Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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27.04.2015 Aufrufe

42 1. Kap.: Die Politik als Objekt der Ethik ihrer Totalität. Er hat das Monopol dieser letzten Entscheidung. Darin liegt das Wesen der staatlichen Souveränität, die also richtigerweise nicht als Zwangs- oder Herrschaftsmonopol, sondern als Entscheidungsmonopol juristisch zu definieren ist.... Der Ausnahmefall offenbart das Wesen der staatlichen Autorität am klarsten. Hier sondert sich die Entscheidung von der Rechtsnorm, und (um es paradox zu formulieren) die Autorität beweist, daß sie, um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht". 35 Schmitt ist ganz eingenommen von der Entscheidungsgewalt des Papstes, zugleich auch von der Homogenität der Gläubigen in der katholischen Kirche, die sich dieser Entscheidungsgewalt gehorsam fügen. Er hätte allerdings, bevor er an eine analoge Verwirklichung dieses Vorbildes im weltlichen Raum dachte, überlegen müssen, welche neuen Bedingungen nun wirksam werden. Die Homogenität der katholischen Gläubigen ist so weit wie der Weltraum, d.h. wie die ganze Menschheit. Diese Tatsache wird rational nur faßbar, wenn man die umfassende Weite des Naturrechts kennt, wonach es einen allgemeinen Konsens gibt, der im Konkreten Verschiedenheiten verkraften kann. Eine Übertragung des katholisch-kirchlich verstandenen Begriffs der Homogenität auf einen einzelnen Staat wäre nur möglich in der Identifizierung von Kirche und Staat. Schmitt wußte genau, daß diese Identifizierung verhängnisvoll war und auch nicht mehr möglich ist, ganz abgesehen davon, daß der katholische Glaube nach katholischem Verständnis so tief in der menschlichen Natur ansetzt, daß alle ethnischen Unterschiede verschwinden. Nach katholischem Glaubensverständnis ist der Katholik zuerst Katholik und erst dann national, etwa Deutscher, Franzose, Engländer usw. 36 Schmitt mußte also ein anderes homogenes Medium finden. Das glaubte er eine Zeitlang in der rassischen Artgleichheit 37 zu entdecken. Dieser Irrtum hat ihn zu den schaurigsten Äußerungen über die Juden verführt. Es ist kaum zu glauben, daß ein Wissenschaftler sich zu solch menschenunwürdigen und erniedrigenden Schmähungen hinreißen lassen könnte, wie sie sich Schmitt in seinen in der Tagespresse erschienenen Artikeln und besonders bei einer Hochschullehrertagung im Oktober 1936 leistete. 35 Politische Theologie, 19. 36 Vgl. A. F. Utz, Wesen und Sinn des christlichen Ethos. Heidelberg 1942 (besonders 162-166). 37 Vgl. C. Schmitt, Staat, Bewegung, Volk - Die Dreigliederung der politischen Einheit, Hamburg 1935, 32, 42.

II. Die Politische Theologie 43 2. Die rational begründete Politische Theologie Keine Staatsphilosophie ohne Transzendenz Um zu verstehen, warum Schmitt alles daran setzt, das Politische in letzter Analyse durch die Religion zu begründen, darf man nicht nur seine geschichtsphilosophischen und geschichtstheologischen Erörterungen heranziehen. Es geht ihm im Grunde nicht einmal um eine typisch geschichtliche Auseinandersetzung. Vielmehr will er grundsätzlich den Gedanken vertreten, daß man dem Politischen nicht nahekommt, wenn man es nur als Kampf um die Macht auslegt. Der Staat, der den Feind bestimmen muß, braucht eine in sich einheitliche Gesellschaft, die ihre Einheit nur durch eine Idee, nicht aber a priori durch einen technischen Vorgang, sagen wir es konkret, nicht durch einen Abstimmungsmodus erhält. Die Idee, die, aller Parteilichkeit und Zeitlichkeit enthoben, in der Transzendenz liegt, ist demgemäß religiöser Natur. Welche Religion bietet die gesuchte Idee an? Es kann nur ein Monotheismus sein, denn dieser allein begreift, daß die Autorität zu personifizieren ist. Das ist die Grundüberzeugung Schmitts und dazu braucht er die Politische Theologie. Es geht also um das Verhältnis zwischen religiöser Weltanschauung und politischem Denken. „Alles, was ich zu dem Thema Politische Theologie geäußert habe, sind Aussagen eines Juristen über eine rechtstheoretisch und rechtspraktisch sich aufdrängende, systematische Struktur-Verwandtschaft von theologischen und juristischen Begriffen". 38 Der Monotheismus hat seine analoge Parallele auf politischer Ebene in der Monarchie. Man kann Grundgedanken von Schmitt übernehmen, ohne von seiner Definition des Politischen auszugehen, indem man den antiken Autoren folgt und den Staat als die vollkommene Gesellschaft begreift und entsprechend die Politik als jene Handlung definiert, die direkt die Dezisionsgewalt in der Bestimmung des allgemeinen Wohls zum Ziel hat. Wenn man diese Intention zu Ende denkt, stößt man unweigerlich an die Transzendenz. Man kann dann allerdings von einem Parallelismus zwischen Staatslehre und Religion oder Politischer Theologie nicht mehr sprechen, denn die Transzendenz und damit die Theologie gehören wesentlich zur Begründung des Staats und seiner Autorität. Der Parallelismus würde sich demnach auf die Gegenüberstellung von weltlichem Staat und katholischer Kirche beschränken. Dennoch folge ich dem erweiterten Begriff des Parallelismus, um den Zusammenhang mit den hier besprochenen Gedanken C. Schmitts zu bewahren. Lassen wir also einmal die Analogie zwischen Staatsphilosophie und Philosophie der Religion bestehen. Politische Theologie II, 79, Anm. 1.

42 1. Kap.: Die Politik als Objekt <strong>de</strong>r Ethik<br />

ihrer Totalität. Er hat das Monopol dieser letzten Entscheidung. Darin liegt<br />

das Wesen <strong>de</strong>r staatlichen Souveränität, die also richtigerweise nicht als<br />

Zwangs- o<strong>de</strong>r Herrschaftsmonopol, son<strong>de</strong>rn als Entscheidungsmonopol juristisch<br />

zu <strong>de</strong>finieren ist.... Der Ausnahmefall offenbart das Wesen <strong>de</strong>r staatlichen<br />

Autorität am klarsten. Hier son<strong>de</strong>rt sich die Entscheidung von <strong>de</strong>r<br />

Rechtsnorm, und (um es paradox zu formulieren) die Autorität beweist, daß<br />

sie, um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht". 35<br />

Schmitt ist ganz eingenommen von <strong>de</strong>r Entscheidungsgewalt <strong>de</strong>s Papstes,<br />

zugleich auch von <strong>de</strong>r Homogenität <strong>de</strong>r Gläubigen in <strong>de</strong>r katholischen Kirche,<br />

die sich dieser Entscheidungsgewalt gehorsam fügen. Er hätte allerdings,<br />

bevor er an eine analoge Verwirklichung dieses Vorbil<strong>de</strong>s im weltlichen<br />

Raum dachte, überlegen müssen, welche neuen Bedingungen nun wirksam<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Homogenität <strong>de</strong>r katholischen Gläubigen ist so weit wie <strong>de</strong>r<br />

Weltraum, d.h. wie die ganze Menschheit. Diese Tatsache wird rational nur<br />

faßbar, wenn man die umfassen<strong>de</strong> Weite <strong>de</strong>s Naturrechts kennt, wonach es<br />

einen allgemeinen Konsens gibt, <strong>de</strong>r im Konkreten Verschie<strong>de</strong>nheiten verkraften<br />

kann. Eine Übertragung <strong>de</strong>s katholisch-kirchlich verstan<strong>de</strong>nen Begriffs<br />

<strong>de</strong>r Homogenität auf einen einzelnen Staat wäre nur möglich in <strong>de</strong>r<br />

I<strong>de</strong>ntifizierung von Kirche und Staat. Schmitt wußte genau, daß diese I<strong>de</strong>ntifizierung<br />

verhängnisvoll war und auch nicht mehr möglich ist, ganz abgesehen<br />

davon, daß <strong>de</strong>r katholische Glaube nach katholischem Verständnis so tief<br />

in <strong>de</strong>r menschlichen Natur ansetzt, daß alle ethnischen Unterschie<strong>de</strong> verschwin<strong>de</strong>n.<br />

Nach katholischem Glaubensverständnis ist <strong>de</strong>r Katholik zuerst<br />

Katholik und erst dann national, etwa Deutscher, Franzose, Englän<strong>de</strong>r usw. 36<br />

Schmitt mußte also ein an<strong>de</strong>res homogenes Medium fin<strong>de</strong>n. Das glaubte er<br />

eine Zeitlang in <strong>de</strong>r rassischen Artgleichheit 37<br />

zu ent<strong>de</strong>cken. Dieser Irrtum hat<br />

ihn zu <strong>de</strong>n schaurigsten Äußerungen über die Ju<strong>de</strong>n verführt. Es ist kaum zu<br />

glauben, daß ein Wissenschaftler sich zu solch menschenunwürdigen und<br />

erniedrigen<strong>de</strong>n Schmähungen hinreißen lassen könnte, wie sie sich Schmitt in<br />

seinen in <strong>de</strong>r Tagespresse erschienenen Artikeln und beson<strong>de</strong>rs bei einer<br />

Hochschullehrertagung im Oktober 1936 leistete.<br />

35<br />

Politische Theologie, 19.<br />

36<br />

Vgl. A. F. Utz, Wesen und Sinn <strong>de</strong>s christlichen Ethos. Hei<strong>de</strong>lberg 1942 (beson<strong>de</strong>rs 162-166).<br />

37<br />

Vgl. C. Schmitt, Staat, Bewegung, Volk - Die Dreiglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r politischen Einheit, Hamburg<br />

1935, 32, 42.

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