Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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134 4. Kap.: Die Bürgerrechte<br />
<strong>Mit</strong> diesen noch sehr abstrakten und darum schwammigen Rechtsnormen ist,<br />
so wie sie lauten, allerdings in <strong>de</strong>r Praxis nicht viel auszurichten. Wesentlich<br />
ist die Frage, wie man von hier aus <strong>de</strong>n Weg zur konkreten, juristisch kontrollierbaren<br />
Formulierung <strong>de</strong>r Menschenrechte fin<strong>de</strong>t.<br />
Die Anwendung dieser naturrechtlichen Prinzipien auf die konkrete Wirklichkeit<br />
setzt, wie Thomas von Aquin betont, die Beachtung <strong>de</strong>r „Vernünftigkeit"<br />
voraus, mit <strong>de</strong>r die allgemeinen Prinzipien gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n. Die obersten<br />
praktischen Prinzipien wur<strong>de</strong>n erfaßt kraft <strong>de</strong>r natürlichen Einstellung<br />
<strong>de</strong>r menschlichen Vernunft auf das Sein. Es geht also darum, diese natürliche<br />
Ausrichtung auf das Sein in <strong>de</strong>r Konfrontierung mit <strong>de</strong>r konkreten Situation<br />
festzuhalten. Je mehr man sich <strong>de</strong>m Konkreten nähert, um so mehr unterliegt<br />
man irgendwelchen nicht-rationalen Einflüssen. Hierbei ist nun <strong>de</strong>r Wille<br />
engagiert, da er alle subjektiven Einflüsse (Lei<strong>de</strong>nschaften, Unaufmerksamkeit<br />
usw.) abriegeln muß, so daß die konkrete praktische Erkenntnis aus <strong>de</strong>r,<br />
wie Thomas mit Aristoteles sagt, „recta ratio", aus <strong>de</strong>r korrekten Vernunft<br />
erfolgt. Nur in dieser logischen Weise ist es möglich, Gesetze im Hinblick<br />
auf bestimmte Tatbestän<strong>de</strong> zu formulieren. Wir kommen darauf später nochmals<br />
zurück. Es ist aber gemäß <strong>de</strong>m Gesagten schon hier festzuhalten, daß<br />
man subjektive Rechte nur im sozialen Verbund allgemein formulieren kann,<br />
sonst gelingt es nicht, Gesetze logisch zu rechtfertigen. Zugleich aber müßte<br />
klar sein, daß die mit <strong>de</strong>r „recta ratio" erlangte konkrete Formulierung ebenso<br />
als Naturrecht zu bezeichnen ist. 3<br />
In <strong>de</strong>r konkreten Praxis ist es natürlich unvermeidlich und sogar notwendig,<br />
zu bestimmen, von welchem Beziehungspunkt das Recht ausgeht, ob vom<br />
Kollektiv o<strong>de</strong>r vom einzelnen. In <strong>de</strong>r allgemeinen, noch abstrakten Behandlung<br />
steht zunächst <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Gemeinwohls im Vor<strong>de</strong>rgrund. Es wird<br />
nur festgestellt, daß die Gemeinschaft die Kommunikation braucht und darum<br />
die einzelnen zur Beteiligung am Kommunikationsprozeß verpflichtet<br />
sind; das heißt umgekehrt, daß die einzelnen im Rahmen <strong>de</strong>s Gemeinwohls<br />
ein Recht auf Kommunikation haben. Konkret geht es nun darum, wie dieses<br />
Recht <strong>de</strong>s einzelnen aussieht. Kann man wirklich eine totale Integration <strong>de</strong>r<br />
Person in die Kommunikation for<strong>de</strong>rn und damit das unbeschränkte Recht<br />
auf Information, sowohl <strong>de</strong>r aktiven wie <strong>de</strong>r passiven, verteidigen? Diese<br />
Frage muß rational gelöst wer<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m man empirisch die soziale Umwelt<br />
untersucht und diese Tatbestän<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n oberen naturrechtlichen Prinzipien<br />
3<br />
Nach Thomas von Aquin ist alles, was die „recta ratio" als Norm einer Handlung statuiert, sei<br />
es auch durch Ableitung von naturrechtlichen Prinzipien, sei es in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />
einer konkreten Situation, echtes Naturrecht (vgl. S.Th. I-II 94, 3, am Schluß <strong>de</strong>s corpus articuli).<br />
Vernunftgesetz ist nach Thomas i<strong>de</strong>ntisch mit Naturgesetz o<strong>de</strong>r Naturrecht. Es han<strong>de</strong>lt sich<br />
darum nicht nur um natürliche Neigungen, son<strong>de</strong>rn um alles, was „<strong>de</strong>r Mensch zusätzlich mit<br />
seiner Vernunft als nützlich erkennt" (a.a.O.). „Im Vernunftgesetz ist alles enthalten, was durch<br />
die Vernunft geregelt wer<strong>de</strong>n kann" (S.Th. I-II 94,2 ad 3).