Lindner: UV Religion - Evangelische Religionspädagogik
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Anknüpfungspunkt bei diesen Themen ist die systematische Theologie, also evangelische Ethik<br />
und Glaubenslehre.<br />
Der Vorschlag von U.Früchtel 40 , das jeweilige Thema unter fünf theologischen Aspekten zu<br />
erschließen, scheint praktikabel. Jedes Thema ist zu überprüfen, was aus den Blickpunkten von<br />
Schöpfung, Entfremdung (Sünde), Versöhnung und Befreiung, Hoffnung und schließlich<br />
Nachfolge dazu zu sagen ist.<br />
Ein solches Vorgehen ermöglicht, die Themen theologisch differenziert zu betrachten und eröffnet<br />
neue Anknüpfungspunkte für den <strong>Religion</strong>sunterricht. An einem Beispiel sei dies kurz erläutert.<br />
Thema: Bewahrung der Schöpfung<br />
1. Die vorfindliche Welt, in der wir leben, ist nicht einfach da, sondern sie ist von Gott geschaffen<br />
und wir sind verantwortlich in sie eingebunden.<br />
2. Die biblische Aussage, dass wir in einer gefallenen, entfremdeten Welt leben, wird durch die<br />
tägliche Erfahrung von Zwängen, die uns diese Schöpfung gefährden und zerstören lassen,<br />
bestätigt.<br />
3. Die Befreiung und Versöhnung durch Jesus Christus schenkt uns einen neuen Anfang auch in<br />
der Beziehung zur Schöpfung.<br />
4. Sie eröffnet die Hoffnung auf eine neue Welt, die nicht nur von uns und unserem Handeln<br />
abhängt.<br />
5. Doch sind wir in der Nachfolge Jesu Christi gerufen, mit allen Kräften für unsere Mitmenschen<br />
und für diese von Gott gegebene Schöpfung zu wirken. Diese Konkretion ist dann didaktisch<br />
und methodisch zu durchdenken.<br />
Bei kirchengeschichtlichen Inhalten<br />
Auch hier geht es im ersten Schritt um eine gründliche Information über das Thema unter<br />
Zuhilfenahme der vorhandenen Literatur, ggf. über das im Lehrplan vorgegebene Thema hinaus.<br />
Der Bezug zur biblischen Überlieferung lässt Kirchengeschichte als „Geschichte der Auslegung des<br />
Wortes Gottes” (G. Ebeling) verstehen. Manchmal ist das sehr direkt zu sehen, wenn z.B. Martin<br />
Luther Gottes Gerechtigkeit mit Hilfe von Röm 1,16.17 entdeckt, oder Franz von Assisi Mt 19,21<br />
direkt befolgt. Häufig aber sind die Zusammenhänge erst durch genaueres Nachdenken und<br />
Nachforschen zu entdecken.<br />
Die Frage nach dem Verständnis und Selbstverständnis der eigenen Kirche – warum sind wir<br />
evangelisch-lutherisch? – kann in kirchengeschichtlicher Arbeit eine partielle Antwort finden.<br />
Ebenso wird die Gemeinsamkeit der getrennten Kirchen, das Verbindende bei allen Unterschieden<br />
erkenntnisleitendes Interesse bei diesem ersten Schritt unterrichtlicher Arbeit sein können.<br />
Orientierung an solchen Grundlagen kann helfen, über das reine Materialsammeln – bei<br />
kirchengeschichtlichen Inhalten eine besondere Gefahr – hinauszukommen. 41<br />
Bei Inhalten aus dem Gebiet (nichtchristlicher) <strong>Religion</strong>en oder<br />
Weltanschauungen<br />
Auch beim außerordentlich komplexen Thema nichtchristlicher <strong>Religion</strong>en ist es notwendig, sich<br />
einen knappen Überblick über die Thematik zu verschaffen. Dazu hilft didaktische Literatur, die in<br />
den allermeisten Fällen viele Sachinformationen enthält. Wesentlich wird bei dieser Arbeit sein,<br />
sich in irgendeiner Weise mit Originaltexten auseinanderzusetzen, um sich der Andersartigkeit der<br />
nichtchristlichen <strong>Religion</strong> bewusst zu werden. 42 Noch besser wäre in diesem Sinne eine originale<br />
Begegnung, die mit Muslimen in unseren Städten ja durchaus möglich sein kann. Die Darstellung<br />
der Begegnung mit der (den) anderen <strong>Religion</strong>(en) wird sich meist auf Grundfragen konzentrieren,<br />
wie etwa sichtbare und beschreibbare religiöse Praxis, Gebet, Gottesvorstellung, Offenbarung,<br />
Schöpfung, ...<br />
Grundlegend ist auch die Frage zu bedenken, wie die Spannung von Wahrheitsanspruch und<br />
Toleranz nicht nur denkerisch erfasst, sondern auch in der Lebenspraxis ausgehalten werden kann.<br />
Hier sich auf einen echten Dialog einzulassen kann dazu führen, die Wahrheit des eigenen<br />
Bekenntnisses tiefer zu verstehen und bewusster zu leben. Denn wenn ich die Menschen aus<br />
anderen <strong>Religion</strong>en ganz ernst nehme, muss ich ihnen auch das Zeugnis meines Glaubens und<br />
meiner Überzeugung in Wort und Tat wahrhaftig vorleben. Andererseits bedeutet Dialog aber auch,<br />
die eigene Überzeugung ernsthaft in Frage stellen zu lassen. An dieser Stelle wird sichtbar, dass ein<br />
so sachlich-prosaisch wirkendes Unterfangen wie Sachanalyse der Unterrichtsinhalte in existentielle<br />
Fragen führen kann.<br />
Im Bearbeitungsschema wird abschließend die systematisch-theologische Reflexion angesprochen.<br />
Ihre Notwendigkeit und ihr konkreter Ort sind in den Erläuterungen zu den einzelnen Bereichen<br />
(biblische Inhalte ...) schon sichtbar geworden. Der Inhalt soll nicht als Einzelelement analysiert<br />
und unterrichtet werden, sondern in den größeren Zusammenhang christlichen Bekenntnisses<br />
eingefügt werden. Auch die Zusammenhänge, die in den Vorüberlegungen und im Aufbau der<br />
Lehrpläne sichtbar werden, bieten Ansatzpunkte zu solcher Einordnung in einen Gesamtrahmen<br />
evangelischer Theologie.<br />
1.2 – von den übergeordneten Zielen her<br />
Zumeist ist das Thema einer Unterrichtseinheit bzw. -stunde durch den Lehrplan vorgegeben und<br />
damit in den Zusammenhang der Leitziele eingeordnet.<br />
Auf die Verankerung dieser Global- und Leitziele im christlichen Menschenbild sei hingewiesen.<br />
Sie sind im „Auftrag des <strong>Religion</strong>sunterrichts” zusammengefasst.<br />
40<br />
U.Früchtel, Leitfaden Relionsunterricht (Zürich, Köln 1977), S.91ff.<br />
31<br />
41<br />
42<br />
32<br />
G.<strong>Lindner</strong>, Fachdidaktische Umsetzung kirchengeschichtlicher Fundamentalinhalte, in: Adam/Lachmann (vgl.<br />
Anm.1), S.203ff.<br />
J.Lähnemann, Zugänge zu den Weltreligionen, in: Adam/Lachmann (vgl. Anm.1), S.323ff.; dazu J.Lähnemann,<br />
Weltreligionen im Unterricht Bd.I: Fernöstliche <strong>Religion</strong>en; Bd.II: Islam (Göttingen 1986ff.).