Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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32 1. Kap.: Die Politik als Objekt <strong>de</strong>r Ethik<br />
Staatslehre sind säkularisierte theologische Begriffe. Nicht nur ihrer historischen<br />
Entwicklung nach, weil sie aus <strong>de</strong>r Theologie auf die Staatslehre übertragen<br />
wur<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m zum Beispiel <strong>de</strong>r allmächtige Gott zum omnipotenten<br />
Gesetzgeber wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn auch in ihrer systematischen Struktur, <strong>de</strong>ren<br />
Erkenntnis notwendig ist für eine soziologische Betrachtung dieser Begriffe.<br />
Der Ausnahmezustand hat für die Jurispru<strong>de</strong>nz eine analoge Be<strong>de</strong>utung wie<br />
das Wun<strong>de</strong>r für die Theologie. Erst in <strong>de</strong>m Bewußtsein solcher analogen<br />
Stellung läßt sich die Entwicklung erkennen, welche die staatsphilosophischen<br />
I<strong>de</strong>en in <strong>de</strong>n letzten Jahrhun<strong>de</strong>rten genommen haben. Denn die I<strong>de</strong>e<br />
<strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Rechtsstaates setzt sich mit <strong>de</strong>m Deismus durch, mit einer<br />
Theologie und Metaphysik, die das Wun<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Welt verweist und die im<br />
Begriff <strong>de</strong>s Wun<strong>de</strong>rs enthaltene, durch einen unmittelbaren Eingriff eine<br />
Ausnahme statuieren<strong>de</strong> Durchbrechung <strong>de</strong>r Naturgesetze ebenso ablehnt wie<br />
<strong>de</strong>n unmittelbaren Eingriff <strong>de</strong>s Souveräns in die gelten<strong>de</strong> Rechtsordnung. Der<br />
Rationalismus <strong>de</strong>r Aufklärung verwarf <strong>de</strong>n Ausnahmefall in je<strong>de</strong>r Form. Die<br />
theistische Überzeugung <strong>de</strong>r konservativen Schriftsteller <strong>de</strong>r Gegenrevolution<br />
konnte daher versuchen, mit Analogien aus einer theistischen Theologie die<br />
persönliche Souveränität <strong>de</strong>s Monarchen i<strong>de</strong>ologisch zu stützen." 2<br />
Angesichts<br />
dieser Perspektive stellt sich <strong>de</strong>m Ethiker die Frage, ob eine naturrechtliche<br />
Begründung <strong>de</strong>r Politik nicht noch durch die Theologie ergänzt wer<strong>de</strong>n<br />
müßte. C. Schmitt stützt sich zwar in <strong>de</strong>r Hauptsache auf die christlicheuropäische<br />
Entwicklung <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen politischen Begriffe, er will aber<br />
damit die grundsätzliche Aussage verbin<strong>de</strong>n, daß ohne Rückgriff auf die<br />
Theologie eine politische Wissenschaft nur ein Torso ist.<br />
Nun stellt sich aber hierbei die Frage, von welcher Theologie man auszugehen<br />
hat. Auch die naturrechtlich begrün<strong>de</strong>te politische Ethik braucht zur<br />
logischen Geschlossenheit eine Theologie. Sie kann zumin<strong>de</strong>st auf <strong>de</strong>n Begriff<br />
<strong>de</strong>s Schöpfers nicht verzichten, weil ohne Gottesbegriff die <strong>de</strong>m Staat<br />
vorgeordnete Rechtsschöpfung nicht erklärt wer<strong>de</strong>n kann. Der Nachweis <strong>de</strong>r<br />
Herkunft <strong>de</strong>r staatlichen Herrschaftsmacht muß zuerst erbracht wer<strong>de</strong>n. Das<br />
ist auf naturrechtlichem Weg möglich, sofern man <strong>de</strong>n Schöpfergott als letzte<br />
Rechtsbegründung nicht ausschließt. Doch greift C. Schmitt über die natürliche,<br />
d.h. philosophische o<strong>de</strong>r rationale Theologie, die er nicht kennt, hinaus<br />
und bringt Analogien mit <strong>de</strong>r katholischen Kirche ins Spiel, wodurch er in<br />
die Theorie eines autoritären, weltanschaulich, d.h. rassistisch homogenen<br />
Staates abirrte.<br />
Schmitt unterschei<strong>de</strong>t nicht, wenigstens nicht hinsichtlich <strong>de</strong>r katholischen<br />
Theologie, zwischen natürlicher und übernatürlicher (Offenbarungs-) Theo-<br />
2<br />
Carl Schmitt, Politische Theologie, Vier Kapitel zur Lehre von <strong>de</strong>r Souveränität, Berlin 7 1996,<br />
43.