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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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146 4. Kap.: Die Bürgerrechte<br />

eine Religion ist durch und durch individualisiert wor<strong>de</strong>n, so daß je<strong>de</strong> Kontrolle<br />

nach Wahrheit illusorisch ist.<br />

Diese I<strong>de</strong>ntifizierung <strong>de</strong>r Religionsfreiheit mit <strong>de</strong>r formalen, subjektiven<br />

Gewissensfreiheit hat die katholische Kirche vor die Notwendigkeit einer<br />

neuen Definition ihrer Politik gestellt. Ihr mußte nun zuallererst daran liegen,<br />

ihre eigene Glaubensüberzeugung und Freiheit zu wahren. Die Kirche <strong>de</strong>finiert<br />

also nun <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Religionsfreiheit einzig für die staatsrechtliche<br />

Regelung. In dieser Hinsicht hat sie die Definition <strong>de</strong>r Religionsfreiheit aus<br />

<strong>de</strong>m früheren dogmatischen Zusammenhang gelöst, ohne aber von ihrer<br />

Grundüberzeugung abzugehen, daß sie die wahre christliche Kirche ist. Das<br />

hat nichts mit einem dogmatischen Wan<strong>de</strong>l zu tun, wie <strong>de</strong>r Staatsrechtler E.-<br />

W. Böckenför<strong>de</strong> fälschlicherweise meint. 8 Die Religionsfreiheit wird von nun<br />

an auf die <strong>de</strong>mokratisch staatsrechtliche Basis gestellt. So wird es verständlich,<br />

daß die Kirche in <strong>de</strong>r „Erklärung über die Religionsfreiheit" sich auf <strong>de</strong>n<br />

politischen Raum beschränkt und schlechthin erklärt, je<strong>de</strong>r Mensch habe als<br />

Person das Recht, seinen Glauben aus eigenem Gewissensentscheid zu bestimmen.<br />

Böckenför<strong>de</strong> übersieht <strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>r vatikanischen Erklärung über die<br />

Religionsfreiheit, wo <strong>de</strong>r theologische Einstieg in das Problem <strong>de</strong>r Religionsfreiheit<br />

dargelegt wird. Dort ist nämlich die Re<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Pflicht eines je<strong>de</strong>n<br />

Menschen, nach <strong>de</strong>r wahren Religion zu suchen. Ihrerseits betrachtet sich die<br />

Kirche nach wie vor als die legitime Verwalterin <strong>de</strong>r Offenbarung Gottes. Sie<br />

hat aber Verständnis dafür, daß ein Mensch nach reiflicher Überlegung und<br />

mit unta<strong>de</strong>ligem Gewissen sich nicht für das katholische Bekenntnis entschei<strong>de</strong>t.<br />

Diesen geheimen Vorgang überläßt sie <strong>de</strong>m Verantwortungsbewußtsein<br />

<strong>de</strong>s einzelnen, in letzter Instanz <strong>de</strong>m Urteil Gottes. Darüber, so<br />

erklärt sie, habe kein an<strong>de</strong>rer Mensch zu urteilen. Sie i<strong>de</strong>ntifiziert damit die<br />

Religionsfreiheit nicht mit <strong>de</strong>r Gewissensfreiheit. Der Gewissensentscheid<br />

könnte objektiv, d.h. von <strong>de</strong>r Sache her betrachtet und theoretisch beurteilt,<br />

unwahr, <strong>de</strong>nnoch praktisch, d.h. als Akt <strong>de</strong>r praktischen Vernunft wahr sein.<br />

Um die praktische Wahrheit zu ermitteln, darf man nicht <strong>de</strong>n Glaubensinhalt,<br />

für <strong>de</strong>n sich jemand entschei<strong>de</strong>t, zum Kriterium (ob wahr o<strong>de</strong>r unwahr) nehmen,<br />

son<strong>de</strong>rn man muß <strong>de</strong>n geistigen Prozeß untersuchen, d.h. die Art und<br />

Weise, wie das Gewissensurteil entstan<strong>de</strong>n ist, z.B. ob leichtfertig und aus<br />

egoistischen Grün<strong>de</strong>n (zum eigenen Lebensstil passend), o<strong>de</strong>r in ernstlichem,<br />

ehrlichem Bemühen um die objektive Wahrheit, wohl wissend, daß das Er-<br />

8<br />

Vgl. Zweites Vatikanisches Ökumenisches Konzil. Erklärung über die Religionsfreiheit, Lateinisch<br />

und Deutsch, <strong>Mit</strong> einer Einleitung von E.-W. Böckenför<strong>de</strong>, Münster 1968. - Es ist als<br />

Skandal zu bezeichnen, daß diese Einleitung in die im Auftrag <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bischöfe erstellte<br />

<strong>de</strong>utsche Übersetzung aufgenommen wor<strong>de</strong>n ist. Vgl. auch: £.- W. Böckenför<strong>de</strong>, Schriften zu<br />

Staat - Gesellschaft - Kirche, Band III, Religionsfreiheit, Die Kirche in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Welt,<br />

Freiburg i.Br. 1990 (Gesammelte Aufsätze).

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