Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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36 1. Kap.: Die Politik als Objekt der Ethik Das politische Urphänomen: Die Bestimmung von Freund und Feind Innerhalb des Staates gibt es nach Schmitt keine Politik. Wie schon erwähnt, ist die Verwendung des Begriffes politisch innerhalb des Staates nur sekundär, weil der Staat vorausgesetzt wird. Darum stellt Schmitt an den Anfang die These: „Der Begriff des Staates setzt den Begriff des Politischen voraus". 8 Den Begriff des Staates als souveräne Einheit gibt es nämlich erst in der Gegenüberstellung zu einem andern Staat, also auf dem Boden des jus publicum Europaeum." In der Begegnung mit einem andern Souverän geht es im Extremfall (Ausnahmefall) um die Bestimmung von Freund und Feind. Der Staat besitzt „das Monopol des Politischen". 10 Es ist typisch für Schmitt, die Definition eines Begriffes entsprechend dem Extremfall vorzunehmen. Damit kommt man auf sicherem Weg zur schärfsten Formulierung eines Begriffes. Freund und Feind haben mit geistigen, ökonomischen, sozialen etc. Inhalten nichts zu tun. Sie sind als reine Tatsachen zu verstehen, in dem Sinn, daß ein Souverän sich von einem andern unterscheidet und ihn potentiell als Feind betrachten muß. „Feind ist nur eine wenigstens eventuell, d.h. der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht. Feind ist nur der öffentliche Feind, weil alles, was auf eine solche Gesamtheit von Menschen, insbesondere auf ein ganzes Volk Bezug hat, dadurch öffentlich wird"." „Der politische Gegensatz ist der intensivste und äußerste Gegensatz und jede konkrete Gegensätzlichkeit ist um so politischer, je mehr sie sich dem äußersten Punkte, der Freund-Feindgruppierung, nähert. Innerhalb des Staates als einer organisierten politischen Einheit, die als Ganzes für sich die Freund-Feindentscheidung trifft, außerdem neben den primär politischen Entscheidungen und im Schutz der getroffenen Entscheidung ergeben sich zahlreiche sekundäre Begriffe von ,politisch'." 12 Schmitt verwahrt sich gegen den Vorwurf, „als wäre das politische Dasein nichts als blutiger Krieg und jede politische Handlung eine militärische Kampfhandlung, als würde ununterbrochen jedes Volk jedem anderen gegenüber fortwährend vor die Alternative Freund oder Feind gestellt, und könnte das politisch Richtige nicht gerade in der Vermeidung des Krieges liegen. Die hier gegebene Definition des Politischen ist weder bellizistisch oder militaristisch, noch imperialistisch, noch pazifistisch. Sie ist auch kein Versuch, den siegreichen Krieg oder die gelungene Revolution als soziales Ideal' hinzustellen, denn Krieg oder Revolution sind weder etwas ,Soziales' noch etwas ,Ideales'." 13 8 9 10 11 12 13 Der Begriff des Politischen, 13. A.a.O. Der Begriff des Politischen, 23. A.a.O. 29. A.a.O. 30. A.a.O. 33.

II. Die Politische Theologie 37 Das Politische ist, wie man sieht, ein reiner Zustand, der durch die Beziehung zwischen zwei einander gegenüberstehenden Staaten entsteht. Erst aus diesem Blickwinkel werden normative Begriffe zu politischen. „Jeder religiöse, moralische, ökonomische, ethnische oder andere Gegensatz verwandelt sich in einen politischen Gegensatz, wenn er stark genug ist, die Menschen nach Freund und Feind effektiv zu gruppieren. Das Politische liegt nicht im Kampf selbst, der wiederum seine eigenen technischen, psychologischen und militärischen Gesetze hat, sondern, wie gesagt, in einem von dieser realen Möglichkeit bestimmten Verhalten, in der klaren Erkenntnis der eigenen, dadurch bestimmten Situation und in der Aufgabe, Freund und Feind richtig zu unterscheiden." 14 Für die politische Theologie ist dieser rein sachliche, von jeder moralischen Wertung losgelöste Begriff des Politischen als Freund-Feindbeziehung wichtig. „Eine religiöse Gemeinschaft, die als solche Kriege führt, sei es gegen die Angehörigen anderer religiöser Gemeinschaften, sei es sonstige Kriege, ist über die religiöse Gemeinschaft hinaus eine politische Einheit. Sie ist auch dann eine politische Größe, wenn sie nur in negativem Sinne eine Einwirkungsmöglichkeit auf jenen entscheidenden Vorgang hat, wenn sie in der Lage ist, durch ein Verbot an ihre Angehörigen Kriege zu verhindern, d.h. die Feindesqualität eines Gegners maßgebend zu verneinen." 15 C. Schmitt gibt allerdings in seinem Vorwort zu den Ausgaben von 1963 und 1991 einige Mängel des Textes von 1932 zu. „Der Hauptmangel in der Sache liegt darin, daß die verschiedenen Arten des Feindes - konventioneller, wirklicher oder absoluter Feind - nicht deutlich und präzise genug getrennt und unterschieden werden". 16 Er nennt z.B. den Partisanenkrieg 17 , den Kalten Krieg. Diese Undeutlichkeiten spielen aber in unserer Darstellung keine Rolle. Zusammenfassend: Innerhalb des Staates herrscht Friede, basierend auf der Homogenität der Bürgerschaft und zusätzlich erzwungen durch die Angst vor einem möglichen Gegner. Politische Handlungen gibt es darum nicht im Innern des Staates, sondern nur in der Auseinandersetzung mit einem potentiellen Feind. Alle eventuellen innerstaatlichen Querelen können nur in entfernter Analogie, die mehr einer Metapher gleichkommt, als politisch bezeichnet werden. Im Extremfall werden sie durch den Träger der Herrschaftsmacht entschieden. Diese Dezisionsgewalt setzt, wie noch gezeigt wird, logischerweise eine Konzentration der Machtbefugnis in einer Person 14 A.a.O. 37. 15 A.a.O. 37f. 16 A.a.O. 17. 17 Vgl. C. Schmitt, Theorie des Partisanen - Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin 4 1963.

36 1. Kap.: Die Politik als Objekt <strong>de</strong>r Ethik<br />

Das politische Urphänomen: Die Bestimmung von Freund und Feind<br />

Innerhalb <strong>de</strong>s Staates gibt es nach Schmitt keine Politik. Wie schon erwähnt,<br />

ist die Verwendung <strong>de</strong>s Begriffes politisch innerhalb <strong>de</strong>s Staates nur sekundär,<br />

weil <strong>de</strong>r Staat vorausgesetzt wird. Darum stellt Schmitt an <strong>de</strong>n Anfang<br />

die These: „Der Begriff <strong>de</strong>s Staates setzt <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Politischen voraus".<br />

8<br />

Den Begriff <strong>de</strong>s Staates als souveräne Einheit gibt es nämlich erst in<br />

<strong>de</strong>r Gegenüberstellung zu einem an<strong>de</strong>rn Staat, also auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s jus<br />

publicum Europaeum." In <strong>de</strong>r Begegnung mit einem an<strong>de</strong>rn Souverän geht es<br />

im Extremfall (Ausnahmefall) um die Bestimmung von Freund und Feind.<br />

Der Staat besitzt „das Monopol <strong>de</strong>s Politischen". 10<br />

Es ist typisch für Schmitt,<br />

die Definition eines Begriffes entsprechend <strong>de</strong>m Extremfall vorzunehmen.<br />

Damit kommt man auf sicherem Weg zur schärfsten Formulierung eines<br />

Begriffes. Freund und Feind haben mit geistigen, ökonomischen, sozialen<br />

etc. Inhalten nichts zu tun. Sie sind als reine Tatsachen zu verstehen, in <strong>de</strong>m<br />

Sinn, daß ein Souverän sich von einem an<strong>de</strong>rn unterschei<strong>de</strong>t und ihn potentiell<br />

als Feind betrachten muß. „Feind ist nur eine wenigstens eventuell, d.h.<br />

<strong>de</strong>r realen Möglichkeit nach kämpfen<strong>de</strong> Gesamtheit von Menschen, die einer<br />

ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht. Feind ist nur <strong>de</strong>r öffentliche Feind,<br />

weil alles, was auf eine solche Gesamtheit von Menschen, insbeson<strong>de</strong>re auf<br />

ein ganzes Volk Bezug hat, dadurch öffentlich wird"." „Der politische Gegensatz<br />

ist <strong>de</strong>r intensivste und äußerste Gegensatz und je<strong>de</strong> konkrete Gegensätzlichkeit<br />

ist um so politischer, je mehr sie sich <strong>de</strong>m äußersten Punkte, <strong>de</strong>r<br />

Freund-Feindgruppierung, nähert. Innerhalb <strong>de</strong>s Staates als einer organisierten<br />

politischen Einheit, die als Ganzes für sich die Freund-Fein<strong>de</strong>ntscheidung<br />

trifft, außer<strong>de</strong>m neben <strong>de</strong>n primär politischen Entscheidungen und im Sch<strong>utz</strong><br />

<strong>de</strong>r getroffenen Entscheidung ergeben sich zahlreiche sekundäre Begriffe von<br />

,politisch'." 12<br />

Schmitt verwahrt sich gegen <strong>de</strong>n Vorwurf, „als wäre das politische<br />

Dasein nichts als blutiger Krieg und je<strong>de</strong> politische Handlung eine militärische<br />

Kampfhandlung, als wür<strong>de</strong> ununterbrochen je<strong>de</strong>s Volk je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren<br />

gegenüber fortwährend vor die Alternative Freund o<strong>de</strong>r Feind gestellt,<br />

und könnte das politisch Richtige nicht gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Vermeidung <strong>de</strong>s Krieges<br />

liegen. Die hier gegebene Definition <strong>de</strong>s Politischen ist we<strong>de</strong>r bellizistisch<br />

o<strong>de</strong>r militaristisch, noch imperialistisch, noch pazifistisch. Sie ist auch<br />

kein Versuch, <strong>de</strong>n siegreichen Krieg o<strong>de</strong>r die gelungene Revolution als soziales<br />

I<strong>de</strong>al' hinzustellen, <strong>de</strong>nn Krieg o<strong>de</strong>r Revolution sind we<strong>de</strong>r etwas ,Soziales'<br />

noch etwas ,I<strong>de</strong>ales'." 13<br />

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Der Begriff <strong>de</strong>s Politischen, 13.<br />

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Der Begriff <strong>de</strong>s Politischen, 23.<br />

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A.a.O. 33.

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