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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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II. Der Rechtsstaat - Die Gewaltenteilung 69<br />

Bei aller Hochschätzung <strong>de</strong>r Unabhängigkeit <strong>de</strong>r Gerichtsbarkeit muß man,<br />

abgesehen von <strong>de</strong>r Gefahr zur Entwicklung <strong>de</strong>s Richterrechts, noch an zwei<br />

an<strong>de</strong>re zur Zurückhaltung mahnen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>nken, und zwar an einen<br />

externen und einen inneren Grund. Der externe Grund besteht in <strong>de</strong>r Art und<br />

Weise <strong>de</strong>r Bestellung <strong>de</strong>r Richter. Die Nominierung <strong>de</strong>r Richter ist von <strong>de</strong>r<br />

politischen und weltanschaulichen Orientierung <strong>de</strong>rer beeinflußt, die für die<br />

personelle Zusammensetzung <strong>de</strong>s obersten Gerichts zuständig sind. Man<br />

kennt zur Genüge das Gerangel <strong>de</strong>r politischen Parteien, ihren Einfluß auf die<br />

Richterernennung auszuüben. Der interne Grund betrifft die Schwierigkeit in<br />

<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r juristischen Normen auf die konkreten Fälle. Diese<br />

Schwierigkeit ist beson<strong>de</strong>rs spürbar in <strong>de</strong>r Verfassungsgerichtsbarkeit. Da<br />

das Verfassungsgericht keine weiteren positivrechtlichen Normen anrufen<br />

kann und naturrechtliche Normen nicht ins Spiel bringen kann, besteht die<br />

Gefahr, daß über einen Sachverhalt gegen die Vernunft rein rechtspositivistisch<br />

geurteilt wird.<br />

Die weltanschauliche und parteipolitische Unabhängigkeit <strong>de</strong>r gerichtlichen<br />

Entscheidungen verliert gera<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>s Bemühens <strong>de</strong>s Gerichts um völlige<br />

Wertfreiheit <strong>de</strong>n Kontakt mit <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Wirklichkeit. Absolute<br />

Wertfreiheit ist in sich Wertvernichtung, also Irrtum. Weltanschaulich (z.B.<br />

religiös) orientierte Rechtsordnungen sind so lang tragbar, wie sie die persönliche<br />

Religionsfreiheit, verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Recht auf Vereinsfreiheit<br />

respektieren. Schwierig wird dieses Thema für das Gericht dann, wenn eine<br />

einzelne Religionsgemeinschaft ihr religiöses Symbol in öffentlichen Institutionen,<br />

wie z.B. in <strong>de</strong>n Schulen, zur Schau bringt. Dieses Problem ist rein<br />

formaljuristisch mit <strong>de</strong>m Hinweis auf die absolute Wertneutralität <strong>de</strong>s Staates<br />

nicht lösbar. Der kulturgeschichtliche Hintergrund und das Wertgefühl <strong>de</strong>r<br />

ansässigen Mehrheit <strong>de</strong>r Bevölkerung verlangen entsprechen<strong>de</strong> Berücksichtigung.<br />

Wenn das <strong>de</strong>utsche Gericht diesen Gesichtspunkt berücksichtigt hätte,<br />

hätte es das Kruzifix in <strong>de</strong>n Schulen eines urkatholischen Lan<strong>de</strong>s wie Bayern<br />

nicht als gegen die Wertneutralität <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Staates gerichtet verbieten<br />

können. An<strong>de</strong>rs lag <strong>de</strong>r Fall bei <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s französischen Gerichts,<br />

welches das Tragen eines Kopfschleiers muselmanischen Mädchen in <strong>de</strong>n<br />

französischen Schulen verbot, weil es darin ein Zeichen von Provokation<br />

(beson<strong>de</strong>rs im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung zwischen Frankreich<br />

und Algerien) sehen konnte.<br />

Man kann es wen<strong>de</strong>n und drehen, wie man will, es gibt keine wertfreie Gesellschaft,<br />

darum auch keinen Rechtsstaat ohne gewisse, an <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s<br />

Menschen gemessene, allgemein gültige Wertvorstellungen.

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