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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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I. Das Wesen <strong>de</strong>r Politik 29<br />

können. Selbst das Recht auf Leben steht in Beziehung zum Gemeinwohl, so<br />

daß ein Schwerstverbrecher an sich sein Recht auf Integration in die Gesellschaft<br />

verwirkt hat, wenngleich aufgrund <strong>de</strong>r Unsicherheit menschlicher<br />

Gerichtsbarkeit die To<strong>de</strong>sstrafe heute in vielen zivilisierten Staaten abgeschafft<br />

ist.<br />

Solche analog anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Normen erfor<strong>de</strong>rn gründliches Über<strong>de</strong>nken,<br />

wie sie am besten konkretisiert wer<strong>de</strong>n. Dazu ist ein genaues Studium <strong>de</strong>r<br />

konkreten, empirischen Sachlage vonnöten. All diese <strong>de</strong>taillierten Untersuchungen<br />

verlangen Umsicht und Weitsicht, damit man zu einem logisch<br />

gesicherten Ermessensurteil und damit zu einer konkreten Formulierung <strong>de</strong>s<br />

Naturgesetzes gelangt. <strong>Teil</strong>weise leistet hier die empirische Politikwissenschaft<br />

gute Dienste.<br />

Diese gesamte intellektuelle Aufgabe hat die Klugheit zu übernehmen. Sie ist<br />

eine intellektuelle Tugend, die zugleich moralischen Charakter hat, weil sie<br />

getragen ist vom festen Willen, das Gemeinwohl anzustreben. Dieser moralische<br />

Wille ist fundamental für <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r konkreten Praxis zugewandten Intellekt,<br />

<strong>de</strong>n Thomas von Aquin mit <strong>de</strong>m inhaltsreichen Namen „recta ratio"<br />

(korrekte Vernunft) bezeichnet. Der Aquinate gebraucht diesen Begriff zu<br />

unzähligen Malen im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Erklärung <strong>de</strong>r konkret praktischen<br />

Vernunft. Außerhalb <strong>de</strong>r Intention auf das Gemeinwohl als Endziel<br />

gibt es auf <strong>de</strong>r sozialen und politischen Ebene keine ratio recta. In diesem<br />

Begriff ist das Naturrecht als Vernunftrecht verankert.<br />

Die politische<br />

Klugheit<br />

Thomas von Aquin unterschei<strong>de</strong>t nun mit Aristoteles die verschie<strong>de</strong>nen Arten<br />

<strong>de</strong>r Klugheit je nach ihrem Objekt. Zunächst hat je<strong>de</strong>r Mensch sein Leben in<br />

Klugheit zu programmieren (pru<strong>de</strong>ntia individualis). Das Staatsoberhaupt hat<br />

das Gemeinwohl (pru<strong>de</strong>ntia politica), <strong>de</strong>r Familienvater das Wohl <strong>de</strong>r Familie<br />

(pru<strong>de</strong>ntia oeconomica) zu besorgen usw.<br />

Uns interessiert hier einzig die politische Klugheit. Es war im <strong>Mit</strong>telalter<br />

selbstverständlich, daß man hierbei zuerst an <strong>de</strong>n Fürsten dachte und ihn an<br />

seine Sorgfaltspflicht erinnerte. Seine politische Klugheit wur<strong>de</strong> als pru<strong>de</strong>ntia<br />

regnativa bezeichnet." Thomas von Aquin sah aber auch im Untertan eine<br />

<strong>Teil</strong>habe an <strong>de</strong>r politischen Klugheit, da <strong>de</strong>r Bürger seine Gehorsamspflicht<br />

sorgfältig zu überlegen habe. 14<br />

13<br />

14<br />

S.Theol. 11-1150,1.<br />

S.Theol. II-II 50,2.

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