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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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82 2. Kap.: Grundsätzliches zur Strukturierung <strong>de</strong>s Staates<br />

gration ins Gemeinwohl. So lautet die Norm im allgemeinen Naturrecht.<br />

Wenn es nun um die Anwendung dieser Norm auf die Wirklichkeit geht, muß<br />

man überlegen, in welcher Reihenfolge die Aktivitäten zu erfolgen haben im<br />

Hinblick auf die Integration <strong>de</strong>s Eigenwohls ins Allgemeinwohl.<br />

Und auf dieser Ebene müssen wir die Erfahrung nach <strong>de</strong>m tatsächlichen<br />

Verhalten <strong>de</strong>r Menschen befragen. Da stellen wir fest, daß die Menschen<br />

leichter und williger das Eigenwohl verwirklichen als das Gemeinwohl. Darum<br />

geben wir in <strong>de</strong>r Handlungsordnung <strong>de</strong>m Individuum <strong>de</strong>n Vorzug, um<br />

<strong>de</strong>n Leistungswillen wachzuhalten, ohne <strong>de</strong>n das Gemeinwohl nie verwirklicht<br />

wer<strong>de</strong>n könnte. Wir sprechen darum vom Vorrecht <strong>de</strong>s Individuums „im<br />

Rahmen <strong>de</strong>s Gemeinwohls". Es wäre aber mißverständlich und sogar falsch,<br />

wenn wir dieses Recht <strong>de</strong>s Vortritts schlichtweg als Naturrecht bezeichnen<br />

wür<strong>de</strong>n. Es ist nur in <strong>de</strong>r Anwendung ein Naturrecht, da es die einzig vernünftige<br />

Ordnung auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Handlungsfolge im Interesse <strong>de</strong>s Gemeinwohls<br />

ist. Der Rationalismus, <strong>de</strong>m aufgrund seiner Erkenntnistheorie die<br />

Unterscheidung zwischen allgemeinem und angewandtem Naturrecht fremd<br />

ist, spricht einfach vom Menschenrecht <strong>de</strong>s Individuums als einem Naturrecht.<br />

2<br />

In dieser Weise mag man z.B. von einem Naturrecht auf Privateigentum<br />

sprechen. Es ist aber dabei immer das Gemeinwohl als wertmäßig übergeordnet<br />

mitzu<strong>de</strong>nken. Das Verhältnis zwischen Eigenwohl und Gemeinwohl<br />

ist oft nur sehr schwer zu fin<strong>de</strong>n. Wir sind in manchen Fällen auf das Experimentieren<br />

angewiesen. Unter diesem Gesichtspunkt ist das von Popper<br />

immer wie<strong>de</strong>r angerufene Prinzip von „trial and error" zu berücksichtigen,<br />

ohne damit seinen erkenntnistheoretischen Standpunkt zu teilen. Nützlich ist<br />

hier die soziologische Verhaltensforschung. Je<strong>de</strong>nfalls sollte man nicht voreilig<br />

das Subsidiaritätsprinip beschnei<strong>de</strong>n, gemäß <strong>de</strong>m das Individualrecht in<br />

<strong>de</strong>r Regelung <strong>de</strong>s Handlungsablaufs <strong>de</strong>n Vorzug genießt. Ein <strong>de</strong>utliches Beispiel<br />

hierfür ist das Persönlichkeitsrecht auf die Intimsphäre, das zu leicht<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>mokratisch begrün<strong>de</strong>ten Recht auf öffentliche Information geopfert<br />

wird.<br />

Außer<strong>de</strong>m gibt es Werturteile, die, bereits allgemein formuliert, absolute<br />

Geltung beanspruchen, die in je<strong>de</strong>m Fall und in je<strong>de</strong>r Situation Verwirklichung<br />

verlangen, wie z.B. das Recht auf Leben eines unschuldigen, nicht<br />

strafwürdigen Individuums. Aus diesem Grund ist die Abtreibung in je<strong>de</strong>m<br />

2<br />

Vgl. hierzu A.F. Utz, <strong>Sozialethik</strong>, I. <strong>Teil</strong>: Die Prinzipien <strong>de</strong>r Gesellschaftslehre, Hei<strong>de</strong>lberg<br />

2<br />

1964, 277-296 (Der Aufbau <strong>de</strong>r sozialen Handlungen. Das Subidiaritätsprinzip). Unter <strong>de</strong>m<br />

Einfluß von Chr. Wolff hat die katholische Soziallehre die rationalistische Formulierung übernommen,<br />

allerdings mit <strong>de</strong>r Betonung <strong>de</strong>s Bezugs zum Gemeinwohl. Näheres hierzu in A.F. Utz,<br />

Der Begriff <strong>de</strong>s Eigentumsrechts in <strong>de</strong>r katholischen Soziallehre und seine Beziehung zur Wirtschaftsordnung,<br />

in: A.F. Utz, Hsg., Die katholische Soziallehre und die Wirtschaftsordnung,<br />

Trier 1991, 109-162; bes. Marcel Thomann, Der rationalistische Einfluß auf die katholische<br />

Soziallehre, ibid. 163-202.

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