Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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172 5. Kap.: Der Krieg<br />
Verhältnismäßigkeit zum Rechtsbruch nicht eingehalten hat. Dennoch ist es<br />
heute, wo die meisten Diebe, die jeman<strong>de</strong>n überfallen, mit einer Schußwaffe<br />
bewaffnet sind, schwer, das Gebot <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit genau einzuhalten.<br />
Auf je<strong>de</strong>n Fall hat <strong>de</strong>r Privatmann, <strong>de</strong>r überfallen wird, keine rechtliche<br />
Gewalt, <strong>de</strong>n Verbrecher seinen Rechtsbruch fühlen zu lassen, d.h. das Unrecht<br />
zu rächen. Darüber hat das Strafgericht zu entschei<strong>de</strong>n. Der angegriffene<br />
Privatmann hat keine Strafgewalt.<br />
2. Die Rechtslage im Verhältnis eines Rechtsbrechers zu seinem Staat. —<br />
Wenn es sich um die Beziehung eines Rechtsbrechers zu seinem Staat han<strong>de</strong>lt,<br />
ergibt sich eine ganz an<strong>de</strong>re Rechtslage. Die staatliche Autorität ist<br />
Hüterin <strong>de</strong>r Rechtsordnung. Sie hat darum die Pflicht, einen Rechtsbruch zu<br />
ahn<strong>de</strong>n, dies um <strong>de</strong>r Gemeinwohlgerechtigkeit willen. Sie ist außer<strong>de</strong>m gehalten,<br />
<strong>de</strong>n Rechtsbrecher von weiteren Rechtsbrüchen abzuschrecken. Diese<br />
doppelte Pflicht erfüllt sie durch die Verhängung <strong>de</strong>r Strafe, die sowohl <strong>de</strong>n<br />
Zweck <strong>de</strong>r Sühne wie <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Abschreckung hat. Inwieweit die Strafe diesen<br />
zweiten Effekt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Abschreckung, auch heute noch hat, wird verschie<strong>de</strong>n<br />
beurteilt. Der Staat hat an sich auch das Recht, je nach <strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>s<br />
Rechtsbruchs die To<strong>de</strong>sstrafe zu verhängen. Im Unterschied zur Privatperson<br />
kann er darum <strong>de</strong>n Tod eines schuldigen Menschen direkt wollen, sofern es<br />
sich, wie gesagt, um die Wahrung <strong>de</strong>s Gemeinwohls han<strong>de</strong>lt. Daß wir heute<br />
die To<strong>de</strong>sstrafe verwerfen, hat <strong>de</strong>n Grund nicht in <strong>de</strong>r Annahme, daß <strong>de</strong>r<br />
Staat keine Kompetenz zur Verhängung <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstrafe hätte, son<strong>de</strong>rn in<br />
<strong>de</strong>m Umstand, daß die To<strong>de</strong>sstrafe erfahrungsgemäß kein <strong>Mit</strong>tel <strong>de</strong>r Abschreckung<br />
ist und daß ein Fehlurteil, das immer zu befürchten ist, unter allen<br />
Umstän<strong>de</strong>n vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muß. Außer<strong>de</strong>m ist zu be<strong>de</strong>nken, daß das<br />
Gemeinwohl, um <strong>de</strong>ssentwegen die staatliche Autorität die Kompetenz besitzt,<br />
die To<strong>de</strong>sstrafe zu verhängen, von <strong>de</strong>r Ethik aus betrachtet, das wahre<br />
Gemeinwohl sein muß. Kein Träger <strong>de</strong>r hoheitlichen Staatsautorität kann mit<br />
absoluter Gewißheit behaupten, das wahre Gemeinwohl zu vertreten. Zu<br />
einem To<strong>de</strong>surteil wäre aber eine solche Gewißheit notwendig. Die alten<br />
Philosophen wie auch die mittelalterlichen Theologen, einschließlich Thomas<br />
von Aquin, haben sich offenbar noch nicht darüber Rechenschaft gegeben,<br />
daß die Begründung <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstrafe auf einem höchst abstrakten Begriff <strong>de</strong>s<br />
Gemeinwohls aufruht. Doch abgesehen von <strong>de</strong>r schwachen strafrechtlichen<br />
Begründung <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstrafe, bleibt die Ansicht <strong>de</strong>s Thomas von Aquin, daß<br />
ein staatlicher Gewaltträger um <strong>de</strong>s Gemeinwohls willen ethisch legitimiert<br />
ist zur direkten Tötung eines Rechtsbrechers. Auf die unvermeidlichen Probleme,<br />
die aus dieser These in <strong>de</strong>r praktischen Wirklichkeit, entstehen, soll<br />
hier nicht eingegangen wer<strong>de</strong>n. Sie sind innerhalb <strong>de</strong>s Themas „Wi<strong>de</strong>rstand"<br />
zu behan<strong>de</strong>ln.<br />
3. Die Rechtslage zwischen zwei Staaten. - Wie verhält es sich nun mit <strong>de</strong>r<br />
Verteidigung eines Staates gegen einen äußeren Gegner, also mit <strong>de</strong>m ei-