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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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II. Der gerechte Krieg 171<br />

am Schluß <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Verteidigung in die Nähe <strong>de</strong>s Angriffskrieges<br />

kommt?<br />

Bei Thomas von Aquin fin<strong>de</strong>n sich nur die allgemeinen Prinzipien, die sich<br />

direkt auf die Rechtfertigung <strong>de</strong>s Krieges beziehen. 6<br />

Die Entfaltung <strong>de</strong>r von<br />

ihm genannten Bedingungen <strong>de</strong>s gerechten Krieges besorgte Vitoria sehr<br />

eingehend. Da <strong>de</strong>r Krieg seine erste Rechtfertigung in <strong>de</strong>r Abwehr gegen<br />

einen Angreifer fin<strong>de</strong>t, lag es nahe, die Lehre vom gerechten Krieg in Analogie<br />

und im Unterschied zur privaten Verteidigung zu behan<strong>de</strong>ln. Aus diesem<br />

Grund haben die Autoren mit <strong>de</strong>r gewaltsamen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung zwischen<br />

zwei Privatpersonen begonnen, um die eigenen Merkmale <strong>de</strong>s Krieges als<br />

Verteidigung eines Staates gegen einen Angreifer kenntlich zu machen. 7<br />

I. Die private Verteidigung - Nach Thomas von Aquin han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>r<br />

Verteidigung einer Privatperson und <strong>de</strong>r Verteidigung <strong>de</strong>s Staates um zwei<br />

grundverschie<strong>de</strong>ne Wertmaßstäbe, wenngleich es sich in bei<strong>de</strong>n Fällen um<br />

einen Notstand han<strong>de</strong>lt. Wenn ein Privatmann angegriffen wird, kann er sich<br />

zwar verteidigen, er darf aber in keiner Weise <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s Gegners direkt<br />

intendieren. Entsprechend <strong>de</strong>n Dekretalen Gregors IX. gilt die Regel: „Vim<br />

vi repellere licet cum mo<strong>de</strong>ramine inculpatae tutelae" - „Gewalt mit Gewalt<br />

zurückzuschlagen ist unter Wahrung <strong>de</strong>r verhältnismäßig abgewogenen<br />

schuldfreien Abwehr gestattet". Bei <strong>de</strong>r Abwehr muß also die Verhältnismäßigkeit<br />

streng beachtet wer<strong>de</strong>n. Wie Thomas (S.Theol. II-II 64,7) dazu<br />

erklärt, darf keine direkte Absicht zur Tötung bestehen. Die Tötung könne<br />

also nur als indirekte, nicht gewollte Folge in Kauf genommen wer<strong>de</strong>n. Diese<br />

Regel gilt auch heute noch in <strong>de</strong>r Rechtspraxis, selbst für die Polizisten. Darum<br />

die Beschwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Bevölkerung, wenn ein Polizist in <strong>de</strong>r Abwehr die<br />

6<br />

Vgl. S.Theol. II-II 40,1; 66,8 ad 1: 71,3 ad 3; 123,5.<br />

7<br />

Vgl. Francisco <strong>de</strong> Vitoria, De jure belli, Quaestio secunda, Secunda propositio, in: Francisco<br />

<strong>de</strong> Vitoria, Vorlesungen II (Relectiones), hrsg. von U. Horst, H.-G. Justenhoven, J. Stuben,<br />

Stuttgart 1997, 550 f.: „Quaelibet res publica habet auctoritatem indicendi et inferendi bellum.<br />

Pro probatione est notandum, quod differentia est quantum ad hoc inter hominem privatum et<br />

rem publicam. Quia privata persona habet qui<strong>de</strong>m ius <strong>de</strong>fen<strong>de</strong>ndi se et sua, ut dictum est, sed<br />

non habet ius vindicandi iniurias, immo nec repetundi ex intervallo temporis res ablatas. Sed<br />

<strong>de</strong>fensio oportet, ut fiat in praesenti, quod iurisconsulti dicunt in continenti. Un<strong>de</strong> transacta<br />

necessitate <strong>de</strong>fensionis cessat causa belli. Credo tarnen, quod per iniuriam percussus posset<br />

statim repercutere, etiam si invasor non <strong>de</strong>beret ultra progredi." (Je<strong>de</strong>r Staat hat die Befugnis,<br />

einen Krieg zu erklären und zu beginnen. Für <strong>de</strong>n Beweis ist zu beachten, daß hierbei ein Unterschied<br />

zwischen einer Privatperson und <strong>de</strong>m Staat besteht. Denn eine Privatperson verfügt zwar,<br />

wie gesagt, über das Recht, sich und ihr Eigentum zu verteidigen, aber sie verfügt nicht über das<br />

Recht, ein Unrecht zu ahn<strong>de</strong>n, ja nicht einmal über das Recht, geraubte Güter nach einem gewissen<br />

Zeitraum zurückzuholen. Die Verteidigung muß vielmehr an Ort und Stelle geschehen, was<br />

die Rechtskundigen mit „sofort" (in continenti) bezeichnen. Daher wird <strong>de</strong>r Grund für einen<br />

Krieg hinfällig, sobald keine Notwendigkeit zur Verteidigung mehr besteht. Ich glaube aber, daß<br />

einer, <strong>de</strong>m ein Unrecht zugefügt wur<strong>de</strong>, auch dann sofort zurückschlagen könnte, wenn nicht zu<br />

erwarten wäre, daß <strong>de</strong>r Angreifer noch weiteres unternehmen wür<strong>de</strong>.)

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