Ausgestaltung der Sprachförderung durch ... - Oberlahn.de
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142<br />
Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>durch</strong> Erzählungen und Erzählen<br />
Werner Röhrig:<br />
<strong>Ausgestaltung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
<strong>durch</strong> Erzählungen und Erzählen<br />
Beate Kunze und Sofia Junker haben sich in unserer Geschichte mit <strong>de</strong>n Erzählungen<br />
und <strong>de</strong>m Erzählen beschäftigt. Nach einer kurzen Einführung haben sie ihre<br />
bei Schulbuchverlagen und aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis gesammelten Erzähli<strong>de</strong>en an die Seminarteilnehmerinnen<br />
und -teilnehmer verteilt.<br />
Die Kolleginnen und Kollegen sollen prüfen, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>en für die Konzeptentwicklung<br />
genutzt wer<strong>de</strong>n sollen. Weiter hoffen die Erzieherin und die Lehrerin,<br />
dass einige Erzählutensilien von Schülerinnen und Schülern <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund- und Hauptschule Neuwald hergestellt<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Das Erzählen hat in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschheit Tradition. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> mündlichen<br />
Überlieferung grün<strong>de</strong>n viele kulturelle Leistungen.<br />
Selbst erzählen zu können, ist eine wichtige<br />
sprachliche Kompetenz.<br />
Die Sprachmuster von Erzählungen (Märchen,<br />
Geschichten) haben eine große Be<strong>de</strong>utung für<br />
die Grundlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung von eigenen<br />
Kompetenzen im kreativen Schreiben.<br />
Im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten hat das Vorlesen, Erzählen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erzieherinnen und das dialogische Erzählen mit<br />
<strong>de</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n seinen didaktischen Ort im Rahmen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> mündlichen Kommunikation und <strong><strong>de</strong>r</strong> sprachlichen<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung..<br />
Das Zuhören allein garantiert aber noch nicht<br />
eine Weiterentwicklung in <strong>de</strong>n sprachlichen<br />
Kompetenzen. Dies betrifft nicht nur Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> einer<br />
nicht<strong>de</strong>utschen Erstsprache.<br />
Der narrative Zugang bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
setzt daher folgen<strong>de</strong> Schwerpunkte:<br />
• Intensives Hörerlebnis, Übung <strong>de</strong>s globalen<br />
Verstehens und für Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> mit<br />
Migrationshintergrund Gewöhnung an<br />
eine von <strong><strong>de</strong>r</strong> Muttersprache abweichen<strong>de</strong><br />
Phonetik,<br />
• Motivationssteigerung <strong>durch</strong> Anbindung<br />
von Wortschatz und Strukturen an eine<br />
emotionale und kindgerechte Geschichte,<br />
• systematische und abwechslungsreiche<br />
Sprachübungen <strong>durch</strong> Bildwortkarten,<br />
Lie<strong><strong>de</strong>r</strong>, Rollen- und Bewegungsspiele im<br />
Sinne einer vielkanaligen Aufnahme und<br />
Speicherung <strong>de</strong>s Sprachmaterials.<br />
Für die <strong>Ausgestaltung</strong> einer Erzählkultur und<br />
Erleichterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbildfunktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzieherin/Lehrerin<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählerin stellen<br />
Beate Kunze und Sofia Juncker folgen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>en<br />
vor:<br />
• Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>bücher<br />
• Erzählmütze und Erzählstuhl<br />
• Erzählposter<br />
• Erzählsack<br />
• Erzählrolle<br />
• Erzählbrett<br />
• Erzählschachtel<br />
• Erzählscheibe<br />
• Erzählkiste<br />
• Erzähllandschaften<br />
• Gegenstän<strong>de</strong> und Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> (vgl.<br />
Bildreportage)
Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>durch</strong> Erzählungen und Erzählen<br />
Das freie, spontane Erzählen<br />
Erzählanlässe ergeben sich aus spontanen Erzählungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und gezielt ausgewählten<br />
Erzählungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzieherinnen. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auswahl<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählungen können die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> beteiligt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> erzählen von sich aus, wenn sie erfahren,<br />
dass an<strong><strong>de</strong>r</strong>e ihnen zuhören. Sie erzählen von ihren<br />
Erlebnissen im Alltag, von ihren Erfahrungen,<br />
Vorstellungen und Fantasien.<br />
Sie hören dann zu, wenn sie an Erzählungen<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er interessiert sind. Erzählen und Zuhören<br />
bedingen einan<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
Grundsätzlich gilt, Erzählstichworte o<strong><strong>de</strong>r</strong> Themen<br />
einzelner Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzugreifen. Durch ein<br />
Erlebnis bzw. die Erfahrung eines einzelnen<br />
Kin<strong>de</strong>s wer<strong>de</strong>n gleiche, ähnliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> kontrastive<br />
Erlebnisse und Erfahrungen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> erinnert<br />
und Erzählmotivationen ausgelöst.<br />
Es ist aber auch möglich, für Erzählsituationen<br />
einen für alle wahrnehmbaren „Kern“, eine gemeinsam<br />
– wenn auch unterschiedliche – wahrgenommene<br />
Erfahrung zu nutzen o<strong><strong>de</strong>r</strong> für die<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> „Be<strong>de</strong>utungserlebnisse“, die zum Erzählen<br />
anstiften (motivieren) <strong>durch</strong> Impulse (Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
Gegenstän<strong>de</strong>, Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>bücher) anzuregen.<br />
Wenn kreatives Fantasieren im freien Erzählen<br />
im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten unterstützt und herausgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
wird, för<strong><strong>de</strong>r</strong>t dies Vorstellungskräfte, Fabulierlust<br />
und die Reichhaltigkeit „innerer Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>“.<br />
Wenn das freie Erzählen <strong>durch</strong> sinnbezogene<br />
Regeln unterstützt wird, so för<strong><strong>de</strong>r</strong>t dies die Fähigkeit<br />
<strong>de</strong>s Zuhörens, Hinhörens, „Raushörens“,<br />
<strong>de</strong>s Aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong>-Eingehens, <strong>de</strong>s Sich –Aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
- Beziehens.<br />
Wird präzises, chronologisch geordnetes Erzählen<br />
herausgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, so schult dies die Erzählgenauigkeit<br />
und för<strong><strong>de</strong>r</strong>t wechselseitige Anteilnahme<br />
und Verstehen, gemeinsame Handlungsvorstellungen<br />
und Denkoperationen.<br />
143<br />
Reflexionen über Erzähltexte för<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Ausbildung<br />
rhetorischer Mittel wie Anfangs- und<br />
Endphrasen, Spannungsbogen, Bildhaftigkeit,<br />
Pointen, <strong>de</strong>n Einschub von Einfällen, das Aufnehmen<br />
von Fragen und Einwän<strong>de</strong>n etc. (vgl.:<br />
Hans Aebli: Erzählen als sprachliche Kommunikation. In:<br />
Zeitschrift „Grundschule“ 1/85, S. 22ff.)<br />
Wann wird im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten erzählt?<br />
Anlässe und Ereignisse zum Erzählen fin<strong>de</strong>n sich<br />
im Alltag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten täglich. Kin<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
suchen sich einen o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch mehrere Partner, um<br />
das, was ihnen wichtig ist, zu erzählen.<br />
Teilweise dienen solche Erzählungen –<br />
persönliche Mitteilungen – auch um eine<br />
Situation zu entlasten.<br />
Erzählen im „Morgenkreis“<br />
In vielen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten ist <strong><strong>de</strong>r</strong> „Morgenkreis“<br />
zum Ritual stilisiert. Meist wollen die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einfach „los“ wer<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzieherin etwas<br />
mitteilen.<br />
Dies gilt grundsätzlich für das morgendliche<br />
Mitteilungsbedürfnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und auch für die<br />
gelegentlichen Mitteilungen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Ereignisse.<br />
Diese Beiträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> können <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
aufmerksamen Erzieherin Anhaltspunkte zur<br />
Interpretation <strong><strong>de</strong>r</strong> Befindlichkeiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch<br />
Problemsituation eines Kin<strong>de</strong>s bieten, um die<br />
Möglichkeiten für weitere Anknüpfungspunkte<br />
im Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartenwoche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesprächsanlässe mit <strong>de</strong>n Eltern zu erhalten.<br />
Es darf aber nicht übersehen wer<strong>de</strong>n, dass das<br />
spontane Erzählen eines einzelnen Kin<strong>de</strong>s oft<br />
keine Gelegenheit zum Austausch von Erfahrungen<br />
mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n bietet, weil nur<br />
eine/einer diese Erfahrung hat und die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
diese möglicherweise gar nicht gemacht haben.<br />
Es kann dann passieren, dass Ereignisse, die ein<br />
Kind erfahren hat, aneinan<strong><strong>de</strong>r</strong>gereiht, nur <strong>durch</strong><br />
die Person <strong>de</strong>s erzählen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>s zusammengehalten<br />
wer<strong>de</strong>n, während die übrigen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es tun, als danach zu trachten, endlich<br />
auch „dranzukommen“.
144<br />
Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>durch</strong> Erzählungen und Erzählen<br />
In dieser Art <strong>de</strong>s Erzählens bleiben Motive, Gefühle,<br />
innerer Antrieb zum Erzählen (<strong><strong>de</strong>r</strong> Ereigniskern)<br />
für die Zuhörer ver<strong>de</strong>ckt. Es besteht<br />
keine vereinbarte Erzählabsicht, zentriert auf ein<br />
Thema.<br />
Da<strong>durch</strong> besteht aber auch keine Notwendigkeit<br />
aufmerksam und interessiert bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache zu<br />
bleiben. Die Gefahr <strong>de</strong>s „Beliebigen“ darf nicht<br />
übersehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Oft ist das vorgetragene Problem nicht nachvollziehbar<br />
(lösbar) für die Zuhörer.<br />
Vorstufen <strong>de</strong>s Erzählens<br />
Zunächst sind es „Ein-Satz-Mitteilungen“, die in<br />
ihrer Klarheit voller Be<strong>de</strong>utungen sind, z. B.:<br />
„Ich gehe morgens allein zum Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten!“<br />
In dieser „Erzählung“ gibt es keinen Situationskontext,<br />
keine Vorgeschichte <strong>de</strong>s Ereignisses. Es<br />
besteht kein Unterschied zwischen Ausgangs-<br />
und Endzustand <strong>de</strong>s Geschehens, und doch ist es<br />
eine unendlich wichtige „Geschichte“ für das<br />
Kind, das diesen Satz „erzählt“.<br />
Im Verlauf <strong>de</strong>s Besuchs <strong>de</strong>s Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartens<br />
wächst das Erzählpotential <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, gleichwohl<br />
bleiben die Mitteilungen – hört man genauer<br />
hin – auf <strong><strong>de</strong>r</strong> subjektiven Ebene, die schon<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ein – Satz - Mitteilung <strong>de</strong>utlich wird, auch<br />
wenn die „Erzählungen“ (Mitteilungen) inhaltlich<br />
und sprachlich ausführlicher wer<strong>de</strong>n. Dies<br />
setzt das sprachliche Vorbild <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzieherin voraus,<br />
wenn sie selbst Geschichten erzählt o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
vorliest.<br />
Langsam wird auch die Fähigkeit entwickelt, <strong>de</strong>n<br />
Erzählwert für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e einzuschätzen. Allerdings,<br />
und auch dies muss berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, gelingt<br />
das immer nur einem Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, während<br />
die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en es längst aufgegeben haben,<br />
ihre „Montagserzählungen“ vorzutragen.<br />
Sie haben eher gelernt zu resignieren und<br />
einzusehen, dass ihre „Erzählungen“ für <strong>de</strong>n<br />
Zuhörerkreis nicht son<strong><strong>de</strong>r</strong>lich interessant sind.<br />
Es bedarf daher kontinuierlichen Anregungen,<br />
damit die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> untereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> erzählen. Dies<br />
gelingt <strong>de</strong>n Mädchen leichter: Sie sind gewohnt<br />
mit Figuren o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tieren zu spielen, die in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Regel auch sprechen.<br />
Dagegen führt das Spiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Jungen mit allerlei<br />
fahrbaren o<strong><strong>de</strong>r</strong> erdachten Gegenstän<strong>de</strong>n (Autos,<br />
Eisenbahn, etc.) oft zu einem „brumm, brumm“<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Krach – bumm“.<br />
Erzählen als Kulturgut<br />
Es gilt, Erzählen als Teil einer „überlieferten<br />
methodischen Kultur“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
ent<strong>de</strong>cken und ihre zeitgemäßen Dimensionen<br />
auszuloten.<br />
Als authentische mündliche Darstellung einer<br />
Handlung, eines Ablaufs, eines Geschehens, eines<br />
Zustan<strong>de</strong>s hat Erzählen eine je spezifische<br />
Struktur und Form.<br />
Als „mündliche Überlieferung“, z.B. im Zusammenhang<br />
mit „oral history“, mit „Spurensicherung“,<br />
dient Erzählen <strong><strong>de</strong>r</strong> Weitergabe glaubwürdiger,<br />
persönlich verbürgter Zeugnisse einer<br />
Epoche, und zwar als Ergänzung <strong><strong>de</strong>r</strong> schriftlichen<br />
Überlieferung.
Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>durch</strong> Erzählungen und Erzählen<br />
Wie das Leben früher war.<br />
So ist die mündliche Überlieferung zwischen <strong>de</strong>n<br />
Generationen zugleich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Auflösung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mehr - Generations-Familie weitgehend verloren<br />
gegangen. Insofern hat auch das Erzählen von<br />
Zeitzeugen bereits im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten Be<strong>de</strong>utung.<br />
Selbsterlebtes/Selbsterfahrenes können weitergegeben<br />
wer<strong>de</strong>n:<br />
Ein Großvater erzählt, z.B.:<br />
• von <strong><strong>de</strong>r</strong> Moor-Kultivierung,<br />
• von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit,<br />
• vom Landleben,<br />
• von <strong><strong>de</strong>r</strong> Landwirtschaft,<br />
• ein Vater erzählt z.B.: von seinem<br />
Arbeitsplatz,<br />
• ein Jugendlicher erzählt aus seiner<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit.<br />
Neben diesen persönlich erzählten Erlebnissen<br />
und Erfahrungen gehören die schriftlich gesicherten<br />
Erzählungen (Märchen, Sagen, Mythen<br />
und Geschichten) zum festen Bestand einer<br />
Kultur.<br />
Warum Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschularbeit?<br />
Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>bücher haben unbestritten eine wichtige<br />
Be<strong>de</strong>utung für die Sprachentwicklung von Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
und die Arbeit mit Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>büchern hat einen<br />
festen Platz im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten. Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten<br />
können diese Arbeit i<strong>de</strong>al ergänzen.<br />
145<br />
Als Beispiel für eine gelungene didaktisch-methodische<br />
Aufbereitung von Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten<br />
legen Beate Kunze und Sofia Juncker eine Veröffentlichung<br />
<strong>de</strong>s Schweizer Verlags „SCHUBI“<br />
vor:<br />
Elisabeth v. Gamm: Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung mit<br />
Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten – Vorschule und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten.<br />
SCHUBI-Verlag, Schaffhausen 2006.<br />
Die wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong>de</strong> Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten<br />
erleichtert <strong>de</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Beteiligung.<br />
Auch Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, die anfangs Angst haben,<br />
sich zu äußern, fin<strong>de</strong>n nach und nach, zunächst<br />
mit einzelnen Worten und schließlich mit längeren<br />
Beiträgen, <strong>de</strong>n Mut zu sprechen und auch<br />
von sich und ihren Erlebnissen zu erzählen.<br />
Die Themenvielfalt lässt immer Anknüpfungspunkte<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebens- und Interessenswelt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> fin<strong>de</strong>n.<br />
Je öfter Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten vorgestellt wer<strong>de</strong>n,<br />
umso sicherer wer<strong>de</strong>n die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und umso<br />
selbstverständlicher wird ihnen das Mit<strong>de</strong>nken<br />
und gemeinsame Erzählen.<br />
Da die Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten keinen festen Text<br />
vorgeben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr zur sprachlichen<br />
<strong>Ausgestaltung</strong> anregen, kann sich die Erzählerin<br />
i<strong>de</strong>al an <strong>de</strong>n individuellen sprachlichen Möglichkeiten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> orientieren und die Fähigkeiten<br />
schrittweise ausbauen.<br />
Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten ermöglichen gezielte Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten, die unkompliziert<br />
und ohne großen Zeitaufwand immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
<strong>de</strong>n Tages- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Wochenablauf integriert wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> erweitern bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> im Dialog mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzieherin ihren<br />
Wortschatz und ihre grammatische Kompetenz<br />
und wer<strong>de</strong>n veranlasst, selbst zu sprechen und zu<br />
erzählen.<br />
Genaues Betrachten und Beschreiben<br />
Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten kommen, obwohl sie zur<br />
sprachlichen Gestaltung anregen, ohne zusätzlich<br />
beschreiben<strong>de</strong> Worte aus.
146<br />
Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>durch</strong> Erzählungen und Erzählen<br />
Die Aussage wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel <strong>durch</strong> die Klarheit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> und <strong>durch</strong> wichtige Details vermittelt.<br />
Erweiterung <strong>de</strong>s Wortschatzes<br />
Im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartenalter erweitert sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Wortschatz<br />
noch ständig. Mit Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten kann<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wortschatzerwerb unterstützt wer<strong>de</strong>n.<br />
Es geht dabei um die genaue Benennung von<br />
Gegenstän<strong>de</strong>n, um die differenzierte Bezeichnung<br />
von Tätigkeiten <strong>durch</strong> Verben (Zeitwörter)<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong>en grammatische Verwendung, aber auch<br />
um grammatische Funktionswörter wie Präpositionen<br />
(Verhältniswörter) und Konjunktionen<br />
(Bin<strong>de</strong>wörter).<br />
Darüber hinaus können abstrakte Begriffe wie<br />
Angst o<strong><strong>de</strong>r</strong> Enttäuschung differenziert wer<strong>de</strong>n.<br />
Aber gera<strong>de</strong> die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, die Schwierigkeiten<br />
haben, ein neues Wort in ihren Wortschatz zu<br />
übernehmen, können von Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten profitieren.<br />
Das Wort kommt nicht nur einmal vor.<br />
Da die Bildfolge in <strong>de</strong>n Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten sehr<br />
eng ist, damit ein Verstehen auch ohne Worte<br />
möglich ist, tauchen Menschen und Gegenstän<strong>de</strong><br />
auf <strong>de</strong>m nächsten o<strong><strong>de</strong>r</strong> übernächsten Bild gleich<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf.<br />
Sie geben Gelegenheit zu erneuter Betrachtung<br />
im Zusammenhang und erneuter Benennung.<br />
Da Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten auch zweimal<br />
hintereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> angeschaut wer<strong>de</strong>n sollten,<br />
ergeben sich hier automatisch ein<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holungsprinzip und die Chance, neue<br />
Begriffe in <strong>de</strong>n passiven o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch aktiven<br />
Wortschatz aufzunehmen.<br />
Mimik und Gestik <strong>de</strong>uten<br />
und über Gefühle sprechen<br />
Wie wird sich das Mädchen fühlen, das abseits<br />
steht und <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n beim Spielen zusieht?<br />
Warum legt die Großmutter <strong>de</strong>n Arm um das<br />
weinen<strong>de</strong> Mädchen? Was könnte sie sagen, um<br />
die Enkelin zu trösten?<br />
Mit Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten können wir uns in die<br />
frem<strong>de</strong> Person hineinversetzen, unsere eigenen<br />
Erfahrungen einbringen und mit<br />
Lösungsvorschlägen von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en vergleichen.<br />
Was könnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Vater sagen, wenn er mit<br />
strengem Gesicht auf <strong>de</strong>n vollen Teller zeigt?<br />
Was verrät uns das Gesicht <strong>de</strong>s Jungen? Wie<br />
fühlt er sich? Wie wür<strong>de</strong> ich mich fühlen?<br />
Logische Zusammenhänge ent<strong>de</strong>cken<br />
und eigene Überlegungen anstellen<br />
Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichten for<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Nach<strong>de</strong>nken auf:<br />
Wie geht es weiter? Was wer<strong>de</strong>n die Personen<br />
tun? Oft sind verschie<strong>de</strong>ne Lösungen <strong>de</strong>nkbar.<br />
Wenn man die natürliche Pause zwischen <strong>de</strong>n<br />
einzelnen Bildkarten nutzt und die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in die<br />
Überlegungen zum Handlungsfortgang einbeziehen,<br />
fangen sie an, aktiv teilzunehmen.<br />
Auch das En<strong>de</strong> einer Geschichte lässt sich oft<br />
weiter<strong>de</strong>nken: Was passiert, wenn die Eltern<br />
merken, dass (…).
Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>durch</strong> Erzählungen und Erzählen<br />
Für manche Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> ist es zunächst ungewohnt,<br />
dass sie keine fertige Geschichte hören. Sie sind<br />
überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, wenn sie selbst überlegen sollen.<br />
Sie wollen lieber sofort eine Lösung von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erzieherin erhalten.<br />
Sie trauen sich oft keine guten Einfälle zu. Durch<br />
zur Auswahl vorgeschlagene Alternativen fin<strong>de</strong>n<br />
die meisten Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> nach einiger Zeit Gefallen<br />
am eigenen Nach<strong>de</strong>nken und Überlegen.<br />
Vor einem zweiten Erzähl<strong>durch</strong>gang können die<br />
Bildkarten gemischt wer<strong>de</strong>n, und das Kind sucht<br />
die richtige Reihenfolge. Was passiert zuerst?<br />
Wer<strong>de</strong>n die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>durch</strong> kleine Hinweise o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fragen in das Geschehen einbezogen, genügt es<br />
schon, auf ein Detail zu zeigen, um die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zum Nach<strong>de</strong>nken und Sprechen anzuregen.<br />
Die Bildkarten geben uns ein sicheres Erzählgerüst,<br />
das wir flexibel ausgestalten können.<br />
Erzählen lernen<br />
Zu erzählen, was man erlebt hat, ist gar nicht so<br />
leicht. Wo soll ich anfangen? Wenn Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> als<br />
Vorlage vorhan<strong>de</strong>n sind, fällt das Erzählen<br />
leichter. Die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> können zunächst nacherzählen,<br />
was sie sehen. Die einzelnen Bildkarten<br />
zeigen die Handlungsschritte. Hier beginnt die<br />
Geschichte, so geht sie weiter. Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> verinnerlichen<br />
schnell <strong>de</strong>n Aufbau einer Erzählung.<br />
Erzählanlässe:<br />
Als Einstieg zu Erzählungen können verschie<strong>de</strong>ne<br />
Utensilien und unterschiedliche Metho<strong>de</strong>n<br />
genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Diese Möglichkeiten wur<strong>de</strong>n als I<strong>de</strong>enkarten an<br />
alle Teammitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> verteilt. Beispiele wur<strong>de</strong>n<br />
vorgestellt und alle I<strong>de</strong>enkarten für alle Teammitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
kopiert.<br />
Diese Materialien und Metho<strong>de</strong>n sollen das<br />
spontane Erzählen erleichtern.<br />
147<br />
Das Vorlesen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählen von Märchen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geschichten wur<strong>de</strong> in unserer Geschichte als<br />
kontinuierliche Praxis geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Auch die Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzieherinnen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lehrkräfte im Vorlesen und Erzählen von Geschichten<br />
und Märchen musste in unserer Geschichte<br />
nicht zusätzlich geschult wer<strong>de</strong>n.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Interesse bestand aber im Bereich<br />
Erzählanlässe und Erzählangebote.<br />
I<strong>de</strong>enkarte 1<br />
Erzählposter<br />
Hier hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Finken-Verlag großformatige Poster<br />
zu Alltagssituationen veröffentlicht, die u.a. beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
zur sprachlichen För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
mit Migrationshintergrund genutzt wer<strong>de</strong>n können.<br />
(Das folgen<strong>de</strong> Bild ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift<br />
„Spielen und Lernen“ (2/1985) entnommen, weil<br />
die Poster <strong>de</strong>s Finken-Verlags im Format DIN A<br />
0 gedruckt wur<strong>de</strong>n und für eine Präsentation im<br />
kleinen Format weniger geeignet sind. Diese<br />
Zeitschrift kann für Eltern sehr empfohlen<br />
wer<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten bietet sie<br />
vielfältiges kreatives Material!)<br />
I<strong>de</strong>enkarte 2<br />
Erzählsack und Erzählrolle<br />
Im Erzählsack sind Gegenstän<strong>de</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> Figuren<br />
versteckt, die im Fortgang einer Geschichte vorgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n können.
148<br />
Sprachför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>durch</strong> Erzählungen und Erzählen<br />
Im Erzählsack sind weitere kleine<br />
Erzählsäckchen versteckt, die an die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
weitergeben wer<strong>de</strong>n. Sie nehmen <strong>de</strong>n jeweiligen<br />
Gegenstand und versuchen die Geschichte<br />
weiterzuerzählen.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählrolle sind ebenfalls Gegenstän<strong>de</strong><br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Figuren versteckt, die im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählung<br />
vorgestellt wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählung<br />
voranbringen.<br />
I<strong>de</strong>enkarte 3<br />
Erzählbrett<br />
Auf <strong>de</strong>m Erzählbrett ist eine Landschaft mit einer<br />
Person o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenigen Figuren o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tieren zu<br />
sehen.<br />
Der Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte wird erzählt und die<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> müssen weitere Personen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere in<br />
die Handlung einführen.<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> können mit einem Erzählbrett auch ihre<br />
eigene Geschichte erfin<strong>de</strong>n.<br />
In unserer Geschichte haben die Schülerinnen<br />
und Schüler <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptschule Neuwald Collagen<br />
für Erzählbretter hergestellt und diese auf<br />
Holztafeln aufgeklebt.<br />
I<strong>de</strong>enkarte 4<br />
Erzählschachtel<br />
In einer Erzählschachtel ist eine Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichte<br />
als Leporello verborgen.<br />
Beim Erzählen wer<strong>de</strong>n die jeweiligen Bil<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
herausgeklappt.