29.04.2015 Aufrufe

SFT 5/84 - Science Fiction Times

SFT 5/84 - Science Fiction Times

SFT 5/84 - Science Fiction Times

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

12 <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 5/<strong>84</strong> <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 5/<strong>84</strong><br />

13<br />

Buch des Monats<br />

Der Ich-Erzähler, der auch den Namen<br />

des Autors trägt, entdeckt nach einem<br />

schweren Verkehrsunfall eine neue Facette<br />

der Sexualität. Er ist fasziniert von<br />

den Verletzungen und Entstellungen,<br />

die als Folge eines Autounfalls auftreten<br />

können, Bilder von zerschmettertem<br />

Glas, zerrissenem Metall und deformierten<br />

Armaturen bekommen eine erotische<br />

Komponente.<br />

Zunächst glaubt er sich allein mit<br />

seiner Obsession, doch je länger er sich<br />

auf den Ausfallstraßen Londons herumtreibt,<br />

immer auf der Suche nach neuen<br />

Unfällen, die ihn stimulieren, desto mehr<br />

Leute bemerkt er, die offensichtlich die<br />

gleichen Ziele haben. Er macht die Bekanntschaft<br />

von Vaughan, einem Mann,<br />

dessen Körper von den Narben zahlreicher<br />

Unfälle gezeichnet ist. Vaughan<br />

macht keinen Hehl aus seinen perversen<br />

Vorlieben, und der Erzähler gerät immer<br />

mehr in seinen Bann. Gemeinsam<br />

streifen sie durch die Straßen, stets den<br />

Polizeifunk eingeschaltet, um schnellstmöglich<br />

an die Stätten schwerer Unfälle<br />

zu gelangen. Schauplatz ihrer Sexualität<br />

wird das Auto, wo sie sich entweder mit<br />

Prostituierten vergnügen und dabei in<br />

der Vorstellung bizarrer Unfalle schwelgen,<br />

oder aber die Narben und Mißbildungen<br />

anderer, gleichgesinnter Unfallopfer<br />

erkunden.<br />

Doch langsam wird deutlich, daß es<br />

sich bei diesen Handlungen letztlich nur<br />

um einen Ersatz handelt – einen Ersatz<br />

für den grandiosen Unfall, bei dem sie<br />

einen letzten , tödlichen Orgasmus erleben.<br />

Vaughan macht als erster den entscheidenden<br />

Schritt, in einem sorgsam<br />

arrangierten Unfall findet er den Tod.<br />

Beim Anblick der Leiche wird dem Erzähler<br />

klar, daß auch er in absehbarer<br />

Zeit so enden wird – eine Aussicht, die<br />

ihm durchaus willkommen ist.<br />

Bemerkenswert<br />

Dem Roman eilt der Ruf voraus, es<br />

handle sich um einen Schocker, einen<br />

Tabubrecher, ein pornographisches<br />

Werk. Offensichtlich verspricht man<br />

sich in der Verlagsszene dank dieses Rufes<br />

ein besonders gutes Geschäft, denn<br />

fast zeitgleich mit der Hardcoverausgabe<br />

erscheint bei Hohenheim die Paperback-<br />

Fassung, und schon jetzt steht fest, daß<br />

der Roman bei Bastei als Taschenbuch<br />

herauskommen wird.<br />

Ob der Roman tatsächlich als schockierend<br />

empfunden wird, wird in erster<br />

DAS BUCH DES<br />

MONATS<br />

G. Ballard<br />

CRASH<br />

(Crash)<br />

Linkenheim 1985, Edition Phantasia<br />

Deutsch von Joachim Körber<br />

Linie davon abhängen , was der Rezipient<br />

bislang gelesen hat. Daß Autos und<br />

Sexualität viel miteinander zu tun haben,<br />

dürfte hinlänglich bekannt sein, wenn<br />

auch dies Thema bisher noch nicht in<br />

Romanform verarbeitet wurde. Einen<br />

pornographischen Anstrich hat das Werk<br />

zweifellos, denn Ballard läßt nichts aus,<br />

was man in einem Auto treiben kann,<br />

und so tropft recht häufig Sperma auf<br />

die Vinylsitze. Andererseits dürfte es<br />

dem Leser recht schwer fallen, aus dieser<br />

geballten Ladung Sexualität den bei<br />

pornographischen Darstellungen zu erwartenden<br />

Lustgewinn zu ziehen, da<br />

es sicher nicht jedermanns Sache ist, in<br />

Fahrzeugarmaturen eine geheime Erotik<br />

zu entdecken. Von daher wird man dem<br />

Gang der Handlung eher mit klinischem<br />

Interesse als mit Lüsternheit folgen.<br />

Der tiefere Sinn<br />

Ballard selbst hält den Roman für ein<br />

warnendes, hochgradig politisches<br />

Buch, für einen Hinweis darauf, daß die<br />

moderne, immer brutaler und gleichzeitig<br />

immer technologischer werdende<br />

Gesellschaft dem Menschen mehr und<br />

mehr Möglichkeiten einräumt, seine pathologischen<br />

Wunschträume auszuleben.<br />

Man mag dies so sehen , und mit Hilfe<br />

einiger interpretatorischer Klimmzüge<br />

könnte man es sogar anhand des Buches<br />

nachweisen, auch wenn dieser Nachweis<br />

kaum sehr überzeugend ausfallen dürfte.<br />

Dem globalen, die ganze Gesellschaft<br />

umfassenden Anspruch des Autors wird<br />

der Roman jedenfalls nicht gerecht. Was<br />

Ballard hingegen gelang, ist die schon<br />

fast erschreckend überzeugende Darstellung<br />

von Menschen, deren erotische<br />

Fixierung auf das Auto über das normale<br />

Maß hinausgeht - wobei allein schon der<br />

Terminus normales Maß sehr zu denken<br />

geben sollte. Wie anders als erotisch ist<br />

schließlich das Gefühl zu bezeichnen,<br />

das ein Autobesitzer empfindet, der sich<br />

erstmals in seinen soeben neu gekauften<br />

Wagen setzt, die Polster streichelt, die<br />

Armaturen bewundert und den typischen<br />

Geruch eines fabrikneuen Autos einatmet.<br />

Und als erotisch ist schließlich auch<br />

die morbide Schaulust anzusehen, die<br />

Menschenmengen an den Orten spektakulärer<br />

Unfalle zusammentreibt – wobei<br />

es in diesem Zusammenhang sicher<br />

sinnvoll ist, sich zu vergegenwärtigen,<br />

daß Sexualität und Gewalt in einem sehr<br />

engen Zusammenhang stehen.<br />

Derartige Zusammenhänge macht<br />

Ballard in brillanter Weise deutlich, indem<br />

er kraß und ohne Scheu von Sexualität<br />

spricht, wenn Sexualität gemeint<br />

ist, statt diese Emotion in sonst üblicher<br />

Manier nur dezent anzudeuten . Daß er<br />

dabei eine Sexualität beschreibt, die es in<br />

dieser Form nicht (oder noch nicht gibt),<br />

könnte man ihm vielleicht vorwerfen,<br />

wäre da nicht jenes fatale Gefühl, sein<br />

Bericht sei möglicherweise doch keine<br />

Fiktion, sondern eher das Ergebnis einer<br />

scharfen Beobachtungsgabe. Der Fahrstil<br />

mancher Leute jedenfalls legt den<br />

Verdacht nahe, Ballards Figuren hätten<br />

durchaus ihre Entsprechungen in der<br />

Realität.<br />

Harald Pusch<br />

Buch des MonatsJoachim<br />

Müller<br />

Speilerg auf+Schwäbisch<br />

Dreharbeiten zu Joey<br />

Wir sind nicht mehr auf der ARCHE<br />

NOAH-Wetterstation in den unendlichen<br />

Weiten des Weltraumes, sondern in<br />

einem engen, klaustrophobischen Gang<br />

eines Labyrinths. Das Besondere an<br />

diesem nebulösen Irrgarten, der in unheimliches,<br />

blaues Licht getaucht ist: er<br />

führt direkt ins Jenseits. Und in selbiges<br />

schreitet der 9jährige JOEY.<br />

Das ist der Höhepunkt des neuen<br />

Leinwandspektakels vom schwäbischen<br />

Film-Wunderkind Roland Emmerich.<br />

Seinen neuen Film JOEY dreht er seit<br />

Juli 19<strong>84</strong> im schwäbischen Sindelfingen<br />

ab. Aber auch nach den 13 Wochen<br />

harter Dreharbeiten ist der nervenaufreibende<br />

und geldfressende Zelluloid-<br />

Kampf immer noch nicht zu Ende. Zur<br />

Zeit nämlich haben die beiden Berliner<br />

Special-Effekt-Spezialisten Wolf Armin<br />

Lange und Frank Schlegel alle Hände<br />

voll zu tun.<br />

Der 29jährige Absolvent der Hochschule<br />

für Fernsehen und Film sorgte<br />

bereits mit seinem Debüt-Film DAS<br />

ARCHE- NOAH-PRINZIP für einiges<br />

Aufsehen: Als Abschlußfilm an der<br />

.HFF wollte Emmerich einen deutschen<br />

<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>-Film drehen. Obwohl<br />

ihn damals jeder warnte, setzte der<br />

schwäbische Jungfilmer alles auf eine<br />

Karte . So wurde aus einem Abschlußfilm<br />

mit einem 20.000 Mark Budget ein<br />

1,5 Millionen-Spektakel in Superbreitwand<br />

und Dolby-Stereo. DAS ARCHE<br />

NOAH-PRINZIP fand sogar den Weg in<br />

die Berliner Filmfestspiele und hat – allen<br />

Unkenrufen zum Trotz – sein Geld<br />

längst eingespielt. Emmerich jedenfalls<br />

ist ein Außenseiter in hiesiger Kinolandschaft<br />

geblieben. Er schert sich um kein<br />

Oberhausener Manifest und er interessiert<br />

sich auch in seinem neuesten Film<br />

überhaupt nicht für die Vergangenheits-<br />

Bewältigung; das überläßt er Leuten<br />

wie Herzog, Schlöndorff oder Wenders.<br />

Seine Kinovorbilder sind über dem großen<br />

Teich zu finden. Emmerich nämlich<br />

ist ein echter Anhänger der letzten zehn<br />

Jahre Hollywood , Spielberg, Scott oder<br />

Lucas.<br />

Wie beim ARCHE NOAH-PRINZIP<br />

dreht er auch diesmal in heimatlichschwäbischen<br />

Gefilden. Er filmt in ausrangierten<br />

Lager- und Fabrikhallen in<br />

der Nähe von Silldelfingen oder auch<br />

„on location“ im Steinbruch bei Döffingen.<br />

Er bleibt seinem Grundsatz treu,<br />

nicht im Studio zu drehen. Die Studios<br />

nämlich sind viel teurer als wenn man<br />

in Lagerhallen oder Fabrikhallen dreht.<br />

Das so gesparte Geld kann dann zum<br />

Beispiel für die Trickeffekte verwendet<br />

werden. Schließlich soll JOEY wie eine<br />

Multimillionen-Dollar-Produktion aussehen,<br />

denn der filmbesessene Unternehmersohn<br />

schielt nicht auf den deutschen<br />

Markt: sein Blick ist auf das Land der<br />

unbegrenzten (Film-) Möglichkeiten gerichtet.<br />

Deshalb sprechen die Darsteller<br />

alle englisch und erst im Synchronstudio<br />

werden den Schauspielern die deutschen<br />

Stimmen verpaßt.<br />

Das Labyrinth aus Sperrholz, Sägemehl<br />

und Gips ist aufgebaut. Auf dem<br />

Set erscheinen die Darsteller und das<br />

sind außer der Theaterschauspielerin<br />

Eva Kryll (die gerade vor der Kamera<br />

des Meisterregisseurs Stanley Kubrick<br />

steht) allesamt Laien. Und es sind nahezu<br />

ausschließlich Kinder. Die hat sich<br />

Emmerich vor allem bei den Pattonville-<br />

Kasernen in der Nähe von Ludwigsburg<br />

ausgesucht: Sie sollen schließlich möglichst<br />

„amerikanisch“ aussehen. Sobald<br />

Joshua, Tammy und Sean das Studio<br />

betreten, geht es los: da wird geulkt,<br />

gespielt und rumgehüpft. Ein umherfliegender<br />

Ball macht fast meinem Foto<br />

den Garaus: Emmerich hat‘s wahrlich<br />

nicht leicht. Der Streß steht ihm auch<br />

im Gesicht geschrieben und obwohl die<br />

Zeit drängt – man wollte schon morgens<br />

drehen und jetzt ist bereits 17.00 Uhr –<br />

zeigt er ein erstaunliches Einfühlungsvermögen.<br />

So bringt er es denn auch<br />

meistens fertig, die Kinder richtig durch<br />

das Szenario zu dirigieren. Am Tag als<br />

die Labyrinth-Szene abgedreht wird, die<br />

künstlichen Spinnweben von den Wänden<br />

hängen und die Nebelmaschinen<br />

auf vollen Touren laufen, hat Emmerich<br />

Pech: Einer der Nachwuchs-Mimen ist<br />

nirgends aufzutreiben. Aber auch das gehört<br />

dazu, Improvisations-Talent.<br />

Von Josh Morrell, dem 9jährigen<br />

JOEY-Darsteller sind alle begeistert. Er<br />

ist der witzigste und aufgeweckteste der

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!