Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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VI. Der Fö<strong>de</strong>ralismus 99<br />
die Unmöglichkeit <strong>de</strong>r romanischen Sprachkantone, sich in kulturellen Fragen<br />
mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschsprachigen Kantonen zu verständigen, da sich die<br />
<strong>de</strong>utschsprachigen Kantone in eine Vielzahl von Dialekten aufteilen, die <strong>de</strong>n<br />
Angehörigen <strong>de</strong>r romanischen Kantone das Erlernen <strong>de</strong>s „Schrift<strong>de</strong>utschen"<br />
fast unmöglich machen, dies um so mehr, als das Schrift<strong>de</strong>utsch in <strong>de</strong>n Radiosendungen<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschstämmigen Kantone obsolet gewor<strong>de</strong>n ist. Nicht<br />
ohne Grund spricht man verächtlich von einem „Röstigraben", <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Kanton<br />
Bern von <strong>de</strong>n romanischen Kantonen trennt. 2<br />
Wichtig ist, daß wenigstens auf <strong>de</strong>r untersten Stufe <strong>de</strong>s fö<strong>de</strong>rativen Aufbaus,<br />
in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, die ethnische Homogenität <strong>de</strong>utlich in Erscheinung tritt. In<br />
<strong>de</strong>r autonomen Gemein<strong>de</strong> muß <strong>de</strong>r Staatsbürger seinen politischen Einsatz<br />
erproben. Die heute feststellbare Ten<strong>de</strong>nz zur Gemein<strong>de</strong>zusammenlegung<br />
mag unter rein verwaltungstechnischem Gesichtspunkt billiger sein, sie ist<br />
aber vom politischen Standpunkt aus oft nachteilig. Aus rein marktwirtschaftlichem,<br />
d.h. konkurrenzwirtschaftlichem Interesse wird eine totale<br />
Öffnung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>wirtschaft in die Globalisierung angestrebt. Es mag<br />
stimmen, daß die kommunale Autonomie oft durch eine Gefälligkeitspolitik<br />
gekennzeichnet ist. An<strong>de</strong>rerseits ist <strong>de</strong>r soziologische Wert einer autonomen<br />
Wirtschaftspolitik nicht zu übersehen. Wie erneut ersichtlich, hängt die fö<strong>de</strong>ralistische<br />
Politik sehr vom konkreten Ermessensurteil ab. Hier liegt die Gefahr,<br />
daß <strong>de</strong>r Fö<strong>de</strong>ralismus zu leicht <strong>de</strong>m technischen und wirtschaftlichen<br />
Fortschritts<strong>de</strong>nken geopfert wird.<br />
Das Hauptproblem für die rechtliche Verwirklichung <strong>de</strong>s Fö<strong>de</strong>ralismus besteht<br />
wohl in <strong>de</strong>r Verteilung <strong>de</strong>r Kompetenzen, d.h. in <strong>de</strong>r Bestimmung <strong>de</strong>r<br />
jeweiligen Autonomie. Daß die Außen-, die Verteidigungs-, die Währungspolitik,<br />
die Regelung <strong>de</strong>r Staatsangehörigkeit <strong>de</strong>m obersten Bereich, <strong>de</strong>m<br />
Bun<strong>de</strong>sstaat, zustehen, dürfte keine Frage sein. Ob das Gleiche beispielsweise<br />
auch für das Post- und Fernmel<strong>de</strong>wesen gilt, wird heute diskutiert. Je<strong>de</strong>nfalls<br />
sollten solche Entscheidungen mit <strong>de</strong>n Provinzen abgesprochen wer<strong>de</strong>n.<br />
Im übrigen sind die Provinzen in einer zweiten Kammer im Staat vertreten.<br />
Im Steuerwesen ist die Aufteilung ein stets heftig umstrittenes Problem.<br />
Im einzelnen haben wir uns hier mit diesen praktischen Fragen nicht zu beschäftigen.<br />
Es sei nur darauf hingewiesen, daß das Subsidiaritätsprinzip in<br />
<strong>de</strong>r Praxis zu leicht unter <strong>de</strong>m Einwand <strong>de</strong>r billigeren Verwaltung im Einheitsstaat<br />
übergangen wird. Was billiger ist, ist nicht notwendigerweise auch<br />
besser. An irgen<strong>de</strong>iner an<strong>de</strong>ren Stelle wird die Einsparung durch Mehrausgaben<br />
wettgemacht. Die Ökonomisierung <strong>de</strong>s politischen Lebens rächt sich<br />
irgendwann und irgendwo, sicher in <strong>de</strong>r politischen Gleichgültigkeit <strong>de</strong>r<br />
2<br />
„Rösti" ist <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschschweizerische Name für Bratkartoffeln, eine ursprünglich in <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschsprachigen Schweiz, vorab in Bern, bevorzugte Speise. Diese ist mit <strong>de</strong>m bernisch geprägten<br />
Namen von <strong>de</strong>n romanischen Küchen übernommen wor<strong>de</strong>n.