Lindner: UV Religion - Evangelische Religionspädagogik
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3. Die „Vorbereitung des Unterrichts” von 1989<br />
(Nürnberger Modell)<br />
1973 veröffentlichten B. Casper, H. Glöckel und R. Rabenstein zusammen mit zahlreichen anderen<br />
Mitarbeitern die „Vorbereitung des Unterrichts”. Hauptintention dieser Handreichung war in der<br />
damaligen unruhigen Phase der Lehrerbildung, die Verbindung zwischen der ersten und der zweiten<br />
Phase der Ausbildung gerade im Blick auf Unterricht und Unterrichtsvorbereitung festzuhalten und,<br />
wenn möglich, zu verstärken. Ebenso sollte „auch dem erfahrenen Lehrer Anregungen für seine<br />
tägliche Unterrichtsvorbereitung” gegeben werden. 19 Wichtig war die Brauchbarkeit des Konzepts<br />
für die konkrete Unterrichtsvorbereitung in Studium und Seminar, ohne dass die theoretische<br />
Begründung außer acht gelassen wurde. Auf der Grundlage der damals – und heute – vorliegenden<br />
Didaktikentwürfe, deren Kenntnis und Reflexion durch das Studium vorausgesetzt wurde, baute<br />
man auf.<br />
1989 erschien die Neuausgabe des Werkes, erarbeitet von H. Glöckel, R. Rabenstein, R. Drescher<br />
und H. Kreiselmeyer. Sie war bedingt durch das Fortschreiten der schulpädagogischen Diskussion<br />
und nahm die Erfahrungen der vergangenen Jahre auf. Die grundlegende Konzeption wurde nicht<br />
geändert, einige neue Gesichtspunkte eingebracht. Ein wesentliches, beibehaltenes Prinzip des<br />
Unterrichts und der Unterrichtsvorbereitung war die Einbindung in den Erziehungsauftrag der<br />
Schule. „Aller Unterricht an allgemeinbildenden Schulen ist dem pädagogischen Auftrag<br />
verpflichtet, jeden Schüler in seiner personalen und sozialen Entfaltung bestmöglich zu fördern, ihn<br />
zu Mündigkeit zu führen.” 20<br />
Damit verbunden ist die Eigenverantwortlichkeit des Lehrers im Gesamtzusammenhang von Schule<br />
und Unterricht. Dies gilt auch für den <strong>Religion</strong>slehrer, gleich welcher Ausbildungsrichtung. 21<br />
3.1. DIE GRUNDSTRUKTUR<br />
Die Grundstruktur des Unterrichts ist durch den Unterrichtsgegenstand (die Sache), den Schüler<br />
(die Individuallage) und die Zielsetzung, die vom Lehrer vertreten wird, also durch das sogenannte<br />
didaktische Dreieck, bestimmt. Dieser Ausgangspunkt erfordert bei der Vorbereitung und bei der<br />
Begründung einzelner Unterrichtseinheiten und Unterrichtsschritte verschiedene Denkansätze: Von<br />
der Sache her, vom Schüler her und von der Zielstellung her. Diese einzelnen, heterogenen<br />
Bereiche miteinander zu verbinden, ist Aufgabe und zugleich Schwierigkeit didaktischer Reflexion.<br />
Die Didaktikkonzeptionen von Klafki, Heimann, Schulz, Kramp u.a. sind bei den Überlegungen<br />
mitbedacht und miteingearbeitet, ohne dass sie kanonisiert würden. Die Zielorientierung des<br />
Unterrichts, deren Notwendigkeit und deren Problematik speziell für den <strong>Religion</strong>sunterricht schon<br />
angedeutet wurde, wird festgehalten. Allerdings weist die Verwendung des Begriffs<br />
„Unterrichtsziele” auf ihre Komplexität hin. Sie können weder als Lernziele noch als Lehrziele<br />
allein dargestellt werden. 22<br />
Ein Hinweis gilt noch der Beziehungsebene: Sie ist für den Unterricht von größter Bedeutung,<br />
„bedingt aber nicht eine besondere Weise der Vorbereitung und wird durch sie auch nur teilweise<br />
erreicht.” 23<br />
Im Rahmen der Individuallage, aber auch beim Nachdenken über die Zielsetzung kommt sie sehr<br />
gewichtig ins Spiel.<br />
Diese hier ganz knapp angerissenen Gesichtspunkte werden als Grundelemente der Vorbereitung<br />
des Unterrichts festgehalten. Auf Glöckels Ausführungen sei verwiesen. 24<br />
3.1.1 Ein wesentlicher neuer Gesichtspunkt im Entwurf von 1989 ist die „Unterscheidung von<br />
Entdeckungszusammenhang und Begründungszusammenhang”, von Prozess und Produkt, wodurch<br />
der Weg der Unterrichtsvorbereitung realistisch gezeichnet werden kann. Die meisten Modelle der<br />
Unterrichtsvorbereitung erwecken den Eindruck, dass der gedankliche Weg von der mehr oder<br />
weniger gründlichen Sachanalyse über die Klärung der Individuallage zur didaktischen Analyse und<br />
zu methodischen Überlegungen führt. Die Formulierung von Unterrichtszielen wird dann zum<br />
Ausgangspunkt der Verlaufsplanung.<br />
K. Wegenast nennt an dieser Stelle sieben Phasen, die eine effektive Unterrichtsvorbereitung<br />
durchlaufen muss. 25<br />
Erarbeitung der Kenntnisse möglichst vieler Bedingungen, die das pädagogische Feld<br />
bestimmen.<br />
Information des Lehrers über die Sachgrundlagen<br />
Didaktische Analyse<br />
Bestimmung des Zielspektrums<br />
Unterrichtsmethodische Überlegungen<br />
Artikulation der Unterrichtseinheit bzw. -stunde<br />
Bestimmung der Gesichtspunkte zur Nachbereitung<br />
Die Unterrichtsvorbereitung gleicht, wenn man das liest, einem Weg, der Schritt für Schritt<br />
folgerichtig gegangen werden muss. Das wurde oft als unnötiger, weil unrealistischer Zwang<br />
verstanden, auch wenn es nicht immmer so gemeint sein mochte.<br />
Die von H. Glöckel und seinen Mitautoren für diesen Vorgang fruchtbar gemachte Unterscheidung<br />
beschreibt realitätsnah und durchaus wissenschaftlich fundiert die Entstehung einer<br />
Unterrichtsstunde/einheit. Dieser anfänglich ganz offene Prozess verläuft nicht geradlinig, sondern<br />
vollzieht sich in assoziativem Sammeln, gedanklichem Erproben, kreativem Finden, aber auch in<br />
prüfender und ordnender Reflexion. „Der gedankliche Prozeß kann an verschiedenen Stellen<br />
einsetzen und je nach Thema, Situation und persönlicher Eigenart des Lehrers einen<br />
unterschiedlichen Gang nehmen. Wichtig ist nur, dass alle wesentlichen Momente berücksichtigt<br />
und aufeinander bezogen werden.” 26 An folgendem Schema, aus der „Vorbereitung des<br />
Unterrichts” übernommen 27 , wird dies deutlich.<br />
19<br />
20<br />
21<br />
22<br />
B.Casper/H.Glöckel/R.Rabenstein, Die Vorbereitung des Unterrichts Bd.1 (Bad Heilbrunn 1973), S.5<br />
Glöckel (1989), S.15<br />
G.<strong>Lindner</strong>, Möglichkeiten weltanschaulich-religiöser Erziehung im Unterricht, in: H.Hacker/H.Rosenbusch, Erzieht<br />
Unterricht? (Baldmannsweiler 1990), S.120ff.<br />
R.Rabenstein, Neue Wege bei der Unterrichtsvorbereitung?, in: Unterrichten und Erziehen Nr.6 (1990), S.8f.<br />
15<br />
23<br />
24<br />
25<br />
26<br />
27<br />
16<br />
Glöckel, S.18<br />
H.Glöckel, Unterricht in Spannung, S.33ff.<br />
K.Wegenast, Der <strong>Religion</strong>sunterricht in der Sekundarstufe I (Gütersloh 1980), S.43ff.<br />
Glöckel, S.14<br />
Abb. aus Glöckel, S.21 (mit freundlicher Genehmigung des Verfassers).