Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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2. Kap.: Grundsätzliches zur Strukturierung <strong>de</strong>s Staates<br />
muß, wie es das Subsidiaritätsprinzip verlangt? Dennoch muß diese naturrechtlich<br />
gefor<strong>de</strong>rte Ordnung positivrechtlich, d.h. kontrollierbar gesichert<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Da man aus <strong>de</strong>r Geschichte gelernt hat, daß die Herrschaftsmacht geneigt ist,<br />
sich zu verabsolutieren, ist es ratsam, bei <strong>de</strong>n individuellen Rechten zu beginnen,<br />
d.h. zunächst diese zu <strong>de</strong>finieren, um im Anschluß daran, die Staatsmacht<br />
nur dort wirksam wer<strong>de</strong>n zu lassen, wo die Gesamtordnung durch die<br />
individuellen Freiheiten gefähr<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>. Der Staat muß <strong>de</strong>mnach zuerst die<br />
Freiheitsrechte <strong>de</strong>finieren. Dies wird meistens, wenn es geschieht, durch <strong>de</strong>n<br />
Katalog <strong>de</strong>r Grundrechte bewerkstelligt. Die Grundrechte enthalten zwar<br />
sowohl Freiheits- als auch Sozialrechte. Doch sind im Rahmen <strong>de</strong>s Begriffs<br />
<strong>de</strong>s Rechtsstaates nur die Freiheitsrechte von Belang. An die Stelle <strong>de</strong>r Gewalt-<br />
und Willkürakte <strong>de</strong>s Staates, die die Beherrschten unvermutet und in<br />
Aus<strong>de</strong>hnung und Wirkung unberechenbar treffen, sollten möglichst Rechtsakte<br />
treten, in <strong>de</strong>nen das staatliche Herrschaftshan<strong>de</strong>ln in bestimmte Formen<br />
gebracht (formelle Gesetze und gebun<strong>de</strong>ne Verwaltungsakte) und damit für<br />
die Beherrschten berechenbar gemacht wird.<br />
In dieser Weise verstan<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Rechtsstaat ein naturrechtliches Erfor<strong>de</strong>rnis<br />
für je<strong>de</strong>n Staat, welche Staatsform er auch immer annimmt, ob Monarchie<br />
o<strong>de</strong>r Demokratie. Entschei<strong>de</strong>nd für die praktische Gestaltung ist <strong>de</strong>r Begriff<br />
<strong>de</strong>r persönlichen Freiheit, <strong>de</strong>n man zugrun<strong>de</strong>legt. Ist es die autonome Freiheit<br />
im Sinn <strong>de</strong>r Kantschen Ethik o<strong>de</strong>r die sozial gebun<strong>de</strong>ne Freiheit, wobei sozial<br />
nicht nur im Sinn <strong>de</strong>r Balance aller formell gefaßten Freiheiten wie bei Kant<br />
verstan<strong>de</strong>n wird, son<strong>de</strong>rn im Sinn <strong>de</strong>r Integration in ein überindividuelles<br />
Gemeinwohl, das wie<strong>de</strong>rum nur durch die staatliche o<strong>de</strong>r politische Macht<br />
bestimmbar ist? Die im zweiten Sinn verstan<strong>de</strong>ne sozial gebun<strong>de</strong>ne Freiheit<br />
beschwört wie<strong>de</strong>rum die Gefahr herauf, daß <strong>de</strong>r einzelne am Schluß doch <strong>de</strong>r<br />
unberechenbaren Staatsmacht unterworfen wäre, was <strong>de</strong>r strenge Begriff <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstaates eigentlich ausschließen will.<br />
Die allgemeine Erklärung <strong>de</strong>r Menschenrechte von 1948 hat sich bei <strong>de</strong>r<br />
Bestimmung <strong>de</strong>r Freiheitsrechte zunächst an die autonome Freiheit gehalten,<br />
hat aber am Schluß (Art. 29), um die Gemeinschaftsaufgaben zu retten, von<br />
<strong>de</strong>r Kompetenz <strong>de</strong>r Staatsmacht gesprochen, die Pflicht <strong>de</strong>s einzelnen hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>s Gemeinwohls zu <strong>de</strong>finieren. <strong>Mit</strong> dieser Lösung waren auch die<br />
Vertreter <strong>de</strong>r kommunistischen Staaten einig, <strong>de</strong>nn sie konnten so nach wie<br />
vor die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen unterdrücken.<br />
Um in je<strong>de</strong>m Fall diese Gefahr zu bannen, daß zu guter Letzt doch wie<strong>de</strong>r die<br />
Staatsgewalt das Sagen haben soll, hat sich in <strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnen westlichen<br />
Rechtsstaaten die Autonomie <strong>de</strong>s Individuums, d.h. die rein formale Freiheit,<br />
durchgesetzt. Um bei <strong>de</strong>r Bestimmung <strong>de</strong>r Gemeinwohlaufgaben die einzelnen<br />
mitsprechen zu lassen, bleibt nur <strong>de</strong>r Weg über die <strong>de</strong>mokratische Ab-