SFT 1/84 - Science Fiction Times
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<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 12/19<strong>84</strong><br />
kontrastierenden Themen. Sie zeigt, daß<br />
wir nicht in der wirklichen Welt leben<br />
oder daß die Welt, die wir für die wirkliche<br />
halten, nicht real ist.<br />
Die beiden Themen heißen Surtur und<br />
Crystalman, deren Gegnerschaft hier<br />
zum ersten Mal durch die Existenz eines<br />
Phantoms beschworen wird und deren<br />
Kämpfe das ganze Buch durchziehen.<br />
Entscheidend ist, daß gleich zu Beginn<br />
eine Illusion zerstört wird, die Illusion<br />
des schönen Scheins (das Phantom hat<br />
die Gestalt eines griechischen Jünglings)<br />
und eines falschen Lichts - beides das<br />
Werk des Kristallmanns.<br />
Die Zerstörung der Illusion steht nicht<br />
ohne Grund am Anfang der Reise Maskulls<br />
zum Planeten Tormance und seiner<br />
Wanderung, die mit der Einsicht in die<br />
wahre Natur des Universums endet. Das<br />
Licht, das hiermit auf den Doppe1charakter<br />
der Realität, deren einer Bestandteil<br />
eben immer Illusion ist und bleiben<br />
wird, fällt, scheint während der Wanderung<br />
Maskulls und dem Aufstieg Nightspores<br />
bis zur vollen Höhe und wird<br />
dann wieder abgeblendet.<br />
Die Musik hat in diesem unaufhörlichen<br />
Lebens- und Erkenntnisprozeß<br />
einen zentralen Stellenwert. Jedesmal,<br />
wenn eine Illusion zerstört wird, dringt<br />
sie mit überwaÅNltigender Macht auf<br />
das Individuum ein, um es erst zu zertrümmern<br />
und dann wieder neu entstehen<br />
zu lassen. So kommt es zu einer<br />
scheinbaren Begegnung zwischen Maskull<br />
und Nightspore im Kapitel „The<br />
Wombflash Forest“. Der Wald ist mit einem<br />
Geräusch von Trommeln erfüllt, das<br />
immer stärker wird, dessen Ursache aber<br />
nicht zu entdecken ist. Maskull sieht<br />
drei Männer im Gänsemarsch durch den<br />
Wald näherkommen – sich selbst, Krag<br />
und Nightspore. Eine leise Musik beginnt<br />
zu erklingen, deren Rhythmus zu<br />
den Trommelschlägen paßt. Plötzlich<br />
sieht er, wie Krag sein zweites, geisterhaftes<br />
Ich mit einem Messer ersticht.<br />
Krag rennt davon und verschwindet im<br />
Wald. „The music rose to crescendo. The<br />
whole dim, gigantic forest was roaring<br />
with sound. The tone came from all sides,<br />
from above, from the ground under<br />
their feet. It was so grandly passionate<br />
that Maskull feit his soul loosening from<br />
its bodily envelope.,, 15<br />
Der Pulsschlag der Trommel und die<br />
anfangs leise, dann wie die Wellen eines<br />
wilden, magischen Ozeans sich zu<br />
rasendem Crescendo steigernde Musik<br />
sind die Stimme Surturs, des Formers.<br />
Nach dem Zeugnis von Robert Barnes<br />
hat Lindsay dieses Kapitel unter dem<br />
Eindruck des von einem Trommelrhythmus<br />
begleiteten Crescendo geschrieben,<br />
das den Übergang vom dritten Satz<br />
zum Finale der Fünften Symphonie von<br />
Beethoven bildet. Es symbolisiert die<br />
Trennung von Maskulls Körper und Seele<br />
und läßt ihn zum ersten Mal Muspel<br />
erblicken, eine Strahlung, die anders ist<br />
als Tageslicht.<br />
(Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe)<br />
Anmerkungen<br />
1 Friedrich Nietzsehe, Ecco homo, Kröner-<br />
Ausgbe, Leipzig 1928, S. 229.<br />
2 Hans Hennecke, Alfred Mombert. Eine Einfürung<br />
in sein Werk und eine Auswahl, Wiesbaden<br />
1952, S. 99. Die Textstellestammt aus<br />
Momberts nur wenige Druckseiten umfassenden<br />
„Geschichte meines Lebens“ (1911).<br />
3 op. cit., S. 99.<br />
4 op. cit. , S. 99.<br />
5 op. cit., S. 18/ 19.<br />
6 J.B. Pick, A Sketch of Lindsay‘s Life as Man<br />
and Writer, in: J.B. Pick/Colin Wilson/E.H.<br />
Visiak, The Strange Genius of David Lindsay,<br />
London 1970, S. 8.<br />
7 op. cit., S. 9.<br />
8 Vgl. Dietrich Wachler, Die Wirklichkeit des<br />
Phantoms, in: Sprache im technischen Zeitalter,<br />
hrsgg. von Walter Höllerer und Norbert Miller,<br />
79/1980, S. 15–27.<br />
9 David Lindsay, A Voyage to Arcturus,London<br />
1974, S. 286.<br />
10 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und<br />
Vorstellung, Dresden 1818, AtlasAusgabe,<br />
Köln, S. 1024.<br />
11 op. cit., S. 1026/1027.<br />
12 Pick, op. cit., S. 13.<br />
13 op. cit., S. 13.<br />
14 op. cit., S. 13.<br />
15 Lindsay, op. cit., S. 154.