br />

zählen. Es geht nicht an, dass mehr als die Hälfte<br />

der Gymnasiasten in den letzten beiden Schuljahren<br />

keinen Physik- und Chemieunterricht mehr haben.<br />

Insbesondere der Anteil der Frauen an den MINT-Absolventen<br />

ist mit 27 % in Deutschland im Vergleich zu<br />

anderen Ländern sehr niedrig. In Frankreich, den USA,<br />

Großbritannien bzw. Schweden liegt die Quote dagegen<br />

bei rd. 35 %. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl<br />

der Studienanfängerinnen in den Ingenieurwissenschaften<br />

sogar wieder gesunken.<br />

In den Ingenieurberufen liegt der Frauenanteil in<br />

Deutschland bei nur 10 % und damit noch weitaus<br />

niedriger als bei den Absolventen der ingenieurwissenschaftlichen<br />

Studiengänge (22 % im Jahr 2006). Dieser<br />

geringe Anteil von Frauen bedeutet einen Verlust an<br />

Kompetenzen, Fähigkeiten und Innovationspotenzial,<br />

der aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht akzeptabel ist.<br />

BDA und BDI haben in der zweiten Hälfte des Jahres<br />

<strong>2007</strong> eine gemeinsame MINT-Strategie der Verbände<br />

und Unternehmen erarbeitet, die in den Jahren 2008<br />

bis 2013 mit zahlreichen Initiativen und Aktionen mit<br />

Leben gefüllt werden soll. Dabei sollen die vielfältigen<br />

und seit Jahren sehr erfolgreich arbeitenden regionalen<br />

und branchenbezogenen MINT-Initiativen stärker<br />

vernetzt und sichtbar gemacht werden. Damit wird<br />

eine kritische Masse erreicht, die den Forderungen der<br />

Wirtschaft an die Bildungspolitik großen Nachdruck<br />

verleiht.<br />

Exzellenzinitiative auch<br />

für die Lehre starten<br />

Mit der Exzellenzinitiative fördern Bund und Länder mit<br />

insgesamt 1,9 Mrd. € solche Universitäten, die in der<br />

Nachwuchsförderung, in der Forschung oder in der strategischen<br />

Gesamtentwicklung besonders herausragende<br />

Leistungen zeigen. Die Hochschulen brauchen aber<br />

auch dringend eine Exzellenzinitiative für die Lehre.


Bildung/Berufliche Bildung<br />

81<br />

Die Exzellenzinitiative hat erstmals einen Hauch von<br />

Wettbewerb und frischen Wind in die Hochschulen<br />

gebracht. Eine Spitzenhochschule zu sein, bedeutet<br />

jedoch, in der Lehre ebenso wie in der Forschung<br />

hervorragende Resultate zu erzielen. Folglich müssen<br />

Qualität und Zukunftsorientierung der Lehre eine herausragende<br />

Rolle an den Hochschulen spielen. Deshalb<br />

begrüßen BDA und BDI die gemeinsamen Überlegungen<br />

der KMK und des Stifterverbandes für die<br />

Deutsche Wissenschaft zu einer Exzellenzinitiative<br />

für die Lehre an den Hochschulen. Es ist der richtige<br />

Ansatz, Hochschulen zu prämieren, die hochschuldidaktische<br />

Zentren aufbauen, besonders in die Lehre<br />

investieren, flächendeckend Tutorien einrichten und<br />

den Betreuungsschlüssel verbessern. Aber auch für die<br />

Fachhochschulen muss es einen Exzellenzwettbewerb<br />

geben; in der Exzellenzinitiative sind sie nicht berücksichtigt<br />

worden.<br />

Qualitätssicherung in Lehre und<br />

Studium – von der Programm- zur<br />

Systemakkreditierung<br />

Die Bewertung der Exzellenz in der Lehre kann nur anhand<br />

eines umfassenden Qualitätsmanagements von<br />

Lehre und Studium vorgenommen werden. Aus diesem<br />

Grund unterstützt die Wirtschaft ausdrücklich den von<br />

der KMK beschlossenen Übergang von der Programmakkreditierung<br />

einzelner Studiengänge zur Systemakkreditierung<br />

des gesamten hochschulinternen Qualitätsmanagementsystems.<br />

Dabei sind zwei Punkte aus Sicht der<br />

Wirtschaft von großer Bedeutung: Zum einen müssen die<br />

Qualitätsmerkmale der Systemakkreditierung vom Akkreditierungsrat<br />

und nicht von den Akkreditierungsagenturen<br />

definiert werden, um Beliebigkeit und unzureichender<br />

Operationalisierbarkeit vorzubeugen. Zum anderen


82 Bildung/Berufliche Bildung<br />

sollten auch während der Dauer der erteilten Akkreditierung<br />

kontinuierliche Stichproben erfolgen, die eine Beratungsfunktion<br />

gegenüber der Hochschule erfüllen.<br />

Durch die Akkreditierung wird die Qualität von Studienprogrammen<br />

– insbesondere auch ihre Relevanz für die<br />

Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen – und die Qualität<br />

hochschulinterner Prozesse im Bereich Lehre und Studium<br />

sichergestellt und transparent gemacht. Dabei steht<br />

die Überprüfung der Prozesse, die die Sicherung und<br />

Steigerung von Qualität in Lehre und Studium umfassen,<br />

im Vordergrund. Mit großem Druck hat die Kultusministerkonferenz<br />

im Berichtszeitraum die Weiterentwicklung<br />

des Akkreditierungssystems vorangetrieben.<br />

Ziel der Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems<br />

muss es aus Sicht der Wirtschaft sein, seine Stärken beizubehalten<br />

und diese gleichzeitig so zu ergänzen, dass<br />

neben der Qualität der Programme auch die Qualität der<br />

hochschulinternen Prozesse im Bereich Lehre und Studium<br />

evaluiert wird und Anreize für die Hochschulen gesetzt<br />

werden, ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem<br />

aufzubauen. Die BDA beteiligt sich vor allem vor dem<br />

Hintergrund der Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit<br />

der Hochschulabsolventen aktiv am Diskussionsprozess.<br />

Bologna-Prozess – Beschäftigungsfähigkeit<br />

betonen<br />

Als federführendes Mitglied von BUSINESSEUROPE im<br />

Bologna-Prozess hat sich die BDA in den letzten Jahren<br />

stark engagiert. Bestimmend für den inzwischen 46 Staaten<br />

umfassenden Bologna-Prozess im Jahr <strong>2007</strong> war die<br />

Bologna-Nachfolgekonferenz im Mai in London. Das<br />

besondere Anliegen der europäischen Arbeitgeber, das<br />

Thema Employability stärker als bisher auf die Agenda<br />

des Bologna-Follow-up-Prozesses zu setzen, konnte<br />

durchgesetzt werden.<br />

Neben anderen konkreten Schritten wie der Verbesserung<br />

der Mobilität von Studierenden und Lehrenden<br />

oder der Einführung eines europäischen Qualitätsregisters<br />

haben die europäischen Bildungsminister in London<br />

die stärkere Sicherung von Beschäftigungsfähigkeit<br />

Die Umstellung auf die gestufte Studienstruktur muss zügiger Voranschreiten<br />

Entwicklung der Bachelor- und Master-Studienangebote<br />

Bachelor<br />

Anzahl Master<br />

in %<br />

4.500<br />

70<br />

4.000<br />

60<br />

3.500<br />

3.000<br />

50<br />

2.500<br />

40<br />

2.000<br />

30<br />

1.500<br />

20<br />

1.000<br />

500<br />

10<br />

0<br />

SoSe 2004<br />

WiSe 2004/2005 SoSe 2005 WiSe 2005/2006 SoSe 2006 WiSe 2006/<strong>2007</strong> SoSe <strong>2007</strong> WiSe <strong>2007</strong>/2008<br />

0<br />

Quelle: HRK, <strong>2007</strong>


Bildung/Berufliche Bildung<br />

83<br />

Forderungen von BMBF, BDA und BDI in ihrem gemeinsamen<br />

Memorandum:<br />

• Hochschulbildung und Arbeitsmarkt müssen<br />

durch die Integration berufsrelevanter Qualifikationen<br />

in das Studium enger miteinander verbunden<br />

werden.<br />

• Berufsberatungsstellen sollen als Bindeglied zwischen<br />

Hochschule und Beschäftigungssystem an<br />

den Hochschulen eingerichtet werden.<br />

• Die Hochschulen sollen bei der Qualitätsentwicklung<br />

der neuen Studiengänge und ihrer Ausrichtung<br />

auf die Beschäftigungsfähigkeit unterstützt<br />

werden.<br />

• Die Hochschulen sollen bei der Entwicklung und<br />

beim Ausbau der wissenschaftlichen Weiterbildung<br />

gestärkt werden und dabei enger mit Unternehmen<br />

kooperieren.<br />

• Die Hochschulen müssen finanzielle Anreize für<br />

ein stärkeres Engagement in Lehre und Weiterbildung<br />

erhalten.<br />

• Der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden<br />

muss beim Bologna-Prozess eine noch<br />

höhere Bedeutung eingeräumt werden.<br />

in der Neu- bzw. Weiterentwicklung von Studiengängen<br />

im Kommuniqué verankert. In der entsprechenden<br />

Employability-Arbeitsgruppe, die den Ministern bis zur<br />

Nachfolgekonferenz im April 2009 Bericht erstattet,<br />

wird die BDA engagiert mitarbeiten.<br />

In Deutschland schreitet die Umstellung auf die gestufte<br />

Studienstruktur weiter voran, jedoch nicht so zügig, wie<br />

dies zu wünschen wäre. Mit Beginn des Wintersemesters<br />

<strong>2007</strong>/2008 waren 61 % der Studiengänge auf die Bachelor-/Master-Struktur<br />

umgestellt. Dabei ist hervorzuheben,<br />

dass die Umstellung an den Fachhochschulen wesentlich<br />

schneller erfolgt als an den Universitäten (86 % bzw.<br />

55 % im Wintersemester <strong>2007</strong>/2008).<br />

Die BDA hat zum Thema Hochschule den kompakt<br />

„Hochschulpolitik“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Arbeitsmarktkompetenzen<br />

der Studierenden stärken<br />

BMBF, BDA und BDI haben mit der gemeinsamen Tagung<br />

„Fit für den Job?! – Arbeitsmarktkompetenzen der<br />

Studierenden stärken“ im Juli <strong>2007</strong> das Thema „Beschäftigungsfähigkeit<br />

der Studierenden“ auf die nationale<br />

Agenda gesetzt.<br />

Die Veranstalter unterstrichen, dass Beschäftigungsfähigkeit<br />

als Bildungsziel neben einer praxisnahen, fachlichen<br />

Ausbildung auch den Erwerb überfachlicher Kompetenzen,<br />

wie Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft,<br />

das Arbeiten im Team und die Beherrschung von<br />

Präsentationstechniken, impliziert. Neben einer guten<br />

Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ist aber auch die bereits<br />

an der Hochschule zu vermittelnde Fähigkeit und<br />

Motivation zur kontinuierlichen und selbst verantworteten<br />

beruflichen Weiterbildung Voraussetzung dafür,<br />

dass die sich rasch wandelnden Anforderungen der Arbeitswelt<br />

kompetent bewältigt werden. Lebenslanges Lernen<br />

erfordert von jedem Einzelnen, das eigene Kompetenzprofil<br />

permanent weiterzuentwickeln.<br />

Mit einem gemeinsamen Memorandum richteten die<br />

Veranstalter insbesondere klare Forderungen an die<br />

Hochschulen, um in der Hochschulausbildung die<br />

Förderung der Arbeitsmarktkompetenzen der Studierenden<br />

zügig umzusetzen. Mit der Veranstaltung wurde<br />

ein Zeichen gesetzt für die unabdingbare intensive<br />

Kooperation von Hochschulen und Wirtschaft sowie<br />

von Bund und Ländern. Denn nur in gemeinsamer Anstrengung<br />

wird es gelingen, die akademische Aus- und


84 Bildung/Berufliche Bildung<br />

Fortbildung so weiterzuentwickeln, dass sie tatsächlich<br />

„fit für den Job“ machen. Die Ergebnisse wurden<br />

in einer Tagungsdokumentation zusammengefasst und<br />

stehen unter www.bda-online.de allen Interessierten<br />

zur Verfügung.<br />

Perspektiven von Geisteswissenschaftlern<br />

am Arbeitsmarkt<br />

Mit der Veranstaltung „Geistreich im Beruf: Perspektiven<br />

von Geisteswissenschaftlern am Arbeitsmarkt“<br />

haben BDA, HRK und der Stifterverband für die Deutsche<br />

Wissenschaft ihre Veranstaltungsreihe „Bildungsmarkt<br />

und Arbeitsmarkt im Dialog“ im sechsten Jahr<br />

fortgesetzt und an die Ziele des Jahres der Geisteswissenschaften,<br />

nämlich die Stärkung der Geisteswissenschaften,<br />

angeknüpft.<br />

Im Rahmen der Tagung wurde deutlich, dass viele Geisteswissenschaftler<br />

mit erstaunlicher Anpassungsfähigkeit<br />

eine Vielfalt von Jobs in der Wirtschaft erfolgreich<br />

anstreben und viele Personalverantwortliche passgenau<br />

Geisteswissenschaftler in die unterschiedlichen Arbeitszusammenhänge<br />

der Unternehmen einbinden. Wichtig<br />

ist, dass die Hochschulen ihre geisteswissenschaftlichen<br />

Studiengänge so gestalten, dass den Geisteswissenschaftlern<br />

– neben einer fundierten wissenschaftlichen<br />

Ausbildung – durch eine bessere Arbeitsmarktorientierung<br />

der Berufseinstieg erleichtert wird. Das große Interesse<br />

insbesondere der Hochschulen an der Veranstaltung<br />

hat bestätigt, dass die Bedeutung einer verbesserten<br />

Beschäftigungsfähigkeit dieser Absolventengruppen im<br />

Bewusstsein vieler Hochschullehrer angekommen ist.<br />

Zugleich wurde der Handlungsdruck auf die Hochschulen<br />

erhöht, die notwendigen Schritte für eine an den Erfordernissen<br />

des Arbeitsmarktes orientierte Ausbildung<br />

von Geisteswissenschaftlern zügig umzusetzen.<br />

Foto: Thomas Köhler, www.photothek.net


Bildung/Berufliche Bildung<br />

85<br />

Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung <strong>2007</strong><br />

„Entrepreneurship“ als Bildungsaufgabe: unternehmerisches Denken und Handeln stärken<br />

Unternehmerisches Denken und Handeln ist unverzichtbar für den wirtschaftlichen Erfolg im globalen Wettbewerb.<br />

Die deutsche Wirtschaft braucht Fach- und Führungskräfte, die ihre Stärken in den Arbeitsprozess einbringen und<br />

den Wettbewerb durch die Umsetzung neuer Ideen beleben. Unternehmerisches Potenzial muss deshalb so früh wie<br />

möglich gefördert werden. Junge Menschen sollen lernen, wie aus Ideen neue Angebote und aus Initiativen neue Unternehmen<br />

werden. Sie brauchen unternehmerische Kompetenzen, die in allen Bildungsstufen zu entwickeln sind.<br />

Ausgezeichnet wurden in den Kategorien Schule, Hochschule, Berufsschule und Betrieb solche Bildungskonzepte, die<br />

die nachhaltige Entwicklung ökonomischer Kenntnisse und unternehmerischer Persönlichkeitsmerkmale der Schüler,<br />

Studierenden bzw. Auszubildenden zum Ziel haben. In diesem Jahr wurde erneut ein Sonderpreis für vorschulische<br />

Einrichtungen vergeben. Die Preisträger zeichnet aus, dass ihre Konzepte auf andere Einrichtungen übertragen werden<br />

können.<br />

Mit Unterstützung der Deutsche Bahn AG erhielt jede ausgezeichnete Initiative ein Preisgeld von 10.000 €.<br />

Die Preisverleihung fand im Rahmen des Deutschen Arbeitgebertages am 11. Dezember <strong>2007</strong> statt.<br />

Preisträger sind<br />

in der Kategorie Schule<br />

das Käthe-Kollwitz-Gymnasium, Halberstadt<br />

www.kaeko-halberstadt.de<br />

in der Kategorie Hochschule<br />

die Technische Universität München<br />

http://portal.mytum.de/welcome<br />

in der Kategorie Berufsschule<br />

das Joseph-DuMont-Berufskolleg Köln<br />

www.jdbk.de<br />

in der Kategorie Betrieb<br />

die PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG, Blomberg<br />

www.phoenixcontact.de<br />

beim Sonderpreis für vorschulische Einrichtungen<br />

das Kindertagesheim St. Johannes Arsten, Bremen<br />

Weitere Informationen zum Arbeitgeberpreis für Bildung unter www.bda-online.de.


87<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


88 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

Europa findet den Weg aus der<br />

Vertrauenskrise<br />

Rückblick auf EU-Ratspräsidentschaft<br />

überwiegend positiv …<br />

Das Jahr <strong>2007</strong> war für Europa ein wichtiges Jahr. Nach<br />

dem am Ratifizierungsprozess gescheiterten Verfassungsvertrag<br />

gelang es der deutschen Präsidentschaft,<br />

die Weichenstellungen für die vertragliche Neuordnung<br />

der EU vorzunehmen. Auf der Grundlage der Beschlüsse<br />

des EU-Gipfels im Juni <strong>2007</strong> wurde am 19. Oktober<br />

die politische Einigung aller Mitgliedstaaten über den<br />

EU-Reformvertrag erzielt und der Weg für die Unterzeichnung<br />

des „Vertrags von Lissabon“ im Dezember<br />

<strong>2007</strong> bereitet. Dieser Reformvertrag war überfällig,<br />

denn die auf 27 Mitgliedstaaten erweiterte Union ist nur<br />

dann handlungsfähig, wenn sie eine klare Kompetenzordnung<br />

gemäß dem Subsidiaritätsprinzip erhält und<br />

wenn ihre Institutionen und Entscheidungsregeln reformiert<br />

werden. Nur eine entscheidungsfähige EU kann<br />

die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft<br />

unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbs sichern<br />

und verbessern.<br />

Wichtige Elemente dieses Reformvertrages sind:<br />

• die Einführung der doppelten Mehrheit (Beschluss gilt<br />

als angenommen, wenn 55 % der Mitgliedstaaten zu-<br />

stimmen und diese mindestens 65 % der EU-Bevölkerung<br />

repräsentieren)<br />

• die Reform der Institutionen mit den drei neuen Spitzenämtern<br />

Kommissionspräsident, Hoher Vertreter der<br />

Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Präsident<br />

des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs<br />

und einem stärkeren Europäischen Parlament<br />

• das „Kompetenzkapitel“, in dem zwischen ausschließlichen<br />

und geteilten Kompetenzen differenziert wird,<br />

sowie Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungsmaßnahmen<br />

festgelegt werden<br />

• die Subsidiaritätskontrolle, mit der geregelt wird, dass<br />

nationale Parlamente ein Klagerecht gegen Vorschläge<br />

der Kommission haben, wenn sie das Subsidiaritätsprinzip<br />

verletzt sehen<br />

Der EU-Reformvertrag übernimmt damit wesentliche<br />

Inhalte des EU-Verfassungsvertrages von 2004. Doch<br />

wie seinerzeit beim EU-Verfassungsvertrag ist das letzte<br />

Wort noch nicht gesprochen. Nach seiner Unterzeichnung<br />

am 13. Dezember <strong>2007</strong> muss der Reformvertrag<br />

in allen 27 Mitgliedstaaten – je nach nationaler Regelung<br />

– per Parlamentsbeschluss oder Referendum ratifiziert<br />

werden, damit er am 1. Januar 2009 rechtzeitig<br />

vor der Erneuerung von Kommission und Europäischem<br />

Parlament in Kraft treten kann.<br />

Die Vorbereitungen für die politische Einigung hat<br />

die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halb-


Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

89<br />

Hohe Anzahl der jährlich verabschiedeten Richtlinien und Verordnungen belastet<br />

die Wirtschaft übermässig<br />

Richtlinien<br />

Verordnungen<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

3.500<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

0<br />

0<br />

1968 1978 1998 2003 1968 1978 1998 2003<br />

Quelle: Tim Ambler, Keith Boyfield, Route Map to Reform, Adam Smith Institute, 2005<br />

jahr <strong>2007</strong> getroffen. Unter der zielstrebigen Führung<br />

von Bundeskanzlerin Merkel ist es gelungen, bei den<br />

entscheidenden Fragen Kompromisse zu erzielen und<br />

27 EU-Mitgliedstaaten auf einen einheitlichen Kurs des<br />

politisch Machbaren zu bringen.<br />

Ebenfalls wurde unter deutscher Präsidentschaft der Beschluss<br />

gefasst, die Verwaltungsbelastung durch EU-Gesetzgebung<br />

um 25 % bis zum Jahr 2012 zu reduzieren.<br />

BUSINESSEUROPE und die BDA übten beharrlichen<br />

Druck aus, um „Better Regulation“ stärker voranzutreiben.<br />

Entscheidend dabei waren die quantitativen Messlatten,<br />

an denen sich nicht so leicht mit Worten herummogeln<br />

lässt.<br />

Besonders positiv ist die Initiative des Bundesministeriums<br />

für Arbeit und Soziales, das eine Pilotevaluierung<br />

der Bildschirmrichtlinie unternommen hat. Am Beispiel<br />

der Bildschirmrichtlinie wurden Erkenntnisse für<br />

das systematische Vorgehen bei der Evaluierung von<br />

Arbeitsschutzrichtlinien durch die Befragung von Unternehmen<br />

und Arbeitnehmern in verschiedenen EU-<br />

Mitgliedstaaten gewonnen. Die Ergebnisse sollte die<br />

Kommission jetzt nutzen, um erstens die Bildschirm-<br />

richtlinie zügig zu revidieren und zweitens die Ergebnisse<br />

dieses guten Pilotprojektes auch für die Revision<br />

weiterer Arbeitsschutzrichtlinien zu nutzen.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Bessere<br />

Rechtsetzung“ und den kompakt „EU-Reformvertrag<br />

– neue Grundlage für die erweiterte Union“ veröffentlicht.<br />

Sie sind über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Die BDA hat sich gemeinsam mit dem BDI durch zahlreiche<br />

Aktivitäten an der deutschen Ratspräsidentschaft<br />

beteiligt. BDA und BDI haben in Form von zwei gemeinsamen<br />

Memoranden sowie in höchstrangig besetzten<br />

Veranstaltungen in Brüssel und Berlin konkrete Handlungsprioritäten<br />

und Wege aufgezeigt, wie aus Sicht der<br />

deutschen Wirtschaft das Vertrauen der Bürger zu Europa<br />

zurückgewonnen und die Lissabon-Ziele in Hinblick<br />

auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungspolitik<br />

verwirklicht werden können. In einer abschließenden<br />

gemeinsamen Bilanz der EU-Ratspräsidentschaft<br />

mit der bewussten Orientierung „Europas Stärken<br />

ausbauen“ haben BDA und BDI ihre Bewertungen zum<br />

Sachstand der einzelnen Themen und Dossiers sowie<br />

ihre Forderungen für die Zukunft präsentiert.


90 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

BDA/BDI-Aktivitäten während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft<br />

28. November 2006<br />

4. Dezember 2006<br />

22. Januar <strong>2007</strong><br />

30. Januar <strong>2007</strong><br />

25. März <strong>2007</strong><br />

14. – 15. Juni <strong>2007</strong><br />

25. – 26. Juni <strong>2007</strong><br />

Pressekonferenz mit Arbeitgeberpräsident Hundt und BDI-Präsident Thumann zur<br />

Präsentation des Gemeinsamen Memorandums von BDA und BDI zur deutschen<br />

Ratspräsidentschaft in Berlin<br />

Treffen des UNICE- (seit 23. Januar <strong>2007</strong> BUSINESSEUROPE) Präsidenten Seillière gemeinsam<br />

mit Arbeitgeberpräsident Hundt und BDI-Präsident Thumann mit Bundeskanzlerin Merkel<br />

in Berlin, um Anliegen der europäischen Wirtschaft vorzutragen<br />

Gemeinsame festliche Veranstaltung von BDA und BDI in Brüssel unter dem Motto „Europa<br />

zukunftsfähig machen“<br />

Europatag der deutschen Wirtschaft in Berlin unter dem Motto „Europa <strong>2007</strong> – neue Anstöße,<br />

neue Perspektiven“<br />

Mitwirkung am Bürgerfest der Bundesregierung zum 50. Jubiläum der Römischen Verträge<br />

in Berlin<br />

Ausrichtung des BUSINESSEUROPE-Rates der Präsidenten in Berlin durch BDA und BDI<br />

BDI/BDA/vbw/Confindustria-Konferenz „Der Wirtschaftsraum Zentraleuropa: Motor für<br />

Wachstum und Beschäftigung im erweiterten Europa“ in München<br />

Den Abschluss der besonderen Veranstaltungen, die<br />

BDA und BDI während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft<br />

durchgeführt haben, bildete der Rat der Präsidenten<br />

des europäischen Arbeitgeber- und Industrieverbands<br />

BUSINESSEUROPE (früher: UNICE) am 14. und<br />

15. Juni <strong>2007</strong> in Berlin mit Bundespräsident Köhler,<br />

Bundestagspräsident Lammert und Bundeskanzlerin<br />

Merkel als Gesprächspartnern.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Deutsche<br />

EU-Ratspräsidentschaft: sozialpolitische Bilanz“ veröffentlicht.<br />

Er ist über www.bda-online.de abrufbar.<br />

… aber in der Sozialpolitik ernüchternd<br />

Das Engagement der deutschen Präsidentschaft für die<br />

„Better-Regulation“-Initiative hat leider keinen Eingang<br />

in ihre Aktivitäten zur europäischen Sozialpolitik gefunden.<br />

Die sozialpolitische Agenda der Bundesregierung<br />

während der EU-Präsidentschaft zeigt im Gegenteil<br />

deutlich, wie die europäische Bühne immer wieder<br />

instrumentalisiert wird, um nationale Themen, die politisch<br />

auf der nationalen Ebene besonders umstritten<br />

und nicht einfach durchzusetzen sind, voranzutreiben.<br />

„Gute Arbeit“ – so lautete die positive Semantik zum<br />

Heisser Herbst: Vielzahl sozialpolitischer EU-Initiativen<br />

• Richtlinie über Europäische Betriebsräte: Maßgeschneiderte<br />

Lösungen der Unternehmen würden<br />

zerschlagen<br />

• Vorschläge zur Wirtschaftsmigration: gute Absicht,<br />

aber mit Fallstricken im Einzelnen<br />

• Antidiskriminierung: Nationale Übererfüllung schafft<br />

„Perpetuum mobile“ immer neuer Regulierungen<br />

• Betriebliche Altersvorsorge: Mehrkosten und zusätzliche<br />

Bürokratie<br />

• Richtlinie zum Betriebsübergang: Bestehende<br />

Regelungen reichen aus<br />

• Transnationale Kollektivvereinbarungen: Mehrwertversprechen<br />

nicht zu Ende gedacht


Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

91<br />

EU-Ratspräsidentschaftsprogramm des Bundesministeriums<br />

für Arbeit und Soziales. Was sich aber hinter<br />

dieser leuchtenden Fassade verbirgt, sind höchst problematische<br />

Inhalte: Neue Einschränkungen bei der<br />

Zeitarbeit und Mindestlöhne in immer mehr Branchen<br />

sind z. B. Vorhaben mit negativen Auswirkungen auf<br />

Wachstum und Beschäftigung. In Wirklichkeit entfernt<br />

sich die Politik von den von ihr selbst gesteckten Zielen<br />

im Rahmen der Lissabon-Strategie.<br />

Auch europäisch werden zahlreiche Einzelinitiativen<br />

unternommen – hier wird an vielen einzelnen Stellschrauben<br />

gedreht, so dass der Eindruck entsteht, die<br />

gesamte europäische Sozialpolitik solle nach und<br />

nach neu justiert werden, immer weiter weg von den<br />

richtigen Lissabon-Zielen, hin zu neuer und mehr<br />

Regulierung.<br />

Europas Bürger haben Zusammenhang<br />

zwischen rigidem Arbeitsrecht und<br />

Beschäftigungswachstum erkannt<br />

Arbeitsverträge sollten flexibler werden, um die Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen zu erleichtern<br />

Keine Meinung<br />

Stimme nicht zu<br />

Stimme zu<br />

7 %<br />

21 %<br />

72 %<br />

0 % 20 % 40 % 60 % 80 %<br />

Flexicurity: Leitprinzip für eine<br />

zukunftsfähige europäische<br />

Sozialpolitik<br />

Die Wirtschaft setzt in der europäischen Sozialpolitik auf<br />

das Konzept der Flexicurity. Flexicurity bringt das Ziel<br />

der Sicherheit für Arbeitnehmerschaft und Unternehmen<br />

ins richtige Verhältnis zur Flexibilität, d. h. der schnellen<br />

und effektiven Anpassungsfähigkeit an sich ändernde<br />

Markterfordernisse. Zu Recht hatte Vizekanzler Müntefering<br />

beim Sozialpartnergipfel in Lahti erklärt, dass unter<br />

den Bedingungen der Globalisierung Sicherheit niemals<br />

ohne Wandel und Anpassung erreicht werden kann.<br />

Flexicurity basiert konzeptionell auf vier Pfeilern:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

einem transparenten und flexiblen Arbeitsrecht<br />

einer effizienten und effektiven Arbeitsmarktpolitik<br />

nachhaltig finanzierbaren sozialen Sicherungssystemen<br />

modernen Weiterbildungsformen und lebenslangem<br />

Lernen<br />

Bereits vor der Veröffentlichung der entsprechenden<br />

Kommissionsmitteilung hat die BDA im Frühjahr<br />

<strong>2007</strong>, zusammen mit den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden<br />

aus den beiden auf Deutschland<br />

folgenden EU-Präsidentschaftsländern Portugal und<br />

Slowenien sowie aus Dänemark, dem „Mutterland“<br />

von Flexicurity, die Idee von Flexicurity konzeptio-<br />

Quelle: Eurobarometer 2006<br />

nell ausgefüllt. Das Ergebnis „Europas Arbeitsmärkte<br />

modernisieren: Flexicurity – mehr Sicherheit durch<br />

größere Beschäftigungschancen“ ist eine Arbeitgebervision,<br />

wie Flexicurity ein zukunftsfähiger Politikansatz<br />

werden kann.<br />

Der Kerngedanke ist, dass mehr Sicherheit nur auf der<br />

Grundlage umfassender Flexibilität entstehen kann. Es<br />

geht bei Flexicurity darum, die Chancen der Menschen<br />

zu verbessern, bei Wegfall ihres Arbeitsplatzes möglichst<br />

nahtlos wieder in neue Beschäftigung zu kommen.<br />

Diese Beschäftigung kann in einem anderen Unternehmen<br />

sein (Außenflexibilität) oder auch durch Beweglichkeit<br />

im bestehenden Arbeitsverhältnis im bisherigen<br />

Unternehmen (Binnenflexibilität). Der Bericht der EU-<br />

Kommission „Beschäftigung in Europa 2006“ zitiert<br />

Umfragen, die zeigen, dass Länder mit den rigidesten<br />

Kündigungsschutzbestimmungen eine überproportional<br />

hohe Langzeitarbeitslosigkeit verzeichnen und die Arbeitnehmer<br />

dort auch die größte Angst vor Arbeitslosigkeit<br />

haben. Diese Angst ist durchaus berechtigt, denn die<br />

Schwelle für Neueinstellungen liegt in diesen Ländern<br />

viel höher als in anderen Ländern, wo Unternehmen<br />

sich bei Neueinstellungen stärker nach ihrem aktuellen<br />

Bedarf richten können, weil sie Beschäftigungsverhältnisse<br />

auch problemloser beenden können.


92 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

Flexicurity Mainstreaming<br />

Welche Rolle kann die Europäische Union bei der<br />

Förderung von Flexicurity spielen? Vor allem darf<br />

die Kommission das von ihr selbst aktiv betriebene<br />

Flexicurity-Konzept nicht durch andere Einzelinitiativen<br />

konterkarieren. Sie muss dafür sorgen, dass Flexicurity<br />

als Grundprinzip Eingang in alle Politikbereiche findet.<br />

Dieses „Mainstreaming“ ist auf europäischer Ebene<br />

durchaus erfolgreich: Ist der politische Wille da, wird ein<br />

Querschnittsprinzip breit verankert. Beim sog. Gender<br />

Mainstreaming wurde dies erfolgreich unter Beweis<br />

gestellt – unabhängig von dort fragwürdigen Folgewirkungen.<br />

Inzwischen findet sich Gender Mainstreaming<br />

in praktisch jeder Kommissionsinitiative.<br />

Das wäre auch für Flexicurity zu wünschen: Die<br />

BDA fordert von der europäischen Kommission ein<br />

„Flexicurity Mainstreaming“ – damit dieses wesentliche<br />

Element für eine umfassende Reformstrategie zur<br />

Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Eingang in alle<br />

sozialpolitischen Initiativen findet.<br />

Flexicurity im Europäischen<br />

Sozialen Dialog<br />

Es ist gelungen, das Flexicurity-Konzept im europäischen<br />

Sozialen Dialog zu verankern und damit auf<br />

die Arbeit der BDA und ihrer Schwesterverbände aus<br />

Dänemark, Portugal und Slowenien aufzubauen. Der<br />

Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hat gemeinsam<br />

mit BUSINESSEUROPE, UEAPME und CEEP den „Joint<br />

Analysis Report on the Key Challenges Facing Europe’s<br />

Labour Markets” vorgelegt. Die BDA war an den Verhandlungen<br />

intensiv beteiligt.<br />

In dieser Analyse über die Herausforderungen der Arbeitsmärkte<br />

in Europa ist über zukunftweisende Kernaussagen<br />

mit den Gewerkschaften Einigkeit erzielt<br />

worden, sowohl in Hinblick auf die Analyse der wichtigsten<br />

Herausforderungen der Arbeitsmärkte in Europa<br />

als auch bei den Empfehlungen an die Adresse der<br />

Mitgliedstaaten und europäischen Institutionen. Im Ergebnis<br />

bescheinigen Arbeitgeber und Gewerkschaften<br />

gemeinsam dem Flexicurity-Konzept besondere Zukunftsfähigkeit,<br />

um die anstehenden Herausforderungen<br />

zu meistern.<br />

„The increasing pressure on workers and employers<br />

from globalisation and other economic and social<br />

changes requires that labour law responds to these new<br />

challenges. The priority is to review, and if necessary,<br />

adjust the role that job protection measures play in promoting<br />

productive and rewarding transitions into new<br />

or existing jobs.” [Übersetzt: Der steigende Druck auf<br />

Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die Globalisierung<br />

und andere wirtschaftliche und soziale Veränderungen<br />

verlangt, dass das Arbeitsrecht auf diese neuen<br />

Herausforderungen antwortet. Vorrang muss es haben<br />

zu prüfen, welche Rolle Bestimmungen zum Schutz des<br />

einzelnen Arbeitsverhältnisses bei erfolgreichen und<br />

sich lohnenden Übergängen in neue und bestehende<br />

Arbeitsplätze spielen, und diese ggf. anzupassen.]<br />

Damit erklären die europäischen Sozialpartner ihr gemeinsames<br />

Verständnis darüber, dass angesichts der<br />

globalen Herausforderungen das Arbeitsrecht unter<br />

die Lupe genommen und ggf. angepasst werden muss.<br />

Die Anerkennung durch den EGB, dass gut gemeinte<br />

Regeln zum Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses<br />

sich kontraproduktiv auswirken können, ist von nicht<br />

zu unterschätzender Bedeutung. Vielfach weisen ja<br />

gerade Gewerkschaften einen Zusammenhang zwischen<br />

Arbeitsrecht und Beschäftigungswachstum brüsk<br />

zurück.<br />

Im Mobilitätskapitel stellen beide Sozialpartner fest: „Geographical<br />

and occupational mobility has also a significant<br />

impact on the growth and employment levels. In recent<br />

years, Member States with the highest overall levels<br />

of mobility have also registered strong economic growth<br />

and low – or significantly reduced – unemployment rates.<br />

This points to a relationship between mobility levels<br />

and strong economic and labour market performance.”<br />

[Übersetzt: Die geografische und berufliche Mobilität hat<br />

großen Einfluss auf Wachstum und Beschäftigung. In den<br />

letzten Jahren verzeichneten die Mitgliedstaaten mit den<br />

höchsten allgemeinen Mobilitätsniveaus auch ein starkes<br />

Wirtschaftswachstum und geringe Arbeitslosenquoten<br />

bzw. konnten diese erheblich reduzieren. Dies weist auf<br />

einen Zusammenhang zwischen Mobilität und einem<br />

starken Wirtschaftswachstum sowie einer positiven Arbeitsmarktentwicklung<br />

hin.]


Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

93<br />

Jetzt gilt es, diesen richtigen gemeinsamen Einsichten<br />

im Hinblick auf die verschiedenen Dimensionen von<br />

Mobilität auch Taten in der konkreten Politik folgen<br />

zu lassen. Jedenfalls sind die gemeinsamen Positionen<br />

Ausgangspunkt, um mehr Flexibilität einzufordern,<br />

und Anker gegen neue kontraproduktive, weil mobilitätsfeindliche<br />

Regulierungen.<br />

Auch die Bedeutung der richtigen Rahmenbedingungen<br />

(„a favourable business environment“), damit ein Flexicurity-Ansatz<br />

überhaupt fruchten kann, wird in der gemeinsamen<br />

Analyse explizit angesprochen: „Important preconditions<br />

for flexicurity to work are sound macroeconomic<br />

policies and a favourable business environment realising<br />

and supporting the full growth potential and ensuring the<br />

necessary financial basis for public services and labour<br />

market policies.” [Übersetzt: Wichtige Voraussetzungen<br />

für das Funktionieren von Flexicurity sind eine solide makroökonomische<br />

Politik und ein wirtschaftsfreundliches<br />

Umfeld, welche die volle Ausschöpfung des gesamten<br />

Wachstumspotenzials unterstützen und die notwendige<br />

Finanzbasis für die Leistungen der öffentlichen Hand und<br />

für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sichern.]<br />

Auf der formalen Ebene war es das Ziel dieser Analyse,<br />

die Prioritäten für einen „Framework of Actions“ zu Beschäftigung<br />

zu definieren und damit den Sozialpartnern<br />

in den Mitgliedstaaten eine Grundlage für gemeinsame<br />

Aktivitäten im Sinne einer zukunftsfähigen Beschäftigungspolitik<br />

zu geben. Nun ist für die BDA hier aber<br />

auch ein wichtiges politisches Instrument entstanden,<br />

das auf einem breiten europäischen Sozialpartnerkonsens<br />

fußt. Da auch der DGB der gemeinsamen Analyse<br />

zugestimmt hat, gilt es nun, die richtigen Erkenntnisse<br />

auch in der nationalen Politik zu nutzen.<br />

Kommissionsmitteilung zu<br />

Flexicurity: Die Richtung stimmt …<br />

Die Kommission setzt gleichfalls auf Flexicurity und zielt<br />

damit in die richtige Richtung: „Gemeinsame Grundsätze<br />

für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: mehr und<br />

bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit“<br />

lautet der Titel der Mitteilung vom Juni <strong>2007</strong>.<br />

In der Flexicurity-Mitteilung der Europäischen Kommission<br />

wurden acht Grundprinzipien entwickelt, die<br />

mit Bedacht weit gefasst sind und genügend Spielräume<br />

für die Ausgestaltung auf nationaler Ebene lassen,<br />

nach dem Motto „No one-size-fits-all“. Richtigerweise


94 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

unterstreicht die Kommission die interne und externe<br />

Dimension von Flexicurity: die Beweglichkeit soll innerhalb<br />

eines Unternehmens und auch zwischen den<br />

Unternehmen gefördert werden. Der Vorschlag, die<br />

Flexicurity-Prinzipien in die Lissabon-Strategie zu integrieren,<br />

ist hilfreich, denn damit werden jetzt auch<br />

die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen, ihre nationale<br />

Politik entsprechend auszurichten und dieses<br />

wesentliche Reformelement in ihre Reformstrategien<br />

zu integrieren.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Flexicurity“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />

abrufbar.<br />

… auf Folgemassnahmen aus<br />

Grünbuch wird verzichtet …<br />

Das Verhalten der Kommission ist allerdings noch<br />

lange nicht in sich stimmig und wirkt bisweilen konfus.<br />

Von Flexicurity Mainstreaming jedenfalls ist Europa<br />

noch weit entfernt. Immer wieder gibt es Beispiele<br />

widersprüchlicher Politik, wofür beispielhaft<br />

das Grünbuch Arbeitsrecht steht, das die Kommission<br />

Ende November 2006 vorgelegt hat: Hier wurden z. B.<br />

befristete, Teilzeit- und Zeitarbeitsverhältnisse pauschal<br />

als „Nichtstandard-Arbeitsverhältnisse“ verurteilt,<br />

eine europäische Arbeitnehmerdefinition gefordert<br />

und eine allgemeine Generalunternehmerhaftung für<br />

arbeitsrechtliche Verstöße der Subunternehmer angeregt.<br />

Mit anderen Worten: Das Grünbuch legte an<br />

vielen Stellen neue, flexibilitätsfeindliche Regulierung<br />

nahe.<br />

Nachdem die mit der Vorlage des Grünbuchs initiierte<br />

Konsultation abgeschlossen ist, hat die Kommission nun<br />

überraschend erklärt, sie wolle von weiteren Regulierungsinitiativen<br />

in Zusammenhang mit dem Grünbuch<br />

Arbeitsrecht vorerst Abstand nehmen. Das lässt hoffen<br />

und wäre ohne den beharrlichen Einsatz der Arbeitgeber<br />

auf europäischer Ebene nicht denkbar gewesen. Angesichts<br />

eines Regulierungsgeflechts von 27 sehr unterschiedlichen<br />

Arbeitsrechtsordnungen innerhalb der EU<br />

und über 100 weiteren verbindlichen arbeitsrechtlichen<br />

Regulierungen auf europäischer Ebene ist dies eine richtige<br />

und konsequente Entscheidung.<br />

… dies darf nicht ohne<br />

Konsequenzen für die restliche<br />

europäische Sozialpolitik bleiben<br />

Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher,<br />

dass die Europäische Kommission mit etlichen weiteren<br />

Einzelinitiativen – vor allem im zweiten Halbjahr<br />

<strong>2007</strong> – das von ihr selbst stark unterstützte Flexicurity-<br />

Konzept konterkariert:<br />

Europäische Betriebsräte (EBR) – Neue<br />

Rechtsregeln würden massgeschneiderte<br />

Lösungen zerschlagen<br />

Entgegen ihren bisherigen Bekundungen hat die EU-Kommission<br />

bekannt gegeben, erneut die zweite Phase der<br />

Sozialpartnerkonsultation hinsichtlich einer Revision der<br />

EBR-Richtlinie einzuleiten. Damit würde die Kommission<br />

völlig ohne Not an die Änderung einer Richtlinie gehen,<br />

die sich in der Praxis nachgewiesenermaßen bewährt hat.<br />

Weit über 800 Unternehmen haben auf der Grundlage<br />

der Richtlinie maßgeschneiderte Vereinbarungen zur<br />

grenzüberschreitenden Information und Konsultation abgeschlossen<br />

und setzen sie erfolgreich um.<br />

Bereits im April 2004 hatte die Europäische Kommission<br />

eine erste Sozialpartnerkonsultation zu diesem<br />

Thema eingeleitet. BUSINESSEUROPE hatte daraufhin<br />

gemeinsam mit dem EGB einen Bericht erarbeitet („Lessons<br />

Learned on European Works Councils“). Aus dem<br />

Bericht wurden keinerlei Probleme ersichtlich, die eine<br />

Revision der vorhandenen EBR-Richtlinie rechtfertigen<br />

könnten. Vielmehr wurde gemeinsam von den Sozialpartnern<br />

festgestellt, dass ein gutes Funktionieren eines<br />

EBR ein interkultureller Lernprozess über Jahre ist, der<br />

durch die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten noch komplexer<br />

geworden ist. Auch bei der zweiten Konsultation<br />

im Jahr 2005 hat BUSINESSEUROPE einen Bericht mit<br />

Good-Practice-Beispielen präsentiert. Des Weiteren<br />

vereinbarten die Sozialpartner in ihrem Arbeitsprogramm<br />

des Sozialen Dialogs 2006–2008, das Thema<br />

„Europäische Betriebsräte“ explizit zu behandeln. Eine<br />

Richtlinienrevision würde diesen Prozess, der mit den<br />

betrieblichen Vereinbarungen in Gang gesetzt wurde,<br />

empfindlich stören. Dies gilt umso mehr, als die europäischen<br />

Gewerkschaften fordern, dass Unternehmen<br />

sogar bestehende Vereinbarungen neu aushandeln


Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

95<br />

Anzahl der EBR-Vereinbarungen in Deutschland besonders hoch (in prozent)<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Deutschland Großbritannien Frankreich Niederlande Belgien<br />

Quelle: BUSINESSEUROPE, <strong>2007</strong><br />

müssten. Dies würde alle bestrafen, die mit Engagement<br />

konstruktiv und positiv an das Thema herangegangen<br />

sind und mit ihren Europäischen Betriebsräten<br />

maßgeschneiderte Lösungen entwickelt haben. Ein<br />

solches Vorgehen würde einem Flexicurity Mainstreaming<br />

entgegenstehen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäische<br />

Betriebsräte“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Richtlinieneingriffe bei der freiwilligen<br />

betrieblichen Altersvorsorge –<br />

Mehrkosten und zusätzliche Bürokratie<br />

Am 9. Oktober <strong>2007</strong> hat die Europäische Kommission<br />

den überarbeiteten Richtlinienvorschlag für die<br />

EU-Portabilitätsrichtlinie vorgelegt. Diese Überarbeitung<br />

wurde vorgenommen, nachdem über den<br />

gerade noch akzeptablen Kompromissvorschlag der<br />

deutschen EU-Ratspräsidentschaft aufgrund eines<br />

Vetos der Niederlande im Rat keine Einigung erzielt<br />

werden konnte. Doch auch der geänderte Richtlinienvorschlag<br />

ist kein Weg nach vorne, seine Umsetzung<br />

würde die betriebliche Altersvorsorge verteuern und<br />

bürokratisieren und damit ihre Attraktivität erheblich<br />

mindern. Der geänderte Vorschlag orientiert sich im<br />

Wesentlichen am Beschluss des Europäischen Parlaments<br />

vom 20. Juni <strong>2007</strong>. Bedauerlicherweise hat die<br />

Kommission die Kompromissvorschläge der deutschen<br />

Ratspräsidentschaft vom 30. Mai <strong>2007</strong>, die die Risiken<br />

für die betriebliche Altersvorsorge zumindest begrenzt<br />

hätten, in ihrem geänderten Richtlinienvorschlag kaum<br />

berücksichtigt.<br />

Besonders schwerwiegend ist die Verkürzung der Unverfallbarkeitsfristen<br />

auf höchstens ein Jahr bei Arbeitnehmern,<br />

die älter sind als 25 Jahre. Diese Regelung würde<br />

die betriebliche Altersvorsorge erheblich verteuern und<br />

zudem als personalpolitisches Instrument zur Mitarbeiterbindung<br />

nahezu entwerten. Völlig unzureichend<br />

ist zudem die Regelung zum Anwendungsbereich der<br />

Richtlinie. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs<br />

auch auf Zusagen, die in der Vergangenheit erteilt wurden,<br />

untergräbt das Vertrauen der Unternehmen in die<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen. Insbesondere in Verbindung<br />

mit den vorgesehenen Regelungen zur Anwartschaftsdynamisierung<br />

kann diese Regelung zu erheblichen<br />

Mehrkosten führen. Besonders betroffen wären<br />

hiervon Unternehmen, die sich in der Vergangenheit im<br />

hohen Maße in der betrieblichen Altersvorsorge engagiert<br />

haben. Zudem sieht der geänderte Richtlinienvorschlag<br />

weiterhin Erschwerungen bei den Informationsverpflichtungen<br />

vor.<br />

Auch hier wäre der eigentlich konsequente Schritt,<br />

wenn die EU-Kommission von dieser Richtlinie gänzlich<br />

Abstand nähme, zumal das einstige Hauptargument der<br />

Kommission für diese Richtlinie, nämlich Mobilitätshindernisse<br />

abzubauen, die sich aus Regelungen der betrieblichen<br />

Altersvorsorge ergeben, in dem überarbeiteten<br />

Entwurf gar nicht mehr im Mittelpunkt steht.


96 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

Richtlinie zum Betriebsübergang:<br />

Bestehende Regelungen erfüllen<br />

ihren Zweck<br />

Die EU-Kommission hat Ende Juni <strong>2007</strong> die erste<br />

Phase der Sozialpartnerkonsultation zur Revision der<br />

Betriebsübergangsrichtlinie eingeleitet. Kern dieser<br />

Konsultation ist die Frage, ob eine Überarbeitung der<br />

Betriebsübergangsrichtlinie erforderlich ist, um ihre<br />

Anwendbarkeit auf grenzüberschreitende Übergänge<br />

von Betrieben zu klären. Auch nachdem sie Unternehmen<br />

befragt hat, sind der BDA keine Fälle bekannt,<br />

in denen das heute anwendbare Recht bei grenzüberschreitenden<br />

Betriebsübergängen zu Problemen<br />

geführt hätte, die durch Regelungen auf europäischer<br />

Ebene besser hätten gelöst werden können. Die heute<br />

angewendeten Regelungen sind ausreichend, um grenzüberschreitende<br />

Betriebsübergänge zu bewältigen,<br />

eine Revision der Richtlinie ist nicht erforderlich. Das<br />

gilt umso mehr, als die Kommission in dem Konsultationsdokument<br />

nicht schlüssig erklären kann, weshalb<br />

sie einen Bedarf an neuen europäischen Regelungen<br />

für grenzüberschreitende Betriebsübergänge sieht.<br />

Zwar führt sie eine erhöhte Zahl von Auslagerungen/<br />

Standortwechseln an. Dabei stellt sie jedoch selbst fest,<br />

dass damit nichts über die Anzahl der grenzüberschreitenden<br />

Betriebsübergänge ausgesagt wird. Es fehlt also<br />

schon allein eine aussagekräftige quantitative Grundlage<br />

für diese Initiative. Dies ist wahrlich kein Musterbeispiel<br />

für eine fundierte Gesetzesfolgenabschätzung<br />

(„Impact Assessment“).<br />

Wirtschaftsmigration: Gute Absichten,<br />

aber mit Fallstricken im Einzelnen<br />

Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind von<br />

internationalen Migrationsströmen betroffen und es ist<br />

eine wichtige Aufgabe, eine Einwanderungspolitik auf<br />

EU-Ebene zu entwickeln. Die Europäische Kommission<br />

hat im Jahr <strong>2007</strong> zahlreiche konkrete Vorschläge<br />

für die Entwicklung einer solchen Politik vorgelegt.<br />

Als übergeordnetes Ziel hat die Kommission „die bessere<br />

Steuerung der Migrationsströme durch ein abgestimmtes<br />

Vorgehen unter Berücksichtigung der Wirtschafts-<br />

und Bevölkerungssituation der EU“ erklärt.<br />

Im Mai <strong>2007</strong> legte sie ein erstes Vorschlagspaket vor.<br />

Dieses beinhaltete die sog. Sanktionsrichtlinie gegen<br />

Personen, die Drittstaatsangehörige ohne legalen Aufenthalt<br />

beschäftigen, Vorschläge zur „zirkulären Migration“,<br />

sowie ein Strategiepapier zur Migration in<br />

den östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der<br />

EU. Diesen Vorschlägen folgten am 23. Oktober zwei<br />

Richtlinienvorschläge zur Wirtschaftsmigration, einmal<br />

die „EU-Blue-Card“ für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige<br />

und der Vorschlag über ein einheitliches<br />

Antragsverfahren für eine einheitliche Aufenthalts- und<br />

Arbeitserlaubnis. Aus Arbeitgeberperspektive sind aus<br />

diesen Maßnahmenpaketen die Sanktionsrichtlinie und<br />

die „EU-Blue-Card“ besonders relevant.<br />

Sanktionsrichtlinie<br />

Bei der Bekämpfung illegaler Beschäftigung setzt die<br />

EU-Kommission auf sehr weit reichende Sanktionen für<br />

Arbeitgeber, die illegal Drittstaatsangehörige beschäftigen.<br />

Dies ist umso problematischer, als die Vorschläge<br />

so gestaltet sind, dass die Unternehmen selbst das Vorhandensein<br />

gültiger Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse<br />

überprüfen müssen und somit eine originär staatliche<br />

Aufgabe (die Kontrolle über die Einhaltung von Gesetzen)<br />

auf Private abgewälzt wird. Neben Geldbußen<br />

und der Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für<br />

die Rückführung des Drittstaatsangehörigen in sein Herkunftsland<br />

können demnach Unternehmen in besonders<br />

schweren Fällen für eine gewisse Zeit ganz geschlossen<br />

werden. Zudem tritt die EU-Kommission für eine Generalunternehmerhaftung<br />

ein: Für den Fall, dass eine<br />

Geldbuße nicht von einem Unterauftragnehmer eingezogen<br />

werden kann, soll sie von anderen an der Subunternehmerkette<br />

beteiligten Auftragnehmern bis hin zum<br />

Hauptunternehmer eingezogen werden können.<br />

EU-Blue-Card<br />

Auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine „EU-<br />

Blue-Card“ stellt eine gute Absicht dar, enthält aber bei<br />

näherer Betrachtung viele juristische Fallstricke. Die<br />

hierin gesetzten EU-Mindeststandards engen die Gestaltungsmöglichkeiten<br />

der Mitgliedstaaten ein. Diese<br />

brauchen aber freie Hand und damit die Möglichkeit,<br />

die Anzahl der zum Arbeitsmarkt zuzulassenden Drittstaatsangehörigen<br />

entsprechend ihrer Arbeitsmarktsituation<br />

selbst zu bestimmen.


Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

97


98 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

Transnationale Kollektivvereinbarungen:<br />

Mehrwertversprechen nicht zu Ende<br />

gedacht<br />

Die Kommission hat sehr gezielt die Diskussion über einen<br />

optionalen gesetzlichen Rahmen für transnationale<br />

Kollektivverhandlungen angestoßen. Im Anschluss an<br />

eine von ihr in Auftrag gegebene Studie von Prof. Ales<br />

zum Thema „Transnationale Kollektivverhandlungen“,<br />

in der erwartungsgemäß eine Richtlinie in diesem Bereich<br />

vorgeschlagen wird, und infolge von zwei Kommissionsseminaren<br />

hat die EU-Kommission eine Mitteilung<br />

angekündigt.<br />

Ein solcher gesetzlicher Rahmen kann allerdings nicht nur<br />

nicht halten, was er verspricht, er birgt auch erhebliche<br />

Gefahren für international tätige Unternehmen: Rechtsunsicherheit<br />

und widersprüchliche Regelungen wären<br />

die Folge eines unübersichtlichen Geflechts europäischer<br />

und nationaler Regelungen. Denn die in Aussicht gestellte<br />

Vereinfachung wird nicht eintreten, da ein solcher EU-<br />

Rechtsrahmen für die Unternehmen nur eine zusätzliche<br />

Ebene von Verpflichtungen hinzufügen würde, ohne die<br />

jeweils bestehenden nationalen Verpflichtungen und Regelungen<br />

zu ersetzen, denn die bleiben selbstverständlich<br />

weiter bestehen, da es sich hier in der Regel um zwingendes<br />

Recht handelt. Die EU hat keine Kompetenz, diese<br />

nationale Gesetzgebung aufzuheben oder zu ersetzen,<br />

das wäre zudem auch politisch nicht durchsetzbar.<br />

Als argumentative Untermauerung ihrer Pläne führt die<br />

Kommission internationale „Framework Agreements“<br />

an, die sie als bereits bestehende transnationale Kollektivvereinbarungen<br />

interpretiert und daraus einen Rechtfertigungsgrund<br />

für ihren EU-Rechtsrahmen konstruiert.<br />

In Wirklichkeit sind diese „Framework Agreements“<br />

Ausdruck gemeinsamer Prinzipien und Unternehmenskultur<br />

zwischen einzelnen Unternehmen und ihren internationalen<br />

Branchengewerkschaftsbünden. Sie werden<br />

progressiv im Rahmen der jeweiligen sozialen und<br />

ökonomischen Umstände umgesetzt. Derartige Texte in<br />

einen gesetzlichen Rahmen zu zwängen würde bedeuten,<br />

ihren Charakter zu verkennen und die Entwicklung<br />

solcher unternehmensbezogenen Aktivitäten empfindlich<br />

zu stören. Die BDA setzt sich im intensiven Austausch<br />

mit der EU-Kommission dafür ein, dass die Überlegungen<br />

über transnationale Kollektivverhandlungen<br />

nicht weiter vorangetrieben werden.<br />

Antidiskriminierung: Nationale<br />

Übererfüllung schafft gegenseitiges<br />

Aufschaukeln zu einem „Perpetuum<br />

Mobile“ von Regulierung<br />

Die Kommission hat für das Jahr 2008 neue bürokratische<br />

Rechtsregeln zur Bekämpfung von Diskriminierungen<br />

aus Gründen des Geschlechts, der Religion, der<br />

Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der<br />

sexuellen Orientierung auf anderen Gebieten als dem<br />

Arbeitsmarkt angekündigt. Hier nennt sie besonders die<br />

Bereiche Bildung, Sozialschutz, Gesundheitsfürsorge,<br />

Kauf von Gütern, Bezahlung für Dienstleistungen und<br />

Wohnungswesen. Um diese Initiativen vorzubereiten,<br />

hat die Kommission im Juli <strong>2007</strong> drei parallel laufende<br />

Befragungen der Unternehmen, der Sozialpartner und<br />

der Öffentlichkeit mit Fragebögen eingeleitet. Damit will<br />

sie ein „ausgewogenes und realistisches Bild“ darüber erlangen,<br />

ob zusätzlich zu den vielen bereits bestehenden<br />

Vorschriften weitere Gesetzgebung auf dem Gebiet der<br />

Antidiskriminierung erforderlich ist. Zentrale Fragen an<br />

die Allgemeinheit sind allerdings bereits derart suggestiv<br />

gestellt, dass bei einer positiven Beantwortung ein Blankoscheck<br />

für fragwürdige Regulierung erteilt wird und bei<br />

einer negativen Antwort der Beantwortende automatisch<br />

in die Diskriminierungsecke geschoben wird. Für die<br />

Wirtschaft geht es bei dieser Debatte vor allem darum,<br />

dass sachlich begründete Differenzierungen nicht als angebliche<br />

Diskriminierung rechtlich angegriffen werden.<br />

Bei der Antidiskriminierung zeigt sich exemplarisch, wie<br />

schädlich es ist, wenn europäische Gesetzgebung bei<br />

der nationalen Umsetzung übererfüllt wird: Die Bundesregierung<br />

hat mit dem AGG weit mehr getan, als die<br />

Europäische Union in ihren Richtlinien gegen Diskriminierung<br />

verlangt hatte. Auch hier wurde die europäische<br />

Ebene instrumentalisiert, um nationale Vorhaben, die<br />

sich politisch nicht ohne weiteres hätten durchsetzen<br />

lassen, unter dem Vorwand der Umsetzung europäischen<br />

Rechts in Gesetzesform zu gießen. Nun bedient<br />

sich die Kommission solcher zusätzlichen nationalen<br />

Standards, wie im AGG, um diese zum europäischen<br />

Mindeststandard zu erheben. Damit ist ein Perpetuum<br />

mobile kreiert – einmal in Gang gesetzt bleibt es ewig in<br />

Bewegung. Dem europäischen Standard folgt nationale<br />

Übererfüllung, was den Ansatzpunkt für neue europäische<br />

Standards bietet und so fort. So schaukelt sich die<br />

Regelungswut und Bürokratie immer weiter hoch.


Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

99<br />

Arbeitszeitrichtlinie: Neuregelung<br />

des Bereitschaftsdienstes weiterhin<br />

erforderlich<br />

Die erheblichen finanziellen Auswirkungen der Rechtsprechung<br />

des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)<br />

in den Fällen „Simap“ und „Jaeger“, nach der Bereitschaftsdienst<br />

vollständig als Arbeitszeit anzusehen ist,<br />

müssen durch eine Überarbeitung der bestehenden<br />

Arbeitszeitrichtlinie rückgängig gemacht werden. Darüber<br />

besteht im Sozialministerrat und in der Kommission<br />

sogar Einvernehmen. Es ist deshalb besonders bedauerlich,<br />

dass die deutsche Ratspräsidentschaft und die EU-<br />

Kommission nicht der Aufforderung von BDA und BUSI-<br />

NESSEUROPE gefolgt sind und dieses wichtige Dossier<br />

aufgegriffen haben, um es nach den Fehlversuchen der<br />

vorangegangenen Präsidentschaften endlich einer für<br />

die Unternehmen – insbesondere die KMU – akzeptablen<br />

Lösung zuzuführen.<br />

Anstatt sich auf das einvernehmlich Mögliche – nämlich,<br />

die problematische Rechtsprechung des EuGH<br />

zum Bereitschaftsdienst durch eine geänderte Arbeitszeitdefinition<br />

rückgängig zu machen – zu konzentrieren,<br />

besteht die EU-Kommission darauf, die Revision<br />

der Richtlinie zum Draufsatteln zu nutzen. Die weiter<br />

gehenden Veränderungsabsichten haben jedoch dazu<br />

geführt, dass die Revision der Arbeitszeitrichtlinie im<br />

Rat blockiert ist. Die EU-Mitgliedstaaten können insbesondere<br />

keine Einigung im Hinblick auf die sog. Optout-Regelung<br />

erzielen, mit der von der wöchentlichen<br />

Höchstarbeitszeit abgewichen werden kann. Einigkeit<br />

besteht hingegen bezüglich der Neuregelung des Bereitschaftsdienstes.<br />

Die ins Auge gefasste Lösung bringt Gewissheit,<br />

dass jene Zeiten als Ruhezeiten gewertet werden<br />

können, in denen der Arbeitnehmer während seines<br />

Bereitschaftsdienstes nicht beansprucht wird. Die BDA<br />

setzt sich deshalb dafür ein, dass die EU-Kommission<br />

ihren jetzigen Richtlinienvorschlag zurückzieht und in<br />

einem neuen Vorschlag nur die Neuregelung des Bereitschaftsdienstes<br />

anzielt, die im Rat konsensfähig wäre.<br />

Weitere Bereiche wie die Opt-out-Regelung sollten ausgeklammert<br />

werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Arbeitszeitrichtlinie“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.<br />

Service Europa und International:<br />

Newsletter:<br />

Euro-Info<br />

Broschüren:<br />

Europas Arbeitsmärkte modernisieren – Flexicurity –<br />

mehr Sicherheit durch größere Beschäftigungschancen,<br />

Europas Stärken ausbauen – Bilanz der deutschen EU-<br />

Ratspräsidentschaft – Empfehlungen für die kommenden<br />

Monate<br />

EU-Reformvertrag (in Arbeit)<br />

Antidiskriminierung – Praxiserfahrungen in Großbritannien<br />

und Irland (in Arbeit)<br />

Dubliner Stiftung: BDA/EMCC-Seminar „How to Succeed<br />

as SMEs in the Internal Market: Innovation Strategies<br />

in Cross-Border Business“<br />

Laboratory Meeting zum Thema „Corporate<br />

Volunteering“<br />

Intranet:<br />

Datenbank zu sozialpolitischen EU-Initiativen<br />

Plattform zum Sektoralen Sozialen Dialog<br />

Internet:<br />

www.csrgermany.de<br />

Veranstaltungen:<br />

Antidiskriminierung – Praxiserfahrungen in Großbritannien<br />

und Irland<br />

Koordinierung Netzwerke:<br />

IOE Global Industrial Relations Network (GIRN)<br />

Europäische Allianz für CSR


100 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

Internationale Sozialpolitik –<br />

CSR und soziale Dimension<br />

der Globalisierung stehen im<br />

Mittelpunkt<br />

Deutsche G8-Präsidentschaft<br />

unterstreicht Prinzip der Freiwilligkeit<br />

für CSR<br />

<strong>2007</strong> war für die Bundesregierung nicht nur das Jahr des<br />

EU-Ratsvorsitzes, sondern auch der G8-Präsidentschaft.<br />

Neben der Klimapolitik stand auch die soziale Dimension<br />

der Globalisierung auf der Tagesordnung der G8-<br />

Staaten. Dem Treffen der G8-Arbeitsminister in Dresden<br />

im Mai <strong>2007</strong> ging eine Konsultation mit den Sozialpartnern<br />

voraus, bei der die gesellschaftliche Verantwortung<br />

der Unternehmen (CSR) eines der Hauptthemen war.<br />

Bei dieser Gelegenheit konnte die BDA das umfassende<br />

freiwillige Engagement der deutschen Unternehmen in<br />

vielen Teilen der Welt darstellen, die damit einen wichtigen<br />

Beitrag zur sozialen Gestaltung der Globalisierung<br />

leisten. Dieses Engagement findet seinen Ausdruck in<br />

einer breiten Palette von ökologischen, sozialen, kulturellen<br />

und vielen anderen gesellschaftlichen Initiativen.<br />

Tragende Prinzipien für alle Maßnahmen zu Corporate<br />

Social Responsibility (CSR) sind unternehmensindividuelle<br />

Vielfalt und Freiwilligkeit. In der internationalen<br />

politischen Debatte über CSR geht es darum, dass der<br />

Ruf nach unternehmerischer Verantwortung nicht dazu<br />

missbraucht wird, die Rollenverteilung zwischen Staaten<br />

und Unternehmen aufzuweichen und die Unternehmen<br />

zu Lückenbüßern für staatliches Versagen zu machen.<br />

Diese Kernbotschaften flossen nicht nur in die Schlussfolgerungen<br />

der G8-Arbeitsminister ein, selbst in die<br />

Dokumente des G8-Gipfels von Heiligendamm wurden<br />

diese Botschaften aufgenommen und das Prinzip<br />

der Freiwilligkeit für CSR unterstrichen. Wörtlich heißt<br />

es in der Heiligendamm-Erklärung zu „Wachstum und<br />

Verantwortung in der Weltwirtschaft“ unter dem Punkt<br />

„Stärkung der Grundsätze der gesellschaftlichen Verantwortung<br />

von Unternehmen“: „Hierbei verpflichten wir<br />

uns, international vereinbarte Standards im Bereich der<br />

gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen und<br />

im Arbeitsrecht (wie die OECD-Leitsätze für multinationale<br />

Unternehmen und die Dreigliedrige Grundsatzerklärung<br />

der ILO), hohe Umweltstandards und bessere<br />

Unternehmensführung durch die in den OECD-Leitsätzen<br />

genannten nationalen Kontaktstellen aktiv zu fördern.<br />

Zur Stärkung des freiwilligen Konzepts der gesellschaftlichen<br />

Verantwortung von Unternehmen setzen<br />

wir uns für eine erhöhte Transparenz der jeweiligen konkreten<br />

Maßnahmen privater Unternehmen im Bereich<br />

gesellschaftlicher Verantwortung sowie für eine klare<br />

Definition der zahlreichen Standards und Prinzipien ein,<br />

die von vielen unterschiedlichen staatlichen und privaten<br />

Akteuren in diesem Bereich festgelegt wurden.“<br />

Die zwei wesentlichen Punkte hier sind zum einen die<br />

Selbstverpflichtung der Regierungen, international vereinbarte<br />

Standards zu fördern, und zum anderen die<br />

Unterstreichung der Freiwilligkeit bei CSR. Vertieft werden<br />

sollen diese Punkte durch das Follow-up des G8-<br />

Gipfels, den sog. Heiligendamm-Prozess. Hier lautet<br />

einer von vier Tätigkeitsschwerpunkten „Festigung der<br />

Grundsätze der sozialen Verantwortung der Unternehmen“.<br />

Die Ausgestaltung dieser Folgemaßnahmen wird<br />

von der OECD koordiniert, die BDA wirkt direkt und<br />

über BIAC an diesen Folgemaßnahmen mit.<br />

Europäische CSR-Allianz: Unternehmen<br />

organisieren „Laboratory Meetings“<br />

Vielfältige Aktivitäten finden im Rahmen der Europäischen<br />

Allianz für CSR statt, die die Wirtschaft zusammen<br />

mit der EU-Kommission im Frühjahr 2006 ins Leben<br />

gerufen hat. Ziel der CSR-Allianz ist es, Netzwerke und<br />

Kooperationen der Akteure zu bilden und den Erfahrungsaustausch<br />

mit sog. Laboratory Meetings zu stärken.<br />

Die ersten Laboratory Meetings haben bereits stattgefunden.<br />

Die BDA hat ein Laboratory Meeting auf europäischer<br />

Ebene mitinitiiert, das von BUSINESSEUROPE<br />

koordiniert wird und sich mit dem Thema „Förderung<br />

des Unternehmertums“ beschäftigt. In Deutschland<br />

haben die Deutsche Bank und die Ford Werke GmbH<br />

ein Laboratory Meeting zum Thema „Corporate Volunteering“<br />

angestoßen und durchgeführt, welches bei den<br />

Unternehmen den Wunsch nach weiteren Aktivitäten<br />

dieser Art geweckt hat. Das CSR-Internetportal „CSR Germany“<br />

(www.csrgermany.de) ist als zentrales Kommunikationsinstrument<br />

für die Aktivitäten im Rahmen der<br />

CSR-Allianz auf deutscher Ebene etabliert. Durch einen<br />

neu eingerichteten geschützten internen Bereich ist es<br />

Unterstützern der CSR-Allianz möglich, sich gegenseitig<br />

über Aktivitäten zu informieren, auch wenn sich Projekte<br />

noch in der Konzeption befinden.


Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

101<br />

ISO Social Responsibility: Praxisbezug fehlt<br />

Seit 2004 ist die ISO (International Organization for<br />

Standardization) dabei, einen ISO-Leitfaden zu „Social<br />

Responsibility“ zu erarbeiten. Dabei ist die Vorgabe für<br />

die dafür zuständige internationale, 450-köpfige, aus<br />

sechs verschiedenen Stakeholderkategorien bestehende<br />

Arbeitsgruppe (WG), dass dieser Leitfaden nicht zertifizierbar<br />

sein und sich darüber hinaus nicht nur an Unternehmen,<br />

sondern an alle Organisationen richten soll. Der<br />

zweite Arbeitsentwurf des Leitfadens, der im Herbst 2006<br />

vorlag, war aus Sicht der Wirtschaft völlig inakzeptabel,<br />

da er keine dieser Vorgaben erfüllte, sich also einseitig an<br />

Unternehmen und nicht an alle Organisationen richtete<br />

und in weiten Teilen der Logik eines Managementstandards<br />

folgte, wodurch die Gefahr bestand, dass er früher<br />

oder später doch zertifizierbar würde. Zudem war der<br />

Entwurf an vielen Stellen in sich widersprüchlich, enthielt<br />

zahlreiche Doppelungen und war sprachlich nicht überarbeitet.<br />

Im Januar <strong>2007</strong> konnte beim WG-Treffen in Sydney<br />

erreicht werden, dass der Entwurf bis zum nächsten<br />

WG-Treffen im November <strong>2007</strong> in Wien erneut grundsätzlich<br />

überarbeitet wird. Dieser dritte Arbeitsentwurf hat<br />

sich zwar an einzelnen Stellen etwas verbessert, ist aber<br />

in seiner Substanz weiterhin keine Grundlage für einen<br />

praxistauglichen Leitfaden. Einer der größten Streitpunkte<br />

zwischen Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen<br />

(NRO) ist die Zulieferkette. Die NRO möchten, dass sich<br />

CSR-Maßnahmen eines Unternehmens grundsätzlich auf<br />

seine gesamte Zulieferkette erstrecken. Dies ist eine realitätsferne<br />

Forderung ohne jeden Praxisbezug. In einzelnen<br />

Branchen umfassen die Zulieferketten bis zu 20.000 Zulieferer,<br />

teilweise in der zweiten und dritten Ebene nach<br />

den Hauptlieferanten. Auch die primäre staatliche Verantwortung<br />

für die Durchsetzung von Menschenrechten<br />

wird immer wieder infrage gestellt. Deshalb wurde in<br />

Wien ein vierter Arbeitsentwurf beschlossen. Neu ist nun,<br />

dass eine Redaktionsgruppe eingesetzt wurde, die für die<br />

Leserlichkeit, Stimmigkeit und Widerspruchslosigkeit des<br />

gesamten Dokuments zuständig ist und dafür auch Textkürzungen<br />

vornehmen darf, was bisher nicht möglich<br />

war. Bis zum nächsten Treffen im September 2008 soll<br />

der neue Text vorliegen. Von der ISO wird angestrebt,<br />

diesen CSR-Leitfaden bis Ende 2009 fertig zu stellen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Corporate<br />

Social Responsibility“ veröffentlicht. Er ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

International Organisation<br />

of Employers (IOE): Globale<br />

Interessenvertretung für die<br />

Wirtschaft wird immer wichtiger<br />

Die IOE ist die globale Stimme der Arbeitgeber. In<br />

dieser Eigenschaft wird sie immer wichtiger, denn die<br />

internationalen Branchengewerkschaftsbünde organisieren<br />

sich auf globaler Ebene immer umfassender und<br />

strategischer. Dies zeigt sich beispielsweise durch den<br />

Zusammenschluss der internationalen Branchengewerkschaften<br />

zur Global Union Federation, die es sich<br />

zum Ziel erklärt hat, die industriellen Beziehungen global<br />

auszubauen. Hierbei geht es vor allem darum, eine<br />

stärkere Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen auf<br />

Weltebene zu erreichen. Mit den „International Framework<br />

Agreements“, also Rahmenvereinbarungen, die<br />

zwischen einzelnen Unternehmen und den internationalen<br />

Branchengewerkschaften abgeschlossen werden,<br />

verschaffen sich die Gewerkschaften Zugang zu den<br />

Belegschaften der Unternehmen und versuchen diese<br />

national zu organisieren.<br />

Vor diesem Hintergrund kommt der IOE, neben ihrer<br />

Rolle als Arbeitgeberstimme in der ILO, eine strategische<br />

Bedeutung zu, um hier Arbeitgeberinteressen –<br />

gleichfalls global – entgegensetzen zu können. Zu diesem<br />

Zweck hat die IOE, u. a. auf Anregung der BDA,<br />

das „Global Industrial Relations Network“ (GIRN)<br />

gegründet, in dem multinationale Unternehmen Mitglieder<br />

werden können. Sie finden hier nicht nur eine<br />

Plattform für den spezifischen Erfahrungsaustausch zu<br />

internationaler Sozialpolitik und industriellen Beziehungen,<br />

sondern können bei konkreten Problemen,<br />

beispielsweise mit Framework Agreements, auch Beratung<br />

erhalten.<br />

Internationale Arbeitsorganisation<br />

(ILO): Wirtschaftsrelevanz<br />

erforderlich<br />

Die konkrete Ausgestaltung der sozialen Dimension<br />

der Globalisierung wird auch in der Internationalen<br />

Arbeitsorganisation (ILO) mit hoher Priorität vorangetrieben.<br />

Die ILO hat sich dieses Thema auf die Fahnen


102 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

geschrieben und ist inzwischen das wichtigste Dialogforum<br />

zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern<br />

in Bezug auf die soziale Entwicklung. Sie ist als<br />

einzige der UN-Organisationen dreigliedrig organisiert,<br />

so dass Arbeitgeber und Gewerkschaften jeweils ein<br />

Viertel der Stimmen im Verwaltungsrat und bei der Internationalen<br />

Arbeitskonferenz haben. Somit ist für die<br />

Arbeitgeber hier eine direkte Einflussnahme und Mitgestaltung<br />

möglich.<br />

Im Verwaltungsrat der ILO ist es gelungen, den Ausschuss<br />

„Multinationale Unternehmen“ in Richtung einer<br />

Arbeitsweise zu lenken, die für die Unternehmen einen<br />

wesentlich stärkeren Praxisbezug herstellt. In Kürze wird<br />

es einen „Helpdesk“ in der Abteilung für multinationale<br />

Unternehmen (MULTI) der ILO geben. Er soll als Anlaufstelle<br />

für Unternehmen dienen und ihnen bei konkreten<br />

Fragen/Problemen in Zusammenhang mit der Umsetzung<br />

internationaler Arbeitsnormen direkte und praxisorientierte<br />

Hilfe durch ILO-Experten unter Beteiligung<br />

der Sozialpartner vermitteln.<br />

Die BDA hatte sich dafür eingesetzt, dass auch die Internationale<br />

Arbeitskonferenz sich stärker mit unternehmensbezogenen<br />

Themen beschäftigt. Bei ihrer Sitzung im<br />

Juni <strong>2007</strong> stand die Förderung nachhaltiger Unternehmen<br />

auf der Tagesordnung. Das Ergebnis sind gemeinsame<br />

Schlussfolgerungen von Regierungen, Gewerkschaften<br />

und Arbeitgebern, die – erstmals in der ILO – die Rahmenbedingungen<br />

für nachhaltige Unternehmen und Unternehmensgründungen<br />

definieren. Demnach bilden 17<br />

Pfeiler die notwendige Basis für nachhaltige Unternehmen,<br />

dazu gehören z. B. gut geregelte Eigentumsrechte,<br />

die Schaffung einer unternehmensfreundlichen Kultur<br />

und der Aufbau eines funktionierenden Rechtsrahmens.<br />

OECD – wachsende Tendenz zu<br />

sozialpolitischen Themen<br />

Innerhalb der OECD lässt sich seit einiger Zeit eine Entwicklung<br />

beobachten, die für die BDA besondere Relevanz<br />

entfalten kann: Insbesondere der Internationale<br />

Währungsfonds und die Weltbank werden für ihre klassischen<br />

Aufgaben (Kredite an Entwicklungsländer) immer<br />

weniger benötigt, so dass sie zunehmend in Felder<br />

der allgemeinen globalen Wirtschaftspolitik vorstoßen<br />

und damit der OECD bei ihren Kernaufgaben Konkurrenz<br />

machen. Diese Institutionenkonkurrenz hat u. a.<br />

den Effekt, dass die OECD sich nun stärker in soziale<br />

Themen und Betrachtungen ohne Berücksichtigung<br />

des wirtschaftlichen Kontextes begibt. Besonders negativ<br />

aufgefallen ist dieser Trend im Entwurf des jüngsten<br />

„Employment Outlook“, der bei weitem nicht der sonst<br />

hohen Qualität entsprach und in dem sich eine einseitig<br />

negative Bewertung der Globalisierung findet. Über<br />

BIAC, den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband bei der<br />

OECD, setzt sich die BDA für die Korrektur dieser Unausgewogenheiten<br />

ein.<br />

Damit die Interessen der deutschen Unternehmen innerhalb<br />

von BIAC zukünftig besser koordiniert und<br />

wahrgenommen werden können, bereitet die BDA gemeinsam<br />

mit dem BDI ein deutsches Netzwerktreffen<br />

für Anfang 2008 vor. Bei dieser Gelegenheit wird auch<br />

der neue Vorsitzende des BIAC-Ausschusses für Wirtschaftspolitik<br />

(BIAC Economic Policy Committee), Prof.<br />

Norbert Walter, anwesend sein und den Unternehmen<br />

für ihre Anliegen innerhalb von BIAC zur Verfügung<br />

stehen.


Europäische und internationale Sozialpolitik<br />

103


104


105<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


106 Volkswirtschaft und Finanzen<br />

Kräftige Dynamik des<br />

Aufschwungs<br />

Mit rd. 2,5 % hat das Bruttoinlandsprodukt <strong>2007</strong> gegenüber<br />

dem vergangenen Jahr erneut recht kräftig zugenommen.<br />

Damit konnten die ursprünglichen Prognosen<br />

erneut übertroffen werden. Die starke wirtschaftliche<br />

Dynamik speiste sich weiterhin vom Export, der trotz<br />

der anhaltenden Aufwertungstendenz des Euro nur<br />

leicht nachgab, allerdings mit einem Plus von 8,2 % die<br />

zweistellige Zuwachsrate nicht zu halten vermochte.<br />

Etwas mehr schwächte sich der Import ab, so dass per<br />

Saldo der Außenbeitrag sogar noch leicht auf 1,2 Prozentpunkte<br />

kletterte.<br />

von der Erholung der kommunalen Finanzen profitieren<br />

können.<br />

Die Finanzmarktkrise, die am US-amerikanischen Immobilienmarkt<br />

ihren Ausgang nahm, zeigte <strong>2007</strong> zwar noch<br />

keine erkennbaren Auswirkungen auf die deutsche Konjunktur.<br />

Allerdings hat sie am Aktien- und Geldmarkt und<br />

bei den Frühindikatoren schon deutliche Spuren hinterlassen.<br />

Auch wenn die deutschen Unternehmen außerhalb<br />

des Finanzsektors dank weit reichender Bilanzkonsolidierung<br />

der vergangenen Jahre nun finanziell relativ<br />

immun scheinen, bleibt doch ebenfalls in Rechnung zu<br />

stellen, dass die Auswirkungen der Krise sie auch über<br />

den realwirtschaftlichen Weg, etwa in Form einer schwächeren<br />

Exportentwicklung, erreichen könnte.<br />

Die Spuren der Mehrwertsteuererhöhung zum Jahresanfang<br />

zeigen sich in der inländischen Verwendung<br />

sehr deutlich. Nach einer mäßigen Belebung von 1 %<br />

im vergangenen Jahr fiel der private Konsum wieder<br />

in eine Stagnation mit Tendenz ins Minus zurück, obwohl<br />

nicht zuletzt wegen steigender Beschäftigung die<br />

Nettoarbeitnehmerentgelte in der Summe um 4,7 %<br />

zugenommen haben. Neben dem finanzpolitisch gesetzten<br />

Teuerungsimpuls machte sich auch der weitere<br />

Anstieg der Energiepreise dämpfend beim privaten<br />

Konsum bemerkbar. In die gleiche Richtung hat<br />

eine leichte Zunahme der Sparquote gewirkt; hierin<br />

dürfte sich vor allem eine wachsende zusätzliche Altersvorsorge<br />

widerspiegeln, die aufgrund vielfältiger<br />

staatlicher Anreize nun einen erheblichen Verbreitungsgrad<br />

aufweist.<br />

Dynamisches Element in der Inlandsnachfrage waren<br />

erneut die Ausrüstungsinvestitionen. Die Unternehmen<br />

steigerten ihre Investitionen in Maschinen und Anlagen<br />

nochmals auf knapp 11 % über das Vorjahresniveau.<br />

Dabei haben Vorzieheffekte wegen des Auslaufens der<br />

degressiven Abschreibung zum 31. Dezember <strong>2007</strong><br />

eine spürbare Rolle gespielt.<br />

Dieser Boom bei den Ausrüstungsinvestitionen hat die<br />

Bauinvestitionen mitgezogen und hier im Wesentlichen<br />

für ein Plus von 2,6 % gesorgt, denn der Wirtschaftsbau<br />

ist der substanzielle Wachstumsträger im Baubereich<br />

<strong>2007</strong> gewesen. Der Wohnungsbau litt dagegen<br />

unter einem Nachfrageeinbruch nach dem Auslaufen<br />

der Eigenheimzulage, und der Tiefbau hat noch nicht<br />

Erfreuliche Beschäftigungsintensität<br />

Das Ausmaß des Wirtschaftswachstums im aktuellen<br />

Aufschwung entspricht etwa dem der Jahre 1999/2000.<br />

Das gegenwärtige Verlaufsmuster am Arbeitsmarkt unterscheidet<br />

sich jedoch deutlich vom vorangegangenen<br />

Aufschwung. Eine tiefere Analyse der Struktur der Arbeitsmarktzahlen<br />

lässt eine derzeit höhere Beschäftigungsintensität<br />

erkennen: Zwar nahm die Zahl der Erwerbstätigen<br />

mit einem Plus von 3,3 % in den Jahren<br />

1999/2000 stärker zu als diesmal; die Zahl der Erwerbstätigen<br />

wuchs 2006/<strong>2007</strong> um 2,3 %. Diese personenbezogene<br />

Betrachtung greift allerdings zu kurz. In den<br />

Jahren 1999 und 2000 wurden fast ausschließlich zusätzliche<br />

Teilzeitjobs geschaffen, hauptsächlich in Form<br />

geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (+628.000<br />

bzw. +15,5 %). Zusätzliche Vollzeitbeschäftigungsstellen<br />

kamen damals nur etwa 22.000 hinzu.<br />

Ganz anders im aktuellen Aufschwung: Hier zeigt sich<br />

eine erfreuliche Verschiebung zu Gunsten der Vollzeit-<br />

Erwerbstätigkeit. So nahm die Teilzeitbeschäftigung<br />

(+586.000) nur halb so stark zu wie vor sieben Jahren.<br />

Doch betrafen die zusätzlichen Teilzeitstellen diesmal<br />

im Wesentlichen die sozialversicherungspflichtige<br />

Teilzeit (+447.000). Vor allem aber legte die Zahl der<br />

Vollzeitbeschäftigten diesmal kräftig zu; sie stieg um<br />

0,9 % oder gut 200.000 und damit neun Mal stärker<br />

als 1999/2000.


Volkswirtschaft und Finanzen<br />

107<br />

Konjunkturaufschwung 1999/2000 und 2006/<strong>2007</strong> im Vergleich<br />

Veränderung<br />

1999/2000 2006/<strong>2007</strong><br />

in % in Tsd. in % in Tsd.<br />

Bruttoinlandsprodukt,<br />

preisbereinigt<br />

+5,3 +5,5<br />

Arbeitsvolumen +1,2 +2,0<br />

Erwerbstätige +3,3 +1.233 +2,3 +875<br />

Beschäftigte +3,5 +1.183 +2,3 +786<br />

- Vollzeit +0,1 +22 +0,9 +200<br />

- Teilzeit +13,8 +1.161 +5,2 +586<br />

Zeitarbeit und befristete Beschäftigung haben den<br />

Unternehmen dabei geholfen, die betriebswirtschaft-<br />

Sozialversicherungspflichtige<br />

Teilzeit<br />

Geringfügig<br />

Beschäftigte<br />

+12,2 +533 +8,2 +447<br />

+15,5 +628 +2,4 +139<br />

Zeitarbeitnehmer +33,3 +82 +66,2 +294<br />

Arbeitskosten<br />

(Arbeitnehmerentgelt)<br />

+6,5 +5,1*<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Schätzungen des IAB (<strong>2007</strong>),* SVR Jg. <strong>2007</strong>/08<br />

Das deutliche Plus bei den Vollzeitstellen schlägt auch<br />

beim gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumen durch. Es<br />

hat diesmal um 2,0 % zugenommen gegenüber 1,2 %<br />

damals.<br />

Die höhere Beschäftigungsintensität geht mit einem<br />

langsameren Anstieg der Arbeitskosten einher. Im<br />

gegenwärtigen Zweijahreszeitraum nahmen sie in der<br />

Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung<br />

um 5,1 % zu; beim letzten Aufschwung zogen sie noch<br />

um 6,5 % an. Hinter diesen beiden Zahlen verbirgt sich<br />

dieses Mal eine über 20 % geringere Zunahme der Arbeitskosten<br />

und dies belegt einmal mehr, dass beim<br />

Lohn der Kostenaspekt stärker auf die Beschäftigung<br />

durchschlägt als die Kaufkraft. Die höhere Beschäftigungsintensität<br />

legt dadurch eine solide Basis für eine<br />

Fortdauer des Aufschwungs.<br />

Die moderate und innovative Tarifpolitik, die mit unterschiedlichen<br />

Öffnungsklauseln den Unternehmen<br />

weitere Möglichkeiten für konsequentes Management<br />

ihres Personalkostenbudgets an die Hand gegeben hat,<br />

trägt die beabsichtigten Früchte. Zugleich wird die beschäftigungshemmende<br />

Wirkung des Arbeitsrechts,<br />

insbesondere des überzogenen Kündigungsschutzes,<br />

erkennbar. Die kräftige Expansion der Zeitarbeit ist<br />

ein deutliches Indiz: Seit der Flexibilisierung der gesetzlichen<br />

Regelungen zur Zeitarbeit zu Beginn des<br />

Jahres 2003 hat sich die Zahl der Zeitarbeitnehmer bis<br />

Ende 2006 verdoppelt. Der Anteil der Leiharbeitnehmer<br />

an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />

war auf knapp 2,5 % gestiegen.


108 Volkswirtschaft und Finanzen<br />

lichen Kosten des Kündigungsschutzes zu senken.<br />

Während die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen<br />

diese Kosten ausschließt, wandelt die Zeitarbeit sie<br />

in Entgelt für das verleihende Unternehmen um. Die<br />

Unternehmen erkaufen sich die erforderliche Flexibilität,<br />

um im möglichen Abschwung die Belegschaft zügig<br />

anpassen zu können.<br />

Wachstum des<br />

Produktionspotenzials leicht<br />

beschleunigt<br />

Bislang ist ein Konzept für eine wachstumsorientierte Reformpolitik<br />

nicht erkennbar. Mit dem „Goldenen Schnitt<br />

2012“ hat der Bundeswirtschaftsminister im Juni <strong>2007</strong> den<br />

Kern einer wirtschafts- und finanzpolitischen Mittelfriststrategie<br />

vorgelegt. Es muss jedoch mit Sorge erfüllen, dass<br />

dieser richtige und praktikable Ansatz nicht aufgegriffen<br />

und ausgefüllt worden ist, ja nicht einmal zu einer Debatte<br />

über die wirtschaftspolitische Orientierung geführt hat.<br />

Die BDA hat zu den wichtigsten Gutachten und Prognosen<br />

Stellungnahmen veröffentlicht. Sie sind über<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Die kräftige Investitionstätigkeit und die beschäftigungsfördernden<br />

Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt<br />

haben sowohl nach Einschätzung des Sachverständigenrates<br />

zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen<br />

Entwicklung als auch der Bundesbank das Wachstum<br />

des Produktionspotenzials beschleunigt. Die Bundesbank<br />

schätzt eine Zunahme von 1,25 auf 1,75 %. So<br />

erfreulich diese Tatsache der Beschleunigung auch ist,<br />

so wenig reicht das nunmehr erreichte Niveau aus, um<br />

dauerhaft für einen hohen Beschäftigungsstand und<br />

eine befriedigende Einkommensentwicklung zu sorgen.<br />

Die gegenwärtigen sozial- und verteilungspolitischen<br />

Vorschläge sind – vielen wortreichen Erklärungen zum<br />

Trotz – keine Investitionen in die gesellschaftliche<br />

Wachstumsvorsorge.<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung –<br />

Betriebliche Bündnisse oder<br />

Deutschlandfonds?<br />

Die vom Bundespräsidenten Köhler 2005 angestoßene<br />

Diskussion, Arbeitnehmer stärker als bisher am Kapital<br />

und damit an der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen<br />

zu beteiligen, hat in diesem Jahr konkrete Formen<br />

angenommen.<br />

Sowohl SPD als auch CDU und CSU haben im Juni Konzepte<br />

für eine Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

in Deutschland vorgelegt. Im SPD-Papier mit dem<br />

Titel „Deutschlandfonds für Arbeitnehmerinnen und Ar-


Volkswirtschaft und Finanzen<br />

109<br />

beitnehmer. Eckpunkte für mehr Mitarbeiterbeteiligung“<br />

wird der Schwerpunkt auf die indirekte Beteiligung der<br />

Arbeitnehmer über einen deutschlandweiten Fonds gelegt.<br />

Dieser Fonds soll als Kapitalsammelstelle zwischen<br />

Mitarbeiter und Unternehmen geschaltet werden, um die<br />

Arbeitnehmer vor Verlustrisiken zu schützen. Darüber<br />

hinaus sieht das Papier eine begrenzte staatliche Förderung<br />

im Umfang einer Erhöhung des Höchstfördersatzes<br />

der Arbeitnehmersparzulage von 18 auf 20 % der angelegten<br />

vermögenswirksamen Leistungen und eine Erhö-<br />

Beschluss des gemeinsamen Präsidiums von BDA und BDI vom 11. Juni <strong>2007</strong>:<br />

„Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern ja – Regulieren nein“<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung bietet Chancen<br />

Die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenskapital<br />

bietet Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.<br />

Arbeitnehmer können an wachsenden<br />

Unternehmenseinkünften teilhaben; Arbeitgeber<br />

profitieren von einer Erhöhung des haftungsbereiten<br />

Kapitals und damit ihrer Investitionsfähigkeit.<br />

Zugleich kommt ihnen eine verstärkte Identifikation<br />

ihrer Beschäftigten mit dem Unternehmen<br />

zugute.<br />

Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist damit ein<br />

sinnvoller Weg für viele, aber bei weitem nicht<br />

für alle Unternehmen. Insbesondere ist sie nicht<br />

für alle Unternehmensrechtsformen und -größen<br />

gleichermaßen geeignet: Eine einfache, unbürokratische<br />

Umsetzung einer Beteiligung am Eigenkapital<br />

eines Unternehmens ist ausschließlich bei<br />

Aktiengesellschaften (0,2 % aller Unternehmen)<br />

möglich.<br />

Von der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu unterscheiden<br />

ist die Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg<br />

bzw. -gewinn. Diese – deutlich<br />

einfacher umzusetzende – Beteiligungsform hat<br />

insbesondere aufgrund der erreichten tariflichen<br />

Öffnungen erheblich an Bedeutung gewonnen. Mitarbeiterkapital-<br />

und Mitarbeitererfolgsbeteiligungen<br />

können alternativ, aber auch in Kombination angewendet<br />

werden.<br />

Grundsätze zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

1. Beidseitige Freiwilligkeit erhalten<br />

Kein Arbeitnehmer darf gezwungen werden, einen<br />

Teil seines Lohns als Risikokapital bei seinem Unternehmen<br />

zu investieren. Ebenso darf kein Arbeitgeber<br />

gezwungen werden, fremde Kapitaleigner aufzunehmen.<br />

Eine Verpflichtung zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

darf es daher nicht geben, weder durch Gesetz<br />

noch durch Tarifvertrag.<br />

2. Auf Pflicht zur Absicherung von Verlustrisiken<br />

verzichten<br />

Eine Pflicht zur Risikoabsicherung ist nicht sinnvoll.<br />

Bei der klassischen Beteiligung am Eigenkapital des<br />

Unternehmens steht einer Absicherung gegen Verlustrisiken<br />

bereits entgegen, dass damit der Eigenkapitalcharakter<br />

der Beteiligung verloren ginge. Die<br />

Entscheidung für eine Risikoabsicherung bei Mischund<br />

Fremdkapitalbeteiligungen muss Arbeitgebern<br />

und Arbeitnehmern überlassen bleiben.<br />

3. Nachgelagerte Besteuerung einführen<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sollten nachgelagert<br />

besteuert werden, da dies die wachstumsfreundlichere<br />

Form der Besteuerung von Investitionskapital<br />

ist. Bei der Förderung der gesamtwirtschaftlichen<br />

Vermögensbildung müssen jedoch klare Prioritäten<br />

gelten. Bevor neue Vorhaben in Angriff genommen<br />

werden, sollten zunächst die alten fortgeführt<br />

werden. Dazu gehört insbesondere, die Sozialversicherungsbeitragsfreiheit<br />

der Entgeltumwandlung<br />

für betriebliche Altersvorsorge über 2008 hinaus zu<br />

gewährleisten.


110 Volkswirtschaft und Finanzen<br />

Branchen- und Regionalfonds als Instrument zur Förderung der<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung ungeeignet<br />

1. Keine Erhöhung der Mitarbeitermotivation<br />

und -identifikation<br />

Überbetriebliche Fonds – seien sie regional (z. B.<br />

Deutschlandfonds oder der auf Rheinland-Pfalz beschränkte<br />

Fonds „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“)<br />

oder auf eine Branche bezogen – sorgen für eine indirekte,<br />

nur mittelbare Beteiligung der Arbeitnehmer<br />

an ihrem arbeitgebenden Unternehmen. Durch Zwischenschaltung<br />

eines Fonds wird die Verbindung<br />

von Arbeitnehmer und Arbeitgeber durchtrennt. Eine<br />

stärkere Bindung des Mitarbeiters an sein Unternehmen<br />

und die damit verbundene höhere Motivation<br />

und Identifikation werden nicht erreicht. Unternehmerisches<br />

Denken und Handeln werden nicht stimuliert.<br />

Insofern führt das überbetriebliche Fondskonstrukt<br />

auch nicht zu einer Stärkung oder Förderung<br />

einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur.<br />

2. Eigenkapitalstärkung geht am Mittelstand vorbei<br />

Fonds zielen auf rentable Anlagen ab. Daher werden<br />

etwaige Fonds vor allem in wirtschaftlich starke Unternehmen<br />

investieren und schwache Unternehmen<br />

meiden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen,<br />

bei denen Formen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

vergleichsweise gering verbreitet sind, werden daher<br />

kaum von Fondsmitteln profitieren können. Dabei<br />

sind sie sehr viel eher auf eine Stärkung der Eigenkapitalbasis<br />

von außen angewiesen.<br />

3. Neues Konfliktpotenzial in Tarifverhandlungen<br />

Die Finanzierung von Branchen- bzw. Regionalfonds<br />

wirft Probleme auf: Werden Fondsanteile „on top“<br />

zu den bisherigen Löhnen und Gehältern gewährt,<br />

werden die Arbeitskosten erhöht – mit negativen Folgen<br />

für die Beschäftigung. Richtigerweise sind Mitarbeiterkapitalbeteiligungen<br />

daher nur als Bestandteil<br />

der vereinbarten Löhne und Gehälter möglich. Um<br />

eine solche Finanzierung von Kapital- bzw. Fondsbeteiligungen<br />

zu erreichen, bedarf es allerdings – soweit<br />

tarifvertragliche Ansprüche betroffen sind – der<br />

Vereinbarung von Öffnungsklauseln. Diese können<br />

jedoch für zusätzliches Konfliktpozential in Tarif-<br />

verhandlungen sorgen, weil die Gewerkschaften die<br />

Mitarbeiterbeteiligung nur als zusätzliche Entgeltkomponente<br />

befürworten. Damit droht die Frage der<br />

Finanzierung fondsbasierter Mitarbeiterkapitalbeteiligungen<br />

zu einer Belastung für Tarifverhandlungen zu<br />

werden.<br />

4. Zusätzliche Bürokratie, zusätzliche Kosten<br />

Wie auch immer eine Fondslösung aussehen mag,<br />

ist diese gegenüber der klassischen Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

am eigenen Unternehmen mit zusätzlichen,<br />

überbetrieblichen Kosten verbunden. Diese<br />

entstehen u. a. durch die notwendige Fondsverwaltung<br />

und -leitung. Bürokratischer Aufwand entsteht<br />

zudem durch die zu schaffenden Mechanismen der<br />

Risikoabsicherung des Fonds (z. B. Bonitätsprüfung,<br />

Staatsgarantie etc.). Sofern die Kosten nicht von<br />

den Arbeitnehmern selbst getragen werden, gehen<br />

sie – wie beim Regionalfonds „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“<br />

in Rheinland-Pfalz – zu Lasten der<br />

Arbeitgeber bzw. zu Lasten der Steuerzahler.<br />

5. Wettbewerbsverzerrungen und Verdrängungseffekte<br />

Da die Mitarbeiterkapitalbeteiligung über einen<br />

Branchen- oder Regionalfonds durch die Risikostreuung<br />

des Fonds und möglicherweise durch<br />

weitere Instrumente abgesichert ist, verlieren die<br />

klassischen Kapitalbeteiligungsmodelle für die Beschäftigten<br />

an Attraktivität. Diese werden seltener<br />

bereit sein, im Wege klassischer Kapitalbeteiligungsmodelle<br />

in das eigene Unternehmen zu investieren,<br />

wenn ihnen ein besser abgesichertes Beteiligungsmodell<br />

zur Verfügung steht. Zudem tritt<br />

ein Branchen- oder Regionalfonds in Konkurrenz<br />

zu herkömmlichen Investmentfonds, die ihrerseits<br />

nicht von der steuer- und beitragsrechtlichen Privilegierung<br />

gem. § 19a EStG profitieren. Neben dieser<br />

staatlich verursachten Wettbewerbsverzerrung ist<br />

auch fraglich, ob der Anwendungsgrad der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

insgesamt erhöht werden<br />

könnte, wenn es zu einer Verdrängung klassischer<br />

Kapitalbeteiligungen käme.


Volkswirtschaft und Finanzen<br />

111<br />

hung der Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit<br />

gem. § 19a EStG von 135 auf 240 € p. a. vor.<br />

Die Union hat sich mit ihrem Vorschlag „Betriebliche<br />

Bündnisse für soziale Kapitalpartnerschaften“ für eine<br />

direkte Mitarbeiterkapitalbeteiligung ausgesprochen.<br />

Danach soll auf eine Pflicht zur Risikoabsicherung, wie<br />

sie der SPD-Vorschlag vorsieht, verzichtet werden. Allerdings<br />

wird eine Fondslösung auch nicht ausgeschlossen.<br />

Zudem sprechen sich CDU und CSU für einen<br />

deutlichen Ausbau der staatlichen Förderung aus. So<br />

soll die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit<br />

gem. § 19a EStG von 135 auf 500 € p. a erhöht werden<br />

und ein weiterer Betrag von 500 € für Zwecke der<br />

Bruttolohnumwandlung zur Verfügung stehen, der zwar<br />

sozialversicherungsbeitragspflichtig, aber erst nachgelagert<br />

steuerpflichtig sein soll.<br />

Seit Oktober berät sich die aus beiden Regierungsparteien<br />

paritätisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe, um<br />

aus den jeweiligen Vorschlägen letztlich ein gemeinsames,<br />

kompromissfähiges Konzept zur Förderung der<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung auszuarbeiten. Ein Gesetzentwurf<br />

ist nach bisheriger Planung im Frühjahr<br />

2008 zu erwarten.<br />

Die BDA hat den politischen Diskussionsprozess seit Beginn<br />

begleitet und sich bereits mehrfach, insbesondere<br />

durch die Stellungnahme „Mitarbeiterbeteiligung: Fakten<br />

und Positionen“ vom 4. April <strong>2007</strong> und durch die<br />

gemeinsam mit dem BDI erstellte Grundsatzbroschüre<br />

„Mitarbeiterbeteiligung: Strategie für eine partnerschaftliche<br />

Unternehmenskultur“ im Sommer dieses Jahres,<br />

eingebracht. Der Beschluss des BDA-Präsidiums „Mitarbeiterkapitalbeteiligung:<br />

Fördern ja – Regulieren nein“<br />

wurde am 11. Juni <strong>2007</strong> vom gemeinsamen BDA/BDI-<br />

Präsidium übernommen. Unverändert steht die BDA der<br />

Idee, Arbeitnehmer am Kapital ihres Unternehmens zu<br />

beteiligen, aufgeschlossen gegenüber.<br />

Von entscheidender Bedeutung ist allerdings, dass die<br />

Arbeitsgruppe der Regierungsparteien ein nicht nur<br />

kompromissfähiges, sondern vor allem sinnvolles und<br />

zielführendes Konzept erarbeitet. Dazu gehört in erster<br />

Linie, dass die mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

verbundenen Ziele einer höheren Identifikation und<br />

Motivation, einer stärkeren Bindung der Beschäftigten<br />

an ihr arbeitgebendes Unternehmen sowie einer partnerschaftlichen<br />

Unternehmenskultur im Mittelpunkt der<br />

Überlegungen stehen. Insofern plädiert die BDA für eine<br />

direkte Beteiligung der Beschäftigten am Kapital ihres<br />

Unternehmens. In diesem Zusammenhang und vor dem<br />

Hintergrund einer nicht auszuschließenden Verständigung<br />

beider Seiten auf eine Fondslösung hat die BDA im<br />

Sommer <strong>2007</strong> eine Mitgliederbefragung durchgeführt.<br />

Ergebnis dieser Befragung ist eine ganz überwiegende<br />

Ablehnung von Branchen- und Regionalfonds als Instrument<br />

zur Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung.<br />

Die nebenstehenden zentralen Argumente, die gegen<br />

eine Fondslösung sprechen, wird die BDA auch weiterhin<br />

in die Diskussion einbringen, um die mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

in Verbindung gebrachten Ziele<br />

nicht aus den Augen zu verlieren.<br />

Um die Mitarbeiterkapitalbeteiligung wirksam – ohne<br />

Schaffung neuer Subventionstatbestände – zu fördern,<br />

sollte das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung auch<br />

auf diese Form der Vermögensbildung ausgeweitet<br />

werden. Schon heute greift die nachgelagerte Besteuerung<br />

bei der betrieblichen Altersvorsorge und bei der<br />

Besteuerung von Guthaben auf Zeitwertkonten. Mit der<br />

Einführung der nachgelagerten Besteuerung für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen<br />

würde die bestehende Diskriminierung<br />

aufgehoben und ein weiterer Schritt in Richtung<br />

eines investitions- und wachstumsfreundlicheren<br />

Steuersystems gegangen.<br />

Sollte es der Politik jedoch vielmehr darum gehen, die<br />

Vermögensbildung der Arbeitnehmer möglichst ohne<br />

Übernahme von Verlustrisiken zu stärken, bieten die<br />

betriebliche Altersvorsorge oder die Gewinn- bzw. Erfolgsbeteiligung<br />

wesentlich geeignetere Ansatzpunkte.<br />

Denn im Gegensatz zu diesen beiden Instrumenten<br />

handelt es sich bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

grundsätzlich um eine Beteiligung des Arbeitnehmers<br />

am Risikokapital seines Unternehmens, d. h. auch eine<br />

Beteiligung an möglichen Verlusten. Im Extremfall riskiert<br />

der Arbeitnehmer beides, seinen Arbeitsplatz und<br />

sein eingebrachtes Vermögen. Als Altersvorsorge ist die<br />

Mitarbeiterkapitalbeteiligung daher nur bedingt geeignet.<br />

Priorität sollte in diesem Zusammenhang der Ausbau<br />

der Altersvorsorge haben.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Mitarbeiterkapitalbeteiligung“<br />

veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


112 Volkswirtschaft und Finanzen<br />

Unternehmensteuerreform 2008:<br />

Fehlentwicklungen korrigieren<br />

Die große Koalition hat <strong>2007</strong> mit der parlamentarischen<br />

Verabschiedung der Unternehmensteuerreform 2008<br />

eine wichtige Weichenstellung für eine attraktivere Unternehmensbesteuerung<br />

erreicht. Die Tarifbelastung bei<br />

Kapitalgesellschaften wird von derzeit 38,8 auf knapp<br />

unter 30 % gesenkt. Deutschland rückt damit bei der<br />

nominalen Unternehmensteuerbelastung ins europäische<br />

Mittelfeld auf. Für inländische und ausländische<br />

Investoren ist dies für sich genommen ein positives Signal<br />

– zumal die deutsche Wirtschaft mit einer Nettoentlastung<br />

von fünf Mrd. € rechnen kann.<br />

Kritisch an der Unternehmensteuerreform 2008 sind vor<br />

allem die Gegenfinanzierungsmaßnahmen: Sie verschärfen<br />

die Substanzbesteuerung und erhöhen zugleich die<br />

Komplexität des ohnehin schon sehr komplizierten Unternehmensteuerrechts,<br />

so dass sich im Ergebnis auch<br />

die Investitionsbedingungen verschlechtern können.<br />

Die beschlossene Unternehmensteuerreform 2008<br />

verschiebt tendenziell die Struktur der Unternehmensteuerbelastung<br />

von der Körperschaftsteuer auf die<br />

Gewerbesteuer. Grund hierfür sind die Senkung der<br />

Körperschaftsteuersätze und die Ausweitung der ertragsunabhängigen<br />

Besteuerung: Anstatt die Gewerbesteuer<br />

durch eine ertragsorientierte Kommunalsteuer zu ersetzen,<br />

wird sie durch die pauschale Hinzurechung von Finanzierungsanteilen<br />

u. a. bei Mieten, Pachten und Zinsen<br />

massiv ausgebaut. Die unverhältnismäßig hohe Substanzbesteuerung<br />

bei der Gewerbesteuer trifft insbesondere ertragsschwache<br />

Unternehmen, die im Extremfall auch bei<br />

Verlusten Steuern zahlen müssten. Mit dem Jahressteuergesetz<br />

2008 konnte seitens der deutschen Wirtschaft zumindest<br />

eine leichte Entschärfung bei der Hinzurechnung<br />

von Immobilienmieten erreicht werden.<br />

Mit Einführung der Zinsschranke zum 1. Januar 2008<br />

wird der bisherige § 8a KStG zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung<br />

durch die generelle Begrenzung der steuerlichen<br />

Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen ersetzt.<br />

Konkret sieht § 4h EStG vor, dass die steuerliche Abzugs-<br />

Ertragsteuerbelastung: Deutschland rückt ins europäische Mittelfeld vor<br />

(Tarifbelastung von Kapitalgesellschaften)<br />

Irland<br />

Lettland<br />

Ungarn<br />

Polen<br />

EU<br />

Österreich<br />

OECD<br />

Schweden<br />

Deutschland 2008<br />

Großbritannien<br />

Frankreich<br />

Italien<br />

Deutschland <strong>2007</strong><br />

0 %<br />

5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % 40 %<br />

Quelle: KPMG, <strong>2007</strong>


Volkswirtschaft und Finanzen<br />

113<br />

fähigkeit von Zinsaufwendungen für jeden Betrieb auf<br />

30 % des EBITDA (d. h. des Gewinns vor Zinsen, Steuern<br />

und Abschreibungen) beschränkt ist. Hierbei findet<br />

eine Freigrenze in Höhe von 1 Mio. € Anwendung.<br />

Die deutsche Zinsschranke ist im internationalen Vergleich<br />

viel zu restriktiv und zu bürokratisch angelegt. International<br />

üblich ist die Beschränkung auf den Zinsaufwand<br />

von Gesellschafterdarlehen bzw. auf Darlehen<br />

zwischen verbundenen Unternehmen, aber nicht die Erstreckung<br />

auf die gesamten Zinsaufwendungen.<br />

Ebenfalls unzulänglich ist das von der Bundesregierung<br />

beabsichtigte Maßnahmenbündel zur Besteuerung von<br />

Funktionsverlagerungen: Die Erstreckung auf Funktionsverdopplungen<br />

bedeutet im Ergebnis eine international<br />

nicht bekannte und damit investitionsschädliche Doppelbesteuerung<br />

von Funktionsverlagerungen.<br />

Unveränderter Handlungsbedarf besteht nach dieser<br />

Unternehmensteuerreform zudem bei größeren Personenunternehmen:<br />

Die vorgesehene begünstigte Besteuerung<br />

nicht entnommener Gewinne schafft keine Rechtsformneutralität<br />

bei der Unternehmensbesteuerung. Zwar<br />

verringert sich mit der Einführung der Thesaurierungsbegünstigung<br />

(§ 34a EStG) auf dem Papier für Personenunternehmen<br />

die Belastung auf Unternehmensebene auf<br />

29,77 %. Allerdings unterliegen entnommene Gewinne,<br />

die u. a. der Begleichung von Steuerschulden dienen,<br />

der Nachversteuerung. In der Praxis kann sich daher die<br />

Steuerbelastung auf bis zu 38 % belaufen. Auch bei Personenunternehmen<br />

muss daher zügig eine den Kapitalgesellschaften<br />

vergleichbare steuerliche Belastung von<br />

30 % durchgesetzt werden.<br />

Unzureichend ist auch die Abstimmung der neuen<br />

Unternehmensbesteuerung mit der ab Januar 2009<br />

greifenden Abgeltungsteuer. Diese Abgeltungsteuer<br />

sieht eine abgeltende Besteuerung der Einkünfte aus<br />

Kapitalvermögen mit einem Steuersatz von 25 % vor.<br />

Die beschlossene Abgeltungsteuer führt jedoch zu<br />

einer Diskriminierung eigenkapitalfinanzierter Investitionen<br />

in Unternehmen: Diese Investitionen werden<br />

mit rd. 48 % besteuert, während Fremdfinanzierungen<br />

lediglich der niedrigeren Abgeltungsteuer von 25 %<br />

unterliegen. Mit dieser Benachteiligung der Eigenkapitalfinanzierung<br />

verfehlt die Bundesregierung ihr selbst<br />

erklärtes Ziel, die Eigenkapitalbasis der Unternehmen<br />

zu stärken. Um die Finanzierungsneutralität sicherzustellen,<br />

sollte daher die Tarifbelastung bei Kapitalgesellschaften<br />

(von ca. 30 %) auf das Niveau der Abgeltungsteuer<br />

von 25 % abgesenkt werden. Um zusätzlich<br />

für die Beteiligungsfinanzierung eine annähernd hohe<br />

Belastung zu erzielen, müssten Ausschüttungen sowie<br />

Gewinne aus Anteilsverkäufen zumindest teilweise<br />

von der Abgeltungsteuer befreit werden.<br />

Zum steuerpolitischen Pflichtprogramm der Bundesregierung<br />

gehört deshalb weiterhin eine umfassende Unternehmensteuerreform:<br />

Damit der Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland insbesondere weiter gegenüber den europäischen<br />

Nachbarn aufholt, sind spätestens in der nächsten<br />

Legislaturperiode weitere Verbesserungen am unverändert<br />

komplizierten Unternehmensteuerrecht und bei der<br />

Abgeltungsteuer dringend erforderlich.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Unternehmensteuerreform<br />

2008“ veröffentlicht. Er ist über<br />

www.bda-online.de abrufbar.<br />

Erbschaftsteuerreform:<br />

Steuerliche Entlastung<br />

konsequent umsetzen<br />

Am 11. Dezember <strong>2007</strong> ist mit dem Kabinettsbeschluss<br />

das parlamentarische Verfahren zur Erbschaftsteuerreform<br />

eröffnet worden. Grundlage ist hierbei das Anfang<br />

November <strong>2007</strong> beschlossene Eckpunktepapier<br />

der von Ministerpräsident Koch und Bundesfinanzminister<br />

Steinbrück geleiteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe.<br />

Voraussichtlich bis Ende April 2008 soll das<br />

parlamentarische Verfahren im Bundestag abgeschlossen<br />

sein. Die sich hieran anschließende Beratung im<br />

Bundesrat kann dann sicherstellen, dass die Erbschaftsteuerreform<br />

voraussichtlich zum 1. Juli 2008 in Kraft<br />

tritt. Durch den Kabinettsbeschluss wird die Zusage<br />

des Koalitionsvertrages vom 11. November 2005,<br />

der den kompletten Wegfall der Erbschaftsteuer nach<br />

zehnjähriger Unternehmensfortführung vorsieht, nur<br />

unvollständig umgesetzt: Der Kabinettsbeschluss sieht<br />

eine Abschmelzung der Bemessungsgrundlage bei<br />

der Erbschaftsteuer um maximal 85 % vor. Die Gewährung<br />

dieses Abschlags setzt allerdings eine zehnjährige<br />

Unternehmensfortführung voraus, bei der die


114 Volkswirtschaft und Finanzen<br />

Zentrale Elemente der Erbschaftsteuerreform<br />

Steuersätze und Freibeträge<br />

• Anhebung der persönlichen Freibeträge für Ehegatten<br />

auf 500.000 €, für Kinder auf 400.000 €, für<br />

Enkel auf 200.000 € – zudem gleitende Freigrenze<br />

in Höhe von 150.000 € zur Sicherstellung der Bewertungsfreiheit<br />

bei einem Betriebsvermögen von<br />

150.000 €<br />

• Beibehaltung der Steuersätze in der Steuerklasse I<br />

(mit Sätzen von 7 bis 30 %), Anhebung der Steuersätze<br />

in den Steuerklassen II und III (auf 30 % bei<br />

einem Vermögen bis 6 Mio. € und auf 50 % über<br />

darüberliegendes Vermögen)<br />

Neue Verschonungsregelung beim Betriebsvermögen<br />

• Bewertung des Betriebsvermögens und des Grundvermögens<br />

mit dem Verkehrswert auf Basis des Beschlusses<br />

der Finanzministerkonferenz vom 21. Juni<br />

<strong>2007</strong> – Umsetzung durch Rechtsverordnung<br />

• 85 %iger Bewertungsabschlag von der Bemessungsgrundlage<br />

beim Betriebsvermögen – 15 %<br />

des Betriebsvermögens unterliegen der Erbschaftsbesteuerung<br />

• Fortführungsklausel: Lohnsumme darf in den zehn<br />

Jahren der Unternehmensfortführung in keinem<br />

Jahr geringer sein als 70 % der Lohnsumme vor der<br />

Vermögensübertragung – sonst entfällt pro Jahr der<br />

Unterschreitung ein Zehntel des Abschlags<br />

• 15-jährige Bindungsfrist für das Betriebsvermögen<br />

– mit Nachversteuerungspflicht bei Veräußerung<br />

oder Entnahme, die aber bei Reinvestition<br />

entfällt<br />

• Kein Bewertungsabschlag bei vermögensverwaltenden<br />

Unternehmen mit einem Verwaltungsvermögen<br />

(z. B. fremdvermietete Grundstücke, Kunstgegenstände),<br />

das mehr als 50 % des Betriebsvermögens<br />

ausmacht<br />

Lohnsumme in keinem Jahr geringer sein darf als 70 %<br />

der Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor der Unternehmensübertragung.<br />

In jedem Jahr, in dem diese<br />

Lohnsumme unterschritten wird, entfällt ein Zehntel<br />

des gewährten Abschlags. Das vorhandene Betriebsvermögen<br />

muss zudem über 15 Jahre im Betrieb gehalten<br />

werden, sonst unterliegt das entnommene Vermögen<br />

einer Nachversteuerung. Mit dieser Regelung<br />

soll offensichtlich dem Steuermissbrauch durch Umwidmung<br />

von privatem in betriebliches Vermögen ein<br />

Riegel vorgeschoben werden. Zugleich ist vorgesehen,<br />

dass pauschal 15 % des Unternehmenswertes als privat<br />

genutztes Vermögen anzusehen sind und damit<br />

der Erbschaftsbesteuerung unterliegen.<br />

Insgesamt wird das deutsche Erbschaftsteuerrecht mit<br />

der zehnjährigen Fortführungsklausel und der 15-jährigen<br />

Vermögensbindungsfrist komplizierter. Erfreulich<br />

ist, dass – entgegen zwischenzeitlichen Erwägungen –<br />

das betriebliche Auslandsvermögen unter die steuerliche<br />

Begünstigung fallen soll. Problematisch ist allerdings,<br />

dass vermögensverwaltende Unternehmen nur<br />

dann der steuerlichen Begünstigung unterliegen, wenn<br />

das sog. Verwaltungsvermögen (z. B. fremdvermietete<br />

Grundstücke, Kunstgegenstände) nicht mehr als 50 %<br />

des Betriebsvermögens ausmacht. Im weiteren parlamentarischen<br />

Verfahren kommt es zudem darauf an,<br />

die erhebliche Doppelbelastung mit Einkommen- und<br />

Erbschaftsteuer, die bei der Übertragung stiller Reserven<br />

bei den derzeit geplanten Regelungen entsteht, zu<br />

beseitigen.<br />

Als Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 7. November 2006 müssen die Bewertungsvorschriften<br />

neu gefasst werden und sich an den Verkehrswerten<br />

orientieren. Diese Neufassung nur für sich<br />

genommen würde zu einem erheblichen Anstieg der<br />

Steuerlast führen – im Durchschnitt zu einer Verdopplung,<br />

in einigen Fällen so gar mehr als das. Zur derzeitigen<br />

Verunsicherung über die tatsächliche Belastung<br />

trägt sicher auch bei, dass bislang geplant ist, das neue<br />

Bewertungsrecht nicht im Gesetz selbst, sondern in einer<br />

Rechtsverordnung zu regeln.<br />

Bei der geplanten Reform der Erbschaftsteuer sollte<br />

letztlich die steuerliche Entlastung zur Erleichterung<br />

der Unternehmensnachfolge gelingen. Ein falsches Signal<br />

des Gesetzgebers wäre es dagegen, wenn als Folge


Volkswirtschaft und Finanzen<br />

115<br />

der Erbschaftsteuerreform die steuerliche Belastung der<br />

Unternehmenserben ansteigt. Dies ist angesichts des<br />

angestrebten Erbschaftsteuervolumens von gut 4 Mrd. €<br />

jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Die beste Lösung<br />

wäre die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Mittlerweile<br />

machen sich Österreich und Tschechien auf den Weg,<br />

diese Steuer abzuschaffen – nachdem bereits in Schweden<br />

und Portugal hierauf verzichtet wird. Frankreich<br />

wird zumindest ab 2008 die Ehegatten freistellen – und<br />

damit dem Vorbild von Luxemburg und Schweizer Kantonen<br />

folgen. Dies zeigt, dass die Erbschaftsteuer in Europa<br />

auf dem Rückzug ist.<br />

Föderalismusreform II:<br />

Nettokreditaufnahme wirksam<br />

begrenzen<br />

Deutschland hat bei der Konsolidierung der öffentlichen<br />

Finanzen beachtliche Fortschritte gemacht.<br />

Erstmals seit Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht<br />

erreichen die öffentlichen Haushalte <strong>2007</strong> einen ausgeglichenen<br />

Gesamthaushalt: Während die Gesamtheit<br />

der Bundesländer sogar einen Überschuss erzielt,<br />

steckt der Bund immer noch in den roten Zahlen. Hier<br />

sind auf der Ausgabenseite noch weitere Konsolidierungsanstrengungen<br />

erforderlich, um den Bundeshaushalt<br />

nachhaltig zu sanieren.<br />

Damit die insgesamt gute Entwicklung bei den öffentlichen<br />

Finanzen nicht ein Strohfeuer bleibt, sollte die von Bund<br />

und Ländern eingesetzte Föderalismuskommission II ebenso<br />

wirksame wie sanktionsbewährte Regeln zur Schuldenbegrenzung<br />

vorlegen. Mit ersten konkreten Ergebnissen<br />

zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen<br />

wird zum ersten Quartal 2008 gerechnet. Zusammen mit<br />

dem BDI hat die BDA eigene Reformvorschläge vorgelegt.<br />

Die Vorgabe von Art. 115 Grundgesetz, nach der die Kreditaufnahme<br />

die Investitionsausgaben nicht überschreiten<br />

darf, hat sich in der politischen Praxis als ein wenig wirksames<br />

Instrument erwiesen. Eine wirksame Beschränkung<br />

des immer schneller anwachsenden Schuldenbergs der<br />

öffentlichen Hand gehört deshalb zum Pflichtprogramm<br />

der großen Koalition. Dies schließt insbesondere die verbindliche<br />

Verankerung eines mittelfristigen Haushaltsausgleichs<br />

in die Verfassung ein. Neben dem Haushaltsausgleich<br />

und dem Abbau der hohen Staatsverschuldung<br />

von derzeit über 67 % des Bruttoinlandsprodukts sind<br />

zudem automatische Sanktionsmaßnahmen erforderlich,<br />

die bei verfassungswidrigen Haushalten auf Bundes- und<br />

Länderebene greifen. Dies erfordert u. a. ein beschleunigtes<br />

Klageverfahren vor dem Verfassungsgericht mit einer<br />

Entscheidung innerhalb von 60 Tagen.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Föderalismusreform<br />

II“ veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />

abrufbar.


116


117<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


118 Gesellschaftspolitik<br />

Nachhaltige Gesellschaftspolitik<br />

stützen<br />

Die Familienpolitik dominierte die gesellschaftspolitische<br />

Diskussion des Jahres <strong>2007</strong>. Nach der Einführung<br />

des Elterngeldes zum 1. Januar <strong>2007</strong> richtete sich<br />

der Blick der Politik vor allem auf den Ausbau der<br />

Kinderbetreuung. Die BDA brachte sich mit Vorschlägen<br />

in die Diskussion ein und unterstrich dabei abermals<br />

das intensive familienpolitische Engagement der<br />

Unternehmen.<br />

Wie in den vergangenen Jahren suchte die BDA den<br />

Dialog mit gesellschaftlich relevanten Akteuren. Insbesondere<br />

zu den Kirchen wurde der konstruktive Kontakt<br />

gehalten. Die BDA war in der Projektleitung zur Vorbereitung<br />

des Evangelischen Kirchentages in Köln vertreten<br />

und organisierte einen Gesprächsabend zum Thema<br />

„Migration und Integration“. Darüber hinaus gab es einen<br />

regen Gedankenaustausch mit den christlichen Unternehmerverbänden<br />

– dem Arbeitskreis Evangelischer<br />

Unternehmer (AEU) und dem Bund katholischer Unternehmer<br />

(BKU). Auf dem Sommerempfang des Bundes<br />

katholischer Unternehmer (BKU) am 19. September<br />

<strong>2007</strong> nutzte Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt<br />

in seinem Festvortrag „Mit Werten führen“ die Gelegenheit,<br />

insbesondere die Verantwortung von Führungskräften<br />

hervorzuheben.<br />

Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Kirche<br />

und Wirtschaft“ sowie den kompakt „Wirtschaftsethik“<br />

veröffentlicht. Sie sind über www.bda-online.de<br />

zugänglich.<br />

Die vielfach populistisch geführte Diskussion über die<br />

Themen Managergehälter und Abfindungen haben dem<br />

Bild des Unternehmers und der Glaubwürdigkeit der<br />

Wirtschaft insgesamt geschadet. Die BDA hat sich hier<br />

klar positioniert, vor gesetzlichen Regelungen gewarnt<br />

und zur Übernahme von Verantwortung, aber auch zu<br />

einer differenzierten Betrachtung des Unternehmerbildes<br />

aufgerufen.<br />

Darüber hinaus war die BDA gefragter Gesprächspartner<br />

der Parteien. Mit CDU und SPD gab es einen intensiven<br />

Austausch zu den Entwürfen der Grundsatzprogramme.<br />

Mit Stellungnahmen, aber auch durch<br />

das direkte Gespräch mit den Spitzen der Parteien<br />

brachte sich die BDA in die Diskussion ein. Zudem<br />

war die BDA auf den Parteitagen von SPD, CDU und<br />

Bündnis 90/Die Grünen präsent. Nicht zuletzt bot der<br />

gemeinsame Parlamentarische Abend mit BDI und<br />

DIHK am 18. September einen Rahmen für Politik und<br />

Wirtschaft, sich auszutauschen und die unterschiedlichen<br />

Positionen zu beleuchten.<br />

45. Kolloquium der Walter-<br />

Raymond-Stiftung<br />

Am 25. und 26. März <strong>2007</strong> fand in Berlin das 45. Kolloquium<br />

zum Thema „Wirkungen der Globalisierung<br />

auf Politik und Gesellschaft“ der Walter-Raymond-Stiftung<br />

statt. „Man kann für sie sein oder gegen sie – der<br />

Globalisierung ist das egal.“ So brachte es der saarländische<br />

Ministerpräsident Peter Müller MdL (CDU) auf<br />

dem Kolloquium zugespitzt auf den Punkt. Der Austausch<br />

von Gütern, Dienstleistungen, Wissen und Kapital<br />

über Landesgrenzen hinweg ist längst Wirklichkeit<br />

und wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten<br />

weiter zunehmen. Den Menschen in Deutschland aber<br />

ist es nicht egal. Sie nehmen die Globalisierung mehr<br />

und mehr negativ wahr. Die Mehrheit der Deutschen<br />

verbindet mit dem Begriff die Verlagerung und den<br />

Verlust von Arbeitsplätzen und eine Gefährdung des<br />

Sozialsystems. Die Chancen der Globalisierung finden<br />

inzwischen weit weniger Zustimmung als noch in den<br />

1990er Jahren. Dabei hat die Globalisierung den Ländern,<br />

die sich an ihr beteiligt haben, massive Wohlstandsgewinne<br />

gebracht.<br />

Offensichtlich reicht aber eine rein ökonomische Analyse<br />

längst nicht mehr aus, um die Globalisierung zu<br />

verstehen. Zunehmend rücken gesellschaftliche und<br />

kulturelle Fragestellungen ins Zentrum der Debatte.<br />

Aus diesem Grunde setzte sich das 45. Kolloquium der<br />

Walter-Raymond-Stiftung unter dem Titel „Wirkungen<br />

der Globalisierung auf Politik und Gesellschaft“ zum<br />

Ziel, die Globalisierung als politisches und gesellschaftliches<br />

Phänomen zu diskutieren. Auf die Frage nach ihrer<br />

Gestaltbarkeit suchten die rund 100 Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik<br />

in Diskussionen mit hochkarätigen Referenten aus<br />

verschiedenen Disziplinen nach Antworten.


Gesellschaftspolitik<br />

119<br />

Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt zur Diskussion<br />

Über Managergehälter<br />

Auszug aus der Rede auf dem Deutschen Arbeitgebertag <strong>2007</strong> am 11. Dezember:<br />

„Meine Damen und Herren,<br />

die aktuelle Debatte über Managergehälter und Abfindungen nehme ich sehr ernst, weil es leider vereinzelt Beispiele<br />

gibt, die unserer Glaubwürdigkeit schaden. Uns muss alarmieren, dass der sichtbare und messbare Erfolg der<br />

sozialen Marktwirtschaft sich nicht mehr im Vertrauen der Bürger spiegelt. Im Gegenteil scheint das Unbehagen<br />

zu wachsen, auf dem globalen Spielfeld nicht mehr Akteur zu sein, sondern Spielball anderer. Alte Gewissheiten<br />

geraten ins Wanken. Engagement, Qualifikation, Mobilität sind nur noch Voraussetzungen für wirtschaftlichen<br />

Erfolg, aber nicht mehr ihre Garantie. Einerseits ist das der Preis, den wir für eine offene Volkswirtschaft entrichten<br />

müssen. Aber es wäre zu wenig, nur achselzuckend auf die Zwänge der Globalisierung zu verweisen. Ohne Legitimation<br />

nach innen bleibt die Marktwirtschaft gefährdet, auch wenn sie keinen äußeren Feind mehr hat. Marktwirtschaft<br />

braucht nicht nur Wettbewerbsregeln, sondern auch eine Ethik der Verantwortung als Sperre gegen<br />

Kontrollverlust und Maßlosigkeit.<br />

Ich bin weit davon entfernt, wirtschaftskritische Schlagzeilen der letzten Wochen mit der Wirklichkeit in unseren<br />

Unternehmen zu verwechseln. Gewiss war vieles verzerrt und übertrieben. Aber leider doch nicht immer völlig<br />

falsch.<br />

Uns Unternehmern kann es nicht gleichgültig sein, wenn der falsche Eindruck entsteht, die Wirtschaft sei mehr<br />

durch Korruption und Selbstbedienung bestimmt als durch Innovationskraft und Leistungsbereitschaft. Es muss<br />

nachdenklich machen, wenn vereinzelt der Eindruck entsteht, dass Mitarbeiter mehr am Wohl des Unternehmens<br />

interessiert scheinen als mancher Vorstand oder auch mancher Betriebsratsvorsitzender.<br />

Dass die ganz überwiegende Zahl der Manager und Betriebsräte für das Wohl des Unternehmens alles tun, unterstreiche<br />

ich. Aber es gibt – hier wie da – schlechte Beispiele. Uns kann nicht egal sein, wenn Mitarbeiter ihre<br />

Leistung und ihr Engagement missachtet sehen, weil unternehmensbedrohende Fehlentscheidungen angestellter<br />

Manager mit Millionenabfindungen vergoldet werden oder Betriebsräte als vermeintliche Co-Manager auf Unternehmenskosten<br />

Luxus genießen.<br />

Wer auf solche Fehlentwicklungen hinweist, schürt nicht Neid oder Missgunst, sondern macht ernst mit dem<br />

Leistungsprinzip. Wir Unternehmer setzen die Legitimation der sozialen Marktwirtschaft auf unsere Agenda – insbesondere<br />

durch Verteidigung ihrer Grundprinzipien auch nach innen. Wenn wir hier versagen würden, dürften<br />

wir uns nicht wundern, wenn Misstrauen entsteht. Allerdings sage ich auch: Wenn Missmanagement festgestellt<br />

wird, muss sich ein Aufsichtsrat von einem Vorstand auch dann trennen können, wenn eine Abfindung anstelle<br />

der Vertragserfüllung unvermeidbar ist. Und wer glaubt, das per Gesetz regeln zu können, ist auf dem Holzweg!<br />

Es mag vereinzelt Ausnahmen von Maßlosigkeit geben, aber insgesamt gehen wir in der Wirtschaft damit sehr viel<br />

verantwortungsvoller um als in anderen Bereichen der Gesellschaft, z. B. bei Spitzensportlern oder Medienstars.<br />

Wenn Manager erfolgreich sind und erfolgsabhängig hohe Gehälter bekommen, ist das in Ordnung. Wir wollen<br />

schließlich die besten Manager und die sind weltweit gefragt.<br />

Und wir alle wissen: Die Managergehälter in Deutschland sind im internationalen Vergleich keineswegs überhöht.<br />

Wir müssen auch in dieser Debatte wachsam nach innen, aber auch standhaft nach außen sein.“


120 Gesellschaftspolitik<br />

Zu Beginn des Kolloquiums warb der Münchner Sozialpsychologe<br />

Dieter Frey angesichts zunehmender<br />

Erosion des Vertrauens in Wirtschaft und Politik für<br />

eine Verstärkung der Kommunikationsanstrengungen<br />

der Eliten in Wirtschaft und Politik und für mehr prozedurale<br />

Fairness. Die Frage nach der Gerechtigkeit<br />

angesichts der Globalisierung griff Detlef Horster<br />

(Hannover) aus sozialpsychologischer Sicht auf. Er<br />

stellte den Begriff der Menschenwürde in den Mittelpunkt<br />

seiner Ausführungen und warnte vor einer synonymen<br />

Verwendung der Begriffe Gerechtigkeit und<br />

Gleichheit (der Verteilung). Warum der Nationalstaat<br />

auch in Zeiten der Globalisierung kein Auslaufmodell<br />

ist, begründete Stephan Leibfried (Bremen) in seinem<br />

Beitrag. Denn auch ein freier Markt wird erst durch<br />

das Recht konstituiert und bedarf der Rechtsdurchsetzung<br />

und der Wohlfahrtspufferung durch den Nationalstaat.<br />

Der Bochumer Soziologe Ludger Pries analysierte<br />

die Entwicklungslinien der Gewerkschaften<br />

zwischen steigender Wettbewerbsintensität auf offenen<br />

Arbeitsmärkten und grenzüberschreitenden Produktionsketten.<br />

Spiegelbildlich veranschaulichte der<br />

Unternehmer Randolf Rodenstock die Zwänge und<br />

Gestaltungsmöglichkeiten, unter denen Unternehmen<br />

angesichts des zunehmenden Globalisierungsdrucks<br />

stehen, sehr nachdrücklich.<br />

Zu den Aufgaben und Grenzen der Politik im sozialen<br />

Rechtsstaat äußerten sich schließlich die beiden Politiker<br />

Olaf Scholz MdB und Saarlands Ministerpräsident<br />

Peter Müller MdL. Scholz bekräftigte, dass Deutschland<br />

insgesamt von der Globalisierung profitiert habe,<br />

zugleich jedoch die sozialen Sicherungssysteme unter<br />

einem gravierenden Anpassungsdruck stünden. Müller<br />

stellte die Stärkung der Eigenverantwortung und die notwendige<br />

Rückbesinnung des Staates auf seine Kernaufgaben<br />

in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. „Wenn<br />

der Staat sich zurücknehmen kann, können wir die Globalisierung<br />

meistern“, resümierte Müller.<br />

Alle Vorträge sind im Sommer <strong>2007</strong> in einem Tagungsband<br />

erschienen, der mit einer bilanzierenden Zusammenfassung<br />

der Vorträge und der Diskussionsbeiträge<br />

endet. Er liegt als Band 47 der Großen Reihe vor und<br />

kann im Internet unter www.arbeitgeberbibliothek.de<br />

bestellt werden.<br />

Ausbau der Kinderbetreuung<br />

wichtiger Baustein für bessere<br />

Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf<br />

Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt<br />

ein wichtiges Anliegen der Arbeitgeber. Der zweite<br />

„Monitor Familienfreundlichkeit“ vom Dezember<br />

2006, der vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />

erarbeitet worden ist, hat klar dokumentiert, dass das<br />

Bewusstsein für das Thema „Familienfreundlichkeit“ in<br />

den letzten Jahren stark gestiegen ist: Fast drei Viertel<br />

aller Befragten schätzen Familienfreundlichkeit für das<br />

eigene Unternehmen als sehr wichtig oder wichtig ein,<br />

mehr als 90 % der Unternehmen bieten inzwischen<br />

familienfreundliche Maßnahmen, vor allem auch flexible<br />

Arbeitszeitmodelle, an. Eine familienbewusste<br />

Personalpolitik ist ein Gewinn für Arbeitergeber und<br />

Arbeitnehmer: Sie unterstützt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

mit Familienverantwortung dabei, eine gute<br />

Balance zwischen Beruf und Familie zu finden, und<br />

die Unternehmen profitieren durch geringere Fehlzeiten,<br />

eine geringere Fluktuation und steigern durch<br />

familienfreundliche Maßnahmen zugleich die Attraktivität<br />

des Unternehmens in der Öffentlichkeit.<br />

Die BDA hat aber immer wieder darauf hingewiesen,<br />

dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf insgesamt<br />

nur dann gelingen kann, wenn die Kinderbetreuung,<br />

besonders für Kinder unter drei Jahren, deutlich ausgebaut<br />

wird. Gerade auch vor dem Hintergrund des perspektivisch<br />

noch zunehmenden Fachkräftebedarfs ist es<br />

zudem nicht hinnehmbar, dass junge Mütter und Väter<br />

aufgrund einer unzureichenden Kinderbetreuungsinfrastruktur<br />

häufig gezwungen werden, länger aus dem<br />

Beruf auszusteigen, als sie es sich wünschen, nur weil<br />

die Betreuung ihrer Kinder nicht gewährleistet ist. Vor<br />

diesem Hintergrund begrüßt die BDA den Beschluss<br />

der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die sich Ende August<br />

<strong>2007</strong> nach einer siebenmonatigen Verhandlungszeit<br />

über die zukünftige Finanzierung der Kinderbetreuung<br />

geeinigt hat. Der Beschluss sieht vor, dass bis 2013 für<br />

35 % der unter Dreijährigen ein Betreuungsplatz bei<br />

einer Tagesmutter oder in einem Kindergarten vorhanden<br />

sein soll. Insgesamt würden dann ca. 750.000 Angebote<br />

für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung stehen.<br />

Die Arbeitsgruppe hat sich darüber hinaus darauf


Gesellschaftspolitik<br />

121<br />

verständigt, dass ab dem Jahr 2013 erstmals auch für<br />

Kinder unter drei Jahren ein Rechtsanspruch auf einen<br />

Betreuungsplatz besteht.<br />

Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung, die insgesamt<br />

mindestens 12 Mrd. € betragen wird, in der Aufbauphase<br />

mit vorerst insgesamt 4 Mrd. €. Diese verteilen<br />

sich wie folgt: Von 2008 an wird der Bund für Investitionen<br />

in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen<br />

2,15 Mrd. € zur Verfügung stellen. Der Restbetrag<br />

wird über die Umsatzsteuerverteilung an die Länder<br />

weitergeleitet und soll diese bei den Betriebsausgaben<br />

der Betreuungseinrichtungen unterstützen. Hiermit wird<br />

berücksichtigt, dass die neuen Länder bereits über eine<br />

recht gute Infrastruktur verfügen. Aber auch nach der<br />

Aufbauphase wird sich der Bund zukünftig weiter an der<br />

Finanzierung der Kinderbetreuung beteiligen. Ab 2014<br />

wird der Bund durch einen jährlichen Zuschuss von<br />

770 Mio. € einen Teil der weiter anfallenden Betriebskosten<br />

übernehmen.<br />

Der Beschluss des Ausbaus der Kinderbetreuung ist<br />

ein längst überfälliger wichtiger und notwendiger Baustein,<br />

um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter<br />

zu verbessern. Nur wenn in Deutschland ein ausreichendes<br />

Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder<br />

unter drei Jahren vorhanden ist, haben Mütter und Väter<br />

die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren.<br />

Die BDA wird sich auch weiterhin, u. a. in der Allianz<br />

für die Familie, dafür einsetzen, dass Familienfreundlichkeit<br />

zu einem Markenzeichen der deutschen Wirtschaft<br />

wird.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Familienpolitik“<br />

sowie den kompakt „Chancengleichheit von<br />

Frauen und Männern im Berufsleben“ veröffentlicht.<br />

Diese sind über www.bda-online.de abrufbar.<br />

Unternehmenswettbewerb<br />

„Erfolgsfaktor Familie 2008“<br />

gestartet<br />

Im Oktober <strong>2007</strong> hat BDA-Präsident Dr. Dieter<br />

Hundt zusammen mit Bundesfamilienministerin<br />

Dr. Ursula von der Leyen den Unternehmenswettbewerb<br />

„Erfolgsfaktor Familie“ gestartet. Der Wettbewerb,<br />

der unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin<br />

steht, zeichnet Arbeitgeber für eine<br />

vorbildliche familienbewusste Personalpolitik aus.<br />

Der Wettbewerb bietet Unternehmen die Möglichkeit,<br />

öffentlichkeitswirksam auf ihr familienpolitisches<br />

Engagement aufmerksam zu machen und<br />

ihre familienbewusste Personalpolitik gezielt als<br />

Personalmarketing-Instrument einzusetzen. Die<br />

familienbewusste Personalpolitik gewinnt immer<br />

stärker an Bedeutung, gerade auch, weil die Unternehmen<br />

im zunehmenden Wettbewerb um Fachund<br />

Führungskräfte stehen. Mehr als 90 % der<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen<br />

25 und 39 Jahren haben laut einer Umfrage angegeben,<br />

dass bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers<br />

die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine<br />

wichtigere oder zumindest ebenso wichtige Rolle<br />

wie das Gehalt spielt. Ziel des Unternehmenswettbewerbs<br />

ist es, neue Ideen und gute betriebliche<br />

Praxis in die Breite zu tragen und zu zeigen, dass<br />

sowohl die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als<br />

auch die Unternehmen mit relativ geringem Aufwand<br />

von familienfreundlichen Maßnahmen profitieren<br />

können. Die Sieger des Wettbewerbes werden<br />

im Mai 2008 in Berlin von Bundeskanzlerin<br />

Dr. Angela Merkel ausgezeichnet.


122


123<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


124 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:<br />

Sachlich und konsequent<br />

Unter dem Strich war diese Form der medialen Auseinandersetzung<br />

in den vergangenen zwölf Monaten<br />

sehr erfolgreich.<br />

Sachlichkeit und Konsequenz sind die bestimmenden<br />

Leitsätze für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der<br />

BDA. Sachlichkeit beweisen die Arbeitgeber vor allem<br />

im medialen Stil: Die BDA setzt in ihrer Pressearbeit<br />

seit langem auf inhaltlich fundierte Kritik mit konkreten<br />

Änderungs- und Verbesserungsvorschlägen. Wolkige<br />

Worte oder unseriöse Schlagzeilen gehören dagegen<br />

nicht zum Repertoire. Dieser Linie ist die BDA<br />

auch im Jahr <strong>2007</strong> treu geblieben. Sie trägt damit ihren<br />

Teil zu der insgesamt unaufgeregteren Medienberichterstattung<br />

bei, die sich in den letzten beiden Jahren<br />

etabliert hat.<br />

Wo es die Sache erfordert, geht die BDA zugleich mit<br />

höchster Konsequenz an die Öffentlichkeit. Beispielsweise<br />

wurde die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im<br />

Laufe des Jahres intensiviert, als vor allem in der Arbeitsmarktpolitik<br />

wichtige Entscheidungen anstanden.<br />

In dieser Situation scheute die BDA auch vor unangenehmen<br />

Wahrheiten und klaren Worten nicht zurück.<br />

Hundt für niedrigeren Arbeitslosenbeitrag<br />

Arbeitgeberpräsident: Nürnberger Überschüsse sind<br />

nicht für unerledigte Reformaufgaben<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, April <strong>2007</strong><br />

Das übergeordnete Ziel der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

der BDA ist die Modernisierung des Standorts<br />

Deutschland und die Förderung der entsprechenden<br />

Reformbereitschaft. Im letzten Jahr wurden<br />

die Schlagzeilen wesentlich von der Kontroverse um<br />

einen Mindestlohn und den Reformen auf dem Arbeitsmarkt<br />

bestimmt. Darüber hinaus standen Themen<br />

wie die Pflegeversicherung, die Unfallversicherung<br />

und die Zuwanderung auf der Agenda. Zu diesen Projekten<br />

wurden die Positionen, Interessen und Forderungen<br />

der Arbeitgeber gezielt in die Öffentlichkeit<br />

getragen. Die Intensität war hoch: Insgesamt hat die<br />

BDA im vergangenen Jahr weit über 100 Presseerklärungen<br />

herausgegeben und sich in zahlreichen Inter-


Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

125<br />

views, Stellungnahmen und Pressekonferenzen gegenüber<br />

den Medien geäußert.<br />

In der internen Kommunikation setzt die BDA auf<br />

einen intensiven Kontakt mit den Pressestellen der<br />

Mitgliedsverbände. Neben dem regelmäßigen informellen<br />

Austausch spielt dabei auch der „Arbeitskreis<br />

der Pressesprecher“ eine zentrale Rolle. Er bietet den<br />

Pressesprechern von BDA und Mitgliedsverbänden<br />

die Möglichkeit zum direkten Dialog und zur internen<br />

Vernetzung. Auch werden die Treffen zum Gedankenaustausch<br />

mit renommierten Journalisten genutzt. Im<br />

Jahr <strong>2007</strong> waren Thorsten Alsleben vom Hauptstadtstudio<br />

des ZDF und Christoph Schultheiß von BILDblog<br />

zu Gast.<br />

präsident Dr. Dieter Hundt rief die Politik in seiner Rede<br />

dazu auf, die Chance zu ergreifen und den konjunkturellen<br />

Rückenwind für weitere Reformen zu nutzen. Dieser<br />

Aufruf kam nicht nur bei den rd. 1.500 hochrangigen<br />

Gästen gut an, sondern wurde auch von zahlreichen<br />

Journalisten aus dem In- und Ausland aufgegriffen, wodurch<br />

eine breite Medienberichterstattung erreicht wurde.<br />

Die Präsenz des Deutschen Arbeitgebertages und<br />

der BDA reichte von den großen TV-Nachrichten bis zu<br />

den Titelseiten der Zeitungen. Insgesamt gab die Veranstaltung<br />

den politischen Botschaften der Arbeitgeber<br />

weit über den Tag hinaus Stimme und Gewicht.<br />

Medienereignis <strong>2007</strong><br />

Pressekonferenzen, Interviews,<br />

Gastkommentare<br />

Thematisch standen vor allem die Arbeitsmarktpolitik,<br />

die Auseinandersetzungen über einen Mindestlohn<br />

sowie die Pflege- und Unfallversicherungsreform im<br />

Mittelpunkt. Die BDA kommunizierte die Positionen<br />

der Arbeitgeber durch eine Reihe von Pressekonferenzen<br />

und trat wiederholt vor die Bundespressekonferenz.<br />

Selbstverständlich wurden diese Medienaktivitäten<br />

jeweils mit einer Vielzahl von Interviews und<br />

Stellungnahmen flankiert. Da die rechtlichen und politischen<br />

Implikationen in vielen Fällen äußerst komplex<br />

sind, wurden die Themen zusätzlich in Hintergrundgesprächen<br />

immer wieder detailliert erläutert.<br />

Wo es die Situation erforderte, setzte die BDA außerdem<br />

auf längere Gastkommentare in renommierten<br />

Tageszeitungen.<br />

Wirtschaft rügt Arbeitsmarktpolitik<br />

Handelsblatt, Juni <strong>2007</strong><br />

Medienereignis Deutscher<br />

Arbeitgebertag<br />

Zu den medialen Highlights des Jahres gehört traditionell<br />

der Deutsche Arbeitgebertag in Berlin. Arbeitgeber-<br />

Deutscher Arbeitgebertag<br />

Der Deutsche Arbeitgebertag am 11. Dezember <strong>2007</strong><br />

mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, SPD-Chef<br />

Kurt Beck, dem Fraktionsvorsitzenden von Bündnis<br />

90/Die Grünen, Fritz Kuhn, und FDP-Chef Dr. Guido<br />

Westerwelle war ein großes Medienereignis:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

Berichterstattung in nahezu allen Medien<br />

Live-Übertragung auf Phoenix, n-tv, N24<br />

Beiträge u. a. in Frankfurter Allgemeine Zeitung,<br />

Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Tagesschau,<br />

heute, RTL Aktuell<br />

Über 150 Journalisten<br />

25 Kamerateams und Fotografen<br />

Einen besonderen Fokus legt der Deutsche Arbeitgebertag<br />

traditionell auf die Bildungspolitik. Der Deutsche<br />

Arbeitgeberpreis für Bildung ist ein fester Bestandteil<br />

im Programm und genießt von Jahr zu Jahr mehr<br />

mediale Aufmerksamkeit. Diesmal stand das Thema<br />

Entrepreneurship und damit das unternehmerische<br />

Denken bzw. Handeln im Mittelpunkt. Über die Preisverleihung<br />

und die Preisträger berichteten u. a. die<br />

Financial Times Deutschland, Phoenix und zahlreiche<br />

Regionalzeitungen.<br />

Wirtschaft warnt Union und SPD<br />

„Macht den Aufschwung nicht kaputt!“<br />

BILD, Oktober <strong>2007</strong>


126 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

TV-Berichterstattung <strong>2007</strong><br />

ARD Tagesschau<br />

Eigene Publikationen und Medien<br />

Die Kommunikation der BDA setzt vor allem auf die Berichterstattung<br />

in Presse, Hörfunk und Fernsehen. Dennoch<br />

werden nach wie vor auch eigene Publikationen<br />

und Medien genutzt, um die Positionen der Arbeitgeber<br />

einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Insbesondere<br />

die Internetseite www.bda-online.de hat sich<br />

inzwischen als beliebtes Informationsangebot etabliert.<br />

Die Seite bietet aktuelle Nachrichten und Positionen der<br />

Arbeitgeber sowie eine große Fülle vertiefender Hintergrundinformationen<br />

zu den einzelnen BDA-Themen.<br />

Besonders gefragt ist die Reihe kompakt, die jeweils<br />

auf zwei Seiten einen schnellen und zuverlässigen Einstieg<br />

in die verschiedenen Sachthemen bietet. Insgesamt<br />

wurden im Jahr <strong>2007</strong> weit über 24 Mio. Zugriffe auf die<br />

BDA-Homepage registriert, was rd. 65.000 Zugriffen<br />

pro Tag entspricht.<br />

ZDF heute<br />

Über die Internetseite haben Nutzer auch die Möglichkeit,<br />

sich direkt mit ihren Anliegen, Fragen und Kommentaren<br />

an die BDA zu wenden. Dieser Service wird<br />

gerade von jungen Menschen gerne in Anspruch genommen.<br />

Die BDA nimmt Zuschriften sehr ernst und<br />

legt großen Wert darauf, jede seriöse Anfrage so schnell<br />

wie möglich zu beantworten.<br />

Phoenix<br />

Abgerundet wird das Angebot durch die Informationsdienste<br />

„BDA Newsletter“, „Euro-Info“ und „Arbeitgeber“.<br />

Die beiden erstgenannten Angebote werden per<br />

Mail verschickt und können von Interessenten kostenfrei<br />

über die Internetseite abonniert werden. Sie informieren<br />

regelmäßig über aktuelle Entwicklungen auf den<br />

Themengebieten der BDA, wobei sich der „Euro-Info“<br />

ganz speziell um das Geschehen auf der europäischen<br />

Ebene kümmert. Seit dem Jahr 2006 ist die BDA außerdem<br />

mit der vierseitigen Beilage „Arbeitgeber – Das<br />

BDA-Spezial zur unternehmerischen Sozialpolitik“ in<br />

der Zeitschrift PERSONAL vertreten. Sie versorgt die<br />

Leser regelmäßig mit tiefer gehenden Hintergrundinformationen<br />

und aktuellen politischen Analysen. Die monatlich<br />

erscheinende Zeitschrift PERSONAL ist dabei<br />

ein guter Partner und kann von Interessenten abonniert<br />

werden. Weitere Informationen finden sich im Internet<br />

unter www. personal-im-web.de.<br />

n-tv


Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

127


129<br />

VORWORT<br />

ARBEITSMARKT<br />

ARBEITSRECHT<br />

TARIFPOLITIK<br />

SOZIALE SICHERUNG<br />

BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />

EUROPÄISCHE UND<br />

INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />

Volkswirtschaft und Finanzen<br />

GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

PRESSE- UND<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

BDA-ORGANISATION<br />

IN MEMORIAM<br />

BDA-ORGANIGRAMM


130 BDA-Organisation<br />

BDA-Mitgliedsverbände<br />

Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände<br />

Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie<br />

Arbeitgeberverband der Deutschen Glasindustrie e. V.<br />

Arbeitgeberverband der Deutschen<br />

Immobilienwirtschaft e. V.<br />

Arbeitgeberverband der Deutschen<br />

Kautschukindustrie (ADK) e. V.<br />

Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und<br />

Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe)<br />

Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen<br />

in Deutschland<br />

Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V.<br />

Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V.<br />

– Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen,<br />

Kraftverkehrsbetriebe –<br />

Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister<br />

e. V. (AMP)<br />

Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e. V.<br />

Arbeitgeberverband Postdienste e. V.<br />

Arbeitgeberverband Stahl e. V.<br />

Arbeitgebervereinigung Nahrung<br />

und Genuß e. V. (ANG)<br />

Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V.<br />

Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder<br />

BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft<br />

e. V.<br />

BdKEP Bundesverband der<br />

Kurier-Express-Post-Dienste e. V.<br />

Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe<br />

des Einzelhandels e. V.<br />

Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V.<br />

Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ)<br />

Bundesverband des Deutschen Großund<br />

Außenhandels e. V.<br />

Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V.<br />

Bundesverband Druck und Medien e. V.<br />

Bundesverband Garten-, Landschaftsund<br />

Sportplatzbau e. V.<br />

Bundesverband Zeitarbeit<br />

Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA)<br />

Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen<br />

e. V.<br />

Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V.<br />

Deutscher Bühnenverein Bundesverband<br />

der Theater und Orchester<br />

Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V.<br />

(DEHOGA)<br />

Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V.<br />

DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitnessund<br />

Gesundheits-Anlagen<br />

GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände<br />

der Metall- und Elektro-Industrie e. V.<br />

Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen<br />

Arbeitgeberverbände e. V.


BDA-Organisation<br />

131<br />

Gesamtverband der Deutschen Textil- und<br />

Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund –<br />

Gesamtverband Steinkohle (GVSt)<br />

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.<br />

Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe<br />

verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige<br />

e. V.<br />

Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V.<br />

Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung<br />

(HPV) e. V. – Sozialpolitischer Hauptausschuss –<br />

Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände<br />

e. V.<br />

Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-<br />

Westfalen e. V.<br />

Landesvereinigung Unternehmerverbände<br />

Rheinland-Pfalz (LVU)<br />

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden<br />

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft<br />

Telekommunikation (ArgeTel)<br />

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV)<br />

Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH)<br />

Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen +<br />

Bildung e. V.<br />

Unternehmerverbände Niedersachsen e. V.<br />

UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände<br />

in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.<br />

Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ)<br />

Verband diakonischer Dienstgeber<br />

in Deutschland (VdDD)<br />

Verein der Zuckerindustrie<br />

Vereinigung der Arbeitgeberverbände<br />

der Deutschen Papierindustrie e. V.<br />

Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und<br />

versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU)<br />

Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.<br />

Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.<br />

Vereinigung der Saarländischen<br />

Unternehmensverbände e. V.<br />

Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW)<br />

Vereinigung der Unternehmensverbände<br />

für Mecklenburg-Vorpommern e. V.<br />

Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin<br />

und Brandenburg e. V.<br />

Vereinigung Rohstoffe und Bergbau<br />

VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V.<br />

WEG Wirtschaftsverband Erdölund<br />

Erdgasgewinnung e. V.<br />

Zentralverband des Deutschen Baugewerbes<br />

ZGV – Zentralverband Gewerblicher<br />

Verbundgruppen e. V.<br />

Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V.<br />

Verband der Wirtschaft Thüringens e. V. (VWT)<br />

Verband Deutscher Reeder e. V.


132 BDA-Organisation<br />

BDA-Präsidium<br />

Präsident<br />

Dr. Dieter Hundt<br />

Ehrenpräsident<br />

Prof. Dr. Klaus Murmann<br />

Vizepräsidenten<br />

Dr. h. c. Josef Beutelmann<br />

Dr. Gerhard F. Braun<br />

Günther Fleig<br />

Martin Kannegiesser<br />

Otto Kentzler<br />

Dr. Walter Koch (Schatzmeister)<br />

Randolf Rodenstock<br />

Dr. h. c. Eggert Voscherau<br />

Weitere Mitglieder des Präsidiums<br />

Peter Barz<br />

Prof. Thomas Bauer<br />

Ernst Baumann<br />

Anton F. Börner<br />

Walter Botschatzki<br />

Gerd von Brandenstein<br />

Wolfgang Brinkmann<br />

Dr. Eckhard Cordes<br />

Dr. Jürgen Deilmann<br />

Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann<br />

Goetz von Engelbrechten<br />

Bodo Finger<br />

Ulrich Grillo<br />

Helmut Heinen<br />

Ingrid Hofmann<br />

Dr. Eckart John von Freyend<br />

Arndt G. Kirchhhoff<br />

Helmut F. Koch<br />

Ingo Kramer<br />

Heinz Laber<br />

Manfred Lantermann<br />

Stefan H. Lauer<br />

Horst-Werner Maier-Hunke<br />

Hartmut Mehdorn<br />

Prof. Dr. Helmut Merkel<br />

René Obermann<br />

Dr. Arend Oetker<br />

Dr. Wolfgang Pütz<br />

Dr. Jan Stefan Roell<br />

Dr. Siegfried Russwurm<br />

Josef Sanktjohanser<br />

Ulrich Schumacher<br />

Gerd Sonnleitner<br />

Dr. Theo Spettmann<br />

Bernd Tönjes<br />

Prof. Dieter Weidemann<br />

Dr. Klaus Zumwinkel<br />

Dr. Reinhard Göhner<br />

Dr. Fritz-Heinz Himmelreich


BDA-Organisation<br />

133<br />

BDA-Vorstand<br />

Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören<br />

folgende Damen und Herren dem Vorstand an:<br />

Roland Brohm<br />

Ulrich Alfred Büchner<br />

Prof. Dr. Hubert Burda<br />

Dr. Rainer V. Dulger<br />

Frank Dupré<br />

Volker Enkerts<br />

Ernst Fischer<br />

Dr. Hans Otto Gardeik<br />

Hartmut Geldmacher<br />

Peter Gerber<br />

Florian Gerster<br />

Wolfgang Goebel<br />

Rainer Göhner<br />

Klemens Gutmann<br />

Jörg Hagmaier<br />

Siegfried Hanke<br />

Dr. Michael Hann<br />

Matthias Hartung<br />

Klaus Hering<br />

Peter Hoffmeyer<br />

Dr. Gernot Kalkoffen<br />

Dr. Uwe Kasimier<br />

Thomas Kretschmann<br />

Lothar Lampe<br />

Frank Leonhardt<br />

Rainer J. Marschaus<br />

Dr. Uwe Mehrtens<br />

Rudolf Pfeiffer<br />

Eberhard Potempa<br />

Hanns-Jürgen Redeker<br />

Ralph Rieker<br />

Prof. Dr. Markus Rückert<br />

Manfred Rycken<br />

Dr. Hans-Peter Schiff<br />

Jürgen Schitthelm<br />

Dirk Schlüter<br />

Birgit Schwarze<br />

Norbert Steiner<br />

Ralf Stemmer<br />

Hans-Günter Sturm<br />

Margret Suckale<br />

Dr. Sven Vogt<br />

Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia<br />

Gemeinsames Präsidium<br />

von BDA und BDI<br />

Vorsitzender<br />

Dr. Dieter Hundt<br />

Weitere Mitglieder des Präsidiums<br />

Jürgen R. Thumann<br />

Dr. h. c. Josef Beutelmann<br />

Dr. Gerhard F. Braun<br />

Dr. Dieter Brucklacher<br />

Günther Fleig<br />

Martin Kannegiesser<br />

Dr. Hans-Peter Keitel<br />

Otto Kentzler<br />

Dr. Walter Koch<br />

Prof. Dr. Ulrich Lehner<br />

Friedhelm Loh<br />

Dr. Arend Oetker<br />

Randolf Rodenstock<br />

Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer<br />

Prof. Dr. Ekkehard Schulz<br />

Dr. h. c. Eggert Voscherau<br />

Matthias Wissmann


134 BDA-Organisation<br />

Kooperation von BDA und BDI<br />

mit Erfolg intensiviert<br />

Seit der Kooperationsvereinbarung vom November<br />

2006 arbeiten BDA und BDI in vielen Themenund<br />

Handlungsfeldern noch enger zusammen. Das<br />

gemeinsame Präsidium von BDA und BDI hat sich<br />

in seiner konstituierenden Sitzung am 23. Januar<br />

<strong>2007</strong> unter dem Vorsitz von Arbeitgeberpräsident<br />

Dr. Dieter Hundt auf erste Details für eine engere<br />

Kooperation der beiden Verbände verständigt und<br />

den Vorständen von BDA und BDI empfohlen, vier<br />

gemeinsame Fachausschüsse einzurichten, die künftig<br />

die Organe der beiden Spitzenverbände beraten,<br />

den Präsidien von BDA und BDI berichten und Stellungnahmen<br />

für die jeweiligen Aufgabenbereiche<br />

vorbereiten.<br />

Der gemeinsame BDA/BDI-Ausschuss „Bildung,<br />

Berufliche Bildung“ konstituierte sich am 29. November<br />

<strong>2007</strong> und wählte, wie vom gemeinsamen<br />

Präsidium vorgeschlagen, den Vizepräsidenten der<br />

BDA Dr. Gerhard F. Braun, geschäftsführender Gesellschafter<br />

der Karl Otto Braun GmbH & Co. KG,<br />

zum Vorsitzenden sowie Herrn Dr. Arend Oetker,<br />

geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Arend Oetker<br />

Holding GmbH & Co. KG und Vizepräsident des<br />

BDI, zum stellvertretenden Vorsitzenden. Auch die<br />

weiteren drei gemeinsamen Fachausschüsse wurden,<br />

wie vom gemeinsamen Präsidium vorgeschlagen, einberufen<br />

und wählten die vorgeschlagenen Vorsitzenden:<br />

So konstituierten sich der BDI/BDA-Ausschuss<br />

für Statistik (Vorsitz: Dr. Thomas Geer, ThyssenKrupp<br />

AG) sowie der BDI/BDA-Ausschuss für Forschungs-,<br />

Innovations- und Technologiepolitik (Vorsitz: Dr. Dr.<br />

Andreas Barner, stellvertretender Sprecher der Unternehmensleitung<br />

Boehringer Ingelheim Pharma GmbH<br />

& Co. KG) ebenfalls am 29. November. Der BDI/BDA-<br />

Mittelstandsausschuss kam am 4. Dezember zu seiner<br />

ersten Sitzung zusammen und wählte Arndt Kirchhoff,<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung Kirchhoff Automotive<br />

GmbH & Co. KG, zu seinem Vorsitzenden.<br />

Neben den Fachausschüssen haben BDA und BDI gemeinsame<br />

Projektgruppen zu den Themen EU-Ratspräsidentschaft,<br />

Bürokratieabbau, Mitbestimmung,<br />

„Föderalismusreform II/Finanzverfassungsreform“ und<br />

„Organisation und Personal“ eingerichtet, die ebenfalls<br />

ihre Arbeit aufgenommen, gemeinsame Positionen<br />

erarbeitet bzw. gemeinsame Veranstaltungen<br />

durchgeführt haben. Im Rahmen der deutschen EU-<br />

Ratspräsidentschaft gab es zahlreiche gemeinsame<br />

Veranstaltungen und Initiativen von BDA und BDI<br />

und im Juli wurde der Beschluss des gemeinsamen<br />

Präsidiums „Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern<br />

ja – Regulieren nein“ veröffentlicht.<br />

Weitere gemeinsame Arbeitsgruppen von BDA und<br />

BDI, z. B. zur „Hochschulfinanzierung“ und zum<br />

„MINT-Nachwuchs“, wurden ins Leben gerufen.<br />

Auch wurde der bestehende Arbeitskreis von BDA<br />

und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) „Hochschule/Wirtschaft“<br />

um Mitglieder des BDI und somit zu<br />

einem gemeinsamen Arbeitskreis von BDA, BDI und<br />

HRK erweitert.<br />

In europapolitischen Angelegenheiten sprechen BDA<br />

und BDI seit Jahresbeginn mit einer Stimme und haben<br />

am 1. Februar ihre Arbeit im gemeinsamen Brüsseler<br />

Büro „BDI/BDA The German Business Representation“<br />

aufgenommen.<br />

Regelmäßige gemeinsame Sitzungen der Hauptgeschäftsführungen,<br />

der Abteilungsleiter sowie der Geschäftsführer<br />

der Mitgliedsverbände beider Organisationen<br />

führen zu einer verbesserten Kommunikation<br />

und einem informativen und konstruktiven Austausch<br />

zwischen den Verbänden. Zudem wurde im Personalbereich<br />

und in der Verwaltung die Zusammenarbeit<br />

von BDA und BDI weiter intensiviert.


BDA-Organisation<br />

135


136 In Memoriam<br />

In memoriam<br />

Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

in langjähriger Mitarbeit verbunden und<br />

hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer<br />

Sozialpolitik.<br />

Wir gedenken ihrer.<br />

In memoriam<br />

Dr. Hans-Joachim Gottschol<br />

Ehem. Vizepräsident und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

2. Februar <strong>2007</strong><br />

Dieter Fertsch-Röver<br />

Ehem. Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

2. März <strong>2007</strong><br />

Jakob Marquardt<br />

Ehem. Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

27. Juli <strong>2007</strong>


Impressum<br />

Bundesvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

im Haus der Deutschen Wirtschaft<br />

Breite Straße 29<br />

10178 Berlin<br />

Tel. +49 30 2033-1020<br />

Fax +49 30 2033-1025<br />

www.bda-online.de<br />

info@bda-online.de<br />

Stand: 14. Dezember <strong>2007</strong><br />

Fotografie<br />

Sascha Nolte<br />

www.noltepicture.de<br />

Konzeption und Gestaltung<br />

ariadne & wolf GmbH<br />

www.ariadneundwolf.de


www.BDA-online.de

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