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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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28 1. Kap.: Die Politik als Objekt <strong>de</strong>r Ethik<br />

Die Klugheit als zugleich intellektuelle wie moralische Tugend im Dienst <strong>de</strong>r<br />

Konkretisierung allgemeiner naturrechtlicher Normen<br />

Um <strong>de</strong>n systematischen Ort dieses grundlegen<strong>de</strong>n Traktates aufzeigen zu<br />

können, müssen wir <strong>de</strong>n naturrechtlich logischen Prozeß in Erinnerung rufen,<br />

<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Prinzipien zu <strong>de</strong>m jeweils konkreten Objekt führt. Das Naturrecht<br />

erschöpft sich nämlich nicht, wie vor allem die Juristen glauben, in<br />

allgemeinen Prinzipien o<strong>de</strong>r Wertfor<strong>de</strong>rungen. Gemäß <strong>de</strong>r klassischen Naturrechtslehre,<br />

<strong>de</strong>ren vornehmster Vertreter Thomas von Aquin ist, reicht das<br />

Naturrecht bis zur konkreten Objektsbestimmung. Es verliert damit selbstverständlich<br />

an allgemeiner Geltung.<br />

Die Juristen kennen <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Ermessens als logisches Instrument, um<br />

ein allgemeines Gesetz für einen bestimmten Einzelfall auszulegen. Wenn<br />

das Verkehrsrecht als oberste Regel anordnet, daß sich je<strong>de</strong>r Verkehrsteilnehmer<br />

so verhalten müsse, daß er <strong>de</strong>n flüssigen Ablauf <strong>de</strong>s Verkehrs nicht<br />

stört, dann läßt sich im einzelnen Fall nur nach <strong>de</strong>m klugem Ermessen bestimmen,<br />

wer das Vorrecht hat. Die Klugheit besteht darin, die „Natur <strong>de</strong>r<br />

Sache" genau zu analysieren und <strong>de</strong>mgemäß im Einzelfall zu entschei<strong>de</strong>n.<br />

Die Natur <strong>de</strong>r Sache bestimmt in diesem Fall das natürliche Recht. Das ist<br />

just <strong>de</strong>r Gedankengang naturrechtlichen Vorgehens <strong>de</strong>r klassischen Naturrechtslehre.<br />

Dieses Vorgehen <strong>de</strong>s Richters ist rational, es muß darum auch<br />

von einem an<strong>de</strong>rn nachvollziehbar sein. Stillschweigend supponiert <strong>de</strong>r<br />

Richter, daß er nach einer allgemeingültigen Logik verfährt. Genau das<br />

nimmt auch <strong>de</strong>r Nachturrechtler an, weswegen er vom Naturrecht spricht.<br />

Naturrecht ist jenes Recht, das <strong>de</strong>m Sachverhalt entspricht. Der Naturrechtler<br />

geht nur von einer an<strong>de</strong>rn allgemeinen Norm aus als <strong>de</strong>r Jurist, <strong>de</strong>r als einzigen<br />

Ausgangspunkt das positive Gesetz anerkennt. Hier liegt <strong>de</strong>r nicht zu<br />

unterschätzen<strong>de</strong> Unterschied.<br />

Die allgemeine Norm <strong>de</strong>s Naturrechts ist die soziale Natur <strong>de</strong>s Menschen,<br />

von <strong>de</strong>r abgelesen wird, welche Rechte <strong>de</strong>m einzelnen allgemein zustehen,<br />

z.B. sein Recht auf Existenz, auf menschenwürdige Integration in das Gemeinwohl<br />

etc. Aus diesem Grund kann <strong>de</strong>r einzelne, <strong>de</strong>r überzeugt ist, daß<br />

ein bestimmtes positives Gesetz gegen die naturrechtliche Norm verstößt,<br />

unter Berufung auf die Gewissensfreiheit Wi<strong>de</strong>rstand leisten. 12<br />

Nun sind allerdings nur wenige naturrechtliche Normen nicht bedingungslos<br />

auf einen konkreten Sachverhalt anzuwen<strong>de</strong>n. Nur die univok formulierbaren<br />

Normen genießen diesen Vorteil, wie z.B. die Ehe, während an<strong>de</strong>re nur in<br />

Beziehung zum Gemeinwohl je nach konkreten Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n<br />

Siehe unten: „Recht auf Wi<strong>de</strong>rstand?".

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