Arbeitsgemeinschaft zum Staatsrecht II - Grundrechte
Arbeitsgemeinschaft zum Staatsrecht II - Grundrechte
Arbeitsgemeinschaft zum Staatsrecht II - Grundrechte
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
Lösungsskizze zu Fall 6<br />
Gutachten<br />
Obersatz:<br />
Die Regelung ist verfassungsgemäß, wenn sie sowohl formell als auch materiell<br />
mit dem Grundgesetz im Einklang steht.<br />
A. Formelle Verfassungsmäßigkeit (+)<br />
I. Gesetzgebungskompetenz<br />
● Art. 70 I GG → Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit<br />
das GG nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.<br />
● Art. 74 I Nr. 27 GG → Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des<br />
Bundes für die Statusrechte und –pflichten der<br />
Beamten der Länder.<br />
(für Bundesbeamte vgl. die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz<br />
nach Art. 73 I Nr. 9 GG)<br />
● Auslegung?<br />
→ Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/813, S. 14):<br />
„Hierunter fallen Regelungen hinsichtlich der Begründung oder Beendigung<br />
eines Dienstverhältnisses, die Arten der Beamtenverhältnisse,<br />
Abordnungen und Versetzungen von Beamten zwischen den Ländern<br />
und zwischen Bund und Ländern (also nicht innerhalb eines Landes)<br />
sowie die statusprägenden Rechte und Pflichten.<br />
● Subsumtion:<br />
Durch § 86 <strong>II</strong>I SchulG wird Lehrkräften verboten, bestimmte religiöse<br />
Kleidungsstücke und Symbole zu tragen und zu verwenden. Dies betrifft<br />
nicht die Statusrechte eines Beamten, sodass es sich nicht um eine Regelung<br />
im Sinne des Art. 74 I Nr. 27 GG handelt.<br />
● Zwischenergebnis:<br />
Für die Regelung ist daher die Gesetzgebungskompetenz der Länder gem.<br />
Art. 70 I GG gegeben.
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
<strong>II</strong>. Gesetzgebungsverfahren (+)<br />
§ 86 <strong>II</strong>I SchulG wurde in einem verfassungsmäßigen Gesetzgebungsverfahren<br />
erlassen.<br />
<strong>II</strong>I. Zwischenergebnis<br />
§ 86 <strong>II</strong>I SchulG ist formell verfassungsgemäß.<br />
B. Materielle Verfassungsmäßigkeit<br />
Materiell ist die Vereinbarkeit des § 86 <strong>II</strong>I SchulG mit <strong>Grundrechte</strong>n problematisch.<br />
I. Art. 4 GG<br />
1. Schutzbereich<br />
● Art. 4 I GG schützt die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Freiheit<br />
des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses.<br />
● Nach Art. 4 <strong>II</strong> GG wird die ungestörte Religionsausübung gewährleistet.<br />
● Die Glaubensfreiheit erfasst nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder<br />
nicht zu glauben (forum internum), sondern auch die Freiheit, seinen<br />
Glauben zu bekennen (forum externum).<br />
→ Insofern bildet Art. 4 I und <strong>II</strong> GG ein einheitliches Grundrecht der<br />
Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, welches die Freiheit der Religionsausübung<br />
mit umfasst.<br />
● Zu dieser umfassend gewährten Freiheit gehört auch das Recht des Einzelnen,<br />
sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten<br />
und seiner inneren Überzeugung gemäß zu handeln.<br />
→ Hier: Diese Handlungsfreiheit ist durch das Verbot, bestimmte Kleidungsstücke<br />
oder Symbole zu tragen, betroffen.<br />
2. Eingriff<br />
● Durch das gesetzliche Verbot des § 86 <strong>II</strong>I SchulG wird final und unmittelbar<br />
das Tragen und Verwenden bestimmter Kleidungsstücke und Symbole<br />
verboten, die objektiv geeignet sind, den religiösen Frieden zu gefährden.
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
→ Demnach wird in das Grundrecht aus Art. 4 I und <strong>II</strong> GG im klassischen<br />
Sinne eingegriffen.<br />
3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung<br />
Der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 4 I und <strong>II</strong> GG ist gerechtfertigt,<br />
wenn die Regelung sich als Verwirklichung einer im GG angelegten Grundrechtsschranke<br />
darstellt.<br />
a) Einschränkbarkeit des Grundrechts (Schranke)<br />
● Nach dem Wortlaut des Art. 4 GG wird das Grundrecht an sich schrankenlos<br />
gewährleistet<br />
● (P) Teilweise wird aber aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 I WRV ein einfacher<br />
Gesetzesvorbehalt abgeleitet<br />
→ Dagegen spricht jedoch, dass dann nach Art. 136 I WRV lediglich<br />
die Religionsfreiheit einem Gesetzesvorbehalt unterliegen würde,<br />
nicht aber die in Art. 4 I GG ebenfalls geschützte Gewissensfreiheit.<br />
● Um diesen Wertungswiderspruch zu vermeiden, nimmt die h.Rspr. an,<br />
dass die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit keinem Gesetzesvorbehalt,<br />
sondern nur den verfassungsimmanenten Schranken unterliegt.<br />
→ Dies sind die <strong>Grundrechte</strong> Dritter sowie andere Werte von Verfassungsrang.<br />
→ Die Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Glaubensfreiheit<br />
bedarf indes einer hinreichend bestimmten gesetzlichen<br />
Grundlage.<br />
→ Die Glaubensfreiheit ist demzufolge <strong>zum</strong> Schutz der <strong>Grundrechte</strong><br />
Dritter und anderer Werte mit Verfassungsrang nur durch ein Parlamentsgesetz<br />
einschränkbar.<br />
● Hier: § 86 <strong>II</strong>I SchulG ist ein Parlamentsgesetz<br />
b) Wirksame Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken<br />
● Der Eingriff in die Glaubensfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt,<br />
wenn die Vorschrift des § 86 <strong>II</strong>I SchulG formell und materiell verfassungsgemäß<br />
ist.
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit von § 86 <strong>II</strong>I SchulG (+)<br />
Wie bereits oben festgestellt ist § 86 <strong>II</strong>I SchulG formell verfassungsgemäß.<br />
bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit von § 86 <strong>II</strong>I SchulG<br />
(1) Bestimmtheitsgebot (+)<br />
→ „Die Verwendung interpretationsbedürftiger unbestimmter<br />
Rechtsbegriffe begegnet insoweit keinen Bedenken.<br />
Denkbare Alternative wäre gewesen, in der gesetzlichen Bestimmung<br />
bestimmte Kleidungsstücke, Symbole oder Merkmale,<br />
die verboten werden sollen, beispielhaft oder abschließend<br />
aufzulisten.“<br />
→ „Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen seiner vom Gericht zu<br />
akzeptierenden Einschätzungsprärogative grundsätzlich frei,<br />
bei der Normgestaltung auch unbestimmte Rechtsbegriffe zu<br />
verwenden und somit den Behörden und Gerichten Interpretationsspielräume<br />
zu eröffnen.“<br />
(2)Negative Glaubensfreiheit als kollidierendes Grundrecht<br />
● Zu den kollidierenden <strong>Grundrechte</strong>n Dritter gehört zunächst<br />
die Glaubensfreiheit der Schüler und Eltern.<br />
→ Art. 4 GG schützt nicht nur die positive, sondern auch die<br />
negative Glaubensfreiheit.<br />
→ Dies bedeutet, dass auch die Freiheit besteht, eine Religion<br />
sowie religiöse Symbole abzulehnen.<br />
● Hier: Diese negative Freiheit wird beeinträchtigt durch „eine<br />
vom Staat geschaffene Lage, in der der Einzelne ohne<br />
Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten<br />
Glaubens, den Handlungen, in denen sich dieser manifestiert,<br />
und den Symbolen, in denen er sich darstellt,<br />
ausgesetzt wird.“
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
(3) Grundsatz der politischen, religiösen und weltanschaulichen<br />
Neutralität des Staates<br />
● Daneben wird die Glaubensfreiheit der Lehrenden durch den<br />
Grundsatz der politischen, religiösen und weltanschaulichen<br />
Neutralität des Staates als Wert mit Verfassungsrang beschränkt.<br />
● „Die Neutralitätspflicht folgt in erster Linie aus den <strong>Grundrechte</strong>n.<br />
Das Gebot politischer Neutralität folgt zudem aus<br />
dem Demokratieprinzip, denn die Minderheit soll ohne staatliche<br />
Beeinflussung die Chance erhalten, zur Mehrheit zu werden.<br />
Insbesondere in Fragen des religiösen und weltanschaulichen<br />
Bekenntnisses hat sich der Staat neutral zu verhalten. Indem<br />
es der Staat duldet, dass seine Lehrkräfte ihre Glaubens-,<br />
weltanschaulichen oder politischen Überzeugungen ohne Einschränkung<br />
offen zur Schau stellen dürfen, würden die Schüler<br />
religiös, weltanschaulich oder politisch beeinflusst. Da die<br />
Lehrkräfte naturgemäß eine starke erzieherische Wirkung auf<br />
die Schüler ausüben, würden diese sogar stärker beeinflusst<br />
als etwa durch ein Kruzifix an der Wand, das irgendjemand –<br />
für die Schüler nicht personifizierbar – dorthin gehängt hat.“<br />
● Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 86 <strong>II</strong>I SchulG kein generelles<br />
Verbot enthält, Kleider zu tragen oder Symbole zu verwenden,<br />
die einen religiösen Bezug aufweisen.<br />
● Vielmehr sind lediglich diejenigen Symbole verboten, die objektiv<br />
geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität oder den<br />
Schulfrieden zu beeinträchtigen.<br />
● (P) Allerdings sind nach § 86 <strong>II</strong>I SchulG bei der Entscheidung<br />
über das Vorliegen der Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 der<br />
christlichen und humanistisch geprägten abendländischen<br />
Tradition des Landes L angemessen Rechnung zu tragen.<br />
→ „ Die Vorschrift kann aber verfassungskonform ausgelegt<br />
werden, dass sie hinreichend bestimmt ist und den christlichen<br />
Glauben wie die Christen nicht privilegiert. Dies zeigt sich<br />
schon darin, dass auch christliche Kleidungsstücke, Symbole<br />
usw. grundsätzlich in den Anwendungsbereich fallen und verboten<br />
sein können.“
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
→ „Der hier verwendete Begriff des „Christlichen“ ist im Sinne<br />
des BVerfG (Beschluss v. 17.12.1975) auszulegen: Er bezeichnet<br />
– unabhängig von seiner Herkunft aus dem religiösen Bereich<br />
– eine von Glaubensinhalten losgelöste, aus der Tradition<br />
der christlich-abendländischen Kultur hervorgegangene<br />
Wertewelt, die erkennbar auch dem GG zu Grunde liegt und<br />
unabhängig von ihrer religiösen Fundierung Geltung beansprucht.“<br />
(4) Erziehungsrecht der Eltern<br />
● Auch das Erziehungsrecht der Eltern steht im Widerspruch zur<br />
Glaubensfreiheit der Lehrkraft.<br />
● Nach Art. 6 <strong>II</strong> GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das<br />
natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende<br />
Pflicht.<br />
● Dies ist vom Staat zu berücksichtigen, wenn er die Rechtsverhältnisse<br />
in der Schule regelt.<br />
→ Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, wonach in der<br />
Schule nicht die religiösen und weltanschaulichen Grundsätze<br />
verletzt werden, nach denen die Eltern ihre Kinder erziehen<br />
wollen.<br />
● Dieses Elternrecht wird grundsätzlich beschränkt, hier allerdings<br />
gerade verstärkt, durch den staatlichen Erziehungsund<br />
Bildungsauftrag aus Art. 7 I GG.<br />
→ Danach steht das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des<br />
Staates.<br />
→ Dies bedeutet, dass dem Staat eine umfassende Gestaltungsfreiheit<br />
zusteht, aber auch eine besondere Fürsorgepflicht<br />
für die Schüler.<br />
→ Wenn ein Lehrer eine bestimmte politische oder religiöse<br />
Anschauung offen zur Schau trägt, widerspricht dies dem<br />
Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie der Fürsorgepflicht<br />
des Staates.
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
(5) Praktische Konkordanz<br />
● Soweit <strong>Grundrechte</strong> und andere Verfassungswerte kollidieren,<br />
besteht das verfassungsrechtliche Gebot, eine praktische<br />
Konkordanz herzustellen.<br />
→ Der Gesetzgeber ist verpflichtet, zwischen den dargestellten<br />
widerstreitenden, verfassungsrechtlich geschützten Werten<br />
einen schonenden Ausgleich zu schaffen.<br />
→ Dabei ist zu berücksichtigen, welcher Verfassungsposition<br />
für die zu entscheidende Frage das höhere Gewicht zukommt.<br />
● Dem Gesetzgeber steht insofern eine Einschätzungsprärogative<br />
und ein Gestaltungsermessen zu.<br />
● Insbesondere darf der Gesetzgeber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit<br />
auch bereits abstrakte Gefahren für die im<br />
Schulbereich zu schützenden <strong>Grundrechte</strong> und Verfassungsgüter<br />
durch gesetzliche Verbote reagieren.<br />
● Hier: Die Regelung des § 86 <strong>II</strong>I SchulG erweist sich demnach<br />
als verhältnismäßig, insbesondere auch angemessen.<br />
→ „Denn der einzelnen Lehrkraft ist es nicht verwehrt, ihren<br />
Glauben oder ihre weltanschauliche Überzeugung zu haben.<br />
Sie wird <strong>zum</strong> Schutze der <strong>Grundrechte</strong> Dritter und überragender<br />
Gemeinschaftsgüter aber gehindert, ihre Überzeugung in<br />
der Schule uneingeschränkt nach außen zu dokumentieren.<br />
Diese Grundrechtsbeeinträchtigung ist gerade für den hochsensiblen<br />
Bereich der Schule hinnehmbar und angemessen.“<br />
<strong>II</strong>. Zwischenergebnis<br />
Demzufolge ist § 86 <strong>II</strong>I SchulG materiell verfassungsgemäß und konkretisiert<br />
in verfassungskonformer Weise die verfassungsimmanenten Einschränkungsmöglichkeiten<br />
des Art. 4 I und <strong>II</strong> GG.<br />
Die Regelung verstößt nicht gegen Art. 4 GG.
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
<strong>II</strong>I. Art. 5 I 1 GG<br />
1. Eingriff in den Schutzbereich (+)<br />
→ § 86 <strong>II</strong>I SchulG greift auch in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit<br />
nach Art. 5 I 1 GG ein, der nicht nur politische, sondern auch religiöse<br />
oder weltanschauliche Meinungen und deren Kundgabe schützt.<br />
2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung (+)<br />
→ Der Eingriff ist jedoch aus den oben genannten Gründen als verhältnismäßige<br />
Konkretisierung der Schranke der allgemeinen Gesetze i.S.d.<br />
Art. 5 <strong>II</strong> GG gerechtfertigt.<br />
IV. Art. 2 I GG und Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG<br />
→ Eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen<br />
Persönlichkeitsrechts scheidet schon deshalb aus, weil diese <strong>Grundrechte</strong><br />
gegenüber dem Schutz der Glaubensfreiheit und der Meinungsfreiheit subsidiär<br />
sind.<br />
V. Art. 33 <strong>II</strong> und <strong>II</strong>I GG<br />
1. Ungleichbehandlung (+)<br />
● Nach Art. 33 <strong>II</strong> GG hat jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und<br />
fachlicher Leistung den gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.<br />
→ Insbesondere ist der Zugang unabhängig vom religiösen Bekenntnis<br />
(Art. 33 <strong>II</strong>I GG)<br />
● Ein Verstoß gegen das Verbot, religiös motivierte Kleidung zu tragen,<br />
könnte einen objektiven Eignungsmangel i.S.d. Art. 33 <strong>II</strong> GG begründen.<br />
→ § 86 <strong>II</strong>I SchulG begründet daher eine Ungleichbehandlung gegenüber<br />
Personen, die keine vergleichbaren Symbole bzw. Kleidungsstücke tragen.<br />
2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung<br />
● Bei der Vergabe öffentlicher Ämter darf es nach dem Wortlaut des Art. 33<br />
<strong>II</strong> GG nur auf die dort aufgestellten Kriterien ankommen.
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
→ Ungleichbehandlungen können daher nur aus kollidierendem und im<br />
Einzelfall höherrangigem Verfassungsrecht gerechtfertigt sein.<br />
● Hier: Insoweit erweisen sich die oben zu Art. 4 GG erörterten Gründe a-<br />
ber auch hier als verhältnismäßige Einschränkung.<br />
VI. Zwischenergebnis<br />
Art. 33 <strong>II</strong> GG ist ebenfalls nicht verletzt.<br />
V<strong>II</strong>. Art. 3 I GG<br />
1. Ungleichbehandlung<br />
● Für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst kann die Behörde gemäß § 86 <strong>II</strong>I 4<br />
SchulG eine Ausnahme von dem Verbot, bestimmte religiöse oder weltanschauliche<br />
Merkmale zu verwenden, zulassen, wenn zwingende öffentliche<br />
Interessen nicht entgegenstehen.<br />
● Demnach werden Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst gegenüber anderen,<br />
bereits ausgebildeten Lehrern privilegiert.<br />
→ Es liegt eine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte vor.<br />
2. Sachliche Rechtfertigung<br />
● Fraglich ist, ob diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist<br />
→ „Dies geschieht im Hinblick auf das für Lehrkräfte bestehende Ausbildungsmonopol<br />
des Staates und dem aus Art. 12 GG resultierenden verfassungsrechtlichen<br />
Auftrag, die Freiheit der Berufswahl zu ermöglichen.<br />
Die staatliche Referendarausbildung ist faktische Voraussetzung<br />
für eine spätere Tätigkeit als Lehrer sowohl an staatlichen als auch privaten<br />
Schulen.“<br />
→ Wenn einer Person wegen des Tragens religiöser Symbole die Durchführung<br />
des Vorbereitungsdienstes versagt wird, macht dies die Tätigkeit als<br />
Lehrkraft unmöglich. Eine bereits ausgebildete Lehrkraft hätte dagegen<br />
noch die Möglichkeit, den Lehrberuf an einer privaten Schule auszuüben.
Universität zu Köln <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Grundrechte</strong> WS 2008/09<br />
● Hier: „Der Unterschied in der tatsächlichen und rechtlichen Betroffenheit<br />
von Lehramtsbewerbern und sonstigen Lehrkräften ist ein sachlicher<br />
Grund für die somit verfassungsrechtlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung.“<br />
V<strong>II</strong>I. Zwischenergebnis<br />
Demzufolge ist auch Art. 3 I GG nicht verletzt.<br />
C. Ergebnis:<br />
Die Regelung des § 86 <strong>II</strong>I SchulG des Landes L ist verfassungsgemäß.