Maßnahmen gegen Gebäudesetzungen beim Tunnelbau

Maßnahmen gegen Gebäudesetzungen beim Tunnelbau Maßnahmen gegen Gebäudesetzungen beim Tunnelbau

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Technische Universität Berlin Veröffentlichungen des Grundbauinstituts Vortrag zum 3. Hans Lorenz Symposium am 11.10.2007 Maßnahmen zur Vermeidung und Rückstellung von Gebäudesetzungen beim Tunnelbau – Beispiele der Bauvorhaben City Tunnel Leipzig und Nord-Süd-Stadtbahn Köln Dipl.-Ing. Reiner Otterbein Niederlassungsleiter Bochum, Keller Grundbau GmbH, Bochum Dipl.-Ing. Thomas Paßlick Spartenleiter Soilfrac, Keller Grundbau GmbH, Bochum Dr.-Ing. Ulrich Trunk Bautechnische Risikoanalyse und Controlling Keller Holding GmbH, Offenbach Zusammenfassung Bei den Tunnelbauvorhaben unter den Innenstädten von Leipzig und Köln werden mit Soilfrac ® und Soilcrete ® bzw. Düsenstrahlverfahren umfangreiche Maßnahmen zur Gebäudesicherung und Setzungsminimierung sowie zur Rückstellung von Bauwerkssetzungen infolge des Tunnelbaus ausgeführt. Die messtechnische Überwachung der zu sichernden Gebäude sowie die Aufzeichnung und Dokumentation der Injektionsparameter sind zwingende Voraussetzungen für die erfolgreiche Steuerung und Ausführung der Injektionsarbeiten. Beim City Tunnel Leipzig werden 60 Gebäude auf einer Fläche von 22.000 m 2 mittels Hebungsinjektionen bzw. Soilfrac ® gesichert. Die 25.000 m Bohrungen sind im anspruchsvollen Leipziger Baugrund abzuteufen. Bei der Nord-Süd Stadtbahn Köln, Los Nord, wurden Soilfrac ® - und Soilcrete ® -Maßnahmen zur Bodenstabilisierung und Abfangung bzw. Unterfangung von Gebäuden sowie für die kontrollierte Verformungskontrolle von Bauwerken ausgeführt. Trotz der mittlerweile technisch immer weiter ausgereiften Tunnelvortriebstechniken ist der Einsatz umfangreicher Sicherungsmaßnahmen zum Schutze der Bausubstanz als Hilfsmaßnahme für die Realisierung derartiger Projekte insbesondere in innerstädtischen Bereichen unverzichtbar. An die

Technische Universität Berlin<br />

Veröffentlichungen des Grundbauinstituts<br />

Vortrag zum 3. Hans Lorenz Symposium am 11.10.2007<br />

Maßnahmen zur Vermeidung und Rückstellung von<br />

Gebäudesetzungen <strong>beim</strong> <strong>Tunnelbau</strong> – Beispiele der Bauvorhaben<br />

City Tunnel Leipzig und Nord-Süd-Stadtbahn Köln<br />

Dipl.-Ing. Reiner Otterbein<br />

Niederlassungsleiter Bochum, Keller Grundbau GmbH, Bochum<br />

Dipl.-Ing. Thomas Paßlick<br />

Spartenleiter Soilfrac, Keller Grundbau GmbH, Bochum<br />

Dr.-Ing. Ulrich Trunk<br />

Bautechnische Risikoanalyse und Controlling Keller Holding GmbH, Offenbach<br />

Zusammenfassung<br />

Bei den <strong>Tunnelbau</strong>vorhaben unter den Innenstädten von Leipzig und Köln werden mit Soilfrac ® und<br />

Soilcrete ®<br />

bzw. Düsenstrahlverfahren umfangreiche Maßnahmen zur Gebäudesicherung und<br />

Setzungsminimierung sowie zur Rückstellung von Bauwerkssetzungen infolge des <strong>Tunnelbau</strong>s<br />

ausgeführt.<br />

Die messtechnische Überwachung der zu sichernden Gebäude sowie die Aufzeichnung und<br />

Dokumentation der Injektionsparameter sind zwingende Voraussetzungen für die erfolgreiche<br />

Steuerung und Ausführung der Injektionsarbeiten.<br />

Beim City Tunnel Leipzig werden 60 Gebäude auf einer Fläche von 22.000 m 2<br />

mittels<br />

Hebungsinjektionen bzw. Soilfrac ® gesichert. Die 25.000 m Bohrungen sind im anspruchsvollen<br />

Leipziger Baugrund abzuteufen. Bei der Nord-Süd Stadtbahn Köln, Los Nord, wurden Soilfrac ® - und<br />

Soilcrete ® -Maßnahmen zur Bodenstabilisierung und Abfangung bzw. Unterfangung von Gebäuden<br />

sowie für die kontrollierte Verformungskontrolle von Bauwerken ausgeführt.<br />

Trotz der mittlerweile technisch immer weiter ausgereiften Tunnelvortriebstechniken ist der Einsatz<br />

umfangreicher Sicherungsmaßnahmen zum Schutze der Bausubstanz als Hilfsmaßnahme für die<br />

Realisierung derartiger Projekte insbesondere in innerstädtischen Bereichen unverzichtbar. An die


2 R. Otterbein, T. Paßlick, U. Trunk<br />

Planung und im besonderen Maß an die Ausführung werden je nach Aufgabenstellung hohe<br />

Anforderungen gestellt. Diese setzen einen hohen Erfahrungsstand der Injektionsspezialisten, eine<br />

qualifizierte Mannschaft sowie eine enge Kooperation zwischen Bauherrn, Planern, Gutachtern,<br />

Hauptunternehmern und den Ausführenden voraus.<br />

1 Einleitung<br />

Die Verkehrsinfrastruktur der Städte Köln und Leipzig wird aktuell durch die bedeutenden<br />

<strong>Tunnelbau</strong>projekte Nord-Süd Stadtbahn Köln und City Tunnel Leipzig verbessert.<br />

Zum Bauvorhaben City Tunnel Leipzig, der Streckenführung, den besonderen Randbedingungen und<br />

den Projektbeteiligten wurde bereits an anderer Stelle berichtet, sodass auf die Details des<br />

Gesamtprojektes hier nicht näher eingegangen werden muss (Franz, Kirsch und Richter, 2006, ARGE<br />

CTL Los B, 2007). Zur Stadtbahn Köln finden sich in Bücker et al. (2006) und Stelte (2007)<br />

eingehende Beschreibungen des Projektes.<br />

Zum Ausgleich der <strong>beim</strong> Tunnelvortrieb zu erwartenden Baugrundverformungen und Setzungen sowie<br />

zum Schutz der zum Teil historischen Gebäude wird bei beiden Tunnelprojekten entlang der<br />

Vortriebstrasse das Soilfrac ® -Verfahren eingesetzt, das auch als Compensation Grouting oder<br />

Verfahren der Hebungsinjektion bezeichnet wird. Bei der Stadtbahn Nord-Süd in Köln wurden ferner<br />

Soilcrete ® -Kubaturen zur Senkungsbegrenzung und zur Gebäudesicherung während der Schildfahrt<br />

hergestellt.<br />

Über die Grundprinzipien und Wirkungsweise des Soilfrac ® - und Soilcrete ® -Verfahrens wurde bereits<br />

mehrfach berichtet, sodass eingehende Erläuterungen zum Verfahren nicht erforderlich sind (Raabe<br />

und Esters, 1993, Otterbein et al., 2000).<br />

2 Das Soilfrac ® -Verfahren<br />

Beim Soilfrac ® -Verfahren oder dem Verfahren der hydraulischen Rissbildung (DIN EN 12715) wird<br />

der Baugrund gezielt mit Hilfe einer Bindemittelsuspension aufgesprengt und Feststoff in den<br />

Baugrund eingebracht. Die Rissbildung erfolgt in aller Regel senkrecht zur kleineren<br />

Hauptspannungsrichtung, und somit bei normal konsolidierten Böden zunächst vertikal. Durch den<br />

Feststoff- und Volumeneintrag und die seitliche Verdrängung des Bodens wird eine<br />

Spannungserhöhung bzw. -vergleichmäßigung erzeugt. Erreichen die Horizontalspannungen die Größe<br />

der vertikalen Spannungen können mit dem Einpressen weiteren Feststoffvolumens horizontale Risse<br />

im Baugrund erzeugt werden, die dann zu einer Hebung führen.


Vermeidung und Rückstellung von Gebäudesetzungen <strong>beim</strong> <strong>Tunnelbau</strong> 3<br />

Mit Hilfe einer präzisen Verformungsmessung, z.B. durch Anwendung von Druckschlauchwaagen,<br />

und der Aufzeichnung und Steuerung der Injektionen kann eine gezielte Hebung von Bauwerken und<br />

Gebäuden durchgeführt werden, siehe hierzu auch Abschnitt 3. Der Suspensions- oder Feststoffeintrag<br />

erfolgt in aller Regel über Stahlmanschettenrohre, die über meist leicht geneigte bis fast horizontale<br />

Bohrungen in den Baugrund eingebaut werden. Die einzelnen Ventilstufen werden dann gezielt mittels<br />

Doppelpackern angefahren, um die feststoffreiche Suspension in den Baugrund einzupressen.<br />

3 Messtechnische Überwachung der Gebäude und Steuerung der<br />

Injektionsarbeiten<br />

Aufgrund der Vielzahl der Daten, der Dauer der Baumassnahme und der erforderlichen Genauigkeiten<br />

kommen dem Messen der Verformungen, dem Erfassen und Verarbeiten der Messwerte sowie dem<br />

Steuern und Aufzeichnen der Injektionsparameter eine herausragende Bedeutung zu.<br />

Für das Messen der Gebäudeverformungen hat sich das System der Druckschlauchwaage als das auch<br />

über lange Zeit stabil und mit ausreichender Präzision messende Verfahren und Prinzip bewährt und<br />

am Markt durchgesetzt, siehe hierzu auch Jakobs et al. (2001).<br />

Die geforderte Messgenauigkeit für die Steuerung der Hebungsinjektion muss im Regelfall


4 R. Otterbein, T. Paßlick, U. Trunk<br />

• Die Hebungsinjektion kann für frei wählbare Zeiträume dargestellt werden.<br />

• Differenzverformungen können berechnet und aus gemessenen<br />

Verformungsgeschwindigkeiten prognostiziert werden.<br />

• Den Verformungswerten können Verformungskriterien farbliche zugeordnet werden. In der<br />

Praxis hat sich die so genannte Ampelsteuerung als vorteilhaft erwiesen, z.B. rot: Hebung im<br />

kritischen Bereich, gelb: Hebungstendenz erkennbar, grün: keine Verformungen, siehe Abb. 1<br />

Somit ist es möglich, sowohl komplexe Injektionsmaßnahmen zu steuern als auch Auswertungen zu<br />

den durchgeführten Bohr- und Injektionsarbeiten vorzunehmen. So können die Injektionsdrücke oder -<br />

mengen in einzelnen Quadranten oder für einzelne frei festlegbare Gebäudebereiche wie Einzel- oder<br />

Streifenfundamente ausgewertet und dargestellt werden. Durch die Verknüpfung mit den<br />

Schlauchwaagenmessdaten ist es möglich, Soll- und Ist-Werte für Verformungen oder<br />

Winkelverdrehungen, Aufmerksamkeitswerte, Aktivitätswerte und Alarmwerte sowie Prognosewerte<br />

graphisch oder tabellarisch darzustellen, um damit eine effektive und gezielte Steuerung der<br />

Injektionsarbeiten zu ermöglichen.<br />

Abb. 1<br />

Verformungswerte an Schlauchwaagenmesspunkten mit einer farblichen Bewertung der<br />

Verformungen<br />

Ferner werden mit dem Programmsystem die täglichen Arbeitseinweisungen für die jeweiligen<br />

Verpressstellen erzeugt, die dann dem Baustellenpersonal zur Verfügung stehen.<br />

Die Auswahl und Mengenfestlegung für die anzufahrenden bzw. zu verpressenden Ventilstufen erfolgt<br />

nicht vollautomatisch, sondern auf Basis vielfacher Erfahrungen durch den verantwortlichen Bauleiter<br />

unter Zuhilfenahme der oben beschriebenen Auswertungen.<br />

Eine programmtechnisch vollständige Automatisierung, die alle möglichen Einflussfaktoren<br />

einbezieht und bewertet, ist nach Auffassung der Autoren nicht sinnvoll. Insbesondere ist bei


Vermeidung und Rückstellung von Gebäudesetzungen <strong>beim</strong> <strong>Tunnelbau</strong> 5<br />

komplexeren Bauaufgaben zu beachten, dass die Wirkungsweise der Injektionen mit fortschreitendem<br />

Bauablauf und in Abhängigkeit der einwirkenden Verformungen sich ständig verändert und in die<br />

Steuerung der weiteren Injektionsarbeiten einfließen muss.<br />

4 City Tunnel Leipzig Los B<br />

4.1 Ausführung der Bohrarbeiten<br />

Beim City Tunnel Leipzig werden die erforderlichen Stahlmanschettenrohre in Horizontalbohrungen<br />

von bis zu 75 m Länge eingebaut. In Summe sind 25.000 m Bohrungen zur Sicherung von 60<br />

Gebäuden mit einer Grundfläche von 22.000 m² herzustellen, ca. 22.000 m Bohrungen sind im<br />

September 2007 bereits hergestellt.<br />

Die Bohrungen werden fächerförmig aus 15 Schächten mit Durchmessern zwischen 3,5 m und 6,5 m<br />

<strong>gegen</strong> drückendes Wasser mit bis zu 7 m Wasserdruckhöhe abgeteuft. In einem Teilbereich wurden sie<br />

aus einem vorhandenen unter der Petersstraße verlaufenden Stollen mit Durchmesser 2,4 m hergestellt.<br />

Die Schächte für die Herstellung der Bohrungen wurden so angeordnet, dass eine möglichst geringe<br />

Beeinträchtigung des öffentlichen Straßenraums erfolgt. Auch aus diesem Grund wurden einige<br />

Schächte mit einem Durchmesser von nur 3,5 m ausgeführt. Je geringer der Schachtdurchmesser ist,<br />

umso kürzer sind die möglichen Längen der einzeln ein- und auszubauenden Gestängeschüsse. Ferner<br />

nimmt die Anzahl der Brechvorgänge zu. Neben dem Baugrund haben auch diese Größen Einfluss auf<br />

die erreichbare Bohrgenauigkeit, siehe Abb. 2 und 4.<br />

Abb. 2<br />

Baustelleneinrichtung für die Bohrarbeiten in der Leipziger Innenstadt, hier Petersstraße.


6 R. Otterbein, T. Paßlick, U. Trunk<br />

Die Bohrungen werden in den unterschiedlichen Schichten des Leipziger Baugrundes ausgeführt,<br />

vorwiegend in tertiären Mittel- und Feinsanden und quartären Flussschottern, jedoch auch in den<br />

anstehenden grüngrauen Schluffen. Hinzu kommen eingelagerte Braunkohleschichten sowie<br />

Bauwerksreste früherer Bautätigkeiten.<br />

Besonderheit des Leipziger Baugrundes sind die dort eingelagerten Sandsteinmonolithe und<br />

Quarzitblöcke mit einaxialen Druckfestigkeiten bis zu 250 MN/m². Die Bewältigung dieser<br />

Hindernisse stellt eine besondere Herausforderung bei diesem Bauvorhaben dar.<br />

Infolge der eingelagerten Monolithe, Quarzite und Bauwerksreste kann ein Abbruch einer Bohrung<br />

erforderlich werden, wenn kein weiterer Bohrfortschritt erreicht wird. Ferner können die eingelagerten<br />

Quarzitblöcke zu einer starken und unvermeidlichen Ablenkung der Bohrung führen, sodass die<br />

Ventilrohre im Bereich des späteren Schildvortriebs liegen könnten. Ein Mindestabstand von 2,0 m<br />

zum Tunnel ist einzuhalten. Für die Ausführung der Hebungsinjektionen ist die relative Lage der<br />

Manschettenrohre zueinander und zu den Bauwerken entscheidender als deren exakte Lage oder<br />

Einhaltung einer absolut vorgegebenen Bohrabweichung.<br />

Die herzustellenden Bohrungen sollen folgenden Anforderungen genügen:<br />

Die Bohrungen sollen aus Schächten von 3,5 m bis 6,5 m Durchmesser möglichst la<strong>gegen</strong>au<br />

hergestellt werden, sodass die eingebauten Manschettenrohre und deren einzelne Verpressstufen bzw.<br />

Ventile ausreichend gleichmäßig unter den Gebäuden unter Einhaltung maximaler Abstände zwischen<br />

den Ventilen und zulässigen Abständen zum späteren Tunnelvortrieb verteilt sind. Somit ist eine<br />

gezielte Hebung der einzelnen Gebäude bzw. Bauwerksstrukturen möglich.<br />

Gleichzeitig sollen die bei der Herstellung der Bohrungen unvermeidlichen Verformungen durch das<br />

zum Einsatz kommende Bohrverfahren, den gewählten Bohrdurchmesser und die verwendete<br />

Bindemittelsuspension möglichst gering gehalten werden. Ferner soll durch die Wahl der<br />

Bohrwerkzeuge und der Abdichtungskonstruktionen ein Austrag von Boden und Wasser bei der<br />

Herstellung der Bohrungen in die Schächte weitestgehend verhindert werden.<br />

Das zum Einsatz kommende Bohrverfahren soll in allen anstehenden Baugrundschichten ausführbar<br />

sein, somit auch bei den eingelagerten Sandsteinmonolithen und Quarzitblöcken.<br />

Das Bohrverfahren soll ferner auch in engen Abständen zu den vorhandenen Untergeschossen der zum<br />

Teil älteren Bestandsbebauung ausführbar sein, ohne dass es zu einem unkontrollierten<br />

Suspensionseintritt in Untergeschosse kommt.<br />

Aufgrund der oben genannten Randbedingungen und Anforderungen hat man sich für ein verrohrtes<br />

Bohrverfahren mit stabiler Mantelmischung entschieden. Die Bohrungen werden mit Lafetten<br />

ausgeführt, die auf in der Höhe verstellbaren Hubbühnen montiert sind, um die einzelnen Bohrebenen


Vermeidung und Rückstellung von Gebäudesetzungen <strong>beim</strong> <strong>Tunnelbau</strong> 7<br />

ohne Umbaumaßnahmen anfahren zu können, siehe Abb. 3. Die Bohrungen werden mit einem stabilen<br />

Einfachgestänge und einer an den anstehenden Baugrund angepassten Bohrkrone mit einem<br />

Durchmesser von bis zu 125 mm abgeteuft. Bei Erreichen der Endtiefe wird zunächst die Bohrung mit<br />

einer Sonde Reflex Maxibohr II vermessen. Nach bauseitiger Freigabe der Lage der Bohrung wird<br />

dann das Manschettenrohr eingebaut, die Bohrkrone abgeworfen und das Gestänge bei gleichzeitigem<br />

Verpressen von Suspension gezogen. Somit wird ein kraftschlüssiger Einbau der<br />

Stahlmanschettenrohre erreicht.<br />

Die Bohrungen werden in den Schächten mit einer Preventerkonstruktion <strong>gegen</strong> meist anstehendes<br />

drückendes Grundwasser und den Austrag von Boden abgedichtet.<br />

Abb. 3<br />

Herstellen der Bohrungen mit Lafette auf Hubbühne<br />

Aufgrund des anstehenden drückenden Grundwassers können Doppelkopfbohrverfahren nur mit<br />

verschließbaren Kronen ausgeführt werden, um einen unkontrollierten Bodenaustrag bei dem ständig<br />

erforderlichen Brechen des Gestänges zu verhindern.<br />

Gegenüber dem gewählten Bohrverfahren bietet das Doppelkopfbohrverfahren mit luft- oder<br />

wasserbetriebenem Imlochhammer aufgrund der genannten Anforderungen keine Vorteile <strong>gegen</strong>über<br />

dem gewählten Bohrverfahren. Doppelkopfbohrungen mit Kopfhammer bieten bei großen Bohrlängen<br />

nur eine stark verminderte Schlagenergie. Hinzu kommt der Nachteil kürzerer Gestängeschüsse, die<br />

ein deutlich häufigeres Brechen und Nachlegen von Gestänge erforderlich machen.


8 R. Otterbein, T. Paßlick, U. Trunk<br />

Die Ausführung gesteuerter Bohrungen mit bis zu 75 m Länge sowohl durch die anstehenden<br />

Lockergesteine als auch Quarzite und Monolithe bei gleichzeitiger Beachtung der Anwohnersituation<br />

und der Anforderungen an die setzungsarme Herstellung der Bohrungen unter Einhaltung der<br />

gegebenen Ausführungszeiten war und ist nicht möglich.<br />

Die gemessenen geringen Bauwerksverformungen bei der Herstellung der Bohrungen, das<br />

erfolgreiche Durchbohren anstehender Findlinge, Quarzitblöcke und Hindernisse sowie die<br />

festgestellten geringen Bohrabweichungen haben die Eignung und Leistungsfähigkeit des<br />

ausgeführten Bohrverfahrens eindrucksvoll bestätigt.<br />

Bei den längeren Bohrungen mit bis zu 75,00 m wurde eine mittlere Bohrabweichung von 1,0 %<br />

festgestellt.<br />

Abb. 4<br />

Bohrarbeiten aus einem Schacht Durchmesser 6,5 m, Marktplatz<br />

Bei in Summe 670 Bohrungen wurden bisher 23 oder 3,4% Zusatzbohrungen ausgeführt, nur 5 oder<br />

0,8% der bisher 670 ausgeführten Bohrungen mussten wegen Antreffens eines unüberwindlichen<br />

Bohrhindernisses abgebrochen werden.<br />

4.2 Hebungsinjektion Phase I-IV<br />

In der Phase I der Hebungsinjektion soll zunächst ein Ausgleich vorhandener Heterogenitäten im<br />

Baugrund erfolgen. Ferner erfolgt die so genannte Spannungssättigung des Baugrundes, sodass es


Vermeidung und Rückstellung von Gebäudesetzungen <strong>beim</strong> <strong>Tunnelbau</strong> 9<br />

nach Erreichen einer ausreichenden horizontalen Verspannung im Baugrund zu einer ersten<br />

Kontakthebung der Fundamente bzw. Bauwerke in der Größenordnung von max. 1 mm kommt.<br />

Durch den Planer der ausführenden ARGE wurden die zu erwartenden Setzungen der zu sichernden<br />

Gebäude infolge des Schildvortriebes ermittelt.<br />

In Phase II erfolgt dann unmittelbar im Anschluss an Phase I eine Vorhebung entsprechend den<br />

berechneten Verformungen unter Einhaltung der zulässigen Differenzverformungen bzw.<br />

Schiefstellungen der einzelnen Gebäude und der zulässigen Gesamthebungsbeträge, siehe Abb. 5.<br />

Für die Planung solcher Gebäudesicherungsmaßnahmen ist die Kenntnis der statischen Tragsysteme<br />

der einzelnen Bauwerke, des Zustandes der Fundamente sowie der vorhandenen Bodenpressungen<br />

erforderlich. Zweckmäßig ist die Ausführung eines Beweisverfahrens, um ggf. vorhandene<br />

Vorschädigungen der Gebäude festzuhalten.<br />

Nach Erreichen der Vorhebungsmaße und einer ausreichenden Aushärtung der eingebrachten<br />

Bindemittelsuspension kann dann der Tunnelvortrieb erfolgen.<br />

Abb. 5<br />

Injektion in Phase I und II aus den Schächten<br />

In Phase III erfolgt der Ausgleich der <strong>beim</strong> Schildvortrieb auftretenden Verformungen, wobei die o.g.<br />

zulässigen Gesamtverformungswerte sowie die zulässigen Schiefstellungsmasse der Gebäude zu<br />

beachten sind. Nach den bisherigen Erfahrungen bei vergleichbaren Tunnelvortrieben ist zu erwarten,<br />

dass ein erforderlicher Setzungsausgleich infolge des Schildvortriebes primär nachlaufend zum<br />

Vortrieb erfolgen wird.


10 R. Otterbein, T. Paßlick, U. Trunk<br />

Bei der ersten Schildfahrt in der Oströhre vom Bayerischen Bahnhof bis zum Wilhelm- Leuschner-<br />

Platz waren keine Injektionen entsprechend Phase III erforderlich.<br />

In Phase IV werden dann nach Abschluss aller Vortriebsarbeiten ggf. erforderliche Rückstellungen an<br />

den vorhandenen Gebäuden ausgeführt.<br />

5 Nord-Süd Stadtbahn Köln, Los Nord<br />

Für den Bau der Nord-Süd-Stadtbahn Köln waren im Los Nord aufgrund der schwierigen<br />

geologischen Verhältnisse Maßnahmen mit dem Soilfrac®-Verfahren und Düsenstrahlverfahren für<br />

die Sicherung der anstehenden Bebauung und den Tunnelvortrieb erforderlich. Der Baugrund ist<br />

besonders durch die extrem heterogenen, teilweise stark archäologisch durchsetzten Auffüllungen bis<br />

in Tiefenlagen von bis zu 10 m unter GOK gekennzeichnet und damit für die klassischen<br />

Vortriebsmethoden als risikoreich einzustufen.<br />

5.1 Feststoffeinpressung mittels Soilfrac®-Verfahren als Bodenstabilisierung für den<br />

Tunnelvortrieb<br />

Aufgrund der geringen Überdeckung des neuen Tunnels sowie setzungsempfindlicher Bauwerke im<br />

Bereich des Hauptbahnhofes war es erforderlich, den Baugrund mit dem Soilfrac®-Verfahren zu<br />

verbessern. Ziel der Maßnahme war, nach der durchgeführten Baugrundverbesserung den Stütz- und<br />

Suspensionsdruck der Schildmaschine ohne die Gefahr von Suspensionsverlusten optimal einstellen zu<br />

können und damit kalkulierbare Vortriebsbedingungen zu gewährleisten.<br />

Aus einem zwölf Meter tiefen Vertikalschacht mit nur 4,5 m Durchmesser wurden Bohrungen<br />

horizontal und vertikal abgeteuft, in die Manschettenrohre eingebaut wurden. Da der Injektionsbereich<br />

mit der Schildmaschine planmäßig durchfahren wurde, wurden spezielle Kunststoff-Manschettenrohre<br />

anstatt der sonst <strong>beim</strong> Soilfrac®-Verfahren üblichen Stahlmanschettenrohre eingebaut. Die maximalen<br />

Bohrlängen betrugen ca. 50 m. Mit dem gewählten Bohrverfahren konnten Bohrabweichungen von ca.<br />

1 % trotz der z.T. massiven Hindernisse wie alte Verbauträger etc. eingehalten werden. Die<br />

Ventilrohre wurden nach unterschiedlichen Injektionskriterien mehrfach beaufschlagt, um eine<br />

einheitliche Verspannung des Bodens zu erzielen und somit optimale Bedingungen für den späteren<br />

Schildvortrieb zu schaffen, siehe Abb. 6 und 7. Insgesamt wurden 3500 m Manschettenrohre installiert<br />

und injiziert.


Vermeidung und Rückstellung von Gebäudesetzungen <strong>beim</strong> <strong>Tunnelbau</strong> 11<br />

Abb. 6. Längsschnitt Bodenverbesserung für die Schildmaschine<br />

Der Erfolg der Maßnahme zeigte sich bereits unmittelbar nach Einfahrt der TBM in den verbesserten<br />

Bereich. Der Vortrieb konnte mit optimalem Stützdruck bei deutlich verringerten<br />

Suspensionsverlusten sicher und verformungsarm durchgeführt werden. Des Weiteren wurde gerade<br />

bei der Bergung eines Stahlträgers die Notwendigkeit der Stabilisierungsmaßnahme offensichtlich.<br />

Abb. 7 Schildmaschine durchfährt verbesserten Baugrund und Manschettenrohre


12 R. Otterbein, T. Paßlick, U. Trunk<br />

5.2 Kompensations-Injektionen zur Hebung einer Stütze der vorhandenen S-Bahn Trasse<br />

Aus dem gleichen Vertikalschacht, wie in 5.1 beschrieben, wurde aus einer höheren Lage ein<br />

Stahlmanschettenrohr-Fächer unterhalb eines 5 x 5 m großen, hoch belasteten Fundamentes<br />

hergestellt. Zunächst ergaben sich aus den Fächerbohrungen Setzungen an der Stütze von ca. 3 mm,<br />

die Zwischeninjektionen erforderlich machten. Die Verformungen an der S-Bahn-Stütze wurden mit<br />

drei Schlauchwaagen kontinuierlich erfasst und zur weiteren Injektionssteuerung genutzt.<br />

Nachdem alle Manschettenrohre installiert waren – die max. Setzungen konnten durch<br />

zwischengeschaltete Injektionen auf 3 mm begrenzt werden – wurde die Stütze gezielt und<br />

gleichmäßig um 8 mm angehoben. Daraus ergab sich ein effektives Hebungsmaß von +5 mm. Die<br />

planmäßigen Vortriebsarbeiten konnten dann trotz eines unvorhergesehenen Vortriebshindernisses<br />

störungsfrei und ohne größere Verformungen in diesem Bereich ausgeführt werden, siehe Abb. 8.<br />

Abb. 8 Gezielte Hebung einer S-Bahn-Stütze<br />

5.3 Düsenstrahlkubaturen als Unterfangung für den Schildvortrieb<br />

Das erste mit der Tunnelvortriebsmaschine zu unterfahrende Gebäude war ein Hotel mit Tiefgarage.<br />

Der Abstand zwischen der Tunnelfirste und der Tiefgaragensohle betrug nur ca. 1,0 m. Die Lasten aus<br />

den Einzelstützen waren abzufangen, um die Setzungen aus dem Tunnelvortrieb zu minimieren und<br />

eine Belastung des Tunnels zu vermeiden.


Vermeidung und Rückstellung von Gebäudesetzungen <strong>beim</strong> <strong>Tunnelbau</strong> 13<br />

Abb. 9 Düsenstrahlsäulen zur statischen Abfangung einer Tiefgarage<br />

Abb. 10. links zu sehen: homogener Düsenstrahlkörper aus überschnittenen Säulen, rechts die<br />

Schildmaschine


14 R. Otterbein, T. Paßlick, U. Trunk<br />

Hierfür wurden aus der Tiefgarage in jeder Achse der Einzelstützen überschnittene Reihen aus<br />

Düsenstrahlsäulen hergestellt. Der Vortrieb erfolgte später mittig durch die Düsenstrahlkörper, siehe<br />

Abb. 9. Die Besichtigung der Ortsbrust aus der Arbeitskammer der TBM zeigte bei einer Inspektion<br />

der Schneidwerkzeuge durchgängig homogene Kubaturen, siehe Abb. 10.<br />

Die Düsenstrahlreihen bewirkten ferner einen Querschotteffekt, sodass die Setzungsmulde der<br />

Schildmaschine in Längsrichtung unterbrochen wurde und sich somit deutlich geringere Setzungen<br />

einstellten. Trotz der geringeren Überdeckungen von nur 1,0 m konnten die Verformungen auf wenige<br />

mm begrenzt werden.<br />

7 Literatur<br />

ARGE CTL Los B<br />

Homepage der ARGE unter www.arge-ctl.de<br />

Bücker K., Assenmacher St., Köster S. und Otten B. [2006]. “Nord-Süd Stadtbahn Köln/D, Teil III –<br />

Schildfahrt“, Tunnel 7, 2006<br />

Franz S., Kirsch F. und Richter T. [2006]. “Der City-Tunnel Leipzig – Umfängliche<br />

Gebäudesicherungen durch Hebungsinjektionen“, Grundbauinstitut der TU Berlin, Heft Nr.<br />

40, S. 123-137, 2006<br />

Jakobs M., Otterbein R. und Dekker H. [2001]. “Erfahrungen <strong>beim</strong> Einsatz der Druckschlauchwaage<br />

zur Höhenüberwachung setzungsempfindlicher Bauwerke“, Bauingenieur Band 76, 2001<br />

Knitsch H. [2000]. “Rückstellungen von Setzungen mit IT-gestütztem Soilfrac ® -Verfahren“, Vortrag<br />

Fachtagung EDV in der Baupraxis 2000, Spittal a.d. Drau Austria<br />

Knitsch, H., Otterbein, R. und Paßlick, T. [2007]. “Visualisierung relevanter Daten <strong>beim</strong><br />

Compensation Grouting“, Vortrag anlässlich des BHT 2007 TU Bergakademie Freiberg<br />

Otterbein R. und Dekker H.[2000]. “Anwendung des Soilfrac ® -Verfahrens in Europa“, Vortrag<br />

Internationaler Studientag Compensation Grouting, 2000, Antwerpen<br />

Raabe E.W. und Esters K. [1993]. ”Soilfracturing techniques for terminating settlements and restoring<br />

leveles of building and structures”, Ground Improvement, M.P. Moseley, Hayward Baker<br />

Inc./USA, Chapman & Hall, Glasgow, 1993<br />

Säuberlich, J.R., Knitsch, H., Ruppel, G. und Trunk, U. [2000]. “Rückstellungen von Setzungen mit<br />

dem Soilfrac ® -Verfahren: Zusammenspiel von Messen, Injektion und geotechnischem<br />

Modell an einem Beispiel“, Messen in der Geotechnik 2000, TU Braunschweig<br />

Stelte M. [2007]. “Anwendung verschiedener Injektionstechniken als Sicherungsmaßnahmen im Zuge<br />

des U-Stadtbahn Baus Köln, Los Nord“, Bautechnik Heft 9, 2007

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