Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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IV. Die ethischen Elemente in <strong>de</strong>r Staatsverfassung 83<br />
konkreten Fall ein Vergehen gegen das Naturrecht <strong>de</strong>s ungeborenen Kin<strong>de</strong>s,<br />
das durch das Selbstbestimmungsrecht <strong>de</strong>r Mutter nicht konkurrenziert wer<strong>de</strong>n<br />
kann, wenngleich in <strong>de</strong>r konkreten Erfahrung ein Großteil <strong>de</strong>r Frauen auf<br />
einem freien Dispositionsrecht bestehen. Aber die Ethik verbietet eine gesetzliche<br />
Regelung <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Neigung zur Abtreibung. Die konkret<br />
nicht umformulierbaren Werturteile sind dadurch gekennzeichnet, daß sie in<br />
ihrer allgemeinen Fassung univok sind, im Gegensatz zu analogen.<br />
Ein großer <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r Menschenrechte ist allerdings nicht univok, son<strong>de</strong>rn<br />
analog zu verstehen 3 , d.h. proportional zum Gemeinwohl, das seinerseits<br />
nicht für alle Zeiten konkret gültig zu bestimmen ist. Dazu gehört z.B. das<br />
Recht auf Ausbildung, das konkret erst bestimmt wer<strong>de</strong>n kann, wenn man die<br />
Leistungsmöglichkeit und <strong>de</strong>n Leistungswillen <strong>de</strong>r Bürger in die Überlegung<br />
einbezieht. In <strong>de</strong>r allgemeinen Erklärung <strong>de</strong>r Menschenrechte ist in Abhängigkeit<br />
vom Rationalismus diese Unterscheidung von univok und analog<br />
nicht berücksichtigt wor<strong>de</strong>n, so daß dort die rein subjektivistische Formulierung<br />
gewählt wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Folge, daß in Artikel 29 ganz allgemein <strong>de</strong>r<br />
staatlichen Autorität die Vollmacht zugesprochen wer<strong>de</strong>n mußte, die Begrenzung<br />
durch das Gemeinwohl zu bestimmen. In <strong>de</strong>n meisten Verfassungen ist<br />
diese einseitige Befugnis <strong>de</strong>r staatlichen Herrschaftsmacht übernommen<br />
wor<strong>de</strong>n. Diese Formulierung hat <strong>de</strong>n totalitären Oststaaten die Bahn freigemacht,<br />
<strong>de</strong>nn im Grun<strong>de</strong> gehen bei dieser Formulierung die Grundrechte doch<br />
wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r Staatsmacht verloren. Damit wur<strong>de</strong> gera<strong>de</strong> das zunichtegemacht,<br />
was mit <strong>de</strong>r Erklärung <strong>de</strong>r Bürgerrechte eigentlich beabsichtigt<br />
war, nämlich <strong>de</strong>r Sch<strong>utz</strong> <strong>de</strong>s Individuums vor <strong>de</strong>n Übergriffen <strong>de</strong>r staatlichen<br />
Macht. 4<br />
Wenn die Grundrechte <strong>de</strong>s Bürgers mit <strong>de</strong>m Einklagerecht verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />
wie es z.B. im <strong>de</strong>utschen Grundgesetz <strong>de</strong>r Fall ist, dann drängt sich die<br />
subjektivistische Formulierung auf. Diese Art <strong>de</strong>r Formulierung bringt naturgemäß<br />
<strong>de</strong>n Nachteil mit sich, daß im konkreten Fall, worauf schon hingewiesen<br />
wur<strong>de</strong>, die soziale Komponente jeweils nur schwer zu <strong>de</strong>finieren ist.<br />
An<strong>de</strong>rerseits wird das Individuum bei dieser Formulierung vor Übergriffen<br />
<strong>de</strong>r staatlichen Gewalt besser geschützt. Aus diesem Grund hat <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche<br />
Verfassungsgeber, durch die im Nationalsozialismus gemachten Erfahrungen<br />
belehrt, sich für das Einklagerecht entschie<strong>de</strong>n.<br />
3<br />
Vgl. A.F. Utz, <strong>Sozialethik</strong>, II. <strong>Teil</strong>: Rechtsphilosophie, Hei<strong>de</strong>lberg 1963, 84-87, 95.<br />
4<br />
In <strong>de</strong>r Vorbereitung <strong>de</strong>r allgemeinen Erklärung <strong>de</strong>r Menschenrechte wur<strong>de</strong> damals in Genf<br />
vonseiten <strong>de</strong>r spanischen <strong>Teil</strong>nehmer ein naturrechtlich orientierter Gegenvorschlag eingereicht:<br />
„L'Avant-projet <strong>de</strong> <strong>de</strong>claration internationale <strong>de</strong>s droits <strong>de</strong> l'homme et les lois fondamentales <strong>de</strong><br />
l'Espagne", <strong>de</strong>r lei<strong>de</strong>r (angesichts <strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong>n Zahl <strong>de</strong>r positivistisch eingestellten Vertreter)<br />
nicht berücksichtigt wur<strong>de</strong> und darum nur als Privatdruck vorliegt.