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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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180 6. Kap.: Die politische Krise<br />

re Frau sich vor die Alternative gestellt sieht, sich für ihr eigenes Leben o<strong>de</strong>r<br />

das <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zu entschei<strong>de</strong>n, kann nach <strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s Gesetzgebers das<br />

Leben <strong>de</strong>r Mutter höher eingeschätzt wer<strong>de</strong>n als das <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Da <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />

jedoch das durch die Verfassung garantierte Lebensrecht <strong>de</strong>s ungeborenen<br />

Kin<strong>de</strong>s nicht aufheben kann - abgesehen von <strong>de</strong>n Verfassungen, die<br />

das Recht auf Leben erst für das geborene Kind vorsehen - , muß er ein juristisches<br />

Schlupfloch fin<strong>de</strong>n, um seine Genehmigung zur Abtreibung zu tarnen.<br />

Dieses Schlupfloch heißt Straflosigkeit <strong>de</strong>r Abtreibung in bestimmten<br />

Fällen.<br />

Allerdings enthält diese Manipulation immer noch einen Wi<strong>de</strong>rspruch, nämlich<br />

die Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeit <strong>de</strong>s Begriffes „staatliches Gesetz mit Zusicherung<br />

<strong>de</strong>r Straflosigkeit". Das Gesetz ist <strong>de</strong>finitionsgemäß eine wirksame<br />

soziale Norm. Die Wirksamkeit ist beim staatlichen Gesetz durch die Strafgewalt<br />

<strong>de</strong>s Staates gesichert. Der Staat kann daher nicht ein absolut gelten<strong>de</strong>s<br />

Gesetz statuieren und im vorhinein erklären, es verpflichte in bestimmten<br />

Fällen nicht unter Strafe. Das kann er auch dann nicht, wenn er annimmt o<strong>de</strong>r<br />

weiß, daß in <strong>de</strong>n meisten Fällen Grün<strong>de</strong> vorliegen, die Strafe zu mil<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r<br />

sogar ganz auszusetzen. Das absolute Recht auf Leben stammt aus <strong>de</strong>m Naturrecht,<br />

es ist also <strong>de</strong>r Staatsmacht vorgelagert und von dieser in <strong>de</strong>r Menschenrechtskonvention<br />

mitübernommen wor<strong>de</strong>n. Der Staat muß die Konsequenz<br />

mitbejahen, d.h. die Strafe mit <strong>de</strong>m Gesetz verbin<strong>de</strong>n. Der Gesetzgeber<br />

kann nicht im vorhinein <strong>de</strong>njenigen als straffrei erklären, <strong>de</strong>r beispielsweise<br />

in einer Situation <strong>de</strong>r Panik <strong>de</strong>n <strong>Mit</strong>menschen nie<strong>de</strong>rtrampelt o<strong>de</strong>r ihn auf<br />

einem schmalen Steg ins Meer stößt, um sein eigenes Lebensrecht zu behaupten.<br />

Diese Überlegungen gehören in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Strafbemessung.<br />

Dem staatlichen Gesetzgeber ist es also nicht gelungen, <strong>de</strong>n naturrechtlichen,<br />

nämlich vorstaatlichen Begriff <strong>de</strong>r Menschenrechte logisch in sein Rechtssystem<br />

einzubauen.<br />

2. Religionsgemeinschaften als Hüter absoluter Gesetzesnormen<br />

Der Begriff eines absolut gelten<strong>de</strong>n, vorstaatlichen Rechts ist im vollen Inhalt<br />

nur noch in Religionsgemeinschaften erhalten geblieben. Diese Tatsache<br />

scheint die Vertreter <strong>de</strong>r empirisch eingestellten Politikwissenschaft wie auch<br />

<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Rechtsphilosophie zu bestätigen, die die metaphysische Erkenntnis<br />

als nicht rational mit <strong>de</strong>r religiös begrün<strong>de</strong>ten Weltanschauung in<br />

eins setzen und darum wegen <strong>de</strong>s Fundamentalismusverdachts für die Politik<br />

ablehnen. Zwar stimmt, von <strong>de</strong>r weltanschaulich und moralisch neutralen<br />

Demokratie aus betrachtet, die von <strong>de</strong>n Empirikern zugrun<strong>de</strong>gelegte Begriffsbestimmung<br />

<strong>de</strong>s politischen Fundamentalismus als einer rational nicht<br />

mehr begründbaren Politik. Bevor man aber eine Religionsgemeinschaft

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