Fall 7: Altersgrenze für Kassenärzte - Tappe-online.de

GrundR AG 15.12.2006
Henning Tappe S. 9
(aa) Speziell Gesundheitsschutz
Ein milderes Mittel könnte darin liegen, dass die Leistungsfähigkeit der
Ärzte im Einzelfall überprüft wird, wenn diese das 68. Lebensjahr erreicht
haben. Der Gesetzgeber ist im Rahmen seines Gestaltungsermessens nicht
darauf beschränkt, jeweils im Einzelfall ab Vollendung des 68. Lebensjahres
eine individuelle Prüfung der Leistungsfähigkeit zur Sicherstellung
dieses Zieles vorzunehmen. Er darf auch auf der Grundlage von Erfahrungswerten
eine generalisierende Regelung erlassen. Die Altersgrenze
liegt höher als die Regelaltersgrenzen in vielen anderen Berufen.
(bb) Allgemein
Die erst nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.1993 zugelassenen Ärzte
können die zeitliche Befristung berücksichtigen und ihre Lebens‐ und Berufsplanung
darauf abstellen. Die am 1.1.1993 bereits zugelassenen Ärzte
müssen hingegen ihre Planung umstellen, soweit sie im Vertrauen auf die
bisherige Regelung ihre Lebens‐ und Berufsplanung eine zeitlich unbefristete
Tätigkeit im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt haben.
Ihnen wird jedoch die Möglichkeit eingeräumt, wenigstens 20 Jahre eine
vertragsärztliche Praxis zu betreiben. Der Gesetzgeber durfte in generalisierender
Betrachtungsweise im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis
davon ausgehen, dass die Zeitspanne ausreicht, getätigte Investitionen zu
erwirtschaften und eine angemessene Alterssicherung aufzubauen. Zudem
wird der Eingriff dadurch abgemildert, dass der Vertragsarzt auch nach
Vollendung des 68. Lebensjahres durch eine privatärztliche Tätigkeit –
wenn auch im begrenzten Umfang – Einkünfte erzielen kann.
(d) Angemessenheit des Gesetzes (VHMK i. e. S.)
Der Zweck des GesStruktG müsste weiterhin in Bezug auf die Beschränkung
der Berufsfreiheit in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Der Maßstab für die Angemessenheit richtet sich nach der Schwere des Eingriffs,
der sich wiederum durch die Drei‐Stufen‐Theorie bestimmt. Es ist hier
der Maßstab der zweiten Stufe heranzuziehen. Das GesStruktG wäre nur dann
angemessen, wenn es zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeingutes
dient.
Hätte man aufgrund der Unbeeinflussbarkeit des Alters den Maßstab der
dritten Stufe angesetzt (s.o.), dann müsste der Zweck zum Schutz überragend
wichtiger Gemeinschaftsgüter vor schweren Gefahren dienen.
Allein die Kostenersparnis ist noch kein besonders wichtiges Gemeingut.
Der Gesundheitsschutz hingegen ist ein besonders wichtiges Gemeingut.
Das GesStruktG verfolgt einen angemessenen Zweck und verstößt so
nicht gegen das Übermaßverbot.
4. Ergebnis: A ist nicht in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.