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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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II. Die Politische Theologie 35<br />

hören die bisher ,neutralen' Gebiete - Religion, Kultur, Bildung, Wirtschaft<br />

- auf,,neutral' im Sinne von nicht-staatlich und nicht-politisch zu sein." 6<br />

Es stimmt zwar, daß in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratisch durchorganisierten Gesellschaft alle<br />

einzelnen gesellschaftlichen Handlungen irgendwie in Beziehung zum Staat<br />

stehen. Doch braucht man dabei nicht gleich an einen totalitären Staat zu<br />

<strong>de</strong>nken. Auch in einer Demokratie kann man Handlungen, die sich auf die<br />

gesellschaftliche o<strong>de</strong>r wirtschaftliche Ordnung beziehen, von jenen Handlungen<br />

unterschei<strong>de</strong>n, welche die statuierte politische Macht in Frage stellen<br />

wollen. Auch <strong>de</strong>r Demokrat anerkennt grundsätzlich die bestehen<strong>de</strong> Herrschaftsmacht<br />

<strong>de</strong>s Staates, wenngleich er ihren Träger (in rechtlich geordneter<br />

Weise) abwählen kann. Darum kann man auch in <strong>de</strong>r Demokratie zwischen<br />

wirtschaftlicher und politischer Handlung unterschei<strong>de</strong>n, z.B. von einem<br />

unpolitischen, weil rein wirtschaftlichen Streik sprechen im Gegensatz zum<br />

politischen Streik, <strong>de</strong>r nicht <strong>de</strong>swegen politisch heißt, weil er etwa die ganze<br />

Gesellschaft berührt (ein zwar manchmal üblicher Gebrauch <strong>de</strong>s Begriffes<br />

politischer Streik), son<strong>de</strong>rn weil er die augenblickliche Herrschaftsmacht <strong>de</strong>s<br />

Staates in Frage stellt und bekämpft.<br />

Unter einem bestimmten Gesichtspunkt versteht man die Gedankenführung<br />

Schmitts, wenn man sich die tiefer liegen<strong>de</strong> Frage stellt, aus welchem Grund<br />

<strong>de</strong>r Bürger in <strong>de</strong>r Demokratie die bestehen<strong>de</strong> Herrschaftsmacht als legitim<br />

anerkennt. Schmitt <strong>de</strong>nkt hier an ein Relikt <strong>de</strong>r christlichen Vorstellung <strong>de</strong>s<br />

Staates, wonach <strong>de</strong>r Herrscher seine Macht von Gottes Gna<strong>de</strong>n erhält. Er<br />

verweist außer<strong>de</strong>m auf M. Webers charismatisch anerkannten Herrscher. Die<br />

Frage <strong>de</strong>r Legitimierung <strong>de</strong>s Herrschers muß aber auf rationalem Weg lösbar<br />

sein, sonst wäre die politische Ethik, die auf rationalem, d.h. naturrechtlichem<br />

Fundament stehen muß, nicht möglich. Diese Frage wird erst im extremen<br />

Fall brisant, in <strong>de</strong>m es sich um einen Tyrannen als Inhaber <strong>de</strong>r Herrschaftsmacht<br />

han<strong>de</strong>lt, gegen <strong>de</strong>n man wehrlos ist. Der Bürger im <strong>Mit</strong>telalter<br />

konnte diesen extremen Fall noch mit naturrechtlichen Überlegungen, die<br />

von einer natürlichen Religion ausgehen, lösen. 7<br />

6<br />

Carl Schmitt, Der Begriff <strong>de</strong>s Politischen, Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien.<br />

3. Auflage <strong>de</strong>r Ausgabe von 1963, Berlin 1991, 23 f.<br />

7<br />

Ich habe die naturrechtliche Lösung dieses Problems behan<strong>de</strong>lt in: Thomas von Aquin, Recht<br />

und Gerechtigkeit, Bonn 1987, 291 f. Dort habe ich nachgewiesen, daß in <strong>de</strong>m hier zur Diskussion<br />

stehen<strong>de</strong>n extremen Fall (Bürgerkrieg, völliges Chaos) <strong>de</strong>r Bürger die effektive Macht anerkennen<br />

muß, aber nicht auf Grund <strong>de</strong>s Rechtspositivismus, son<strong>de</strong>rn mittels <strong>de</strong>s naturrechtlichen<br />

Prinzips, daß in je<strong>de</strong>m Fall Ordnung und Frie<strong>de</strong> herrschen müssen. Das heißt nicht, daß er in <strong>de</strong>n<br />

Dingen, die seine individuelle moralische Entscheidung angehen, seine persönliche Kompetenz<br />

<strong>de</strong>m Staat abtreten darf.

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