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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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72 2. Kap.: Grundsätzliches zur Strukturierung <strong>de</strong>s Staates<br />

die Verteilung dieser Macht <strong>de</strong>nken kann. Naturrechtlich betrachtet, umschließt<br />

die staatliche Gesellschaft eine Reihe von Rechtsträgern, die nicht<br />

o<strong>de</strong>r nur teilweise <strong>de</strong>r staatlichen Gewalt unterstehen, wie z.B. die einzelnen<br />

Personen mit ihrem subjektiven Recht auf Leben und persönliche Entwicklung,<br />

mit ihrem Recht auf Eigentum, die Familie mit ihrem Recht als erster<br />

Hort <strong>de</strong>r Erziehung und auf Organisation ihres eigenen Lebens, die traditionell<br />

gewachsenen Gruppen, die sich ohne <strong>de</strong>n Staat gebil<strong>de</strong>t haben, die aber<br />

alle zum Staatswesen gehören. Wie soll man nun die typisch politische Gewalt<br />

herausstilisieren, wo innerhalb <strong>de</strong>s Staates so viele einzelne Machttäger<br />

existieren und berücksichtigt wer<strong>de</strong>n müssen?<br />

Für Aristoteles war die Sache einfach. Er verfolgte die geschichtliche Entwicklung<br />

von <strong>de</strong>r Familie bis hinauf zur umfassen<strong>de</strong>n Gesellschaft. Der Staat<br />

war dann nur die Krönung aller gesellschaftlichen Gruppierungen im Hinblick<br />

auf die Bedürfnisse, <strong>de</strong>ren Deckung <strong>de</strong>m einzelnen und <strong>de</strong>n vielfältigen<br />

Gruppen nicht gelingen kann. In dieser Schauweise wird als selbstverständlich<br />

vorausgesetzt, daß alle einzelnen und Gruppen sich ernstlich um die<br />

Dinge bemühen, die ihnen aus Eigeninitiative gelingen. Aristoteles kannte<br />

zwar sehr gut die Ten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>s Menschen, das Eigenwohl <strong>de</strong>m Gemeinwohl<br />

vorzuziehen, das heißt konkret, lieber die Sozialversicherung als das eigene<br />

Risiko zu wählen. Darum sprach er sich für das Privateigentum aus. Aber<br />

damit glaubte er, <strong>de</strong>n Schlüssel <strong>de</strong>r öffentlichen Ordnung gefun<strong>de</strong>n zu haben.<br />

Der Staat ist <strong>de</strong>r Organisator jener gesellschaftlichen Tätigkeiten, die über<br />

das Können <strong>de</strong>r einzelnen in sich geschlossenen Gruppen hinausgehen. Das<br />

Gemeinwohl <strong>de</strong>r staatlichen Gesellschaft ist also ein an<strong>de</strong>res als das Einzelwohl<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Gruppen. Thomas von Aquin hat dies klar zum Ausdruck<br />

gebracht: „Das Gemeinwohl <strong>de</strong>s Staates und das Einzelwohl <strong>de</strong>r Person<br />

unterschei<strong>de</strong>n sich nicht nur nach mehr o<strong>de</strong>r weniger, son<strong>de</strong>rn aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Wesens. Etwas an<strong>de</strong>res ist nämlich <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Gemeinwohls und <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Einzelwohls, wie das Ganze vom <strong>Teil</strong> verschie<strong>de</strong>n ist." Es braucht also<br />

für diese gesellschaftlichen Tätigkeiten eine eigene Autorität, die wir Staatsgewalt<br />

o<strong>de</strong>r Staatsmacht nennen. Wer soll nun Träger dieser Gewalt sein?<br />

Das ist die Frage nach <strong>de</strong>m Regime. Sie wur<strong>de</strong>, wie schon erklärt, bereits von<br />

<strong>de</strong>n alten Klassikern gestellt. Ihre Lösung beruhte auf einer allgemeinen<br />

Abschätzung, wobei in erster Linie darauf geachtet wur<strong>de</strong>, welche Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

das Objekt an <strong>de</strong>n Autoritätsträger stellt. Das Objekt <strong>de</strong>r politischen<br />

Handlung besteht in jenen materiellen und kulturellen Lebensgütern, die nur<br />

durch die umfassendste Gesellschaft, eben <strong>de</strong>n Staat, zu erbringen sind. Im<br />

Hinblick auf diese enorme Anfor<strong>de</strong>rung, die sich entsprechend <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

konkreten Situationen stets än<strong>de</strong>rt und darum präzis nicht <strong>de</strong>finiert<br />

wer<strong>de</strong>n kann, konnte man lediglich die Frage stellen, ob es im Hinblick auf<br />

die komplexe Materie und die Beschränktheit <strong>de</strong>r menschlichen Vernunft<br />

klug sei, die Gewalt einem o<strong>de</strong>r mehreren zu überlassen. Bei Aristoteles ist

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