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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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II. Der gerechte Krieg 173<br />

gentlichen Kriegsfall? Thomas von Aquin versteht in S.Theol. II-II 40,1 die<br />

Verhältnismäßigkeit <strong>de</strong>r Abwehr im Krieg in einem völlig an<strong>de</strong>ren Sinn als<br />

in <strong>de</strong>r privaten Auseinan<strong>de</strong>rsetzung, die er in II-II 64,7 behan<strong>de</strong>lt. Im Fall <strong>de</strong>s<br />

Krieges han<strong>de</strong>lt es sich nicht nur um die Abwehr eines Angriffs, son<strong>de</strong>rn<br />

auch um die Frage, ob sich <strong>de</strong>r Staat, <strong>de</strong>m von einem an<strong>de</strong>rn Staat irgen<strong>de</strong>in<br />

Unrecht zugefügt wor<strong>de</strong>n ist, für berechtigt erklären kann, in <strong>de</strong>r Form eines<br />

Angriffs <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn Staat zu strafen. Thomas von Aquin nimmt dies je<strong>de</strong>nfalls<br />

an <strong>de</strong>r genannten Stelle an, was sein Kommentator Cajetan mit Nachdruck<br />

unterstreicht. Die Ungerechtigkeit muß gesühnt wer<strong>de</strong>n, was nichts zu<br />

tun hat mit subjektiver Rachsucht. Im privaten Bereich hat das Gericht darüber<br />

zu entschei<strong>de</strong>n. Hinsichtlich <strong>de</strong>r Beziehung zwischen Staaten obliegt das<br />

Urteil, wie Thomas erklärt, <strong>de</strong>m Träger <strong>de</strong>r autonomen Staatsgewalt. An<br />

einen internationalen Gerichtshof, <strong>de</strong>r eine solche Strafe aussprechen könnte,<br />

war nicht zu <strong>de</strong>nken. In diesem Sinn besteht er selbst in <strong>de</strong>r heutigen UNO<br />

noch nicht, obwohl <strong>de</strong>r Internationale Strafgerichtshof gewisse im Krieg<br />

begangene Menschenrechtsverletzungen zu seinem Tätigkeitsbereich zählt. 8<br />

Es bleibt somit als Instanz <strong>de</strong>r Strafverhängung gegen einen Angreifer nur<br />

<strong>de</strong>r Staat, <strong>de</strong>m Unrecht geschehen ist. Er hat sich allerdings an das Gebot <strong>de</strong>r<br />

Verhältnismäßigkeit zu halten. Doch ist dies nicht mehr jene Verhältnismäßigkeit,<br />

von <strong>de</strong>r bezüglich <strong>de</strong>r privaten Verteidigung die Re<strong>de</strong> war.<br />

Dieser Gedanke <strong>de</strong>r mittelalterlichen Theologen hat heute seine Brisanz hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>s Wirtschaftskrieges, <strong>de</strong>r zwischen zwei Staaten ausgefochten<br />

wird. Es sei als Beispiel auf die Boykottdrohung <strong>de</strong>r USA an die Adresse <strong>de</strong>r<br />

Europäischen Union, weil diese die Einfuhr von bestimmten Produkten <strong>de</strong>r<br />

USA-Landwirtschaft sperrt, hingewiesen. De facto haben die USA ihre<br />

landwirtschaftliche Produktion <strong>de</strong>rart aufgebläht, daß sie Absatz dafür nur<br />

noch auf <strong>de</strong>m Weg wirtschaftlicher Gewalt fin<strong>de</strong>n können. Nach <strong>de</strong>r Lehre<br />

<strong>de</strong>r mittelalterlichen Theologen hat die Europäische Union das Recht zum<br />

Gegenangriff.<br />

Francisco <strong>de</strong> Vitoria (f 1546) hat für seine Zeit im Hinblick auf das Verhältnis<br />

<strong>de</strong>r Spanier zu <strong>de</strong>n Indianern die Erweiterung <strong>de</strong>r Verteidigung in <strong>de</strong>n<br />

Angriff weiter ausgebaut. Er war aber nicht, wie H.-G. Justenhoven meinte,<br />

<strong>de</strong>r Erstautor dieser Erweiterung. 9<br />

Cajetan (t 1534) hat in seinem 1517 vollen<strong>de</strong>ten<br />

Thomaskommentar die Grün<strong>de</strong> genau angegeben, welche nach Thomas<br />

(II-II 40,1) eine solche Erweiterung erfor<strong>de</strong>rten.<br />

Während Thomas die Sühneaktion <strong>de</strong>s Angriffskrieges nur von <strong>de</strong>r unrechtmäßigen<br />

Provokation aus betrachtete, geht nun Vitoria <strong>de</strong>r Frage nach, ob<br />

8<br />

Vgl. Otto Triffterer. Gewalt und Völkerrecht, Ein neues Gewaltmonopol zur Bekämpfung von<br />

Gewalt? In: J.J. Hagen, P. Ma<strong>de</strong>r, Hrsg.: Gewalt und Recht. Frankfurt/M 1997, 147-209.<br />

9<br />

Heinz-Gerhard Justenhoven, Francisco <strong>de</strong> Vitoria zu Krieg und Frie<strong>de</strong>n, Köln 1991, 125. Vgl.<br />

hierzu meine Besprechung in: Die Ethik <strong>de</strong>s Gemeinwohls, Pa<strong>de</strong>rborn 1998, 591-593.

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