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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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160 4. Kap.: Die Bürgerrechte<br />

zivilen Ungehorsams (Rechtsverletzung) zwar illegal, er kann aber moralisch<br />

legitim sein. Ein solcher Akt zielt nicht auf die Aushöhlung und Untergrabung<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratischen Ordnung, son<strong>de</strong>rn auf ihre Erhaltung und För<strong>de</strong>rung.<br />

In einem solchen Akt zivilen Ungehorsams spiegelt sich das moralische<br />

Urteil wi<strong>de</strong>r, daß es gerechtfertigt sein kann, die Gesellschaft durch einen<br />

verschärften Wi<strong>de</strong>rspruch auf einen sonst nicht zu beheben<strong>de</strong>n Mißstand<br />

aufmerksam zu machen. Die Ernsthaftigkeit <strong>de</strong>r Überzeugung und <strong>de</strong>s verfolgten<br />

Anliegens wird dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die für <strong>de</strong>n<br />

begangenen Gesetzesungehorsam auferlegten Sanktionen in Kauf genommen<br />

wer<strong>de</strong>n".<br />

Der Wi<strong>de</strong>rstand gegen die Regierung<br />

Wir sprechen hier nicht vom Recht auf Revolution (seditio), die <strong>de</strong>m Bürgerkrieg<br />

gleichzustellen ist, son<strong>de</strong>rn vom organisierten Wi<strong>de</strong>rstand gegen die<br />

Regierung in <strong>de</strong>r Absicht, sie abzusetzen. Dieses Vorgehen kann passiv und<br />

aktiv bewerkstelligt wer<strong>de</strong>n, passiv durch einen Generalstreik, mit <strong>de</strong>m die<br />

Regierung lahmgelegt wird, aktiv durch einen direkten Gewaltakt gegen die<br />

bestehen<strong>de</strong> Autorität. Unter die letztgenannte Form <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s fällt die<br />

im <strong>Mit</strong>telalter und beson<strong>de</strong>rs im 16. und im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt diskutierte Tötung<br />

(occisio) eines Tyrannen. In <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschsprachigen Literatur wird<br />

durchwegs von Tyrannenmord gesprochen. Doch dieser Terminus ist nur auf<br />

die Tötung aus persönlichen, rachsüchtigen Motiven anwendbar. In <strong>de</strong>r ethischen<br />

Diskussion über das Recht <strong>de</strong>r Beseitigung <strong>de</strong>s Herrschers ging es um<br />

die Frage, wer nach <strong>de</strong>m Naturrecht zu einer solchen Handlung bevollmächtigt<br />

sei, und unter welchen Bedingungen. Thomas von Aquin hat dieses Recht<br />

<strong>de</strong>r Tötung je<strong>de</strong>m Bürger zugestan<strong>de</strong>n, natürlich unter Wahrung <strong>de</strong>r noch zu<br />

nennen<strong>de</strong>n Bedingung. 4<br />

Er hat gewaltsamen Wi<strong>de</strong>rstand gegen einen Tyrannen<br />

als Abwehrrecht betrachtet im Hinblick auf manifeste Verstöße gegen<br />

das Gemeinwohl. Da das Gemeinwohl <strong>de</strong>r staatlichen Autorität vorgeordnet<br />

ist, hat <strong>de</strong>r tyrannisch regieren<strong>de</strong> Herrscher sein Recht durch Mißbrauch<br />

verwirkt. Er ist <strong>de</strong>r Räuber, gegen <strong>de</strong>n man sich wehren muß (II-II 69,4). Der<br />

Usurpator gilt an sich als Dieb, jedoch sollte man sich ihm unterordnen, wenn<br />

er für das Gemeinwohl besorgt ist (II Sent. 44,2,2). Die Vertreter <strong>de</strong>s Naturrechts<br />

stellten insgesamt als Bedingung <strong>de</strong>s gewaltsamen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s, daß<br />

sichere Aussicht auf sein Gelingen und auf Besserung <strong>de</strong>r sozialen Verhältnisse<br />

besteht. Thomas von Aquin hat bei aller Anerkennung <strong>de</strong>r Tyrannentötung<br />

geraten, die Schä<strong>de</strong>n, die bei diesem Unternehmen sehr wahrscheinlich<br />

sind, zu über<strong>de</strong>nken, weil es unter Umstän<strong>de</strong>n besser sei, eine Tyrannenherr-<br />

4<br />

Zum Thema Tyrannentötung bei Thomas von Aquin vgl. II. Sent., d. 44, q, 2, a. 2; II-II 42.2 ad<br />

3; II-II 69,4; De Regimine Principum, Lib. 1, c. VII (Marietti-Ausgabe c. VI).

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