Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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50 1. Kap.: Die Politik als Objekt <strong>de</strong>r Ethik<br />
und durch einheitliche Staatsgemeinschaft voraussetzte. Obwohl er die universale<br />
Homogenität <strong>de</strong>r katholischen Kirche, die alle ethnischen Unterschie<strong>de</strong><br />
verkraften kann, bestaunte, ist er offenbar nicht auf <strong>de</strong>n Schluß gekommen,<br />
daß diese in <strong>de</strong>r Universalität <strong>de</strong>r Offenbarung begrün<strong>de</strong>te Homogenität<br />
nicht das Reservat einer Ethnie sein kann. Der Feind <strong>de</strong>r Kirche ist nicht <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>re Staat, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Endgeschichte auftreten<strong>de</strong> Antichrist, was<br />
Schmitt, wie seine Interpretation <strong>de</strong>s paulinischen Katechon (2. Thess. 2,6 f.)<br />
beweist, genau wußte. Vielleicht sieht er <strong>de</strong>n Parallelismus zwischen <strong>de</strong>r<br />
kirchlichen und <strong>de</strong>r staatlichen Homogenität auch darin, daß bei<strong>de</strong> einen<br />
Gegner haben, <strong>de</strong>r Staat in einem an<strong>de</strong>rn Staat, die Kirche im Reich <strong>de</strong>s Satans.<br />
Diese Interpretation ist aber nur dann richtig, wenn man das paulinische<br />
Katechon nicht, wie es auch geschieht, auf irgen<strong>de</strong>ine weltliche Gewalt, z.B.<br />
auf das römische Reich, son<strong>de</strong>rn eben allein auf <strong>de</strong>n Satan bezieht.<br />
Man ist überrascht, daß Schmitt trotz seines rigi<strong>de</strong>n Konzepts <strong>de</strong>r Homogenität<br />
<strong>de</strong>m Verständnis <strong>de</strong>r Kirche für <strong>de</strong>n sündigen Menschen großes Lob<br />
zollt. Damit will er aber seine Theorie <strong>de</strong>r Entscheidungsmacht, wovon noch<br />
die Re<strong>de</strong> sein wird, zusätzlich stützen. Schmitt vertrat die verbreitete, aber<br />
falsche Ansicht, die Kirchenväter, vor allem Augustinus, hätten die Notwendigkeit<br />
<strong>de</strong>r Autorität aus <strong>de</strong>r Erbsün<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r überhaupt aus <strong>de</strong>r allgemeinen<br />
Sündigkeit abgeleitet. 50 Gegen die These Rousseaus vom guten Menschen<br />
hält Schmitt es mit Donoso Cortes, <strong>de</strong>ssen Radikalität er allerdings in Übereinstimmung<br />
mit <strong>de</strong>m Tri<strong>de</strong>ntinischen Konzil abmil<strong>de</strong>rt mit <strong>de</strong>m Hinweis,<br />
daß „<strong>de</strong>r katholische Christ von <strong>de</strong>m Dogma <strong>de</strong>r Erbsün<strong>de</strong>" ausgeht. 51<br />
Der <strong>Sozialethik</strong>er stellt sich angesichts „<strong>de</strong>s sündigen Menschen", philosophisch<br />
ausgedrückt: <strong>de</strong>s ethisch geschwächten Menschen, die Frage, wie er<br />
diesen in ein praktikables Ordnungsprogramm noch einbin<strong>de</strong>n kann. Dazu<br />
hilft ihm die Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> als Tat und <strong>de</strong>n psychischen<br />
Folgen <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> im Verhalten <strong>de</strong>s Menschen. Bei <strong>de</strong>n psychischen<br />
Folgen <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> han<strong>de</strong>lt es sich beson<strong>de</strong>rs um die egoistischen Neigungen,<br />
welche die Homogenität <strong>de</strong>r Gesellschaft sprengen. An sich ist <strong>de</strong>r Individualismus<br />
die sündige Neigung, nur auf das eigene Ich zu achten. Die Moral<br />
unterschei<strong>de</strong>t jedoch zwischen <strong>de</strong>m sündigen Individualismus und <strong>de</strong>m Hang<br />
zur Verwirklichung <strong>de</strong>s Eigeninteresses. Das Eigeninteresse ist immerhin<br />
dort nützlich, wo es Leistungen erbringt, auf welche die Gesellschaft angewiesen<br />
ist. Das hat bereits Aristoteles erkannt. Er rechtfertigt das Privatei-<br />
50<br />
Diese Interpretation dürfte nicht zutreffen. Vgl. Franz Faller, Die rechtsphilosophische Begründung<br />
<strong>de</strong>r gesellschaftlichen und staatlichen Autorität bei Thomas von Aquin, Eine problemgeschichtliche<br />
Untersuchung (Sammlung Politeia Bd. V), Hei<strong>de</strong>lberg 1954. Aus <strong>de</strong>r SUndigkeit<br />
<strong>de</strong>s Menschen läßt sich nur die Notwendigkeit <strong>de</strong>r Strafgewalt <strong>de</strong>s Staates ableiten, nicht aber die<br />
staatliche Gesetzesmacht als solche.<br />
51<br />
Politische Theologie, 62. Vgl. auch Raul Sdnchez Abelenda, Carl Schmitt y Juan Donoso<br />
Cortes. A propösito <strong>de</strong>l <strong>de</strong>cisionismo poh'tico. In: Philosophica, Valparaiso 11 (1988) 255-264.