SFT 1/84 - Science Fiction Times
SFT 1/84 - Science Fiction Times
SFT 1/84 - Science Fiction Times
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 12/19<strong>84</strong> 25<br />
hervorgebracht hat. Schon die Wahl des<br />
Schauplatzes trägt dazu bei, seine europäischen<br />
Leser glauben zu machen, dies<br />
sei gar nicht ihre Zukunftswelt, sondern<br />
eine ganz andere, weit entfernte.<br />
Die Reihe „Fischer Boot“ richtet sich<br />
in erster Linie an ein jugendliches Publikum;<br />
natürlich ist sich Ebeling der<br />
schmalen Gratwanderung bewußt, die<br />
er einschlagen mußte. Er durfte sein<br />
Publikum nicht überfordern und mußte<br />
ein Höchstmaß an Spannung und Unterhaltung<br />
bieten. Der simple Aufbau, die<br />
klare – mitunter stilsichere, mitunter arg<br />
holprige – Sprache kommt dieser Leserschaft<br />
entgegen.<br />
So warnt Ebeling ein wenig beschaulich,<br />
mit nur wenig Biß, vor einer zu wenig<br />
umfassend beschriebenen Dystopie;<br />
der Autor scheint sich nicht bewußt zu<br />
sein, daß es in der modernen, gesellschaftswissenschaftlich<br />
orientierten<br />
<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> dutzende von Kurzgeschichten<br />
oder Romanen gibt, die das<br />
gleiche Ziel verfolgen wie er – ein ehrbares<br />
Ziel, wie schon gesagt - aber dabei<br />
die selbstgestellte Aufgabe viel besser<br />
und eindringlicher gelöst haben.<br />
Uwe Anton<br />
James P. Hogan<br />
DIE KINDER VON<br />
ALPHA CENTAURI<br />
(Voyage From Yesteryear)<br />
München 1983, Gold~ann TB 23437<br />
Deutsch von Tony Westermayr<br />
Kurz vor dem großen Knall schickt<br />
die Welt eine Sternsonde nach Alpha<br />
Centauri. Sie trägt, elektronisch gespeichert<br />
(wegen der Erbsünde?), die genetischen<br />
Informationen einer Auswahl<br />
von Menschen aller Rassen mit sich.<br />
Auf dem erdähnlichen Planeten Chiron<br />
entsteht eine neue Zivilisation von rückerzeugten,<br />
maschinenerzogenen Menschen.<br />
Einige -zig Jahre später senden<br />
die wiedererstandenen irdischen Zivilisationen<br />
Kolonistenraumschiffe aus, um<br />
das auf Chiron entstandene Paradies zu<br />
übernehmen. Das amerikanische Raumschiff<br />
Mayerflower II kommt – natürlich<br />
– zuerst an. Nach anfänglichem Unverständnis<br />
gehen seine Besatzung und Passagiere<br />
zur Zivilisation der Leute von<br />
Chiron über. Der Versuch eines Usurpators,<br />
den Planeten mit Waffengewalt unter<br />
seine Herrschaft zu zwingen, endet in<br />
einem Antimateriestrahl.<br />
Der Roman gewinnt seine Spannung<br />
aus der wirklich gelungenen Darstellung<br />
des Zusammenpralles zwischen<br />
der anarchischen, repressionsfreien Zivilisation<br />
der Leute von Chiron mit der<br />
pseudoelitären, militaristisch und imperialistisch<br />
eingefärbten Zivilisation, die<br />
das Raumschiff von der Erde mit sich<br />
fuhrt. In gewisser Weise stellt das Buch<br />
ein Gegenstück zum „Planet der Habenichtse“<br />
von Ursula K. Le Guin dar.<br />
Die Zivilisation auf Chiron ist nämlich<br />
außerordentlich reich an Raum, Energie,<br />
Bodenschätzen, Maschinenkräften und<br />
geistigen Ressourcen. Die materiellen<br />
Güter sind frei.<br />
Auf Chiron gibt es keine Zwänge<br />
oder Herrschaftsstrukturen. Die einzige<br />
„Währung“ besteht im Bedürfnis nach<br />
und in der Gewährung von Anerkennung<br />
durch die Mitmenschen. Jeder findet hier<br />
seinen Platz, · der auch nur irgendetwas<br />
leisten kann. Diese Zivilisation ist aber<br />
nicht pazifistisch - im Gegensatz zu der<br />
Utopie von Le Guin. Sie kämpft nur mit<br />
anderen als den konventionellen Waffen;<br />
vorzugsweise durch ihr überzeugendes<br />
Beispiel, schreckt aber auch vor Notwehr<br />
nicht zurück. Die Kampfhandlungen, die<br />
der Autor mit verblüffender Detailfreude<br />
schildert, finden dementsprechend auch<br />
nur zwischen den Menschen von der<br />
Erde statt, abschreckend genug, um dem<br />
Autor glauben zu können, Militarismus<br />
sei nur eine systembedingte Form des<br />
Wahnsinns. Recht spaßig sind dagegen<br />
die Szenen, in denen die üblichen Mechanismen<br />
zur Ausübung von Macht<br />
durch schlichte Nichtbeachtung seitens<br />
der Leute von Chiron ad absurdum ge<br />
fuhrt werden.<br />
Natürlich kann man dem Autor entgegenhalten,<br />
seine Utopie setze Menschen<br />
mit ganz bestimmten Eigenschaften voraus.<br />
Das gibt er auch zu. Die erste Generation<br />
der Leute von Chiron mußte im<br />
Baby- und Kindesalter durch die außerordentlich<br />
harte Schule unerbittlich logisch<br />
handelnder Maschinen gehen und<br />
hat die Folge etwaiger unüberlegter Anweisungen<br />
am eigenen Leibe zu spüren<br />
bekommen. Wer dennoch überlebte, gehört<br />
bestimmt zu einer ganz besonderen<br />
Auslese. Erfahrungen und Einrichtungen<br />
dieser Generation von Genies kommen<br />
jedoch den folgenden zugute.<br />
Der Roman ist mit Einschränkungen<br />
gut zu lesen. Eine etwas längere Abhandlung<br />
über gewisse Aspekte neuerer<br />
Atomtheorien zeigt jedoch deutlich, daß<br />
der Autor nicht Asimov heißt. Davon<br />
abgesehen leidet aber auch die Übersetzung<br />
an gewissen Mängeln. Zwar<br />
hat der Übersetzer manchen drastischen<br />
Fluch so weit entschärft, daß er möglicherweise<br />
gesellschafts-, wenn nicht<br />
sogar jugendbuchfähig wurde. Zum<br />
Ausgleich verwendet er ein derartiges<br />
Philologendeutsch , als hätte er aus dem<br />
Griechischen übertragen müssen. Sicher<br />
entsprach das nicht den Absichten des<br />
Autors. Deutlich schimmern bei ihm<br />
Gedanken aus „Summerhill“ von A. S.<br />
Neill durch, repressionsfreie Erziehung<br />
betreffend (fluchen und onanieren erlaubt).<br />
Da darf schon mal ein sexuell geprägter<br />
Kraftausdruck fallen!<br />
Angenehm sind die Bestrebungen der<br />
Goldmann SF-Reihe, die Bücher mit<br />
Konstruktionsskizzen und Landkarten<br />
anzureichern. Im Gegensatz zu den „Illustrationen“<br />
anderer Verlage stellen diese<br />
Zeichnungen jedenfalls bei hard SF eine<br />
echte Bereicherung dar.<br />
Berthold Giese