Geschäftsbericht 2007
GESCHÄFTSBERICHT 2007
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GESCHÄFTSBERICHT <strong>2007</strong>
GESCHÄFTSBERICHT <strong>2007</strong>
03<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM<br />
04<br />
07<br />
21<br />
33<br />
47<br />
65<br />
87<br />
105<br />
117<br />
123<br />
129<br />
136<br />
139
04 Vorwort<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Deutschland hat im zweiten Jahr in Folge einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik<br />
gibt es mehr als 40 Mio. Erwerbstätige. Die Arbeitslosenzahl erreichte den niedrigsten Stand seit 14 Jahren.<br />
Die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte nimmt ab, das Staatsdefizit geht zurück, die Wirtschaft befindet sich<br />
insgesamt in einer robusten Verfassung und wächst solide, wenn auch abgeschwächt.<br />
Zur Euphorie besteht gleichwohl kein Anlass. Die Realität ist viel differenzierter. Viele unserer Strukturprobleme sind<br />
nach wie vor ungelöst, werden zurzeit nur überdeckt und die gute wirtschaftliche Lage gilt keineswegs für die ganze<br />
deutsche Wirtschaft. Im europäischen Vergleich steht Deutschland mit seinem Wachstum nach wie vor nur im Mittelfeld<br />
und ist somit weit davon entfernt, den Zug als Wachstumslokomotive anzuführen. Es gibt zahlreiche Risikofaktoren,<br />
die den Aufschwung begleiten: explodierende Energie- und Rohstoffpreise, ein massiver Dollarverfall, Auswirkungen<br />
der Finanzmarktkrise und eine sich abschwächende Welthandelskonjunktur.<br />
Wir dürfen uns bei den strukturellen Reformen in Deutschland deshalb keinen Stillstand erlauben und schon gar keine<br />
Reformrücknahmen, leichtsinnige Experimente wie beim Mindestlohn oder eine neue Verteilungsmentalität. Statt den<br />
Aufschwung zur Fortsetzung weiter gehender Strukturreformen zu nutzen, hat die große Koalition aber in diesem Jahr<br />
eine Kehrtwende vollzogen und sich zunehmend vom Reformkurs abgewandt, hat notwendige Reformen aufgeschoben,<br />
verwässert und sogar zurückgenommen und zusätzliche, unnötige Regulierung geschaffen. In der Arbeitsmarktpolitik<br />
ist dies mit der Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältere auf 24 Monate besonders spürbar. Zu einem<br />
Zeitpunkt, an dem die Rendite arbeitsmarktpolitischer Reformen gerade für die Älteren und für die Langzeitarbeitslosen<br />
sichtbar wird, nimmt die Politik eines der erfolgreichsten Elemente der Agenda 2010 zurück.<br />
Zur erfreulichen konjunkturellen Entwicklung haben in erster Linie die Anstrengungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />
beigetragen, zum Teil nach vorherigen Umstrukturierungen und Anpassungsmaßnahmen, die häufig nicht populär<br />
waren. Dazu beigetragen hat auch die Tarifpolitik mit einer äußerst variablen Lohnpolitik, mehr Differenzierung<br />
zwischen den Branchen und betrieblichen Abweichungsmöglichkeiten innerhalb eines Branchentarifvertrages. Auch<br />
wurden einige Weichen zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen gestellt: Allen voran steht<br />
die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 %, die die BDA lange Zeit allein gefordert und<br />
rechnerisch für möglich gehalten hatte. Damit wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag endlich unter 40 % gesenkt,<br />
wenngleich dieser Wert mit der von der Bundesregierung geplanten Reform der Pflegeversicherung und einem Beitragsanstieg<br />
Mitte nächsten Jahres bereits wieder überschritten wird. Richtig war auch die Anhebung der Regelaltersgrenze<br />
in der Rentenversicherung auf 67 Jahre, die von der BDA teils gegen den heftigen Widerstand aus der Politik seit vielen<br />
Jahren beharrlich gefordert wurde. Auch bei der unbefristeten Fortführung der beitragsfreien Entgeltumwandlung in der<br />
betrieblichen Altersvorsorge hat sich die BDA mit einer langjährigen Forderung durchgesetzt. Beim Bürokratieabbau<br />
gibt es erste richtige Schritte, die die BDA mit vielen Vorschlägen begleitet. Beim Abbau der Bürokratie ist aber mehr<br />
erforderlich als die reine Messung – entscheidend ist die Verringerung der Lasten für die Unternehmen.<br />
Ebenfalls mit Sorge sehen wir die Gefahren, die der Tarifautonomie durch die Zersplitterung der Tarifeinheit und<br />
durch eine staatliche Lohnpolitik mit branchenbezogenen Mindestlöhnen drohen. Wenn kleine, spezialisierte Spartengewerkschaften<br />
aus der betrieblichen Tarifeinheit ausbrechen und ihr Erpressungspotenzial nutzen können, um<br />
auf dem Rücken der Gesamtbelegschaft oder gar der gesamten deutschen Wirtschaft ihre Partikularinteressen durchzusetzen,<br />
dann steht die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages auf dem Spiel. Der Tarifkonflikt bei der Bahn hat
Vorwort<br />
05<br />
dies sehr deutlich gemacht. Ebenso deutlich belegt der Fall Post, dass sich die Politik auf einem beschäftigungspolitischen<br />
Irrweg befindet und zur Vernichtung von Arbeitsplätzen beiträgt, wenn branchenbezogene Tariflöhne mit gesetzesgleicher<br />
Wirkung vorgeschrieben werden. Wenn die große Koalition mit weiteren Gesetzesänderungen, die für<br />
das Frühjahr kommenden Jahres geplant sind, ein System branchenbezogener gesetzlicher Mindestlöhne anstrebt,<br />
wird das zu erheblichem Schaden auf dem Arbeitsmarkt führen und die Tarifautonomie beschädigen. Wir werden<br />
uns dem entschieden entgegenstellen.<br />
Der vorliegende <strong>Geschäftsbericht</strong> informiert Sie über die wichtigsten politischen Schwerpunkte unserer Arbeit<br />
im Jahr <strong>2007</strong>.<br />
Dr. Reinhard Göhner<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
Berlin, im Dezember <strong>2007</strong>
07<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
08 Arbeitsmarkt<br />
Nachhaltige Erfolge brauchen<br />
konsequenten und konsistenten<br />
Reformkurs<br />
Der Arbeitsmarkt profitiert weiter vom kräftigen<br />
konjunkturellen Aufschwung. Die Zahl der Arbeitslosen<br />
ist gegenüber 2006 um rd. 700.000 zurückgegangen<br />
und lag im Jahresdurchschnitt <strong>2007</strong> nur noch bei<br />
rd. 3,8 Mio. Im November wurde sogar der niedrigste<br />
Stand seit 14 Jahren erreicht. Darüber hinaus darf aber<br />
nicht vergessen werden, dass die seit 2001 verloren<br />
gegangenen 1,7 Mio. sozialversicherungspflichtigen<br />
Arbeitsplätze gerade erst einmal gut zur Hälfte wieder<br />
wettgemacht sind. Auch der viel zu hohe Sockel der<br />
Langzeitarbeitslosen schmilzt noch immer zu langsam.<br />
Von zuletzt über 5 Mio. Arbeitslosengeld-II-Beziehern<br />
sind gerade einmal ein Viertel überhaupt einer Beschäftigung<br />
– meist sogar nur einem Minijob – nachgegangen.<br />
Drei Viertel gehen keiner offiziellen Erwerbsarbeit<br />
nach. Das alles ist ein klares Signal für die Politik, dass<br />
die gute Arbeitsmarktentwicklung nur nachhaltig werden<br />
kann, wenn die Reformpolitik in sich konsequent<br />
und konsistent bleibt.<br />
Die Regierungskoalition hat mit der von der BDA mit<br />
Nachdruck eingeforderten weiteren deutlichen Absenkung<br />
des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung auf<br />
3,3 % ab 2008 ohne Zweifel einen wichtigen Schritt<br />
getan. Zusammen mit der Senkung des Beitragssatzes<br />
von 6,5 % auf 4,2 % Anfang <strong>2007</strong> wird damit der Beitrag<br />
zur Arbeitslosenversicherung praktisch halbiert und<br />
erstmals wieder ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag<br />
von unter 40 % erreicht. Leider ist durch andere falsche<br />
und widersprüchliche Entscheidungen derselben Koalitionsregierung<br />
in der Arbeitsmarktpolitik ein schädlicher<br />
und vor allem auch langfristig beunruhigender Zickzackkurs<br />
eingeschlagen worden. Wichtige Reformen<br />
der Agenda 2010 wurden zurückgedreht. Das längere<br />
Arbeitslosengeld für Ältere ist nicht nur eine schwere<br />
Hypothek für die Arbeitslosenversicherung, sondern<br />
auch arbeitsmarktpolitisches Gift und ein Bärendienst<br />
für die vermeintlich Begünstigten. Diese Rolle rückwärts<br />
gegen die einhelligen Warnungen aller unabhängigen<br />
Wirtschaftsexperten ist umso unverständlicher, als der<br />
von der BDA zu Beginn des Jahrzehnts angestoßene<br />
Kurswechsel zu mehr Beschäftigung Älterer mittlerweile<br />
eine Erfolgsstory geworden ist.<br />
Im Widerspruch zur richtigen Reformpolitik stehen<br />
auch die neuen staatlichen Beschäftigungsmaßnahmen<br />
für hunderttausende Arbeitslose, mit denen Milliarden<br />
Euro verschwendet werden, weil sie nichts anderes<br />
sind als alte ABM in neuen Kleidern. Gerade jetzt,<br />
wo noch zögerlich, aber immerhin auch mehr langzeitarbeitslose<br />
Menschen in den ersten Arbeitsmarkt<br />
kommen, kann dies nur als arbeitsmarktpolitische<br />
Geisterfahrt bezeichnet werden.<br />
Eine komplette Rolle rückwärts findet auch bei der gerade<br />
erst mit Hartz IV völlig zu Recht eingeführten systematischen<br />
Trennung zwischen der beitragsfinanzierten<br />
Arbeitslosenversicherung und der steuerfinanzierten<br />
staatlichen Sozial- und Fürsorgepolitik statt. So werden<br />
die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung künftig<br />
jedes Jahr system- und wohl auch verfassungswidrig mit<br />
zunächst rd. 5 Mrd. € an der Hälfte der Verwaltungsund<br />
Maßnahmekosten im Bereich der Fürsorgeleistung<br />
Arbeitslosengeld II belastet. Nachdem das notwendige<br />
„Fordern und Fördern“ im Arbeitslosengeld-II-Bereich<br />
vor allem aufgrund der vom Gesetzgeber zu verantwortenden<br />
unklaren Verantwortlichkeiten immer noch<br />
nicht annähernd ausreichend geleistet wird, ist es geradezu<br />
widersinnig, jetzt die Beitragszahler für diese<br />
Versäumnisse haften zu lassen, um den Bundeshaushalt<br />
zu entlasten.<br />
Geradezu grotesk wäre überdies, den Beitragszahlern<br />
die Kosten einer neuen Fürsorgeleistung aufzubürden,<br />
wie sie in der Koalition mit dem sog. Erwerbstätigenzuschuss<br />
angestrebt wird. Eine solche Fürsorgeleistung<br />
bedeutete letztlich nichts anderes, als in unserem Sozialstaat<br />
jetzt ein Schutzsystem vor einem anderen<br />
Schutzsystem zu errichten. Absurder geht es kaum. Statt<br />
nach der gerade erst erfolgten Zusammenfassung von<br />
Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe jetzt ein ganz neues,<br />
zusätzliches Leistungssystem mit gewaltigem eigenen<br />
Bürokratieaufwand zu etablieren, muss die vom Grundansatz<br />
her richtige Hartz-IV-Reform vernünftig zu Ende<br />
geführt werden. Erforderlich sind die Herstellung klarer<br />
Verantwortlichkeiten und die konsequente Etablierung<br />
der gleichen Transparenz und der gleichen Steuerungslogik<br />
nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit wie im Versicherungszweig<br />
der Bundesagentur für Arbeit (BA). Außerdem<br />
bedarf es der Beseitigung der Fehlanreize, sich<br />
mit einem geringen Hinzuverdienst als Taschengeld in<br />
Leistungsbezug und Arbeitslosigkeit einzurichten.
Arbeitsmarkt<br />
09<br />
Zielgerichtete Reformen sind hier gerade auch im Interesse<br />
der betroffenen Menschen notwendig, um unsoziale<br />
Ausgrenzungen vom Arbeitsmarkt zu vermeiden.<br />
Der Erfolg bei der Beschäftigung Älterer hat bewiesen,<br />
dass gerade das, was anfangs unpopulär erscheint, letztlich<br />
doch für jedermann sichtbar positive Früchte trägt.<br />
Die Koalition ist jedoch dabei, sogar das Gegenteil zu<br />
tun und durch gesetzlich für verbindlich erklärte, viel<br />
zu hohe branchenspezifische Mindestlöhne Menschen<br />
mit geringer Produktivität regelrecht vom ersten Arbeitsmarkt<br />
auszusperren. Will die Koalition der positiven<br />
Arbeitsmarktentwicklung zu nachhaltigem Erfolg verhelfen,<br />
muss sie zu einem konsequenten und vor allem<br />
konsistenten Reformkurs zurückfinden.<br />
Aufschwung am Arbeitsmarkt<br />
stützen<br />
Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt infolge des<br />
konjunkturellen Aufschwungs hat sich auch im zweiten<br />
Halbjahr <strong>2007</strong> fortgesetzt. Die Arbeitslosenzahl ist weiter<br />
spürbar gesunken und erreichte Ende des Jahres (November)<br />
den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. Erstmals<br />
seit 2001 waren mit rd. 3,8 Mio. Arbeitslosen im Jahresschnitt<br />
<strong>2007</strong> wieder weniger als 4 Mio. Menschen ohne<br />
Arbeitsplatz. Gegenüber dem Vorjahr ging damit die Zahl<br />
der registrierten Arbeitslosen um rd. 700.000 zurück. Besonders<br />
profitiert vom Aufschwung am Arbeitsmarkt haben<br />
die Älteren: Die Zahl der Arbeitslosen, die 55 Jahre<br />
und älter sind, lag Ende <strong>2007</strong> sogar um über 20 % unter<br />
dem Vorjahresniveau.<br />
Parallel zum Rückgang der Arbeitslosigkeit hat die<br />
Zahl der Beschäftigten im Jahr <strong>2007</strong> zugelegt: Erstmals<br />
in der Geschichte der Bundesrepublik gab es im September<br />
mehr als 40 Mio. Erwerbstätige, die Zahl der<br />
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kletterte im<br />
August erstmals seit 2003 wieder über die 27-Mio.-<br />
Marke und lag zuletzt bei fast 27,5 Mio. (letztverfügbarer<br />
Wert: September). Allerdings ist damit gegenüber<br />
dem letzten Aufschwung – im Jahr 2001 gab es über<br />
28 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – erst<br />
gut die Hälfte der zwischenzeitlich verloren gegangenen<br />
1,7 Mio. Arbeitsplätze wieder wettgemacht.<br />
Noch immer sind fundamentale Reformaufgaben für<br />
den Arbeitsmarkt nicht erledigt, teilweise wurden richtige<br />
Reformen sogar zurückgeschraubt. Trotz weiterhin<br />
hoher Arbeitslosigkeit haben viele Unternehmen Pro-<br />
Arbeitslose im Jahr <strong>2007</strong>: Rückang vor allem bei Beziehern von Arbeitslosengeld<br />
5<br />
Arbeitslose in Mio.<br />
SGB II SGB III<br />
4<br />
3<br />
1,60<br />
1,58<br />
1,47<br />
1,35<br />
1,24<br />
1,16<br />
1,20 1,19<br />
1,10<br />
1,04<br />
1,01<br />
2<br />
2,65<br />
2,65<br />
2,63<br />
2,61 2,57<br />
2,52<br />
2,52 2,52<br />
2,45 2,40 2,37<br />
1<br />
0<br />
JAN FEB MRZ APR MAI JUN JUL AUG SEPT OKT NOV<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, <strong>2007</strong>
10 Arbeitsmarkt<br />
harrt: Während es Ende <strong>2007</strong> über ein Viertel weniger<br />
arbeitslose Arbeitslosengeldbezieher gab als im Vorjahr,<br />
sank die Zahl der Arbeitslosen, die die staatliche Fürsorgeleistung<br />
beziehen, um weniger als 10 %. So erfreulich<br />
es ist, dass sich die gute Konjunktur inzwischen auch<br />
hier positiv auswirkt – ohne eine breit angelegte, wirklich<br />
offensive Aktivierungs- und Vermittlungsstrategie<br />
der Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen und<br />
ohne Beseitigung fortbestehender gesetzlicher Fehlanreize<br />
beim Arbeitslosengeld II kann es kaum gelingen,<br />
die Zahl vor allem der langfristig Arbeitslosen nachhalbleme,<br />
geeignete Arbeitskräfte zu finden, und ein Teil<br />
der im Jahresdurchschnitt 1,1 Mio. offenen Stellen am<br />
ersten Arbeitsmarkt konnte <strong>2007</strong> nicht besetzt werden.<br />
Dies alles belegt, dass zu übertriebener Euphorie überhaupt<br />
kein Anlass besteht.<br />
Besonders negativ muss bewertet werden, dass trotz erster<br />
Fortschritte beim Abbau der Arbeitslosigkeit auch im<br />
Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II die Zahl<br />
Langzeitarbeitsloser und gering Qualifizierter ohne Beschäftigung<br />
auf einem inakzeptabel hohen Niveau ver-<br />
Zunehmende Fachkräfteengpässe gefährden den Aufschwung<br />
Obgleich die Arbeitsmarktstatistik im Jahr <strong>2007</strong><br />
noch immer durchschnittlich rd. 3,8 Mio. Arbeitslose<br />
gezählt hat, haben angesichts des konjunkturellen<br />
Aufschwungs viele Unternehmen in Deutschland<br />
zunehmend Schwierigkeiten, offene Stellen<br />
zu besetzen. Dies gilt vor allem für Tätigkeiten, die<br />
qualifizierte Fachkräfte erfordern. Zwar ist bislang<br />
nach wie vor noch kein genereller Fachkräftemangel<br />
zu verzeichnen, in einigen Branchen und Regionen<br />
sind jedoch Fachkräfteengpässe bereits deutlich<br />
spürbar geworden.<br />
Besonders offensichtlich sind die bestehenden Fachkräfteengpässe<br />
bei Ingenieuren: Nach neuesten Untersuchungen<br />
des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln<br />
(IW), die im Herbst <strong>2007</strong> vorgestellt wurden, konnten<br />
bereits im vergangenen Jahr etwa 48.000 Ingenieurstellen<br />
nicht besetzt werden. Die Unternehmen suchen<br />
aber nicht nur Hochschulabsolventen, sondern<br />
auch Facharbeiter. Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte<br />
zu finden, haben dabei vor allem Betriebe in<br />
der Metall- und Elektroindustrie. Hier gibt es in einigen<br />
Berufen im bundesweiten Durchschnitt bereits<br />
mehr offene Stellen als registrierte Arbeitslose – so<br />
z. B. bei Drehern, Schweißern, Elektrikern oder Werkzeugmachern.<br />
Daneben gibt es aber z. B. auch bei<br />
Werbe- und Dienstleistungskaufleuten einen Stellenüberhang.<br />
Hinzu kommen weitere Berufe, bei denen<br />
es bereits weniger als drei Arbeitslose pro offener Stelle<br />
gibt. Da nach Erfahrungen der Arbeitsvermittlung<br />
ein erfolgreiches „Matching“ bei einer Stellen-Bewerber-Relation<br />
von weniger als eins zu drei schwierig<br />
ist, kann dies ebenfalls als Indikator für einen Fachkräfteengpass<br />
gewertet werden.<br />
Fachkräfteengpässe, die mit anziehender Konjunktur<br />
und angesichts der demografischen Entwicklung weiter<br />
zunehmen werden, bremsen das wirtschaftliche<br />
Wachstum und den Aufschwung. Der gesamtwirtschaftliche<br />
Wohlstandsverlust infolge der unfreiwilligen<br />
Vakanzen im Bereich hochqualifizierter Arbeit<br />
belief sich nach aktuellen Untersuchungen des IW<br />
Köln bereits im Jahr 2006 auf rd. 18,5 Mrd. € – das<br />
entspricht 0,8 % des Bruttoinlandsproduktes. Die umfangreichen<br />
Anstrengungen der Unternehmen in der<br />
Aus- und Weiterbildung allein werden nicht ausreichen,<br />
um die damit verbundenen Herausforderungen<br />
bewältigen zu können. Notwendig ist vielmehr zügig<br />
eine ausgewogene und schlüssige Gesamtstrategie<br />
zur Fachkräftesicherung. Zu deren Eckpunkten muss<br />
neben Verbesserungen im Bildungsbereich und weiteren<br />
Reformen für den Arbeitsmarkt, die auch auf<br />
eine weitere Steigerung der Erwerbsbeteiligung von<br />
Frauen und älteren Arbeitnehmern abzielen müssen,<br />
eine stärker an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes<br />
orientierte Zuwanderung gehören.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Fachkräftesicherung“<br />
veröffentlicht. Dieser ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.
Arbeitsmarkt<br />
11<br />
tig zu senken; schließlich haben Ende <strong>2007</strong> gut 70 %<br />
aller Arbeitslosen Arbeitslosengeld II bezogen und waren<br />
damit zum Großteil mindestens ein Jahr oder noch<br />
länger arbeitslos.<br />
Dies dürfte neben der voraussichtlich leichten Konjunkturabkühlung<br />
im Jahr 2008 ebenfalls ein Grund dafür<br />
sein, dass Wirtschaftsforscher davon ausgehen, dass<br />
sich der Abbau der Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr<br />
verlangsamen wird. Für 2008 rechnet das Institut für Arbeitsmarkt-<br />
und Berufsforschung (IAB) mit durchschnittlich<br />
3,4 Mio. Arbeitslosen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten wird 2008 nach den<br />
Schätzungen der Forscher nur noch um etwa 270.000<br />
zulegen – für <strong>2007</strong> geht das IAB von einem Plus im Vergleich<br />
zum Vorjahr von mehr als 530.000 aus.<br />
Damit wird ganz deutlich: Werden nicht substanzielle<br />
Reformen auf den Weg gebracht, um strukturelle Verkrustungen<br />
am Arbeitsmarkt aufzubrechen und auch gering<br />
Qualifizierte und Langzeitarbeitslose wieder stärker<br />
an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen, droht sich<br />
der Aufschwung am Arbeitsmarkt schnell abzukühlen.<br />
Weitere kräftige Senkung des BA-<br />
Beitragssatzes auch Erfolg der BDA<br />
Die weitere kräftige Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung<br />
von 4,2 % auf 3,3 % ab 2008 ist ein<br />
großer arbeitsmarktpolitischer Erfolg. Ursprünglich war<br />
lediglich eine Senkung auf 3,9 % vorgesehen. Die BDA<br />
hatte sich vor dem Hintergrund der positiven Finanzentwicklung<br />
bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits<br />
frühzeitig für 3,2 % als solide Senkungsperspektive eingesetzt.<br />
Zusammen mit der erst Anfang <strong>2007</strong> erfolgten – und<br />
auch von der BDA mit Nachdruck eingeforderten – Absenkung<br />
von 6,5 auf 4,2 % wird damit der Beitrag zur<br />
Arbeitslosenversicherung binnen Jahresfrist praktisch<br />
halbiert. Bund und Länder haben versicherungsfremde<br />
Leistungen der BA zumindest in Teilen systemgerecht in<br />
ihre Finanzierungsverantwortung übernommen und dafür<br />
einen Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens<br />
zur Verfügung gestellt, was die Beitragssatzsenkung unterstützte.<br />
Erstmals wird wieder ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag<br />
von unter 40 % erreicht. Dies gibt den<br />
Beitragszahlern ihr überzahltes Geld zurück, schafft zu-<br />
sätzliche Beschäftigungschancen und erschwert es gleichzeitig,<br />
dass Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung<br />
für unsinnige Arbeitsmarktprogramme verschwendet<br />
werden.<br />
Die Beitragssatzsenkung erfolgt mit Augenmaß auf der<br />
Grundlage der mittelfristigen Finanzplanung, basierend<br />
auf den ökonomischen Eckwerten der Bundesregierung<br />
über Wachstum und Beschäftigung. Der öffentlich erweckte<br />
Eindruck, die Beitragssatzsenkung treibe die BA<br />
im kommenden Jahr wieder in ein Defizit und damit in<br />
„alte Zeiten“, ist grob irreführend. Richtig ist zwar, dass<br />
Einnahmen und Ausgaben 2008 unterjährig nicht ausgeglichen<br />
sein werden. Zum einen ist aber der größte Teil<br />
des „Defizits“ die Zuführung von Mitteln in den neuen<br />
Versorgungsfonds. Die Arbeitslosenversicherung ist<br />
damit der einzige Zweig der Sozialversicherung, der zu<br />
Gunsten der künftigen Generation von Beitragszahlern<br />
vorausschauend Rücklagen für künftige Pensionsansprüche<br />
bildet. Zum anderen kann für die BA ein unge-<br />
Beschluss des Präsidiums der BDA<br />
vom 17. September <strong>2007</strong> – Auszug<br />
Das Präsidium der BDA hat in seinem Beschluss zu<br />
Arbeitsmarktreformen gefordert:<br />
• Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 3,2 %<br />
senken<br />
• Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung<br />
nicht mit neuen versicherungsfremden Ausgaben<br />
belasten<br />
• Keine neuen unsinnigen staatlichen Beschäftigungsprogramme<br />
auflegen<br />
• Mängel bei bestehenden öffentlichen Arbeitsgelegenheiten<br />
schnell beseitigen<br />
Abgesehen von der weitgehend umgesetzten Beitragssatzsenkung<br />
bleiben Politik und Gesetzgeber<br />
gefordert, Strukturreformen am Arbeitsmarkt voranzubringen,<br />
statt mit Beschäftigungsprogrammen<br />
und versicherungsfremden Lasten wie dem<br />
sog. Eingliederungsbeitrag neue Verwerfungen<br />
herbeizuführen.
12 Arbeitsmarkt<br />
Eingliederungsbeitrag<br />
abschaffen<br />
Der ab 2008 eingeführte „Eingliederungsbeitrag“<br />
ist entschieden abzulehnen. Die Finanzierung von<br />
Fördermaßnahmen für erwerbsfähige Fürsorgeempfänger<br />
ist eine staatliche Aufgabe, die aus Steuern<br />
finanziert werden muss und nicht aus Beiträgen. Zu<br />
Recht lehnen auch Bundesrat und Sachverständigenrat<br />
den Eingliederungsbeitrag nachdrücklich ab,<br />
denn damit wird der Fehler des im Gegenzug abgeschafften<br />
Aussteuerungsbetrags sogar noch vertieft.<br />
Die Verfassungswidrigkeit des Aussteuerungsbetrags<br />
war nach einem von BDA und DGB beauftragten<br />
Rechtsgutachten klar belegt. Offensichtlich spielt<br />
der Bund mit Einführung des Eingliederungsbeitrags<br />
auf Zeit, weil die Überprüfung des neuen Finanzierungstricks<br />
zu Lasten der Beitragszahler auch einen<br />
neuen Anlauf erfordert. Wenn Gelder der Arbeitslosenversicherung<br />
nicht für gesamtgesellschaftliche<br />
Zwecke entfremdet werden, kann der Beitragssatz<br />
erheblich stärker gesenkt werden. Das trägt bei zu<br />
neuen zusätzlichen Arbeitsplätzen und damit noch<br />
besseren Beschäftigungschancen für alle. Immerhin<br />
entspricht der Eingliederungsbeitrag allein jährlich<br />
einem weiteren Beitragssatzsenkungspotenzial von<br />
rd. 0,6 Prozentpunkten.<br />
decktes Defizit 2008 schon deshalb gar nicht entstehen,<br />
weil sie mit einem Finanzpolster von rd. 18 Mrd. € in<br />
das Jahr 2008 einsteigt. Trotz Beitragssatzsenkung wird<br />
die BA nach der mittelfristigen Finanzplanung dauerhaft<br />
bis 2011 über eine Reserve von fast 14 Mrd. €<br />
verfügen – plus dem Versorgungsfonds mit dann über<br />
3 Mrd. €. Die Arbeitgeber setzen sich dafür ein, von den<br />
Überschüssen 9 Mrd. € in eine gesonderte Liquiditätsreserve<br />
einzustellen, um BA und Beitragszahler auch über<br />
eine gewisse Phase konjunktureller Schwäche von Finanzrisiken<br />
weitgehend freizustellen. Diese Liquiditätsreserve<br />
muss gesetzgeberisch auf genau diesen Zweck<br />
hin ausgerichtet werden.<br />
Leider missbraucht der Bund die günstige Finanzsituation<br />
der Arbeitslosenversicherung in kurzsichtiger Weise<br />
zu einem erneuten tiefen Griff in die Beitragskasse. Mit<br />
dem sog. Eingliederungsbeitrag werden ab 2008 jährlich<br />
fast 5 Mrd. € aus der Beitragskasse abgezweigt, um damit<br />
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und entsprechende<br />
Verwaltungskosten im Fürsorgebereich Arbeitslosengeld<br />
II zu finanzieren. Weitere versicherungsfremde<br />
Leistungen in Höhe von fast 300 Mio. € jährlich bürdet<br />
der Bund der Arbeitslosenversicherung auf, indem<br />
er sich ohne Begründung aus der Finanzierung von Arbeitslosengeldansprüchen<br />
aus Erziehungszeiten zurückzieht.<br />
Eine Politik nach Kassenlage und ohne sachliche<br />
Begründung begibt sich in gefährliches Fahrwasser, weil<br />
die Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit finanzieller<br />
Belastungen und damit auch deren Akzeptanz<br />
schwindet. Mit der Erhöhung der versicherungsfremden<br />
Lasten in der Arbeitslosenversicherung wird auf Kosten<br />
von Beschäftigungschancen Spielraum für Beitragssenkungen<br />
verschenkt und auch die mit der Zuführung von<br />
einem Mehrwertsteuerpunkt sachgerechte Finanzierung<br />
von Fremdleistungen aus Steuermitteln konterkariert.<br />
Gerade bei Großsystemen wie der Arbeitslosenversicherung<br />
bedarf es der Systemkonformität, um Vertrauen<br />
wachsen lassen und Nachhaltigkeit sichern zu können.<br />
Gegen die einhellige Expertenmeinung hat die Regierungskoalition<br />
auch entschieden, die Bezugsdauer<br />
des Arbeitslosengeldes für Ältere wieder zu verlängern.<br />
CDU und SPD haben sich von dieser Entscheidung<br />
nach den schon schweren Fehlern der Parteitagsbeschlüsse<br />
nicht mehr abbringen lassen. Längeres<br />
Arbeitslosengeld ist eine schwere Hypothek für die<br />
Arbeitslosenversicherung und arbeitsmarktpolitisches<br />
Gift. Ältere erhalten künftig wieder bis zu 24 Monate<br />
Arbeitslosengeld, nachdem richtigerweise erst Anfang<br />
2006 die Höchstdauer von 32 auf 18 Monate begrenzt<br />
worden waren. Statt die günstige Konjunktur zu<br />
weiteren Reformen für mehr Beschäftigung zu nutzen,<br />
wird die Agenda 2010 damit in einem zentralen Punkt<br />
leider wieder zurückgedreht, nachdem sie gerade erst<br />
in Kraft getreten war. Die Verlängerung ist ein Rückschlag,<br />
den auch Bundesbank und Sachverständigenrat<br />
heftig kritisiert haben.<br />
Ziel muss die schnelle Beendigung bzw. Verhinderung<br />
von Arbeitslosigkeit sein, nicht ein politischer Wettlauf<br />
darum, wer noch längere Versorgung bei Arbeitslosigkeit<br />
verspricht. Alle Kräfte müssen darauf konzentriert<br />
werden, gerade auch Ältere schnell wieder in
Arbeitsmarkt<br />
13<br />
Rente vorrangig vor Fürsorgeleistung<br />
Ende <strong>2007</strong> wurde intensiv darüber debattiert, wann<br />
Langzeitarbeitslose Rente beantragen müssen. Die staatliche<br />
Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II ist gegenüber<br />
jedem anderen Einkommen und Vermögen absolut<br />
nachrangig. Das ist schon deshalb sinnvoll und geboten,<br />
weil diese Leistung auch von Menschen über ihre<br />
Steuern mitfinanziert wird, die selbst nur ein geringes<br />
Einkommen erzielen. Wer durch die Inanspruchnahme<br />
einer Rente seine Bedürftigkeit vermeiden kann, muss<br />
dies deshalb ebenso tun wie jemand, der über anderes<br />
eigenes Einkommen, Vermögen oder die finanzielle<br />
Unterstützung eines Partners verfügt. Die Solidargemeinschaft<br />
springt nur dann und nur so weit ein, wenn<br />
der Einzelne sich nicht selbst helfen kann. Anderenfalls<br />
würde paradoxerweise sogar jemand mit hohem Rentenanspruch<br />
durch die Steuern von Arbeitnehmern unterstützt,<br />
die selbst nur eine geringere Rente erwarten<br />
können. Die vorrangige Nutzung der eigenen Rentenansprüche<br />
als „Zwangsverrentung“ zu bezeichnen, ist<br />
in doppelter Weise irreführend: So wird eine Schlechterstellung<br />
von Rentenberechtigten suggeriert, obwohl<br />
sie in Wirklichkeit mit Berechtigten anderer Einkunftsarten<br />
nur gleichgestellt werden. Außerdem wird mit der<br />
Anforderung, einen bestehenden Rentenanspruch auch<br />
geltend zu machen, niemand vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.<br />
Im Gegenteil kann jeder Arbeitslose auch<br />
nach Rentenbeginn weiter arbeiten. Die BDA tritt dafür<br />
ein, dies durch eine Abschaffung der überflüssigen gesetzlichen<br />
Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten<br />
noch zu fördern. Massiv hat sich die BDA gegen<br />
im November <strong>2007</strong> aufgekommene Bestrebungen<br />
gewandt, die gesetzlich Ende <strong>2007</strong> auslaufende „58 er-<br />
Regelung“ – nach der ältere Arbeitslose ab 58 Jahren<br />
nicht mehr für die Vermittlung zur Verfügung stehen<br />
müssen und trotzdem Leistungen erhalten – doch noch<br />
einmal zu verlängern. Dieser Einsatz war erfolgreich.
14 Arbeitsmarkt<br />
neue Arbeit zu bringen. Die Zeit dafür ist günstig. Ältere<br />
Arbeitslose profitieren vom aktuellen Aufschwung<br />
am Arbeitsmarkt mehr als andere. Im zweiten Quartal<br />
<strong>2007</strong> lag die Beschäftigungsquote 55- bis 64-Jähriger<br />
erstmals über dem von der EU-Kommission für<br />
das Jahr 2010 anvisierten Zielwert von 50 % („Lissabon-Ziel“).<br />
Auch die Arbeitslosigkeit Älterer ist <strong>2007</strong><br />
kräftig zurückgegangen: Die Zahl der Arbeitslosen<br />
über 55 Jahre lag Ende des Jahres um ein Fünftel unter<br />
dem Vorjahresniveau – damit war der Rückgang hier<br />
sogar stärker als bei der Arbeitslosigkeit insgesamt.<br />
Ohne Not wird mit der Verlängerung des Arbeitslosengelds<br />
den Beitragszahlern ein Kostenrisiko in Milliardenumfang<br />
aufgebürdet. Die Koalition hat zwar<br />
beschlossen, dies für die Arbeitslosenversicherung<br />
aufkommensneutral umzusetzen. Zu befürchten ist jedoch,<br />
dass dies letztlich auf ein Verschleierungsmanöver<br />
hinausläuft. Und selbst eine vermeintliche Kostenneutralität<br />
würde nichts an der fundamental falschen<br />
Weichenstellung beim Arbeitslosengeld ändern, weil<br />
längst erwiesen ist, dass längere Arbeitslosengeldansprüche<br />
auch zu längerer Arbeitslosigkeit führen und<br />
sich vor allem im Konjunkturabschwung zur teuren<br />
Brücke in die Rente entpuppen dürften.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosenversicherung“<br />
sowie den kompakt „Ältere Arbeitnehmer“<br />
veröffentlicht. Beide sind über www.bda-online.de<br />
abrufbar.<br />
Fördern und Fordern<br />
von Langzeitarbeitslosen<br />
statt kontraproduktive<br />
Arbeitsmarktprogramme<br />
Die Aufwärtsentwicklung am Arbeitsmarkt hat im Lauf<br />
des Jahres <strong>2007</strong> erfreulicherweise – wenn auch zögerlich<br />
– den Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II<br />
erreicht. Es gilt jetzt verstärkt, das weiterhin positive konjunkturelle<br />
Umfeld zu nutzen und mehr Langzeitarbeitslosen<br />
und geringer Qualifizierten echte Beschäftigungsperspektiven<br />
am ersten Arbeitsmarkt zu geben. Auch<br />
Beschäftigungsquote Älterer: Kurswechsel zeigt Erfolge (IN PRozent)<br />
52<br />
49<br />
45<br />
41<br />
38 38<br />
37<br />
38 38<br />
39<br />
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 <strong>2007</strong><br />
Hier jeweils die Werte für das zweite Quartal. Quelle: Eurostat, <strong>2007</strong>
Arbeitsmarkt<br />
15<br />
knapp drei Jahre nach dem Start von Hartz IV ist aber<br />
die dazu notwendige Strategie für eine umfassende Aktivierung<br />
und gezielte Unterstützung von erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen noch nicht richtig und flächendeckend<br />
in Gang gekommen. Neben fortbestehenden Fehlanreizen<br />
im Arbeitslosengeld II bleibt größter Hemmschuh<br />
die falsch ausgestaltete Mischverwaltung aus Kommunen<br />
und Arbeitsagenturen, die zu mangelnder Transparenz<br />
und unklaren Verantwortlichkeiten führt. Weit reichende<br />
Initiativen der Bundesregierung, das Arbeitslosengeld II<br />
grundlegend zu überarbeiten und tatsächlich den Niedriglohnsektor<br />
neu zu ordnen, stehen Ende <strong>2007</strong> auch<br />
nach der Arbeit der Koalitionsarbeitsgruppe „AG Arbeitsmarkt“<br />
immer noch aus.<br />
Reformbedarf besteht weiterhin beim grundsätzlich<br />
richtigen Kombi-Einkommen aus Erwerbseinkommen<br />
und aufstockendem Arbeitslosengeld II. Rund die Hälfte<br />
der etwa 1,25 Mio. Kombi-Einkommens-Bezieher<br />
im Jahr <strong>2007</strong> hat ein eigenes Erwerbseinkommen von<br />
weniger als 400 € monatlich angegeben. Es ist offenbar<br />
nach wie vor attraktiv, sich nur ein geringes Erwerbseinkommen<br />
zum Arbeitslosengeld II „hinzuzuverdienen“<br />
und bei viel Freizeit im Leistungsbezug einzurichten.<br />
Um solche Fehlanreize zu vermeiden, ist es sinnvoll,<br />
bis zu 200 € eigenes Einkommen voll auf die Fürsorgeleistung<br />
anzurechnen, wie es der Sachverständigenrat<br />
schon 2006 vorgeschlagen hat. Darüber hinaus wäre<br />
eine durchgängige Anrechnungsfreistellung von 15 %<br />
denkbar. Die BDA setzt sich weiterhin dafür ein, dass<br />
für Jugendliche die Regelleistung generell auf 50 % abgesenkt<br />
und der volle Leistungssatz (bzw. plus Kombi-<br />
Einkommen) nur gewährt wird, wenn eine Arbeit, Ausbildung<br />
oder Fördermaßnahme angenommen wird. Für<br />
mehr Arbeitsanreize müssen zudem die Zuschläge zum<br />
Arbeitslosengeld II nach dem Bezug von Arbeitslosengeld<br />
gestrichen werden, weil diese letztlich höhere Leistungen<br />
für Nichtarbeit bedeuten.<br />
Völlig überflüssig und arbeitsmarktpolitisch fragwürdig<br />
wäre die Einführung einer neuen Parallelleistung<br />
zum Arbeitslosengeld II zur Unterstützung von Geringverdienern.<br />
Die Koalition hat im Herbst <strong>2007</strong> beschlossen,<br />
die Einführung eines sog. Erwerbstätigen-<br />
Aktivierungs- und Vermittlungsstrategie flächendeckend angehen<br />
Die passgenaue Arbeitsvermittlung bleibt eine zentrale<br />
arbeitsmarktpolitische Herausforderung – sowohl<br />
in der Arbeitslosenversicherung als auch im Fürsorgesystem.<br />
Während aber im Zuge der BA-Reform<br />
bereits entsprechende Konzepte Form annehmen, ist<br />
beim Arbeitslosengeld II noch keine klare Strategie zu<br />
erkennen. Kernelemente der BA-Strategie sind neben<br />
dem Ausbau des Arbeitgeberservice die in diesem Jahr<br />
durchgängig etablierten „Handlungsprogramme“, mit<br />
denen verbindliche Qualitätsstandards auch für die<br />
Aktivierung und Förderung von Arbeitslosen festgelegt<br />
werden. Die BDA setzt sich zudem auch im BA-Verwaltungsrat<br />
dafür ein, dass die Bundesagentur so weit<br />
wie möglich mit privaten Arbeitsmarktdienstleistern<br />
zusammenarbeitet. <strong>2007</strong> konnte mit Nachdruck der<br />
Arbeitgeber in immerhin zehn Arbeitsagenturen ein<br />
Modellversuch zum umfassenden Einsatz von Privaten<br />
gestartet werden. Ebenso wird die BA künftig bei der<br />
Integration von denjenigen Arbeitslosen, die beson-<br />
ders intensiv betreut werden müssen, verstärkt ganzheitlichen<br />
Service bei privaten Dritten einkaufen.<br />
Ganzheitliche Konzepte sind vor allem auch im Fürsorgesystem<br />
Arbeitslosengeld II notwendig, um Langzeitarbeitslosen<br />
und geringer Qualifizierten neue<br />
Jobperspektiven am ersten Arbeitsmarkt zu geben.<br />
Erfahrungen aus Großbritannien oder den Niederlanden<br />
zeigen, dass die erfolgreiche Arbeitsmarktintegration<br />
vor allem dort gelingt, wo die öffentliche<br />
Arbeitsverwaltung eng mit Privaten kooperiert. Auch<br />
in Deutschland gibt es in einigen Regionen durchaus<br />
schon ähnliche Ansätze, die jetzt zügig in die Fläche<br />
gebracht werden müssen. Im Rahmen von Aktivierung<br />
und Unterstützung kann ergänzend der Einsatz<br />
öffentlicher Arbeitsgelegenheiten hilfreich sein. Diese<br />
müssen aber stets wohldosiert, transparent und kontrolliert<br />
eingesetzt werden.
16 Arbeitsmarkt<br />
zuschusses inkl. eines Ausbaus des bürokratischen<br />
Kinderzuschlags zu prüfen. Für einen Teil der erwerbstätigen<br />
Hilfebedürftigen würde so die Fürsorgeleistung<br />
durch andere Solidarleistungen ersetzt. Diskutiert wird,<br />
Erwerbstätigen, die mehr als 30 Stunden pro Woche<br />
arbeiten und mindestens 800 € (Alleinstehende) bzw.<br />
mindestens 1.300 € (Paare) brutto monatlich verdienen,<br />
einen Lohnzuschuss von 20 % zum Einkommen<br />
zu gewähren. Darüber hinaus soll der Zuschuss sukzessive<br />
abgeschmolzen werden. Zudem sollen die Bezugsmöglichkeiten<br />
für den bisherigen Kinderzuschlag<br />
ebenso wie für das Wohngeld erheblich ausgeweitet<br />
werden. In der Diskussion steht auch, im Vergleich<br />
zum Arbeitslosengeld II großzügigere Freibeträge bei<br />
der Anrechnung von Vermögen und Partnereinkommen<br />
einzuführen. Die Kosten für das neue Transfersystem,<br />
die offenbar zum größten Teil von den Beitragszahlern<br />
zur Arbeitslosenversicherung getragen werden<br />
sollen, werden mit jährlich mindestens 1,2 Mrd. €<br />
veranschlagt.<br />
Es ist zwar richtig, mehr Anreize für Vollzeiterwerbstätigkeit<br />
zu schaffen, um ein Einrichten im Leistungsbezug<br />
zu verhindern. Einfacher und transparenter wäre hierzu<br />
jedoch eine Umgestaltung des Erwerbsfreibetrages beim<br />
heutigen Kombi-Einkommen. Auch ist es zwar erfreulich,<br />
dass nach bisheriger Planung die neue Transferleistung<br />
weiterhin grundsätzlich an die Bedürftigkeit anknüpfen<br />
soll. Es ist aber zu befürchten, dass die geplante<br />
Ausweitung der Fördergrenzen und Vermögensfreibeträge<br />
letztlich zu mehr Leistungsempfängern führt. Dies<br />
wäre nicht nur mit erheblichen Finanzierungsrisiken<br />
verbunden, sondern würde auch zu einer dauerhaften<br />
Subventionierung von Einkommen bis in den Bereich<br />
Aufgaben, Kriterien und Grenzen öffentlich geförderter Beschäftigung<br />
Öffentliche Beschäftigung darf nur als Ausnahme<br />
unter eng definierten Bedingungen organisiert werden:<br />
zur Prüfung von Arbeitsbereitschaft, als streng<br />
subsidiäre Gelegenheit zu sinnvoller Betätigung im<br />
Interesse der Allgemeinheit und zur Stärkung des Bewusstseins,<br />
dass für die Unterstützung mit Arbeitslosengeld<br />
II stets auch eine Gegenleistung zu erbringen<br />
ist. Arbeitsgelegenheiten dürfen daher nur in<br />
absoluter Transparenz und bei einem Vetorecht von<br />
Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Beiräten<br />
vor Ort eingesetzt werden. Dies ist gesetzlich<br />
sicherzustellen. Für einen sinnvollen Einsatz öffentlicher<br />
Beschäftigung muss insgesamt gelten:<br />
• Einsatz immer nur im Einzelfall auf Basis eines konsequenten<br />
Profilings.<br />
• Grundsätzlich keine öffentliche Beschäftigung in<br />
privaten Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes,<br />
da dies zu unkontrollierbaren Verdrängungsprozessen<br />
führen würde.<br />
• „Gegenleistungsprinzip“, d. h., das „Entgelt“ in<br />
öffentlicher Beschäftigung, darf die individuelle<br />
Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II nicht<br />
überschreiten.<br />
• Für Jugendliche unter 25 Jahren muss die Teilnahme<br />
an längerfristigen öffentlichen Beschäftigungsmaßnahmen<br />
grundsätzlich ausgeschlossen sein.<br />
• Keine Ausgestaltung als sozialversicherungspflichtiges<br />
Arbeitsverhältnis, weil ansonsten Arbeitslosen<br />
suggeriert wird, einer regulären Beschäftigung<br />
nachzugehen.<br />
• Einsatz grundsätzlich immer so kurz wie möglich,<br />
als Ultima Ratio sollte im Einzelfall unter konsequenter<br />
Einhaltung der beschriebenen Grundsätze<br />
aber auch eine längere Beschäftigung möglich<br />
sein, wenn der Arbeitslose trotz intensiver Bemühungen<br />
noch keine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt<br />
gefunden hat.<br />
Die tatsächliche Arbeitsmarktlage darf nicht länger<br />
durch eine irreführende Herausnahme Arbeitsloser in<br />
künstlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus der<br />
offiziellen Arbeitslosenstatistik geschönt werden. Schon<br />
gar nicht dürfen Arbeitslose in solchen Maßnahmen<br />
als Beschäftigte gezählt werden. Völlig absurd wäre es<br />
auch, Menschen erst über produktivitätsferne Mindestlöhne<br />
vom Arbeitsmarkt auszusperren, um sie dann<br />
dauerhaft in „künstlicher Beschäftigung“ zu „fördern“.
Arbeitsmarkt<br />
17<br />
von Facharbeitergehältern und damit zu neuen Fehlanreizen<br />
führen. Die BDA hat dies in der Diskussion über<br />
den Niedriglohnsektor deutlich kritisiert.<br />
Völlig inakzeptabel ist außerdem, dass angesichts der<br />
positiven Finanzlage der BA auch die Erwerbstätigenzuschüsse<br />
systemwidrig aus der Arbeitslosenversicherung<br />
bezahlt werden sollen. Der Bund würde damit<br />
zusätzlich zum verfassungsrechtlich höchst bedenklichen<br />
Eingliederungsbeitrag ein weiteres Mal tief in<br />
die Kasse der Beitragszahler greifen, um arbeitsmarktpolitische<br />
Leistungen im Fürsorgesystem zu finanzieren.<br />
Das wirkliche Finanzierungsrisiko für die BA kann<br />
bei abflauender Konjunktur schnell auf ein Vielfaches<br />
des jetzigen „Schönwetterbetrages“ von 1,2 Mrd. €<br />
p. a. anwachsen. Neue Verschiebebahnhöfe in der<br />
Arbeitsmarktpolitik zu Lasten von Arbeitgebern und<br />
Arbeitnehmern darf es nicht geben, vielmehr muss der<br />
Bund endlich seiner Verantwortung für die überfällige<br />
Revision des Fürsorgesystems gerecht werden. Auch<br />
dürfen die greifbaren Erfolge der BA-Reform der letzten<br />
Jahre, die neben der allgemein guten Konjunktur<br />
auch die Grundlage für die deutliche Beitragssatzsenkung<br />
in der Arbeitslosenversicherung waren, nicht<br />
gefährdet und die BA mit neuen Ausgabeprogrammen<br />
wieder dauerhaft in eine finanzielle Schieflage gebracht<br />
werden.<br />
In die falsche Richtung gehen auch die von der Bundesregierung<br />
in diesem Jahr angestoßenen beiden<br />
neuen Programme für mehr öffentliche Beschäftigung.<br />
Statt Langzeitarbeitslosen echte Beschäftigungsperspektiven<br />
zu geben, werden mit künstlicher Beschäftigung<br />
in der bereits im Oktober angelaufenen „Job-<br />
Perspektive“ und im „Kommunal-Kombi“ zusätzlich<br />
zu den am Jahresende <strong>2007</strong> bereits bestehenden<br />
rd. 360.000 öffentlich geförderten „Jobs“ (vor allem<br />
„Ein-Euro-Jobs“ und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen)<br />
weitere 200.000 vermeintlich „nicht mehr vermittelbare“<br />
Arbeitslose letztlich auf ein beschäftigungspolitisches<br />
Abstellgleis geschoben. Interessant ist, dass die<br />
Zahl 200.000 „zufällig“ im Wahljahr 2009 erreicht<br />
sein soll. Der ganze Politikansatz ist nicht zuletzt deswegen<br />
völlig inakzeptabel, weil es wegen der noch<br />
immer nicht hinreichend funktionierenden Aktivierung<br />
und Vermittlung durch die Arbeitsgemeinschaften und<br />
Optionskommunen bislang überhaupt keine präzisen<br />
Zahlen darüber gibt, wie viele schwer Vermittelbare<br />
sich tatsächlich unter den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
befinden. Zudem werden gerade mit den neuen<br />
Beschäftigungsprogrammen fatale Fehlanreize gesetzt:<br />
Die Teilnahme an einer Maßnahme, die vielfach sogar<br />
tariflich entlohnt werden soll, ist oft attraktiver als eine<br />
reguläre, ggf. auch geringer entlohnte Tätigkeit am ersten<br />
Arbeitsmarkt. Darüber hinaus nimmt die Gefahr<br />
einer Verdrängung von Arbeitsplätzen am ersten Arbeitsmarkt<br />
weiter zu. Dies gilt in besonderem Maße<br />
für den geplanten unmittelbaren Einsatz öffentlich geförderter<br />
Beschäftigter in privaten Unternehmen, der<br />
zu schwerwiegenden Verwerfungen am Arbeitsmarkt<br />
führt – potenzielle Stellen am ersten Arbeitsmarkt werden<br />
faktisch „verstopft“ und bestehende ungeförderte<br />
Arbeitsplätze verdrängt und damit letztlich sogar<br />
Beschäftigungschancen für gering Qualifizierte und<br />
Langzeitarbeitslose vernichtet.<br />
BDA und ZDH haben im August <strong>2007</strong> in einem gemeinsamen<br />
öffentlichen Aufruf die Verantwortlichen<br />
in der Politik eindringlich vor einer Ausweitung der<br />
öffentlichen Beschäftigung gewarnt. Beide Verbände<br />
haben dabei noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen,<br />
dass „Job-Perspektive“ und „Kommunal-Kombi“<br />
einen Flurschaden am Arbeitsmarkt hinterlassen<br />
werden. Auch der Sachverständigenrat hat im Jahresgutachten<br />
<strong>2007</strong> den „Kommunal-Kombi“ noch einmal<br />
als „äußerst kontraproduktiv“ gebrandmarkt und der<br />
Bundesregierung von einer Umsetzung der Pläne abgeraten.<br />
Statt sich darauf zu konzentrieren, vermeintlich<br />
nicht mehr Vermittelbare aus dem Erwerbsleben<br />
auszumustern, muss alles getan werden, um sie dort<br />
wieder zu integrieren.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosengeld<br />
II“, den kompakt „Kombi-Einkommen“ sowie<br />
den kompakt „Ein-Euro-Jobs“ veröffentlicht. Diese<br />
sind über www.bda-online.de abrufbar.<br />
Gezielte Öffnung des Arbeitsmarktes<br />
für ausländische<br />
Fachkräfte voranbringen<br />
Im Jahr <strong>2007</strong> ist in die Diskussion über eine arbeitsmarktorientierte,<br />
gesteuerte Zuwanderung erfreulicherweise<br />
wieder Bewegung gekommen. Mit dem 2005 in
18 Arbeitsmarkt<br />
Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz wurden erstmalig<br />
Weichen für eine moderne Migrationspolitik gestellt.<br />
Nach wie vor besteht aber Verbesserungsbedarf.<br />
Positiv ist deshalb, dass auf der Grundlage der BDA-<br />
Forderungen u. a. durch die jüngste Novellierung des<br />
Zuwanderungsgesetzes weitere Schritte für eine stärker<br />
arbeitsmarktorientierte Zuwanderung erreicht wurden:<br />
Seit August <strong>2007</strong> können Selbstständige eine Aufenthaltserlaubnis<br />
schon bei einem Investitionsvolumen<br />
von 500.000 € (statt bisher 1 Mio. €) und der Schaffung<br />
von fünf Arbeitsplätzen (statt bisher zehn) erhalten.<br />
Auch für ausländische Studenten an deutschen<br />
Hochschulen und osteuropäische Maschinenbau- und<br />
Elektroingenieure gestaltet sich der Zugang zum Arbeitsmarkt<br />
seit Oktober <strong>2007</strong> einfacher, da in diesen<br />
Fällen jetzt auf die bürokratische und zeitintensive individuelle<br />
Vorrangprüfung verzichtet wird.<br />
Gerade im Hinblick auf die neuen EU-Mitglieder fordert<br />
die BDA als weiteren wichtigen Schritt für eine gezielte<br />
Öffnung des Arbeitsmarktes, dass die bestehenden<br />
Übergangsregelungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
von Arbeitnehmern aus den bereits im Mai 2004 beigetretenen<br />
Staaten Mittel- und Osteuropas nach 2009<br />
nicht mehr generell und umfassend verlängert werden.<br />
Dies hat das Präsidium der BDA im September <strong>2007</strong><br />
beschlossen. Es sollen nur dort Restriktionen bestehen<br />
bleiben, wo punktuelle, branchen- oder regionalspezifisch<br />
begründete Begrenzungen notwendig sind. Die<br />
Erfahrungen anderer EU-Länder wie beispielsweise<br />
Großbritannien und Schweden, die ihre Grenzen bereits<br />
zu einem früheren Zeitpunkt geöffnet haben, haben gezeigt,<br />
dass durch den zügigen Zugang zum Arbeitsmarkt<br />
zahlreiche Hochqualifizierte und qualifizierte Fachkräfte<br />
aus den osteuropäischen EU-Ländern angeworben<br />
werden konnten.<br />
Die Zahlen zur Zuwanderung von Hochqualifizierten<br />
belegen hingegen, dass Deutschland bei den ausländischen<br />
Fach- und Führungskräften nach wie vor leider<br />
noch nicht sehr hoch im Kurs steht. Auch wenn die Attraktivität<br />
Deutschlands für ausländische Fachkräfte von<br />
einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, so nimmt<br />
das restriktive Zuwanderungsrecht dabei doch eine<br />
wichtige Rolle ein. Notwendig wäre daher, für diese<br />
Zielgruppe ein klares positives Signal zu setzen. Bedauerlich<br />
ist, dass sich die Koalition immer noch nicht<br />
dazu durchgerungen hat, den Zuzug gut ausgebildeter<br />
Migranten durch Absenkung der im Gesetz genannten<br />
Mindesteinkommensgrenze von fast 86.000 € pro Jahr<br />
zu erleichtern. Die hohe Einkommensanforderung für<br />
Hochqualifizierte entspricht dem rd. Dreifachen des<br />
deutschen Durchschnittseinkommens und kann selbst<br />
von höchstqualifizierten jungen Nachwuchskräften in<br />
Deutschland oft nicht erreicht werden. Die Niederlande<br />
mit vergleichbaren nationalen Einkommensstrukturen<br />
lassen für den Zugang zum Arbeitsmarkt bereits ein<br />
Jahreseinkommen von 45.000 € ausreichen.<br />
In diesem Zusammenhang ist auch das von der EU-<br />
Kommission unter der Überschrift „EU-Blue-Card“ aus<br />
dem Oktober <strong>2007</strong> verfolgte Ziel, eine einfachere, unbürokratischere<br />
und flexiblere Lösung im Bereich der<br />
Wirtschaftsmigration von Hochqualifizierten zu schaffen,<br />
grundsätzlich zu begrüßen. Insbesondere die von<br />
der Kommission angeregte Absenkung der Einkommensgrenze<br />
für Hochqualifizierte ist sinnvoll. Fallstricke<br />
finden sich aber in den juristischen Details des entsprechenden<br />
Richtlinienentwurfs. Bei der Einführung<br />
neuer Zuwanderungsregelungen auf europäischer<br />
Ebene ist es besonders wichtig, dass der Entscheidungsspielraum<br />
der Mitgliedstaaten nicht so eingegrenzt<br />
wird, dass eine vernünftige, bedarfsorientierte<br />
und flexible Anpassung der nationalen Regelungen<br />
verhindert wird. Da der derzeitige Richtlinienentwurf<br />
Regelungen enthält, die es den Mitgliedstaaten verwehren<br />
könnten, den Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt<br />
flexibel und bedarfsorientiert nach einem Punktesystem<br />
zu steuern, kann er in seiner derzeitigen Fassung<br />
nicht akzeptiert werden.<br />
Die Einführung eines bedarfs- und qualifikationsorientierten<br />
Punktesystems, welches bereits in anderen<br />
Ländern erfolgreich funktioniert, ist vielmehr richtig<br />
und notwendig. Damit kann eine auf die erforderlichen<br />
Bedarfe der Wirtschaft abgestimmte Zuwanderung<br />
auf der Grundlage bestimmter Auswahlkriterien<br />
wie Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse<br />
zielgenau gesteuert werden. Im Rahmen von der<br />
Politik vorgegebener Kontingente können diejenigen<br />
schnell, unbürokratisch und flexibel ausgewählt werden,<br />
die dringend gebraucht werden und von denen<br />
eine schnelle Integration zu erwarten ist. Insbesondere<br />
vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs<br />
um die besten Köpfe, der steigenden Zahl<br />
nicht besetzbarer Arbeitsplätze und des demografisch
Arbeitsmarkt<br />
19<br />
Unternehmen und Mitarbeiter profitieren von Diversity Management<br />
Demografischer Wandel und Globalisierung sind<br />
die entscheidenden Treiber für die zunehmende<br />
Bedeutung von Diversity Management in den Unternehmen.<br />
Diversity Management ist ein Managementansatz<br />
zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien<br />
Arbeitsumfeldes durch die aktive<br />
Wertschätzung von Vielfalt in Belegschaften zur<br />
Steigerung des Unternehmenserfolges. Unternehmen,<br />
bei denen der Diversity-Ansatz in die Personalpolitik<br />
integriert ist, interpretieren die Vielfalt<br />
ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als betriebswirtschaftlich<br />
relevante Chance für alle Bereiche<br />
des Unternehmens. Diversity Management konzentriert<br />
sich dabei auf sog. Vielfaltsmerkmale wie Geschlecht,<br />
Nationalität, ethnische Herkunft, Religion<br />
oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle<br />
Orientierung und Identität.<br />
Im Dezember 2006 startete, initiiert durch die Unternehmen<br />
Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Deutsche<br />
BP und Daimler, die „Charta der Vielfalt“ als<br />
„grundlegendes Bekenntnis zum wirtschaftlichen<br />
Nutzen von Vielfalt und zu Toleranz, Fairness und<br />
Wertschätzung von Menschen in Unternehmen und<br />
öffentlichen Institutionen“. Im Zusammenhang mit<br />
dem nationalen Integrationsplan unterstützt die BDA<br />
u. a. die Implementierung der Charta und der ihr zu<br />
Grunde liegenden Idee in den Unternehmen, auch<br />
vor dem Hintergrund, die spezifischen Kompetenzen<br />
von Menschen mit Migrationshintergrund stärker in<br />
die betrieblichen Abläufe einzubeziehen. Letztgenannten<br />
Zweck verfolgt auch die Kampagne „Vielfalt<br />
als Chance“, die das Potenzial von Migrantinnen<br />
und Migranten in den Bereichen Ausbildung und<br />
Beschäftigung für Wirtschaft und Verwaltung stärker<br />
ausschöpfen will. BDA-Präsident Dr. Dieter Hundt<br />
ist Botschafter der Kampagne, die BDA engagiert<br />
sich darüber hinaus im dazugehörigen Sachverständigengremium.<br />
Dieses Forum gilt es insbesondere<br />
dafür zu nutzen, alle Beteiligten nachdrücklich an<br />
den ökonomischen und ganzheitlichen Charakter<br />
von Diversity Management zu erinnern. Vielfalt,<br />
auch kulturelle Vielfalt, generiert erst dann Wettbewerbsvorteile<br />
für die Unternehmen, wenn betriebswirtschaftlich<br />
relevante Fragestellungen ausreichend<br />
berücksichtigt werden können.<br />
bedingten Rückgangs der inländischen Erwerbsbevölkerung<br />
wird ein von der BDA schon lange gefordertes<br />
flexibles Punktesystem immer dringlicher. Das im<br />
Sommer <strong>2007</strong> von der Bundesregierung vereinbarte<br />
Ziel, ein Gesamtkonzept für eine arbeitsmarktorientierte<br />
Zuwanderung zu entwickeln, muss ein solches<br />
System unbedingt aufgreifen.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zuwanderung<br />
und Integration“ veröffentlicht. Dieser ist über<br />
www.bda-online.de abrufbar.
21<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
22 Arbeitsrecht<br />
Reformstillstand im ARBEITSrecht<br />
beenden – BESCHÄFTIGUNGSpotenziale<br />
nutzen<br />
Bei der dringend notwendigen Flexibilisierung des Arbeitsrechts<br />
tritt die große Koalition auf der Stelle. Teilweise<br />
hat sie im letzten Jahr sogar den Rückwärtsgang<br />
eingelegt. Beispiele hierfür sind u. a. das Vorhaben, einen<br />
Pflegezeitanspruch einzuführen, oder die Neuregelung<br />
einiger Vorschriften im Betriebsverfassungsgesetz<br />
durch das sog. Risikobegrenzungsgesetz, das eigentlich<br />
der Kapitalmarktregulierung dienen soll.<br />
Statt Deregulierung und Flexibilität stehen so immer<br />
wieder Bürokratie und neue Einschränkungen auf der<br />
Agenda. Der Arbeitsmarkt und damit das Arbeitsrecht<br />
bleibt damit die Achillesferse der deutschen Volkswirtschaft.<br />
Dies hat der jüngste Bericht des Weltwirtschaftsforums<br />
eindrucksvoll bestätigt: Die Restriktionen des<br />
Arbeitsrechts sind noch vor dem Steuerrecht der größte<br />
Negativposten unserer Volkswirtschaft.<br />
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung verstärkt diese<br />
Tendenz vielfach noch. Wechselnde Entscheidungen<br />
führen nicht zu der möglicherweise gewollten<br />
Einzelfallgerechtigkeit, sondern zu immer neuer Rechtsunsicherheit.<br />
Ob Kündigung unbefristeter Arbeitsverhältnisse<br />
oder die Regulierung befristeter, Teilzeitansprüche<br />
oder Mitbestimmungsrechte, die Unvorhersehbarkeit<br />
einer Entscheidung macht die Anwendung des ohnehin<br />
schon undurchschaubaren Rechts vielfach zum<br />
Vabanquespiel.<br />
Zwei Beispiele aus diesem Jahr im Tarifrecht haben dies<br />
besonders deutlich gemacht: Der vom Bundesarbeits
Arbeitsrecht<br />
23<br />
gericht sanktionierte, gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit<br />
gerichtete Versuch, Tarifverträge mit<br />
Sozialplancharakter zu erstreiken, und das Recht, durch<br />
Sympathiestreiks auch nicht an den Tarifverhandlungen<br />
beteiligte Unternehmen in einen Arbeitskampf zu ziehen,<br />
führen zu einer weiteren gefährlichen Verschiebung<br />
der Arbeitskampfmächtigkeit zu Lasten der Arbeitgeber.<br />
Durch diese Entscheidungen wird das deutsche<br />
Arbeitskampfrecht deutlich unberechenbarer als bisher.<br />
Flexibilität und Rechtssicherheit sind Voraussetzungen<br />
für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer<br />
Arbeitsplätze. Mangelnde Flexibilität im Arbeitsrecht –<br />
vor allem im Kündigungsschutzrecht – und von der<br />
Rechtsprechung geförderte Rechtsunsicherheit schaffen<br />
Einstellungshemmnisse. Notwendig sind daher mutige<br />
Reformschritte, die sich keinesfalls auf ein „Weiter<br />
so“ und das Drehen allenfalls kleiner Stellschrauben<br />
beschränken dürfen. Notwendig ist vielmehr der<br />
durchgreifende Umbau unserer Arbeitsmarktordnung<br />
und damit unseres Arbeitsrechts mit dem Ziel, neue Arbeitsplätze<br />
zu schaffen.<br />
Arbeitsvertragsrecht<br />
beschäftigungsfördernd<br />
gestalten<br />
Einen Beitrag zu einer solchen Reform kann die Kodifikation<br />
des Arbeitsvertragsrechts leisten. Dafür darf<br />
sich ein solches Vorhaben aber keinesfalls auf eine<br />
Kompilation bestehender Gesetze und vorgefundener<br />
Rechtsprechung beschränken. Schon gar nicht dürfen<br />
die ohnehin schon übermäßigen Restriktionen in<br />
Gesetz und Rechtsprechung noch weiter ausgebaut<br />
werden. Genau darin erschöpft sich aber in vielen Teilen<br />
der dritte Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz,<br />
den die Professoren Henssler und Preis im<br />
Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Herbst vorgestellt<br />
haben. Trotz einer mehr als einjährigen Überarbeitung<br />
auf Grundlage zahlreicher Änderungsvorschläge der<br />
BDA, aus Verbänden, Wirtschaft, Wissenschaft und<br />
Praxis und vielfältiger Diskussionen sind substanzielle<br />
Verbesserungen nicht zu erkennen. Im Gegenteil: In<br />
einem so zentralen Punkt wie dem Kündigungsschutz<br />
fallen die Überlegungen noch hinter das geltende<br />
Recht zurück.<br />
So wird im Entwurf der Schwellenwert für die Geltung<br />
des Kündigungsschutzgesetzes nicht mehr an<br />
den Betrieb, sondern an das Unternehmen gekoppelt,<br />
was zu einer gravierenden Ausweitung des<br />
Kündigungsschutzgesetzes führen würde. De facto<br />
soll beim Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit als<br />
Grundlage für die betriebsbedingte Kündigung auf<br />
das Unternehmen, nicht mehr auf den Betrieb abgestellt<br />
werden. Anknüpfungspunkt für die Betriebsbedingtheit<br />
der Kündigung wäre dann grundsätzlich das<br />
Unternehmen und nicht mehr wie bisher der Betrieb.<br />
Die Suche nach einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit<br />
wird für den Fall, dass eine konzernweite Versetzungsklausel<br />
mit dem Arbeitnehmer vereinbart<br />
ist, sogar vom Betrieb auf den Konzern ausgedehnt.<br />
Unverständlich und unnötig ist die Verlängerung der<br />
Klagefrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage<br />
von drei Wochen auf einen Monat. Gleiches gilt<br />
für die Anhebung der Abfindungshöchstgrenze im<br />
Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch<br />
das Gericht auf 18 Monatsverdienste.<br />
In seiner jetzigen Form ist der Entwurf daher – trotz seines<br />
bemerkenswerten wissenschaftlichen Ansatzes –<br />
nicht akzeptabel. Eine Versteinerung des Arbeitsrechts<br />
auf der Basis des geltenden Rechts und der aktuellen<br />
Rechtsprechung mit weiteren gefährlichen Einschränkungen<br />
in zentralen Rechtsbereichen gefährdet vielmehr<br />
Beschäftigung und demotiviert, neue Arbeitsplätze<br />
zu schaffen.<br />
Flexibilität verlangt<br />
praxisgerechte BEFRISTUNGSmöglichkeiten<br />
Befristete Arbeitsverträge sind ein Beschäftigungsmotor<br />
des deutschen Arbeitsmarktes. Sie bieten Arbeitssuchenden<br />
einen Erfolg versprechenden Weg für einen Erstoder<br />
Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Die Neuregelung<br />
des Rechts der Älterenbefristung, die am 1. Mai<br />
<strong>2007</strong> in Kraft getreten ist, beweist, dass die Bundesregierung<br />
die Chancen dieses Instruments zur Bekämpfung<br />
und Vermeidung von Arbeitslosigkeit noch immer verkennt.<br />
Die Attraktivität befristeter Arbeitsverträge muss<br />
gesteigert werden. Dies macht umfassende Änderungen<br />
im Befristungsrecht notwendig:
24 Arbeitsrecht<br />
Die Gestaltungsmöglichkeiten der sachgrundlosen<br />
Befristung sollten ausgedehnt werden. Dies setzt vor<br />
allem eine Ausdehnung des Befristungshöchstzeitraums<br />
auf fünf Jahre voraus. Die Möglichkeit der sachgrundlosen<br />
Befristung ist dabei besonders dort zu erweitern,<br />
wo Beschäftigungslosigkeit bekämpft werden kann. Der<br />
Ansatzpunkt hierfür muss der drohende Eintritt der Arbeitslosigkeit<br />
sein. Es ist kontraproduktiv, den Eintritt der<br />
Beschäftigungslosigkeit für die Nutzung der Befristung<br />
verpflichtend zu machen. Genau dieser Fehler wurde<br />
bei der Neuregelung der Älterenbefristung gemacht. Danach<br />
kann ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer,<br />
der das 52. Lebensjahr vollendet hat, ohne<br />
sachlichen Grund nur dann abgeschlossen werden,<br />
wenn der Arbeitnehmer unmittelbar vorher mindestens<br />
vier Monate beschäftigungslos gewesen ist. Das Erfordernis<br />
einer bereits bestehenden Beschäftigungslosigkeit ist<br />
kontraproduktiv, weil es erst den Eintritt eines Zustands<br />
erfordert, der bekämpft werden soll.<br />
Das Ersteinstellungserfordernis bei sachgrundlosen Befristungen<br />
muss abgeschafft werden. Seine Abschaffung<br />
würde gerade den Berufseinstieg junger, qualifizierter<br />
Arbeitskräfte erleichtern, die bereits während ihres Studiums<br />
in einem Unternehmen gearbeitet haben, um Praxiserfahrung<br />
zu sammeln. Ihnen wird ein erleichterter<br />
Berufseinstieg durch ein befristetes Arbeitsverhältnis<br />
in Unternehmen, in denen sie während des Studiums<br />
tätig waren, infolge des Ersteinstellungserfordernisses<br />
verwehrt. Der Zweck des Ersteinstellungserfordernisses,<br />
Kettenarbeitsverhältnisse zu verhindern, kann durch<br />
Einführung einer Wartefrist von sechs Monaten erreicht<br />
werden, die zwischen zwei Arbeitsverhältnissen liegen<br />
muss.<br />
Für eine sog. Prozessbeschäftigung, die bis zum Abschluss<br />
von laufenden Kündigungsschutzprozessen erfolgt,<br />
um Verzugslohnansprüche zu vermeiden, sollte<br />
das Schriftformerfordernis abgeschafft werden. Es ist<br />
praxisfern, dass ein Arbeitgeber mit seinem gekündigten<br />
Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag für<br />
die Dauer des Kündigungsschutzprozesses schriftlich<br />
abschließt.<br />
Ebenso muss die Nichteinhaltung der Schriftform nach<br />
Arbeitsaufnahme geheilt werden können, wenn sich die<br />
Parteien über die Befristung des Arbeitsverhältnisses im<br />
Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme einig waren.<br />
Pflegezeitanspruch<br />
überflüssig<br />
Am 17. Oktober hat die Bundesregierung den Entwurf<br />
eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der<br />
Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)<br />
beschlossen, der ein eigenständiges Pflegezeitgesetz<br />
enthält. Die erste Lesung im Bundestag hat am 14. Dezember<br />
stattgefunden. Das Gesetz soll am 1. Juli 2008<br />
in Kraft treten.<br />
Das Gesetz sieht einen Anspruch für Arbeitnehmer<br />
auf unbezahlte vollständige oder teilweise Freistellung<br />
von der Arbeit mit Rückkehrmöglichkeit für die Pflege<br />
eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung vor<br />
(Pflegezeit). Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz<br />
der Länder hatte sich im November letzten Jahres noch<br />
für eine Freistellung von bis zu drei Jahren ausgesprochen.<br />
Durch frühzeitiges Tätigwerden konnte die BDA<br />
erreichen, dass der Anspruch nunmehr auf maximal<br />
sechs Monate begrenzt ist. Nach dem Referentenentwurf<br />
des Bundesministeriums für Gesundheit sollte er<br />
gegenüber Arbeitgebern mit zehn oder weniger Arbeitnehmern<br />
gelten. Die BDA konnte erreichen, dass der<br />
Anspruch nicht gegenüber Arbeitgebern mit zehn oder<br />
weniger Arbeitnehmern besteht. Der Schwellenwert<br />
orientiert sich jetzt an den entsprechenden Grenzen im<br />
Teilzeit- und Befristungsgesetz und Bundeselterngeldund<br />
Elternzeitgesetz. Bisher sieht der Gesetzentwurf<br />
eine Ankündigungsfrist von nur zehn Tagen vor, die<br />
der Arbeitnehmer einzuhalten hat, wenn er seine Arbeitszeit<br />
reduzieren oder freigestellt werden will. Die<br />
Pflegebedürftigkeit hat er durch Vorlage einer Bescheinigung<br />
der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes<br />
der Krankenversicherung nachzuweisen.<br />
Neben dem Anspruch auf Pflegezeit sieht der Gesetzentwurf<br />
die Einführung eines Anspruchs auf Freistellung<br />
von bis zu zehn Tagen für den Fall der kurzzeitigen<br />
Arbeitsverhinderung bei einer akut eingetretenen<br />
Pflegesituation vor. Die zunächst geplante Einführung<br />
eines sog. Pflegeunterstützungsgeldes während der<br />
kurzzeitigen Freistellung und eine damit verbundene<br />
weitere finanzielle Belastung der Pflegeversicherung<br />
konnte die BDA verhindern.
Arbeitsrecht<br />
25<br />
Bereits die Einführung eines eigenen gesetzlichen Freistellungs-<br />
und Teilzeitanspruchs für Fälle der Pflege ist<br />
dem Grunde nach überflüssig. Schon heute wird den<br />
Bedürfnissen der Arbeitnehmer durch flexible Arbeitszeitmodelle<br />
und die Möglichkeit von Teilzeitarbeit,<br />
Telearbeit und Heimarbeit entsprochen. Die Einführung<br />
eines weiteren Anspruchs darf in keinem Fall zu<br />
einer übermäßigen Belastung der Unternehmen mit<br />
weiterer Bürokratie führen. Im Hinblick darauf ist eine<br />
Ankündigungsfrist von zehn Tagen bei weitem nicht<br />
ausreichend. Sie wird den Bedürfnissen einer ordentlichen<br />
Personalplanung in der Praxis nicht gerecht. Erforderlich<br />
ist eine Frist von mindestens sieben Wochen<br />
entsprechend § 16 Abs. 1 BEEG. Für Fälle akut auftretender<br />
Pflegesituationen kann eine Abweichung vorgesehen<br />
werden. Einen Anspruch auf Pflegezeit dürfen<br />
außerdem nur solche Arbeitnehmer haben, die mehr als<br />
sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. Anderenfalls<br />
würde die Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes<br />
unterlaufen, weil für den jeweiligen Arbeitnehmer bereits<br />
ab Ankündigung der Pflegezeit ein umfassendes<br />
Kündigungsverbot bestehen soll. Gleichzeitig muss<br />
sichergestellt werden, dass der sechsmonatige Freistellungsanspruch<br />
nicht auf mehrere Freistellungszeiträume<br />
verteilt wird. Der Arbeitgeber muss auch die<br />
Möglichkeit haben, den Anspruch auf Pflegezeit oder<br />
die Verteilung der reduzierten Arbeitszeit abzulehnen,<br />
wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Eine vorzeitige<br />
Beendigung der Pflegezeit sollte immer nur mit<br />
Zustimmung des Arbeitgebers möglich sein.<br />
Statt einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung<br />
von der Arbeit bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung<br />
einzuführen, sollte vorrangig auf arbeitsvertraglichem<br />
Wege eine Lösung gefunden werden. Jedenfalls sollte<br />
zunächst übergesetzlicher Urlaub in Anspruch genommen<br />
werden müssen, bevor eine Freistellung gefordert<br />
werden kann. Darüber hinaus sollte für die Zeit der<br />
kurzzeitigen Arbeitsverhinderung eine Entgeltfortzahlung<br />
durch den Arbeitgeber ausdrücklich ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Freistellungsansprüche belasten gerade kleine und mittlere<br />
Unternehmen mit Bürokratie und Kosten. Grundsätzlich<br />
sollten daher alle gesetzlichen Ansprüche, die<br />
dem Arbeitnehmer einseitig ermöglichen, seine arbeitsvertraglich<br />
vereinbarte Arbeitszeit zu reduzieren, auf Betriebe<br />
mit mindestens 20 Beschäftigten unter Ausschluss<br />
der Auszubildenden beschränkt werden. Jedenfalls aber<br />
sollten abweichende Regelungen vom Pflegezeitgesetz<br />
durch die Arbeitsvertragsparteien, zumindest die Tarifvertragsparteien,<br />
in allen Bereichen möglich sein.<br />
Attraktivität von<br />
Langzeitarbeitszeitkonten<br />
erhalten<br />
Im Juli hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
(BMAS) einen ersten Diskussionsentwurf für ein<br />
„Gesetz zur Verbesserung von Rahmenbedingungen<br />
der sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen“<br />
vorgelegt. Der Diskussionsentwurf enthält<br />
erhebliche Verschärfungen der geltenden Rechtslage<br />
zur Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten.<br />
Mit dem Gesetz soll der Koalitionsvertrag zwischen<br />
CDU/CSU und SPD umgesetzt werden. Darin ist die<br />
„Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
bei der Verwendung und beim Schutz von Langzeitarbeitszeitkonten“<br />
vereinbart. Dies bedeutet aber auch,<br />
dass der Auftrag im Koalitionsvertrag allein Regelungen<br />
zu Langzeitarbeitszeitkonten betrifft. Überlegungen des<br />
BMAS, die Arbeitszeitflexibilisierung zur Anpassung an<br />
Produktions- und Nachfrageschwankungen einzuschränken,<br />
sind davon nicht gedeckt. Es muss sichergestellt<br />
bleiben, dass die notwendige Arbeitszeitflexibilisierung<br />
zum Ausgleich betrieblicher Konjunkturschwankungen<br />
nicht beeinträchtigt wird. Eine solche Beeinträchtigung<br />
ist inakzeptabel. Arbeitszeitflexibilität stellt einen zentralen<br />
Wettbewerbsvorteil der deutschen Wirtschaft dar.<br />
Gerade auf diese Arbeitszeitflexibilität sind die Unternehmen<br />
angewiesen, weil sie ein wesentliches Element<br />
darstellen, die im internationalen Vergleich sehr kurzen<br />
Arbeitszeiten auszugleichen.<br />
Bei der Umsetzung der Überlegungen des Ministeriums<br />
würde die Bildung von Lebens- und Langzeitkonten in<br />
den Betrieben unattraktiv. Deshalb hat die BDA frühzeitig<br />
und kontinuierlich den zuständigen Ministerien<br />
die Problematik dargelegt und auf Änderungen hingearbeitet.<br />
In die Bildung von Positionen zu diesem zentralen<br />
Thema wurden die Mitgliedsverbände in vielfältiger<br />
Weise einbezogen.
26 Arbeitsrecht<br />
Ein Zwischenziel hat die BDA bereits erreicht. Es wurde<br />
verhindert, dass die Möglichkeit vollständig abgeschafft<br />
wird, Guthaben auf Arbeitszeitkonten unter<br />
bestimmten Umständen in Bausteine der betrieblichen<br />
Altersvorsorge umzuwandeln.<br />
Nichtsdestotrotz enthält der vorliegende Diskussionsentwurf<br />
zahlreiche kritische Punkte, so z. B.:<br />
• Der für die Bildung von Lang- und Lebensarbeitszeitkonten<br />
zentrale Begriff des „Wertguthabens“ im<br />
SGB IV soll teilweise neu bestimmt werden. Hierin<br />
besteht das große Risiko, dass auch solche Arbeitszeitkonten<br />
einbezogen werden, die der Flexibilisierung<br />
der betrieblichen Arbeitszeit dienen.<br />
• Es sind weitere Einschränkungen vorgesehen, die die<br />
Führung von Arbeitszeitkonten bürokratischer machen<br />
und die Anlage- und Sicherungsmöglichkeiten<br />
massiv beschränken würden. So soll beispielsweise<br />
die Vermögensanlage von Wertguthaben in Aktien,<br />
Aktienfonds und Wertpapieren auf 20 % begrenzt<br />
werden. Attraktive Wertentwicklungen sind unter dieser<br />
Vorgabe praktisch ausgeschlossen.<br />
• Zudem soll das Wertguthaben in Zukunft getrennt<br />
vom Betriebs- und Anlagevermögen des Arbeitgebers<br />
zu führen sein. Faktisch führt diese Regelung dazu,<br />
dass die Absicherung des Wertguthabens durch eine<br />
Bankbürgschaft nicht mehr möglich ist, obwohl dies<br />
ein sicheres Insolvenzsicherungsmittel ist.<br />
• Die geplante Einführung der Pflicht zur Kontenführung<br />
in Geld stellt einen erheblichen Eingriff in die<br />
Gestaltungsfreiheit der Betriebe dar. Die bisher alternativ<br />
oder auch parallel mögliche Kontenführung in<br />
Geld und/oder Zeit hat sich in der betrieblichen Praxis<br />
bewährt.<br />
• Außerdem soll ein bestehender Insolvenzschutz nur<br />
mit schriftlicher Zustimmung des Arbeitnehmers auf<br />
einen anderen Träger der Insolvenzsicherung übertragen<br />
werden können. Diese Regelung ist bei großen<br />
Teilnehmerzahlen nicht praktikabel.<br />
• Schließlich soll auch die beitragsrechtliche Behandlung<br />
des Arbeitszeitkontos einer Neuregelung unterzogen<br />
werden.<br />
Nach den Plänen des BMAS sollen die neuen Regelungen<br />
im Herbst 2008 in Kraft treten.<br />
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz<br />
belastet die Wirtschaft<br />
Bereits nach eineinhalbjährigem Bestehen zeigt sich,<br />
dass das AGG die Arbeitgeber mit neuer Bürokratie, erheblicher<br />
Rechtsunsicherheit und zusätzlichen Kosten<br />
belastet. Missbrauchsfälle nehmen deutlich zu.<br />
Bürokratie ist insbesondere durch neuen Begründungsund<br />
Dokumentationsaufwand z. B. für eingegangene<br />
Bewerbungen, geführte Bewerbungsgespräche und<br />
sonstige Personalentscheidungen entstanden. Der<br />
Rechtfertigungsdruck, der vor allem aus der im Gesetz<br />
vorgesehenen Beweislastverteilung zu Lasten des Arbeitgebers<br />
herrührt, geht zum Teil sogar so weit, dass<br />
sich Unternehmen genötigt sehen, AGG-Policen bei<br />
Versicherungen abzuschließen, um Schadensersatzforderungen<br />
entgegenzuwirken. Dadurch entstehen<br />
ebenso zusätzliche Kosten wie durch die im Gesetz<br />
vorgeschriebenen Schulungen. Diese Kosten und weitere<br />
Ausgaben für die Gesetzesimplementierung haben<br />
dazu geführt, dass die Unternehmen im ersten Jahr<br />
nach Inkrafttreten des AGG mindestens 1,73 Mrd. €<br />
zusätzlich ausgegeben haben.<br />
Erhebliche Rechtsunsicherheit besteht vor allem bei der<br />
Auslegung der vielen unbestimmten Rechtsbegriffe, die<br />
im Gesetz verwendet werden. Unklar ist u. a., was „erforderliche<br />
Maßnahmen“ zum Schutz vor Benachteiligungen<br />
sind und wie der Arbeitgeber in „geeigneter Art<br />
und Weise“ Schulungen durchführen soll. Arbeitgeber<br />
werden damit unkalkulierbaren Prozessrisiken ausgesetzt<br />
und haben kaum Anhaltspunkte, wie sie sich gesetzeskonform<br />
verhalten sollen. Daneben lässt sich nicht vorhersagen,<br />
wann eine Differenzierung wegen des Alters<br />
noch gerechtfertigt werden kann. Viele Vergünstigungen<br />
für ältere Mitarbeiter enthalten zugleich eine Benachteiligung<br />
Jüngerer, die am Katalog der Rechtfertigungsgründe<br />
des § 10 AGG gemessen wird.<br />
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung ist zum Teil<br />
abenteuerlich. So hat das Arbeitsgericht Osnabrück Kündigungen,<br />
die im Rahmen einer Massenentlassung unter<br />
Verwendung eines Interessenausgleichs mit Namensliste<br />
ausgesprochen wurden, für altersdiskriminierend erklärt.<br />
Die vom Arbeitgeber zur Sicherung einer ausgewogenen<br />
Personalstruktur nach Altersgruppen durchgeführte Sozi
Arbeitsrecht<br />
27<br />
alauswahl hielt das Arbeitsgericht Osnabrück für nicht zulässig,<br />
obwohl genau das Gegenteil im Kündigungsschutzgesetz<br />
steht. Das LAG Niedersachsen hat die Urteile zu<br />
Recht aufgehoben und eine Diskriminierung verneint. Das<br />
letzte Wort in diesem Rechtsstreit wird das Bundesarbeitsgericht<br />
(BAG) haben.<br />
Die Befürchtungen über einen möglichen Rechtsmissbrauch<br />
durch obskure Vereinigungen und Einzelpersonen<br />
sind schneller als erwartet eingetreten. Sog. AGG-<br />
Hopper suchen gezielt nach Fehlern in Stellenanzeigen<br />
und bewerben sich allein mit dem Ziel, abgelehnt zu<br />
werden und den potenziellen Arbeitgeber auf eine<br />
Entschädigungszahlung in Anspruch zu nehmen. Die<br />
Rechtsprechung ist sich in Bezug auf (enttarnte) AGG-<br />
Hopper einig. Selbst wenn dem Arbeitgeber in einer<br />
Stellenausschreibung ein Fehler unterlaufen ist, hat der<br />
abgelehnte AGG-Hopper keinen Anspruch auf Zahlung<br />
einer Entschädigung, da es an der subjektiven Ernsthaftigkeit<br />
seiner Bewerbung fehlt. Zuletzt hat dies das LAG<br />
Baden-Württemberg im August entschieden.<br />
Da für Arbeitgeber oft schwer festzustellen ist, ob ein<br />
Bewerber ein AGG-Hopper ist, der sich eventuell auch<br />
schon in anderen Bundesländern beworben hat, hat<br />
die BDA ein Archiv eingerichtet, bei dem AGG-Hopper<br />
– unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben<br />
– sowohl gemeldet als auch abgefragt werden<br />
können. Das Archiv steht ausschließlich BDA-Mitgliedern<br />
zur Verfügung.<br />
In mehreren Fällen ist zumindest eine obskure Vereinigung<br />
aufgetreten, die angeblich die Interessen benachteiligter<br />
Personen oder Personengruppen nach dem<br />
AGG schützt. Es wurde damit gedroht, dem Bewerber<br />
zu raten, Arbeitgeber auf Schadensersatz und Unterlassung<br />
in Anspruch zu nehmen. Versehen wird das<br />
jeweilige Schreiben mit einer Kostennote, mit der der<br />
Verein sich für seine Tätigkeit – den Hinweis auf den<br />
Verstoß gegen das AGG – bezahlen lassen will. Ein<br />
solcher Kostenerstattungsanspruch ist juristisch nicht<br />
haltbar.<br />
Die BDA erleichtert mit zahlreichen Serviceleistungen<br />
ihren Mitgliedern den Umgang mit dem Gesetz. Neben<br />
der Veranstaltung von Fachtagungen und Schulungen<br />
unmittelbar vor und nach Inkrafttreten des Gesetzes<br />
hat die BDA die Broschüre „Das neue Allgemeine<br />
Gleichbehandlungsgesetz. Pflichten – Risiken – Gestaltungsmöglichkeiten“<br />
herausgegeben sowie zwei Merkblätter<br />
– jeweils eines für Mitarbeiter mit und ohne<br />
Führungsverantwortung – erstellt. Das AGG wird von<br />
der Rechtsprechung ausgelegt. Daher sollten Arbeitgeber<br />
die neuesten Entscheidungen im Blick haben. Die<br />
BDA hat deshalb eine Entscheidungssammlung angelegt,<br />
die ständig aktualisiert wird und bei Bedarf abgerufen<br />
werden kann.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Antidiskriminierung“<br />
veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de<br />
abrufbar.<br />
Verteilung der Gesamtkosten zum AGG nach Kostenblöcken<br />
7 %<br />
4 %<br />
1 %<br />
35 %<br />
Strategie<br />
Schulung<br />
22 %<br />
Screening, Standards<br />
Dokumentation<br />
Zusätzl. Aufwand Stammbelegschaft<br />
Sonstige<br />
31 %<br />
Quelle: Universität Dortmund, Lehrstuhlprojekt im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH
28 Arbeitsrecht<br />
Mitbestimmung – Modernisierung<br />
statt neuer bürokratischer<br />
informationspflichten<br />
Das geplante Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen<br />
für Kapitalbeteiligungen hat die richtige Zielsetzung,<br />
Wagniskapitalbeteiligungen zu fördern. Hierzu<br />
werden Wagniskapitalgesellschaften bei der Erfüllung<br />
bestimmter Voraussetzungen insbesondere von steuerrechtlichen<br />
Bürden befreit. Das damit unmittelbar zusammenhängende<br />
Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen<br />
verbundenen Risiken soll aber auch neue<br />
bürokratische und überflüssige Informationspflichten im<br />
Betriebsverfassungsgesetz einführen. Zu den wirtschaftlichen<br />
Angelegenheiten, über die das Unternehmen<br />
den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend<br />
unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichten<br />
muss, soll auch die Übernahme des Unternehmens<br />
gezählt werden, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle<br />
verbunden ist.<br />
Teilhabe ermöglichen, diese aber den Arbeitnehmern<br />
nicht aufzwingen. Daher sollte die Errichtung eines Betriebsrates<br />
vom Erreichen eines Wahlquorums abhängig<br />
gemacht werden. Ein Betriebsrat sollte nur errichtet werden,<br />
wenn sich mindestens ein Drittel der wahlberechtigten<br />
Arbeitnehmer an der Wahl beteiligt.<br />
Die Dauer der Mitbestimmungsverfahren verzögert oft<br />
die Umsetzung geplanter Vorhaben und führt zu erhöhten<br />
Kosten für die Unternehmen. Deswegen müssen<br />
die Mitbestimmungsverfahren beschleunigt werden.<br />
Eine allgemeine Beschleunigungsvorschrift sollte dem<br />
Arbeitgeber vorläufige Entscheidungen ermöglichen.<br />
Auch die Einigungsstellenverfahren müssen durch die<br />
Betriebliche Mitbestimmung:<br />
Eigenregie erwünscht<br />
So viel Prozent der Befragten wünschen sich folgende Änderungen<br />
im Betriebsverfassungsgesetz<br />
Änderungen in der Gesellschafterstruktur, die unmittelbare<br />
Auswirkungen für die Betriebe und ihre Arbeitnehmer haben,<br />
werden bereits heute von den Informationspflichten<br />
des Betriebsverfassungsgesetzes umfasst, so dass keinerlei<br />
Neuregelung erforderlich ist. Vielmehr sind die geplanten<br />
Änderungen ein weiterer Schritt in Richtung einer Aufhebung<br />
der Grenzen zwischen rein gesellschaftsrechtlichen<br />
Vorgängen und solchen, von denen Arbeitnehmer und<br />
Betrieb unmittelbar betroffen sind. Dies gilt vor allem<br />
dann, wenn – wie geplant – von der Informationspflicht<br />
auch Bieterverfahren umfasst werden, die einer Unternehmensübernahme<br />
oder -beteiligung vorangehen.<br />
Auf diese Weise wird das Betriebsverfassungsgesetz mit<br />
vielen kleinen Schritten weiter bürokratisiert und mit<br />
Detailpflichten überfrachtet. Richtig und erforderlich<br />
wäre aber ein großer Schritt in Richtung Flexibilisierung<br />
und Verhandlungsoffenheit.<br />
Beschleunigungsvorschriften in<br />
mehr Bereichen erlauben<br />
Abweichungen generell durch<br />
Betriebsvereinbarungen regeln<br />
Mindestwahlbeteiligung einführen<br />
Gremien, die Konflikten in Betrieben<br />
vorbeugen (z. B. runder Tisch)<br />
Zwei statt vier Betriebsversammlungen<br />
pro Jahr<br />
Verkürztes Betriebsratswahlverfahren<br />
abschaffen<br />
Brief- oder elektronische Betriebsratswahl<br />
generell zulassen<br />
Geschäftsführung<br />
92<br />
84<br />
67<br />
59<br />
56<br />
48<br />
44<br />
Betriebsrat<br />
41<br />
87<br />
18<br />
50<br />
49<br />
55<br />
41<br />
Betriebliche Mitbestimmung muss schnell, flexibel und<br />
passgenau sein. Flexible Regelungen sollten schnelle Entscheidungen<br />
im Interesse von Betrieben und Belegschaft<br />
fördern. Umfassender als bisher müssen Abweichungen<br />
von gesetzlichen Betriebsratsstrukturen ermöglicht werden.<br />
Dabei müssen betriebliche Regelungen tariflichen<br />
vorgehen. Betriebliche Mitbestimmung soll gewünschte<br />
Betriebsrat: Gremium; Beschleunigungsvorschriften: erlauben es dem<br />
Arbeitgeber bislang in wenigen Ausnahmefällen, eine Maßnahme<br />
auch gegen den Willen des Betriebsrats durchzuführen, bis ein Gericht<br />
endgültig entschieden hat; Befragung von 126 Unternehmen mit<br />
766 Betriebsratsgremien und 719.957 Beschäftigten von Mitte April bis<br />
Ende Juli <strong>2007</strong><br />
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)<br />
43/<strong>2007</strong> Deutscher Instituts-Verlag
Arbeitsrecht<br />
29<br />
Einführung von Fristen beschleunigt werden. Um die<br />
Kosten der Einigungsstelle in einem überschaubaren<br />
Rahmen zu halten, sollte eine moderate Gebührenordnung<br />
eingeführt werden. Dadurch kann die Berechenbarkeit<br />
und Vorhersehbarkeit der entstehenden Kosten<br />
wesentlich verbessert werden. Die Betriebsverfassung<br />
muss umfassend für die technische Entwicklung geöffnet<br />
werden. Elektronische Wahlverfahren müssen<br />
ebenso zugelassen werden wie die Nutzung moderner<br />
Kommunikations- und Konferenztechnik für die Abstimmung<br />
im und mit dem Betriebsrat.<br />
Betriebsräte:<br />
meist in Grossunternehmen<br />
So viel Prozent der Betriebe mit ... Mitarbeitern hatten im Jahr <strong>2007</strong><br />
einen Betriebsrat<br />
Beschäftigte in Betrieben mit Betriebsrat in Prozent aller<br />
Beschäftigten dieser Betriebsgröße<br />
5 bis 50<br />
51 bis 100<br />
7<br />
12<br />
45<br />
Grundlegender Flexibilisierungs- und Modernisierungsbedarf<br />
besteht auch in der Unternehmensmitbestimmung.<br />
Sie muss vereinbarungsoffen nach dem Vorbild<br />
europäischer Mitbestimmungsregelungen ausgestaltet<br />
werden. Unternehmen und Arbeitnehmer müssen die<br />
Möglichkeit erhalten, ein passendes Mitbestimmungssystem<br />
zu vereinbaren. Kommt es zu keiner Vereinbarung,<br />
kann als Auffangregelung nur eine im europäischen<br />
Kontext akzeptable Form der Mitbestimmung<br />
Platz greifen. Das ist allenfalls eine Drittelbeteiligung.<br />
Durch Vereinbarungslösungen für die Zusammensetzung<br />
des Aufsichtsrates kann dem Wandel Rechnung<br />
getragen werden, in dem sich die deutsche Mitbestimmung<br />
aufgrund der Entwicklungen des europäischen<br />
Gesellschaftsrechts, der internationalen Corporate Governance<br />
und der Verschärfung des Wettbewerbs der<br />
Gesellschaftsrechtssysteme befindet. Erste positive Erfahrungen<br />
bei der Gründung einer europäischen Gesellschaft<br />
(SE) zeigen deutlich, dass Vereinbarungsoptionen<br />
unternehmensindividuell – z. B. zur Verkleinerung des<br />
Aufsichtsrates – genutzt werden können und zu einer<br />
besseren Positionierung im Wettbewerb führen.<br />
Die von den wissenschaftlichen Mitgliedern der Biedenkopf-Kommission<br />
entwickelten Vorschläge würden dagegen<br />
die Isolation der deutschen Mitbestimmung noch<br />
verstärken. Dem treten wir entschieden entgegen. BDA<br />
und BDI haben daher eine Projektgruppe eingesetzt, die<br />
die weitere Entwicklung im Bereich der Mitbestimmung<br />
beobachtet und für den Fall gesetzgeberischer Initiativen<br />
konkrete Vorstellungen ausarbeitet.<br />
101 bis 200<br />
43<br />
65<br />
66<br />
Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unternehmensmitbestimmung“<br />
und den kompakt „Betriebsverfassung“<br />
veröffentlicht. Beide sind unter www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
201 bis 500<br />
88<br />
501 und mehr<br />
79<br />
92<br />
Europäisches Gesellschaftsrecht –<br />
Vielfalt der Gesellschaftsformen<br />
Insgesamt<br />
Betriebe: privatwirtschaftlich, mit mindestens fünf Beschäftigten<br />
Quelle: IAB-Betriebspanel<br />
89<br />
11<br />
46<br />
Kapitalgesellschaften gelangen durch die europarechtlichen<br />
Regelungen zum Gesellschaftsrecht in den Genuss<br />
einer größeren Wahlfreiheit. Die europäische Gesellschaft<br />
(SE) steht bereits im Wettbewerb zu den nationalen<br />
Gesellschaftsformen. Im nächsten Jahr will die Europäische<br />
Kommission darüber hinaus einen Vorschlag<br />
für das Statut einer europäischen Privatgesellschaft (EPG)
30 Arbeitsrecht<br />
vorlegen, die in den Wettbewerb z. B. zur deutschen<br />
GmbH oder zur britischen Limited treten soll.<br />
Für die Attraktivität dieser Gesellschaftsform wird es von<br />
besonderer Bedeutung sein, dass einer schnellen und<br />
unkomplizierten Gründung keine Bremsklötze durch<br />
Regelungen zur Arbeitnehmerbeteiligung in den Weg<br />
gelegt werden. Die Europäische Kommission favorisiert<br />
hinsichtlich der Regelungen zur Mitbestimmung das<br />
Sitzlandprinzip. Besser wäre ein an die SE angelehntes<br />
Verhandlungsmodell, allerdings mit einer einheitlichen<br />
Auffanglösung, die für die Unternehmensmitbestimmung<br />
maximal eine Fünftelbeteiligung vorsehen sollte.<br />
Außerdem muss ein einheitlicher Schwellenwert für die<br />
Verhandlungspflicht von mindestens 500 Arbeitnehmern<br />
eingezogen werden.<br />
Von der Vorlage eines Entwurfs einer Sitzverlegungsrichtlinie<br />
ist die Europäische Kommission inzwischen<br />
wieder abgerückt. Begründet wird dies damit, dass<br />
bereits durch die Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit europaweite<br />
Transaktionen und Kooperationen erleichtert wurden.<br />
Bürokratieabbau zügig<br />
vorantreiben!<br />
Die überbordende Bürokratie ist ein zentrales Hemmnis<br />
für Wachstum und Beschäftigung. Die BDA unterstützt<br />
das Projekt „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“<br />
der Bundesregierung. Die Einführung des<br />
Standardkostenmodells, die Schaffung des Normenkontrollrats<br />
und die Festlegung eines festen Abbauziels<br />
gehen in die richtige Richtung. Dies macht der Zwischenbericht<br />
der Bundesregierung vom 24. Oktober<br />
<strong>2007</strong> deutlich.<br />
Der Nationale Normenkontrollrat – der sehr nahe an<br />
den seit langem von der BDA geforderten Bürokratie-<br />
TÜV herankommt – hat seit seiner Arbeitsaufnahme<br />
im vergangenen Jahr dazu beigetragen, neue bürokratische<br />
Belastungen zu vermeiden. Es hat eine heilsame<br />
Wirkung, dass die Ministerien die bürokratischen Belastungen<br />
aus neuen Gesetzesvorlagen vorab quantifizieren<br />
und dem Normenkontrollrat zur Stellungnahme<br />
vorlegen müssen.<br />
In einer Datenbank beim Statistischen Bundesamt<br />
wurden rd. 11.000 Informations-, Berichts- und Dokumentationspflichten<br />
zusammengetragen. Seit Beginn<br />
des Jahres bis Ende September <strong>2007</strong> wurden auf dieser<br />
Grundlage mit dem Standardkostenmodell Bürokratiekosten<br />
in Höhe von 27 Mrd. € gemessen. Die BDA hat<br />
den Prozess durch die Vermittlung von Unternehmen<br />
und Experten unterstützt.<br />
Das Zwischenergebnis erfasst aber noch immer nicht<br />
die vollständige Belastung der Wirtschaft. Alle Informationspflichten<br />
müssen ausnahmslos erfasst werden.<br />
Einbezogen werden müssen auch sämtliche Informationspflichten<br />
aus dem Arbeitsrecht. Diese Informationspflichten,<br />
wie z. B. diejenigen aus dem Betriebsverfassungsrecht,<br />
fallen eindeutig unter die Definition<br />
einer Informationspflicht aus dem Gesetz zur Einsetzung<br />
des Nationalen Normenkontrollrats. Darüber hinaus<br />
müssen auch sämtliche Informationspflichten auf<br />
den Prüfstand, die von den Sozialversicherungsträgern<br />
vor allem durch das Gesetz auslegende Rundschreiben<br />
und Verlautbarungen geschaffen werden.<br />
Dafür hat sich die BDA nachdrücklich eingesetzt.<br />
Entscheidend ist im Weiteren, dass konkrete Konsequenzen<br />
gezogen und Informationspflichten abgeschafft<br />
oder vermindert werden. Der Zwischenbericht der Bundesregierung<br />
enthält keinen „Fahrplan“ bezüglich konkreter<br />
weiterer Abbaumaßnahmen. Die Messung ist gut,<br />
die Abschaffung konkreter bürokratischer Belastungen ist<br />
aber der entscheidende Erfolgsmaßstab! Die BDA hat dafür<br />
Vorschläge vorgelegt.<br />
Schließlich darf über den Abbau von Informationspflichten<br />
nicht das Ziel aus den Augen verloren werden,<br />
das materielle Recht zu vereinfachen. Gerade materielle<br />
Vorschriften verursachen vielfach Bürokratie. Auch insoweit<br />
bedarf es eines umfassenden Entbürokratisierungsansatzes.<br />
Die Mittelstandsentlastungsgesetze (MEG I<br />
und MEG II) enthalten zwar richtige Ansätze, nämlich<br />
geringfügige Erleichterungen in den Bereichen Sozialversicherung<br />
und Statistik. Sie bleiben jedoch weit hinter<br />
den Anforderungen an eine durchgreifende Entbürokratisierung<br />
des Arbeits- und Sozialrechts zurück.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Bürokratieabbau“<br />
veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de<br />
abrufbar.
Arbeitsrecht<br />
31<br />
Bürokratiekosten nach Ressort in Mio. Euro pro Jahr<br />
18.000<br />
16.000<br />
14.000<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
BMF<br />
17.905<br />
BMJ<br />
4.469<br />
BMG<br />
1.500<br />
BMI<br />
912<br />
BMAS<br />
772<br />
BMU<br />
633<br />
BMWi<br />
505<br />
BMELV<br />
152<br />
BMVBS<br />
55<br />
BMFSJ<br />
44<br />
Quelle: Zwischenbericht der Bundesregierung, Oktober <strong>2007</strong><br />
Neues Rechtsdienstleistungsrecht<br />
schränkt Vertretungsbefugnis<br />
für Verbandsvertreter ein<br />
Der Bundestag hat am 11. Oktober das Gesetz zur Neuregelung<br />
des Rechtsberatungsrechts (Rechtsdienstleistungsgesetz)<br />
beschlossen. Der Bundesrat hat es am 9. November<br />
gebilligt. Damit wird nicht nur das Rechtsberatungsgesetz<br />
durch das Rechtsdienstleistungsgesetz ersetzt, es wurden<br />
auch Änderungen in einzelnen Verfahrensordnungen beschlossen.<br />
Die Änderungen treten sieben Monate nach<br />
Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.<br />
Nach den Neuregelungen im Arbeitsgerichtsgesetz und<br />
im Sozialgerichtsgesetz dürfen ehrenamtliche Richter<br />
von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften in Zukunft<br />
nicht mehr vor dem Spruchkörper des Gerichts,<br />
d. h. der Kammer oder des Senats, dem sie angehören,<br />
als Parteivertreter auftreten.<br />
Im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen hat die BDA<br />
zwei Verbesserungen erreicht. Die zunächst auch für Unternehmensvertreter<br />
geplante Vertretungsbeschränkung<br />
wurde auf Drängen der BDA aus dem Gesetzentwurf gestrichen.<br />
Zudem sollte das Vertretungsverbot zunächst<br />
auf das gesamte Gericht erstreckt werden. Im Laufe des<br />
Gesetzgebungsverfahrens wurde dieses Vertretungsverbot<br />
auf den Spruchkörper des Gerichts beschränkt.<br />
An Gerichten, an denen ehrenamtliche Richter keinem<br />
festen Spruchkörper zugewiesen werden, kann aber ein<br />
solches Vertretungsverbot faktisch wie ein Vertretungsverbot<br />
für das gesamte Gericht wirken. Ehrenamtliche<br />
Richter aus dem Bereich der Arbeitgebervereinigungen<br />
werden für das Gericht bestellt, an dem auch ihr jeweiliger<br />
Verband seinen Sitz hat. Folglich müsste die Tätigkeit<br />
als ehrenamtlicher Richter in Zukunft – zumindest<br />
an den Gerichten ohne feste Kammerzuweisung – aufgegeben<br />
werden, um weiterhin als Bevollmächtigter vor<br />
Gericht auftreten zu können.<br />
Dies hat für die Arbeitsfähigkeit der Arbeits- und auch<br />
der Sozialgerichte ohne feste Kammerzuweisung gravierende<br />
Auswirkungen. Gerichte beklagen bereits heute,<br />
dass sich zu wenige Personen für eine ehrenamtliche<br />
Tätigkeit vor Gericht finden lassen. Diese Bereitschaft<br />
wird durch die Einschränkung der Vertretungsbefugnis<br />
weiter abnehmen, wenn mit dem ehrenamtlichen Engagement<br />
die Konsequenz verbunden wäre, nicht mehr<br />
vor demselben Gericht auftreten zu dürfen.<br />
Eine Lösung des Problems kann die Umstellung der Zuweisungspraxis<br />
in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit<br />
sein. Ehrenamtliche Richter sollten daher in allen Gerichtsbezirken<br />
einer festen Kammer zugewiesen werden.<br />
Die BDA wird sich hierfür nachdrücklich einsetzen.
33<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
34 Tarifpolitik<br />
Tarifjahr <strong>2007</strong> – Unter dem Einfluss<br />
der guten Konjunktur<br />
Die gute konjunkturelle Entwicklung hat sich <strong>2007</strong> fortgesetzt.<br />
Nachdem das reale Bruttoinlandsprodukt 2006<br />
um 2,9 % gestiegen ist, liegt die Schätzung des Sachverständigenrates<br />
(SVR) für das diesjährige Wirtschaftswachstum<br />
bei 2,6 %. Vor diesem Hintergrund wurden<br />
die Tarifverhandlungen <strong>2007</strong> mit Forderungen nach<br />
zum Teil kräftigen Lohnsteigerungen belastet. Zwar<br />
liegen die erwarteten Tariflohnanhebungen für dieses<br />
Jahr nach Angaben des SVR mit durchschnittlich 1,8 %<br />
deutlich über dem voraussichtlichen Produktivitätszuwachs<br />
<strong>2007</strong> (0,8 %) und über den Anstiegsraten der Tarifverdienste<br />
der Vorjahre (2006: 1,1 %, 2005: 1,5 %).<br />
Dennoch sind die bisherigen Tarifabschlüsse insgesamt<br />
wirtschafts- und beschäftigungspolitisch vertretbar, weil<br />
die mit den zum Teil deutlichen Anhebungen der Tarifverdienste<br />
verbundenen Kostensteigerungen für die<br />
Unternehmen durch weitere Differenzierungen und Flexibilisierungen<br />
abgemildert werden konnten.<br />
Die Lohnabschlüsse differieren sowohl nach Regionen<br />
als auch nach Branchen erheblich. So lagen die Tariflohnanhebungen<br />
in den einzelnen Branchen in einer<br />
Bandbreite zwischen 2,0 % (Ernährungsindustrie) und<br />
4,1 % (Metall- und Elektroindustrie) bzw. 4,5 % bei der<br />
Deutsche Bahn AG. Den Abschlüssen im industriellen<br />
Bereich mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung<br />
standen Abschlüsse in konjunkturell weniger gut gestellten<br />
Wirtschaftszweigen gegenüber, deren Lohnerhöhungen<br />
entsprechend geringer ausfielen. Insofern<br />
konnte ein Geleitzug hoher Tarifabschlüsse vermieden<br />
werden.<br />
Außerdem wurde der betriebliche Gestaltungsspielraum<br />
der Unternehmen durch Flexibilisierungsinstrumente<br />
bei Entgelt und Arbeitszeit spürbar erweitert. Der SVR<br />
hat erneut bestätigt, dass die Tarifparteien mit moderaten<br />
und flexiblen Lohnvereinbarungen auch in diesem<br />
Jahr einen wichtigen Beitrag zur deutlichen Verbesserung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in<br />
Deutschland geleistet haben.
Tarifpolitik<br />
35<br />
Moderate Lohnpolitik weiter<br />
unverzichtbar<br />
In einem wirtschaftlichen Umfeld, das durch einen zunehmenden<br />
Strukturwandel gekennzeichnet ist, benötigen<br />
die Unternehmen größtmögliche Handlungsspielräume.<br />
Ihre Wettbewerbsfähigkeit kann nur gehalten<br />
und weiter verbessert werden, wenn sie auf veränderte<br />
Rahmenbedingungen wie z. B. gestiegene Rohölpreise<br />
reagieren können. Variable Vergütungskomponenten,<br />
die die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen an die<br />
Wirtschafts-, Finanz- und Ertragslage erhöhen, bleiben<br />
daher unerlässlich. Das gilt vor allem auch deshalb,<br />
weil die Arbeitskosten unverändert hoch sind.<br />
Zwar hat die moderate Lohnentwicklung der letzten Jahre<br />
dazu beigetragen, dass die Arbeitskosten in Deutschland<br />
zuletzt weniger stark gestiegen sind als in anderen<br />
Industrienationen. Aufgrund des deutlich höheren Ausgangsniveaus<br />
bleiben jedoch die hohen Arbeitskosten<br />
im verarbeitenden Gewerbe mit 32,03 € je geleisteter<br />
Stunde (Stand: 2006) weiterhin ein gravierender Standortnachteil<br />
und eine große Belastung für die Unternehmen.<br />
Im internationalen Vergleich liegen die industriellen Arbeitskosten<br />
nach Angaben des Instituts der deutschen<br />
Wirtschaft Köln (IW) lediglich in Norwegen (38,07 €)<br />
und Schweden (32,81 €) noch höher. Nicht nur in den<br />
osteuropäischen Ländern wie Polen (5,16 €) oder Tschechien<br />
(6,71 €), sondern auch in den USA (23,94 €) oder<br />
Großbritannien (26,32 €) ist Arbeit wesentlich kostengünstiger.<br />
Dies macht eine moderate Lohnpolitik nach<br />
wie vor unverzichtbar.<br />
Mehr Betriebsnähe durch<br />
flexible und differenzierte<br />
Entgeltregelungen<br />
Erfreulich ist daher insbesondere die zunehmende Verbreitung<br />
flexibler Vergütungselemente. Aufgrund der<br />
guten Konjunktur wurden <strong>2007</strong> einige Branchen mit<br />
überdurchschnittlich hohen Tariflohnsteigerungen konfrontiert.<br />
Der damit verbundenen Kostenbelastung konnte<br />
dadurch Rechnung getragen werden, dass neben bzw.<br />
anstelle einer dauerhaften Anhebung der Tarifsätze nicht<br />
tabellenwirksame, laufzeitbezogene Einmalzahlungen<br />
vereinbart wurden. Diese sind in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen<br />
Erfolg des Unternehmens durch Öffnungsklauseln<br />
überwiegend rein betrieblich abdingbar. Die<br />
damit verbundene höhere Flexibilität mit der Möglichkeit<br />
zur betrieblichen Kostendämpfung trägt in nicht unerheblichem<br />
Maße zur Beschäftigungssicherung bei.<br />
Diese Aufteilung der Entgeltsteigerungen in Tabellenanhebung<br />
und Einmalzahlung wurde im Frühjahr erneut in<br />
der chemischen Industrie vereinbart. Die Beschäftigten erhalten<br />
neben der regulären Lohnerhöhung für 13 Monate<br />
monatlich 0,7 % des Tarifentgeltes zusätzlich. Je nach<br />
wirtschaftlicher Lage der Unternehmen ermöglicht eine<br />
Öffnungsklausel abweichende Regelungen über die Höhe<br />
und den Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung.<br />
In der Schuhindustrie wurde eine Einmalzahlung von<br />
0,5 % des tariflichen Monatsentgeltes für die Laufzeit<br />
von 16 Monaten vereinbart, die ebenso rein betrieblich<br />
abdingbar ist. Des Weiteren wurden solche Regelungen<br />
beispielsweise in die Tarifabschlüsse der Bauwirtschaft<br />
(0,4 % für zehn Monate und 0,5 % für weitere zwölf Monate)<br />
und des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus<br />
(0,4 % für 23 Monate) aufgenommen. In der Metall- und<br />
Elektroindustrie ist eine zusätzliche Einmalzahlung von<br />
monatlich 0,7 % für die zweite Steigerungsstufe ab Mitte<br />
2008 vorgesehen, die durch freiwillige Betriebsvereinbarung<br />
zeitlich um bis zu vier Monate verschoben werden<br />
kann.<br />
In anderen Wirtschaftszweigen wie etwa der Holz- und<br />
Kunststoffverarbeitung oder der Kautschukindustrie wurden<br />
pauschale Einmalzahlungen vereinbart. Diese können<br />
je nach wirtschaftlicher Lage ebenfalls durch freiwillige<br />
Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Höhe und des<br />
Auszahlungszeitpunktes abweichend gestaltet werden.<br />
Zudem wurden vermehrt Sonderzahlungen wie z. B. das<br />
Weihnachtsgeld flexibilisiert. So ist der keramischen Industrie<br />
in dem mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag<br />
Mitte Februar der Einstieg in die ergebnisorientierte Gestaltung<br />
der Jahressonderzahlung gelungen. Im Rahmen<br />
eines Optionsmodells kann diese durch freiwillige Betriebsvereinbarung<br />
in einer Bandbreite zwischen 80 %<br />
und 125 % erfolgsabhängig ausgestaltet werden. Darüber<br />
hinaus ist im Bereich der Energieversorgung durch freiwillige<br />
Betriebsvereinbarung eine am wirtschaftlichen<br />
Erfolg des Unternehmens bemessene Abweichung vom<br />
13. Monatsgehalt in einer Schwankungsbreite zwischen
36 Tarifpolitik<br />
30 % und 100 % möglich. Die Süßwarenindustrie hat<br />
das Variabilisierungsvolumen der Jahressonderzahlung<br />
je nach wirtschaftlichem Erfolg von bislang +/- 20 % auf<br />
+/- 30 % erhöht.<br />
Die Tarifabschlüsse <strong>2007</strong> enthalten neben der vorgenannten<br />
stärkeren Flexibilisierung von Entgeltbestandteilen<br />
auch ein höheres Maß an differenzierter Ausgestaltung.<br />
So wurden in zahlreichen Branchen neben Nullmonaten<br />
ohne Tarifanhebung auch längere Laufzeiten vereinbart,<br />
um den Unternehmen mehr Planungssicherheit zu geben.<br />
In der Versicherungswirtschaft wurde eine stärkere Lohnspreizung<br />
des Tarifgitters durch neue, beschäftigungsfördernde<br />
Einstiegstarife erreicht.<br />
Ausgewählte Tarifabschlüsse<br />
im Jahresverlauf<br />
Zu Beginn des Jahres erzielte die Deutsche Lufthansa AG<br />
mit ver.di ein Tarifergebnis für das Bodenpersonal. In<br />
den ersten vier von insgesamt 17 Monaten Laufzeit erhielten<br />
die Mitarbeiter eine Einmalzahlung von 525 €.<br />
Ab Mai wurden die Tarifentgelte um 3,4 % angehoben.<br />
Bereits vorhandene Tarifmaterien wie die Ergebnisbeteiligung,<br />
die Vereinbarungen zur Wettbewerbs- und<br />
Beschäftigungssicherung sowie die Regelungen zur Altersteilzeit<br />
wurden verlängert.<br />
Den ersten großen Abschluss der Tarifrunde <strong>2007</strong> vereinbarte<br />
die chemische Industrie Anfang März mit der<br />
IG BCE. Für den ersten Monat der insgesamt 14-monatigen<br />
Laufzeit sieht das Tarifergebnis einen Pauschalbetrag<br />
von 70 € vor. Anschließend folgt eine Lohnerhöhung, die<br />
sich aus einer tabellenwirksamen Entgeltanhebung von<br />
3,6 % sowie aus einer weiteren, nicht tabellenwirksamen<br />
Anhebung von 0,7 % zusammensetzt. Letztere kann aus<br />
wirtschaftlichen Gründen rein betrieblich verschoben<br />
oder gekürzt werden, aber auch vollkommen entfallen.<br />
Begrüßenswert ist ebenfalls, dass <strong>2007</strong> und 2008 in den<br />
alten Bundesländern insgesamt 16.800 und in den neuen<br />
Bundesländern 1.400 neue Ausbildungsplätze angeboten<br />
werden sollen. Damit setzt die chemische Industrie ihr<br />
Ausbildungsengagement auf hohem Niveau fort.<br />
Vor dem Hintergrund der außerordentlich guten konjunkturellen<br />
Lage erklärt sich der Anfang Mai erzielte<br />
Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie. Gegenüber<br />
der Tarifanhebung für <strong>2007</strong> von 4,1 %, die einer<br />
pauschalen Einmalzahlung von 400 € für die Monate<br />
April und Mai folgt, erweist sich die zweite Stufe<br />
mit einer Anhebung von 1,7 % ab Juni 2008 und einem<br />
nicht tabellenwirksamen Konjunkturbonus von 0,7 %<br />
als moderat. Positiv hervorzuheben sind darüber hinaus<br />
die lange Laufzeit von 19 Monaten, die den Betrieben<br />
Planungs- und Kalkulationssicherheit gibt, sowie die<br />
Tatsache, dass der bereits im vergangenen Jahr erfolgreich<br />
eingeschlagene Kurs hin zu mehr Entgeltflexibilität<br />
– wenn auch in geringerem Umfang – fortgesetzt<br />
wurde. So kann die zweite Stufe der Entgeltanhebung<br />
für 2008 rein betrieblich bis zu vier Monate verschoben<br />
werden. Darüber hinaus vereinbarten die Tarifpartner in<br />
der Sozialpartnererklärung „Demografiefeste Personalpolitik“,<br />
Gespräche auf Bundesebene über die Auswirkungen<br />
einer alternden Gesellschaft auf die Arbeitswelt<br />
der Metall- und Elektroindustrie zu führen.<br />
Das Schlichtungsergebnis in der westdeutschen Papierindustrie<br />
Mitte Mai sieht während der 19-monatigen<br />
Laufzeit nach zwei Nullmonaten eine Entgeltanhebung<br />
von 3,2 %, eine pauschale Einmalzahlung von 95 € und<br />
für die letzten fünf Monate eine weitere Tarifsteigerung<br />
von 2,0 % vor. Zur Beschäftigungssicherung und zur<br />
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit können im Einzelfall<br />
durch Betriebsvereinbarung mit Zustimmung der<br />
Tarifvertragsparteien oder durch einen firmenbezogenen<br />
Verbandstarifvertrag befristet abweichende Regelungen<br />
getroffen werden. Diese Öffnungsklausel soll 2009<br />
überprüft werden. Darüber hinaus wird der Tarifvertrag<br />
über die Altersvorsorge in modifizierter Fassung fortgeschrieben.<br />
Zur Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge<br />
werden bei Neuverträgen die vermögenswirksamen<br />
Leistungen nur noch gezahlt, wenn diese verbindlich für<br />
die Altersvorsorge eingesetzt werden.<br />
Anfang Juni erzielte die Druckindustrie mit ver.di einen<br />
Tarifabschluss über eine Laufzeit von 24 Monaten. Nach<br />
drei Nullmonaten folgt eine zweistufige Tariflohnerhöhung<br />
von 3,0 % und weiteren 2,1 % ab 2008. Zudem<br />
wurde der geltende Altersteilzeittarifvertrag bis zum<br />
31. Dezember 2009 ohne Nachwirkung verlängert.<br />
Im Groß- und Außenhandel wurde in Bayern als erster<br />
Tarifregion der Branche Ende Juni ein Verhandlungsergebnis<br />
erzielt. Nach drei Nullmonaten wurden die Entgelte
Tarifpolitik<br />
37<br />
Tarifbereich/Beschäftigte<br />
Tariferhöhung<br />
in %<br />
Laufzeiten (Gesamtlaufzeit)<br />
Weitere Vereinbarungen/Bemerkungen<br />
Keramische Industrie<br />
West (15.02.07)<br />
25.000<br />
3,5<br />
Laufzeitbeginn regional<br />
unterschiedl.:<br />
03/07 – 04/07<br />
06/08 – 07/08<br />
2 Nullmonate m.<br />
Einmalzahlung<br />
(18 Monate)<br />
Zentrale Tarifvereinbarung<br />
Einmalzahlung von 100 €<br />
Ertragsabhängige Gestaltung der Jahressonderzahlung zwischen 80 und 125 %<br />
(durch Betriebsvereinbarung)<br />
Vereinbarung von 5 zusätzlichen Ausbildungsplätzen<br />
Umwidmung der vermögenswirksamen Leistungen mit zusätzl. AG-Beitrag<br />
für die Altersvorsorge<br />
Einführung von Langzeitkonten mit Insolvenzsicherung (durch Betriebsvereinbarung)<br />
Chemische Industrie<br />
West + Ost (08.03.07)<br />
550.000<br />
3,6<br />
Laufzeitbeginn regional<br />
unterschiedl.:<br />
02/07 – 04/07<br />
02/08 – 04/08<br />
1 Nullmonat, zusätzliche<br />
Einmalzahlungen<br />
(14 Monate)<br />
Einmalzahlung von 70 € für 1 Monat<br />
Zusätzliche laufzeitbezogene Einmalzahlung von 0,7 % des Tarifentgelts (13 Monate),<br />
Öffnungsklausel ermöglicht abweichende Vereinbarungen zur Höhe und zum<br />
Auszahlungszeitpunkt (durch Betriebsvereinbarung)<br />
Ausbildung: Fortschreibung des TV „Zukunft durch Ausbildung“ bis Ende 2010,<br />
Vereinbarung zur Einrichtung von insgesamt 16.800 (West)/1.400 (Ost)<br />
Ausbildungsplätzen für <strong>2007</strong> und 2008<br />
Süßwarenindustrie<br />
West (04.05.07)<br />
50.000<br />
2,4<br />
2,3<br />
Laufzeitbeginn regional<br />
unterschiedl.:<br />
04/07 – 07/07<br />
03/08 – 06/08<br />
04/08 – 07/08<br />
03/09 – 06/09<br />
(24 Monate)<br />
Zentrale Tarifvereinbarung<br />
Erweiterung des Variabilisierungsvolumens der Jahressonderzahlung von 20 % auf 30 %<br />
im TV „Zukunftssicherung“, Befristung der Vereinbarungen auf maximal 5 Jahre entfällt<br />
MTV-Laufzeit bis Ende Januar 2010<br />
Metall-/Elektroindustrie<br />
West + Ost (04.05.07)<br />
3.400.000<br />
4,1<br />
1,7<br />
06/07 – 05/08<br />
06/08 – 10/08<br />
2 Nullmonate, zusätzliche<br />
Einmalzahlungen<br />
(19 Monate)<br />
Pilotabschluss in Baden-Württemberg<br />
Einmalzahlungen von je 200 € für 2 Monate<br />
Zusätzliche Einmalzahlungen von je 0,7 % für die Laufzeit der 2. Tarifanhebung<br />
(5 Monate), Öffnungsklausel ermöglicht abhängig von der wirtschaftl. Lage Verschieben<br />
der 2. Anhebungsstufe und der Einmalzahlung bis zu 4 Monate (durch freiwillige<br />
Betriebsvereinbarung)<br />
Erklärung der Tarifvertragsparteien, Gespräche zur demografischen<br />
Personalentwicklung aufzunehmen<br />
Holz- und Kunststoffe<br />
verarb. Industrie<br />
West + Ost (ab 14.05.07)<br />
140.000<br />
3,6<br />
2,5<br />
Laufzeitbeginn/Laufzeiten<br />
regional unterschiedl.<br />
3 Nullmonate m. Einmalzahlungen<br />
(24/25 Monate)<br />
Regional unterschiedliche Einmalzahlungen zwischen 200 € und 665 €<br />
Öffnungsklauseln ermöglichen abweichende Vereinbarungen zur Höhe<br />
und zum Auszahlungsmodus (durch Betriebsvereinbarung)<br />
Papierindustrie<br />
West (15.05.07)<br />
45.000<br />
3,2<br />
2,0<br />
05/07 – 04/08<br />
05/08 – 09/08<br />
2 Nullmonate m.<br />
Einmalzahlung (19 Monate)<br />
Schlichtungsergebnis<br />
Einmalzahlung von 95 €<br />
Öffnungsklausel ermöglicht abweichende Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung<br />
und Wettbewerbsverbesserung (mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien)<br />
Altersvorsorge-TV mit umgewidmeten vermögenswirksamen Leistungen<br />
Druckindustrie<br />
West + Ost (o. Bdbg.)<br />
(06.06.07)<br />
180.000<br />
3,0<br />
2,1<br />
07/07 – 06/08<br />
07/08 – 03/09<br />
3 Nullmonate (24 Monate)<br />
Verlängerung des Altersteilzeit-TV bis Ende 2009<br />
(ohne Nachwirkung)<br />
Bauwirtschaft<br />
West + Ost (20.08.07)<br />
700.000<br />
3,1<br />
1,5<br />
1,6<br />
06/07 – 03/08<br />
04/08 – 08/08<br />
09/08 – 03/09<br />
2 Nullmonate, zusätzliche<br />
Einmalzahlungen<br />
(24 Monate)<br />
Schlichtungsergebnis (mit ergänzenden Vereinbarungen<br />
für Niedersachsen, Schleswig-Holstein)<br />
Zusätzliche laufzeitbezogene Einmalzahlungen von je 0,4 % der Monatsentgelte<br />
(10 Monate) und 0,5 % für weitere 12 Monate, Öffnungsklausel ermöglicht abweichende<br />
Vereinbarungen zur Höhe und zum Auszahlungsmodus (durch Betriebsvereinbarung)<br />
Anhebungen der Mindestlöhne West auf 10,70/12,85 € ab September 2008<br />
Keine Anhebung der Ausbildungsvergütungen Ost bei Einrichtung<br />
von 300 zusätzlichen Ausbildungsplätzen<br />
Anhebung des AG-Beitrags der Zusatzversorgung für 2008 und 2009 um jeweils<br />
0,6 Prozentpunkte (Arbeiter) und 14 € (Angestellte)<br />
Absenkung des zusätzlichen Urlaubsgelds ab 2008 um 5 % auf 25 % (Arbeiter), 24 €<br />
(Angestellte) als Arbeitnehmerbeitrag zur Finanzierung der Zusatzversorgungskasse<br />
Öffnungsklausel ermöglicht beschäftigungssichernde Vereinbarungen mit Entgeltabsenkung<br />
um 8 % für West durch Haustarifvertrag bzw. firmenbezogenen Verbandstarifvertrag<br />
Versicherungswirtschaft<br />
West + Ost (24.11.07)<br />
220.000<br />
3,0<br />
1,6<br />
01/08 – 12/08<br />
01/09 – 09/09<br />
4 Nullmonate m. Einmalzahlungen<br />
(25 Monate)<br />
2 Einmalzahlungen von 300 € und 3,6 % eines Monatsgehalts<br />
Einstiegsentgelte für einfachste Tätigkeiten in den beiden unteren Gehaltsgruppen<br />
Ab 2008 Qualifizierungs-Tarifvertrag mit jährlichem Qualifizierungsgespräch<br />
Verlängerung der Vereinbarungen zur Altersteilzeit, Arbeitszeit-Flexibilisierung<br />
und Absenkung der Wochenarbeitszeit
38 Tarifpolitik
Tarifpolitik<br />
39<br />
tabellenwirksam um 2,4 % zuzüglich monatlicher Pauschalzahlungen<br />
von 15,50 € erhöht, gefolgt von einer weiteren<br />
tabellarischen Entgeltanhebung von 2,0 % und einer<br />
monatlichen Pauschalzahlung von 7,50 € für die letzten<br />
zehn Monate der insgesamt 24-monatigen Laufzeit. In den<br />
übrigen Tarifgebieten des Groß- und Außenhandels wurden<br />
entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen.<br />
Der im Juli für die Deutsche Bahn AG vereinbarte Tarifabschluss<br />
mit einer Gesamtlaufzeit von 19 Monaten<br />
sieht nach sechs Nullmonaten eine Entgeltanhebung von<br />
4,5 % vor. Weiterhin wurden eine pauschale Einmalzahlung<br />
von 600 € und ein Mindestzuwachs des Bruttolohns<br />
von 1.600 € für die Laufzeit des Entgeltabschlusses vereinbart.<br />
Nicht übernommen wurde dieser Tarifabschluss<br />
von der Gewerkschaft der Lokführer (GDL), die für das<br />
Fahrpersonal einen eigenständigen Tarifvertrag und Entgeltsteigerungen<br />
von über 30 % fordert. Da insbesondere<br />
die zentrale Forderung der GDL nach einem eigenständigen<br />
Tarifvertrag das gesamte Tarifgefüge der Bahn bedroht,<br />
kam es bislang zu keiner Einigung.<br />
Im August gelang in der Bauwirtschaft nach sehr schwierigen<br />
Verhandlungen und einem vierwöchigen Arbeitskampf<br />
in Niedersachsen und Schleswig-Holstein die<br />
nahezu unveränderte Übernahme des zunächst gescheiterten<br />
Schlichtungsergebnisses vom 19. Mai <strong>2007</strong>. Der<br />
Tarifabschluss sieht eine 24-monatige Laufzeit vor, in der<br />
nach zwei Nullmonaten eine dreistufige Tabellenanhebung<br />
von 3,1 %, 1,5 % und 1,6 % folgt, die mit zusätzlichen,<br />
laufzeitbezogenen Einmalzahlungen gekoppelt<br />
wird. Die Änderungen gegenüber dem Schlichterspruch<br />
sind marginal: So wurde die im Mai vereinbarte Möglichkeit<br />
einer bis zu 8 %igen Tariflohnabsenkung nicht<br />
nur durch Haustarifvertrag, sondern auch durch firmenbezogenen<br />
Verbandstarifvertrag auf alle Westverbände<br />
erstreckt. Zur Entlastung der neuen Bundesländer erfolgt<br />
dort keine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen, wenn<br />
im Vergleich zum Vorjahr am 1. September 2008 zusätzlich<br />
300 Ausbildungsplätze geschaffen werden.<br />
Im November haben sich die Versicherungswirtschaft und<br />
ver.di auf einen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 25 Monaten<br />
geeinigt. Dieser sieht nach vier Nullmonaten eine<br />
zweistufige Entgeltanhebung von 3,0 % und danach von<br />
1,6 % vor. Zudem wurde eine Einmalzahlung von 300 €<br />
und eine pauschale, gehaltsabhängige Einmalzahlung<br />
von 3,6 % eines tariflichen Monatsentgelts vereinbart. Für<br />
Neueinstellungen im Bereich einfacher Bürotätigkeiten<br />
wurden zusätzliche, abgesenkte Tarifgruppen geschaffen,<br />
um hier positive Beschäftigungsanreize zu setzen. Des<br />
Weiteren umfasst der Tarifabschluss einen Tarifvertrag<br />
zur Qualifizierung, der insbesondere einen Anspruch auf<br />
ein jährliches Qualifizierungsgespräch vorsieht.<br />
Anhaltende Diskussion<br />
über Mindestlöhne<br />
Die politische Diskussion war auch <strong>2007</strong> in hohem<br />
Maße von der Forderung nach Einführung gesetzlicher<br />
Mindestlöhne geprägt. Nachdem sich die Bundeskanzlerin<br />
ausdrücklich gegen einen allgemeinen gesetzlichen<br />
Mindestlohn ausgesprochen hatte, konzentrierte sich die<br />
Forderung auf die Einführung branchenbezogener Mindestlöhne,<br />
insbesondere über eine Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes<br />
auf weitere Branchen. Zuletzt<br />
war zum 1. Juli <strong>2007</strong> das Gebäudereinigerhandwerk<br />
in dieses Gesetz aufgenommen worden. Neben dem<br />
Entsendegesetz sind auch das Instrument der Allgemeinverbindlichkeit<br />
und insbesondere die Rolle des Tarifausschusses<br />
in dem Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung<br />
in den Fokus geraten. Das Präsidium der BDA<br />
hat deshalb mit Beschluss vom 20. April <strong>2007</strong> noch<br />
einmal ausdrücklich den Ausnahmecharakter der Allgemeinverbindlicherklärung<br />
hervorgehoben und gleichzeitig<br />
Bedingungen formuliert, unter denen aus Sicht<br />
der Arbeitgeber eine Allgemeinverbindlicherklärung von<br />
Mindestentgelten in Betracht kommen kann.<br />
Fauler „Mindestlohn“-Kompromiss<br />
Einen vorläufigen Abschluss fand die Mindestlohndiskussion<br />
innerhalb der Koalition mit dem Kompromiss vom<br />
18. Juni <strong>2007</strong>. Danach soll weiteren Branchen die Möglichkeit<br />
gegeben werden, auf gemeinsamen Antrag der<br />
Tarifvertragsparteien in das Entsendegesetz aufgenommen<br />
zu werden. Außerdem ist vorgesehen, für Bereiche<br />
ohne Tarifvertrag oder mit nur geringer Tarifbindung<br />
(sog. weiße Flecken) das Gesetz über die Festsetzung<br />
von Mindestarbeitsbedingungen von 1952 zu aktivieren.<br />
Auch wenn auf den ersten Blick an beiden Gesetzen nur<br />
wenig geändert werden soll, ist dieser Kompromiss mit
40 Tarifpolitik<br />
erheblichen Gefahren für die Tarifautonomie verbunden:<br />
Dies nicht nur, weil das bisherige System der Lohnfindung<br />
durch drohende Eingriffe des Verordnungsgebers<br />
beeinträchtigt wird. Insbesondere würde mit einem geänderten<br />
Mindestarbeitsbedingungengesetz die Grundlage<br />
für massive Eingriffe in die positive und negative Koalitionsfreiheit<br />
durch staatliche Lohnfestsetzung geschaffen.<br />
Höchst problematisch ist zudem, dass in beiden Gesetzen<br />
eine Konkurrenzregelung eingefügt werden soll, mit<br />
deren Hilfe der Verordnungsgeber anhand von Kriterien<br />
den Vorrang eines Tarifvertrages bzw. einer staatlichen<br />
Lohnfestsetzung vor einem anderen Tarifvertrag erklären<br />
könnte. Mit einer solchen Regelung würde erstmals die<br />
Möglichkeit zur staatlichen Tarifzensur geschaffen.<br />
Entgegen den ursprünglichen Planungen lagen im Herbst<br />
noch keine konkreten Vorschläge für die Umsetzung des<br />
Koalitionskompromisses vor. Antworten auf die vielen<br />
Fragen, die dieser Kompromiss aufgeworfen hat, wurden<br />
damit noch nicht gegeben. Durch die Diskussion über<br />
die vorgezogene Aufnahme der Postdienstleistungen in<br />
das Entsendegesetz, auf die sich die Koalition verständigt<br />
hatte, war das Verfahren ins Stocken geraten. Eines<br />
wurde bei der Diskussion über den Post-„Mindestlohn“<br />
aber bereits deutlich: Auch der Weg über Branchenmindestlöhne<br />
ist ein Irrweg, der zum Missbrauch der entsprechenden<br />
Instrumente einlädt.<br />
Post-„Mindestlohn“ oder: Wie lässt<br />
sich Wettbewerb verhindern?<br />
Vor dem Hintergrund der Öffnung des Briefmarktes in<br />
Deutschland zum 1. Januar 2008 hat die Bundesregierung<br />
auf der Kabinettsklausur in Meseberg im August die kurzfristige<br />
Aufnahme der Postdienstleister in das Entsendegesetz<br />
beschlossen. Dabei war sie von einer Tarifbindung in<br />
der Postbranche von über 50 % ausgegangen. Kurz darauf<br />
wurde von dem Arbeitgeberverband Postdienste, in dem<br />
in erster Linie Unternehmen der Deutsche Post AG organisiert<br />
sind, und ver.di ein „Mindestlohn“-Tarifvertrag abgeschlossen<br />
und dessen Allgemeinverbindlicherklärung<br />
sowie die Aufnahme in das Entsendegesetz beantragt.<br />
Das Präsidium der BDA hat sich entsprechend einer<br />
Beschlussempfehlung des Lohn- und Tarifpolitischen<br />
Ausschusses am 17. September <strong>2007</strong> gegen eine Allgemeinverbindlicherklärung<br />
dieses Tarifvertrages ausgesprochen.<br />
Zum einen handelt es sich bei einem Tarifvertrag<br />
mit zwei Lohngruppen und Entgelten, die deutlich<br />
über den Durchschnittslöhnen der Wettbewerber liegen,<br />
nicht um einen „Mindestlohn“, sondern um einen<br />
„Monopolsicherungslohn“. Hinzu kommt, dass der Tarifvertrag<br />
mit seinem sehr weiten Geltungsbereich in erheblichem<br />
Umfang Beschäftigte auch anderer Branchen<br />
erfasst hat, beispielsweise aus den Bereichen Spedition<br />
und Logistik, Paket- und Expressdienste, Kurierdienste,<br />
Einzelhandel sowie mit den Zeitungszustellern vor allem<br />
der Zeitungsverlage. Jeder Betrieb und jeder Arbeitnehmer,<br />
der mit der Beförderung nur eines Briefes befasst<br />
ist, sollte unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages<br />
fallen. Damit war das für eine Allgemeinverbindlicherklärung<br />
notwendige 50 %-Quorum nicht erfüllt.<br />
Die Wettbewerber der Deutsche Post AG haben sich in<br />
dem Arbeitgeberverband „Neue Brief- und Zustelldienste“<br />
zusammengeschlossen. In einer „Aktionsgemeinschaft<br />
für Wettbewerb im Postmarkt“ haben sie sich<br />
gemeinsam mit anderen betroffenen Branchen gegen<br />
den wettbewerbsfeindlichen „Monopolsicherungslohn“<br />
ausgesprochen. Der BDA gelang es, insbesondere mit<br />
einer Gemeinsamen Erklärung betroffener Verbände, die<br />
Politik davon zu überzeugen, dass das 50 %-Quorum<br />
nicht erfüllt ist. Die Ausweitung des Entsendegesetzes<br />
auf „Tarifverträge für Briefdienstleistungen“, wie sie vom<br />
Bundeskabinett beschlossen und auch schon im Bundestag<br />
in erster Lesung behandelt worden war, konnte damit<br />
zunächst gestoppt werden. Leider wurde vom Arbeitgeberverband<br />
Postdienste und ver.di die damit eröffnete<br />
Chance nicht genutzt, unter Einbeziehung aller Beteiligten<br />
einen echten Mindestlohntarifvertrag abzuschließen.<br />
Ein gemeinsamer Mindestlohntarifvertrag, der nicht über<br />
den Durchschnittslöhnen der Wettbewerber liegt, hätte<br />
ohne gesetzliche Änderung nach geltendem Recht allgemeinverbindlich<br />
erklärt werden können. Stattdessen<br />
haben der Arbeitgeberverband Postdienste und ver.di einen<br />
lediglich im Geltungsbereich geänderten Tarifvertrag<br />
vorgelegt, der mit seinen unverändert hohen Löhnen als<br />
Vertrag zu Lasten Dritter den Wettbewerb in dem sich<br />
erst öffnenden Briefmarkt verhindern soll.<br />
Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Mindestlohn“<br />
und den kompakt „Allgemeinverbindlicherklärung<br />
von Tarifverträgen“ veröffentlicht. Beide sind über<br />
www.bda-online.de abrufbar.
Tarifpolitik<br />
41<br />
Beschluss des Präsidiums der Bda vom 20. April <strong>2007</strong><br />
Balance in der Tarifautonomie wahren<br />
Position der Arbeitgeber zur Mindestlohndebatte<br />
1. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wendet<br />
sich gegen jede Form gesetzlich verordneter Mindestlöhne.<br />
Der Staat sollte sich aus der Lohngestaltung heraushalten. Die<br />
BDA tritt für tariftvertraglich vereinbarte Mindestlöhne ein. Gesetzliche<br />
Mindestlöhne sind demgegenüber mit der Tarifautonomie<br />
nicht vereinbar. Die von Gewerkschaften vorgeschlagenen<br />
Mindestlöhne würden in erheblichem Umfange Arbeitsplätze gefährden,<br />
insbesondere auch in den neuen Bundesländern, weil betroffene<br />
Arbeitsplätze entweder ins Ausland verlagert oder in die<br />
Schwarzarbeit verdrängt würden. Bei jeder Art von gesetzlichem<br />
Mindestlohn besteht überdies die Gefahr, dass ständige politische<br />
Debatten, insbesondere zu Wahlkampfzeiten, über weitere Erhöhungen<br />
des Mindestlohnes erfolgen.<br />
Anders als in anderen europäischen Ländern mit zum Teil gesetzlichen<br />
Mindestlöhnen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland<br />
eine funktionierende Tarifautonomie, faktisch ein gesetzlich garantiertes<br />
Mindesteinkommen und schon heute einen gesetzlichen<br />
Schutz vor sittenwidrigen Löhnen.<br />
entgegenzutreten. Nur wenn solche Bedingungen nachgewiesen<br />
sind und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, kann<br />
ein Tarifvertrag ausnahmsweise allgemeinverbindlich sein.<br />
Die Arbeitgebervertreter im paritätisch besetzten Tarifausschuss<br />
werden einem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit von Mindestlohntarifverträgen<br />
grundsätzlich zustimmen, wenn die geltenden<br />
gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und<br />
• beide Tarifvertragsparteien die Allgemeinverbindlichkeit des Mindestlohntarifvertrages<br />
wollen,<br />
• eine beträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern der Branche erheblich<br />
unter den jeweils geltenden Tariflöhnen beschäftigt werden,<br />
• es sich bei dem tarifvertraglich vereinbarten Mindestlohn um die<br />
unterste Lohngruppe der Branche handelt,<br />
• dieser Mindestlohn auch im Verhältnis zu anderen Branchen nicht<br />
überdurchschnittlich hoch ist und<br />
• durch die Allgemeinverbindlichkeit keine in der Branche konkurrierenden<br />
Tarifverträge verdrängt werden.<br />
2. Als verantwortungsvolle Arbeitgeber lehnen wir sittenwidrige Löhne<br />
strikt ab. Über 1,2 Mio. Betriebe mit 80 % aller Beschäftigten in<br />
Deutschland wenden Tarifverträge an und zahlen Tariflöhne. Sie<br />
sind von der gesamten Mindestlohndebatte selbst und unmittelbar<br />
gar nicht betroffen, weil für sie tarifliche Mindestlöhne gelten.<br />
Einzelvertraglich vereinbarte Löhne in nicht tarifgebundenen Betrieben<br />
sind schon nach geltendem Recht und gefestigter Rechtsprechung<br />
unzulässig, wenn der einschlägige Tariflohn oder der<br />
regional übliche Lohn um ein Drittel unterschritten wird. Es bedarf<br />
keiner zusätzlichen, gesetzlichen Regelung zur Absicherung der<br />
Rechtsprechung, weil hierzu mit § 138 BGB bereits eine gesetzliche<br />
Grundlage besteht.<br />
3. Allgemeinverbindliche Tarifverträge – gegenwärtig sind von über<br />
60.000 Tarifverträgen ca. 500 Tarifverträge allgemeinverbindlich<br />
erklärt – müssen im Rahmen der Tarifautonomie die Ausnahme<br />
bleiben, denn allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten auch<br />
gegenüber denjenigen, die nicht tarifgebunden sind. Zur Tarifautonomie<br />
gehört das Recht, nicht Mitglied einer Koalitionspartei zu<br />
sein und keine Tarifverträge abzuschließen. Deshalb bedarf es für<br />
eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf sog. Außenseiter immer<br />
einer besonderen Rechtfertigung unter den bestehenden engen gesetzlichen<br />
Voraussetzungen.<br />
4. Die BDA sieht die Funktion der Allgemeinverbindlichkeit von Lohnund<br />
Gehaltstarifverträgen darin, nachgewiesenen unsozialen Lohnund<br />
Arbeitsbedingungen bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern<br />
5. Die Aufnahme weiterer Branchen in das Entsendegesetz kommt<br />
in Betracht, wenn unerwünschte soziale Verwerfungen durch Entsendearbeitnehmer<br />
nachgewiesen sind und Tarifverträge gelten,<br />
die zuvor nach den Regeln des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich<br />
erklärt wurden. Eine Ausweitung des Entsendegesetzes<br />
ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen lehnt die BDA ab. Wir<br />
unterstützen damit die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zum<br />
Entsendegesetz.<br />
6. Keine der in der aktuellen Diskussion über die Ausweitung des<br />
Entsendegesetzes genannten Branchen erfüllt derzeit die Bedingungen<br />
für die Aufnahme in dieses Gesetz.<br />
In der Zeitarbeit werden bedingt durch den Equal-Pay/Treatment-<br />
Grundsatz und dessen Öffnung für Tarifverträge fast flächendeckend<br />
tarifliche Mindestlöhne gezahlt. Im Übrigen scheidet bei<br />
konkurrierenden Tarifverträgen, wie sie in der Zeitarbeit bestehen,<br />
bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Regelung<br />
aus, die willkürlich den Lohn eines Tarifvertrages für allgemeinverbindlich<br />
erklärt und damit die Geltung der übrigen tariflichen<br />
Löhne außer Kraft setzt.<br />
Bei allen anderen Branchen fehlt es an bundesweiten Mindestlohntarifverträgen<br />
oder Mindestlohnstrukturen, so dass schon aus<br />
diesem Grund deren Aufnahme in das Entsendegesetz zurzeit nicht<br />
in Betracht kommt. Die Bemühungen einiger Arbeitgeberverbände,<br />
wettbewerbsfähige Mindestlohntarifverträge in ihren Branchen zustande<br />
zu bringen, werden von der BDA unterstützt.
42 Tarifpolitik<br />
Tarifrecht modernisieren,<br />
Flächentarifvertrag erhalten<br />
Der Flächentarifvertrag sichert die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.<br />
Er schafft den notwendigen Ausgleich<br />
und nimmt eine soziale Befriedungsfunktion wahr.<br />
Deutschland ist auf wirtschaftlich tragbare und sozial ausgewogene<br />
Tarifregelungen angewiesen. Den Tarifpartnern<br />
ist es durch Vereinbarungen zur betrieblichen Differenzierung<br />
gelungen, ihren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit<br />
des Flächentarifvertrages zu leisten. Durch die Rechtsprechung<br />
des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Zulässigkeit<br />
von Sozialplan- und Unterstützungsstreiks sowie durch<br />
die mit Spartengewerkschaften verbundene Entwicklung<br />
festigt sich allerdings der Eindruck, dass bisher anerkannte<br />
Grundprinzipien des Tarifrechts ins Rutschen gekommen<br />
sind und der Flächentarifvertrag gefährdet ist. Es ist daher<br />
höchste Zeit, dass durch den Gesetzgeber eine neue Balance<br />
im Tarifrecht geschaffen wird.<br />
Spartengewerkschaften – Gefahr<br />
für die Tarifeinheit<br />
Zunehmend versuchen spezialisierte Minderheiten von<br />
Arbeitnehmern ihre Schlüsselstellung auszunutzen und<br />
einen eigenen Tarifvertrag durchzusetzen. So fordert die<br />
Gewerkschaft der Lokführer (GDL) den Abschluss eines<br />
Spartentarifvertrages für einen kleinen Teil der Belegschaft<br />
der Deutsche Bahn AG, obwohl kurz zuvor ein für<br />
alle Beschäftigten geltender Tarifvertrag mit ordentlichen<br />
Lohnzuwächsen abgeschlossen worden war. Durch Spartengewerkschaften<br />
wird auf diesem Weg immer häufiger<br />
der für die betriebliche Praxis wichtige Grundsatz der Tarifeinheit<br />
infrage gestellt, nach dem in einem Betrieb nur<br />
ein Tarifvertrag gelten kann.<br />
Der Grundsatz der Tarifeinheit ist ein Garant für die tarifliche<br />
Friedenspflicht und damit für ein funktionsfähiges<br />
Tarifvertragssystem. Er ist wesentliche Voraussetzung<br />
zur Sicherung des Betriebsfriedens. Unterschiedliche<br />
Entscheidungen der Instanzgerichte zum Grundsatz der<br />
Tarifeinheit haben allerdings zu Rechtsunsicherheit geführt.<br />
Da eine schnelle höchstrichterliche Klärung nicht<br />
in Sicht ist, ist der Gesetzgeber gefordert, den Grundsatz<br />
der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz als zentrales Element<br />
des Tarifrechts klarzustellen.<br />
Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass Streiks<br />
nicht von spezialisierten Minderheiten geführt oder angedroht<br />
werden dürfen, wenn mit ihnen ein Ziel durchgesetzt<br />
werden soll, das nur dieser Minderheit zugutekommen<br />
soll, die übrige Belegschaft aber durch den<br />
Arbeitskampf die Möglichkeit verliert, ihrer Beschäftigung<br />
nachzugehen. Solche Streiks sind unverhältnismäßig und<br />
durch das Grundgesetz nicht geschützt.
Tarifpolitik<br />
43<br />
Beschluss des Präsidiums der Bda vom 17. September <strong>2007</strong><br />
Grundsatz der Tarifeinheit erhalten, Friedensfunktion<br />
des Flächentarifvertrages sichern<br />
Das deutsche Tarifvertragssystem hat einen Beitrag dazu geleistet, dass in Deutschland im europäischen Durchschnitt bisher eine relativ geringe<br />
Zahl an Arbeitskämpfen zu verzeichnen gewesen ist. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Unterstützungsstreiks und Arbeitskämpfen<br />
um Sozialpläne stellt diese positive Grundbewertung erheblich infrage. Daneben beobachten wir mit Sorge die Gefahr einer möglichen Erosion des<br />
funktionierenden Systems der Flächentarifverträge durch das Tätigwerden von Gruppierungen, die sich ausschließlich einer Berufsgruppe verpflichtet<br />
fühlen (Spartengewerkschaften).<br />
Zunehmend versuchen spezialisierte Minderheiten trotz eines alle Beschäftigten umfassenden Tarifvertrages ihre Schlüsselstellung auszunutzen und<br />
einen zusätzlichen Spartentarifvertrag durchzusetzen. Mit dem Konkurrenzkampf von Gewerkschaften und einzelnen Mitarbeitergruppen ist die Zahl<br />
konkurrierender Tarifforderungen und Tarifverträge sprunghaft angestiegen. Durch diese Entwicklung ergeben sich neue tarif- und arbeitskampfrechtliche<br />
Probleme, die ein klarstellendes Eingreifen des Gesetzgebers notwendig machen.<br />
• Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern<br />
Die Friedensfunktion des Flächentarifvertrags ist für die Tarifautonomie konstitutiv. Der Arbeitgeber muss sich darauf verlassen können, während der<br />
Laufzeit eines für alle Beschäftigten geltenden Tarifvertrages keinen Arbeitskampfmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Ohne die Friedenspflicht besteht<br />
für die Unternehmen die Gefahr ständiger Tarifauseinandersetzungen oder gar Streiks. Kleine Spartengewerkschaften mit einem hohen Erpressungspotenzial<br />
könnten jederzeit Arbeitskämpfe um tarifliche Regelungen führen, die bereits in einem anderen Tarifwerk geregelt sind. Die Motivation<br />
nimmt ab, sich den Regelungen eines Tarifvertrags für die ganze Branche oder das gesamte Unternehmen zu unterwerfen. Denn trotz eines geltenden<br />
Tarifvertrags muss der Arbeitgeber jederzeit mit Arbeitskämpfen rechnen.<br />
• Grundsatz der Tarifeinheit erhalten<br />
Bisher war der vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Grundsatz der Tarifeinheit, nach dem in einem Betrieb grundsätzlich nur ein Tarifvertrag mit<br />
demselben Geltungsbereich zur Anwendung kommen kann, ein Garant für die Friedenspflicht und damit für ein funktionsfähiges Tarifvertragssystem.<br />
Der Grundsatz der Tarifeinheit schließt dabei nicht aus, dass die Tarifvertragsparteien einzelne Beschäftigungsgruppen aus dem Geltungsbereich eines<br />
Tarifvertrages herausnehmen und so einer weiteren tarifvertraglichen Regelung – ggf. auch mit einer anderen Gewerkschaft – zugänglich machen<br />
können.<br />
Der Arbeitskampf einer Spartengewerkschaft ist unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, wenn in einem Betrieb bereits ein alle Beschäftigten<br />
umfassender Tarifvertrag gilt. Durch den Grundsatz der Tarifeinheit kommt ein solcher Spartentarifvertrag nicht zur Anwendung. Die mit dem Streik<br />
verbundenen Belastungen für das Unternehmen und die Mehrheit der Belegschaft stehen daher außer Verhältnis zu den Vorteilen, die nur für eine<br />
Minderheit der Belegschaft Wirkung entfalten sollen.<br />
• Betriebliche Praxis braucht Tarifeinheit<br />
Auch für die betriebliche Praxis besteht ein großes Bedürfnis nach einer betriebseinheitlichen Anwendung nur eines Tarifvertrages. Eine Aufgabe des<br />
Grundsatzes der Tarifeinheit würde zu zahlreichen nur schwer lösbaren Problemen führen: Der Arbeitgeber müsste beispielsweise die Gewerkschaftszugehörigkeit<br />
seiner Arbeitnehmer erfragen, um den richtigen Tarifvertrag anzuwenden. Auch inhaltliche Unterschiede zwischen den einzelnen<br />
Tarifverträgen führen zu erheblichen Schwierigkeiten. Bei Arbeitsbedingungen wie beispielsweise der Arbeitszeit lassen sich unterschiedliche tarifvertragliche<br />
Regelungen in einem Betrieb praktisch nicht umsetzen. Schließlich würden beim Umgang mit tarifvertraglichen Öffnungsklauseln und<br />
hinsichtlich des Verhältnisses der Tarifverträge zu Betriebsvereinbarungen Probleme entstehen.<br />
• Rechtsunsicherheit beseitigen<br />
Das Bundesarbeitsgericht hält zwar im Wesentlichen seit 1957 am Grundsatz der Tarifeinheit fest. Unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte<br />
zum Grundsatz der Tarifeinheit und zum Streikrecht von Spartengewerkschaften haben aber zu Rechtsunsicherheit geführt. Da eine schnelle höchstrichterliche<br />
Klärung nicht in Sicht ist, sollte der Gesetzgeber handeln und durch die Bekräftigung des Grundsatzes der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz<br />
die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit fordert das Präsidium der BDA daher den<br />
Gesetzgeber auf, im Tarifvertragsgesetz klarzustellen, dass der Grundsatz der Tarifeinheit ein zentrales Element des bestehenden Tarifrechts ist.
44 Tarifpolitik<br />
Friedensfunktion des<br />
Flächentarifvertrages sichern<br />
Die Zukunftsfähigkeit des Flächentarifvertrages darf nicht<br />
durch die Zulassung von Streiks gegen verbandsangehörige<br />
Arbeitgeber infrage gestellt werden. Die in Arbeitgeberverbänden<br />
organisierten Unternehmen müssen sich<br />
darauf verlassen können, dass die Grundsätze des Tarifrechts<br />
verwirklicht werden, insbesondere während der<br />
Laufzeit eines Tarifvertrages keinen Arbeitskampfmaßnahmen<br />
ausgesetzt zu werden. Ohne die Friedenspflicht<br />
nimmt die Motivation ab, sich den Regelungen eines Tarifvertrages<br />
zu unterwerfen. Diese negative Entwicklung<br />
wird durch die Rechtsprechung des BAG gefördert. So hat<br />
das BAG einen Streik um einen sog. Tarifsozialplan als<br />
zulässig erklärt. Trotz der gesetzlich geregelten Zuständigkeit<br />
der Betriebsparteien gem. §§ 111, 112 BetrVG<br />
sah es die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien als<br />
nicht beschränkt an. Darüber hinaus wurde vom Gericht<br />
erklärt, dass der Umfang einer auf ein tarifvertraglich regelbares<br />
Ziel gerichteten Streikforderung keiner gerichtlichen<br />
Kontrolle unterliegt. Auch mit dieser Entscheidung<br />
wird deutlich: Das deutsche Tarifrecht muss grundlegend<br />
überarbeitet und reformiert werden.<br />
Es ist eine gesetzliche Klarstellung notwendig, um die dem<br />
Tarifvertrag innewohnende Friedenspflicht zu bewahren<br />
und damit die Tarifautonomie zu schützen. Streiks um Tarifsozialpläne<br />
untergraben die Friedenspflicht und damit<br />
eines der Fundamente der Tarifautonomie in Deutschland.<br />
Solche Streiks gefährden zudem notwendige Umstrukturierungen,<br />
die zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Unternehmen und damit der Arbeitsplätze<br />
in Deutschland notwendig sind. Ferner muss gesetzlich<br />
abschließend klargestellt werden, ob im Fall struktureller<br />
Veränderungen im Unternehmen der Betriebsvereinbarung<br />
oder dem Tarifvertrag der Vorrang zukommt. Ein Nebeneinander<br />
muss gesetzlich ausgeschlossen werden.<br />
Bisher war anerkannt, dass Arbeitskämpfe, die nicht auf<br />
den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet sind, grundsätzlich<br />
unzulässig sind. Unterstützungsstreiks über den<br />
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu begrenzen, schafft<br />
keine Rechtssicherheit. Das Arbeitskampfrecht verliert damit<br />
wichtige Konturen. Arbeitskämpfe können allenfalls<br />
durch das Ziel legitimiert sein, Tarifforderungen durchzusetzen,<br />
und dürfen nicht auf dem Rücken unbeteiligter<br />
Betriebe und zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft<br />
ausgetragen werden. Solche Streiks gefährden – wie politische<br />
Streiks – den sozialen Frieden und untergraben die<br />
Tarifautonomie an entscheidender Stelle.<br />
Beschäftigungsmotor Zeitarbeit<br />
Zeitarbeit hat sich zu einem maßgeblichen Beschäftigungsmotor<br />
in Deutschland entwickelt: Nach den Mitte<br />
Oktober veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur<br />
für Arbeit waren zum Stichtag 31. Dezember 2006 über<br />
630.000 Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Insbesondere zur<br />
gegenwärtigen Belebung des Arbeitsmarktes hat die Zeitarbeit<br />
maßgebliche Impulse gesetzt. Insgesamt sind im<br />
letzten Jahr mehr als ein Viertel aller neuen sozialversicherungspflichtigen<br />
Beschäftigungsverhältnisse in der Zeitarbeit<br />
entstanden – so viele wie in keiner anderen Branche.<br />
Der europäische Vergleich zeigt, dass die Zeitarbeit in<br />
Deutschland weiteres Wachstumspotenzial hat. Mit 1,5 %<br />
liegt der Anteil der in Zeitarbeit Beschäftigten unter dem<br />
Zeitarbeit als Beschäftigungsmotor<br />
Tätigkeit der Arbeitnehmer vor Zeitarbeit<br />
15,1 %<br />
8,5 %<br />
32,0 %<br />
Unterstützungsstreiks gefährden<br />
Tarifautonomie<br />
44,4 %<br />
Mit seiner Entscheidung, dass Unterstützungsstreiks<br />
grundsätzlich zulässig sind, stellt das BAG ein weiteres<br />
wichtiges Fundament des deutschen Tarifrechts infrage:<br />
vorher 1 Jahr und länger arbeitslos vorher beschäftigt<br />
vorher weniger als 1 Jahr arbeitslos noch nie beschäftigt<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, <strong>2007</strong>, Stichtag: 31. Dezember 2006
Tarifpolitik<br />
45<br />
Zeitarbeit als Wachstumsbranche<br />
Anzahl der überlassenen Zeitarbeitnehmer in Tsd.<br />
631<br />
600<br />
500<br />
464<br />
400<br />
300<br />
200<br />
177<br />
200<br />
232<br />
286<br />
337<br />
302 308<br />
327<br />
389<br />
100<br />
0<br />
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, <strong>2007</strong>, Stichtag: 31.Dezember des jeweiligen Jahres<br />
europäischen Durchschnitt von 2,0 % und weit hinter<br />
Großbritannien (5,0 %) und den Niederlanden (2,5 %).<br />
In Zeiten der Globalisierung haben Unternehmen einen<br />
zunehmenden Bedarf an Flexibilität, dem die moderne<br />
Beschäftigungsform Zeitarbeit Rechnung trägt. Auf diese<br />
Weise sind sie in der Lage, den schwankenden und daher<br />
zeitlich begrenzten Bedarf an Personal flexibel zu decken.<br />
In diesem Zusammenhang spielt Zeitarbeit auch als<br />
Ventil für das ansonsten starre und unflexible deutsche<br />
Arbeitsrecht eine große Rolle.<br />
Für Arbeitnehmer leistet Zeitarbeit einen wichtigen Beitrag<br />
zur Vermeidung und Überwindung von Arbeitslosigkeit.<br />
Sie eröffnet ihnen die Chance zur Qualifizierung<br />
durch Beschäftigung. Knapp 70 % der Zeitarbeitnehmer<br />
haben durch Zeitarbeit die Chance erhalten, die Arbeitslosigkeit<br />
zu überwinden. Etwa ein Drittel der Arbeitnehmer<br />
wechselt aus der Zeitarbeit in das entleihende oder<br />
in ein anderes Unternehmen außerhalb der Zeitarbeit.<br />
Allerdings stehen die Zeitarbeitsunternehmen wegen des<br />
zunehmenden Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften immer<br />
mehr vor dem Problem, die notwendigen Fachkräfte<br />
zu rekrutieren. Die Themen Ausbildung und Qualifizierung<br />
gewinnen daher auch für Zeitarbeitsunternehmen<br />
weiter an Bedeutung.<br />
Eine erneute Beschränkung der Zeitarbeit, wie sie in Teilen<br />
der Politik diskutiert wird, ist ein gefährlicher Ansatz,<br />
der dazu führt, diesen Beschäftigungsmotor wieder abzuwürgen.<br />
Sie geht an den Bedürfnissen der Betriebe vorbei,<br />
gefährdet Arbeitsplätze sowohl in der Zeitarbeitsbranche<br />
als auch bei den Entleiherbetrieben und nimmt vielen Arbeitslosen<br />
die Chance zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt.<br />
Eine Aufnahme der Zeitarbeitsbranche in das Entsendegesetz<br />
ist weder erforderlich noch rechtlich zulässig. Auf<br />
nahezu 100 % der Zeitarbeitsverhältnisse finden Tarifverträge<br />
Anwendung, so dass keine sozialen Verwerfungen<br />
bestehen. Zudem stellt die Aufnahme in das Entsendegesetz<br />
und die Allgemeinverbindlicherklärung eines<br />
Mindestlohntarifvertrages wegen des Bestehens konkurrierender<br />
Tarifverträge einen Eingriff in die verfassungsrechtlich<br />
geschützte Koalitionsfreiheit des Verbandes<br />
dar, dessen Tarifverträge keine Anwendung mehr finden.<br />
Die Forderung nach einem Gleichbehandlungsgrundsatz<br />
ohne Tariföffnung steht im Widerspruch zu dem Prinzip,<br />
dass Zeitarbeitsunternehmen vollwertige Arbeitgeber sind<br />
und Zeitarbeitnehmer auch in überlassungsfreien Zeiten<br />
vergütet werden. Im Übrigen würden die Tarifverträge der<br />
Zeitarbeit ausgehebelt und so in die Tarifautonomie der<br />
Zeitarbeitsverbände eingegriffen. Auch einer Ausweitung<br />
der Beteiligungsrechte der Betriebsräte bedarf es nicht, da<br />
die Interessen der Zeitarbeitnehmer bereits umfassend geschützt<br />
sind.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zeitarbeit“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.
47<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
48 Soziale Sicherung<br />
Wirtschaftlichen Aufschwung<br />
für weiter gehende Strukturreformen<br />
nutzen<br />
ausgabensenkende Strukturreformen in den Sozialversicherungen<br />
fortzusetzen bzw. noch ausstehende Reformen<br />
anzugehen.<br />
Trotz der dämpfenden Effekte der zum 1. Januar <strong>2007</strong><br />
wirksam gewordenen Mehrwertsteuererhöhung hat sich<br />
der wirtschaftliche Aufschwung in diesem Jahr weiter fortgesetzt.<br />
Das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts<br />
wird nach Ansicht des Sachverständigenrates zur Begutachtung<br />
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit<br />
2,6 % zwar etwas schwächer als 2006 (2,9 %) ausfallen,<br />
aber deutlich dynamischer bleiben als in den von Stagnation<br />
und wachsender Arbeitslosigkeit gekennzeichneten<br />
Vorjahren. Diese Entwicklung ist erfreulich, und sie verbessert<br />
die Finanzlage aller Sozialversicherungszweige<br />
durch steigende Beitragseinnahmen.<br />
Der aktuelle Konjunkturaufschwung ist jedoch kein<br />
Selbstläufer. In der gerade begonnenen zweiten Hälfte<br />
der Legislaturperiode erwartet die deutsche Wirtschaft<br />
von der Bundesregierung eine wachstumsorientierte<br />
Politik und weitere intensive Reformanstrengungen.<br />
Stillstand oder Rücknahme von Erreichtem wären fatale<br />
Fehler, welche die gute wirtschaftliche Entwicklung<br />
leichtfertig aufs Spiel setzen würden. Die Bundesregierung<br />
muss den konjunkturellen Rückenwind nutzen, um<br />
Licht und Schatten<br />
CDU/CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vom<br />
11. November 2005 vereinbart, die Beitragssätze zur Sozialversicherung<br />
dauerhaft unter die Marke von 40 % zu<br />
senken. Durch die jetzt beschlossene weitere Absenkung<br />
des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von 4,2<br />
auf 3,3 % zum 1. Januar 2008 wird die große Koalition<br />
dieses wirtschafts- und sozialpolitisch unverzichtbare Ziel<br />
im ersten Halbjahr 2008 erstmals erreichen. Unter der<br />
Annahme, dass die Beitragsbelastung in der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung von zuletzt 14,8 % (inkl. Sonderbeitrag<br />
der Versicherten) unverändert bleibt, wird der<br />
Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz zum 1. Januar<br />
2008 auf 39,8 % zurückgehen. Sollte das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz,<br />
das eine Beitragssatzanhebung<br />
um 0,25 Prozentpunkte auf 1,95 % vorsieht, wie geplant<br />
zum 1. Juli 2008 in Kraft treten, wird die 40 %-Marke<br />
aber bereits im zweiten Halbjahr 2008 wieder überschritten.<br />
Deshalb müssen weitere, über die bislang ergriffenen<br />
Maßnahmen hinausgehende Schritte unternommen wer-
Soziale Sicherung<br />
49<br />
Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz sinkt kurzfristig unter 40 prozent<br />
(jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt; 2008: Schätzung der BDA)<br />
Pflegeversicherung (Durchschnitt)<br />
Arbeitslosenversicherung<br />
Krankenversicherung (Durchschnitt)<br />
Rentenversicherung<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
in %<br />
26,5<br />
1,3<br />
8,2<br />
32,4<br />
3,0<br />
11,4<br />
35,8<br />
4,3<br />
12,8<br />
41,0<br />
1,70<br />
6,5<br />
13,5<br />
42,0<br />
1,77<br />
6,5<br />
14,2<br />
42,0<br />
1,77<br />
6,5<br />
14,2<br />
40,7<br />
1,77<br />
4,2<br />
14,8<br />
39,8 40,0<br />
1,77 2,02<br />
3,3 3,3<br />
14,8 14,8<br />
20<br />
15<br />
17,0<br />
18,0<br />
18,7<br />
19,3 19,5<br />
19,5<br />
19,9<br />
19,9<br />
19,9<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1970 1980 1990 2000 2005 2006 <strong>2007</strong> 01.01.2008 01.07.2008<br />
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit; eigene Darstellung der BDA<br />
den. Das ist zwingend zur Entlastung der Betriebe bei<br />
den – auch im internationalen Vergleich – nach wie vor<br />
viel zu hohen Personalzusatzkosten.<br />
Das „RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz“ bringt – anders<br />
als in der Gesetzesbegründung behauptet – langfristig keine<br />
Senkung der Lohnzusatzkosten. Vielmehr wird lediglich<br />
der langfristige Beitragssatzanstieg in der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung auf 21,9 % im Jahr 2030 vermindert.<br />
Der prognostizierte Beitragssatz liegt damit immer noch<br />
deutlich oberhalb des heutigen Niveaus von 19,9 %.<br />
Richtig war der Beschluss des Gesetzgebers, die Beitragsfreiheit<br />
der Entgeltumwandlung für betriebliche<br />
Altersvorsorge dauerhaft zu gewährleisten. Auf diese<br />
Weise wird eine doppelte Belastung der betrieblichen<br />
Altersvorsorge mit Sozialversicherungsbeiträgen in der<br />
Aufwands- und in der Leistungsphase verhindert und<br />
ihre Attraktivität auch für die Zukunft gesichert.<br />
Eine große Enttäuschung ist dagegen das am<br />
2. Februar <strong>2007</strong> vom Bundestag verabschiedete „GKV-<br />
Wettbewerbsstärkungsgesetz“. Es verfehlt alle wesentlichen<br />
Anforderungen an eine durchgreifende und<br />
zukunftssichere Neuordnung des Gesundheitswesens.<br />
Insbesondere ist – entgegen der Zusage im Koalitionsvertrag<br />
– der weitere Anstieg der Beitragssätze der<br />
Krankenkassen auf das neue Rekordniveau von 14,8 %<br />
nicht verhindert worden.<br />
Die Pflegeversicherung bedarf einer grundlegenden<br />
Reform auf der Leistungs- wie auf der Finanzierungsseite<br />
– insbesondere mit einer Abkopplung der<br />
Pflegefinanzierung von den Arbeitskosten. Der am<br />
17. Oktober <strong>2007</strong> von der Bundesregierung beschlossene<br />
Gesetzentwurf des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes,<br />
der einseitig Leistungsausweitungen und<br />
eine Beitragssatzanhebung vorsieht, ist die falsche<br />
Weichenstellung.<br />
In der Unfallversicherung droht die überfällige Beitragsentlastung<br />
der Unternehmen weiter auszubleiben. Das<br />
gilt jedenfalls, wenn die im Koalitionsvertrag vereinbarte<br />
Reform des Leistungsrechts erneut aufgeschoben wird<br />
und es beim aktuellen Gesetzentwurf des Bundesministeriums<br />
für Arbeit und Soziales bleibt, der ausschließlich<br />
eine Reform des Organisationsrechts der Unfallversicherung<br />
vorsieht.
50 Soziale Sicherung<br />
Gesetzliche Rentenversicherung:<br />
Regelaltersgrenze ohne<br />
Ausnahmen anheben<br />
RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz<br />
1. Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf<br />
67 Jahre zwischen 2012 und 2029<br />
2. Verzicht auf die nach geltendem Recht ab 2010<br />
vorgesehene Absenkung des Rentenzugangsalters<br />
für langjährig Versicherte von 63 auf 62 Jahre<br />
3. Einführung einer neuen abschlagsfreien Altersgrenze<br />
ab 65 Jahren für besonders langjährig<br />
Versicherte ab 2012, Voraussetzung: mindestens<br />
45 Jahre Pflichtbeiträge aus Beschäftigung,<br />
selbstständiger Tätigkeit und Pflege<br />
sowie Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten<br />
Lebensjahr des Kindes<br />
4. Anhebung des Referenzalters für die Inanspruchnahme<br />
einer Erwerbsminderungsrente von 63 auf<br />
65 Jahre zwischen 2012 und 2024, Ausnahme:<br />
erwerbsgeminderte Versicherte mit 35 bzw.<br />
40 Jahren Wartezeit<br />
5. Anhebung der abschlagsfreien Altersgrenze bei<br />
der Schwerbehindertenrente von 63 auf 65 Jahre<br />
zwischen 2012 und 2029<br />
6. Anhebung der Altersgrenze für die große Witwen-/Witwerrente<br />
von 45 auf 47 Jahre zwischen<br />
2012 und 2029<br />
7. Einführung eines Anpassungsfaktors zur Nachholung<br />
unterlassener Rentendämpfungen ab 2011<br />
Am 9. März <strong>2007</strong> hat der Bundestag das „Gesetz zur<br />
Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische<br />
Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen<br />
der gesetzlichen Rentenversicherung“ (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz)<br />
beschlossen. Dieses Gesetz,<br />
das am 1. Januar 2008 in Kraft tritt, sieht im Wesentlichen<br />
vor, die abschlagsfreie Regelaltersgrenze über<br />
einen Zeitraum von 18 Jahren um 24 Monate auf das<br />
vollendete 67. Lebensjahr anzuheben und die Rentenanpassungsformel<br />
um einen Anpassungsfaktor (Nachholfaktor)<br />
zu ergänzen. Durch diese Maßnahmen sollen<br />
die gesetzlich verankerten Beitragssatz- und Niveausicherungsziele<br />
– Beitragssatzobergrenze von 20 % bis<br />
2020 bzw. 22 % bis 2030 und Rentenniveauuntergrenze<br />
von 46 % bis 2020 bzw. 43 % bis 2030 – dauerhaft<br />
eingehalten werden.<br />
Die Anhebung der Altersgrenzen ist erst nach einer<br />
mehrjährigen Vorlaufzeit und zudem stufenweise vorgesehen.<br />
Damit will der Gesetzgeber Versicherten und<br />
Arbeitgebern ausreichend Zeit geben, sich in ihren Dispositionen<br />
auf die neue Rechtslage einzustellen. Die<br />
neue Regelaltersgrenze von 67 Jahren wird erstmals im<br />
Jahr 2029 erreicht und gilt für alle 1964 und später Geborenen.<br />
Auch bezüglich der Altersrente für langjährig<br />
Versicherte sieht das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz<br />
eine schrittweise Anhebung vom vollendeten 65. auf das<br />
67. Lebensjahr vor. Die vorzeitige Inanspruchnahme<br />
der Altersrente für langjährig Versicherte wird – sofern<br />
nicht ein besonderer Vertrauensschutz wegen Altersteilzeit<br />
gegeben ist – wie heute frühestens mit 63 Jahren<br />
möglich sein. Die nach geltendem Recht vorgesehene<br />
Absenkung des frühestmöglichen Renteneintrittsalters<br />
auf 62 Jahre unterbleibt.<br />
Hauptkritikpunkt der BDA am RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz<br />
ist, dass die Rente mit 67 nicht konsequent<br />
umgesetzt wird. Insbesondere die Ausnahmeregelung<br />
für besonders langjährig Versicherte, die<br />
eine Wartezeit von mindestens 45 Jahren zurückgelegt<br />
haben, reduziert die Einsparwirkung der Rentenreform<br />
<strong>2007</strong> um etwa 0,2 Beitragssatzpunkte bezogen<br />
auf das Jahr 2030. Sie wird dazu führen, dass ausgerechnet<br />
diejenigen, die bis 67 Jahre arbeiten könnten,<br />
dennoch vorher in Rente gehen. Damit wird ein neuer<br />
Fehlanreiz geschaffen, der dem Ziel der Bundesregierung,<br />
den Beschäftigungsgrad Älterer weiter zu erhöhen,<br />
widerspricht.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche<br />
Rentenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über<br />
www.bda-online.de abrufbar.
Soziale Sicherung<br />
51<br />
Weichen für betriebliche<br />
Altersvorsorge weiter auf<br />
Zuwachs gestellt<br />
Am 8. November <strong>2007</strong> hat der Bundestag die unbefristete<br />
Fortführung der beitragsfreien Entgeltumwandlung über<br />
2008 hinaus beschlossen und damit eine wichtige Weichenstellung<br />
vorgenommen. Auch der Bundesrat votierte<br />
am 30. November <strong>2007</strong> für dieses Gesetz, so dass eine<br />
Grundlage für das weitere Wachstum der betrieblichen<br />
Altersvorsorge künftig gesichert ist.<br />
Der Gesetzgeber hat mit diesem Beschluss einem langjährigen<br />
Anliegen der BDA Rechnung getragen. Damit werden<br />
für die Tarifpartner verlässliche Rahmenbedingungen<br />
zur Weiterentwicklung der tariflichen Entgeltumwandlungsvereinbarungen<br />
geschaffen. Im Juni <strong>2007</strong> hatten Arbeitgeberpräsident<br />
Dr. Dieter Hundt und der DGB-Vorsitzende<br />
Michael Sommer in einem gemeinsamen Schreiben<br />
an den Bundesarbeitsminister eine dauerhafte Beibehaltung<br />
der beitragsfreien Entgeltumwandlung eingefordert.<br />
Mit der Fortführung der Beitragsfreiheit wird verhindert,<br />
dass die Entgeltumwandlung ab 2009 sowohl in der Anspar-<br />
als auch in der Leistungsphase mit Abgaben zur<br />
gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und damit<br />
doppelt belastet wird. Dadurch wäre die Entgeltumwandlung<br />
für die meisten Arbeitnehmer – insbesondere<br />
für jene mit kleinem oder mittlerem Einkommen – nicht<br />
mehr attraktiv gewesen.<br />
Dass der Gesetzgeber mit der Fortführung der<br />
Beitragsfreiheit die richtige Entscheidung getroffen<br />
hat, belegt auch eine aktuelle Studie zur Verbreitung<br />
der betrieblichen Altersvorsorge von TNS Infratest.<br />
Hiernach hat die Entgeltumwandlung maßgeblich zum<br />
erfreulichen Wachstum der betrieblichen Altersvorsorge<br />
beigetragen. Seit der Ausweitung der Förderung der<br />
Entgeltumwandlung hat die Verbreitung der betrieblichen<br />
Altersvorsorge unter den sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten im Zeitraum vom 31. Dezember 2001 bis<br />
zum 31. Dezember 2006 von 52 auf 65 % zugenommen.<br />
Somit haben derzeit über 17 Mio. Beschäftigte eine<br />
Anwartschaft auf betriebliche Altersvorsorge.<br />
Immer mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />
mit betrieblicher Altersvorsorge<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit betrieblicher Altersvorsorge (in %, jeweils zum 31. Dezember eines Jahres)<br />
2001<br />
52<br />
2002<br />
55<br />
2003<br />
58<br />
2005<br />
64<br />
2006<br />
65<br />
50<br />
60 70<br />
Quelle: TNS Infratest Sozialforschung; eigene Darstellung der BDA
52 Soziale Sicherung<br />
Das Gesetz sieht neben der Fortführung der Beitragsfreiheit<br />
auch vor, dass unverfallbare Betriebsrentenanwartschaften<br />
künftig bereits ab 25 Jahren statt bislang<br />
30 Jahren erworben werden können. Damit folgt der<br />
Gesetzgeber den entsprechenden Beschlüssen von<br />
Bundestag und Bundesrat im Rahmen der Diskussion<br />
über die EU-Portabilitätsrichtlinie vom April 2006. Die<br />
Absenkung des Mindestalters ist jedoch nicht unproblematisch,<br />
da die Ausweitung des anspruchsberechtigten<br />
Personenkreises zu einer zusätzlichen wirtschaftlichen<br />
Belastung der Unternehmen führen kann, die diese<br />
durch Gegenmaßnahmen – beispielsweise durch Reduzierung<br />
der Leistungspläne – auffangen müssen.<br />
Diese Belastung wird noch verstärkt durch die unzureichende<br />
steuerrechtliche Begleitung dieser Maßnahme.<br />
Die vorgesehene Absenkung des steuerlichen<br />
Mindestalters von 28 auf 27 Jahre wird dem Zuwachs<br />
des tatsächlichen Verpflichtungsumfangs des Arbeitgebers<br />
nicht gerecht. Angemessen ist hier sowohl aus<br />
betriebswirtschaftlicher als auch aus versicherungsmathematischer<br />
Sicht, das steuerliche Mindestalter um<br />
fünf Jahre auf 23 Jahre zu senken.<br />
EU-Richtlinienvorschlag für<br />
Mindeststandards der betrieblichen<br />
Altersvorsorge wäre<br />
schädlich<br />
Am 9. Oktober <strong>2007</strong> hat die EU-Kommission einen<br />
neuen Richtlinienvorschlag zur Verbesserung der Mindeststandards<br />
von Betriebsrenten (vormals: „Portabilitätsrichtlinie“)<br />
vorgelegt. Auch dieser Vorschlag kann<br />
die Bedenken der BDA nicht ausräumen. Der neue<br />
Vorschlag würde ebenfalls zu mehr Bürokratie und<br />
zu einer Verteuerung der betrieblichen Altersvorsorge<br />
führen. Durch den Richtlinienvorschlag, der viele<br />
verschärfende Regelungen enthält, würde das Interesse<br />
der Arbeitgeber an der betrieblichen Altersvorsorge,<br />
die eine freiwillige Leistung ist, sinken und die Bereitschaft,<br />
neue Zusagen für betriebliche Altersvorsorge für<br />
die Beschäftigten zu geben, zurückgehen. Dem notwendigen<br />
Ziel, die betriebliche Altersvorsorge weiter<br />
zu verbreiten, liefen die geplanten Vorschriften damit<br />
diametral zuwider.<br />
Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge<br />
1. Aufhebung der gesetzlichen Befristung (bis 31. Dezember 2008) der Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung.<br />
Diese bleibt auch nach diesem Datum bei allen Durchführungswegen in Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze<br />
zur gesetzlichen Rentenversicherung (West) beitragsfrei.<br />
2. Das Mindestalter für den Erwerb unverfallbarer Anwartschaften bei arbeitgeberfinanzierten Betriebsrentenzusagen<br />
wird von derzeit 30 auf 25 Jahre abgesenkt.<br />
3. Die Absenkung gilt für Neuzusagen, die ab dem 1. Januar 2009 erteilt werden. Für Zusagen, die nach dem 1. Januar<br />
2000, aber vor dem 1. Januar 2009 erteilt wurden, gilt eine Übergangsregelung, wonach ein Arbeitnehmer zwischen<br />
25 und 30 Jahren eine unverfallbare Anwartschaft erwirbt, wenn diese ab dem 1. Januar 2009 für fünf Jahre<br />
bestanden hat.<br />
4. Steuerlich wird das Alter, ab dem Rückstellungen gebildet bzw. Zuwendungen an eine Unterstützungskasse erbracht<br />
werden können, von derzeit 28 auf 27 Jahre abgesenkt.<br />
5. Bei der geförderten zusätzlichen Altersvorsorge (Riesterrente) wird für Kinder, die nach dem 1. Januar 2008 geboren<br />
werden, die Kinderzulage von derzeit 185 € auf 300 € erhöht.
Soziale Sicherung<br />
53<br />
Besonders gravierend ist, dass sich der Anwendungsbereich<br />
der Richtlinie auch beim neuen Vorschlag der<br />
Kommission auf alle Betriebsrentenzusagen, die in der<br />
Vergangenheit erteilt wurden, erstrecken soll. Der weite<br />
Anwendungsbereich kann insbesondere in Verbindung<br />
mit den vorgesehenen Vorgaben zur fairen Behandlung<br />
der Betriebsrentenanwartschaften von ausgeschiedenen<br />
Arbeitnehmern zu Verteuerungen von bestehenden Betriebsrentensystemen<br />
führen. Eine nachträgliche Verteuerung<br />
von Betriebsrentenzusagen, mit der die Unternehmen<br />
bei Zusageerteilung nicht rechnen konnten, würde<br />
aber notwendiges Vertrauen untergraben und dazu führen,<br />
dass sich Unternehmen bei ihrem künftigen freiwilligen<br />
Engagement zurückhalten.<br />
Eine weitere unannehmbare Regelung des neuen Vorschlags<br />
sieht vor, die Unverfallbarkeitsfrist für die Erlangung<br />
von Betriebsrentenanwartschaften auf ein Jahr<br />
festzulegen, wenn der Arbeitnehmer über 25 Jahre alt ist<br />
(fünf Jahre bei Arbeitnehmern bis zum 25. Lebensjahr).<br />
Diese Frist ist sogar noch kürzer als im ursprünglichen<br />
Kommissionsvorschlag, in dem eine zweijährige Unverfallbarkeitsfrist<br />
vorgesehen war. Diese Verkürzung würde<br />
die betriebliche Altersvorsorge nicht nur erheblich<br />
verteuern (nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft<br />
für betriebliche Altersversorgung e. V. um bis zu 20 %),<br />
sondern sie auch als personalpolitisches Instrument zur<br />
Mitarbeiterbindung nahezu völlig entwerten. Der Vorschlag<br />
enthält zudem Belastungen durch die Festlegung<br />
eines Mindestalters von 21 Jahren und neue bürokratische<br />
Informationspflichten, die im deutschen Recht<br />
bislang nicht bestehen. Zu begrüßen ist lediglich, dass<br />
der neue Vorschlag keine Regelungen zur Übertragbarkeit<br />
von Betriebsrentenansprüchen mehr enthält, die<br />
insbesondere bei den internen Durchführungswegen zu<br />
erheblichen Problemen geführt hätten.<br />
Der jetzige Kommissionsvorschlag bedeutet einen deutlichen<br />
Rückschritt gegenüber dem am 30. Mai <strong>2007</strong><br />
von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft formulierten<br />
Kompromissvorschlag, der zumindest wesentlichen<br />
Bedenken der BDA Rechnung getragen und damit größeren<br />
Schaden von der betrieblichen Altersvorsorge<br />
abgewendet hätte. Dieser Einigungsversuch scheiterte<br />
am Widerstand der Niederlande, die grundsätzliche<br />
Bedenken angeführt hatten. Bedauerlicherweise hat<br />
das Europäische Parlament in seiner Beschlussfassung<br />
vom 20. Juni <strong>2007</strong> den Vorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft<br />
nur teilweise aufgegriffen und im Hinblick<br />
auf die Unverfallbarkeitsfrist sogar ihre Abschaffung<br />
gefordert.<br />
Im EU-Rat konnte seit der Vorlage des überarbeiteten<br />
Vorschlags der Kommission bislang keine Einigung erzielt<br />
werden. Die deutsche Bundesregierung hat angekündigt,<br />
keinem Vorschlag zuzustimmen, der eine kürzere Unverfallbarkeitsfrist<br />
als fünf Jahre vorsieht und der sich nicht<br />
auf Neuzusagen beschränkt. Dennoch kann aus Sicht der<br />
BDA keine Entwarnung gegeben werden.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Richtlinienvorschlag<br />
zur betrieblichen Altersvorsorge“ veröffentlicht.<br />
Er ist über www.bda-online.de abrufbar.<br />
Regelungen zur Rente mit 67 für<br />
betriebliche Altersvorsorge<br />
vereinfachen<br />
Im Rahmen des am 9. März <strong>2007</strong> beschlossenen Gesetzes<br />
zur schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze<br />
in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 67 Jahre wurden<br />
für die betriebliche Altersvorsorge Folgeänderungen<br />
beschlossen. Angepasst wurde die Regelung zur Berechnung<br />
der Höhe anteiliger Betriebsrentenanwartschaften<br />
bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers. Nachvollziehbar<br />
ist, dass die Regelungen zur Anwartschaftsberechnung<br />
sich künftig am jeweiligen Rentenalter der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung orientieren. Abzulehnen<br />
ist jedoch, dass die – ohnehin verfehlte – Ausnahmeregelung<br />
für besonders langjährig Versicherte mit 45 Beitragsjahren<br />
auch im Betriebsrentenrecht Anwendung finden<br />
soll. Dies führt für die Betriebe zu gravierenden Schwierigkeiten<br />
bei der Betriebsrentenberechnung und bei den<br />
Auskunftsverpflichtungen. Die BDA fordert einfache und<br />
klare Regelungen: Die Altersgrenze im Betriebsrentengesetz<br />
sollte daher für Neuzusagen nach einem festzulegenden<br />
Stichtag ausnahmslos auf 67 Jahre angehoben<br />
werden.<br />
Wenig praxisgerecht ist auch die als Folge der Altersgrenzenanpassung<br />
in der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
vorgesehene Anhebung der Altersuntergrenze für<br />
betriebliche Altersvorsorge von 60 auf 62 Jahre durch<br />
eine Änderung des entsprechenden BMF-Schreibens
54 Soziale Sicherung<br />
vom 17. November 2004. Gerade aufgrund der – notwendigen<br />
– Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung ist es erforderlich, den<br />
Unternehmen und Arbeitnehmern weiterhin flexible Lösungen<br />
für den Übergang von der Erwerbs- in die Ruhestandsphase<br />
zu eröffnen. Der betrieblichen Altersvorsorge<br />
wird in dieser Frage zukünftig eine noch wichtigere<br />
Rolle zukommen. Falls die Spielräume der betrieblichen<br />
Altersvorsorge verkleinert werden, ist zu erwarten, dass<br />
sie gegenüber anderen Instrumentarien wie Arbeitszeitkonten<br />
an Bedeutung verliert.<br />
Reform des Versorgungsausgleichs<br />
darf Unternehmen nicht zusätzlich<br />
belasten<br />
Das Bundesministerium der Justiz hat am 29. August<br />
<strong>2007</strong> einen Diskussionsentwurf zur Strukturreform<br />
des Versorgungsausgleichs vorgelegt. Zwar ist eine<br />
Reform des Versorgungsausgleichs unverzichtbar, um<br />
verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen.<br />
Allerdings müssen dabei die mit dem Versorgungsausgleich<br />
verbundenen Belastungen für die betriebliche Altersvorsorge<br />
auf ein Mindestmaß beschränkt werden.<br />
Deshalb ist zu begrüßen, dass der Diskussionsentwurf<br />
wichtige Anliegen der BDA zur Entlastung aufgreift,<br />
wie z. B. den Verzicht auf einen Versorgungsausgleich<br />
bei einer Ehedauer bis drei Jahren und bei geringen<br />
Ausgleichswerten. Im Hinblick auf die vorgesehene<br />
obligatorische Realteilung sieht der Vorschlag jedoch<br />
Belastungen vor, die vermieden werden könnten. Insbesondere<br />
die geplante zwangsweise Aufnahme betriebsfremder<br />
Personen in betriebliche Versorgungssysteme<br />
infolge von Scheidungen würde die Versorgungssysteme<br />
zusätzlich aufblähen und zu mehr Bürokratie führen.<br />
Daher sollten ausgleichsberechtigte Personen<br />
regelmäßig und damit auch außerhalb der jetzt vorgesehenen<br />
Grenzen abgefunden werden können. Eine weitere<br />
Vereinfachung kann vor allem durch den Verzicht<br />
auf die Einbeziehung verfallbarer Anwartschaften in den<br />
Versorgungsausgleich erreicht werden.<br />
Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Betriebliche<br />
Altersvorsorge“ veröffentlicht. Er ist über<br />
www.bda-online.de abrufbar.<br />
Gesetzliche Krankenversicherung:<br />
Gesundheitsreform enttäuscht<br />
Die Gesundheitsreform des Jahres <strong>2007</strong> ist eine große<br />
Enttäuschung. Das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs<br />
in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-<br />
Wettbewerbsstärkungsgesetz) verfehlt alle wesentlichen<br />
Anforderungen an eine durchgreifende und zukunftssichere<br />
Neuordnung des Gesundheitswesens.<br />
Der Wettbewerb als eines der wirksamsten Mittel zur<br />
Kostenbegrenzung bleibt weiter auf wenige Bereiche<br />
beschränkt. Die Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
wird auch künftig vor allem durch<br />
kollektiv vereinbarte, für alle Krankenkassen geltende<br />
einheitliche Bedingungen geregelt und weniger durch<br />
Wettbewerb zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern<br />
bestimmt.<br />
Die notwendige Begrenzung des Leistungskatalogs auf<br />
eine Basissicherung mit Kernleistungen und verstärkter<br />
Eigenbeteiligung bleibt aus, teilweise kommt es sogar<br />
zu Leistungsausweitungen. Das nach dem ursprünglichen<br />
Gesetzentwurf vorgesehene, ohnehin deutlich<br />
zu niedrige Entlastungsvolumen (Minderausgaben minus<br />
Mehrausgaben) in Höhe von 1,2 % der heutigen<br />
GKV-Leistungsausgaben wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens<br />
um 40 % auf nunmehr lediglich<br />
0,7 % reduziert.<br />
Die von der BDA vorgeschlagene Abkopplung der<br />
Krankheitskostenfinanzierung vom Arbeitsverhältnis<br />
durch Auszahlung des Arbeitgeberbeitrages in den Bruttolohn<br />
bleibt ebenfalls aus. Die ab 2009 steigenden<br />
Bundeszuschüsse an die Krankenkassen bewirken eine<br />
teilweise Lockerung der Abhängigkeit vom Faktor Arbeit.<br />
Ohne ausgabensenkende Reformen ist jedoch davon<br />
auszugehen, dass die Beitragssätze in den nächsten<br />
Jahren dennoch weiter steigen werden. Das aber bedeutet,<br />
dass die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
zu Lasten von Löhnen und Gehältern sogar<br />
noch ausgeweitet wird.<br />
Das Gesundheitswesen wird schließlich auch nicht – wie<br />
von der BDA gefordert – durch den Aufbau kapitalgedeckter<br />
Risikovorsorge demografiefest gemacht. Im<br />
Gegenteil wird die private Krankenversicherung, die mit
Soziale Sicherung<br />
55<br />
Die Änderungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes<br />
im zeitlichen Überblick<br />
Inkrafttreten<br />
Neuregelungen durch die Gesundheitsreform <strong>2007</strong><br />
2. Februar <strong>2007</strong><br />
• 3-Jahres-Regel: Stichtag für die Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze<br />
1. April <strong>2007</strong><br />
• Versicherungspflicht in der GKV für Personen ohne andere Absicherung im Krankheitsfall<br />
• Leistungsausweitungen: Palliativversorgung, geriatrische Reha, Impfungen, Eltern-Kind-Kuren<br />
• Mehr Eigenverantwortung bei selbstverschuldeter Behandlungsbedürftigkeit<br />
• Arzneimittelversorgung: Kosten-Nutzen-Bewertung, Zweitmeinung, Apothekenrabatt<br />
• Kassenfusionen über Kassenarten hinweg zulässig<br />
• Neue Wahltarife für die Versicherten: Versorgungsformen, Selbstbehalte, Kostenerstattung<br />
1. Juli <strong>2007</strong><br />
• Zugangsrecht zum Standardtarif der PKV für Personen ohne andere Absicherung im Krankheitsfall<br />
1. Januar 2008<br />
• Mehr Eigenverantwortung: reduzierte Belastungsobergrenze für Chroniker abhängig von Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen<br />
1. Juli 2008<br />
• Arbeitsaufnahme Spitzenverband Bund der Krankenkassen<br />
• Neubesetzung Gemeinsamer Bundesausschuss<br />
1. November 2008<br />
• Festlegung des einheitlichen allgemeinen Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
1. Januar 2009<br />
• Versicherung von bisher nicht Versicherten im Basistarif der PKV<br />
• Neue vertragsärztliche Gebührenordnung<br />
• Start des Gesundheitsfonds und des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs<br />
• Geltung des einheitlichen allgemeinen Beitragssatzes<br />
• Bundeszuschuss: Erhöhung um 1,5 Mrd. € pro Jahr<br />
• Einführung eines Basistarifs, Überführung des Standardtarifs in den Basistarif<br />
• Möglichkeit des Wechsels in den Basistarif für bisher Vollversicherte (bis 30. Juni 2009)<br />
1. Januar 2010<br />
• Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen: Bildung eines Kapitalstocks für Versorgungszusagen<br />
1. Januar 2011<br />
• Bündelung des Beitragseinzugs durch Weiterleitungsstellen<br />
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit; eigene Zusammenstellung der BDA<br />
Kapitaldeckung auf die demografische Entwicklung vorbereitet<br />
ist, durch die beschlossenen Maßnahmen insgesamt<br />
geschwächt.<br />
Präventionsgesetz: Inhalt ist<br />
völlig verfehlt<br />
Während des Gesetzgebungsverfahrens hat die BDA<br />
in mehreren Stellungnahmen und in zahlreichen Gesprächen<br />
mit der Politik immer wieder auf die ungelösten<br />
Probleme aufmerksam gemacht und die dringend<br />
notwendige Neuausrichtung des Gesundheitswesens angemahnt.<br />
Die zahlreichen unerledigten Reformaufgaben<br />
müssen unverzüglich in Angriff genommen werden.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche<br />
Krankenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über<br />
www.bda-online.de abrufbar.<br />
Das Bundesministerium für Gesundheit hat Ende November<br />
<strong>2007</strong> den Referentenentwurf eines Präventionsgesetzes<br />
vorgelegt. Damit wird ein Gesetzesvorhaben<br />
erneut aufgegriffen, das bereits in der letzten Legislaturperiode<br />
Gegenstand parlamentarischer Beratungen war,<br />
Widerstand des Bundesrates erfahren hatte und schließlich<br />
dem vorzeitigen Ende der Legislaturperiode zum<br />
Opfer gefallen war.<br />
Ziel des Gesetzes ist es, Gesundheitsförderung und<br />
gesundheitliche Prävention zu einer eigenständigen
56 Soziale Sicherung
Soziale Sicherung<br />
57<br />
Säule im Gesundheitswesen auszubauen. Ein Nationaler<br />
Präventionsrat soll vorrangige Ziele festlegen<br />
und Vorschläge für Leistungen entwickeln. Maßnahmen<br />
sollen auf Landesebene durchgeführt werden,<br />
deren Finanzierung aus Mitteln der Kranken-, Pflege-,<br />
Renten- und Unfallversicherung vorgesehen ist. Das<br />
Finanzvolumen wird auf insgesamt knapp 300 Mio. €<br />
veranschlagt.<br />
Die Kritik, die die BDA zu dem damaligen Gesetzentwurf<br />
äußerte, bleibt uneingeschränkt bestehen. Es ist<br />
völlig verfehlt, dass die Sozialversicherung als nahezu<br />
alleiniger Finanzier für eine Stärkung der Prävention<br />
herangezogen werden soll. Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe, die somit aus Steuermitteln<br />
finanziert werden muss. Präventionsmaßnahmen, die<br />
der Allgemeinheit zugutekommen, dürfen nicht einseitig<br />
zu Lasten von Arbeitgebern und Versicherten<br />
gehen.<br />
Pflegeversicherung:<br />
Weiterentwicklungsgesetz<br />
verschärft ungelöste<br />
Finanzierungsprobleme<br />
Das Bundeskabinett hat am 17. Oktober <strong>2007</strong> den<br />
Entwurf eines „Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung<br />
der Pflegeversicherung“ (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)<br />
beschlossen. Dieser sieht vielfältige<br />
Leistungsausweitungen vor. Insbesondere sollen die ambulanten<br />
Sachleistungsbeträge in allen drei Pflegestufen,<br />
die stationären Sachleistungsbeträge in der Pflegestufe III<br />
und in Härtefällen sowie das Pflegegeld in allen drei<br />
Pflegestufen in den Jahren 2008, 2010 und 2012 schrittweise<br />
angehoben werden. Ferner ist beabsichtigt, die<br />
ergänzenden Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem<br />
allgemeinen Betreuungsbedarf (z. B. Demenzund<br />
Alzheimer-Kranke) zu erhöhen und den Anspruch<br />
auf Tagespflege auszubauen. Darüber hinaus soll erstmals<br />
im Jahr 2015 – und anschließend im dreijährigen<br />
Rhythmus – eine Dynamisierung der Pflegeversicherungsleistungen<br />
erfolgen.<br />
Des Weiteren ist geplant, die ambulante Versorgung<br />
besser auf den persönlichen Bedarf des Pflegebedürftigen<br />
abzustimmen. Dazu sind „Pflegestützpunkte“ vor-<br />
gesehen mit dem Ziel, die im unmittelbaren Wohnumfeld<br />
vorhandenen Angebote für Pflegebedürftige besser<br />
zu koordinieren und zu vernetzen. Diesem Ziel sollen<br />
auch „Pflegebegleiter“ dienen. Zur Finanzierung des<br />
Maßnahmenbündels soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung<br />
zum 1. Juli 2008 von 1,7 auf 1,95 % (für Kinderlose<br />
auf 2,2 %) angehoben werden. Auf Jahresbasis<br />
entspricht das einer Zusatzbelastung der Versicherten<br />
und Betriebe von rd. 2,4 Mrd. €.<br />
Der Entwurf des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes ist<br />
nicht geeignet, die soziale Pflegeversicherung auf den<br />
absehbaren demografischen Wandel vorzubereiten,<br />
vor allem, da eine Ergänzung des heutigen Umlageverfahrens<br />
durch den Auf- und Ausbau einer Kapitalrücklage<br />
fehlt. Der vorgelegte Gesetzentwurf nimmt<br />
im Gegenteil sogar den weiteren Abbau vorhandener<br />
Finanzreserven billigend in Kauf (2006: 2,3 Monatsausgaben).<br />
Trotz der geplanten Anhebung des allgemeinen<br />
Beitragssatzes können die Leistungen der<br />
Pflegeversicherung – laut Gesetzesbegründung – nur<br />
dadurch bis „Ende 2014/Anfang 2015“ finanziert werden,<br />
dass die Mindestreserve auf eine Monatsausgabe<br />
abgeschmolzen wird.<br />
Leistungsverbesserungen für einzelne Personengruppen<br />
(z. B. Demenz- und Alzheimer-Kranke) sind nur<br />
dann vertretbar, wenn sie durch mindestens gleichwertige<br />
Einsparungen an anderer Stelle voll kompensiert<br />
werden. Statt die ambulanten Sachleistungen durch<br />
Anhebung den stationären Sätzen anzunähern, sollten<br />
die Sachleistungen in der ambulanten und stationären<br />
Pflege – entsprechend einem Vorschlag der Rürup-<br />
Kommission – auf einem insgesamt niedrigeren Niveau<br />
angeglichen werden (einheitlich 400, 1.000 und<br />
1.500 € in den Pflegestufen I, II und III). Das verhindert<br />
zum einen falsche Anreize zur Verlagerung der Pflege<br />
in teurere stationäre Einrichtungen, nimmt zum anderen<br />
in sachgerechter Weise den Pflegebedürftigkeitsgrad<br />
zum alleinigen Maßstab für die jeweilige Leistungshöhe<br />
und schafft darüber hinaus eine finanzielle<br />
Entlastung in Höhe von rd. 2 Mrd. € pro Jahr bzw. von<br />
0,2 Beitragssatzpunkten. Bereits dadurch könnte das<br />
chronische Finanzierungsdefizit der Pflegeversicherung<br />
beseitigt, eine Anhebung des Pflegebeitragssatzes<br />
zur Jahresmitte 2008 verhindert und sogar darüber hinaus<br />
noch eine verbesserte Versorgung von besonders<br />
schweren Pflegefällen finanziert werden.
58 Soziale Sicherung<br />
Die Überlegung, die häuslichen Versorgungsstrukturen<br />
nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ durch<br />
„Pflegestützpunkte“ und „Pflegebegleiter“ zu fördern,<br />
ist zwar grundsätzlich richtig. Bevor jedoch bundesweit<br />
mit dem Aufbau flächendeckender Pflegestützpunkte<br />
begonnen wird, sollte zuvor in mehreren Modellregionen<br />
eine Erprobungsphase durchgeführt werden.<br />
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Beitragssatzanhebung<br />
um immerhin fast 15 % widerspricht dem Ziel,<br />
durch eine Absenkung der Lohnzusatzkosten Wachstum<br />
und Beschäftigung zu fördern. Zwar gibt es nachvollziehbare<br />
Gründe, Demenzkranke, Schwerstpflegebedürftige<br />
und pflegende Angehörige künftig stärker zu<br />
unterstützen, dies darf jedoch nicht zu einer weiteren<br />
Verteuerung der Arbeitskosten führen. Elementarer Bestandteil<br />
einer zukunftweisenden Reform der Pflegeversicherung<br />
muss vor allem die Abkopplung der Pflegekosten<br />
vom Arbeitsverhältnis sein.<br />
Insgesamt würde die finanzielle Schieflage der sozialen<br />
Pflegeversicherung durch die Umsetzung des Pflege-<br />
Weiterentwicklungsgesetzes langfristig weiter verschärft.<br />
Denn bei einer rückläufigen Zahl potenzieller Beitragszahler<br />
würden die zu schulternden Finanzierungslasten<br />
dann nicht nur durch die steigende Zahl der Pflegefälle<br />
wachsen, sondern zusätzlich auch noch durch höhere<br />
Kosten je Pflegefall.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Soziale<br />
Pflegeversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
Künstlersozialabgabe verursacht<br />
Kosten und Bürokratie<br />
Am 15. Juni <strong>2007</strong> ist das „Dritte Gesetz zur Änderung<br />
des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer<br />
Gesetze“ in Kraft getreten. Zweck der Gesetzesnovelle<br />
ist vor allem die vollständige Erfassung aller abgabepflichtigen<br />
Verwerter. Die Prüfung der Abgabepflicht<br />
wurde deshalb von der Künstlersozialkasse auf die<br />
Deutsche Rentenversicherung übertragen. Außerdem<br />
soll die Prüfung der Versicherten – im Hinblick auf ihre<br />
Zugehörigkeit zur Künstlersozialversicherung – intensiviert<br />
werden.<br />
Die BDA hat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens<br />
deutlich gemacht, dass die Abgabepflicht zur Künstlersozialkasse<br />
bei den Unternehmen erhebliche Kosten<br />
und vor allem Verwaltungsaufwand verursacht. Hier<br />
sind insbesondere die zahlreichen unscharfen Regelungen<br />
im Künstlersozialversicherungsgesetz, die ausufernde<br />
Rechtsprechung der Sozialgerichte und die<br />
umfangreichen Aufzeichnungs- und Meldepflichten zu<br />
nennen. Die BDA hat daher konkrete Vorschläge zur<br />
Entbürokratisierung der Erhebung der Künstlersozialabgabe<br />
unterbreitet. Sie hat aber auch deutlich gemacht,<br />
dass die Künstlersozialversicherung, die ein unberechtigtes<br />
Privileg einer Gruppe von Selbstständigen darstellt,<br />
am besten abgeschafft und durch eine Renten-,<br />
Kranken- und Pflegeversicherungspflicht von Künstlern<br />
und Publizisten ersetzt werden sollte.<br />
Eine Möglichkeit, den bürokratischen Aufwand im Zusammenhang<br />
mit der Künstlersozialabgabe zu verringern,<br />
ist die Gründung einer sog. Ausgleichsvereinigung. Eine<br />
Ausgleichsvereinigung besteht in der Regel aus mehreren<br />
Unternehmen und übernimmt für diese die gegenüber<br />
der Künstlersozialkasse bestehenden Pflichten, insbesondere<br />
die Entrichtung der Künstlersozialabgabe. Bei<br />
den einzelnen Abgabepflichtigen entfallen zudem die<br />
Aufzeichnungspflichten. Die BDA hat daher am 8. Oktober<br />
<strong>2007</strong> zusammen mit der Künstlersozialkasse ein<br />
Werkstattgespräch „Ausgleichsvereinigungen“ veranstaltet.<br />
Dabei wurden Unternehmen und Verbände umfassend<br />
darüber informiert, wie eine Ausgleichsvereinigung<br />
funktioniert, welchen Aufwand die Organisation und die<br />
Mitgliedschaft in einer Ausgleichsvereinigung erfordert<br />
und ob bzw. wann sich letztlich der Aufwand einer Ausgleichsvereinigung<br />
im Vergleich zum ersparten Bürokratieaufwand<br />
lohnt.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Künstlersozialversicherung“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
Pauschalversteuerte Sachzuwendungen<br />
beitragsfrei stellen<br />
Mit dem Jahressteuergesetz <strong>2007</strong> wurde mit § 37b EStG<br />
eine Vereinfachungsregelung zur Pauschalbesteuerung<br />
von Sachzuwendungen eingeführt. Das Ver-
Soziale Sicherung<br />
59<br />
einfachungsziel wird jedoch bisher nicht erreicht, da<br />
eine beitragsrechtliche Flankierung der Pauschalbesteuerungsnorm<br />
fehlt. Die Sozialversicherungsentgeltverordnung<br />
sieht für § 37b EStG eine Beitragsfreiheit<br />
nicht vor. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die steuerrechtliche<br />
Behandlung von Sachzuwendungen zwar<br />
einfach handhabbar ist, die sozialversicherungsrechtliche<br />
Erfassung aber einen erheblichen bürokratischen<br />
Aufwand für jeden Einzelfall verursacht. Dies gilt umso<br />
mehr, wenn die Zuwendungen nicht die „eigenen“ Arbeitnehmer<br />
betreffen.<br />
Pauschalierungsmöglichkeiten in der Lohnsteuer gehen<br />
regelmäßig mit Vereinfachungen auch im Beitragsrecht<br />
einher. Nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung<br />
sind pauschal versteuerte Entgeltbestandteile regelmäßig<br />
nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt<br />
zuzurechnen. Dieser Grundsatz muss auch<br />
für § 37b EStG gelten. Die BDA hat die zuständigen<br />
Ministerien aufgefordert, im Rahmen des Dritten Mittelstandsentlastungsgesetzes<br />
(MEG III) die Sozialversicherungsentgeltverordnung<br />
entsprechend zu ändern.<br />
Multifunktionale Verdienstbescheinigung<br />
konsequent<br />
umsetzen<br />
Am 30. November <strong>2007</strong> hat das „Gesetz zur Änderung<br />
des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer<br />
Gesetze“ (SVÄndG) den Bundesrat passiert. Mit dem<br />
SVÄndG soll § 108 GewO dahingehend geändert werden,<br />
dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
(BMAS) durch Rechtsverordnung Näheres zum Inhalt<br />
und Verfahren von Entgeltbescheinigungen regeln<br />
darf. Das BMAS hat bereits einen ersten Entwurf einer<br />
Entgeltbescheinigungsverordnung vorgelegt.<br />
Die BDA hat in ihren Stellungnahmen zum SVÄndG<br />
deutlich gemacht, dass der Schritt, eine einheitliche<br />
Verdienstbescheinigung auf den Weg zu bringen,<br />
grundsätzlich richtig ist. Parallel dazu muss aber auch<br />
klargestellt werden, welche der zahlreichen Bescheinigungen<br />
des Arbeitgebers stattdessen wegfallen können.<br />
Außerdem müssen alle leistungsgewährenden Behörden<br />
und Institutionen konsequent auf die Vorlage der bisherigen<br />
„Sonderbescheinigungen“ verzichten. Schließlich<br />
müssen sich die Angaben in der monatlichen Entgeltbescheinigung<br />
auf das Notwendigste beschränken.<br />
Gesetzliche Unfallversicherung:<br />
Koalition verpasst selbst<br />
gestecktes Reformziel deutlich<br />
Nachdem Ende Juni 2006 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe<br />
Eckpunkte zur Reform der Unfallversicherung beschlossen<br />
hatte, legte das BMAS im ersten Halbjahr <strong>2007</strong><br />
schrittweise Arbeitsentwürfe zur Reform der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung vor. Die Reformmaßnahmen betrafen<br />
die Bereiche des Leistungsrechts, der Organisation und<br />
der solidarischen Lastenverteilung. Nach Vorlage der Arbeitsentwürfe<br />
setzte in den Koalitionsfraktionen eine Diskussion<br />
über den weiteren Fortgang der Reform ein. Sie<br />
mündete in eine Beschränkung des Vorhabens auf eine<br />
Organisationsreform und in eine Abkopplung der notwendigen<br />
Leistungsrechtsreform. Ende November <strong>2007</strong><br />
hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dementsprechend<br />
einen Referentenentwurf vorgelegt, der<br />
insbesondere Regelungen zur Organisation und zur Lastenverteilung<br />
enthält. Das Leistungsrecht ist gänzlich ausgespart.<br />
Mit dieser Aufspaltung des Reformvorhabens, die<br />
das BDA-Präsidium ausdrücklich abgelehnt hat, besteht<br />
die große Gefahr, dass die Reform des Leistungsrechts<br />
gänzlich scheitert. Dies wäre sehr enttäuschend, denn<br />
nur durch eine Reform des Leistungsrechts kann das bestehende<br />
Beitragsentlastungspotenzial gehoben werden.<br />
Mit dem jetzt verfolgten Reform-Stückwerk wird vielmehr<br />
für einen großen Teil der Wirtschaft das Gegenteil einer<br />
Entlastung erreicht. Durch die vorgesehenen Regelungen<br />
zu einer geänderten Verteilung von Altlasten zwischen<br />
den Berufsgenossenschaften führt die Reform für viele<br />
Unternehmen zu höheren statt zu niedrigeren Beiträgen.<br />
Das darf nicht das Ergebnis der Reform der Unfallversicherung<br />
sein. Die Koalition verfehlt damit das selbst<br />
gesteckte Ziel des Koalitionsvertrags, die Unfallversicherung<br />
umfassend zu reformieren und ein zielgenaueres<br />
Leistungsrecht einzuführen.<br />
Die BDA begrüßt im Hinblick auf die Reform der Organisation<br />
der Unfallversicherung, dass weitgehend die Vorschläge<br />
der Selbstverwaltung der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />
aufgegriffen werden. Das gilt vor allem<br />
für den notwendigen Fusionsprozess und das Konzept für
60 Soziale Sicherung<br />
einen Überaltlastausgleich. Anders als jetzt vorgesehen,<br />
sollte die Überaltlast allerdings hälftig nach Neurenten<br />
und Entgelten verteilt werden, denn die Abwägung der<br />
unterschiedlichen Argumente rechtfertigt keine Übergewichtung<br />
eines der beiden Verteilkriterien. Außerdem<br />
gilt es, im Zusammenhang mit der Einführung des Überaltlastausgleichs<br />
große Beitragssprünge der höher belasteten<br />
Branchen zu vermeiden. Der hierzu vorgesehene<br />
Übergangszeitraum von drei Jahren ist in jedem Fall zu<br />
kurz. Im Übrigen ist durch entsprechende gesetzliche<br />
Regelungen sicherzustellen, dass Fusionen von Berufsgenossenschaften<br />
nicht durch die Ausgestaltung des Überaltlastausgleichs<br />
behindert werden.<br />
Die BDA begrüßt ferner, dass die von der Selbstverwaltung<br />
der gesetzlichen Unfallversicherung zum 1. Juni <strong>2007</strong><br />
gegründete neue Spitzenorganisation, die Deutsche Gesetzliche<br />
Unfallversicherung (DGUV), bestehend aus<br />
den früheren Organisationen des Hauptverbandes der<br />
gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und des<br />
Bundesverbandes der Unfallkassen (BUK), in ihrer privatrechtlichen<br />
Ausgestaltung weiter bestehen soll. Kritisch ist<br />
jedoch, dass der staatliche Einfluss auf die DGUV durch<br />
Regelungen zum Haushaltsrecht, zur Durchführung des<br />
Lastenausgleichs und zu Fach- und Aufsichtsrechten ausgeweitet<br />
werden soll.<br />
Entgegen den ursprünglichen Regelungen im Arbeitsentwurf<br />
und entgegen der Vereinbarung von Bund und<br />
Ländern in den Eckpunkten aus dem Jahr 2006 enthält<br />
der Referentenentwurf keine Regelung mehr zum Einsparziel<br />
von 20 % bei den Verwaltungs- und Verfahrenskosten.<br />
Unabhängig davon muss das Ziel bleiben,<br />
durch Effizienzsteigerung eine Entlastung der beitragzahlenden<br />
Unternehmen zu erreichen.<br />
Äußerst kritisch sind des Weiteren die im Referentenentwurf<br />
vorgesehenen Regelungen zur Betriebsprüfung. Mit<br />
dem Mittelstandsentlastungsgesetz II erfolgte die Übertragung<br />
der Betriebsprüfung von der Unfallversicherung<br />
auf die Rentenversicherung. Ziel war, dass sowohl der<br />
Gesamtsozialversicherungsbeitrag als auch der Beitrag<br />
zur Berufsgenossenschaft in einer einheitlichen Betriebsprüfung<br />
erfolgt und die Betriebe damit von Doppelprüfungen<br />
entlastet werden. Mit dem Referentenentwurf<br />
wird das Ziel des Bürokratieabbaus konterkariert, weil<br />
zahlreiche neue Meldepflichten für die Arbeitgeber eingeführt<br />
werden. Damit wird ein weiteres Mal der von<br />
der Bundesregierung zu Recht zum Ziel erklärte Bürokratieabbau<br />
torpediert.<br />
Die BDA wird sich weiterhin für eine umfassende Reform<br />
der gesetzlichen Unfallversicherung einsetzen. Eine Strukturreform<br />
muss zu einer Konzentration der Leistungen auf<br />
betriebsspezifische Risiken führen, bestehende Überversorgung<br />
abbauen, die Wirtschaftlichkeit verbessern sowie<br />
die Organisationsstruktur straffen. Sollte es tatsächlich<br />
jetzt nur zu einer Reform des Organisationsrechts kommen,<br />
muss die Reform des Leistungsrechts noch in dieser<br />
Legislaturperiode nachgeholt werden.<br />
Arbeitgeber in nationale Arbeitsschutzkonferenz<br />
einbeziehen<br />
Nachdem die Arbeits- und Sozialministerkonferenz<br />
(ASMK) im November 2006 ein zwischen dem Länderausschuss<br />
für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI),<br />
der Bundesregierung und den Unfallversicherungsträgern<br />
abgestimmtes Konzept für eine Gemeinsame Deutsche<br />
Arbeitsschutzstrategie beschlossen hat, wurden<br />
gemeinsame Arbeitsschutzziele und Handlungsfelder<br />
zur Ausfüllung der Strategie entwickelt. Die 84. ASMK<br />
hat Mitte November <strong>2007</strong> den Vorschlägen für gemeinsame<br />
Arbeitsschutzziele und prioritäre Handlungsfelder<br />
zugestimmt. Als Ziele der Arbeitsschutzstrategie wurden<br />
die Verringerung von Häufigkeit und Schwere von<br />
Arbeitsunfällen, die Verringerung von Muskel-Skelett-<br />
Erkrankungen sowie die Verringerung der Häufigkeit<br />
und Schwere von Hauterkrankungen beschlossen. Als<br />
zentrales Gremium für die Planung, Koordinierung,<br />
Entscheidung und Evaluierung ist die Nationale Arbeitsschutzkonferenz<br />
vorgesehen.<br />
Die BDA hat sich gemeinsam mit dem DGB nachdrücklich<br />
dafür eingesetzt, dass die Sozialpartner unmittelbar<br />
in der Arbeitsschutzkonferenz vertreten sind, was Bund<br />
und Länder zunächst nicht geplant hatten. Nach dem<br />
Beschluss der ASMK ist jetzt auch vorgesehen, dass die<br />
Arbeitgeber mit bis zu drei Vertretern beratendes Mitglied<br />
der Arbeitsschutzkonferenz werden. Der Ende<br />
November vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
vorgelegte Referentenentwurf für ein Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz<br />
hat diesen Beschluss<br />
nun auch bereits umgesetzt. Die BDA wird sich aller-
Soziale Sicherung<br />
61<br />
dings weiter dafür einsetzen, dass den Arbeitgebern, als<br />
maßgeblichen Akteuren des Arbeitsschutzes, auch ein<br />
Stimmrecht eingeräumt wird.<br />
Praxisgerechte Arbeitsstättenregeln<br />
notwendig<br />
Im Juni <strong>2007</strong> ist die Arbeitsstättenregel (ASR) „Fluchtwege,<br />
Notausgänge“ vom Arbeitsstättenausschuss – gegen<br />
die Stimmen der privaten Arbeitgeber – verabschiedet<br />
worden. Nach wie vor waren der Detaillierungsgrad,<br />
der Sprachduktus (rechtstechnische Formulierung als<br />
Muss-Vorschriften) und einzelne Regelungsbereiche der<br />
ASR nicht akzeptabel. Die BDA wird sich dennoch bei<br />
den noch zu erarbeitenden Arbeitsstättenregeln weiter<br />
dafür einsetzen, dass diese so knapp wie möglich gehalten<br />
werden, sich auf notwendige, die allgemeinen<br />
Schutzziele der Verordnung konkretisierende Aussagen<br />
beschränken und aufgrund ihrer Formulierung deutlich<br />
wird, dass es sich bei ihnen um Lösungsmöglichkeiten<br />
zur Erfüllung der in der Arbeitsstättenverordnung gestellten<br />
Anforderungen handelt.<br />
Betrieblichen Nichtraucherschutz<br />
praktikabel gestalten<br />
Zum 1. September <strong>2007</strong> ist das Gesetz zum Schutz<br />
vor den Gefahren des Passivrauchens in Kraft getreten.<br />
Es trifft größtenteils Regelungen über die Einführung<br />
eines Rauchverbotes in öffentlichen Einrichtungen des<br />
Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln. Daneben ist<br />
die Arbeitsstättenverordnung wie folgt ergänzt worden:<br />
„Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines<br />
oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte<br />
beschränktes Rauchverbot zu erlassen.“<br />
Die BDA hält die Ergänzung für überflüssig, da sie keinen<br />
über die geltende Rechtslage hinausgehenden Regelungsgehalt<br />
hat. Bereits bislang konnte unter bestimmten<br />
Voraussetzungen ein allgemeines oder auf einzelne<br />
Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot<br />
erlassen werden. Der Arbeitgeber wird jetzt jedoch<br />
durch die Vorgabe eines partiellen oder vollständigen<br />
Rauchverbots als Regelmaßnahme zum Nichtraucherschutz<br />
in falscher Sicherheit gewogen, er könne ohne<br />
weitere Voraussetzungen – vor allem ohne Mitwirkung<br />
des Betriebsrates – ein Rauchverbot erlassen. Das aber<br />
ist nicht der Fall.<br />
Auch auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, weitere<br />
Regelungen zum betrieblichen Nichtraucherschutz<br />
zu erlassen. Die Kommission hat hierzu Anfang <strong>2007</strong> ein<br />
Grünbuch „Für ein rauchfreies Europa: Strategieoptionen<br />
auf EU-Ebene“ vorgelegt. Im Oktober <strong>2007</strong> hat das Europäische<br />
Parlament eine Entschließung verabschiedet, die<br />
sehr umfangreiche Rauchverbote an Arbeitsplätzen fordert.<br />
Die BDA spricht sich gegen weitere gesetzliche Regelungen<br />
zum Nichtraucherschutz auf europäischer Ebene<br />
aus, da die bestehenden Arbeitsschutzregelungen – insbesondere<br />
in der Arbeitsstättenrichtlinie – ausreichen,<br />
um die Beschäftigten vor den Gesundheitsgefahren des<br />
Passivrauchens zu schützen.<br />
Rechtsvereinfachung bei der<br />
arbeitsmedizinischen Vorsorge<br />
sicherstellen<br />
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im<br />
Juli <strong>2007</strong> einen Arbeitsentwurf für eine „Verordnung zur<br />
Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorge“ vorgelegt. Damit soll ein kohärentes<br />
Vorschriften- und Regelwerk zur arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorge geschaffen werden. Wie im geltenden Recht<br />
soll eine Differenzierung nach Pflicht- und Angebotsuntersuchungen,<br />
je nach Gefährdungspotenzial des Untersuchungsanlasses,<br />
erfolgen. Zur Konkretisierung der<br />
Verordnung und zur Erarbeitung von Regeln und Erkenntnissen<br />
ist die Einrichtung eines Ausschusses für Arbeitsmedizin<br />
vorgesehen.<br />
Die BDA begrüßt, dass mit der Verordnung eine Zusammenführung<br />
der in unterschiedlichen Gesetzen, Verordnungen<br />
und Unfallverhütungsvorschriften enthaltenen<br />
Regelungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge erfolgen<br />
soll. Kritisch beurteilt die BDA jedoch die Einrichtung<br />
eines weiteren staatlichen Ausschusses. Da zu den Aufgaben<br />
des Ausschusses die Erarbeitung technischer Regeln<br />
und Erkenntnisse gehören soll, besteht die Gefahr,<br />
dass eine Vielzahl von Dokumenten erarbeitet und so<br />
das Ziel der Rechtsvereinfachung konterkariert wird.
62 Soziale Sicherung<br />
Muskel-Skelett-Erkrankungen<br />
präventiv angehen<br />
Psychische Belastung: Nur<br />
praxisnahe Konzepte helfen<br />
Muskel-Skelett-Erkrankungen sind das häufigste Gesundheitsproblem<br />
in Europa. Zielgerichtete Prävention<br />
auf diesem Gebiet entlastet die Sozialsysteme und mindert<br />
wirtschaftlichen Schaden für die Unternehmen.<br />
Die Frage ist deshalb, wie bei der Prävention von Erkrankungen<br />
des Bewegungsapparates möglichst effektiv<br />
vorgegangen werden kann. Die BDA hat das Ansinnen<br />
der Europäischen Kommission, eine Richtlinie<br />
zur Bekämpfung arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Erkrankungen<br />
zu erlassen, strikt abgelehnt. Ein Konzept<br />
hierfür hatte die Kommission im Konsultationsprozess<br />
mit den Sozialpartnern bereits vorgestellt. Die darin<br />
geplante Zusammenführung der Bildschirmrichtlinie<br />
mit der Richtlinie zur Lastenhandhabung führt durch<br />
die Einbeziehung weiterer Einflussfaktoren zu einer<br />
völlig unpraktikablen, in der Aussage beliebigen Gefährdungsbewertung<br />
einzelner Arbeitsinhalte. Die<br />
Verbindung der Risiken aus schwerer körperlicher Arbeit,<br />
wie derjenigen der Bergleute, mit Gesundheitsproblemen<br />
von Beschäftigten in Büroberufen, die die<br />
eventuelle Bewegungsarmut ihrer Tätigkeit nicht in<br />
ausreichendem Maße kompensieren, in einer Regelung<br />
macht die Schwächen dieses Richtlinienansatzes<br />
deutlich. Zudem würde eine eigenständige Richtlinie<br />
zu arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen dem<br />
bislang verfolgten Ansatz, gefährdungsbezogen auf<br />
der Grundlage nachvollziehbarer Ursache-Dosis-Wirkungs-Beziehungen<br />
vorzugehen, zuwiderlaufen. Das<br />
Krankheitsbild einer Volkskrankheit lässt sich nicht in<br />
den betrieblichen Alltag übertragen. Eine Trennung<br />
von arbeitsbedingten und privat bedingten Einflüssen<br />
ist schwierig. Rückenschmerzen werden zumeist durch<br />
ein vielschichtiges Ursachenspektrum ausgelöst, das<br />
zu großen Teilen nicht auf die Belastungen aus der<br />
Arbeitswelt zurückzuführen ist. Deshalb ist es zur Reduzierung<br />
von Muskel-Skelett-Erkrankungen erforderlich,<br />
die individuellen Fähigkeiten der Menschen zu<br />
stärken und ihre Eigenverantwortung zu fordern. Die<br />
BDA befürwortet daher, branchen- und/oder tätigkeitsbezogene<br />
Handlungshilfen für die Unternehmen zu<br />
erarbeiten. Dies kann eine Aufgabenstellung der Gemeinsamen<br />
Deutschen Arbeitsschutzstrategie sein.<br />
Mit der Rahmenvereinbarung zu arbeitsbedingtem<br />
Stress haben sich die europäischen Sozialpartner zu<br />
ihrer Verantwortung bekannt. Bedingt durch Diskussionen,<br />
in denen der Anstieg psychischer Erkrankungen<br />
einseitig in Zusammenhang mit psychischer Belastung<br />
in der Arbeitswelt gebracht wird, wächst der Beratungsbedarf<br />
der Betriebe. Die BDA hat seit Abschluss<br />
der Vereinbarung mit verschiedenen Aktivitäten<br />
(z. B. Fachtagungen, Vorträgen bei Fachverbänden)<br />
zu einer realistischen Betrachtung und zu praxisnahen<br />
Erfassungs- und Präventionskonzepten beigetragen.<br />
In dem <strong>2007</strong> weitergeleiteten Umsetzungsbericht der<br />
Sozialpartner wurde dies dokumentiert. Im Dialog mit<br />
Krankenkassen und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung<br />
nimmt die BDA eine aktive, koordinierende<br />
Funktion ein. Ziel dieser Bemühungen ist es,<br />
Betriebe zu befähigen, ihre Situation realistisch einzuschätzen<br />
und, falls erforderlich, wirksame Präventionsmaßnahmen<br />
mit der Unterstützung dieser Dialogpartner<br />
zu ergreifen.<br />
Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unfallversicherung<br />
und Arbeitsschutz“ veröffentlicht. Er ist<br />
über www.bda-online.de abrufbar.
Soziale Sicherung<br />
63
65<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
66 Bildung/Berufliche Bildung<br />
Bildungspolitik: die eigentliche<br />
Sozialpolitik<br />
Deutschland ist rohstoffarm. Bei uns sind die Kompetenzen<br />
und Qualifikationen der Menschen die zentrale<br />
Ressource, von der Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand<br />
und soziale Sicherheit abhängen. Nur mit umfassend und<br />
gut ausgebildeten Menschen können wir neue und kreative<br />
Ideen entwickeln und hochwertige, oft einzigartige<br />
Produkte und Dienstleistungen anbieten, die uns im harten<br />
globalen Wettbewerb Marktchancen sichern.<br />
Ohne ausreichend Ingenieurnachwuchs<br />
droht der Tanker<br />
Deutschland auf Grund zu<br />
laufen<br />
Bildungspolitik ist daher das Schicksalsthema für den<br />
Standort Deutschland. Bildungspolitik wird in diesem<br />
Verständnis aber auch zur eigentlichen Sozialpolitik.<br />
Nur wer ausreichend auf die Anforderungen auf unseren<br />
Arbeitsmärkten in Wirtschaft und Gesellschaft vorbereitet<br />
ist, kann selbstständig sein Leben gestalten und ohne<br />
dauerhafte Transferleistungen auskommen. Das ist unser<br />
Ziel einer humanen und sozialen Gesellschaft.<br />
Quelle: www.wiedenroth-karikatur.de<br />
Wir begrüßen daher die Reformen im Bildungssystem in<br />
den letzten Jahren. Weitere Schritte müssen unternommen<br />
werden. Richtig und wichtig ist die angekündigte<br />
Nationale Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung<br />
zusammen mit den Ländern. Anstrengungen in allen<br />
Bildungsbereichen – von der frühkindlichen Bildung bis<br />
zur Weiterbildung – müssen gebündelt und intensiviert<br />
werden, damit die Potenziale der Menschen in Deutschland<br />
ausgeschöpft werden – zu ihrem eigenen Wohl,<br />
zum Wohl unseres ganzen Landes.<br />
Fachkräftemangel rechtzeitig<br />
gegensteuern!<br />
Angesichts des mit der anziehenden Konjunktur im<br />
Jahr <strong>2007</strong> teils bereits akuten, teils perspektivisch zu<br />
erwartenden Fachkräftemangels gilt es, an den vielen<br />
strukturellen und inhaltlichen Reformbaustellen in<br />
Schule, Hochschule und beruflicher Bildung die Zielsetzung<br />
der Beschäftigungsfähigkeit, im europäischen<br />
Kontext Employability, in den Fokus zu rücken. Persönlichkeitsbildung,<br />
fachliche Qualifizierung und die<br />
Vermittlung von Schlüssel- und Sozialkompetenzen<br />
dürfen von der Bildungspolitik nicht als Entwederoder<br />
gegeneinander ausgespielt werden. Sie gehören<br />
zusammen; Gesamtkonzepte müssen realisiert<br />
werden, die alle Bildungsaspekte integrieren und die<br />
junge Generation befähigen, in der Gesellschaft und<br />
im Arbeitsleben Verantwortung zu übernehmen. Es<br />
gibt Fortschritte, auf die wir in den vergangenen Jahren<br />
intensiv hingewirkt haben. Immer mehr Schulen<br />
gehen im Rahmen von SCHULEWIRTSCHAFT Partnerschaften<br />
mit Unternehmen zur Verbesserung der<br />
Ausbildungsreife und zur Erleichterung des Übergangs<br />
ihrer Schüler in den Beruf ein. Immer mehr Studiengänge<br />
werden auf die Abschlüsse Bachelor und Master<br />
umgestellt, die das Ziel der Beschäftigungsfähigkeit<br />
ihrer Absolventen zumindest im Schilde tragen und<br />
zunehmend auch einlösen. Aber es bleibt noch viel<br />
zu tun – z. B. bei der Realisierung der selbstständigen<br />
Schule, bei der konsequenten Umsetzung der bundesweiten<br />
Leistungsstandards und bei der Einführung<br />
eines Hochschulfinanzierungssystems, das Anreize<br />
zum Ausbau statt wie bisher zum Abbau von Studienkapazitäten<br />
setzt.<br />
BDA und BDI beraten und gestalten ihre bildungspolitischen<br />
Initiativen und Positionen nun aus einem<br />
Guss – in einem gemeinsamen BDA/BDI-Fachausschuss<br />
„Bildung, Berufliche Bildung“ und im ge
Bildung/Berufliche Bildung<br />
67<br />
meinsamen Präsidium. Die Federführung für die<br />
gemeinsame Bildungspolitik aller Arbeitgeber- und<br />
Wirtschaftsverbände hat die BDA übernommen, zugleich<br />
nimmt der BDI entsprechend übergreifend die<br />
Verantwortung für die gemeinsame Forschungs-, Innovations-<br />
und Technologiepolitik wahr. Gemeinsam<br />
werden sich BDA und BDI mit hohem Nachdruck<br />
für eine Trendumkehr des rückläufigen Interesses an<br />
MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,<br />
Technik) in Schule und Hochschule starkmachen.<br />
Die gemeinsame Initiative „MI(N)T Zukunft“<br />
wird hier Zeichen setzen.<br />
• Mehr als die Hälfte der Gymnasiasten haben in Physik<br />
und Chemie in den letzten beiden Schuljahren keinen<br />
Unterricht mehr.<br />
• Die Mehrheit der Hochschulen meldet freie, nicht<br />
nachgefragte Studienplätze in MINT-Fächern.<br />
• Zugleich konnten in Deutschland 2006 knapp<br />
50.000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden – Tendenz<br />
steigend, mit hohem Gefährdungspotenzial<br />
für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der<br />
Wirtschaft.<br />
• Im Jahr 2020 werden auf zehn Personen in der Altersgruppe<br />
der 55- bis 64-Jährigen mit MINT-Qualifikationen<br />
nur sieben entsprechend Qualifizierte 25- bis 34-<br />
Jährige kommen.<br />
Die „Bugwellen“-Jahre der auf Sicht letzten starken Schulentlassjahrgänge<br />
2008 bis 2013 müssen genutzt werden,<br />
um die Qualität und die Quantität von Unterricht und<br />
Lehre in MINT-Fächern in Schule und Hochschule entscheidend<br />
voranzubringen. Der Anteil der Absolventen in<br />
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik<br />
an den Hochschulabsolventen muss von rd. 30 % auf<br />
40 % erhöht werden.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Fachkräftesicherung“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />
abrufbar.<br />
Frühkindliche Bildung:<br />
Investition in die Zukunft<br />
BDA und DGB haben mit der Veröffentlichung einer<br />
gemeinsamen Stellungnahme „Für ein beitragsfreies<br />
letztes Kita-Jahr – eine Investition in die Zukunft“ im August<br />
<strong>2007</strong> die hohe Bedeutung einer verbesserten frühkindlichen<br />
Bildung unterstrichen.<br />
Jedem Kind in Deutschland soll zu guten Startbedingungen<br />
für sein Leben verholfen werden. Mit einem beitragsfreien<br />
letzten Kindergartenjahr sollen die notwendigen<br />
Kinder mit Migrationshintergrund besuchen seltener die Kita<br />
Besuchsquoten in Kitas für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, in %<br />
Kinder mit Migrationshintergrund<br />
Kinder ohne Migrationshintergrund<br />
85<br />
92<br />
84<br />
92<br />
85<br />
90<br />
76<br />
68<br />
Alter<br />
3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 6 Jahre<br />
Quelle: DJI-Betreuungsstudie <strong>2007</strong>
68 Bildung/Berufliche Bildung<br />
Voraussetzungen dafür deutlich verbessert werden, dass<br />
jedes Kind zumindest ein Jahr vor seinem Schuleintritt<br />
bestmöglich auf diesen Übergang vorbereitet und in<br />
seiner Entwicklung – insbesondere der Sprachentwicklung<br />
– unterstützt wird. Noch immer weisen bis zu<br />
30 % aller Schulanfänger Sprachentwicklungsstörungen<br />
auf. Sie brauchen eine frühestmögliche und intensive<br />
Sprachförderung. Die große Mehrzahl von ihnen besucht<br />
zwar heute schon den Kindergarten – aber gerade<br />
Kinder mit schlechten Startchancen deutlich seltener.<br />
Mit der Beitragsfreiheit sollen insbesondere diese Familien<br />
motiviert werden, ihre Kinder in den Kindergarten<br />
zu geben. Durch eine intensive Förderung können ihre<br />
Begabungen entfaltet und ihre Startbedingungen insgesamt<br />
deutlich verbessert werden.<br />
Mit der gemeinsamen Positionierung unterstützen<br />
BDA und DGB den von einigen Bundesländern und<br />
Kommunen bereits eingeschlagenen Weg, das letzte<br />
Kindergartenjahr kostenfrei zu halten, und ermutigen<br />
die übrigen Länder und Kommunen dazu, ebenfalls<br />
in die Zukunft der Kinder zu investieren. Zur Umsetzung<br />
haben BDA und DGB Qualitätskriterien entwickelt.<br />
Viele Bundesländer haben die Stellungnahme<br />
aufgegriffen und sind mit den Sozialpartnern dazu in<br />
einen Dialog getreten. BDA und DGB erwarten davon,<br />
dass die Länder konkrete Schritte unternehmen, um<br />
die frühkindliche Bildung in den Kindergärten fest zu<br />
verankern und die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr<br />
zügig umzusetzen. BDA und DGB werden<br />
2008 im Rahmen einer Veranstaltung die Umset<br />
Gemeinsame Qualitätskriterien Frühkindliche Bildung von BDA und DGB<br />
1. Der Ausbau von Ganztagsplätzen für Kindergartenkinder sowie von Plätzen für unter Dreijährige muss schnellstens<br />
von Bund, Ländern und Kommunen umgesetzt werden.<br />
2. Kindertageseinrichtungen sollen grundsätzlich für die Eltern beitragsfrei sein, mindestens aber zunächst das letzte<br />
Kindergartenjahr.<br />
3. Das Fachpersonal, das hoch engagiert und willens ist, in frühe Bildungsprozesse mit den Kindern einzusteigen,<br />
braucht dazu gezielte Hilfe: in der Ausbildung und durch Fort- und Weiterbildung.<br />
4. Die Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals muss qualitativ verbessert werden. Um den Ausbau des Kindergartens<br />
als erste Stufe des Bildungssystems bewältigen zu können, brauchen wir eine Hochschulausbildung<br />
mindestens für die Einrichtungs- und Gruppenleitung.<br />
5. Die Bewertung und Bezahlung der Arbeit des Fachpersonals muss der anspruchsvolleren Qualifikation entsprechend<br />
verbessert werden. Es müssen deutlich mehr Männer als Kindergartenmitarbeiter gewonnen werden.<br />
6. In Deutschland müssen gezielt Mittel bereitgestellt werden, um an den Universitäten substanzielle, insbesondere<br />
auch längsschnittlich angelegte Forschungsvorhaben zur Entwicklung von Kindern in Tageseinrichtungen zu<br />
ermöglichen und zu fördern.<br />
7. Zur vergleichenden Analyse der Bildungs- und Lerneffekte unterschiedlicher frühpädagogischer Angebote ist die<br />
regelmäßige Durchführung repräsentativer Untersuchungen erforderlich.<br />
8. Eine enge Kooperation zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen sowie ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch<br />
und gemeinsame Fortbildungsangebote für Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen müssen etabliert<br />
werden.
Bildung/Berufliche Bildung<br />
69<br />
In Deutschland liegt der Private Finanzierungsanteil an den Kindergärten deutlich<br />
über OECD-Durchschnitt<br />
Privater Finanzierungsanteil an den Kindergärten im Jahr 2002, in %<br />
Deutschland<br />
25,4<br />
Österreich<br />
23,8<br />
USA<br />
22,4<br />
OECD-Mittel<br />
Polen<br />
17,2<br />
17,9<br />
Vereinigtes Königreich<br />
4,2<br />
Frankreich 4,1<br />
Niederlande<br />
3,3<br />
Schweden<br />
0<br />
Quelle: Bildung auf einen Blick, OECD-Indikatoren 2005<br />
zung der gemeinsam formulierten Qualitätskriterien<br />
überprüfen.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Frühkindliche<br />
Bildung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
Nachwuchssicherung in<br />
Deutschland: Schule und<br />
Wirtschaft gemeinsam<br />
in der Verantwortung<br />
Im September <strong>2007</strong> haben rd. 400 SCHULEWIRT<br />
SCHAFT-Akteure aus ganz Deutschland am SCHULE<br />
WIRTSCHAFT-Kongress „Verantwortung in und für<br />
Schule“ teilgenommen. Das SCHULEWIRTSCHAFT-<br />
Netzwerk macht sich stark für die Sicherung und Verbesserung<br />
der Qualität der schulischen Bildung und<br />
Erziehung und übernimmt Verantwortung „in und für<br />
Schule“: Es berät und begleitet die Schulen bei ihren<br />
Veränderungsprozessen.<br />
Dr. Dieter Hundt betonte bei der Eröffnung des Kongresses,<br />
dass die deutsche Wirtschaft im internationalen<br />
Wettbewerb nur erfolgreich sein kann, wenn sie innovative<br />
Produkte und neue Technologien entwickelt. Dafür<br />
brauchen die Unternehmen qualifizierte Fach- und Führungskräfte.<br />
Die Basis dafür muss schon in der Schule<br />
und in der Früherziehung gelegt werden.<br />
Das gemeinsame Engagement von Schul- und Unternehmensvertretern<br />
im SCHULEWIRTSCHAFT-Netzwerk<br />
ist ein wichtiger Katalysator für qualitative,<br />
dauerhafte Nachwuchsförderung. Es bringt jährlich<br />
mehr als 190.000 Schul- und Unternehmensvertreter<br />
zusammen, denen es ein gemeinsames Anliegen ist,<br />
die Perspektiven der jungen Menschen zu verbessern.<br />
Das Netzwerk garantiert jeder interessierten und kooperationsbereiten<br />
Schule die Vermittlung betrieblicher<br />
Partner.<br />
In einer Fülle von Workshops wurde dargestellt, wo<br />
die SCHULEWIRTSCHAFT-Arbeit erfolgreich „in und<br />
für Schule“ ansetzt. Sie dienten dem Austausch von<br />
erfolgreichen und übertragbaren Maßnahmen, Instrumenten<br />
und Methoden zu wichtigen Arbeitsfeldern<br />
von SCHULEWIRTSCHAFT, wie z. B. der Personalentwicklung<br />
in Schulen, der ökonomischen Grundbildung<br />
und der Förderung der MINT-Bildung (Mathematik,<br />
Informatik, Naturwissenschaften, Technik).
70 Bildung/Berufliche Bildung<br />
Schulsystem neu managen – die wichtigsten Forderungen<br />
von BDA und BDI:<br />
• Das Management des Schulsystems ist so auszurichten,<br />
dass es die selbstständige Qualitätsverbesserung<br />
der Schule fördert und ihr die Entscheidung<br />
über Organisation, Finanzen und Personal sowie<br />
über das pädagogische Profil und Programm überlässt.<br />
Dafür ist eine starke Position des Schulleiters<br />
Voraussetzung.<br />
• Zielvereinbarungen zwischen Kultusministerium<br />
und Schulaufsicht, Schulaufsicht und Schule, Schulleitung<br />
und Lehrkräften sind wichtige Steuerungsinstrumente<br />
in einem neuen Systemmanagement<br />
durch Zielorientierung.<br />
• Die Bildungsverwaltung muss zum Dienstleister für<br />
die Schule werden. Für ihre neue Selbstständigkeit<br />
brauchen die Schulen Hilfe durch effektive Beratungs-<br />
und Unterstützungssysteme bis hin zum individuellen<br />
Coaching.<br />
• Die Schulaufsicht muss zum ersten Ansprechpartner<br />
der Schule werden. Die Mitarbeiter der Schulaufsicht<br />
brauchen zur Weiterentwicklung ihrer<br />
Professionalität ein Leitbild mit klaren Aufgabenbeschreibungen<br />
und eine Vermittlung der geforderten<br />
Kompetenzen.<br />
• Schule, Schulaufsicht und Evaluationseinrichtungen<br />
brauchen als Referenzrahmen ein einheitliches und<br />
transparentes Verständnis mit eindeutigen Indikatoren,<br />
was Schulqualität ausmacht.<br />
• Die Bildungsverwaltung – vom Schulamt bis zum<br />
Kultusministerium – muss für sich ein funktionierendes<br />
Qualitätsmanagement entwickeln, das auch<br />
extern überprüft wird.<br />
• Die Qualitätssicherung des Gesamtsystems ist eine<br />
entscheidende Aufgabe der Kultusministerien.<br />
PISA: Trendwende in der Schule<br />
erkennbar – Reformweg<br />
konsequent ausbauen<br />
Die von PISA 2006 erfassten deutschen Schülerleistungen<br />
mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften sind<br />
besser geworden. Erstmals liegen sie in diesem Themenfeld<br />
im vorderen Drittel und erkennbar über dem OECD-<br />
Durchschnitt. Damit ist ein erster, wichtiger Schritt auf<br />
dem Weg in die Spitzengruppe gelungen. Nun muss<br />
alles darangesetzt werden, auf dieser Trendwende aufzubauen<br />
und auch bei allen anderen Schülerleistungen<br />
zu echten Verbesserungen zu kommen. Dies gilt vor<br />
allem für Mathematik und Lesen. Hier gibt es laut PISA<br />
zu wenig Fortschritte: Noch immer versteht jeder fünfte<br />
Jugendliche nicht, was er liest.<br />
Die Reformen, die nicht zuletzt infolge der Schockwelle<br />
der ersten PISA-Studie angestoßen wurden, müssen<br />
deshalb konsequent fortgesetzt werden. Die selbstständige<br />
Schule, die über die Umsetzung bundesweiter Leistungsstandards<br />
Transparenz herstellt, muss überall zur<br />
gelebten Realität werden. Die Schulaufsicht muss vom<br />
Weisungsgeber zum Ratgeber für Schulen werden und<br />
sich zum wirklichen Dienstleister entwickeln.<br />
Mit dem gemeinsamen Positionspapier „Schulsystem neu<br />
managen – Paradigmenwechsel in der Schulaufsicht“ haben<br />
BDA und BDI ein neues Management für das Schulsystem<br />
gefordert. Eine „Checkliste“ im Positionspapier<br />
ermöglicht eine Überprüfung, wie weit und wie effektiv<br />
das Systemmanagement für die Schule gelingt. Das Papier<br />
wurde im Rahmen einer Veranstaltung mit dem Titel<br />
„Schule unter Aufsicht?“ im Juni <strong>2007</strong> vorgestellt.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Schulpolitik“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />
abrufbar.
Bildung/Berufliche Bildung<br />
71<br />
Ausbildungsmarkt – Positive<br />
Entwicklung dank Unternehmensengagement<br />
und guter Konjunktur<br />
Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt <strong>2007</strong> belegt:<br />
Die wirkungsvollste Ausbildungsförderung ist eine<br />
wachsende Wirtschaft. Dank der guten konjunkturellen<br />
Lage kann bereits jetzt für das Jahr <strong>2007</strong> eine sehr positive<br />
Bilanz zum Übergang von Schule in Ausbildung<br />
gezogen und eine gewisse Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt<br />
insgesamt festgestellt werden.<br />
Erfreulich ist insbesondere der deutliche Anstieg bei den<br />
neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen: Insgesamt<br />
wurden <strong>2007</strong> 625.914 Ausbildungsverträge abgeschlossen;<br />
das sind 8,6 % mehr als im Vorjahr. Damit wurde<br />
<strong>2007</strong> das zweitbeste Ergebnis seit der Wiedervereinigung<br />
erreicht. Auch die Daten der BA-Ausbildungsvermittlung<br />
belegen diesen positiven Trend: Zum 30. September waren<br />
bei den Arbeitsagenturen noch 29.100 unversorgte Bewerber<br />
registriert – ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um<br />
gut 20.000 und der niedrigste Stand seit 2002. Ihnen standen<br />
noch 18.400 unbesetzte Ausbildungsplätze sowie ein<br />
Großteil der im Ausbildungspakt zugesagten 40.000 EQJ-<br />
Plätze zur Verfügung. Bis Ende November konnte die<br />
Zahl der unvermittelten Bewerber weiter deutlich reduziert<br />
werden auf 16.600 (November 2006: 27.800) – bei<br />
rd. 30.000 offenen Ausbildungsstellen und unbesetzten<br />
EQJ-Plätzen. Damit können jedem Bewerber im statistischen<br />
Durchschnitt knapp zwei Angebote unterbreitet<br />
und bis Jahresende die Zahl der unvermittelten Bewerber<br />
nochmals deutlich reduziert werden.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildungsmarkt“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
Ausbildungspakt bis 2010<br />
verlängert<br />
Der „Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“<br />
hat unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen<br />
in den Jahren 2004 bis 2006 zu einer Verbesserung<br />
der Situation auf dem Ausbildungsmarkt beigetragen.<br />
Diese positive Zusammenarbeit wird – mit dem neuen<br />
Partner Bundesverband der Freien Berufe – durch die Verlängerung<br />
des Paktes im März <strong>2007</strong> bis 2010 fortgesetzt.<br />
Ziel der Paktpartner bleibt es, in enger Kooperation mit<br />
den Ländern allen ausbildungswilligen und -fähigen jungen<br />
Menschen ein Ausbildungsangebot zu unterbreiten.<br />
Die Wirtschaft hat zugesagt, jährlich 60.000 neue Ausbildungsplätze<br />
einzuwerben, 30.000 neue Ausbildungsbetriebe<br />
zu gewinnen und 40.000 Plätze für betriebliche<br />
Einstiegsqualifizierungen (EQJ) bereitzustellen. Mit diesen<br />
ehrgeizigen Zielen dokumentiert die Wirtschaft ihr<br />
stetiges Engagement für die Ausbildung ihres Fachkräftenachwuchses.<br />
Ganz wesentlich hängt die erfolgreiche<br />
Umsetzung dieser Ziele von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
ab – Reformen dürfen daher nicht zurückgedreht,<br />
sondern müssen fortgesetzt werden.<br />
Erste Zwischenergebnisse zur Umsetzung der neuen<br />
Paktziele <strong>2007</strong> zeigen, dass auch in diesem Jahr eine<br />
positive Bilanz gezogen werden kann. So wurden bis<br />
Ende September bereits 68.500 neue Ausbildungsplätze<br />
(Zusage: 60.000) und 43.400 neue Ausbildungsbetriebe<br />
(Zusage: 40.000) gewonnen. Zudem wurden bis Ende<br />
September bereits 31.500 EQJ-Plätze von den Betrieben<br />
bereitgestellt. Da die Einwerbung und der Einsatz dieser<br />
Plätze schwerpunktmäßig in der Nachvermittlung erfolgen,<br />
wird auch hier die Zusage von 40.000 Plätzen mit<br />
Sicherheit erreicht.<br />
Wichtiges Anliegen des Ausbildungspaktes bleibt die<br />
Verbesserung der Ausbildungsreife der Bewerber. Die<br />
Paktpartner bieten den Ländern eine intensive Kooperation<br />
an, um die noch immer hohe Zahl der Schulabgänger<br />
ohne Abschluss und ohne Ausbildungsreife nachhaltig<br />
und deutlich zu verringern. Das muss zentrales Ziel der<br />
Bildungspolitik der Länder sein. Dazu gehört auch, dass<br />
allgemein bildende Schulen ihre Kooperation mit Betrieben<br />
weiter intensivieren und die Berufsorientierung der<br />
Schüler verbessern. Gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) streben die Paktpartner ein Gesamtkonzept<br />
zur Berufswegeplanung an, das unter Federführung<br />
der BDA entwickelt wird und im Frühjahr 2008 vorgestellt<br />
werden soll.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildungspakt“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />
abrufbar.
72 Bildung/Berufliche Bildung<br />
SGB-III-Förderung – Konzentration<br />
auf Praxisnähe<br />
Noch immer gelingt vielen leistungsschwächeren Jugendlichen<br />
nicht der Übergang von der Schule in Ausbildung.<br />
Deshalb werden mehr wirkungsvolle Brücken<br />
in Ausbildung gebraucht. Erfolgreich sind hier vor<br />
allem betriebliche Angebote, wie beispielsweise die<br />
Einstiegsqualifizierungen mit Übergängen in Ausbildung<br />
von knapp 70 %. Solche betriebsnahen Angebote<br />
gilt es auszuweiten.<br />
BDA und DGB haben im Herbst 2006 in der Bundesagentur<br />
für Arbeit einen Verwaltungsratsbeschluss<br />
initiiert, der genau darauf abzielt: durch mehr flankierende<br />
Unterstützungsangebote die Chancen leistungsschwacher<br />
Jugendlicher auf betriebliche Qualifizierung<br />
zu verbessern. Die jüngsten SGB-III-Änderungen haben<br />
einige wesentliche Forderungen bereits aufgegriffen:<br />
• Förderung sozialpädagogischer Begleitung bei betrieblicher<br />
Berufsvorbereitung<br />
• Förderung organisatorischer Unterstützung von KMU<br />
bei Ausbildung und Berufsvorbereitung<br />
• Verankerung der Einstiegsqualifizierungen im SGB III<br />
(wenn auch falsch, nämlich über Beiträge statt Steuern,<br />
finanziert)<br />
• Breitere Fördermöglichkeiten bei der vertieften<br />
Berufsorientierung<br />
Positiv ist ebenfalls, dass bei der außerbetrieblichen<br />
Ausbildung benachteiligter Jugendlicher nicht mehr<br />
zwingend eine Berufsvorbereitungsmaßnahme vorgeschaltet<br />
werden muss – es gilt nun durchzusetzen,<br />
dass diese befristete Öffnung auch über das Jahr <strong>2007</strong><br />
hinaus Bestand hat. Darüber hinaus muss die Integration<br />
leistungsschwacher Jugendlicher künftig mit<br />
einer finanziellen Eingliederungshilfe in betriebliche<br />
Ausbildung unterstützt werden. Im SGB III muss<br />
daher – analog zur Eingliederungshilfe in Beschäftigung<br />
– eine Eingliederungshilfe in betriebliche Ausbildung<br />
verankert werden. BDA und DGB fordern auch<br />
dies gemeinsam.<br />
Die Bundesregierung prüft, der Erklärung der Kabinettsklausur<br />
in Meseberg im August <strong>2007</strong> zufolge, folgende<br />
Punkte:<br />
•<br />
die Einführung eines Ausbildungsbonus für überdurchschnittlich<br />
ausbildende Betriebe<br />
einen Ausbildungskostenzuschuss für die Ausbildung<br />
bestimmter Gruppen von benachteiligten<br />
Altbewerbern<br />
den Einsatz von Ausbildungspaten<br />
die Verstärkung der personellen Ressourcen der<br />
Berufsberatung<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Den Übergang von der Schule in Ausbildung durch<br />
Ausbildungspaten sowie eine verstärkte Berufsberatung<br />
zu unterstützen, ist ebenso zu begrüßen wie ein Ausbildungskostenzuschuss,<br />
Letzterer aber nur, wenn er eng<br />
auf leistungsschwache Altbewerber konzentriert ist und<br />
ihnen gezielt neue Chancen eröffnet. Ein allgemeiner<br />
Ausbildungsbonus führt hingegen zu Fehlanreizen und<br />
Verwerfungen auf dem Ausbildungsmarkt. Er brüskiert<br />
jene Unternehmen, die in den letzten Jahren trotz großer<br />
wirtschaftlicher Probleme und ohne Bonus über den eigenen<br />
Bedarf hinaus ausgebildet haben und gerade deshalb<br />
jetzt nicht noch einmal zulegen können, und „belohnt“<br />
einseitig diejenigen, die sich in der Krise zurückgehalten<br />
haben und jetzt – wo sie ohnehin Bedarf haben – mehr<br />
als im Durchschnitt der schwierigen Jahre ausbilden.<br />
AEVO – Ausbilderqualifizierung<br />
bedarfsgerecht gestalten<br />
Im Jahr 2003 hat die Bundesregierung die Ausbildereignungsverordnung<br />
(AEVO) ausgesetzt. Diese Verordnung<br />
regelte, dass der Erwerb der berufs- und arbeitspädagogischen<br />
Fertigkeiten und Fähigkeiten von<br />
Ausbildern nachzuweisen ist – in der Regel durch eine<br />
entsprechende Prüfung. Die Aussetzung gilt bis zum<br />
31. Juli 2008. Aktuell werden von Seiten des BMBF<br />
Überlegungen angestellt, ob die Aussetzung verlängert<br />
und ob ggf. eine Überarbeitung der Regelung vorgenommen<br />
werden soll.<br />
Nicht nur weil es das Berufsbildungsgesetz, dessen<br />
Anforderungen an Ausbilder richtigerweise nie ausgesetzt<br />
waren, zu Recht erfordert, sondern weil wir uns<br />
aus Eigeninteresse klar für eine anspruchsvolle Ausbildungspraxis<br />
entschieden haben, brauchen wir überall<br />
qualifizierte und geeignete Ausbilder. Bei den anstehenden<br />
Überlegungen zur Zukunft der AEVO geht es
Bildung/Berufliche Bildung<br />
73
74 Bildung/Berufliche Bildung<br />
daher nicht um die Frage, ob wir optimale Qualität<br />
in der Ausbildung wollen oder nicht – das versteht<br />
sich von selbst. Es geht ausschließlich um die Frage<br />
des geeigneten Instrumentariums. Aus Sicht der ganz<br />
überwiegenden Mehrheit der Arbeitgeber stellt die alte<br />
AEVO kein heute noch Qualität sicherndes, Ausbildungsbereitschaft<br />
wirksam förderndes Instrument dar.<br />
Denn sie wirkt aufgrund des teilweise unnötigen und<br />
beträchtlichen Aufwandes gerade für KMU als Ausbildungshemmnis.<br />
Zudem wird sie als pauschale Regelung<br />
den sehr unterschiedlichen Rollen und Aufgaben<br />
von Ausbildern nicht gerecht.<br />
Ziel der aktuellen Überlegungen muss deshalb sein, ein<br />
attraktives Angebot zu schaffen, das von vielen Betrieben<br />
und Ausbildungsverantwortlichen in unterschiedlichen<br />
Funktionen im Sinne qualitativ hochwertiger Ausbildung<br />
genutzt wird. Ein zukunftsfähiges und praxisgerechtes<br />
Konzept sollte die folgenden Kriterien erfüllen: Optimierung<br />
von Aufwand und Ertrag, Differenzierungsmöglichkeiten<br />
sowie enger Praxisbezug. In die aktuelle Diskussion<br />
werden die Arbeitgeber daher folgende Eckpunkte<br />
einbringen: Verlängerung der Aussetzung der AEVO, die<br />
die Voraussetzung schafft für eine zügige und fundierte<br />
Neukonzeptionierung der Ausbildungsqualifizierung<br />
und die begrenzt ist auf maximal zwei Jahre; Neukonzeptionierung<br />
basierend auf Modulen, so dass ein passgenaues<br />
und attraktives Angebot entsteht; Reduzierung<br />
des Aufwandes ohne Verzicht auf Qualität.<br />
Ausbildungsstrukturen – auf<br />
dem Weg zu mehr Flexibilität<br />
und Durchlässigkeit<br />
Ausbildung hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt.<br />
In verschiedenen Ausbildungsberufen sind in puncto<br />
Flexibilität mit innovativen Strukturkonzepten bereits<br />
erhebliche Fortschritte erzielt und passgenaue Lösungen<br />
gefunden worden. Zur Stärkung der betrieblichen Ausbildung<br />
braucht das duale System aber ein „Mehr“ an<br />
Differenzierungsmöglichkeiten in einer Ausbildung, die<br />
immer auf ganzheitliche Berufe ausgerichtet bleibt.<br />
Wo gewollt und sinnvoll, wollen BDA und BDI als Gestaltungsoptionen<br />
den Einsatz von Ausbildungsbausteinen,<br />
die Schaffung von Berufsgruppen bei sich überlappenden<br />
Kompetenzen sowie eine stärkere Differenzierung des<br />
Ausbildungsniveaus und eine stärkere Dokumentation<br />
von Teilleistungen ermöglichen. Die Arbeitgeber haben<br />
daher die vom Innovationskreis Berufliche Bildung des<br />
BMBF vorgelegten Empfehlungen für die Erprobung von<br />
Ausbildungsbausteinen, die Bildung von Berufsgruppen<br />
sowie die stärkere Nutzung betrieblichen Know-hows<br />
bei den Prüfungen begrüßt und werden sich intensiv für<br />
die Umsetzung dieser Vereinbarungen engagieren. Denn<br />
durch mehr Flexibilität im Rahmen von Berufsbildern<br />
wird die betriebliche Ausbildung gestärkt.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Moderne<br />
Strukturen in der dualen Ausbildung“ veröffentlicht. Er ist<br />
über www.bda-online.de abrufbar.<br />
Auswahlverfahren der<br />
Hochschulen für beruflich<br />
Qualifizierte öffnen<br />
Die Arbeitgeber begrüßen, dass sich der Innovationskreis<br />
Berufliche Bildung ausdrücklich für eine „transparentere<br />
und offenere Gestaltung der Regelungen für den Hochschulzugang<br />
beruflich Qualifizierter“ ausgesprochen und<br />
an die Hochschulen appelliert hat, „gemeinsam mit der<br />
Wirtschaft Eingangs-, Anerkennungs- und Anrechnungsverfahren<br />
für beruflich Qualifizierte zu entwickeln“.<br />
Noch immer wird beruflich Qualifizierten der Hochschulzugang<br />
durch intransparente Regelungen und spezielle<br />
Zulassungserfordernisse erschwert. In der Folge<br />
nehmen deutschlandweit nur wenige beruflich Qualifizierte<br />
ohne formale Hochschulzugangsberechtigung ein<br />
Studium auf – sie stellen nur 1 % der Studienanfänger.<br />
Deshalb muss die Durchlässigkeit zwischen beruflicher<br />
und akademischer Bildung erhöht werden.<br />
Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gilt<br />
es, das Potenzial hervorragender Absolventen der beruflichen<br />
Erstausbildung für die hochschulische Bildung zu<br />
erschließen. Wer studierfähig ist, muss studieren können,<br />
auch wenn er nicht über die formale Hochschulzugangsberechtigung<br />
verfügt. BDA und BDI schlagen deshalb vor,<br />
im Rahmen von Auswahlverfahren den Hochschulzugang<br />
für alle Studienbewerber nach bundesweit einheitlichen<br />
Kriterien zu regeln. Ziel muss es sein, beruflich Quali
Bildung/Berufliche Bildung<br />
75<br />
fizierten ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung<br />
gleichermaßen wie schulisch qualifizierten Hochschulbewerbern<br />
die Teilnahme an Auswahlverfahren zu<br />
ermöglichen und dabei eine Gleichbehandlung sicherzustellen.<br />
Die Hochschulen sollten die Auswahl der<br />
Studierenden eigenverantwortlich – insbesondere auch<br />
zur Senkung der hohen Studienabbrecherquoten und<br />
im Sinne einer Profilbildung – gestalten. BDA und BDI<br />
werden in der ersten Jahreshälfte 2008 gemeinsam mit<br />
der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Hochschulzugangskriterien<br />
für die allgemeine Studierfähigkeit sowie<br />
die spezielle Studiengangeignung entwickeln.<br />
Lebenslanges Lernen durch<br />
moderne und praxisgerechte<br />
Ausbildungsberufe und<br />
Fortbildungen fördern<br />
Die bedarfsgerechte Neuentwicklung von Ausbildungsberufen<br />
sowie die Überarbeitung bestehender<br />
Ausbildungsberufe sind das zentrale Anliegen von BDA<br />
und BDI im Rahmen der Ordnungsarbeit. Moderne Ausbildungsberufe<br />
steigern nicht nur die Attraktivität der Berufsbildung,<br />
sie ermöglichen zugleich den Unternehmen,<br />
sich ihren Bedürfnissen entsprechend in der Ausbildung<br />
zu engagieren und damit auch den weiteren Erfolg des<br />
Ausbildungspakts zu gewährleisten. Diese Auswirkung<br />
der Ordnungsarbeit belegt eine Befragung des Kuratoriums<br />
der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (KWB)<br />
über die 55 zwischen 1996 und 2006 neu geordneten<br />
Berufe: Obwohl es in der Regel mehrere Jahre dauert,<br />
bis ein neuer Beruf sein gesamtes Ausbildungspotenzial<br />
ausschöpfen kann, machen diese mittlerweile bereits<br />
knapp 10 % aller Ausbildungsverhältnisse im dualen System<br />
aus. Ende 2006 wurden fast 150.000 Jugendliche in<br />
den neuen Berufen ausgebildet. Fast die Hälfte der neuen<br />
Berufe hat mehr als 1.000 Ausbildungsverhältnisse, acht<br />
neue Berufe sogar mehr als 5.000. Bei nur fünf der neuen<br />
Berufe lagen die Ausbildungszahlen unter 100; diese befinden<br />
sich teilweise aber noch in der Einführungsphase<br />
und haben ihr volles Potenzial noch nicht entfaltet.<br />
Seit dem 1. August <strong>2007</strong> kann die Ausbildung in vier<br />
neuen Berufen angeboten werden, sechs Berufe wurden
76 Bildung/Berufliche Bildung<br />
überarbeitet. Ziel der Ordnungsarbeit ist es dabei auch,<br />
Branchen bzw. Beschäftigungsbereiche für die Ausbildung<br />
zu gewinnen, deren Potenzial bislang nicht ausgeschöpft<br />
wurde, weil es an geeigneten Ausbildungsprofilen<br />
fehlte. Der neue Beruf des/der Sportfachmanns/-frau<br />
bietet ein derartiges innovatives Ausbildungsprofil, das<br />
im Gegensatz zum Sport- und Fitnesskaufmann die Sportpraxis<br />
stärker betont und damit den Bedürfnissen einer<br />
Branche entspricht, die bislang ihr Ausbildungspotenzial<br />
durch das schwerpunktmäßig kaufmännische Profil<br />
des bestehenden Berufs nicht ausschöpfen konnte. Vor<br />
diesem Hintergrund setzt sich die BDA auch erfolgreich<br />
für einen neuen Beruf im Bereich der Personaldienstleistungsunternehmen<br />
ein. Das entsprechende Neuordnungsverfahren<br />
steht unmittelbar vor dem Abschluss<br />
und ermöglicht in naher Zukunft sowohl Unternehmen,<br />
die in der Personalvermittlung tätig sind, als auch Personalabteilungen<br />
in Unternehmen, erstmalig bzw. verstärkt<br />
ihren Bedürfnissen entsprechend auszubilden.<br />
Zur Förderung des lebenslangen Lernens müssen aber<br />
auch moderne Fortbildungsprofile angeboten werden,<br />
die zugleich dem gesteigerten Qualifikationsbedarf der<br />
Unternehmen Rechnung tragen. Der Übergang von<br />
der Aus- in die Fortbildung muss dabei so fließend wie<br />
möglich gestaltet werden, die Anschlussfähigkeit muss<br />
gewährleistet sein. Dabei nehmen neue Fortbildungsprofile<br />
ebenso wie einige neue Ausbildungsberufe verstärkt<br />
die Kompetenz- und Prozessorientierung in den<br />
Blick. Sie berücksichtigen damit die betriebliche Wirklichkeit<br />
gerade im Bereich der gewerblich-technischen<br />
Unternehmen.<br />
Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret<br />
Neue Berufe <strong>2007</strong>:<br />
Fachkraft für Holz- und Bautenschutzarbeiten (zweijähriger Beruf), Holz- und Bautenschützer/-in, Mathematischtechnische/-r<br />
Softwareentwickler/-in, Sportfachmann/-frau<br />
Neu geordnet wurden die Berufe:<br />
Bestattungsfachkraft, Brauer/-in und Mälzer/-in, Mechatroniker/-in für Kältetechnik, Mediengestalter/-in Digital und<br />
Print, Produktprüfer/-in Textil, Sport- und Fitnesskaufmann/-frau<br />
Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2008 befinden sich die Berufe:<br />
Automatenfachmann/-frau (neuer Beruf), Fachangestellte/-r für Tanzschulen (neuer Beruf), Fachkraft für Automatenservice<br />
(neuer zweijähriger Beruf), Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Keramiker/-in, Seiler/-in, Servicekraft für<br />
Schutz und Sicherheit (neuer zweijähriger Beruf), Speiseeishersteller/-in (neuer zweijähriger Beruf), Friseur/-in, Fotomedienfachmann/-frau<br />
(vorheriger Arbeitstitel: Medienberater/-in für visuelle Kommunikation), Personaldienstleistungskaufmann/-frau<br />
(neuer Beruf), Produktionstechnologe/-technologin (neuer Beruf)<br />
In der beruflichen Fortbildung wurden die folgenden Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG):<br />
Geprüfte/-r Bilanzbuchhalter/-in, Geprüfte/-r Pharmareferent/-in, Geprüfte/-r Wasserbaumeister/-in, Prozessmanager/-<br />
in für Mikrotechnologie<br />
Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen:<br />
Betriebswirt/-in nach Handwerksordnung, Fortbildung in der Produktionstechnologie, Geprüfte/-r Veranstaltungsfachwirt/-in,<br />
Immobilienfachwirt/-in, Geprüfte/-r Industriemeister/-in Fachrichtung Papier und Kunststoff, Meister/-<br />
in für Lagerwirtschaft, Geprüfte/-r Meister/-in für Veranstaltungstechnik, Geprüfte/-r Polier/-in, Tierpflegemeister/-in,<br />
Geprüfte/-r Versicherungsfachwirt/-in
Bildung/Berufliche Bildung<br />
77<br />
Weiterbildung – Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Beschäftigungsfähigkeit<br />
sichern<br />
Hochschulen als Weiterbildungsträger:<br />
Attraktive Angebote<br />
erforderlich<br />
Für die deutschen Arbeitgeber ist Weiterbildung kein<br />
Lippenbekenntnis, sondern vielfach gelebte Realität. Sie<br />
investieren pro Jahr rd. 27 Mrd. € in die Weiterbildung<br />
ihrer Mitarbeiter. Wie Weiterbildung weiter gestärkt<br />
werden kann, hat die BDA in ihrem im Frühjahr veröffentlichten<br />
Positionspapier „Berufliche Weiterbildung:<br />
Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit“<br />
dargestellt.<br />
Für Unternehmen bedeutet Verantwortung für Weiterbildung,<br />
die Bedeutung der Qualifikationen ihrer<br />
Mitarbeiter als Wert für das Unternehmen zu erkennen<br />
und ihr Engagement für berufliche Weiterbildung als<br />
Investition in die Zukunft zu verstehen. Für den Einzelnen<br />
sollte Eigenverantwortung und -initiative in der beruflichen<br />
Weiterbildung selbstverständlich sein und er<br />
sollte Chancen und Nutzen beruflicher Weiterbildung<br />
als lebensbegleitende Aufgabe erkennen. Gerade die<br />
Einbringung von Freizeit stellt eine gute Möglichkeit<br />
zur Beteiligung des Einzelnen am Weiterbildungsaufwand<br />
dar. Aktuell finden noch drei Viertel der betrieblichen<br />
Weiterbildung in der Arbeitszeit statt. Hier ist<br />
ein stärkeres Engagement des Einzelnen erforderlich.<br />
So wären knapp 60 % der Unternehmen bereit, noch<br />
stärker in Weiterbildung zu investieren, wenn die<br />
Mitarbeiter mehr Freizeit einbrächten. Die Weiterbildungsanbieter<br />
stehen ihrerseits vor der Aufgabe, sich<br />
zu Dienstleistern mit individuellen Angeboten, insbesondere<br />
in Form von Weiterbildungsberatung und -begleitung,<br />
weiterzuentwickeln. Das Handeln der Politik<br />
sollte sich auf die Sicherung lernförderlicher Rahmenbedingungen<br />
beschränken und von regulierenden Eingriffen<br />
in den Weiterbildungsmarkt absehen.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Lebenslanges<br />
Lernen“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
Der Bedarf an wissenschaftlicher Weiterbildung als Bestandteil<br />
lebenslangen Lernens wächst. Der Gesetzgeber<br />
hat im Hochschulrahmengesetz die wissenschaftliche<br />
Weiterbildung als eine Kernaufgabe der Hochschulen<br />
definiert. In den jeweiligen Landeshochschulgesetzen ist<br />
dies – wenn auch mit deutlichen Unterschieden – eben<br />
7-Punkte-Plan von Wirtschaft<br />
und Hochschulen<br />
1. Die Hochschulen entwickeln im Dialog mit der<br />
Wirtschaft Angebote wissenschaftlicher Weiterbildung<br />
auf Grundlage ihres eigenen Profils.<br />
2. Die Hochschulen gewährleisten eine anwendungsorientierte<br />
und kostendeckende Konzeption und<br />
Durchführung wissenschaftlicher Weiterbildung.<br />
3. Die Hochschulen legen für die wissenschaftlichen<br />
Weiterbildungsangebote die Lernziele fest und<br />
gestalten die Qualitätskontrollen transparent. Ein<br />
modularer Aufbau ist sinnvoll.<br />
4. Die Hochschulen richten kundenorientierte „Service-Center<br />
Weiterbildung“ für nachfragende Unternehmen<br />
und Einzelpersonen ein.<br />
5. Die Hochschulen und die Politik gestalten faire<br />
und qualitätsbewusste Alternativen zum Hochschulzugang<br />
über Schulabschlüsse.<br />
6. Die Politik schafft Anreize für Hochschulen, wissenschaftliche<br />
Weiterbildung kontinuierlich anzubieten,<br />
und beseitigt bestehende Restriktionen.<br />
7. Hochschulen und Wirtschaft bauen regional organisierte<br />
„Netzwerke Weiterbildung“ auf und kooperieren<br />
bei der Ermittlung von Bedarf und Angebot<br />
wissenschaftlicher Weiterbildung.
78 Bildung/Berufliche Bildung<br />
falls verankert. Aufgrund gesetzlicher Einschränkungen<br />
vor allem im öffentlichen Dienst- und Haushaltsrecht ist<br />
es für die Hochschulen jedoch wenig attraktiv, Angebote<br />
wissenschaftlicher Weiterbildung zu entwickeln.<br />
Ausgehend von einem fachlich breit angelegten Bachelor-Studium<br />
und einem frühen Berufseinstieg werden im<br />
Laufe des Berufslebens mit wachsender Spezialisierung<br />
und sich verändernden Anforderungen im Beschäftigungssystem<br />
jedoch entsprechende wissenschaftliche<br />
Weiterbildungen künftig noch dringender als bisher benötigt.<br />
Dies können sowohl einzelne Module als auch<br />
komplette (ggf. berufsbegleitende) Master-Studiengänge<br />
sein. Den Hochschulen eröffnet sich damit ein breites<br />
und attraktives Betätigungsfeld.<br />
Vor diesem Hintergrund haben BDA, BDI und Hochschulrektorenkonferenz<br />
gemeinsam die gegenseitigen<br />
Erwartungen von Hochschulen und Beschäftigungssystem<br />
in ihrem Positionspapier „Wissenschaftliche Weiterbildung<br />
im System der gestuften Studienstruktur“<br />
formuliert und einen 7-Punkte-Plan erarbeitet. Mit der<br />
Umsetzung des 7-Punkte-Plans kann das Engagement<br />
der Hochschulen gesteigert und somit der Bedarf an<br />
wissenschaftlicher Weiterbildung im Beschäftigungssystem<br />
besser gedeckt werden.<br />
Deutscher Qualifikationsrahmen<br />
muss sich an den Anforderungen<br />
des Beschäftigungssystems<br />
orientieren<br />
Der Startschuss für die Umsetzung des Europäischen<br />
Qualifikationsrahmens (EQR) ist gefallen: Das Europäische<br />
Parlament hat im Oktober <strong>2007</strong> dem Vorschlag der<br />
Kommission für eine Empfehlung über die Einrichtung<br />
eines EQR zugestimmt. Die Empfehlung sieht jetzt vor,<br />
dass die Mitgliedstaaten ihre jeweiligen nationalen Qualifikationssysteme<br />
nicht bis 2009, sondern erst bis 2010<br />
an den EQR koppeln. Auch sollen individuelle Zeugnisse<br />
und Diplome ab 2012 und nicht bereits ab 2011 einen<br />
EQR-Verweis erhalten.<br />
Damit dürfte sich auch der zeitliche Rahmen für die Entwicklung<br />
des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR)<br />
verschieben. Dieser soll die Umsetzung und Anwendung<br />
des EQR erleichtern, indem er die im deutschen<br />
Bildungssystem erworbenen Qualifikationen transparent<br />
und vergleichbar macht, bei der Einstufung aber<br />
nationale Besonderheiten berücksichtigt. Entscheidend<br />
für die Funktionsfähigkeit eines solchen Rahmens wird<br />
seine Praxistauglichkeit sein. Die BDA hat daher von<br />
Anfang an gefordert, bei der Gestaltung des Rahmens<br />
die Anforderungen der Unternehmen zu beachten.<br />
BMBF und KMK haben bereits im Januar <strong>2007</strong> mit der<br />
Entwicklung des DQR begonnen. Seit Juni <strong>2007</strong> sind<br />
auch die zentralen Stakeholder – Arbeitgeber, Gewerkschaften,<br />
HRK sowie Vertreter der Wissenschaft – im<br />
Rahmen eines Arbeitskreises in den Entwicklungsprozess<br />
eingebunden. Zunächst sollen die Eckpunkte<br />
für die Gestaltung des DQR festgelegt werden, insbesondere<br />
die Anzahl der Niveaustufen und die Art der<br />
Deskriptoren, anhand derer die Qualifikationen später<br />
eingeordnet werden sollen. Die BDA ist in der Steuerungsgruppe<br />
dieses Arbeitskreises vertreten und beteiligt<br />
sich auch darüber hinaus aktiv am Erarbeitungsprozess<br />
z. B. in der Arbeitsgruppe des Hauptausschusses<br />
des Bundesinstituts für Berufsbildung. Der DQR bietet<br />
die Chance, über alle Bildungsbereiche hinweg Qualifikationen<br />
anhand einheitlicher und gemeinsam entwickelter<br />
Beschreibungen zu kategorisieren und damit<br />
transparent und vergleichbar zu machen. Für die berufliche<br />
Bildung bietet der DQR damit erstmalig die Möglichkeit,<br />
die Gleichwertigkeit von in der Berufsbildung<br />
und an Hochschulen erworbenen Qualifikationen aufzuzeigen,<br />
ggf. auch eine Höherwertigkeit beruflicher<br />
Qualifikationen abzubilden. Voraussetzung hierfür ist<br />
die strikte Outcome-Orientierung des Rahmens. Die<br />
Kompetenzorientierung ist deshalb Hauptaugenmerk<br />
der BDA bei der Entwicklung des DQR.<br />
Über den Erfolg des Rahmens werden seine Anwender<br />
entscheiden – zu einem Großteil spätere Arbeitgeber,<br />
insbesondere die Personalabteilungen der Unternehmen.<br />
Diese wenden heute schon vielfach Verfahren zur Kompetenzmessung<br />
an und verfügen dadurch bereits über<br />
praktische Erfahrung in der Beschreibung von Kompetenzen.<br />
Die BDA setzt sich deshalb weiterhin dafür ein,<br />
bei der Entwicklung der Deskriptoren des DQR Vertreter<br />
von Unternehmen als spätere Hauptanwender auch direkt<br />
mit einzubeziehen.<br />
Neben dem EQR plant die Europäische Kommission die<br />
Einführung eines Europäischen Leistungspunktesystems
Bildung/Berufliche Bildung<br />
79<br />
für die Berufsbildung (ECVET). Nach Abschluss des<br />
Konsultationsverfahrens, an dem sich die Spitzenorganisationen<br />
der deutschen Wirtschaft mit einer konstruktiv-kritischen<br />
Stellungnahme beteiligt haben, wird die<br />
Kommission voraussichtlich im März 2008 einen Vorschlag<br />
für die Ausgestaltung dieses neuen Instruments<br />
vorlegen. Erst dann wird ersichtlich werden, inwieweit<br />
die zentralen Forderungen der Spitzenorganisationen<br />
aufgegriffen werden. Diese beziehen sich vor allem<br />
auf das Verhältnis des geplanten Leistungspunktesystems<br />
zu den bereits bestehenden europäischen Instrumenten,<br />
dem EQR und dem Leistungspunktesystem im<br />
Hochschulbereich (ECTS). Nach Ansicht der BDA sollten<br />
sich die verschiedenen Instrumente – die gemeinsame<br />
Ziele verfolgen – ergänzen und nicht gegenseitig<br />
behindern. ECVET wird nur dann einen Mehrwert haben,<br />
wenn es kompatibel zu ECTS gestaltet wird – damit<br />
die Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und<br />
Hochschule erleichtert – und als zusätzliches quantitatives<br />
Element eng in den EQR integriert wird.<br />
MINT-Strategie der Arbeitgeber<br />
zur Nachwuchssicherung<br />
Der Mangel an Fachkräften entwickelt sich immer<br />
mehr zu einer Wachstumsbremse in Deutschland. Insbesondere<br />
Ingenieure, aber auch IT-Fachkräfte und<br />
Naturwissenschaftler fehlen. Dieser MINT-Fachkräfteengpass<br />
ist nicht konjunkturell bedingt, sondern stellt<br />
ein strukturelles Problem dar.<br />
Der im September von der OECD veröffentlichte Bericht<br />
„Bildung auf einen Blick <strong>2007</strong>“ hat Deutschland<br />
vor Augen geführt, dass die Absolventenquoten in<br />
den Ingenieur- und Naturwissenschaften nicht mehr<br />
zur Bestandssicherung ausreichen und – schlimmer<br />
noch – die Tendenz nach unten weist. Das Problem<br />
des Fachkräftemangels insbesondere im MINT-Bereich<br />
wird klar als Hemmnis für Deutschlands Wirtschaftswachstum<br />
und Innovationsfähigkeit bewertet.<br />
Das Interesse von Frauen an MINT-Studiengängen darf nicht weiter absinken<br />
Rückläufige Zahl von Studienanfängerinnen im MINT-Bereich<br />
Informatik<br />
Maschinenbau/ Verfahrenstechnik<br />
Bauingenieurwesen<br />
Elektrotechnik<br />
8.000<br />
7.000<br />
6.000<br />
5.000<br />
4.000<br />
3.000<br />
2.000<br />
1.000<br />
0<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />
Quelle: VDI, <strong>2007</strong>
80 Bildung/Berufliche Bildung<br />
Unternehmensnahe Dienstleistungen und die Metall- und Elektroindustrie<br />
trifft der Ingenieurmangel besonders hart<br />
Ingenieure gesucht<br />
Unternehmensnahe Dienstleistungen<br />
14.957<br />
Metall- und Elektroindustrie, Fahrzeugbau<br />
12.488<br />
Maschinenbau<br />
7.926<br />
Datenverarbeitung und Datenbanken, Forschung und Entwicklung<br />
4.124<br />
Bauwirtschaft<br />
3.217<br />
sonstige Industrie<br />
2.378<br />
Logistik<br />
2.052<br />
Chemie und Kunststoffherstellung<br />
856<br />
Quelle: Ergebnisse einer Unternehmensbefragung im Jahr 2006 durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) (veröffentl. <strong>2007</strong>)<br />
Eine der wesentlichen Herausforderungen in der Hochschulpolitik<br />
liegt deshalb darin, den Anteil von Studierenden<br />
im MINT-Bereich in den nächsten Jahren zu<br />
erhöhen und dauerhaft auf einem hohen Niveau zu<br />
halten. Die Forderung der Wirtschaft, insbesondere<br />
auch die Ausbildung im MINT-Bereich an den Schulen<br />
stärker zu verankern, leitet sich aber nicht nur aus dem<br />
Fachkräftebedarf der Unternehmen und den damit einhergehenden<br />
Beschäftigungschancen für Absolventen<br />
der hochschulischen und beruflichen Bildung ab. Generell<br />
sollten Technik und Naturwissenschaften wieder<br />
stärker als bisher zum Bildungskanon der jungen Menschen<br />
zählen. Es geht nicht an, dass mehr als die Hälfte<br />
der Gymnasiasten in den letzten beiden Schuljahren<br />
keinen Physik- und Chemieunterricht mehr haben.<br />
Insbesondere der Anteil der Frauen an den MINT-Absolventen<br />
ist mit 27 % in Deutschland im Vergleich zu<br />
anderen Ländern sehr niedrig. In Frankreich, den USA,<br />
Großbritannien bzw. Schweden liegt die Quote dagegen<br />
bei rd. 35 %. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl<br />
der Studienanfängerinnen in den Ingenieurwissenschaften<br />
sogar wieder gesunken.<br />
In den Ingenieurberufen liegt der Frauenanteil in<br />
Deutschland bei nur 10 % und damit noch weitaus<br />
niedriger als bei den Absolventen der ingenieurwissenschaftlichen<br />
Studiengänge (22 % im Jahr 2006). Dieser<br />
geringe Anteil von Frauen bedeutet einen Verlust an<br />
Kompetenzen, Fähigkeiten und Innovationspotenzial,<br />
der aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht akzeptabel ist.<br />
BDA und BDI haben in der zweiten Hälfte des Jahres<br />
<strong>2007</strong> eine gemeinsame MINT-Strategie der Verbände<br />
und Unternehmen erarbeitet, die in den Jahren 2008<br />
bis 2013 mit zahlreichen Initiativen und Aktionen mit<br />
Leben gefüllt werden soll. Dabei sollen die vielfältigen<br />
und seit Jahren sehr erfolgreich arbeitenden regionalen<br />
und branchenbezogenen MINT-Initiativen stärker<br />
vernetzt und sichtbar gemacht werden. Damit wird<br />
eine kritische Masse erreicht, die den Forderungen der<br />
Wirtschaft an die Bildungspolitik großen Nachdruck<br />
verleiht.<br />
Exzellenzinitiative auch<br />
für die Lehre starten<br />
Mit der Exzellenzinitiative fördern Bund und Länder mit<br />
insgesamt 1,9 Mrd. € solche Universitäten, die in der<br />
Nachwuchsförderung, in der Forschung oder in der strategischen<br />
Gesamtentwicklung besonders herausragende<br />
Leistungen zeigen. Die Hochschulen brauchen aber<br />
auch dringend eine Exzellenzinitiative für die Lehre.
Bildung/Berufliche Bildung<br />
81<br />
Die Exzellenzinitiative hat erstmals einen Hauch von<br />
Wettbewerb und frischen Wind in die Hochschulen<br />
gebracht. Eine Spitzenhochschule zu sein, bedeutet<br />
jedoch, in der Lehre ebenso wie in der Forschung<br />
hervorragende Resultate zu erzielen. Folglich müssen<br />
Qualität und Zukunftsorientierung der Lehre eine herausragende<br />
Rolle an den Hochschulen spielen. Deshalb<br />
begrüßen BDA und BDI die gemeinsamen Überlegungen<br />
der KMK und des Stifterverbandes für die<br />
Deutsche Wissenschaft zu einer Exzellenzinitiative<br />
für die Lehre an den Hochschulen. Es ist der richtige<br />
Ansatz, Hochschulen zu prämieren, die hochschuldidaktische<br />
Zentren aufbauen, besonders in die Lehre<br />
investieren, flächendeckend Tutorien einrichten und<br />
den Betreuungsschlüssel verbessern. Aber auch für die<br />
Fachhochschulen muss es einen Exzellenzwettbewerb<br />
geben; in der Exzellenzinitiative sind sie nicht berücksichtigt<br />
worden.<br />
Qualitätssicherung in Lehre und<br />
Studium – von der Programm- zur<br />
Systemakkreditierung<br />
Die Bewertung der Exzellenz in der Lehre kann nur anhand<br />
eines umfassenden Qualitätsmanagements von<br />
Lehre und Studium vorgenommen werden. Aus diesem<br />
Grund unterstützt die Wirtschaft ausdrücklich den von<br />
der KMK beschlossenen Übergang von der Programmakkreditierung<br />
einzelner Studiengänge zur Systemakkreditierung<br />
des gesamten hochschulinternen Qualitätsmanagementsystems.<br />
Dabei sind zwei Punkte aus Sicht der<br />
Wirtschaft von großer Bedeutung: Zum einen müssen die<br />
Qualitätsmerkmale der Systemakkreditierung vom Akkreditierungsrat<br />
und nicht von den Akkreditierungsagenturen<br />
definiert werden, um Beliebigkeit und unzureichender<br />
Operationalisierbarkeit vorzubeugen. Zum anderen
82 Bildung/Berufliche Bildung<br />
sollten auch während der Dauer der erteilten Akkreditierung<br />
kontinuierliche Stichproben erfolgen, die eine Beratungsfunktion<br />
gegenüber der Hochschule erfüllen.<br />
Durch die Akkreditierung wird die Qualität von Studienprogrammen<br />
– insbesondere auch ihre Relevanz für die<br />
Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen – und die Qualität<br />
hochschulinterner Prozesse im Bereich Lehre und Studium<br />
sichergestellt und transparent gemacht. Dabei steht<br />
die Überprüfung der Prozesse, die die Sicherung und<br />
Steigerung von Qualität in Lehre und Studium umfassen,<br />
im Vordergrund. Mit großem Druck hat die Kultusministerkonferenz<br />
im Berichtszeitraum die Weiterentwicklung<br />
des Akkreditierungssystems vorangetrieben.<br />
Ziel der Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems<br />
muss es aus Sicht der Wirtschaft sein, seine Stärken beizubehalten<br />
und diese gleichzeitig so zu ergänzen, dass<br />
neben der Qualität der Programme auch die Qualität der<br />
hochschulinternen Prozesse im Bereich Lehre und Studium<br />
evaluiert wird und Anreize für die Hochschulen gesetzt<br />
werden, ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem<br />
aufzubauen. Die BDA beteiligt sich vor allem vor dem<br />
Hintergrund der Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit<br />
der Hochschulabsolventen aktiv am Diskussionsprozess.<br />
Bologna-Prozess – Beschäftigungsfähigkeit<br />
betonen<br />
Als federführendes Mitglied von BUSINESSEUROPE im<br />
Bologna-Prozess hat sich die BDA in den letzten Jahren<br />
stark engagiert. Bestimmend für den inzwischen 46 Staaten<br />
umfassenden Bologna-Prozess im Jahr <strong>2007</strong> war die<br />
Bologna-Nachfolgekonferenz im Mai in London. Das<br />
besondere Anliegen der europäischen Arbeitgeber, das<br />
Thema Employability stärker als bisher auf die Agenda<br />
des Bologna-Follow-up-Prozesses zu setzen, konnte<br />
durchgesetzt werden.<br />
Neben anderen konkreten Schritten wie der Verbesserung<br />
der Mobilität von Studierenden und Lehrenden<br />
oder der Einführung eines europäischen Qualitätsregisters<br />
haben die europäischen Bildungsminister in London<br />
die stärkere Sicherung von Beschäftigungsfähigkeit<br />
Die Umstellung auf die gestufte Studienstruktur muss zügiger Voranschreiten<br />
Entwicklung der Bachelor- und Master-Studienangebote<br />
Bachelor<br />
Anzahl Master<br />
in %<br />
4.500<br />
70<br />
4.000<br />
60<br />
3.500<br />
3.000<br />
50<br />
2.500<br />
40<br />
2.000<br />
30<br />
1.500<br />
20<br />
1.000<br />
500<br />
10<br />
0<br />
SoSe 2004<br />
WiSe 2004/2005 SoSe 2005 WiSe 2005/2006 SoSe 2006 WiSe 2006/<strong>2007</strong> SoSe <strong>2007</strong> WiSe <strong>2007</strong>/2008<br />
0<br />
Quelle: HRK, <strong>2007</strong>
Bildung/Berufliche Bildung<br />
83<br />
Forderungen von BMBF, BDA und BDI in ihrem gemeinsamen<br />
Memorandum:<br />
• Hochschulbildung und Arbeitsmarkt müssen<br />
durch die Integration berufsrelevanter Qualifikationen<br />
in das Studium enger miteinander verbunden<br />
werden.<br />
• Berufsberatungsstellen sollen als Bindeglied zwischen<br />
Hochschule und Beschäftigungssystem an<br />
den Hochschulen eingerichtet werden.<br />
• Die Hochschulen sollen bei der Qualitätsentwicklung<br />
der neuen Studiengänge und ihrer Ausrichtung<br />
auf die Beschäftigungsfähigkeit unterstützt<br />
werden.<br />
• Die Hochschulen sollen bei der Entwicklung und<br />
beim Ausbau der wissenschaftlichen Weiterbildung<br />
gestärkt werden und dabei enger mit Unternehmen<br />
kooperieren.<br />
• Die Hochschulen müssen finanzielle Anreize für<br />
ein stärkeres Engagement in Lehre und Weiterbildung<br />
erhalten.<br />
• Der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden<br />
muss beim Bologna-Prozess eine noch<br />
höhere Bedeutung eingeräumt werden.<br />
in der Neu- bzw. Weiterentwicklung von Studiengängen<br />
im Kommuniqué verankert. In der entsprechenden<br />
Employability-Arbeitsgruppe, die den Ministern bis zur<br />
Nachfolgekonferenz im April 2009 Bericht erstattet,<br />
wird die BDA engagiert mitarbeiten.<br />
In Deutschland schreitet die Umstellung auf die gestufte<br />
Studienstruktur weiter voran, jedoch nicht so zügig, wie<br />
dies zu wünschen wäre. Mit Beginn des Wintersemesters<br />
<strong>2007</strong>/2008 waren 61 % der Studiengänge auf die Bachelor-/Master-Struktur<br />
umgestellt. Dabei ist hervorzuheben,<br />
dass die Umstellung an den Fachhochschulen wesentlich<br />
schneller erfolgt als an den Universitäten (86 % bzw.<br />
55 % im Wintersemester <strong>2007</strong>/2008).<br />
Die BDA hat zum Thema Hochschule den kompakt<br />
„Hochschulpolitik“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
Arbeitsmarktkompetenzen<br />
der Studierenden stärken<br />
BMBF, BDA und BDI haben mit der gemeinsamen Tagung<br />
„Fit für den Job?! – Arbeitsmarktkompetenzen der<br />
Studierenden stärken“ im Juli <strong>2007</strong> das Thema „Beschäftigungsfähigkeit<br />
der Studierenden“ auf die nationale<br />
Agenda gesetzt.<br />
Die Veranstalter unterstrichen, dass Beschäftigungsfähigkeit<br />
als Bildungsziel neben einer praxisnahen, fachlichen<br />
Ausbildung auch den Erwerb überfachlicher Kompetenzen,<br />
wie Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft,<br />
das Arbeiten im Team und die Beherrschung von<br />
Präsentationstechniken, impliziert. Neben einer guten<br />
Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ist aber auch die bereits<br />
an der Hochschule zu vermittelnde Fähigkeit und<br />
Motivation zur kontinuierlichen und selbst verantworteten<br />
beruflichen Weiterbildung Voraussetzung dafür,<br />
dass die sich rasch wandelnden Anforderungen der Arbeitswelt<br />
kompetent bewältigt werden. Lebenslanges Lernen<br />
erfordert von jedem Einzelnen, das eigene Kompetenzprofil<br />
permanent weiterzuentwickeln.<br />
Mit einem gemeinsamen Memorandum richteten die<br />
Veranstalter insbesondere klare Forderungen an die<br />
Hochschulen, um in der Hochschulausbildung die<br />
Förderung der Arbeitsmarktkompetenzen der Studierenden<br />
zügig umzusetzen. Mit der Veranstaltung wurde<br />
ein Zeichen gesetzt für die unabdingbare intensive<br />
Kooperation von Hochschulen und Wirtschaft sowie<br />
von Bund und Ländern. Denn nur in gemeinsamer Anstrengung<br />
wird es gelingen, die akademische Aus- und
84 Bildung/Berufliche Bildung<br />
Fortbildung so weiterzuentwickeln, dass sie tatsächlich<br />
„fit für den Job“ machen. Die Ergebnisse wurden<br />
in einer Tagungsdokumentation zusammengefasst und<br />
stehen unter www.bda-online.de allen Interessierten<br />
zur Verfügung.<br />
Perspektiven von Geisteswissenschaftlern<br />
am Arbeitsmarkt<br />
Mit der Veranstaltung „Geistreich im Beruf: Perspektiven<br />
von Geisteswissenschaftlern am Arbeitsmarkt“<br />
haben BDA, HRK und der Stifterverband für die Deutsche<br />
Wissenschaft ihre Veranstaltungsreihe „Bildungsmarkt<br />
und Arbeitsmarkt im Dialog“ im sechsten Jahr<br />
fortgesetzt und an die Ziele des Jahres der Geisteswissenschaften,<br />
nämlich die Stärkung der Geisteswissenschaften,<br />
angeknüpft.<br />
Im Rahmen der Tagung wurde deutlich, dass viele Geisteswissenschaftler<br />
mit erstaunlicher Anpassungsfähigkeit<br />
eine Vielfalt von Jobs in der Wirtschaft erfolgreich<br />
anstreben und viele Personalverantwortliche passgenau<br />
Geisteswissenschaftler in die unterschiedlichen Arbeitszusammenhänge<br />
der Unternehmen einbinden. Wichtig<br />
ist, dass die Hochschulen ihre geisteswissenschaftlichen<br />
Studiengänge so gestalten, dass den Geisteswissenschaftlern<br />
– neben einer fundierten wissenschaftlichen<br />
Ausbildung – durch eine bessere Arbeitsmarktorientierung<br />
der Berufseinstieg erleichtert wird. Das große Interesse<br />
insbesondere der Hochschulen an der Veranstaltung<br />
hat bestätigt, dass die Bedeutung einer verbesserten<br />
Beschäftigungsfähigkeit dieser Absolventengruppen im<br />
Bewusstsein vieler Hochschullehrer angekommen ist.<br />
Zugleich wurde der Handlungsdruck auf die Hochschulen<br />
erhöht, die notwendigen Schritte für eine an den Erfordernissen<br />
des Arbeitsmarktes orientierte Ausbildung<br />
von Geisteswissenschaftlern zügig umzusetzen.<br />
Foto: Thomas Köhler, www.photothek.net
Bildung/Berufliche Bildung<br />
85<br />
Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung <strong>2007</strong><br />
„Entrepreneurship“ als Bildungsaufgabe: unternehmerisches Denken und Handeln stärken<br />
Unternehmerisches Denken und Handeln ist unverzichtbar für den wirtschaftlichen Erfolg im globalen Wettbewerb.<br />
Die deutsche Wirtschaft braucht Fach- und Führungskräfte, die ihre Stärken in den Arbeitsprozess einbringen und<br />
den Wettbewerb durch die Umsetzung neuer Ideen beleben. Unternehmerisches Potenzial muss deshalb so früh wie<br />
möglich gefördert werden. Junge Menschen sollen lernen, wie aus Ideen neue Angebote und aus Initiativen neue Unternehmen<br />
werden. Sie brauchen unternehmerische Kompetenzen, die in allen Bildungsstufen zu entwickeln sind.<br />
Ausgezeichnet wurden in den Kategorien Schule, Hochschule, Berufsschule und Betrieb solche Bildungskonzepte, die<br />
die nachhaltige Entwicklung ökonomischer Kenntnisse und unternehmerischer Persönlichkeitsmerkmale der Schüler,<br />
Studierenden bzw. Auszubildenden zum Ziel haben. In diesem Jahr wurde erneut ein Sonderpreis für vorschulische<br />
Einrichtungen vergeben. Die Preisträger zeichnet aus, dass ihre Konzepte auf andere Einrichtungen übertragen werden<br />
können.<br />
Mit Unterstützung der Deutsche Bahn AG erhielt jede ausgezeichnete Initiative ein Preisgeld von 10.000 €.<br />
Die Preisverleihung fand im Rahmen des Deutschen Arbeitgebertages am 11. Dezember <strong>2007</strong> statt.<br />
Preisträger sind<br />
in der Kategorie Schule<br />
das Käthe-Kollwitz-Gymnasium, Halberstadt<br />
www.kaeko-halberstadt.de<br />
in der Kategorie Hochschule<br />
die Technische Universität München<br />
http://portal.mytum.de/welcome<br />
in der Kategorie Berufsschule<br />
das Joseph-DuMont-Berufskolleg Köln<br />
www.jdbk.de<br />
in der Kategorie Betrieb<br />
die PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG, Blomberg<br />
www.phoenixcontact.de<br />
beim Sonderpreis für vorschulische Einrichtungen<br />
das Kindertagesheim St. Johannes Arsten, Bremen<br />
Weitere Informationen zum Arbeitgeberpreis für Bildung unter www.bda-online.de.
87<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
88 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
Europa findet den Weg aus der<br />
Vertrauenskrise<br />
Rückblick auf EU-Ratspräsidentschaft<br />
überwiegend positiv …<br />
Das Jahr <strong>2007</strong> war für Europa ein wichtiges Jahr. Nach<br />
dem am Ratifizierungsprozess gescheiterten Verfassungsvertrag<br />
gelang es der deutschen Präsidentschaft,<br />
die Weichenstellungen für die vertragliche Neuordnung<br />
der EU vorzunehmen. Auf der Grundlage der Beschlüsse<br />
des EU-Gipfels im Juni <strong>2007</strong> wurde am 19. Oktober<br />
die politische Einigung aller Mitgliedstaaten über den<br />
EU-Reformvertrag erzielt und der Weg für die Unterzeichnung<br />
des „Vertrags von Lissabon“ im Dezember<br />
<strong>2007</strong> bereitet. Dieser Reformvertrag war überfällig,<br />
denn die auf 27 Mitgliedstaaten erweiterte Union ist nur<br />
dann handlungsfähig, wenn sie eine klare Kompetenzordnung<br />
gemäß dem Subsidiaritätsprinzip erhält und<br />
wenn ihre Institutionen und Entscheidungsregeln reformiert<br />
werden. Nur eine entscheidungsfähige EU kann<br />
die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft<br />
unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbs sichern<br />
und verbessern.<br />
Wichtige Elemente dieses Reformvertrages sind:<br />
• die Einführung der doppelten Mehrheit (Beschluss gilt<br />
als angenommen, wenn 55 % der Mitgliedstaaten zu-<br />
stimmen und diese mindestens 65 % der EU-Bevölkerung<br />
repräsentieren)<br />
• die Reform der Institutionen mit den drei neuen Spitzenämtern<br />
Kommissionspräsident, Hoher Vertreter der<br />
Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Präsident<br />
des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs<br />
und einem stärkeren Europäischen Parlament<br />
• das „Kompetenzkapitel“, in dem zwischen ausschließlichen<br />
und geteilten Kompetenzen differenziert wird,<br />
sowie Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungsmaßnahmen<br />
festgelegt werden<br />
• die Subsidiaritätskontrolle, mit der geregelt wird, dass<br />
nationale Parlamente ein Klagerecht gegen Vorschläge<br />
der Kommission haben, wenn sie das Subsidiaritätsprinzip<br />
verletzt sehen<br />
Der EU-Reformvertrag übernimmt damit wesentliche<br />
Inhalte des EU-Verfassungsvertrages von 2004. Doch<br />
wie seinerzeit beim EU-Verfassungsvertrag ist das letzte<br />
Wort noch nicht gesprochen. Nach seiner Unterzeichnung<br />
am 13. Dezember <strong>2007</strong> muss der Reformvertrag<br />
in allen 27 Mitgliedstaaten – je nach nationaler Regelung<br />
– per Parlamentsbeschluss oder Referendum ratifiziert<br />
werden, damit er am 1. Januar 2009 rechtzeitig<br />
vor der Erneuerung von Kommission und Europäischem<br />
Parlament in Kraft treten kann.<br />
Die Vorbereitungen für die politische Einigung hat<br />
die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halb-
Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
89<br />
Hohe Anzahl der jährlich verabschiedeten Richtlinien und Verordnungen belastet<br />
die Wirtschaft übermässig<br />
Richtlinien<br />
Verordnungen<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
3.500<br />
3.000<br />
2.500<br />
2.000<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
1.500<br />
1.000<br />
500<br />
0<br />
0<br />
1968 1978 1998 2003 1968 1978 1998 2003<br />
Quelle: Tim Ambler, Keith Boyfield, Route Map to Reform, Adam Smith Institute, 2005<br />
jahr <strong>2007</strong> getroffen. Unter der zielstrebigen Führung<br />
von Bundeskanzlerin Merkel ist es gelungen, bei den<br />
entscheidenden Fragen Kompromisse zu erzielen und<br />
27 EU-Mitgliedstaaten auf einen einheitlichen Kurs des<br />
politisch Machbaren zu bringen.<br />
Ebenfalls wurde unter deutscher Präsidentschaft der Beschluss<br />
gefasst, die Verwaltungsbelastung durch EU-Gesetzgebung<br />
um 25 % bis zum Jahr 2012 zu reduzieren.<br />
BUSINESSEUROPE und die BDA übten beharrlichen<br />
Druck aus, um „Better Regulation“ stärker voranzutreiben.<br />
Entscheidend dabei waren die quantitativen Messlatten,<br />
an denen sich nicht so leicht mit Worten herummogeln<br />
lässt.<br />
Besonders positiv ist die Initiative des Bundesministeriums<br />
für Arbeit und Soziales, das eine Pilotevaluierung<br />
der Bildschirmrichtlinie unternommen hat. Am Beispiel<br />
der Bildschirmrichtlinie wurden Erkenntnisse für<br />
das systematische Vorgehen bei der Evaluierung von<br />
Arbeitsschutzrichtlinien durch die Befragung von Unternehmen<br />
und Arbeitnehmern in verschiedenen EU-<br />
Mitgliedstaaten gewonnen. Die Ergebnisse sollte die<br />
Kommission jetzt nutzen, um erstens die Bildschirm-<br />
richtlinie zügig zu revidieren und zweitens die Ergebnisse<br />
dieses guten Pilotprojektes auch für die Revision<br />
weiterer Arbeitsschutzrichtlinien zu nutzen.<br />
Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Bessere<br />
Rechtsetzung“ und den kompakt „EU-Reformvertrag<br />
– neue Grundlage für die erweiterte Union“ veröffentlicht.<br />
Sie sind über www.bda-online.de abrufbar.<br />
Die BDA hat sich gemeinsam mit dem BDI durch zahlreiche<br />
Aktivitäten an der deutschen Ratspräsidentschaft<br />
beteiligt. BDA und BDI haben in Form von zwei gemeinsamen<br />
Memoranden sowie in höchstrangig besetzten<br />
Veranstaltungen in Brüssel und Berlin konkrete Handlungsprioritäten<br />
und Wege aufgezeigt, wie aus Sicht der<br />
deutschen Wirtschaft das Vertrauen der Bürger zu Europa<br />
zurückgewonnen und die Lissabon-Ziele in Hinblick<br />
auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungspolitik<br />
verwirklicht werden können. In einer abschließenden<br />
gemeinsamen Bilanz der EU-Ratspräsidentschaft<br />
mit der bewussten Orientierung „Europas Stärken<br />
ausbauen“ haben BDA und BDI ihre Bewertungen zum<br />
Sachstand der einzelnen Themen und Dossiers sowie<br />
ihre Forderungen für die Zukunft präsentiert.
90 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
BDA/BDI-Aktivitäten während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft<br />
28. November 2006<br />
4. Dezember 2006<br />
22. Januar <strong>2007</strong><br />
30. Januar <strong>2007</strong><br />
25. März <strong>2007</strong><br />
14. – 15. Juni <strong>2007</strong><br />
25. – 26. Juni <strong>2007</strong><br />
Pressekonferenz mit Arbeitgeberpräsident Hundt und BDI-Präsident Thumann zur<br />
Präsentation des Gemeinsamen Memorandums von BDA und BDI zur deutschen<br />
Ratspräsidentschaft in Berlin<br />
Treffen des UNICE- (seit 23. Januar <strong>2007</strong> BUSINESSEUROPE) Präsidenten Seillière gemeinsam<br />
mit Arbeitgeberpräsident Hundt und BDI-Präsident Thumann mit Bundeskanzlerin Merkel<br />
in Berlin, um Anliegen der europäischen Wirtschaft vorzutragen<br />
Gemeinsame festliche Veranstaltung von BDA und BDI in Brüssel unter dem Motto „Europa<br />
zukunftsfähig machen“<br />
Europatag der deutschen Wirtschaft in Berlin unter dem Motto „Europa <strong>2007</strong> – neue Anstöße,<br />
neue Perspektiven“<br />
Mitwirkung am Bürgerfest der Bundesregierung zum 50. Jubiläum der Römischen Verträge<br />
in Berlin<br />
Ausrichtung des BUSINESSEUROPE-Rates der Präsidenten in Berlin durch BDA und BDI<br />
BDI/BDA/vbw/Confindustria-Konferenz „Der Wirtschaftsraum Zentraleuropa: Motor für<br />
Wachstum und Beschäftigung im erweiterten Europa“ in München<br />
Den Abschluss der besonderen Veranstaltungen, die<br />
BDA und BDI während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft<br />
durchgeführt haben, bildete der Rat der Präsidenten<br />
des europäischen Arbeitgeber- und Industrieverbands<br />
BUSINESSEUROPE (früher: UNICE) am 14. und<br />
15. Juni <strong>2007</strong> in Berlin mit Bundespräsident Köhler,<br />
Bundestagspräsident Lammert und Bundeskanzlerin<br />
Merkel als Gesprächspartnern.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Deutsche<br />
EU-Ratspräsidentschaft: sozialpolitische Bilanz“ veröffentlicht.<br />
Er ist über www.bda-online.de abrufbar.<br />
… aber in der Sozialpolitik ernüchternd<br />
Das Engagement der deutschen Präsidentschaft für die<br />
„Better-Regulation“-Initiative hat leider keinen Eingang<br />
in ihre Aktivitäten zur europäischen Sozialpolitik gefunden.<br />
Die sozialpolitische Agenda der Bundesregierung<br />
während der EU-Präsidentschaft zeigt im Gegenteil<br />
deutlich, wie die europäische Bühne immer wieder<br />
instrumentalisiert wird, um nationale Themen, die politisch<br />
auf der nationalen Ebene besonders umstritten<br />
und nicht einfach durchzusetzen sind, voranzutreiben.<br />
„Gute Arbeit“ – so lautete die positive Semantik zum<br />
Heisser Herbst: Vielzahl sozialpolitischer EU-Initiativen<br />
• Richtlinie über Europäische Betriebsräte: Maßgeschneiderte<br />
Lösungen der Unternehmen würden<br />
zerschlagen<br />
• Vorschläge zur Wirtschaftsmigration: gute Absicht,<br />
aber mit Fallstricken im Einzelnen<br />
• Antidiskriminierung: Nationale Übererfüllung schafft<br />
„Perpetuum mobile“ immer neuer Regulierungen<br />
• Betriebliche Altersvorsorge: Mehrkosten und zusätzliche<br />
Bürokratie<br />
• Richtlinie zum Betriebsübergang: Bestehende<br />
Regelungen reichen aus<br />
• Transnationale Kollektivvereinbarungen: Mehrwertversprechen<br />
nicht zu Ende gedacht
Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
91<br />
EU-Ratspräsidentschaftsprogramm des Bundesministeriums<br />
für Arbeit und Soziales. Was sich aber hinter<br />
dieser leuchtenden Fassade verbirgt, sind höchst problematische<br />
Inhalte: Neue Einschränkungen bei der<br />
Zeitarbeit und Mindestlöhne in immer mehr Branchen<br />
sind z. B. Vorhaben mit negativen Auswirkungen auf<br />
Wachstum und Beschäftigung. In Wirklichkeit entfernt<br />
sich die Politik von den von ihr selbst gesteckten Zielen<br />
im Rahmen der Lissabon-Strategie.<br />
Auch europäisch werden zahlreiche Einzelinitiativen<br />
unternommen – hier wird an vielen einzelnen Stellschrauben<br />
gedreht, so dass der Eindruck entsteht, die<br />
gesamte europäische Sozialpolitik solle nach und<br />
nach neu justiert werden, immer weiter weg von den<br />
richtigen Lissabon-Zielen, hin zu neuer und mehr<br />
Regulierung.<br />
Europas Bürger haben Zusammenhang<br />
zwischen rigidem Arbeitsrecht und<br />
Beschäftigungswachstum erkannt<br />
Arbeitsverträge sollten flexibler werden, um die Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen zu erleichtern<br />
Keine Meinung<br />
Stimme nicht zu<br />
Stimme zu<br />
7 %<br />
21 %<br />
72 %<br />
0 % 20 % 40 % 60 % 80 %<br />
Flexicurity: Leitprinzip für eine<br />
zukunftsfähige europäische<br />
Sozialpolitik<br />
Die Wirtschaft setzt in der europäischen Sozialpolitik auf<br />
das Konzept der Flexicurity. Flexicurity bringt das Ziel<br />
der Sicherheit für Arbeitnehmerschaft und Unternehmen<br />
ins richtige Verhältnis zur Flexibilität, d. h. der schnellen<br />
und effektiven Anpassungsfähigkeit an sich ändernde<br />
Markterfordernisse. Zu Recht hatte Vizekanzler Müntefering<br />
beim Sozialpartnergipfel in Lahti erklärt, dass unter<br />
den Bedingungen der Globalisierung Sicherheit niemals<br />
ohne Wandel und Anpassung erreicht werden kann.<br />
Flexicurity basiert konzeptionell auf vier Pfeilern:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
einem transparenten und flexiblen Arbeitsrecht<br />
einer effizienten und effektiven Arbeitsmarktpolitik<br />
nachhaltig finanzierbaren sozialen Sicherungssystemen<br />
modernen Weiterbildungsformen und lebenslangem<br />
Lernen<br />
Bereits vor der Veröffentlichung der entsprechenden<br />
Kommissionsmitteilung hat die BDA im Frühjahr<br />
<strong>2007</strong>, zusammen mit den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden<br />
aus den beiden auf Deutschland<br />
folgenden EU-Präsidentschaftsländern Portugal und<br />
Slowenien sowie aus Dänemark, dem „Mutterland“<br />
von Flexicurity, die Idee von Flexicurity konzeptio-<br />
Quelle: Eurobarometer 2006<br />
nell ausgefüllt. Das Ergebnis „Europas Arbeitsmärkte<br />
modernisieren: Flexicurity – mehr Sicherheit durch<br />
größere Beschäftigungschancen“ ist eine Arbeitgebervision,<br />
wie Flexicurity ein zukunftsfähiger Politikansatz<br />
werden kann.<br />
Der Kerngedanke ist, dass mehr Sicherheit nur auf der<br />
Grundlage umfassender Flexibilität entstehen kann. Es<br />
geht bei Flexicurity darum, die Chancen der Menschen<br />
zu verbessern, bei Wegfall ihres Arbeitsplatzes möglichst<br />
nahtlos wieder in neue Beschäftigung zu kommen.<br />
Diese Beschäftigung kann in einem anderen Unternehmen<br />
sein (Außenflexibilität) oder auch durch Beweglichkeit<br />
im bestehenden Arbeitsverhältnis im bisherigen<br />
Unternehmen (Binnenflexibilität). Der Bericht der EU-<br />
Kommission „Beschäftigung in Europa 2006“ zitiert<br />
Umfragen, die zeigen, dass Länder mit den rigidesten<br />
Kündigungsschutzbestimmungen eine überproportional<br />
hohe Langzeitarbeitslosigkeit verzeichnen und die Arbeitnehmer<br />
dort auch die größte Angst vor Arbeitslosigkeit<br />
haben. Diese Angst ist durchaus berechtigt, denn die<br />
Schwelle für Neueinstellungen liegt in diesen Ländern<br />
viel höher als in anderen Ländern, wo Unternehmen<br />
sich bei Neueinstellungen stärker nach ihrem aktuellen<br />
Bedarf richten können, weil sie Beschäftigungsverhältnisse<br />
auch problemloser beenden können.
92 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
Flexicurity Mainstreaming<br />
Welche Rolle kann die Europäische Union bei der<br />
Förderung von Flexicurity spielen? Vor allem darf<br />
die Kommission das von ihr selbst aktiv betriebene<br />
Flexicurity-Konzept nicht durch andere Einzelinitiativen<br />
konterkarieren. Sie muss dafür sorgen, dass Flexicurity<br />
als Grundprinzip Eingang in alle Politikbereiche findet.<br />
Dieses „Mainstreaming“ ist auf europäischer Ebene<br />
durchaus erfolgreich: Ist der politische Wille da, wird ein<br />
Querschnittsprinzip breit verankert. Beim sog. Gender<br />
Mainstreaming wurde dies erfolgreich unter Beweis<br />
gestellt – unabhängig von dort fragwürdigen Folgewirkungen.<br />
Inzwischen findet sich Gender Mainstreaming<br />
in praktisch jeder Kommissionsinitiative.<br />
Das wäre auch für Flexicurity zu wünschen: Die<br />
BDA fordert von der europäischen Kommission ein<br />
„Flexicurity Mainstreaming“ – damit dieses wesentliche<br />
Element für eine umfassende Reformstrategie zur<br />
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Eingang in alle<br />
sozialpolitischen Initiativen findet.<br />
Flexicurity im Europäischen<br />
Sozialen Dialog<br />
Es ist gelungen, das Flexicurity-Konzept im europäischen<br />
Sozialen Dialog zu verankern und damit auf<br />
die Arbeit der BDA und ihrer Schwesterverbände aus<br />
Dänemark, Portugal und Slowenien aufzubauen. Der<br />
Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hat gemeinsam<br />
mit BUSINESSEUROPE, UEAPME und CEEP den „Joint<br />
Analysis Report on the Key Challenges Facing Europe’s<br />
Labour Markets” vorgelegt. Die BDA war an den Verhandlungen<br />
intensiv beteiligt.<br />
In dieser Analyse über die Herausforderungen der Arbeitsmärkte<br />
in Europa ist über zukunftweisende Kernaussagen<br />
mit den Gewerkschaften Einigkeit erzielt<br />
worden, sowohl in Hinblick auf die Analyse der wichtigsten<br />
Herausforderungen der Arbeitsmärkte in Europa<br />
als auch bei den Empfehlungen an die Adresse der<br />
Mitgliedstaaten und europäischen Institutionen. Im Ergebnis<br />
bescheinigen Arbeitgeber und Gewerkschaften<br />
gemeinsam dem Flexicurity-Konzept besondere Zukunftsfähigkeit,<br />
um die anstehenden Herausforderungen<br />
zu meistern.<br />
„The increasing pressure on workers and employers<br />
from globalisation and other economic and social<br />
changes requires that labour law responds to these new<br />
challenges. The priority is to review, and if necessary,<br />
adjust the role that job protection measures play in promoting<br />
productive and rewarding transitions into new<br />
or existing jobs.” [Übersetzt: Der steigende Druck auf<br />
Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die Globalisierung<br />
und andere wirtschaftliche und soziale Veränderungen<br />
verlangt, dass das Arbeitsrecht auf diese neuen<br />
Herausforderungen antwortet. Vorrang muss es haben<br />
zu prüfen, welche Rolle Bestimmungen zum Schutz des<br />
einzelnen Arbeitsverhältnisses bei erfolgreichen und<br />
sich lohnenden Übergängen in neue und bestehende<br />
Arbeitsplätze spielen, und diese ggf. anzupassen.]<br />
Damit erklären die europäischen Sozialpartner ihr gemeinsames<br />
Verständnis darüber, dass angesichts der<br />
globalen Herausforderungen das Arbeitsrecht unter<br />
die Lupe genommen und ggf. angepasst werden muss.<br />
Die Anerkennung durch den EGB, dass gut gemeinte<br />
Regeln zum Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses<br />
sich kontraproduktiv auswirken können, ist von nicht<br />
zu unterschätzender Bedeutung. Vielfach weisen ja<br />
gerade Gewerkschaften einen Zusammenhang zwischen<br />
Arbeitsrecht und Beschäftigungswachstum brüsk<br />
zurück.<br />
Im Mobilitätskapitel stellen beide Sozialpartner fest: „Geographical<br />
and occupational mobility has also a significant<br />
impact on the growth and employment levels. In recent<br />
years, Member States with the highest overall levels<br />
of mobility have also registered strong economic growth<br />
and low – or significantly reduced – unemployment rates.<br />
This points to a relationship between mobility levels<br />
and strong economic and labour market performance.”<br />
[Übersetzt: Die geografische und berufliche Mobilität hat<br />
großen Einfluss auf Wachstum und Beschäftigung. In den<br />
letzten Jahren verzeichneten die Mitgliedstaaten mit den<br />
höchsten allgemeinen Mobilitätsniveaus auch ein starkes<br />
Wirtschaftswachstum und geringe Arbeitslosenquoten<br />
bzw. konnten diese erheblich reduzieren. Dies weist auf<br />
einen Zusammenhang zwischen Mobilität und einem<br />
starken Wirtschaftswachstum sowie einer positiven Arbeitsmarktentwicklung<br />
hin.]
Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
93<br />
Jetzt gilt es, diesen richtigen gemeinsamen Einsichten<br />
im Hinblick auf die verschiedenen Dimensionen von<br />
Mobilität auch Taten in der konkreten Politik folgen<br />
zu lassen. Jedenfalls sind die gemeinsamen Positionen<br />
Ausgangspunkt, um mehr Flexibilität einzufordern,<br />
und Anker gegen neue kontraproduktive, weil mobilitätsfeindliche<br />
Regulierungen.<br />
Auch die Bedeutung der richtigen Rahmenbedingungen<br />
(„a favourable business environment“), damit ein Flexicurity-Ansatz<br />
überhaupt fruchten kann, wird in der gemeinsamen<br />
Analyse explizit angesprochen: „Important preconditions<br />
for flexicurity to work are sound macroeconomic<br />
policies and a favourable business environment realising<br />
and supporting the full growth potential and ensuring the<br />
necessary financial basis for public services and labour<br />
market policies.” [Übersetzt: Wichtige Voraussetzungen<br />
für das Funktionieren von Flexicurity sind eine solide makroökonomische<br />
Politik und ein wirtschaftsfreundliches<br />
Umfeld, welche die volle Ausschöpfung des gesamten<br />
Wachstumspotenzials unterstützen und die notwendige<br />
Finanzbasis für die Leistungen der öffentlichen Hand und<br />
für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sichern.]<br />
Auf der formalen Ebene war es das Ziel dieser Analyse,<br />
die Prioritäten für einen „Framework of Actions“ zu Beschäftigung<br />
zu definieren und damit den Sozialpartnern<br />
in den Mitgliedstaaten eine Grundlage für gemeinsame<br />
Aktivitäten im Sinne einer zukunftsfähigen Beschäftigungspolitik<br />
zu geben. Nun ist für die BDA hier aber<br />
auch ein wichtiges politisches Instrument entstanden,<br />
das auf einem breiten europäischen Sozialpartnerkonsens<br />
fußt. Da auch der DGB der gemeinsamen Analyse<br />
zugestimmt hat, gilt es nun, die richtigen Erkenntnisse<br />
auch in der nationalen Politik zu nutzen.<br />
Kommissionsmitteilung zu<br />
Flexicurity: Die Richtung stimmt …<br />
Die Kommission setzt gleichfalls auf Flexicurity und zielt<br />
damit in die richtige Richtung: „Gemeinsame Grundsätze<br />
für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: mehr und<br />
bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit“<br />
lautet der Titel der Mitteilung vom Juni <strong>2007</strong>.<br />
In der Flexicurity-Mitteilung der Europäischen Kommission<br />
wurden acht Grundprinzipien entwickelt, die<br />
mit Bedacht weit gefasst sind und genügend Spielräume<br />
für die Ausgestaltung auf nationaler Ebene lassen,<br />
nach dem Motto „No one-size-fits-all“. Richtigerweise
94 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
unterstreicht die Kommission die interne und externe<br />
Dimension von Flexicurity: die Beweglichkeit soll innerhalb<br />
eines Unternehmens und auch zwischen den<br />
Unternehmen gefördert werden. Der Vorschlag, die<br />
Flexicurity-Prinzipien in die Lissabon-Strategie zu integrieren,<br />
ist hilfreich, denn damit werden jetzt auch<br />
die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen, ihre nationale<br />
Politik entsprechend auszurichten und dieses<br />
wesentliche Reformelement in ihre Reformstrategien<br />
zu integrieren.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Flexicurity“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de<br />
abrufbar.<br />
… auf Folgemassnahmen aus<br />
Grünbuch wird verzichtet …<br />
Das Verhalten der Kommission ist allerdings noch<br />
lange nicht in sich stimmig und wirkt bisweilen konfus.<br />
Von Flexicurity Mainstreaming jedenfalls ist Europa<br />
noch weit entfernt. Immer wieder gibt es Beispiele<br />
widersprüchlicher Politik, wofür beispielhaft<br />
das Grünbuch Arbeitsrecht steht, das die Kommission<br />
Ende November 2006 vorgelegt hat: Hier wurden z. B.<br />
befristete, Teilzeit- und Zeitarbeitsverhältnisse pauschal<br />
als „Nichtstandard-Arbeitsverhältnisse“ verurteilt,<br />
eine europäische Arbeitnehmerdefinition gefordert<br />
und eine allgemeine Generalunternehmerhaftung für<br />
arbeitsrechtliche Verstöße der Subunternehmer angeregt.<br />
Mit anderen Worten: Das Grünbuch legte an<br />
vielen Stellen neue, flexibilitätsfeindliche Regulierung<br />
nahe.<br />
Nachdem die mit der Vorlage des Grünbuchs initiierte<br />
Konsultation abgeschlossen ist, hat die Kommission nun<br />
überraschend erklärt, sie wolle von weiteren Regulierungsinitiativen<br />
in Zusammenhang mit dem Grünbuch<br />
Arbeitsrecht vorerst Abstand nehmen. Das lässt hoffen<br />
und wäre ohne den beharrlichen Einsatz der Arbeitgeber<br />
auf europäischer Ebene nicht denkbar gewesen. Angesichts<br />
eines Regulierungsgeflechts von 27 sehr unterschiedlichen<br />
Arbeitsrechtsordnungen innerhalb der EU<br />
und über 100 weiteren verbindlichen arbeitsrechtlichen<br />
Regulierungen auf europäischer Ebene ist dies eine richtige<br />
und konsequente Entscheidung.<br />
… dies darf nicht ohne<br />
Konsequenzen für die restliche<br />
europäische Sozialpolitik bleiben<br />
Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher,<br />
dass die Europäische Kommission mit etlichen weiteren<br />
Einzelinitiativen – vor allem im zweiten Halbjahr<br />
<strong>2007</strong> – das von ihr selbst stark unterstützte Flexicurity-<br />
Konzept konterkariert:<br />
Europäische Betriebsräte (EBR) – Neue<br />
Rechtsregeln würden massgeschneiderte<br />
Lösungen zerschlagen<br />
Entgegen ihren bisherigen Bekundungen hat die EU-Kommission<br />
bekannt gegeben, erneut die zweite Phase der<br />
Sozialpartnerkonsultation hinsichtlich einer Revision der<br />
EBR-Richtlinie einzuleiten. Damit würde die Kommission<br />
völlig ohne Not an die Änderung einer Richtlinie gehen,<br />
die sich in der Praxis nachgewiesenermaßen bewährt hat.<br />
Weit über 800 Unternehmen haben auf der Grundlage<br />
der Richtlinie maßgeschneiderte Vereinbarungen zur<br />
grenzüberschreitenden Information und Konsultation abgeschlossen<br />
und setzen sie erfolgreich um.<br />
Bereits im April 2004 hatte die Europäische Kommission<br />
eine erste Sozialpartnerkonsultation zu diesem<br />
Thema eingeleitet. BUSINESSEUROPE hatte daraufhin<br />
gemeinsam mit dem EGB einen Bericht erarbeitet („Lessons<br />
Learned on European Works Councils“). Aus dem<br />
Bericht wurden keinerlei Probleme ersichtlich, die eine<br />
Revision der vorhandenen EBR-Richtlinie rechtfertigen<br />
könnten. Vielmehr wurde gemeinsam von den Sozialpartnern<br />
festgestellt, dass ein gutes Funktionieren eines<br />
EBR ein interkultureller Lernprozess über Jahre ist, der<br />
durch die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten noch komplexer<br />
geworden ist. Auch bei der zweiten Konsultation<br />
im Jahr 2005 hat BUSINESSEUROPE einen Bericht mit<br />
Good-Practice-Beispielen präsentiert. Des Weiteren<br />
vereinbarten die Sozialpartner in ihrem Arbeitsprogramm<br />
des Sozialen Dialogs 2006–2008, das Thema<br />
„Europäische Betriebsräte“ explizit zu behandeln. Eine<br />
Richtlinienrevision würde diesen Prozess, der mit den<br />
betrieblichen Vereinbarungen in Gang gesetzt wurde,<br />
empfindlich stören. Dies gilt umso mehr, als die europäischen<br />
Gewerkschaften fordern, dass Unternehmen<br />
sogar bestehende Vereinbarungen neu aushandeln
Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
95<br />
Anzahl der EBR-Vereinbarungen in Deutschland besonders hoch (in prozent)<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Deutschland Großbritannien Frankreich Niederlande Belgien<br />
Quelle: BUSINESSEUROPE, <strong>2007</strong><br />
müssten. Dies würde alle bestrafen, die mit Engagement<br />
konstruktiv und positiv an das Thema herangegangen<br />
sind und mit ihren Europäischen Betriebsräten<br />
maßgeschneiderte Lösungen entwickelt haben. Ein<br />
solches Vorgehen würde einem Flexicurity Mainstreaming<br />
entgegenstehen.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäische<br />
Betriebsräte“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
Richtlinieneingriffe bei der freiwilligen<br />
betrieblichen Altersvorsorge –<br />
Mehrkosten und zusätzliche Bürokratie<br />
Am 9. Oktober <strong>2007</strong> hat die Europäische Kommission<br />
den überarbeiteten Richtlinienvorschlag für die<br />
EU-Portabilitätsrichtlinie vorgelegt. Diese Überarbeitung<br />
wurde vorgenommen, nachdem über den<br />
gerade noch akzeptablen Kompromissvorschlag der<br />
deutschen EU-Ratspräsidentschaft aufgrund eines<br />
Vetos der Niederlande im Rat keine Einigung erzielt<br />
werden konnte. Doch auch der geänderte Richtlinienvorschlag<br />
ist kein Weg nach vorne, seine Umsetzung<br />
würde die betriebliche Altersvorsorge verteuern und<br />
bürokratisieren und damit ihre Attraktivität erheblich<br />
mindern. Der geänderte Vorschlag orientiert sich im<br />
Wesentlichen am Beschluss des Europäischen Parlaments<br />
vom 20. Juni <strong>2007</strong>. Bedauerlicherweise hat die<br />
Kommission die Kompromissvorschläge der deutschen<br />
Ratspräsidentschaft vom 30. Mai <strong>2007</strong>, die die Risiken<br />
für die betriebliche Altersvorsorge zumindest begrenzt<br />
hätten, in ihrem geänderten Richtlinienvorschlag kaum<br />
berücksichtigt.<br />
Besonders schwerwiegend ist die Verkürzung der Unverfallbarkeitsfristen<br />
auf höchstens ein Jahr bei Arbeitnehmern,<br />
die älter sind als 25 Jahre. Diese Regelung würde<br />
die betriebliche Altersvorsorge erheblich verteuern und<br />
zudem als personalpolitisches Instrument zur Mitarbeiterbindung<br />
nahezu entwerten. Völlig unzureichend<br />
ist zudem die Regelung zum Anwendungsbereich der<br />
Richtlinie. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs<br />
auch auf Zusagen, die in der Vergangenheit erteilt wurden,<br />
untergräbt das Vertrauen der Unternehmen in die<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen. Insbesondere in Verbindung<br />
mit den vorgesehenen Regelungen zur Anwartschaftsdynamisierung<br />
kann diese Regelung zu erheblichen<br />
Mehrkosten führen. Besonders betroffen wären<br />
hiervon Unternehmen, die sich in der Vergangenheit im<br />
hohen Maße in der betrieblichen Altersvorsorge engagiert<br />
haben. Zudem sieht der geänderte Richtlinienvorschlag<br />
weiterhin Erschwerungen bei den Informationsverpflichtungen<br />
vor.<br />
Auch hier wäre der eigentlich konsequente Schritt,<br />
wenn die EU-Kommission von dieser Richtlinie gänzlich<br />
Abstand nähme, zumal das einstige Hauptargument der<br />
Kommission für diese Richtlinie, nämlich Mobilitätshindernisse<br />
abzubauen, die sich aus Regelungen der betrieblichen<br />
Altersvorsorge ergeben, in dem überarbeiteten<br />
Entwurf gar nicht mehr im Mittelpunkt steht.
96 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
Richtlinie zum Betriebsübergang:<br />
Bestehende Regelungen erfüllen<br />
ihren Zweck<br />
Die EU-Kommission hat Ende Juni <strong>2007</strong> die erste<br />
Phase der Sozialpartnerkonsultation zur Revision der<br />
Betriebsübergangsrichtlinie eingeleitet. Kern dieser<br />
Konsultation ist die Frage, ob eine Überarbeitung der<br />
Betriebsübergangsrichtlinie erforderlich ist, um ihre<br />
Anwendbarkeit auf grenzüberschreitende Übergänge<br />
von Betrieben zu klären. Auch nachdem sie Unternehmen<br />
befragt hat, sind der BDA keine Fälle bekannt,<br />
in denen das heute anwendbare Recht bei grenzüberschreitenden<br />
Betriebsübergängen zu Problemen<br />
geführt hätte, die durch Regelungen auf europäischer<br />
Ebene besser hätten gelöst werden können. Die heute<br />
angewendeten Regelungen sind ausreichend, um grenzüberschreitende<br />
Betriebsübergänge zu bewältigen,<br />
eine Revision der Richtlinie ist nicht erforderlich. Das<br />
gilt umso mehr, als die Kommission in dem Konsultationsdokument<br />
nicht schlüssig erklären kann, weshalb<br />
sie einen Bedarf an neuen europäischen Regelungen<br />
für grenzüberschreitende Betriebsübergänge sieht.<br />
Zwar führt sie eine erhöhte Zahl von Auslagerungen/<br />
Standortwechseln an. Dabei stellt sie jedoch selbst fest,<br />
dass damit nichts über die Anzahl der grenzüberschreitenden<br />
Betriebsübergänge ausgesagt wird. Es fehlt also<br />
schon allein eine aussagekräftige quantitative Grundlage<br />
für diese Initiative. Dies ist wahrlich kein Musterbeispiel<br />
für eine fundierte Gesetzesfolgenabschätzung<br />
(„Impact Assessment“).<br />
Wirtschaftsmigration: Gute Absichten,<br />
aber mit Fallstricken im Einzelnen<br />
Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind von<br />
internationalen Migrationsströmen betroffen und es ist<br />
eine wichtige Aufgabe, eine Einwanderungspolitik auf<br />
EU-Ebene zu entwickeln. Die Europäische Kommission<br />
hat im Jahr <strong>2007</strong> zahlreiche konkrete Vorschläge<br />
für die Entwicklung einer solchen Politik vorgelegt.<br />
Als übergeordnetes Ziel hat die Kommission „die bessere<br />
Steuerung der Migrationsströme durch ein abgestimmtes<br />
Vorgehen unter Berücksichtigung der Wirtschafts-<br />
und Bevölkerungssituation der EU“ erklärt.<br />
Im Mai <strong>2007</strong> legte sie ein erstes Vorschlagspaket vor.<br />
Dieses beinhaltete die sog. Sanktionsrichtlinie gegen<br />
Personen, die Drittstaatsangehörige ohne legalen Aufenthalt<br />
beschäftigen, Vorschläge zur „zirkulären Migration“,<br />
sowie ein Strategiepapier zur Migration in<br />
den östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der<br />
EU. Diesen Vorschlägen folgten am 23. Oktober zwei<br />
Richtlinienvorschläge zur Wirtschaftsmigration, einmal<br />
die „EU-Blue-Card“ für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige<br />
und der Vorschlag über ein einheitliches<br />
Antragsverfahren für eine einheitliche Aufenthalts- und<br />
Arbeitserlaubnis. Aus Arbeitgeberperspektive sind aus<br />
diesen Maßnahmenpaketen die Sanktionsrichtlinie und<br />
die „EU-Blue-Card“ besonders relevant.<br />
Sanktionsrichtlinie<br />
Bei der Bekämpfung illegaler Beschäftigung setzt die<br />
EU-Kommission auf sehr weit reichende Sanktionen für<br />
Arbeitgeber, die illegal Drittstaatsangehörige beschäftigen.<br />
Dies ist umso problematischer, als die Vorschläge<br />
so gestaltet sind, dass die Unternehmen selbst das Vorhandensein<br />
gültiger Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse<br />
überprüfen müssen und somit eine originär staatliche<br />
Aufgabe (die Kontrolle über die Einhaltung von Gesetzen)<br />
auf Private abgewälzt wird. Neben Geldbußen<br />
und der Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für<br />
die Rückführung des Drittstaatsangehörigen in sein Herkunftsland<br />
können demnach Unternehmen in besonders<br />
schweren Fällen für eine gewisse Zeit ganz geschlossen<br />
werden. Zudem tritt die EU-Kommission für eine Generalunternehmerhaftung<br />
ein: Für den Fall, dass eine<br />
Geldbuße nicht von einem Unterauftragnehmer eingezogen<br />
werden kann, soll sie von anderen an der Subunternehmerkette<br />
beteiligten Auftragnehmern bis hin zum<br />
Hauptunternehmer eingezogen werden können.<br />
EU-Blue-Card<br />
Auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine „EU-<br />
Blue-Card“ stellt eine gute Absicht dar, enthält aber bei<br />
näherer Betrachtung viele juristische Fallstricke. Die<br />
hierin gesetzten EU-Mindeststandards engen die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
der Mitgliedstaaten ein. Diese<br />
brauchen aber freie Hand und damit die Möglichkeit,<br />
die Anzahl der zum Arbeitsmarkt zuzulassenden Drittstaatsangehörigen<br />
entsprechend ihrer Arbeitsmarktsituation<br />
selbst zu bestimmen.
Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
97
98 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
Transnationale Kollektivvereinbarungen:<br />
Mehrwertversprechen nicht zu Ende<br />
gedacht<br />
Die Kommission hat sehr gezielt die Diskussion über einen<br />
optionalen gesetzlichen Rahmen für transnationale<br />
Kollektivverhandlungen angestoßen. Im Anschluss an<br />
eine von ihr in Auftrag gegebene Studie von Prof. Ales<br />
zum Thema „Transnationale Kollektivverhandlungen“,<br />
in der erwartungsgemäß eine Richtlinie in diesem Bereich<br />
vorgeschlagen wird, und infolge von zwei Kommissionsseminaren<br />
hat die EU-Kommission eine Mitteilung<br />
angekündigt.<br />
Ein solcher gesetzlicher Rahmen kann allerdings nicht nur<br />
nicht halten, was er verspricht, er birgt auch erhebliche<br />
Gefahren für international tätige Unternehmen: Rechtsunsicherheit<br />
und widersprüchliche Regelungen wären<br />
die Folge eines unübersichtlichen Geflechts europäischer<br />
und nationaler Regelungen. Denn die in Aussicht gestellte<br />
Vereinfachung wird nicht eintreten, da ein solcher EU-<br />
Rechtsrahmen für die Unternehmen nur eine zusätzliche<br />
Ebene von Verpflichtungen hinzufügen würde, ohne die<br />
jeweils bestehenden nationalen Verpflichtungen und Regelungen<br />
zu ersetzen, denn die bleiben selbstverständlich<br />
weiter bestehen, da es sich hier in der Regel um zwingendes<br />
Recht handelt. Die EU hat keine Kompetenz, diese<br />
nationale Gesetzgebung aufzuheben oder zu ersetzen,<br />
das wäre zudem auch politisch nicht durchsetzbar.<br />
Als argumentative Untermauerung ihrer Pläne führt die<br />
Kommission internationale „Framework Agreements“<br />
an, die sie als bereits bestehende transnationale Kollektivvereinbarungen<br />
interpretiert und daraus einen Rechtfertigungsgrund<br />
für ihren EU-Rechtsrahmen konstruiert.<br />
In Wirklichkeit sind diese „Framework Agreements“<br />
Ausdruck gemeinsamer Prinzipien und Unternehmenskultur<br />
zwischen einzelnen Unternehmen und ihren internationalen<br />
Branchengewerkschaftsbünden. Sie werden<br />
progressiv im Rahmen der jeweiligen sozialen und<br />
ökonomischen Umstände umgesetzt. Derartige Texte in<br />
einen gesetzlichen Rahmen zu zwängen würde bedeuten,<br />
ihren Charakter zu verkennen und die Entwicklung<br />
solcher unternehmensbezogenen Aktivitäten empfindlich<br />
zu stören. Die BDA setzt sich im intensiven Austausch<br />
mit der EU-Kommission dafür ein, dass die Überlegungen<br />
über transnationale Kollektivverhandlungen<br />
nicht weiter vorangetrieben werden.<br />
Antidiskriminierung: Nationale<br />
Übererfüllung schafft gegenseitiges<br />
Aufschaukeln zu einem „Perpetuum<br />
Mobile“ von Regulierung<br />
Die Kommission hat für das Jahr 2008 neue bürokratische<br />
Rechtsregeln zur Bekämpfung von Diskriminierungen<br />
aus Gründen des Geschlechts, der Religion, der<br />
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der<br />
sexuellen Orientierung auf anderen Gebieten als dem<br />
Arbeitsmarkt angekündigt. Hier nennt sie besonders die<br />
Bereiche Bildung, Sozialschutz, Gesundheitsfürsorge,<br />
Kauf von Gütern, Bezahlung für Dienstleistungen und<br />
Wohnungswesen. Um diese Initiativen vorzubereiten,<br />
hat die Kommission im Juli <strong>2007</strong> drei parallel laufende<br />
Befragungen der Unternehmen, der Sozialpartner und<br />
der Öffentlichkeit mit Fragebögen eingeleitet. Damit will<br />
sie ein „ausgewogenes und realistisches Bild“ darüber erlangen,<br />
ob zusätzlich zu den vielen bereits bestehenden<br />
Vorschriften weitere Gesetzgebung auf dem Gebiet der<br />
Antidiskriminierung erforderlich ist. Zentrale Fragen an<br />
die Allgemeinheit sind allerdings bereits derart suggestiv<br />
gestellt, dass bei einer positiven Beantwortung ein Blankoscheck<br />
für fragwürdige Regulierung erteilt wird und bei<br />
einer negativen Antwort der Beantwortende automatisch<br />
in die Diskriminierungsecke geschoben wird. Für die<br />
Wirtschaft geht es bei dieser Debatte vor allem darum,<br />
dass sachlich begründete Differenzierungen nicht als angebliche<br />
Diskriminierung rechtlich angegriffen werden.<br />
Bei der Antidiskriminierung zeigt sich exemplarisch, wie<br />
schädlich es ist, wenn europäische Gesetzgebung bei<br />
der nationalen Umsetzung übererfüllt wird: Die Bundesregierung<br />
hat mit dem AGG weit mehr getan, als die<br />
Europäische Union in ihren Richtlinien gegen Diskriminierung<br />
verlangt hatte. Auch hier wurde die europäische<br />
Ebene instrumentalisiert, um nationale Vorhaben, die<br />
sich politisch nicht ohne weiteres hätten durchsetzen<br />
lassen, unter dem Vorwand der Umsetzung europäischen<br />
Rechts in Gesetzesform zu gießen. Nun bedient<br />
sich die Kommission solcher zusätzlichen nationalen<br />
Standards, wie im AGG, um diese zum europäischen<br />
Mindeststandard zu erheben. Damit ist ein Perpetuum<br />
mobile kreiert – einmal in Gang gesetzt bleibt es ewig in<br />
Bewegung. Dem europäischen Standard folgt nationale<br />
Übererfüllung, was den Ansatzpunkt für neue europäische<br />
Standards bietet und so fort. So schaukelt sich die<br />
Regelungswut und Bürokratie immer weiter hoch.
Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
99<br />
Arbeitszeitrichtlinie: Neuregelung<br />
des Bereitschaftsdienstes weiterhin<br />
erforderlich<br />
Die erheblichen finanziellen Auswirkungen der Rechtsprechung<br />
des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)<br />
in den Fällen „Simap“ und „Jaeger“, nach der Bereitschaftsdienst<br />
vollständig als Arbeitszeit anzusehen ist,<br />
müssen durch eine Überarbeitung der bestehenden<br />
Arbeitszeitrichtlinie rückgängig gemacht werden. Darüber<br />
besteht im Sozialministerrat und in der Kommission<br />
sogar Einvernehmen. Es ist deshalb besonders bedauerlich,<br />
dass die deutsche Ratspräsidentschaft und die EU-<br />
Kommission nicht der Aufforderung von BDA und BUSI-<br />
NESSEUROPE gefolgt sind und dieses wichtige Dossier<br />
aufgegriffen haben, um es nach den Fehlversuchen der<br />
vorangegangenen Präsidentschaften endlich einer für<br />
die Unternehmen – insbesondere die KMU – akzeptablen<br />
Lösung zuzuführen.<br />
Anstatt sich auf das einvernehmlich Mögliche – nämlich,<br />
die problematische Rechtsprechung des EuGH<br />
zum Bereitschaftsdienst durch eine geänderte Arbeitszeitdefinition<br />
rückgängig zu machen – zu konzentrieren,<br />
besteht die EU-Kommission darauf, die Revision<br />
der Richtlinie zum Draufsatteln zu nutzen. Die weiter<br />
gehenden Veränderungsabsichten haben jedoch dazu<br />
geführt, dass die Revision der Arbeitszeitrichtlinie im<br />
Rat blockiert ist. Die EU-Mitgliedstaaten können insbesondere<br />
keine Einigung im Hinblick auf die sog. Optout-Regelung<br />
erzielen, mit der von der wöchentlichen<br />
Höchstarbeitszeit abgewichen werden kann. Einigkeit<br />
besteht hingegen bezüglich der Neuregelung des Bereitschaftsdienstes.<br />
Die ins Auge gefasste Lösung bringt Gewissheit,<br />
dass jene Zeiten als Ruhezeiten gewertet werden<br />
können, in denen der Arbeitnehmer während seines<br />
Bereitschaftsdienstes nicht beansprucht wird. Die BDA<br />
setzt sich deshalb dafür ein, dass die EU-Kommission<br />
ihren jetzigen Richtlinienvorschlag zurückzieht und in<br />
einem neuen Vorschlag nur die Neuregelung des Bereitschaftsdienstes<br />
anzielt, die im Rat konsensfähig wäre.<br />
Weitere Bereiche wie die Opt-out-Regelung sollten ausgeklammert<br />
werden.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Arbeitszeitrichtlinie“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.<br />
Service Europa und International:<br />
Newsletter:<br />
Euro-Info<br />
Broschüren:<br />
Europas Arbeitsmärkte modernisieren – Flexicurity –<br />
mehr Sicherheit durch größere Beschäftigungschancen,<br />
Europas Stärken ausbauen – Bilanz der deutschen EU-<br />
Ratspräsidentschaft – Empfehlungen für die kommenden<br />
Monate<br />
EU-Reformvertrag (in Arbeit)<br />
Antidiskriminierung – Praxiserfahrungen in Großbritannien<br />
und Irland (in Arbeit)<br />
Dubliner Stiftung: BDA/EMCC-Seminar „How to Succeed<br />
as SMEs in the Internal Market: Innovation Strategies<br />
in Cross-Border Business“<br />
Laboratory Meeting zum Thema „Corporate<br />
Volunteering“<br />
Intranet:<br />
Datenbank zu sozialpolitischen EU-Initiativen<br />
Plattform zum Sektoralen Sozialen Dialog<br />
Internet:<br />
www.csrgermany.de<br />
Veranstaltungen:<br />
Antidiskriminierung – Praxiserfahrungen in Großbritannien<br />
und Irland<br />
Koordinierung Netzwerke:<br />
IOE Global Industrial Relations Network (GIRN)<br />
Europäische Allianz für CSR
100 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
Internationale Sozialpolitik –<br />
CSR und soziale Dimension<br />
der Globalisierung stehen im<br />
Mittelpunkt<br />
Deutsche G8-Präsidentschaft<br />
unterstreicht Prinzip der Freiwilligkeit<br />
für CSR<br />
<strong>2007</strong> war für die Bundesregierung nicht nur das Jahr des<br />
EU-Ratsvorsitzes, sondern auch der G8-Präsidentschaft.<br />
Neben der Klimapolitik stand auch die soziale Dimension<br />
der Globalisierung auf der Tagesordnung der G8-<br />
Staaten. Dem Treffen der G8-Arbeitsminister in Dresden<br />
im Mai <strong>2007</strong> ging eine Konsultation mit den Sozialpartnern<br />
voraus, bei der die gesellschaftliche Verantwortung<br />
der Unternehmen (CSR) eines der Hauptthemen war.<br />
Bei dieser Gelegenheit konnte die BDA das umfassende<br />
freiwillige Engagement der deutschen Unternehmen in<br />
vielen Teilen der Welt darstellen, die damit einen wichtigen<br />
Beitrag zur sozialen Gestaltung der Globalisierung<br />
leisten. Dieses Engagement findet seinen Ausdruck in<br />
einer breiten Palette von ökologischen, sozialen, kulturellen<br />
und vielen anderen gesellschaftlichen Initiativen.<br />
Tragende Prinzipien für alle Maßnahmen zu Corporate<br />
Social Responsibility (CSR) sind unternehmensindividuelle<br />
Vielfalt und Freiwilligkeit. In der internationalen<br />
politischen Debatte über CSR geht es darum, dass der<br />
Ruf nach unternehmerischer Verantwortung nicht dazu<br />
missbraucht wird, die Rollenverteilung zwischen Staaten<br />
und Unternehmen aufzuweichen und die Unternehmen<br />
zu Lückenbüßern für staatliches Versagen zu machen.<br />
Diese Kernbotschaften flossen nicht nur in die Schlussfolgerungen<br />
der G8-Arbeitsminister ein, selbst in die<br />
Dokumente des G8-Gipfels von Heiligendamm wurden<br />
diese Botschaften aufgenommen und das Prinzip<br />
der Freiwilligkeit für CSR unterstrichen. Wörtlich heißt<br />
es in der Heiligendamm-Erklärung zu „Wachstum und<br />
Verantwortung in der Weltwirtschaft“ unter dem Punkt<br />
„Stärkung der Grundsätze der gesellschaftlichen Verantwortung<br />
von Unternehmen“: „Hierbei verpflichten wir<br />
uns, international vereinbarte Standards im Bereich der<br />
gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen und<br />
im Arbeitsrecht (wie die OECD-Leitsätze für multinationale<br />
Unternehmen und die Dreigliedrige Grundsatzerklärung<br />
der ILO), hohe Umweltstandards und bessere<br />
Unternehmensführung durch die in den OECD-Leitsätzen<br />
genannten nationalen Kontaktstellen aktiv zu fördern.<br />
Zur Stärkung des freiwilligen Konzepts der gesellschaftlichen<br />
Verantwortung von Unternehmen setzen<br />
wir uns für eine erhöhte Transparenz der jeweiligen konkreten<br />
Maßnahmen privater Unternehmen im Bereich<br />
gesellschaftlicher Verantwortung sowie für eine klare<br />
Definition der zahlreichen Standards und Prinzipien ein,<br />
die von vielen unterschiedlichen staatlichen und privaten<br />
Akteuren in diesem Bereich festgelegt wurden.“<br />
Die zwei wesentlichen Punkte hier sind zum einen die<br />
Selbstverpflichtung der Regierungen, international vereinbarte<br />
Standards zu fördern, und zum anderen die<br />
Unterstreichung der Freiwilligkeit bei CSR. Vertieft werden<br />
sollen diese Punkte durch das Follow-up des G8-<br />
Gipfels, den sog. Heiligendamm-Prozess. Hier lautet<br />
einer von vier Tätigkeitsschwerpunkten „Festigung der<br />
Grundsätze der sozialen Verantwortung der Unternehmen“.<br />
Die Ausgestaltung dieser Folgemaßnahmen wird<br />
von der OECD koordiniert, die BDA wirkt direkt und<br />
über BIAC an diesen Folgemaßnahmen mit.<br />
Europäische CSR-Allianz: Unternehmen<br />
organisieren „Laboratory Meetings“<br />
Vielfältige Aktivitäten finden im Rahmen der Europäischen<br />
Allianz für CSR statt, die die Wirtschaft zusammen<br />
mit der EU-Kommission im Frühjahr 2006 ins Leben<br />
gerufen hat. Ziel der CSR-Allianz ist es, Netzwerke und<br />
Kooperationen der Akteure zu bilden und den Erfahrungsaustausch<br />
mit sog. Laboratory Meetings zu stärken.<br />
Die ersten Laboratory Meetings haben bereits stattgefunden.<br />
Die BDA hat ein Laboratory Meeting auf europäischer<br />
Ebene mitinitiiert, das von BUSINESSEUROPE<br />
koordiniert wird und sich mit dem Thema „Förderung<br />
des Unternehmertums“ beschäftigt. In Deutschland<br />
haben die Deutsche Bank und die Ford Werke GmbH<br />
ein Laboratory Meeting zum Thema „Corporate Volunteering“<br />
angestoßen und durchgeführt, welches bei den<br />
Unternehmen den Wunsch nach weiteren Aktivitäten<br />
dieser Art geweckt hat. Das CSR-Internetportal „CSR Germany“<br />
(www.csrgermany.de) ist als zentrales Kommunikationsinstrument<br />
für die Aktivitäten im Rahmen der<br />
CSR-Allianz auf deutscher Ebene etabliert. Durch einen<br />
neu eingerichteten geschützten internen Bereich ist es<br />
Unterstützern der CSR-Allianz möglich, sich gegenseitig<br />
über Aktivitäten zu informieren, auch wenn sich Projekte<br />
noch in der Konzeption befinden.
Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
101<br />
ISO Social Responsibility: Praxisbezug fehlt<br />
Seit 2004 ist die ISO (International Organization for<br />
Standardization) dabei, einen ISO-Leitfaden zu „Social<br />
Responsibility“ zu erarbeiten. Dabei ist die Vorgabe für<br />
die dafür zuständige internationale, 450-köpfige, aus<br />
sechs verschiedenen Stakeholderkategorien bestehende<br />
Arbeitsgruppe (WG), dass dieser Leitfaden nicht zertifizierbar<br />
sein und sich darüber hinaus nicht nur an Unternehmen,<br />
sondern an alle Organisationen richten soll. Der<br />
zweite Arbeitsentwurf des Leitfadens, der im Herbst 2006<br />
vorlag, war aus Sicht der Wirtschaft völlig inakzeptabel,<br />
da er keine dieser Vorgaben erfüllte, sich also einseitig an<br />
Unternehmen und nicht an alle Organisationen richtete<br />
und in weiten Teilen der Logik eines Managementstandards<br />
folgte, wodurch die Gefahr bestand, dass er früher<br />
oder später doch zertifizierbar würde. Zudem war der<br />
Entwurf an vielen Stellen in sich widersprüchlich, enthielt<br />
zahlreiche Doppelungen und war sprachlich nicht überarbeitet.<br />
Im Januar <strong>2007</strong> konnte beim WG-Treffen in Sydney<br />
erreicht werden, dass der Entwurf bis zum nächsten<br />
WG-Treffen im November <strong>2007</strong> in Wien erneut grundsätzlich<br />
überarbeitet wird. Dieser dritte Arbeitsentwurf hat<br />
sich zwar an einzelnen Stellen etwas verbessert, ist aber<br />
in seiner Substanz weiterhin keine Grundlage für einen<br />
praxistauglichen Leitfaden. Einer der größten Streitpunkte<br />
zwischen Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen<br />
(NRO) ist die Zulieferkette. Die NRO möchten, dass sich<br />
CSR-Maßnahmen eines Unternehmens grundsätzlich auf<br />
seine gesamte Zulieferkette erstrecken. Dies ist eine realitätsferne<br />
Forderung ohne jeden Praxisbezug. In einzelnen<br />
Branchen umfassen die Zulieferketten bis zu 20.000 Zulieferer,<br />
teilweise in der zweiten und dritten Ebene nach<br />
den Hauptlieferanten. Auch die primäre staatliche Verantwortung<br />
für die Durchsetzung von Menschenrechten<br />
wird immer wieder infrage gestellt. Deshalb wurde in<br />
Wien ein vierter Arbeitsentwurf beschlossen. Neu ist nun,<br />
dass eine Redaktionsgruppe eingesetzt wurde, die für die<br />
Leserlichkeit, Stimmigkeit und Widerspruchslosigkeit des<br />
gesamten Dokuments zuständig ist und dafür auch Textkürzungen<br />
vornehmen darf, was bisher nicht möglich<br />
war. Bis zum nächsten Treffen im September 2008 soll<br />
der neue Text vorliegen. Von der ISO wird angestrebt,<br />
diesen CSR-Leitfaden bis Ende 2009 fertig zu stellen.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Corporate<br />
Social Responsibility“ veröffentlicht. Er ist über<br />
www.bda-online.de abrufbar.<br />
International Organisation<br />
of Employers (IOE): Globale<br />
Interessenvertretung für die<br />
Wirtschaft wird immer wichtiger<br />
Die IOE ist die globale Stimme der Arbeitgeber. In<br />
dieser Eigenschaft wird sie immer wichtiger, denn die<br />
internationalen Branchengewerkschaftsbünde organisieren<br />
sich auf globaler Ebene immer umfassender und<br />
strategischer. Dies zeigt sich beispielsweise durch den<br />
Zusammenschluss der internationalen Branchengewerkschaften<br />
zur Global Union Federation, die es sich<br />
zum Ziel erklärt hat, die industriellen Beziehungen global<br />
auszubauen. Hierbei geht es vor allem darum, eine<br />
stärkere Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen auf<br />
Weltebene zu erreichen. Mit den „International Framework<br />
Agreements“, also Rahmenvereinbarungen, die<br />
zwischen einzelnen Unternehmen und den internationalen<br />
Branchengewerkschaften abgeschlossen werden,<br />
verschaffen sich die Gewerkschaften Zugang zu den<br />
Belegschaften der Unternehmen und versuchen diese<br />
national zu organisieren.<br />
Vor diesem Hintergrund kommt der IOE, neben ihrer<br />
Rolle als Arbeitgeberstimme in der ILO, eine strategische<br />
Bedeutung zu, um hier Arbeitgeberinteressen –<br />
gleichfalls global – entgegensetzen zu können. Zu diesem<br />
Zweck hat die IOE, u. a. auf Anregung der BDA,<br />
das „Global Industrial Relations Network“ (GIRN)<br />
gegründet, in dem multinationale Unternehmen Mitglieder<br />
werden können. Sie finden hier nicht nur eine<br />
Plattform für den spezifischen Erfahrungsaustausch zu<br />
internationaler Sozialpolitik und industriellen Beziehungen,<br />
sondern können bei konkreten Problemen,<br />
beispielsweise mit Framework Agreements, auch Beratung<br />
erhalten.<br />
Internationale Arbeitsorganisation<br />
(ILO): Wirtschaftsrelevanz<br />
erforderlich<br />
Die konkrete Ausgestaltung der sozialen Dimension<br />
der Globalisierung wird auch in der Internationalen<br />
Arbeitsorganisation (ILO) mit hoher Priorität vorangetrieben.<br />
Die ILO hat sich dieses Thema auf die Fahnen
102 Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
geschrieben und ist inzwischen das wichtigste Dialogforum<br />
zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern<br />
in Bezug auf die soziale Entwicklung. Sie ist als<br />
einzige der UN-Organisationen dreigliedrig organisiert,<br />
so dass Arbeitgeber und Gewerkschaften jeweils ein<br />
Viertel der Stimmen im Verwaltungsrat und bei der Internationalen<br />
Arbeitskonferenz haben. Somit ist für die<br />
Arbeitgeber hier eine direkte Einflussnahme und Mitgestaltung<br />
möglich.<br />
Im Verwaltungsrat der ILO ist es gelungen, den Ausschuss<br />
„Multinationale Unternehmen“ in Richtung einer<br />
Arbeitsweise zu lenken, die für die Unternehmen einen<br />
wesentlich stärkeren Praxisbezug herstellt. In Kürze wird<br />
es einen „Helpdesk“ in der Abteilung für multinationale<br />
Unternehmen (MULTI) der ILO geben. Er soll als Anlaufstelle<br />
für Unternehmen dienen und ihnen bei konkreten<br />
Fragen/Problemen in Zusammenhang mit der Umsetzung<br />
internationaler Arbeitsnormen direkte und praxisorientierte<br />
Hilfe durch ILO-Experten unter Beteiligung<br />
der Sozialpartner vermitteln.<br />
Die BDA hatte sich dafür eingesetzt, dass auch die Internationale<br />
Arbeitskonferenz sich stärker mit unternehmensbezogenen<br />
Themen beschäftigt. Bei ihrer Sitzung im<br />
Juni <strong>2007</strong> stand die Förderung nachhaltiger Unternehmen<br />
auf der Tagesordnung. Das Ergebnis sind gemeinsame<br />
Schlussfolgerungen von Regierungen, Gewerkschaften<br />
und Arbeitgebern, die – erstmals in der ILO – die Rahmenbedingungen<br />
für nachhaltige Unternehmen und Unternehmensgründungen<br />
definieren. Demnach bilden 17<br />
Pfeiler die notwendige Basis für nachhaltige Unternehmen,<br />
dazu gehören z. B. gut geregelte Eigentumsrechte,<br />
die Schaffung einer unternehmensfreundlichen Kultur<br />
und der Aufbau eines funktionierenden Rechtsrahmens.<br />
OECD – wachsende Tendenz zu<br />
sozialpolitischen Themen<br />
Innerhalb der OECD lässt sich seit einiger Zeit eine Entwicklung<br />
beobachten, die für die BDA besondere Relevanz<br />
entfalten kann: Insbesondere der Internationale<br />
Währungsfonds und die Weltbank werden für ihre klassischen<br />
Aufgaben (Kredite an Entwicklungsländer) immer<br />
weniger benötigt, so dass sie zunehmend in Felder<br />
der allgemeinen globalen Wirtschaftspolitik vorstoßen<br />
und damit der OECD bei ihren Kernaufgaben Konkurrenz<br />
machen. Diese Institutionenkonkurrenz hat u. a.<br />
den Effekt, dass die OECD sich nun stärker in soziale<br />
Themen und Betrachtungen ohne Berücksichtigung<br />
des wirtschaftlichen Kontextes begibt. Besonders negativ<br />
aufgefallen ist dieser Trend im Entwurf des jüngsten<br />
„Employment Outlook“, der bei weitem nicht der sonst<br />
hohen Qualität entsprach und in dem sich eine einseitig<br />
negative Bewertung der Globalisierung findet. Über<br />
BIAC, den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband bei der<br />
OECD, setzt sich die BDA für die Korrektur dieser Unausgewogenheiten<br />
ein.<br />
Damit die Interessen der deutschen Unternehmen innerhalb<br />
von BIAC zukünftig besser koordiniert und<br />
wahrgenommen werden können, bereitet die BDA gemeinsam<br />
mit dem BDI ein deutsches Netzwerktreffen<br />
für Anfang 2008 vor. Bei dieser Gelegenheit wird auch<br />
der neue Vorsitzende des BIAC-Ausschusses für Wirtschaftspolitik<br />
(BIAC Economic Policy Committee), Prof.<br />
Norbert Walter, anwesend sein und den Unternehmen<br />
für ihre Anliegen innerhalb von BIAC zur Verfügung<br />
stehen.
Europäische und internationale Sozialpolitik<br />
103
104
105<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
106 Volkswirtschaft und Finanzen<br />
Kräftige Dynamik des<br />
Aufschwungs<br />
Mit rd. 2,5 % hat das Bruttoinlandsprodukt <strong>2007</strong> gegenüber<br />
dem vergangenen Jahr erneut recht kräftig zugenommen.<br />
Damit konnten die ursprünglichen Prognosen<br />
erneut übertroffen werden. Die starke wirtschaftliche<br />
Dynamik speiste sich weiterhin vom Export, der trotz<br />
der anhaltenden Aufwertungstendenz des Euro nur<br />
leicht nachgab, allerdings mit einem Plus von 8,2 % die<br />
zweistellige Zuwachsrate nicht zu halten vermochte.<br />
Etwas mehr schwächte sich der Import ab, so dass per<br />
Saldo der Außenbeitrag sogar noch leicht auf 1,2 Prozentpunkte<br />
kletterte.<br />
von der Erholung der kommunalen Finanzen profitieren<br />
können.<br />
Die Finanzmarktkrise, die am US-amerikanischen Immobilienmarkt<br />
ihren Ausgang nahm, zeigte <strong>2007</strong> zwar noch<br />
keine erkennbaren Auswirkungen auf die deutsche Konjunktur.<br />
Allerdings hat sie am Aktien- und Geldmarkt und<br />
bei den Frühindikatoren schon deutliche Spuren hinterlassen.<br />
Auch wenn die deutschen Unternehmen außerhalb<br />
des Finanzsektors dank weit reichender Bilanzkonsolidierung<br />
der vergangenen Jahre nun finanziell relativ<br />
immun scheinen, bleibt doch ebenfalls in Rechnung zu<br />
stellen, dass die Auswirkungen der Krise sie auch über<br />
den realwirtschaftlichen Weg, etwa in Form einer schwächeren<br />
Exportentwicklung, erreichen könnte.<br />
Die Spuren der Mehrwertsteuererhöhung zum Jahresanfang<br />
zeigen sich in der inländischen Verwendung<br />
sehr deutlich. Nach einer mäßigen Belebung von 1 %<br />
im vergangenen Jahr fiel der private Konsum wieder<br />
in eine Stagnation mit Tendenz ins Minus zurück, obwohl<br />
nicht zuletzt wegen steigender Beschäftigung die<br />
Nettoarbeitnehmerentgelte in der Summe um 4,7 %<br />
zugenommen haben. Neben dem finanzpolitisch gesetzten<br />
Teuerungsimpuls machte sich auch der weitere<br />
Anstieg der Energiepreise dämpfend beim privaten<br />
Konsum bemerkbar. In die gleiche Richtung hat<br />
eine leichte Zunahme der Sparquote gewirkt; hierin<br />
dürfte sich vor allem eine wachsende zusätzliche Altersvorsorge<br />
widerspiegeln, die aufgrund vielfältiger<br />
staatlicher Anreize nun einen erheblichen Verbreitungsgrad<br />
aufweist.<br />
Dynamisches Element in der Inlandsnachfrage waren<br />
erneut die Ausrüstungsinvestitionen. Die Unternehmen<br />
steigerten ihre Investitionen in Maschinen und Anlagen<br />
nochmals auf knapp 11 % über das Vorjahresniveau.<br />
Dabei haben Vorzieheffekte wegen des Auslaufens der<br />
degressiven Abschreibung zum 31. Dezember <strong>2007</strong><br />
eine spürbare Rolle gespielt.<br />
Dieser Boom bei den Ausrüstungsinvestitionen hat die<br />
Bauinvestitionen mitgezogen und hier im Wesentlichen<br />
für ein Plus von 2,6 % gesorgt, denn der Wirtschaftsbau<br />
ist der substanzielle Wachstumsträger im Baubereich<br />
<strong>2007</strong> gewesen. Der Wohnungsbau litt dagegen<br />
unter einem Nachfrageeinbruch nach dem Auslaufen<br />
der Eigenheimzulage, und der Tiefbau hat noch nicht<br />
Erfreuliche Beschäftigungsintensität<br />
Das Ausmaß des Wirtschaftswachstums im aktuellen<br />
Aufschwung entspricht etwa dem der Jahre 1999/2000.<br />
Das gegenwärtige Verlaufsmuster am Arbeitsmarkt unterscheidet<br />
sich jedoch deutlich vom vorangegangenen<br />
Aufschwung. Eine tiefere Analyse der Struktur der Arbeitsmarktzahlen<br />
lässt eine derzeit höhere Beschäftigungsintensität<br />
erkennen: Zwar nahm die Zahl der Erwerbstätigen<br />
mit einem Plus von 3,3 % in den Jahren<br />
1999/2000 stärker zu als diesmal; die Zahl der Erwerbstätigen<br />
wuchs 2006/<strong>2007</strong> um 2,3 %. Diese personenbezogene<br />
Betrachtung greift allerdings zu kurz. In den<br />
Jahren 1999 und 2000 wurden fast ausschließlich zusätzliche<br />
Teilzeitjobs geschaffen, hauptsächlich in Form<br />
geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (+628.000<br />
bzw. +15,5 %). Zusätzliche Vollzeitbeschäftigungsstellen<br />
kamen damals nur etwa 22.000 hinzu.<br />
Ganz anders im aktuellen Aufschwung: Hier zeigt sich<br />
eine erfreuliche Verschiebung zu Gunsten der Vollzeit-<br />
Erwerbstätigkeit. So nahm die Teilzeitbeschäftigung<br />
(+586.000) nur halb so stark zu wie vor sieben Jahren.<br />
Doch betrafen die zusätzlichen Teilzeitstellen diesmal<br />
im Wesentlichen die sozialversicherungspflichtige<br />
Teilzeit (+447.000). Vor allem aber legte die Zahl der<br />
Vollzeitbeschäftigten diesmal kräftig zu; sie stieg um<br />
0,9 % oder gut 200.000 und damit neun Mal stärker<br />
als 1999/2000.
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
107<br />
Konjunkturaufschwung 1999/2000 und 2006/<strong>2007</strong> im Vergleich<br />
Veränderung<br />
1999/2000 2006/<strong>2007</strong><br />
in % in Tsd. in % in Tsd.<br />
Bruttoinlandsprodukt,<br />
preisbereinigt<br />
+5,3 +5,5<br />
Arbeitsvolumen +1,2 +2,0<br />
Erwerbstätige +3,3 +1.233 +2,3 +875<br />
Beschäftigte +3,5 +1.183 +2,3 +786<br />
- Vollzeit +0,1 +22 +0,9 +200<br />
- Teilzeit +13,8 +1.161 +5,2 +586<br />
Zeitarbeit und befristete Beschäftigung haben den<br />
Unternehmen dabei geholfen, die betriebswirtschaft-<br />
Sozialversicherungspflichtige<br />
Teilzeit<br />
Geringfügig<br />
Beschäftigte<br />
+12,2 +533 +8,2 +447<br />
+15,5 +628 +2,4 +139<br />
Zeitarbeitnehmer +33,3 +82 +66,2 +294<br />
Arbeitskosten<br />
(Arbeitnehmerentgelt)<br />
+6,5 +5,1*<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Schätzungen des IAB (<strong>2007</strong>),* SVR Jg. <strong>2007</strong>/08<br />
Das deutliche Plus bei den Vollzeitstellen schlägt auch<br />
beim gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumen durch. Es<br />
hat diesmal um 2,0 % zugenommen gegenüber 1,2 %<br />
damals.<br />
Die höhere Beschäftigungsintensität geht mit einem<br />
langsameren Anstieg der Arbeitskosten einher. Im<br />
gegenwärtigen Zweijahreszeitraum nahmen sie in der<br />
Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung<br />
um 5,1 % zu; beim letzten Aufschwung zogen sie noch<br />
um 6,5 % an. Hinter diesen beiden Zahlen verbirgt sich<br />
dieses Mal eine über 20 % geringere Zunahme der Arbeitskosten<br />
und dies belegt einmal mehr, dass beim<br />
Lohn der Kostenaspekt stärker auf die Beschäftigung<br />
durchschlägt als die Kaufkraft. Die höhere Beschäftigungsintensität<br />
legt dadurch eine solide Basis für eine<br />
Fortdauer des Aufschwungs.<br />
Die moderate und innovative Tarifpolitik, die mit unterschiedlichen<br />
Öffnungsklauseln den Unternehmen<br />
weitere Möglichkeiten für konsequentes Management<br />
ihres Personalkostenbudgets an die Hand gegeben hat,<br />
trägt die beabsichtigten Früchte. Zugleich wird die beschäftigungshemmende<br />
Wirkung des Arbeitsrechts,<br />
insbesondere des überzogenen Kündigungsschutzes,<br />
erkennbar. Die kräftige Expansion der Zeitarbeit ist<br />
ein deutliches Indiz: Seit der Flexibilisierung der gesetzlichen<br />
Regelungen zur Zeitarbeit zu Beginn des<br />
Jahres 2003 hat sich die Zahl der Zeitarbeitnehmer bis<br />
Ende 2006 verdoppelt. Der Anteil der Leiharbeitnehmer<br />
an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />
war auf knapp 2,5 % gestiegen.
108 Volkswirtschaft und Finanzen<br />
lichen Kosten des Kündigungsschutzes zu senken.<br />
Während die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen<br />
diese Kosten ausschließt, wandelt die Zeitarbeit sie<br />
in Entgelt für das verleihende Unternehmen um. Die<br />
Unternehmen erkaufen sich die erforderliche Flexibilität,<br />
um im möglichen Abschwung die Belegschaft zügig<br />
anpassen zu können.<br />
Wachstum des<br />
Produktionspotenzials leicht<br />
beschleunigt<br />
Bislang ist ein Konzept für eine wachstumsorientierte Reformpolitik<br />
nicht erkennbar. Mit dem „Goldenen Schnitt<br />
2012“ hat der Bundeswirtschaftsminister im Juni <strong>2007</strong> den<br />
Kern einer wirtschafts- und finanzpolitischen Mittelfriststrategie<br />
vorgelegt. Es muss jedoch mit Sorge erfüllen, dass<br />
dieser richtige und praktikable Ansatz nicht aufgegriffen<br />
und ausgefüllt worden ist, ja nicht einmal zu einer Debatte<br />
über die wirtschaftspolitische Orientierung geführt hat.<br />
Die BDA hat zu den wichtigsten Gutachten und Prognosen<br />
Stellungnahmen veröffentlicht. Sie sind über<br />
www.bda-online.de abrufbar.<br />
Die kräftige Investitionstätigkeit und die beschäftigungsfördernden<br />
Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt<br />
haben sowohl nach Einschätzung des Sachverständigenrates<br />
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Entwicklung als auch der Bundesbank das Wachstum<br />
des Produktionspotenzials beschleunigt. Die Bundesbank<br />
schätzt eine Zunahme von 1,25 auf 1,75 %. So<br />
erfreulich diese Tatsache der Beschleunigung auch ist,<br />
so wenig reicht das nunmehr erreichte Niveau aus, um<br />
dauerhaft für einen hohen Beschäftigungsstand und<br />
eine befriedigende Einkommensentwicklung zu sorgen.<br />
Die gegenwärtigen sozial- und verteilungspolitischen<br />
Vorschläge sind – vielen wortreichen Erklärungen zum<br />
Trotz – keine Investitionen in die gesellschaftliche<br />
Wachstumsvorsorge.<br />
Mitarbeiterkapitalbeteiligung –<br />
Betriebliche Bündnisse oder<br />
Deutschlandfonds?<br />
Die vom Bundespräsidenten Köhler 2005 angestoßene<br />
Diskussion, Arbeitnehmer stärker als bisher am Kapital<br />
und damit an der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen<br />
zu beteiligen, hat in diesem Jahr konkrete Formen<br />
angenommen.<br />
Sowohl SPD als auch CDU und CSU haben im Juni Konzepte<br />
für eine Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
in Deutschland vorgelegt. Im SPD-Papier mit dem<br />
Titel „Deutschlandfonds für Arbeitnehmerinnen und Ar-
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
109<br />
beitnehmer. Eckpunkte für mehr Mitarbeiterbeteiligung“<br />
wird der Schwerpunkt auf die indirekte Beteiligung der<br />
Arbeitnehmer über einen deutschlandweiten Fonds gelegt.<br />
Dieser Fonds soll als Kapitalsammelstelle zwischen<br />
Mitarbeiter und Unternehmen geschaltet werden, um die<br />
Arbeitnehmer vor Verlustrisiken zu schützen. Darüber<br />
hinaus sieht das Papier eine begrenzte staatliche Förderung<br />
im Umfang einer Erhöhung des Höchstfördersatzes<br />
der Arbeitnehmersparzulage von 18 auf 20 % der angelegten<br />
vermögenswirksamen Leistungen und eine Erhö-<br />
Beschluss des gemeinsamen Präsidiums von BDA und BDI vom 11. Juni <strong>2007</strong>:<br />
„Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern ja – Regulieren nein“<br />
Mitarbeiterkapitalbeteiligung bietet Chancen<br />
Die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenskapital<br />
bietet Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.<br />
Arbeitnehmer können an wachsenden<br />
Unternehmenseinkünften teilhaben; Arbeitgeber<br />
profitieren von einer Erhöhung des haftungsbereiten<br />
Kapitals und damit ihrer Investitionsfähigkeit.<br />
Zugleich kommt ihnen eine verstärkte Identifikation<br />
ihrer Beschäftigten mit dem Unternehmen<br />
zugute.<br />
Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist damit ein<br />
sinnvoller Weg für viele, aber bei weitem nicht<br />
für alle Unternehmen. Insbesondere ist sie nicht<br />
für alle Unternehmensrechtsformen und -größen<br />
gleichermaßen geeignet: Eine einfache, unbürokratische<br />
Umsetzung einer Beteiligung am Eigenkapital<br />
eines Unternehmens ist ausschließlich bei<br />
Aktiengesellschaften (0,2 % aller Unternehmen)<br />
möglich.<br />
Von der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu unterscheiden<br />
ist die Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg<br />
bzw. -gewinn. Diese – deutlich<br />
einfacher umzusetzende – Beteiligungsform hat<br />
insbesondere aufgrund der erreichten tariflichen<br />
Öffnungen erheblich an Bedeutung gewonnen. Mitarbeiterkapital-<br />
und Mitarbeitererfolgsbeteiligungen<br />
können alternativ, aber auch in Kombination angewendet<br />
werden.<br />
Grundsätze zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
1. Beidseitige Freiwilligkeit erhalten<br />
Kein Arbeitnehmer darf gezwungen werden, einen<br />
Teil seines Lohns als Risikokapital bei seinem Unternehmen<br />
zu investieren. Ebenso darf kein Arbeitgeber<br />
gezwungen werden, fremde Kapitaleigner aufzunehmen.<br />
Eine Verpflichtung zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
darf es daher nicht geben, weder durch Gesetz<br />
noch durch Tarifvertrag.<br />
2. Auf Pflicht zur Absicherung von Verlustrisiken<br />
verzichten<br />
Eine Pflicht zur Risikoabsicherung ist nicht sinnvoll.<br />
Bei der klassischen Beteiligung am Eigenkapital des<br />
Unternehmens steht einer Absicherung gegen Verlustrisiken<br />
bereits entgegen, dass damit der Eigenkapitalcharakter<br />
der Beteiligung verloren ginge. Die<br />
Entscheidung für eine Risikoabsicherung bei Mischund<br />
Fremdkapitalbeteiligungen muss Arbeitgebern<br />
und Arbeitnehmern überlassen bleiben.<br />
3. Nachgelagerte Besteuerung einführen<br />
Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sollten nachgelagert<br />
besteuert werden, da dies die wachstumsfreundlichere<br />
Form der Besteuerung von Investitionskapital<br />
ist. Bei der Förderung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Vermögensbildung müssen jedoch klare Prioritäten<br />
gelten. Bevor neue Vorhaben in Angriff genommen<br />
werden, sollten zunächst die alten fortgeführt<br />
werden. Dazu gehört insbesondere, die Sozialversicherungsbeitragsfreiheit<br />
der Entgeltumwandlung<br />
für betriebliche Altersvorsorge über 2008 hinaus zu<br />
gewährleisten.
110 Volkswirtschaft und Finanzen<br />
Branchen- und Regionalfonds als Instrument zur Förderung der<br />
Mitarbeiterkapitalbeteiligung ungeeignet<br />
1. Keine Erhöhung der Mitarbeitermotivation<br />
und -identifikation<br />
Überbetriebliche Fonds – seien sie regional (z. B.<br />
Deutschlandfonds oder der auf Rheinland-Pfalz beschränkte<br />
Fonds „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“)<br />
oder auf eine Branche bezogen – sorgen für eine indirekte,<br />
nur mittelbare Beteiligung der Arbeitnehmer<br />
an ihrem arbeitgebenden Unternehmen. Durch Zwischenschaltung<br />
eines Fonds wird die Verbindung<br />
von Arbeitnehmer und Arbeitgeber durchtrennt. Eine<br />
stärkere Bindung des Mitarbeiters an sein Unternehmen<br />
und die damit verbundene höhere Motivation<br />
und Identifikation werden nicht erreicht. Unternehmerisches<br />
Denken und Handeln werden nicht stimuliert.<br />
Insofern führt das überbetriebliche Fondskonstrukt<br />
auch nicht zu einer Stärkung oder Förderung<br />
einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur.<br />
2. Eigenkapitalstärkung geht am Mittelstand vorbei<br />
Fonds zielen auf rentable Anlagen ab. Daher werden<br />
etwaige Fonds vor allem in wirtschaftlich starke Unternehmen<br />
investieren und schwache Unternehmen<br />
meiden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen,<br />
bei denen Formen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
vergleichsweise gering verbreitet sind, werden daher<br />
kaum von Fondsmitteln profitieren können. Dabei<br />
sind sie sehr viel eher auf eine Stärkung der Eigenkapitalbasis<br />
von außen angewiesen.<br />
3. Neues Konfliktpotenzial in Tarifverhandlungen<br />
Die Finanzierung von Branchen- bzw. Regionalfonds<br />
wirft Probleme auf: Werden Fondsanteile „on top“<br />
zu den bisherigen Löhnen und Gehältern gewährt,<br />
werden die Arbeitskosten erhöht – mit negativen Folgen<br />
für die Beschäftigung. Richtigerweise sind Mitarbeiterkapitalbeteiligungen<br />
daher nur als Bestandteil<br />
der vereinbarten Löhne und Gehälter möglich. Um<br />
eine solche Finanzierung von Kapital- bzw. Fondsbeteiligungen<br />
zu erreichen, bedarf es allerdings – soweit<br />
tarifvertragliche Ansprüche betroffen sind – der<br />
Vereinbarung von Öffnungsklauseln. Diese können<br />
jedoch für zusätzliches Konfliktpozential in Tarif-<br />
verhandlungen sorgen, weil die Gewerkschaften die<br />
Mitarbeiterbeteiligung nur als zusätzliche Entgeltkomponente<br />
befürworten. Damit droht die Frage der<br />
Finanzierung fondsbasierter Mitarbeiterkapitalbeteiligungen<br />
zu einer Belastung für Tarifverhandlungen zu<br />
werden.<br />
4. Zusätzliche Bürokratie, zusätzliche Kosten<br />
Wie auch immer eine Fondslösung aussehen mag,<br />
ist diese gegenüber der klassischen Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
am eigenen Unternehmen mit zusätzlichen,<br />
überbetrieblichen Kosten verbunden. Diese<br />
entstehen u. a. durch die notwendige Fondsverwaltung<br />
und -leitung. Bürokratischer Aufwand entsteht<br />
zudem durch die zu schaffenden Mechanismen der<br />
Risikoabsicherung des Fonds (z. B. Bonitätsprüfung,<br />
Staatsgarantie etc.). Sofern die Kosten nicht von<br />
den Arbeitnehmern selbst getragen werden, gehen<br />
sie – wie beim Regionalfonds „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“<br />
in Rheinland-Pfalz – zu Lasten der<br />
Arbeitgeber bzw. zu Lasten der Steuerzahler.<br />
5. Wettbewerbsverzerrungen und Verdrängungseffekte<br />
Da die Mitarbeiterkapitalbeteiligung über einen<br />
Branchen- oder Regionalfonds durch die Risikostreuung<br />
des Fonds und möglicherweise durch<br />
weitere Instrumente abgesichert ist, verlieren die<br />
klassischen Kapitalbeteiligungsmodelle für die Beschäftigten<br />
an Attraktivität. Diese werden seltener<br />
bereit sein, im Wege klassischer Kapitalbeteiligungsmodelle<br />
in das eigene Unternehmen zu investieren,<br />
wenn ihnen ein besser abgesichertes Beteiligungsmodell<br />
zur Verfügung steht. Zudem tritt<br />
ein Branchen- oder Regionalfonds in Konkurrenz<br />
zu herkömmlichen Investmentfonds, die ihrerseits<br />
nicht von der steuer- und beitragsrechtlichen Privilegierung<br />
gem. § 19a EStG profitieren. Neben dieser<br />
staatlich verursachten Wettbewerbsverzerrung ist<br />
auch fraglich, ob der Anwendungsgrad der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
insgesamt erhöht werden<br />
könnte, wenn es zu einer Verdrängung klassischer<br />
Kapitalbeteiligungen käme.
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
111<br />
hung der Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit<br />
gem. § 19a EStG von 135 auf 240 € p. a. vor.<br />
Die Union hat sich mit ihrem Vorschlag „Betriebliche<br />
Bündnisse für soziale Kapitalpartnerschaften“ für eine<br />
direkte Mitarbeiterkapitalbeteiligung ausgesprochen.<br />
Danach soll auf eine Pflicht zur Risikoabsicherung, wie<br />
sie der SPD-Vorschlag vorsieht, verzichtet werden. Allerdings<br />
wird eine Fondslösung auch nicht ausgeschlossen.<br />
Zudem sprechen sich CDU und CSU für einen<br />
deutlichen Ausbau der staatlichen Förderung aus. So<br />
soll die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit<br />
gem. § 19a EStG von 135 auf 500 € p. a erhöht werden<br />
und ein weiterer Betrag von 500 € für Zwecke der<br />
Bruttolohnumwandlung zur Verfügung stehen, der zwar<br />
sozialversicherungsbeitragspflichtig, aber erst nachgelagert<br />
steuerpflichtig sein soll.<br />
Seit Oktober berät sich die aus beiden Regierungsparteien<br />
paritätisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe, um<br />
aus den jeweiligen Vorschlägen letztlich ein gemeinsames,<br />
kompromissfähiges Konzept zur Förderung der<br />
Mitarbeiterkapitalbeteiligung auszuarbeiten. Ein Gesetzentwurf<br />
ist nach bisheriger Planung im Frühjahr<br />
2008 zu erwarten.<br />
Die BDA hat den politischen Diskussionsprozess seit Beginn<br />
begleitet und sich bereits mehrfach, insbesondere<br />
durch die Stellungnahme „Mitarbeiterbeteiligung: Fakten<br />
und Positionen“ vom 4. April <strong>2007</strong> und durch die<br />
gemeinsam mit dem BDI erstellte Grundsatzbroschüre<br />
„Mitarbeiterbeteiligung: Strategie für eine partnerschaftliche<br />
Unternehmenskultur“ im Sommer dieses Jahres,<br />
eingebracht. Der Beschluss des BDA-Präsidiums „Mitarbeiterkapitalbeteiligung:<br />
Fördern ja – Regulieren nein“<br />
wurde am 11. Juni <strong>2007</strong> vom gemeinsamen BDA/BDI-<br />
Präsidium übernommen. Unverändert steht die BDA der<br />
Idee, Arbeitnehmer am Kapital ihres Unternehmens zu<br />
beteiligen, aufgeschlossen gegenüber.<br />
Von entscheidender Bedeutung ist allerdings, dass die<br />
Arbeitsgruppe der Regierungsparteien ein nicht nur<br />
kompromissfähiges, sondern vor allem sinnvolles und<br />
zielführendes Konzept erarbeitet. Dazu gehört in erster<br />
Linie, dass die mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
verbundenen Ziele einer höheren Identifikation und<br />
Motivation, einer stärkeren Bindung der Beschäftigten<br />
an ihr arbeitgebendes Unternehmen sowie einer partnerschaftlichen<br />
Unternehmenskultur im Mittelpunkt der<br />
Überlegungen stehen. Insofern plädiert die BDA für eine<br />
direkte Beteiligung der Beschäftigten am Kapital ihres<br />
Unternehmens. In diesem Zusammenhang und vor dem<br />
Hintergrund einer nicht auszuschließenden Verständigung<br />
beider Seiten auf eine Fondslösung hat die BDA im<br />
Sommer <strong>2007</strong> eine Mitgliederbefragung durchgeführt.<br />
Ergebnis dieser Befragung ist eine ganz überwiegende<br />
Ablehnung von Branchen- und Regionalfonds als Instrument<br />
zur Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung.<br />
Die nebenstehenden zentralen Argumente, die gegen<br />
eine Fondslösung sprechen, wird die BDA auch weiterhin<br />
in die Diskussion einbringen, um die mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
in Verbindung gebrachten Ziele<br />
nicht aus den Augen zu verlieren.<br />
Um die Mitarbeiterkapitalbeteiligung wirksam – ohne<br />
Schaffung neuer Subventionstatbestände – zu fördern,<br />
sollte das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung auch<br />
auf diese Form der Vermögensbildung ausgeweitet<br />
werden. Schon heute greift die nachgelagerte Besteuerung<br />
bei der betrieblichen Altersvorsorge und bei der<br />
Besteuerung von Guthaben auf Zeitwertkonten. Mit der<br />
Einführung der nachgelagerten Besteuerung für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen<br />
würde die bestehende Diskriminierung<br />
aufgehoben und ein weiterer Schritt in Richtung<br />
eines investitions- und wachstumsfreundlicheren<br />
Steuersystems gegangen.<br />
Sollte es der Politik jedoch vielmehr darum gehen, die<br />
Vermögensbildung der Arbeitnehmer möglichst ohne<br />
Übernahme von Verlustrisiken zu stärken, bieten die<br />
betriebliche Altersvorsorge oder die Gewinn- bzw. Erfolgsbeteiligung<br />
wesentlich geeignetere Ansatzpunkte.<br />
Denn im Gegensatz zu diesen beiden Instrumenten<br />
handelt es sich bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
grundsätzlich um eine Beteiligung des Arbeitnehmers<br />
am Risikokapital seines Unternehmens, d. h. auch eine<br />
Beteiligung an möglichen Verlusten. Im Extremfall riskiert<br />
der Arbeitnehmer beides, seinen Arbeitsplatz und<br />
sein eingebrachtes Vermögen. Als Altersvorsorge ist die<br />
Mitarbeiterkapitalbeteiligung daher nur bedingt geeignet.<br />
Priorität sollte in diesem Zusammenhang der Ausbau<br />
der Altersvorsorge haben.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Mitarbeiterkapitalbeteiligung“<br />
veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de<br />
abrufbar.
112 Volkswirtschaft und Finanzen<br />
Unternehmensteuerreform 2008:<br />
Fehlentwicklungen korrigieren<br />
Die große Koalition hat <strong>2007</strong> mit der parlamentarischen<br />
Verabschiedung der Unternehmensteuerreform 2008<br />
eine wichtige Weichenstellung für eine attraktivere Unternehmensbesteuerung<br />
erreicht. Die Tarifbelastung bei<br />
Kapitalgesellschaften wird von derzeit 38,8 auf knapp<br />
unter 30 % gesenkt. Deutschland rückt damit bei der<br />
nominalen Unternehmensteuerbelastung ins europäische<br />
Mittelfeld auf. Für inländische und ausländische<br />
Investoren ist dies für sich genommen ein positives Signal<br />
– zumal die deutsche Wirtschaft mit einer Nettoentlastung<br />
von fünf Mrd. € rechnen kann.<br />
Kritisch an der Unternehmensteuerreform 2008 sind vor<br />
allem die Gegenfinanzierungsmaßnahmen: Sie verschärfen<br />
die Substanzbesteuerung und erhöhen zugleich die<br />
Komplexität des ohnehin schon sehr komplizierten Unternehmensteuerrechts,<br />
so dass sich im Ergebnis auch<br />
die Investitionsbedingungen verschlechtern können.<br />
Die beschlossene Unternehmensteuerreform 2008<br />
verschiebt tendenziell die Struktur der Unternehmensteuerbelastung<br />
von der Körperschaftsteuer auf die<br />
Gewerbesteuer. Grund hierfür sind die Senkung der<br />
Körperschaftsteuersätze und die Ausweitung der ertragsunabhängigen<br />
Besteuerung: Anstatt die Gewerbesteuer<br />
durch eine ertragsorientierte Kommunalsteuer zu ersetzen,<br />
wird sie durch die pauschale Hinzurechung von Finanzierungsanteilen<br />
u. a. bei Mieten, Pachten und Zinsen<br />
massiv ausgebaut. Die unverhältnismäßig hohe Substanzbesteuerung<br />
bei der Gewerbesteuer trifft insbesondere ertragsschwache<br />
Unternehmen, die im Extremfall auch bei<br />
Verlusten Steuern zahlen müssten. Mit dem Jahressteuergesetz<br />
2008 konnte seitens der deutschen Wirtschaft zumindest<br />
eine leichte Entschärfung bei der Hinzurechnung<br />
von Immobilienmieten erreicht werden.<br />
Mit Einführung der Zinsschranke zum 1. Januar 2008<br />
wird der bisherige § 8a KStG zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung<br />
durch die generelle Begrenzung der steuerlichen<br />
Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen ersetzt.<br />
Konkret sieht § 4h EStG vor, dass die steuerliche Abzugs-<br />
Ertragsteuerbelastung: Deutschland rückt ins europäische Mittelfeld vor<br />
(Tarifbelastung von Kapitalgesellschaften)<br />
Irland<br />
Lettland<br />
Ungarn<br />
Polen<br />
EU<br />
Österreich<br />
OECD<br />
Schweden<br />
Deutschland 2008<br />
Großbritannien<br />
Frankreich<br />
Italien<br />
Deutschland <strong>2007</strong><br />
0 %<br />
5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % 40 %<br />
Quelle: KPMG, <strong>2007</strong>
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
113<br />
fähigkeit von Zinsaufwendungen für jeden Betrieb auf<br />
30 % des EBITDA (d. h. des Gewinns vor Zinsen, Steuern<br />
und Abschreibungen) beschränkt ist. Hierbei findet<br />
eine Freigrenze in Höhe von 1 Mio. € Anwendung.<br />
Die deutsche Zinsschranke ist im internationalen Vergleich<br />
viel zu restriktiv und zu bürokratisch angelegt. International<br />
üblich ist die Beschränkung auf den Zinsaufwand<br />
von Gesellschafterdarlehen bzw. auf Darlehen<br />
zwischen verbundenen Unternehmen, aber nicht die Erstreckung<br />
auf die gesamten Zinsaufwendungen.<br />
Ebenfalls unzulänglich ist das von der Bundesregierung<br />
beabsichtigte Maßnahmenbündel zur Besteuerung von<br />
Funktionsverlagerungen: Die Erstreckung auf Funktionsverdopplungen<br />
bedeutet im Ergebnis eine international<br />
nicht bekannte und damit investitionsschädliche Doppelbesteuerung<br />
von Funktionsverlagerungen.<br />
Unveränderter Handlungsbedarf besteht nach dieser<br />
Unternehmensteuerreform zudem bei größeren Personenunternehmen:<br />
Die vorgesehene begünstigte Besteuerung<br />
nicht entnommener Gewinne schafft keine Rechtsformneutralität<br />
bei der Unternehmensbesteuerung. Zwar<br />
verringert sich mit der Einführung der Thesaurierungsbegünstigung<br />
(§ 34a EStG) auf dem Papier für Personenunternehmen<br />
die Belastung auf Unternehmensebene auf<br />
29,77 %. Allerdings unterliegen entnommene Gewinne,<br />
die u. a. der Begleichung von Steuerschulden dienen,<br />
der Nachversteuerung. In der Praxis kann sich daher die<br />
Steuerbelastung auf bis zu 38 % belaufen. Auch bei Personenunternehmen<br />
muss daher zügig eine den Kapitalgesellschaften<br />
vergleichbare steuerliche Belastung von<br />
30 % durchgesetzt werden.<br />
Unzureichend ist auch die Abstimmung der neuen<br />
Unternehmensbesteuerung mit der ab Januar 2009<br />
greifenden Abgeltungsteuer. Diese Abgeltungsteuer<br />
sieht eine abgeltende Besteuerung der Einkünfte aus<br />
Kapitalvermögen mit einem Steuersatz von 25 % vor.<br />
Die beschlossene Abgeltungsteuer führt jedoch zu<br />
einer Diskriminierung eigenkapitalfinanzierter Investitionen<br />
in Unternehmen: Diese Investitionen werden<br />
mit rd. 48 % besteuert, während Fremdfinanzierungen<br />
lediglich der niedrigeren Abgeltungsteuer von 25 %<br />
unterliegen. Mit dieser Benachteiligung der Eigenkapitalfinanzierung<br />
verfehlt die Bundesregierung ihr selbst<br />
erklärtes Ziel, die Eigenkapitalbasis der Unternehmen<br />
zu stärken. Um die Finanzierungsneutralität sicherzustellen,<br />
sollte daher die Tarifbelastung bei Kapitalgesellschaften<br />
(von ca. 30 %) auf das Niveau der Abgeltungsteuer<br />
von 25 % abgesenkt werden. Um zusätzlich<br />
für die Beteiligungsfinanzierung eine annähernd hohe<br />
Belastung zu erzielen, müssten Ausschüttungen sowie<br />
Gewinne aus Anteilsverkäufen zumindest teilweise<br />
von der Abgeltungsteuer befreit werden.<br />
Zum steuerpolitischen Pflichtprogramm der Bundesregierung<br />
gehört deshalb weiterhin eine umfassende Unternehmensteuerreform:<br />
Damit der Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland insbesondere weiter gegenüber den europäischen<br />
Nachbarn aufholt, sind spätestens in der nächsten<br />
Legislaturperiode weitere Verbesserungen am unverändert<br />
komplizierten Unternehmensteuerrecht und bei der<br />
Abgeltungsteuer dringend erforderlich.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Unternehmensteuerreform<br />
2008“ veröffentlicht. Er ist über<br />
www.bda-online.de abrufbar.<br />
Erbschaftsteuerreform:<br />
Steuerliche Entlastung<br />
konsequent umsetzen<br />
Am 11. Dezember <strong>2007</strong> ist mit dem Kabinettsbeschluss<br />
das parlamentarische Verfahren zur Erbschaftsteuerreform<br />
eröffnet worden. Grundlage ist hierbei das Anfang<br />
November <strong>2007</strong> beschlossene Eckpunktepapier<br />
der von Ministerpräsident Koch und Bundesfinanzminister<br />
Steinbrück geleiteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe.<br />
Voraussichtlich bis Ende April 2008 soll das<br />
parlamentarische Verfahren im Bundestag abgeschlossen<br />
sein. Die sich hieran anschließende Beratung im<br />
Bundesrat kann dann sicherstellen, dass die Erbschaftsteuerreform<br />
voraussichtlich zum 1. Juli 2008 in Kraft<br />
tritt. Durch den Kabinettsbeschluss wird die Zusage<br />
des Koalitionsvertrages vom 11. November 2005,<br />
der den kompletten Wegfall der Erbschaftsteuer nach<br />
zehnjähriger Unternehmensfortführung vorsieht, nur<br />
unvollständig umgesetzt: Der Kabinettsbeschluss sieht<br />
eine Abschmelzung der Bemessungsgrundlage bei<br />
der Erbschaftsteuer um maximal 85 % vor. Die Gewährung<br />
dieses Abschlags setzt allerdings eine zehnjährige<br />
Unternehmensfortführung voraus, bei der die
114 Volkswirtschaft und Finanzen<br />
Zentrale Elemente der Erbschaftsteuerreform<br />
Steuersätze und Freibeträge<br />
• Anhebung der persönlichen Freibeträge für Ehegatten<br />
auf 500.000 €, für Kinder auf 400.000 €, für<br />
Enkel auf 200.000 € – zudem gleitende Freigrenze<br />
in Höhe von 150.000 € zur Sicherstellung der Bewertungsfreiheit<br />
bei einem Betriebsvermögen von<br />
150.000 €<br />
• Beibehaltung der Steuersätze in der Steuerklasse I<br />
(mit Sätzen von 7 bis 30 %), Anhebung der Steuersätze<br />
in den Steuerklassen II und III (auf 30 % bei<br />
einem Vermögen bis 6 Mio. € und auf 50 % über<br />
darüberliegendes Vermögen)<br />
Neue Verschonungsregelung beim Betriebsvermögen<br />
• Bewertung des Betriebsvermögens und des Grundvermögens<br />
mit dem Verkehrswert auf Basis des Beschlusses<br />
der Finanzministerkonferenz vom 21. Juni<br />
<strong>2007</strong> – Umsetzung durch Rechtsverordnung<br />
• 85 %iger Bewertungsabschlag von der Bemessungsgrundlage<br />
beim Betriebsvermögen – 15 %<br />
des Betriebsvermögens unterliegen der Erbschaftsbesteuerung<br />
• Fortführungsklausel: Lohnsumme darf in den zehn<br />
Jahren der Unternehmensfortführung in keinem<br />
Jahr geringer sein als 70 % der Lohnsumme vor der<br />
Vermögensübertragung – sonst entfällt pro Jahr der<br />
Unterschreitung ein Zehntel des Abschlags<br />
• 15-jährige Bindungsfrist für das Betriebsvermögen<br />
– mit Nachversteuerungspflicht bei Veräußerung<br />
oder Entnahme, die aber bei Reinvestition<br />
entfällt<br />
• Kein Bewertungsabschlag bei vermögensverwaltenden<br />
Unternehmen mit einem Verwaltungsvermögen<br />
(z. B. fremdvermietete Grundstücke, Kunstgegenstände),<br />
das mehr als 50 % des Betriebsvermögens<br />
ausmacht<br />
Lohnsumme in keinem Jahr geringer sein darf als 70 %<br />
der Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor der Unternehmensübertragung.<br />
In jedem Jahr, in dem diese<br />
Lohnsumme unterschritten wird, entfällt ein Zehntel<br />
des gewährten Abschlags. Das vorhandene Betriebsvermögen<br />
muss zudem über 15 Jahre im Betrieb gehalten<br />
werden, sonst unterliegt das entnommene Vermögen<br />
einer Nachversteuerung. Mit dieser Regelung<br />
soll offensichtlich dem Steuermissbrauch durch Umwidmung<br />
von privatem in betriebliches Vermögen ein<br />
Riegel vorgeschoben werden. Zugleich ist vorgesehen,<br />
dass pauschal 15 % des Unternehmenswertes als privat<br />
genutztes Vermögen anzusehen sind und damit<br />
der Erbschaftsbesteuerung unterliegen.<br />
Insgesamt wird das deutsche Erbschaftsteuerrecht mit<br />
der zehnjährigen Fortführungsklausel und der 15-jährigen<br />
Vermögensbindungsfrist komplizierter. Erfreulich<br />
ist, dass – entgegen zwischenzeitlichen Erwägungen –<br />
das betriebliche Auslandsvermögen unter die steuerliche<br />
Begünstigung fallen soll. Problematisch ist allerdings,<br />
dass vermögensverwaltende Unternehmen nur<br />
dann der steuerlichen Begünstigung unterliegen, wenn<br />
das sog. Verwaltungsvermögen (z. B. fremdvermietete<br />
Grundstücke, Kunstgegenstände) nicht mehr als 50 %<br />
des Betriebsvermögens ausmacht. Im weiteren parlamentarischen<br />
Verfahren kommt es zudem darauf an,<br />
die erhebliche Doppelbelastung mit Einkommen- und<br />
Erbschaftsteuer, die bei der Übertragung stiller Reserven<br />
bei den derzeit geplanten Regelungen entsteht, zu<br />
beseitigen.<br />
Als Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />
vom 7. November 2006 müssen die Bewertungsvorschriften<br />
neu gefasst werden und sich an den Verkehrswerten<br />
orientieren. Diese Neufassung nur für sich<br />
genommen würde zu einem erheblichen Anstieg der<br />
Steuerlast führen – im Durchschnitt zu einer Verdopplung,<br />
in einigen Fällen so gar mehr als das. Zur derzeitigen<br />
Verunsicherung über die tatsächliche Belastung<br />
trägt sicher auch bei, dass bislang geplant ist, das neue<br />
Bewertungsrecht nicht im Gesetz selbst, sondern in einer<br />
Rechtsverordnung zu regeln.<br />
Bei der geplanten Reform der Erbschaftsteuer sollte<br />
letztlich die steuerliche Entlastung zur Erleichterung<br />
der Unternehmensnachfolge gelingen. Ein falsches Signal<br />
des Gesetzgebers wäre es dagegen, wenn als Folge
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
115<br />
der Erbschaftsteuerreform die steuerliche Belastung der<br />
Unternehmenserben ansteigt. Dies ist angesichts des<br />
angestrebten Erbschaftsteuervolumens von gut 4 Mrd. €<br />
jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Die beste Lösung<br />
wäre die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Mittlerweile<br />
machen sich Österreich und Tschechien auf den Weg,<br />
diese Steuer abzuschaffen – nachdem bereits in Schweden<br />
und Portugal hierauf verzichtet wird. Frankreich<br />
wird zumindest ab 2008 die Ehegatten freistellen – und<br />
damit dem Vorbild von Luxemburg und Schweizer Kantonen<br />
folgen. Dies zeigt, dass die Erbschaftsteuer in Europa<br />
auf dem Rückzug ist.<br />
Föderalismusreform II:<br />
Nettokreditaufnahme wirksam<br />
begrenzen<br />
Deutschland hat bei der Konsolidierung der öffentlichen<br />
Finanzen beachtliche Fortschritte gemacht.<br />
Erstmals seit Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht<br />
erreichen die öffentlichen Haushalte <strong>2007</strong> einen ausgeglichenen<br />
Gesamthaushalt: Während die Gesamtheit<br />
der Bundesländer sogar einen Überschuss erzielt,<br />
steckt der Bund immer noch in den roten Zahlen. Hier<br />
sind auf der Ausgabenseite noch weitere Konsolidierungsanstrengungen<br />
erforderlich, um den Bundeshaushalt<br />
nachhaltig zu sanieren.<br />
Damit die insgesamt gute Entwicklung bei den öffentlichen<br />
Finanzen nicht ein Strohfeuer bleibt, sollte die von Bund<br />
und Ländern eingesetzte Föderalismuskommission II ebenso<br />
wirksame wie sanktionsbewährte Regeln zur Schuldenbegrenzung<br />
vorlegen. Mit ersten konkreten Ergebnissen<br />
zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen<br />
wird zum ersten Quartal 2008 gerechnet. Zusammen mit<br />
dem BDI hat die BDA eigene Reformvorschläge vorgelegt.<br />
Die Vorgabe von Art. 115 Grundgesetz, nach der die Kreditaufnahme<br />
die Investitionsausgaben nicht überschreiten<br />
darf, hat sich in der politischen Praxis als ein wenig wirksames<br />
Instrument erwiesen. Eine wirksame Beschränkung<br />
des immer schneller anwachsenden Schuldenbergs der<br />
öffentlichen Hand gehört deshalb zum Pflichtprogramm<br />
der großen Koalition. Dies schließt insbesondere die verbindliche<br />
Verankerung eines mittelfristigen Haushaltsausgleichs<br />
in die Verfassung ein. Neben dem Haushaltsausgleich<br />
und dem Abbau der hohen Staatsverschuldung<br />
von derzeit über 67 % des Bruttoinlandsprodukts sind<br />
zudem automatische Sanktionsmaßnahmen erforderlich,<br />
die bei verfassungswidrigen Haushalten auf Bundes- und<br />
Länderebene greifen. Dies erfordert u. a. ein beschleunigtes<br />
Klageverfahren vor dem Verfassungsgericht mit einer<br />
Entscheidung innerhalb von 60 Tagen.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Föderalismusreform<br />
II“ veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de<br />
abrufbar.
116
117<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
118 Gesellschaftspolitik<br />
Nachhaltige Gesellschaftspolitik<br />
stützen<br />
Die Familienpolitik dominierte die gesellschaftspolitische<br />
Diskussion des Jahres <strong>2007</strong>. Nach der Einführung<br />
des Elterngeldes zum 1. Januar <strong>2007</strong> richtete sich<br />
der Blick der Politik vor allem auf den Ausbau der<br />
Kinderbetreuung. Die BDA brachte sich mit Vorschlägen<br />
in die Diskussion ein und unterstrich dabei abermals<br />
das intensive familienpolitische Engagement der<br />
Unternehmen.<br />
Wie in den vergangenen Jahren suchte die BDA den<br />
Dialog mit gesellschaftlich relevanten Akteuren. Insbesondere<br />
zu den Kirchen wurde der konstruktive Kontakt<br />
gehalten. Die BDA war in der Projektleitung zur Vorbereitung<br />
des Evangelischen Kirchentages in Köln vertreten<br />
und organisierte einen Gesprächsabend zum Thema<br />
„Migration und Integration“. Darüber hinaus gab es einen<br />
regen Gedankenaustausch mit den christlichen Unternehmerverbänden<br />
– dem Arbeitskreis Evangelischer<br />
Unternehmer (AEU) und dem Bund katholischer Unternehmer<br />
(BKU). Auf dem Sommerempfang des Bundes<br />
katholischer Unternehmer (BKU) am 19. September<br />
<strong>2007</strong> nutzte Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt<br />
in seinem Festvortrag „Mit Werten führen“ die Gelegenheit,<br />
insbesondere die Verantwortung von Führungskräften<br />
hervorzuheben.<br />
Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Kirche<br />
und Wirtschaft“ sowie den kompakt „Wirtschaftsethik“<br />
veröffentlicht. Sie sind über www.bda-online.de<br />
zugänglich.<br />
Die vielfach populistisch geführte Diskussion über die<br />
Themen Managergehälter und Abfindungen haben dem<br />
Bild des Unternehmers und der Glaubwürdigkeit der<br />
Wirtschaft insgesamt geschadet. Die BDA hat sich hier<br />
klar positioniert, vor gesetzlichen Regelungen gewarnt<br />
und zur Übernahme von Verantwortung, aber auch zu<br />
einer differenzierten Betrachtung des Unternehmerbildes<br />
aufgerufen.<br />
Darüber hinaus war die BDA gefragter Gesprächspartner<br />
der Parteien. Mit CDU und SPD gab es einen intensiven<br />
Austausch zu den Entwürfen der Grundsatzprogramme.<br />
Mit Stellungnahmen, aber auch durch<br />
das direkte Gespräch mit den Spitzen der Parteien<br />
brachte sich die BDA in die Diskussion ein. Zudem<br />
war die BDA auf den Parteitagen von SPD, CDU und<br />
Bündnis 90/Die Grünen präsent. Nicht zuletzt bot der<br />
gemeinsame Parlamentarische Abend mit BDI und<br />
DIHK am 18. September einen Rahmen für Politik und<br />
Wirtschaft, sich auszutauschen und die unterschiedlichen<br />
Positionen zu beleuchten.<br />
45. Kolloquium der Walter-<br />
Raymond-Stiftung<br />
Am 25. und 26. März <strong>2007</strong> fand in Berlin das 45. Kolloquium<br />
zum Thema „Wirkungen der Globalisierung<br />
auf Politik und Gesellschaft“ der Walter-Raymond-Stiftung<br />
statt. „Man kann für sie sein oder gegen sie – der<br />
Globalisierung ist das egal.“ So brachte es der saarländische<br />
Ministerpräsident Peter Müller MdL (CDU) auf<br />
dem Kolloquium zugespitzt auf den Punkt. Der Austausch<br />
von Gütern, Dienstleistungen, Wissen und Kapital<br />
über Landesgrenzen hinweg ist längst Wirklichkeit<br />
und wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten<br />
weiter zunehmen. Den Menschen in Deutschland aber<br />
ist es nicht egal. Sie nehmen die Globalisierung mehr<br />
und mehr negativ wahr. Die Mehrheit der Deutschen<br />
verbindet mit dem Begriff die Verlagerung und den<br />
Verlust von Arbeitsplätzen und eine Gefährdung des<br />
Sozialsystems. Die Chancen der Globalisierung finden<br />
inzwischen weit weniger Zustimmung als noch in den<br />
1990er Jahren. Dabei hat die Globalisierung den Ländern,<br />
die sich an ihr beteiligt haben, massive Wohlstandsgewinne<br />
gebracht.<br />
Offensichtlich reicht aber eine rein ökonomische Analyse<br />
längst nicht mehr aus, um die Globalisierung zu<br />
verstehen. Zunehmend rücken gesellschaftliche und<br />
kulturelle Fragestellungen ins Zentrum der Debatte.<br />
Aus diesem Grunde setzte sich das 45. Kolloquium der<br />
Walter-Raymond-Stiftung unter dem Titel „Wirkungen<br />
der Globalisierung auf Politik und Gesellschaft“ zum<br />
Ziel, die Globalisierung als politisches und gesellschaftliches<br />
Phänomen zu diskutieren. Auf die Frage nach ihrer<br />
Gestaltbarkeit suchten die rund 100 Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik<br />
in Diskussionen mit hochkarätigen Referenten aus<br />
verschiedenen Disziplinen nach Antworten.
Gesellschaftspolitik<br />
119<br />
Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt zur Diskussion<br />
Über Managergehälter<br />
Auszug aus der Rede auf dem Deutschen Arbeitgebertag <strong>2007</strong> am 11. Dezember:<br />
„Meine Damen und Herren,<br />
die aktuelle Debatte über Managergehälter und Abfindungen nehme ich sehr ernst, weil es leider vereinzelt Beispiele<br />
gibt, die unserer Glaubwürdigkeit schaden. Uns muss alarmieren, dass der sichtbare und messbare Erfolg der<br />
sozialen Marktwirtschaft sich nicht mehr im Vertrauen der Bürger spiegelt. Im Gegenteil scheint das Unbehagen<br />
zu wachsen, auf dem globalen Spielfeld nicht mehr Akteur zu sein, sondern Spielball anderer. Alte Gewissheiten<br />
geraten ins Wanken. Engagement, Qualifikation, Mobilität sind nur noch Voraussetzungen für wirtschaftlichen<br />
Erfolg, aber nicht mehr ihre Garantie. Einerseits ist das der Preis, den wir für eine offene Volkswirtschaft entrichten<br />
müssen. Aber es wäre zu wenig, nur achselzuckend auf die Zwänge der Globalisierung zu verweisen. Ohne Legitimation<br />
nach innen bleibt die Marktwirtschaft gefährdet, auch wenn sie keinen äußeren Feind mehr hat. Marktwirtschaft<br />
braucht nicht nur Wettbewerbsregeln, sondern auch eine Ethik der Verantwortung als Sperre gegen<br />
Kontrollverlust und Maßlosigkeit.<br />
Ich bin weit davon entfernt, wirtschaftskritische Schlagzeilen der letzten Wochen mit der Wirklichkeit in unseren<br />
Unternehmen zu verwechseln. Gewiss war vieles verzerrt und übertrieben. Aber leider doch nicht immer völlig<br />
falsch.<br />
Uns Unternehmern kann es nicht gleichgültig sein, wenn der falsche Eindruck entsteht, die Wirtschaft sei mehr<br />
durch Korruption und Selbstbedienung bestimmt als durch Innovationskraft und Leistungsbereitschaft. Es muss<br />
nachdenklich machen, wenn vereinzelt der Eindruck entsteht, dass Mitarbeiter mehr am Wohl des Unternehmens<br />
interessiert scheinen als mancher Vorstand oder auch mancher Betriebsratsvorsitzender.<br />
Dass die ganz überwiegende Zahl der Manager und Betriebsräte für das Wohl des Unternehmens alles tun, unterstreiche<br />
ich. Aber es gibt – hier wie da – schlechte Beispiele. Uns kann nicht egal sein, wenn Mitarbeiter ihre<br />
Leistung und ihr Engagement missachtet sehen, weil unternehmensbedrohende Fehlentscheidungen angestellter<br />
Manager mit Millionenabfindungen vergoldet werden oder Betriebsräte als vermeintliche Co-Manager auf Unternehmenskosten<br />
Luxus genießen.<br />
Wer auf solche Fehlentwicklungen hinweist, schürt nicht Neid oder Missgunst, sondern macht ernst mit dem<br />
Leistungsprinzip. Wir Unternehmer setzen die Legitimation der sozialen Marktwirtschaft auf unsere Agenda – insbesondere<br />
durch Verteidigung ihrer Grundprinzipien auch nach innen. Wenn wir hier versagen würden, dürften<br />
wir uns nicht wundern, wenn Misstrauen entsteht. Allerdings sage ich auch: Wenn Missmanagement festgestellt<br />
wird, muss sich ein Aufsichtsrat von einem Vorstand auch dann trennen können, wenn eine Abfindung anstelle<br />
der Vertragserfüllung unvermeidbar ist. Und wer glaubt, das per Gesetz regeln zu können, ist auf dem Holzweg!<br />
Es mag vereinzelt Ausnahmen von Maßlosigkeit geben, aber insgesamt gehen wir in der Wirtschaft damit sehr viel<br />
verantwortungsvoller um als in anderen Bereichen der Gesellschaft, z. B. bei Spitzensportlern oder Medienstars.<br />
Wenn Manager erfolgreich sind und erfolgsabhängig hohe Gehälter bekommen, ist das in Ordnung. Wir wollen<br />
schließlich die besten Manager und die sind weltweit gefragt.<br />
Und wir alle wissen: Die Managergehälter in Deutschland sind im internationalen Vergleich keineswegs überhöht.<br />
Wir müssen auch in dieser Debatte wachsam nach innen, aber auch standhaft nach außen sein.“
120 Gesellschaftspolitik<br />
Zu Beginn des Kolloquiums warb der Münchner Sozialpsychologe<br />
Dieter Frey angesichts zunehmender<br />
Erosion des Vertrauens in Wirtschaft und Politik für<br />
eine Verstärkung der Kommunikationsanstrengungen<br />
der Eliten in Wirtschaft und Politik und für mehr prozedurale<br />
Fairness. Die Frage nach der Gerechtigkeit<br />
angesichts der Globalisierung griff Detlef Horster<br />
(Hannover) aus sozialpsychologischer Sicht auf. Er<br />
stellte den Begriff der Menschenwürde in den Mittelpunkt<br />
seiner Ausführungen und warnte vor einer synonymen<br />
Verwendung der Begriffe Gerechtigkeit und<br />
Gleichheit (der Verteilung). Warum der Nationalstaat<br />
auch in Zeiten der Globalisierung kein Auslaufmodell<br />
ist, begründete Stephan Leibfried (Bremen) in seinem<br />
Beitrag. Denn auch ein freier Markt wird erst durch<br />
das Recht konstituiert und bedarf der Rechtsdurchsetzung<br />
und der Wohlfahrtspufferung durch den Nationalstaat.<br />
Der Bochumer Soziologe Ludger Pries analysierte<br />
die Entwicklungslinien der Gewerkschaften<br />
zwischen steigender Wettbewerbsintensität auf offenen<br />
Arbeitsmärkten und grenzüberschreitenden Produktionsketten.<br />
Spiegelbildlich veranschaulichte der<br />
Unternehmer Randolf Rodenstock die Zwänge und<br />
Gestaltungsmöglichkeiten, unter denen Unternehmen<br />
angesichts des zunehmenden Globalisierungsdrucks<br />
stehen, sehr nachdrücklich.<br />
Zu den Aufgaben und Grenzen der Politik im sozialen<br />
Rechtsstaat äußerten sich schließlich die beiden Politiker<br />
Olaf Scholz MdB und Saarlands Ministerpräsident<br />
Peter Müller MdL. Scholz bekräftigte, dass Deutschland<br />
insgesamt von der Globalisierung profitiert habe,<br />
zugleich jedoch die sozialen Sicherungssysteme unter<br />
einem gravierenden Anpassungsdruck stünden. Müller<br />
stellte die Stärkung der Eigenverantwortung und die notwendige<br />
Rückbesinnung des Staates auf seine Kernaufgaben<br />
in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. „Wenn<br />
der Staat sich zurücknehmen kann, können wir die Globalisierung<br />
meistern“, resümierte Müller.<br />
Alle Vorträge sind im Sommer <strong>2007</strong> in einem Tagungsband<br />
erschienen, der mit einer bilanzierenden Zusammenfassung<br />
der Vorträge und der Diskussionsbeiträge<br />
endet. Er liegt als Band 47 der Großen Reihe vor und<br />
kann im Internet unter www.arbeitgeberbibliothek.de<br />
bestellt werden.<br />
Ausbau der Kinderbetreuung<br />
wichtiger Baustein für bessere<br />
Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf<br />
Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt<br />
ein wichtiges Anliegen der Arbeitgeber. Der zweite<br />
„Monitor Familienfreundlichkeit“ vom Dezember<br />
2006, der vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />
erarbeitet worden ist, hat klar dokumentiert, dass das<br />
Bewusstsein für das Thema „Familienfreundlichkeit“ in<br />
den letzten Jahren stark gestiegen ist: Fast drei Viertel<br />
aller Befragten schätzen Familienfreundlichkeit für das<br />
eigene Unternehmen als sehr wichtig oder wichtig ein,<br />
mehr als 90 % der Unternehmen bieten inzwischen<br />
familienfreundliche Maßnahmen, vor allem auch flexible<br />
Arbeitszeitmodelle, an. Eine familienbewusste<br />
Personalpolitik ist ein Gewinn für Arbeitergeber und<br />
Arbeitnehmer: Sie unterstützt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
mit Familienverantwortung dabei, eine gute<br />
Balance zwischen Beruf und Familie zu finden, und<br />
die Unternehmen profitieren durch geringere Fehlzeiten,<br />
eine geringere Fluktuation und steigern durch<br />
familienfreundliche Maßnahmen zugleich die Attraktivität<br />
des Unternehmens in der Öffentlichkeit.<br />
Die BDA hat aber immer wieder darauf hingewiesen,<br />
dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf insgesamt<br />
nur dann gelingen kann, wenn die Kinderbetreuung,<br />
besonders für Kinder unter drei Jahren, deutlich ausgebaut<br />
wird. Gerade auch vor dem Hintergrund des perspektivisch<br />
noch zunehmenden Fachkräftebedarfs ist es<br />
zudem nicht hinnehmbar, dass junge Mütter und Väter<br />
aufgrund einer unzureichenden Kinderbetreuungsinfrastruktur<br />
häufig gezwungen werden, länger aus dem<br />
Beruf auszusteigen, als sie es sich wünschen, nur weil<br />
die Betreuung ihrer Kinder nicht gewährleistet ist. Vor<br />
diesem Hintergrund begrüßt die BDA den Beschluss<br />
der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die sich Ende August<br />
<strong>2007</strong> nach einer siebenmonatigen Verhandlungszeit<br />
über die zukünftige Finanzierung der Kinderbetreuung<br />
geeinigt hat. Der Beschluss sieht vor, dass bis 2013 für<br />
35 % der unter Dreijährigen ein Betreuungsplatz bei<br />
einer Tagesmutter oder in einem Kindergarten vorhanden<br />
sein soll. Insgesamt würden dann ca. 750.000 Angebote<br />
für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung stehen.<br />
Die Arbeitsgruppe hat sich darüber hinaus darauf
Gesellschaftspolitik<br />
121<br />
verständigt, dass ab dem Jahr 2013 erstmals auch für<br />
Kinder unter drei Jahren ein Rechtsanspruch auf einen<br />
Betreuungsplatz besteht.<br />
Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung, die insgesamt<br />
mindestens 12 Mrd. € betragen wird, in der Aufbauphase<br />
mit vorerst insgesamt 4 Mrd. €. Diese verteilen<br />
sich wie folgt: Von 2008 an wird der Bund für Investitionen<br />
in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen<br />
2,15 Mrd. € zur Verfügung stellen. Der Restbetrag<br />
wird über die Umsatzsteuerverteilung an die Länder<br />
weitergeleitet und soll diese bei den Betriebsausgaben<br />
der Betreuungseinrichtungen unterstützen. Hiermit wird<br />
berücksichtigt, dass die neuen Länder bereits über eine<br />
recht gute Infrastruktur verfügen. Aber auch nach der<br />
Aufbauphase wird sich der Bund zukünftig weiter an der<br />
Finanzierung der Kinderbetreuung beteiligen. Ab 2014<br />
wird der Bund durch einen jährlichen Zuschuss von<br />
770 Mio. € einen Teil der weiter anfallenden Betriebskosten<br />
übernehmen.<br />
Der Beschluss des Ausbaus der Kinderbetreuung ist<br />
ein längst überfälliger wichtiger und notwendiger Baustein,<br />
um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter<br />
zu verbessern. Nur wenn in Deutschland ein ausreichendes<br />
Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder<br />
unter drei Jahren vorhanden ist, haben Mütter und Väter<br />
die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren.<br />
Die BDA wird sich auch weiterhin, u. a. in der Allianz<br />
für die Familie, dafür einsetzen, dass Familienfreundlichkeit<br />
zu einem Markenzeichen der deutschen Wirtschaft<br />
wird.<br />
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Familienpolitik“<br />
sowie den kompakt „Chancengleichheit von<br />
Frauen und Männern im Berufsleben“ veröffentlicht.<br />
Diese sind über www.bda-online.de abrufbar.<br />
Unternehmenswettbewerb<br />
„Erfolgsfaktor Familie 2008“<br />
gestartet<br />
Im Oktober <strong>2007</strong> hat BDA-Präsident Dr. Dieter<br />
Hundt zusammen mit Bundesfamilienministerin<br />
Dr. Ursula von der Leyen den Unternehmenswettbewerb<br />
„Erfolgsfaktor Familie“ gestartet. Der Wettbewerb,<br />
der unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin<br />
steht, zeichnet Arbeitgeber für eine<br />
vorbildliche familienbewusste Personalpolitik aus.<br />
Der Wettbewerb bietet Unternehmen die Möglichkeit,<br />
öffentlichkeitswirksam auf ihr familienpolitisches<br />
Engagement aufmerksam zu machen und<br />
ihre familienbewusste Personalpolitik gezielt als<br />
Personalmarketing-Instrument einzusetzen. Die<br />
familienbewusste Personalpolitik gewinnt immer<br />
stärker an Bedeutung, gerade auch, weil die Unternehmen<br />
im zunehmenden Wettbewerb um Fachund<br />
Führungskräfte stehen. Mehr als 90 % der<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen<br />
25 und 39 Jahren haben laut einer Umfrage angegeben,<br />
dass bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers<br />
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine<br />
wichtigere oder zumindest ebenso wichtige Rolle<br />
wie das Gehalt spielt. Ziel des Unternehmenswettbewerbs<br />
ist es, neue Ideen und gute betriebliche<br />
Praxis in die Breite zu tragen und zu zeigen, dass<br />
sowohl die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als<br />
auch die Unternehmen mit relativ geringem Aufwand<br />
von familienfreundlichen Maßnahmen profitieren<br />
können. Die Sieger des Wettbewerbes werden<br />
im Mai 2008 in Berlin von Bundeskanzlerin<br />
Dr. Angela Merkel ausgezeichnet.
122
123<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
124 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:<br />
Sachlich und konsequent<br />
Unter dem Strich war diese Form der medialen Auseinandersetzung<br />
in den vergangenen zwölf Monaten<br />
sehr erfolgreich.<br />
Sachlichkeit und Konsequenz sind die bestimmenden<br />
Leitsätze für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der<br />
BDA. Sachlichkeit beweisen die Arbeitgeber vor allem<br />
im medialen Stil: Die BDA setzt in ihrer Pressearbeit<br />
seit langem auf inhaltlich fundierte Kritik mit konkreten<br />
Änderungs- und Verbesserungsvorschlägen. Wolkige<br />
Worte oder unseriöse Schlagzeilen gehören dagegen<br />
nicht zum Repertoire. Dieser Linie ist die BDA<br />
auch im Jahr <strong>2007</strong> treu geblieben. Sie trägt damit ihren<br />
Teil zu der insgesamt unaufgeregteren Medienberichterstattung<br />
bei, die sich in den letzten beiden Jahren<br />
etabliert hat.<br />
Wo es die Sache erfordert, geht die BDA zugleich mit<br />
höchster Konsequenz an die Öffentlichkeit. Beispielsweise<br />
wurde die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im<br />
Laufe des Jahres intensiviert, als vor allem in der Arbeitsmarktpolitik<br />
wichtige Entscheidungen anstanden.<br />
In dieser Situation scheute die BDA auch vor unangenehmen<br />
Wahrheiten und klaren Worten nicht zurück.<br />
Hundt für niedrigeren Arbeitslosenbeitrag<br />
Arbeitgeberpräsident: Nürnberger Überschüsse sind<br />
nicht für unerledigte Reformaufgaben<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung, April <strong>2007</strong><br />
Das übergeordnete Ziel der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
der BDA ist die Modernisierung des Standorts<br />
Deutschland und die Förderung der entsprechenden<br />
Reformbereitschaft. Im letzten Jahr wurden<br />
die Schlagzeilen wesentlich von der Kontroverse um<br />
einen Mindestlohn und den Reformen auf dem Arbeitsmarkt<br />
bestimmt. Darüber hinaus standen Themen<br />
wie die Pflegeversicherung, die Unfallversicherung<br />
und die Zuwanderung auf der Agenda. Zu diesen Projekten<br />
wurden die Positionen, Interessen und Forderungen<br />
der Arbeitgeber gezielt in die Öffentlichkeit<br />
getragen. Die Intensität war hoch: Insgesamt hat die<br />
BDA im vergangenen Jahr weit über 100 Presseerklärungen<br />
herausgegeben und sich in zahlreichen Inter-
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
125<br />
views, Stellungnahmen und Pressekonferenzen gegenüber<br />
den Medien geäußert.<br />
In der internen Kommunikation setzt die BDA auf<br />
einen intensiven Kontakt mit den Pressestellen der<br />
Mitgliedsverbände. Neben dem regelmäßigen informellen<br />
Austausch spielt dabei auch der „Arbeitskreis<br />
der Pressesprecher“ eine zentrale Rolle. Er bietet den<br />
Pressesprechern von BDA und Mitgliedsverbänden<br />
die Möglichkeit zum direkten Dialog und zur internen<br />
Vernetzung. Auch werden die Treffen zum Gedankenaustausch<br />
mit renommierten Journalisten genutzt. Im<br />
Jahr <strong>2007</strong> waren Thorsten Alsleben vom Hauptstadtstudio<br />
des ZDF und Christoph Schultheiß von BILDblog<br />
zu Gast.<br />
präsident Dr. Dieter Hundt rief die Politik in seiner Rede<br />
dazu auf, die Chance zu ergreifen und den konjunkturellen<br />
Rückenwind für weitere Reformen zu nutzen. Dieser<br />
Aufruf kam nicht nur bei den rd. 1.500 hochrangigen<br />
Gästen gut an, sondern wurde auch von zahlreichen<br />
Journalisten aus dem In- und Ausland aufgegriffen, wodurch<br />
eine breite Medienberichterstattung erreicht wurde.<br />
Die Präsenz des Deutschen Arbeitgebertages und<br />
der BDA reichte von den großen TV-Nachrichten bis zu<br />
den Titelseiten der Zeitungen. Insgesamt gab die Veranstaltung<br />
den politischen Botschaften der Arbeitgeber<br />
weit über den Tag hinaus Stimme und Gewicht.<br />
Medienereignis <strong>2007</strong><br />
Pressekonferenzen, Interviews,<br />
Gastkommentare<br />
Thematisch standen vor allem die Arbeitsmarktpolitik,<br />
die Auseinandersetzungen über einen Mindestlohn<br />
sowie die Pflege- und Unfallversicherungsreform im<br />
Mittelpunkt. Die BDA kommunizierte die Positionen<br />
der Arbeitgeber durch eine Reihe von Pressekonferenzen<br />
und trat wiederholt vor die Bundespressekonferenz.<br />
Selbstverständlich wurden diese Medienaktivitäten<br />
jeweils mit einer Vielzahl von Interviews und<br />
Stellungnahmen flankiert. Da die rechtlichen und politischen<br />
Implikationen in vielen Fällen äußerst komplex<br />
sind, wurden die Themen zusätzlich in Hintergrundgesprächen<br />
immer wieder detailliert erläutert.<br />
Wo es die Situation erforderte, setzte die BDA außerdem<br />
auf längere Gastkommentare in renommierten<br />
Tageszeitungen.<br />
Wirtschaft rügt Arbeitsmarktpolitik<br />
Handelsblatt, Juni <strong>2007</strong><br />
Medienereignis Deutscher<br />
Arbeitgebertag<br />
Zu den medialen Highlights des Jahres gehört traditionell<br />
der Deutsche Arbeitgebertag in Berlin. Arbeitgeber-<br />
Deutscher Arbeitgebertag<br />
Der Deutsche Arbeitgebertag am 11. Dezember <strong>2007</strong><br />
mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, SPD-Chef<br />
Kurt Beck, dem Fraktionsvorsitzenden von Bündnis<br />
90/Die Grünen, Fritz Kuhn, und FDP-Chef Dr. Guido<br />
Westerwelle war ein großes Medienereignis:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Berichterstattung in nahezu allen Medien<br />
Live-Übertragung auf Phoenix, n-tv, N24<br />
Beiträge u. a. in Frankfurter Allgemeine Zeitung,<br />
Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Tagesschau,<br />
heute, RTL Aktuell<br />
Über 150 Journalisten<br />
25 Kamerateams und Fotografen<br />
Einen besonderen Fokus legt der Deutsche Arbeitgebertag<br />
traditionell auf die Bildungspolitik. Der Deutsche<br />
Arbeitgeberpreis für Bildung ist ein fester Bestandteil<br />
im Programm und genießt von Jahr zu Jahr mehr<br />
mediale Aufmerksamkeit. Diesmal stand das Thema<br />
Entrepreneurship und damit das unternehmerische<br />
Denken bzw. Handeln im Mittelpunkt. Über die Preisverleihung<br />
und die Preisträger berichteten u. a. die<br />
Financial Times Deutschland, Phoenix und zahlreiche<br />
Regionalzeitungen.<br />
Wirtschaft warnt Union und SPD<br />
„Macht den Aufschwung nicht kaputt!“<br />
BILD, Oktober <strong>2007</strong>
126 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
TV-Berichterstattung <strong>2007</strong><br />
ARD Tagesschau<br />
Eigene Publikationen und Medien<br />
Die Kommunikation der BDA setzt vor allem auf die Berichterstattung<br />
in Presse, Hörfunk und Fernsehen. Dennoch<br />
werden nach wie vor auch eigene Publikationen<br />
und Medien genutzt, um die Positionen der Arbeitgeber<br />
einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Insbesondere<br />
die Internetseite www.bda-online.de hat sich<br />
inzwischen als beliebtes Informationsangebot etabliert.<br />
Die Seite bietet aktuelle Nachrichten und Positionen der<br />
Arbeitgeber sowie eine große Fülle vertiefender Hintergrundinformationen<br />
zu den einzelnen BDA-Themen.<br />
Besonders gefragt ist die Reihe kompakt, die jeweils<br />
auf zwei Seiten einen schnellen und zuverlässigen Einstieg<br />
in die verschiedenen Sachthemen bietet. Insgesamt<br />
wurden im Jahr <strong>2007</strong> weit über 24 Mio. Zugriffe auf die<br />
BDA-Homepage registriert, was rd. 65.000 Zugriffen<br />
pro Tag entspricht.<br />
ZDF heute<br />
Über die Internetseite haben Nutzer auch die Möglichkeit,<br />
sich direkt mit ihren Anliegen, Fragen und Kommentaren<br />
an die BDA zu wenden. Dieser Service wird<br />
gerade von jungen Menschen gerne in Anspruch genommen.<br />
Die BDA nimmt Zuschriften sehr ernst und<br />
legt großen Wert darauf, jede seriöse Anfrage so schnell<br />
wie möglich zu beantworten.<br />
Phoenix<br />
Abgerundet wird das Angebot durch die Informationsdienste<br />
„BDA Newsletter“, „Euro-Info“ und „Arbeitgeber“.<br />
Die beiden erstgenannten Angebote werden per<br />
Mail verschickt und können von Interessenten kostenfrei<br />
über die Internetseite abonniert werden. Sie informieren<br />
regelmäßig über aktuelle Entwicklungen auf den<br />
Themengebieten der BDA, wobei sich der „Euro-Info“<br />
ganz speziell um das Geschehen auf der europäischen<br />
Ebene kümmert. Seit dem Jahr 2006 ist die BDA außerdem<br />
mit der vierseitigen Beilage „Arbeitgeber – Das<br />
BDA-Spezial zur unternehmerischen Sozialpolitik“ in<br />
der Zeitschrift PERSONAL vertreten. Sie versorgt die<br />
Leser regelmäßig mit tiefer gehenden Hintergrundinformationen<br />
und aktuellen politischen Analysen. Die monatlich<br />
erscheinende Zeitschrift PERSONAL ist dabei<br />
ein guter Partner und kann von Interessenten abonniert<br />
werden. Weitere Informationen finden sich im Internet<br />
unter www. personal-im-web.de.<br />
n-tv
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
127
129<br />
VORWORT<br />
ARBEITSMARKT<br />
ARBEITSRECHT<br />
TARIFPOLITIK<br />
SOZIALE SICHERUNG<br />
BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG<br />
EUROPÄISCHE UND<br />
INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK<br />
Volkswirtschaft und Finanzen<br />
GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />
PRESSE- UND<br />
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />
BDA-ORGANISATION<br />
IN MEMORIAM<br />
BDA-ORGANIGRAMM
130 BDA-Organisation<br />
BDA-Mitgliedsverbände<br />
Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände<br />
Sachsen-Anhalt e. V.<br />
Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie<br />
Arbeitgeberverband der Deutschen Glasindustrie e. V.<br />
Arbeitgeberverband der Deutschen<br />
Immobilienwirtschaft e. V.<br />
Arbeitgeberverband der Deutschen<br />
Kautschukindustrie (ADK) e. V.<br />
Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und<br />
Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe)<br />
Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen<br />
in Deutschland<br />
Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V.<br />
Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V.<br />
– Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen,<br />
Kraftverkehrsbetriebe –<br />
Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister<br />
e. V. (AMP)<br />
Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e. V.<br />
Arbeitgeberverband Postdienste e. V.<br />
Arbeitgeberverband Stahl e. V.<br />
Arbeitgebervereinigung Nahrung<br />
und Genuß e. V. (ANG)<br />
Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V.<br />
Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder<br />
BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft<br />
e. V.<br />
BdKEP Bundesverband der<br />
Kurier-Express-Post-Dienste e. V.<br />
Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe<br />
des Einzelhandels e. V.<br />
Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V.<br />
Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ)<br />
Bundesverband des Deutschen Großund<br />
Außenhandels e. V.<br />
Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V.<br />
Bundesverband Druck und Medien e. V.<br />
Bundesverband Garten-, Landschaftsund<br />
Sportplatzbau e. V.<br />
Bundesverband Zeitarbeit<br />
Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA)<br />
Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen<br />
e. V.<br />
Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V.<br />
Deutscher Bühnenverein Bundesverband<br />
der Theater und Orchester<br />
Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V.<br />
(DEHOGA)<br />
Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V.<br />
DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitnessund<br />
Gesundheits-Anlagen<br />
GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände<br />
der Metall- und Elektro-Industrie e. V.<br />
Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen<br />
Arbeitgeberverbände e. V.
BDA-Organisation<br />
131<br />
Gesamtverband der Deutschen Textil- und<br />
Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund –<br />
Gesamtverband Steinkohle (GVSt)<br />
Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.<br />
Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe<br />
verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige<br />
e. V.<br />
Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V.<br />
Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung<br />
(HPV) e. V. – Sozialpolitischer Hauptausschuss –<br />
Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände<br />
e. V.<br />
Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-<br />
Westfalen e. V.<br />
Landesvereinigung Unternehmerverbände<br />
Rheinland-Pfalz (LVU)<br />
Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden<br />
Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft<br />
Telekommunikation (ArgeTel)<br />
Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV)<br />
Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH)<br />
Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen +<br />
Bildung e. V.<br />
Unternehmerverbände Niedersachsen e. V.<br />
UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände<br />
in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.<br />
Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ)<br />
Verband diakonischer Dienstgeber<br />
in Deutschland (VdDD)<br />
Verein der Zuckerindustrie<br />
Vereinigung der Arbeitgeberverbände<br />
der Deutschen Papierindustrie e. V.<br />
Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und<br />
versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU)<br />
Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.<br />
Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.<br />
Vereinigung der Saarländischen<br />
Unternehmensverbände e. V.<br />
Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW)<br />
Vereinigung der Unternehmensverbände<br />
für Mecklenburg-Vorpommern e. V.<br />
Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin<br />
und Brandenburg e. V.<br />
Vereinigung Rohstoffe und Bergbau<br />
VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V.<br />
WEG Wirtschaftsverband Erdölund<br />
Erdgasgewinnung e. V.<br />
Zentralverband des Deutschen Baugewerbes<br />
ZGV – Zentralverband Gewerblicher<br />
Verbundgruppen e. V.<br />
Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V.<br />
Verband der Wirtschaft Thüringens e. V. (VWT)<br />
Verband Deutscher Reeder e. V.
132 BDA-Organisation<br />
BDA-Präsidium<br />
Präsident<br />
Dr. Dieter Hundt<br />
Ehrenpräsident<br />
Prof. Dr. Klaus Murmann<br />
Vizepräsidenten<br />
Dr. h. c. Josef Beutelmann<br />
Dr. Gerhard F. Braun<br />
Günther Fleig<br />
Martin Kannegiesser<br />
Otto Kentzler<br />
Dr. Walter Koch (Schatzmeister)<br />
Randolf Rodenstock<br />
Dr. h. c. Eggert Voscherau<br />
Weitere Mitglieder des Präsidiums<br />
Peter Barz<br />
Prof. Thomas Bauer<br />
Ernst Baumann<br />
Anton F. Börner<br />
Walter Botschatzki<br />
Gerd von Brandenstein<br />
Wolfgang Brinkmann<br />
Dr. Eckhard Cordes<br />
Dr. Jürgen Deilmann<br />
Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann<br />
Goetz von Engelbrechten<br />
Bodo Finger<br />
Ulrich Grillo<br />
Helmut Heinen<br />
Ingrid Hofmann<br />
Dr. Eckart John von Freyend<br />
Arndt G. Kirchhhoff<br />
Helmut F. Koch<br />
Ingo Kramer<br />
Heinz Laber<br />
Manfred Lantermann<br />
Stefan H. Lauer<br />
Horst-Werner Maier-Hunke<br />
Hartmut Mehdorn<br />
Prof. Dr. Helmut Merkel<br />
René Obermann<br />
Dr. Arend Oetker<br />
Dr. Wolfgang Pütz<br />
Dr. Jan Stefan Roell<br />
Dr. Siegfried Russwurm<br />
Josef Sanktjohanser<br />
Ulrich Schumacher<br />
Gerd Sonnleitner<br />
Dr. Theo Spettmann<br />
Bernd Tönjes<br />
Prof. Dieter Weidemann<br />
Dr. Klaus Zumwinkel<br />
Dr. Reinhard Göhner<br />
Dr. Fritz-Heinz Himmelreich
BDA-Organisation<br />
133<br />
BDA-Vorstand<br />
Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören<br />
folgende Damen und Herren dem Vorstand an:<br />
Roland Brohm<br />
Ulrich Alfred Büchner<br />
Prof. Dr. Hubert Burda<br />
Dr. Rainer V. Dulger<br />
Frank Dupré<br />
Volker Enkerts<br />
Ernst Fischer<br />
Dr. Hans Otto Gardeik<br />
Hartmut Geldmacher<br />
Peter Gerber<br />
Florian Gerster<br />
Wolfgang Goebel<br />
Rainer Göhner<br />
Klemens Gutmann<br />
Jörg Hagmaier<br />
Siegfried Hanke<br />
Dr. Michael Hann<br />
Matthias Hartung<br />
Klaus Hering<br />
Peter Hoffmeyer<br />
Dr. Gernot Kalkoffen<br />
Dr. Uwe Kasimier<br />
Thomas Kretschmann<br />
Lothar Lampe<br />
Frank Leonhardt<br />
Rainer J. Marschaus<br />
Dr. Uwe Mehrtens<br />
Rudolf Pfeiffer<br />
Eberhard Potempa<br />
Hanns-Jürgen Redeker<br />
Ralph Rieker<br />
Prof. Dr. Markus Rückert<br />
Manfred Rycken<br />
Dr. Hans-Peter Schiff<br />
Jürgen Schitthelm<br />
Dirk Schlüter<br />
Birgit Schwarze<br />
Norbert Steiner<br />
Ralf Stemmer<br />
Hans-Günter Sturm<br />
Margret Suckale<br />
Dr. Sven Vogt<br />
Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia<br />
Gemeinsames Präsidium<br />
von BDA und BDI<br />
Vorsitzender<br />
Dr. Dieter Hundt<br />
Weitere Mitglieder des Präsidiums<br />
Jürgen R. Thumann<br />
Dr. h. c. Josef Beutelmann<br />
Dr. Gerhard F. Braun<br />
Dr. Dieter Brucklacher<br />
Günther Fleig<br />
Martin Kannegiesser<br />
Dr. Hans-Peter Keitel<br />
Otto Kentzler<br />
Dr. Walter Koch<br />
Prof. Dr. Ulrich Lehner<br />
Friedhelm Loh<br />
Dr. Arend Oetker<br />
Randolf Rodenstock<br />
Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer<br />
Prof. Dr. Ekkehard Schulz<br />
Dr. h. c. Eggert Voscherau<br />
Matthias Wissmann
134 BDA-Organisation<br />
Kooperation von BDA und BDI<br />
mit Erfolg intensiviert<br />
Seit der Kooperationsvereinbarung vom November<br />
2006 arbeiten BDA und BDI in vielen Themenund<br />
Handlungsfeldern noch enger zusammen. Das<br />
gemeinsame Präsidium von BDA und BDI hat sich<br />
in seiner konstituierenden Sitzung am 23. Januar<br />
<strong>2007</strong> unter dem Vorsitz von Arbeitgeberpräsident<br />
Dr. Dieter Hundt auf erste Details für eine engere<br />
Kooperation der beiden Verbände verständigt und<br />
den Vorständen von BDA und BDI empfohlen, vier<br />
gemeinsame Fachausschüsse einzurichten, die künftig<br />
die Organe der beiden Spitzenverbände beraten,<br />
den Präsidien von BDA und BDI berichten und Stellungnahmen<br />
für die jeweiligen Aufgabenbereiche<br />
vorbereiten.<br />
Der gemeinsame BDA/BDI-Ausschuss „Bildung,<br />
Berufliche Bildung“ konstituierte sich am 29. November<br />
<strong>2007</strong> und wählte, wie vom gemeinsamen<br />
Präsidium vorgeschlagen, den Vizepräsidenten der<br />
BDA Dr. Gerhard F. Braun, geschäftsführender Gesellschafter<br />
der Karl Otto Braun GmbH & Co. KG,<br />
zum Vorsitzenden sowie Herrn Dr. Arend Oetker,<br />
geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Arend Oetker<br />
Holding GmbH & Co. KG und Vizepräsident des<br />
BDI, zum stellvertretenden Vorsitzenden. Auch die<br />
weiteren drei gemeinsamen Fachausschüsse wurden,<br />
wie vom gemeinsamen Präsidium vorgeschlagen, einberufen<br />
und wählten die vorgeschlagenen Vorsitzenden:<br />
So konstituierten sich der BDI/BDA-Ausschuss<br />
für Statistik (Vorsitz: Dr. Thomas Geer, ThyssenKrupp<br />
AG) sowie der BDI/BDA-Ausschuss für Forschungs-,<br />
Innovations- und Technologiepolitik (Vorsitz: Dr. Dr.<br />
Andreas Barner, stellvertretender Sprecher der Unternehmensleitung<br />
Boehringer Ingelheim Pharma GmbH<br />
& Co. KG) ebenfalls am 29. November. Der BDI/BDA-<br />
Mittelstandsausschuss kam am 4. Dezember zu seiner<br />
ersten Sitzung zusammen und wählte Arndt Kirchhoff,<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung Kirchhoff Automotive<br />
GmbH & Co. KG, zu seinem Vorsitzenden.<br />
Neben den Fachausschüssen haben BDA und BDI gemeinsame<br />
Projektgruppen zu den Themen EU-Ratspräsidentschaft,<br />
Bürokratieabbau, Mitbestimmung,<br />
„Föderalismusreform II/Finanzverfassungsreform“ und<br />
„Organisation und Personal“ eingerichtet, die ebenfalls<br />
ihre Arbeit aufgenommen, gemeinsame Positionen<br />
erarbeitet bzw. gemeinsame Veranstaltungen<br />
durchgeführt haben. Im Rahmen der deutschen EU-<br />
Ratspräsidentschaft gab es zahlreiche gemeinsame<br />
Veranstaltungen und Initiativen von BDA und BDI<br />
und im Juli wurde der Beschluss des gemeinsamen<br />
Präsidiums „Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern<br />
ja – Regulieren nein“ veröffentlicht.<br />
Weitere gemeinsame Arbeitsgruppen von BDA und<br />
BDI, z. B. zur „Hochschulfinanzierung“ und zum<br />
„MINT-Nachwuchs“, wurden ins Leben gerufen.<br />
Auch wurde der bestehende Arbeitskreis von BDA<br />
und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) „Hochschule/Wirtschaft“<br />
um Mitglieder des BDI und somit zu<br />
einem gemeinsamen Arbeitskreis von BDA, BDI und<br />
HRK erweitert.<br />
In europapolitischen Angelegenheiten sprechen BDA<br />
und BDI seit Jahresbeginn mit einer Stimme und haben<br />
am 1. Februar ihre Arbeit im gemeinsamen Brüsseler<br />
Büro „BDI/BDA The German Business Representation“<br />
aufgenommen.<br />
Regelmäßige gemeinsame Sitzungen der Hauptgeschäftsführungen,<br />
der Abteilungsleiter sowie der Geschäftsführer<br />
der Mitgliedsverbände beider Organisationen<br />
führen zu einer verbesserten Kommunikation<br />
und einem informativen und konstruktiven Austausch<br />
zwischen den Verbänden. Zudem wurde im Personalbereich<br />
und in der Verwaltung die Zusammenarbeit<br />
von BDA und BDI weiter intensiviert.
BDA-Organisation<br />
135
136 In Memoriam<br />
In memoriam<br />
Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
in langjähriger Mitarbeit verbunden und<br />
hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer<br />
Sozialpolitik.<br />
Wir gedenken ihrer.<br />
In memoriam<br />
Dr. Hans-Joachim Gottschol<br />
Ehem. Vizepräsident und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung<br />
der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
2. Februar <strong>2007</strong><br />
Dieter Fertsch-Röver<br />
Ehem. Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung<br />
der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
2. März <strong>2007</strong><br />
Jakob Marquardt<br />
Ehem. Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung<br />
der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
27. Juli <strong>2007</strong>
Impressum<br />
Bundesvereinigung der<br />
Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
im Haus der Deutschen Wirtschaft<br />
Breite Straße 29<br />
10178 Berlin<br />
Tel. +49 30 2033-1020<br />
Fax +49 30 2033-1025<br />
www.bda-online.de<br />
info@bda-online.de<br />
Stand: 14. Dezember <strong>2007</strong><br />
Fotografie<br />
Sascha Nolte<br />
www.noltepicture.de<br />
Konzeption und Gestaltung<br />
ariadne & wolf GmbH<br />
www.ariadneundwolf.de
www.BDA-online.de