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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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150 4. Kap.: Die Bürgerrechte<br />

Das Problem <strong>de</strong>s freiheitlichen<br />

Weltanschauungsstaates<br />

Je<strong>de</strong>s Programm einer politischen Partei erwächst im Grun<strong>de</strong> aus einer Weltanschauung.<br />

Das gilt auch von einer liberalen Partei, die jegliche ethische<br />

Bindung aus <strong>de</strong>r rechtlichen Ordnung ausschließt. Auch <strong>de</strong>r Nihilismus ist<br />

eine Weltanschauung. Wenn nun in einem Staat die Mehrheit aufgrund einer<br />

einheitlichen Wertüberzeugung die weltanschauliche Orientierung <strong>de</strong>s Staates<br />

bestimmt, ergibt sich aufgrund <strong>de</strong>s Mehrheitsprinzips ein Weltanschauungsstaat,<br />

wenigstens so lang, wie diese Mehrheit das Ru<strong>de</strong>r führt. Die Min<strong>de</strong>rheit<br />

muß sich also <strong>de</strong>n Wertprämissen <strong>de</strong>r Mehrheit fügen. Natürlich wird<br />

dadurch kein Bürger gezwungen, die Religion <strong>de</strong>r Mehrheit anzunehmen,<br />

und es wird auch kein <strong>Mit</strong>glied <strong>de</strong>r Mehrheit gezwungen, bei seiner Religion<br />

zu bleiben. Dennoch ist nicht das verwirklicht, was <strong>de</strong>r Liberalismus anstrebt,<br />

nämlich die völlige Unmöglichkeit eines Weltanschauungsstaates aufgrund<br />

<strong>de</strong>s allgemeinen Rechts auf Religionsfreiheit. Wenn z.B. in Irland die Mehrheit<br />

für die unauflösliche Ehe stimmt, kann dies eine empfindliche Begrenzung<br />

<strong>de</strong>r religiösen Freiheit an<strong>de</strong>rs eingestellter Bürger be<strong>de</strong>uten. In <strong>de</strong>r oft<br />

als Vorbild einer Demokratie gepriesenen Schweiz besteht immer noch <strong>de</strong>r<br />

aus <strong>de</strong>r Kulturkampfzeit stammen<strong>de</strong> Artikel, daß die katholische Kirche ihre<br />

Diözesenordnung nicht ohne Genehmigung <strong>de</strong>s Staates vornehmen darf.<br />

Dieser Artikel steht selbst noch in <strong>de</strong>r neuen Bun<strong>de</strong>sverfassung, die 1999<br />

vom Volk angenommen wor<strong>de</strong>n ist. Die Religionsfreiheit ist darum für die<br />

katholische Kirche in <strong>de</strong>r Schweiz noch nicht gewährleistet. Die Beispiele<br />

zeigen, daß die Religionsfreiheit <strong>de</strong>m Spiel <strong>de</strong>r politischen Kräfte unterliegt,<br />

so daß die Demokratie <strong>de</strong>n Weltanschauungsstaat nicht aus <strong>de</strong>r Welt schaffen<br />

kann. Die Gegenüberstellung von Demokratie und Weltanschauungsstaat ist<br />

also eine Chimäre.<br />

Diese Feststellung wirkt noch beängstigen<strong>de</strong>r, wenn man an die zu erwarten<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>mographische Entwicklung in Europa <strong>de</strong>nkt. Die Europäer nehmen im<br />

Vergleich zu <strong>de</strong>n zahlreichen eingewan<strong>de</strong>rten und noch zahlreicher einwan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n<br />

Muslimen mehr und mehr ab, zumal die Geburtenzahl bei <strong>de</strong>n Muslimen<br />

die <strong>de</strong>r Europäer weit übersteigt. Bei dieser Sachlage müssen die Europäer<br />

damit rechnen, daß sie sich in absehbarer Zeit in einem muslimischen<br />

Gottesstaat fin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Der politische Vormarsch <strong>de</strong>r Muslime ist nicht aufzuhalten, weil die Glaubensfreiheit<br />

im Sinn <strong>de</strong>r formalen, unkontrollierbaren Gewissensfreiheit<br />

<strong>de</strong>finiert wur<strong>de</strong>. Daß die christlichen Bekenntnisse die politische Kultur Europas<br />

entschei<strong>de</strong>nd geprägt haben, wur<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Definition <strong>de</strong>r Religionsfreiheit<br />

völlig übergangen.

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