Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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154 4. Kap.: Die Bürgerrechte<br />
Unter <strong>de</strong>n humanitären und karitativen Organisationen fühlen sich beson<strong>de</strong>rs<br />
die christlichen Kirchen dazu berufen, gegen Beschränkungen <strong>de</strong>s Asylrechts<br />
zu protestieren. Sie berufen sich auf die Bibel, gemäß <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r in Not geratene<br />
Mensch unser Nächster ist, <strong>de</strong>m wir <strong>Mit</strong>gefühl und Hilfe beweisen müssen.<br />
Sie kommen damit auf <strong>de</strong>n Ursprung <strong>de</strong>s Asylrechts zurück, wonach<br />
je<strong>de</strong>r Verfolgte im sakralen Raum seine sichere Zuflucht fin<strong>de</strong>t. Die Institution<br />
<strong>de</strong>s Kirchenasyls hatte ihre Be<strong>de</strong>utung in <strong>de</strong>r Zeit, da es noch kein staatlich<br />
geregeltes Asylrecht gab.<br />
Diese Einstellung <strong>de</strong>r humanitären Verbän<strong>de</strong> ist durchaus verständlich. Ihre<br />
Aufgabe ist es, in je<strong>de</strong>m einzelnen Fall zu helfen und nicht zu richten.<br />
Ein typischer Fall solchen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s hat sich 1997 in Dinklage<br />
(Deutschland) ereignet, wo die Polizei eine von <strong>de</strong>n Benediktinerinnen mit<br />
<strong>de</strong>r Berufung auf „das kirchliche Asylrecht" beherbergte ukrainische Familie<br />
festgenommen hatte. Die Or<strong>de</strong>nsschwestern konnten sich auf das gemeinsame<br />
Wort <strong>de</strong>r Kirchen Deutschlands vom 4. Juli 1997 „Gemeinsames Wort zu<br />
<strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen durch Migration und Flucht" berufen, das, wenngleich<br />
<strong>de</strong>n Ausdruck „Kirchenasyl" vermei<strong>de</strong>nd, <strong>de</strong>nnoch sachlich die Aktion<br />
<strong>de</strong>s Kirchenasyls als „verständlich und auch legitim" erklärte, „wenn Kirchengemein<strong>de</strong>n<br />
in bestimmten Einzelfällen nach gewissenhafter Prüfung zu<br />
<strong>de</strong>m Ergebnis gelangen, sich schützend vor einen Menschen stellen zu müssen,<br />
um zu vermei<strong>de</strong>n, daß ihm <strong>de</strong>r ihm zustehen<strong>de</strong> Grundrechtssch<strong>utz</strong> versagt<br />
wird". Die Rechtmäßigkeit einer solchen Aktion wird begrün<strong>de</strong>t durch<br />
<strong>de</strong>n Hinweis auf das vom Staat anerkannte Ziel <strong>de</strong>r Kirche, d.h. ihre Liebestätigkeit<br />
zugunsten von Armen und Verfolgten. Damit stützt sich die Kirchengemein<strong>de</strong><br />
nicht nur auf das allgemein anerkannte Recht auf ein Han<strong>de</strong>ln<br />
gemäß <strong>de</strong>m Gewissen, son<strong>de</strong>rn zusätzlich auch auf ihre eigene Kompetenz<br />
zur Entscheidung, worin ihre Liebestätigkeit zu bestehen hat.<br />
Die Kirche wird in eine peinliche Situation hineinmanövriert, wenn Überzeugungstäter<br />
durch gewaltsame Asylnahme vatikanische Botschaften besetzen.<br />
Einerseits muß die Kirche ihre Pflicht zur Nächstenliebe und zum humanitären<br />
Beistand erfüllen, an<strong>de</strong>rerseits verstößt sie gegen die öffentliche Ordnung.<br />
Man muß die Dinge konkret sehen. Die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland beherbergt<br />
mehr Asylanten als alle an<strong>de</strong>rn Staaten <strong>de</strong>r EU zusammen. Hier manifestiert<br />
sich eine eklatante Ungerechtigkeit hinsichtlich <strong>de</strong>r Verteilung <strong>de</strong>r<br />
Lasten. Daß sich viele in <strong>de</strong>r Heimat Verfolgte an Deutschland wen<strong>de</strong>n, liegt<br />
nicht nur an <strong>de</strong>r diesbezüglich unglücklichen geographischen Lage Deutschlands,<br />
son<strong>de</strong>rn auch daran, daß man in <strong>de</strong>m „sagenhaft reichen" Land besser<br />
aufgehoben ist als an<strong>de</strong>rswo. Eine scharfe, durch die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>s aufnehmen<strong>de</strong>n<br />
Staates vorzunehmen<strong>de</strong> Kontrolle ist selbstverständlich notwendig.<br />
Vorgängig aber müßte <strong>de</strong>r Staat das Asylrecht so formulieren, daß auch auf