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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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I. Die Herrschaftsmacht <strong>de</strong>s Staates 61<br />

<strong>de</strong>n Menschen nur noch darauf ankommt, <strong>de</strong>n Träger dieser Gewalt zu bestimmen.<br />

Damit löst sich auch ein Problem, das <strong>de</strong>r Rechtspositivismus nicht lösen<br />

kann: Woher kommt die rechtliche Rechtfertigung <strong>de</strong>r Staatsgründung, da<br />

noch kein Gesetz besteht, gemäß <strong>de</strong>m, wie es <strong>de</strong>r Rechtspositivismus verlangt,<br />

jegliche rechtliche Handlung berechenbar und nachprüfbar sein muß?<br />

Georg Jellinek hat in seinem Standardwerk Allgemeine Staatslehre geglaubt,<br />

eine Ausflucht aus dieser Schwierigkeit zu fin<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m er zwischen freier<br />

und gebun<strong>de</strong>ner Tätigkeit <strong>de</strong>s Staates unterschied. Freie Tätigkeit ist die nur<br />

durch das Gemeininteresse, aber durch keine spezielle Rechtsregel bestimmte;<br />

gebun<strong>de</strong>ne die in Erfüllung einer Rechtspflicht erfolgen<strong>de</strong>. Woher hat<br />

aber die freie, nur durch das Gemeininteresse bestimmte Tätigkeit <strong>de</strong>s Staates<br />

ihre rechtliche Begründung? Wenn Jellinek auf das Naturrecht im hier dargelegten<br />

Sinn hätte verweisen können, hätte er das Rätsel aufgelöst. Denn<br />

vom Naturrecht her gesehen, ist je<strong>de</strong> Tätigkeit im Blick auf das Gemeinwohl<br />

rechtmäßig, sei sie nun eine Tätigkeit innerhalb <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Gesetzes,<br />

sei sie die Tätigkeit <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>s Staates. Gemeinwohl ist allerdings<br />

nicht notwendigerweise mit Gemeininteresse i<strong>de</strong>ntisch. Gemeinwohl ist ein<br />

ethischer Begriff, bezogen auf die menschliche Natur, Gemeininteresse ist<br />

ein soziologischer Begriff, bestimmt durch die Mehrheit <strong>de</strong>r Gesellschaft, <strong>de</strong>r<br />

unter Umstän<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m an <strong>de</strong>r menschlichen Natur gemessenen Gemeinwohl<br />

nicht übereinstimmt. 5<br />

Die Bestimmung <strong>de</strong>s Trägers <strong>de</strong>r Gewalt<br />

In <strong>de</strong>r Natur draußen ist <strong>de</strong>r Träger von Gewalt durch die physische Ausrüstung<br />

bestimmt. Das heißt, es herrscht das „Recht" <strong>de</strong>s Stärkeren, obwohl die<br />

Stärke nicht nur in <strong>de</strong>r Muskelkraft, son<strong>de</strong>rn auch in <strong>de</strong>r Erkenntniskraft (vgl.<br />

die List) liegen kann. In kleineren menschlichen Gemeinschaften herrscht<br />

durchweg ebenfalls dieses Gesetz. Da aber zwischen Menschen rechtliche<br />

Probleme entstehen können, muß <strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>r Gewalt positivrechtlich<br />

festgelegt wer<strong>de</strong>n. Nach früherer Gewohnheit hatte sich <strong>de</strong>r Gesetzgeber an<br />

das Naturgesetz gehalten und z.B. in <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>m Vater als <strong>de</strong>m anscheinend<br />

Stärkeren die Entscheidungsmacht zuerkannt. Positivrechtlich ist das<br />

Gewaltverhältnis in Ehe und Familie in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Rechtsordnungen<br />

verschie<strong>de</strong>n formuliert. Außerhalb <strong>de</strong>s positiven Rechts hat sich praktisch in<br />

<strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>r Elternteil durchgesetzt, <strong>de</strong>r die höheren geistigen Qualitäten<br />

5<br />

Daraus folgt nicht etwa ein Dualismus zwischen Naturrecht und positivem Recht. Vgl. A.F.<br />

Utz, Naturrecht im Wi<strong>de</strong>rstreit zum positiven Gesetz, in: A. F. Utz, Ethik und Politik, Gesammelte<br />

Aufsätze, Stuttgart 1970, 185-208. Ders.: Thomas von Aquin, Naturgesetz und Naturrecht,<br />

Bonn 1996, S. 208.

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