Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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VI. Der Fö<strong>de</strong>ralismus 97<br />
Ordnung zurückzuführen, in <strong>de</strong>r er sich als Individuum und als soziales Wesen<br />
normal entwickeln kann. Gegenüber <strong>de</strong>m n<strong>utz</strong>losen Diktat von oben,<br />
verteidigt er die individuelle Freiheit, gegenüber <strong>de</strong>m Kollektivismus die<br />
schöpferische Freiheit in <strong>de</strong>r Bildung von Gruppen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r einzelne am<br />
besten sein materielles und geistiges Fortkommen fin<strong>de</strong>t. Der einzelne<br />
Mensch soll durch die Gesellschaft nicht absorbiert und so zur anonymen<br />
Einheit wer<strong>de</strong>n. Daraus erklärt sich die Vorliebe für das, was man Heimat<br />
nennt. Die staatsrechtliche Formulierung kann nur auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n einer gewachsenen<br />
gesellschaftlichen Struktur erfolgen. Eine einseitige, vom wirtschaftlichen<br />
Prinzip <strong>de</strong>r Produktivität diktierte Vereinheitlichung, die<br />
schließlich in einer Globalisierung <strong>de</strong>s gesamten Lebens und damit in <strong>de</strong>r<br />
unvermittelten Bindung aller Individuen an das Ganze en<strong>de</strong>t, wird vom Fö<strong>de</strong>ralismus<br />
abgelehnt. Der Fö<strong>de</strong>ralismus unterschei<strong>de</strong>t sich darum scharf gegen<br />
<strong>de</strong>n von Othmar Spann verteidigten Universalismus.<br />
Entsprechend <strong>de</strong>m im Fö<strong>de</strong>ralismus enthaltenen Subsidiaritätsprinzip wer<strong>de</strong>n<br />
die <strong>Teil</strong>gruppen nicht als absolute Gebil<strong>de</strong> verstan<strong>de</strong>n, die sich gegen je<strong>de</strong><br />
Einfügung in ein größeres Ganzes sperren. Aber das Urteil über die Kompetenzen<br />
<strong>de</strong>r einzelnen Gruppen o<strong>de</strong>r Korporationen wird nicht einzig vom<br />
größeren Verband gefällt, es hängt vielmehr von <strong>de</strong>r Selbsterfahrung <strong>de</strong>r<br />
Gruppen ab, die feststellen, welche Aufgaben sie im Zug <strong>de</strong>s Fortschrittes<br />
nicht mehr erfüllen können. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt, <strong>de</strong>r im Subsidiaritätsprinzip<br />
enthalten ist: Je<strong>de</strong>m einzelnen und je<strong>de</strong>r Gruppe soviel<br />
Freiheit wie möglich, und nur soviel Autorität von oben wie nötig. Die Tatsache,<br />
daß das, was nur unter bei<strong>de</strong>rseitiger Rücksichtnahme, d.h. <strong>de</strong>r Großgemeinschaft<br />
und <strong>de</strong>r kleineren Gruppe, bestimmt wer<strong>de</strong>n darf, verlangt natürlich<br />
von bei<strong>de</strong>n ein gerütteltes Maß an Selbstkritik, ohne die es ein Einfühlen<br />
in die Anliegen <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>rn nicht gibt. Beim Zusammenschluß von Staaten in<br />
eine umfassen<strong>de</strong>re Staatsgemeinschaft (vgl. Europäische Einheit) hat man<br />
darum auf das Selbstbestimmungsrecht <strong>de</strong>s einzelnen Staates in irgen<strong>de</strong>iner<br />
Weise zu achten, wie man an<strong>de</strong>rerseits beim Einzelstaat die Bereitschaft zum<br />
Verzicht auf überholte Selbstzuständigkeiten voraussetzt.<br />
Es ist nicht zu leugnen, daß <strong>de</strong>r Fö<strong>de</strong>ralismus mehr ein konservatives als ein<br />
progressives Element ist. Dieser Vorwurf wird <strong>de</strong>m Fö<strong>de</strong>ralismus beson<strong>de</strong>rs<br />
von Seiten <strong>de</strong>r Ökonomie gemacht, die sich gezwungen sieht, eng <strong>de</strong>m technischen<br />
Fortschritt zu folgen. Doch ist an die Langzeitwirkung zu <strong>de</strong>nken, die<br />
sich aus einer Loslösung <strong>de</strong>s einzelnen und <strong>de</strong>r kleineren Gruppen aus ihrem<br />
gewachsenen Umkreis ergibt. Der soziale Frie<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r nur aus <strong>de</strong>r sozialen<br />
Geborgenheit <strong>de</strong>s einzelnen und <strong>de</strong>r kleineren Gemeinschaften erwächst, ist<br />
ein unbezahlbares Gut, das sich schließlich auch ökonomisch auszahlt. Der<br />
Fö<strong>de</strong>ralismus ermöglicht eine Vielzahl politischer, kultureller und wirtschaftlicher<br />
Zentren, för<strong>de</strong>rt eine ausgewogene regionale Struktur, ermöglicht<br />
in begrenztem Maß das Experimentieren und das Abtasten von Risiken und