das Magazin aus Freising - Supershit
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Essen und Trinken<br />
Rum<br />
<strong>das</strong> heitere Kind<br />
des Zuckerrohrs<br />
von August F. Winkler<br />
Die Szene glich einem Tribunal.<br />
Ein Londoner Weinhändler hatte<br />
Freunde, allesamt Kenner, zu<br />
einer sogenannten Blindprobe mit edlen<br />
Bränden eingeladen und in die Reihe der<br />
alten Cognacs und Malt-Whiskys auch einen<br />
Rum, den Ron Zacapa „XO“<strong>aus</strong> Guatemala,<br />
geschmuggelt. Nur zwei der zwölf<br />
Teilnehmer orteten den Piraten korrekt als<br />
Rum; die anderen bewerteten ihn so hoch<br />
wie die besten Cognacs und Malts. Es urteilten,<br />
um dies nochmals zu betonen, Experten,<br />
nicht Sonntagstrinker.<br />
Tatsächlich steht die außerkaribische<br />
Welt dem Rum, diesem heiteren Kind<br />
des Zuckerrohrs, mit tiefem Unverständnis<br />
gegenüber. Man ahnt, <strong>das</strong>s er für viele<br />
Drinks unentbehrlich ist, schätzt ihn als<br />
Grog oder im Tee, nimmt ihn zum Marinieren<br />
von Früchten und spritzerweise<br />
für Backwerk, aber kaum jemand weiß,<br />
wie gut ein alter fassgelagerter Rum auch<br />
pur schmeckt. Der Abgang, also <strong>das</strong>, was<br />
der Fachmann als Nachklingen nach dem<br />
Schlucken bezeichnet, ist beim Rum zwar<br />
nicht sehr <strong>aus</strong>geprägt. Dafür jedoch bietet<br />
erstklassiger Rum der Nase wie dem Gaumen<br />
einen Nuancenreichtum an Düften<br />
und Aromen wie nur wenige andere Spi-<br />
rituosen. Schuld an dem Missverständnis,<br />
Rum sei nur derb und erst in Verbindung<br />
mit anderen Produkten ein Wert, sind außer<br />
gewissen Seemannsliedern - Rum galt<br />
lange als der typische Matrosenschnaps -<br />
billige Verschnitte und vor allem ein Mangel<br />
an Aufklärung.<br />
Rum ist naturgemäß nicht gleich Rum.<br />
Die regionale Herkunft ist ebenso geschmacksprägend<br />
wie der Stil des Brenners.<br />
Das Mikroklima und der Boden, in<br />
dem <strong>das</strong> Zuckerrohr wächst, ist in Kuba<br />
anders als auf Jamaika oder Haiti. Es ist ein<br />
Unterschied, ob Rum <strong>aus</strong> purem Zucker-<br />
34 Von hier von dort und anderen guten Dingen fink Das <strong>Freising</strong>er Stadtmagazin<br />
rohrsaft („Rhum agricole“ genannt) oder<br />
<strong>aus</strong> Melasse, dem beim Zuckersieden übrig<br />
gebliebenen Sirup, gewonnen wird. Gegenüber<br />
dem Melasse-Rum hat der „Rhum“ ein<br />
frischeres, ziselierteres Aroma. Die Länge<br />
des Gärprozesses, die Wahl der Zutaten, die<br />
Qualität der Hefe, <strong>das</strong> Destillierverfahren,<br />
Art und Dauer der Lagerung haben großen<br />
Einfluss auf den Charakter und die Aromatik<br />
des Rums. Die Farbe entsteht durch die<br />
Lagerung in den Holzfässern oder durch die<br />
Zugabe von Zuckercouleur beziehungsweise<br />
Karamell.<br />
Überwiegend wird <strong>das</strong> „Gold der Karibik“<br />
<strong>aus</strong> der Melasse gewonnen, einem dickflüssigen,<br />
dunklen Sirup, der bei der Zuckergewinnung<br />
übrig bleibt. Dieser hochsüße<br />
„Honig“ wird erst mit Wasser verdünnt und<br />
dann mit spezieller h<strong>aus</strong>eigener Hefe zum<br />
Gären gebracht. Durch<strong>aus</strong> üblich ist der Zusatz<br />
von Gewürzen (Vanilleschoten, Zimt,<br />
Nelken), Trockenfrüchten (wie Rosinen,<br />
Ananas) oder anderen Stoffen (Pfirsichblätter,<br />
Akazienrinde, Pflaumenextrakt) zur<br />
speziellen Aromatisierung des Rums. Jede<br />
Brennerei hütet ihre persönliche Würznote<br />
als Geheimnis.<br />
Dezember 2011<br />
Nach der Destillation ist der Rum farblos<br />
und geschmacklich roh. Nun entscheidet<br />
sich, ob er weiß bleiben oder braun werden<br />
soll. Grundsätzlich wird Rum in drei große<br />
Gruppen unterteilt:<br />
1. Den weißen oder hellen Rum. Wird nach<br />
dem Brennen in Edelstahltanks gelagert,<br />
die keine Farbstoffe abgeben. Leichter Typ<br />
mit trockenem Aroma und wenig Eigengeschmack.<br />
Basis für Mischgetränke.<br />
2. Medium. Goldene bis hellbraune Farbe.<br />
Die dunkle Tönung kommt durch die Lagerung<br />
in Eichenholz - gebrauchte Fässer,<br />
bevorzugt solche, in denen vorher Bourbon-<br />
Whiskey reifte. Das Holz gibt Farbe ab, zugleich<br />
auch süßlich-gewürzige Aromen. Ideal<br />
für Cocktails, zum Marinieren von Früchten<br />
und zum Backen.<br />
3. Dunkelbraun und schwer, auch schwarzer<br />
Rum genannt. Körperreicher Typ mit leicht<br />
süßlichen und gewürzigen Aromen. Lange<br />
Lagerung im Eichenholzfass. Tiefgoldene bis<br />
dunkelbraune Farbe. Auch pur ein reich nuancierter<br />
Genuss. Quasi ein naturgeborener<br />
Begleiter zur großen Havanna-Zigarre, aber<br />
auch dienlich gegen Grippe, bei Liebeskummer,<br />
Fernweh und Kälte.<br />
Essen und Trinken<br />
Erstklassiger Rum, vor allem in der goldfarbenen<br />
bis dunkelbraunen Kategorie, hat eine<br />
vielschichtige Aromatik. Je nach Herkunft<br />
finden sich darin Nuancen, die in Duft wie<br />
Geschmack an Honig erinnern, an Karamell,<br />
Vanille, Rosinen, auch an tropische Früchte,<br />
Gewürze, Leder, Tabak, Dörrpflaumen,<br />
Orangenzesten und Schokolade. Mit dem,<br />
was gewöhnlich und gedankenlos in den Tee<br />
oder Punsch gegossen wird, hat guter Rum<br />
nichts gemein. Pur getrunken verbreitet<br />
fassgereifter Rum eine spirituelle Aromatik<br />
wie bester Whisky oder Cognac. Und naturgemäss<br />
gewinnen ein Planter`s Punch, ein<br />
Daiquiri, Mojito oder Mai Tai an Charakter,<br />
wenn sie nicht mit einem billigen, sondern<br />
eben einem hochwertigen Rum gemixt werden.<br />
Edler Rum erlebt derzeit rund um den Globus<br />
eine Renaissance. Die Zahl der Pur-Trinker,<br />
der Rum-Aficionados, steigt stetig, wie<br />
Barkeeper registrieren. Kenner unterscheiden<br />
nach der regionalen Herkunft: Rum <strong>aus</strong><br />
Kuba ist gewöhnlich leichter und süßlicher<br />
als einer <strong>aus</strong> Trinidad oder Jamaika. Jede<br />
der karibischen Rum-Inseln hat ihre eigenen<br />
geschmacklichen Traditionen. Sehr feine,<br />
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