Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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126 4. Kap.: Die Bürgerrechte<br />
mag, ist zu tun". Vielmehr ist die Allgemeingültigkeit in <strong>de</strong>r Universalität <strong>de</strong>s<br />
Seins und damit auch <strong>de</strong>s seinshaft, d.h. warheitsgemäß Guten begrün<strong>de</strong>t:<br />
„Das <strong>de</strong>m Sein entsprechen<strong>de</strong> Gute ist zu tun". Analog ist auch <strong>de</strong>r Wille von<br />
Natur auf das Sein eingestellt, so daß er naturhaft dasjenige anstrebt, was ihm<br />
von <strong>de</strong>r praktischen Vernunft als <strong>de</strong>m Sein entsprechend als zu tun vorgestellt<br />
wird. Der Wille ist nicht imperativisch, son<strong>de</strong>rn ausführend tätig. Im<br />
Hinblick auf das allgemein Gute ist also <strong>de</strong>r Wille nicht frei. Im allgemeinen<br />
Bereich <strong>de</strong>s Seins sind theoretische und praktische Vernunft wie auch <strong>de</strong>r<br />
Wille miteinan<strong>de</strong>r naturhaft koordiniert. Der Wille wird erst frei in <strong>de</strong>r Konkretisierung,<br />
wo es um die Entscheidung für dieses o<strong>de</strong>r jenes Objekt geht.<br />
Das Wichtigste im Leben ist nun, <strong>de</strong>n Willen so auszurichten, daß er gegenüber<br />
einem konkreten Objekt die Ausrichtung auf das wahrhafte Sein nicht<br />
verliert. Wenn er diese Aufgabe nicht bewältigt, dann zerstört er die ursprüngliche<br />
Harmonie zwischen Vernunft und Wille. Das heißt er verfälscht<br />
das konkrete praktische Urteil. Der entartete Wille ist also schuld, daß er ein<br />
unwahres, d.h. <strong>de</strong>m Sein wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong>s praktisches Urteil ausführen muß,<br />
„muß", weil es unter diesen Umstän<strong>de</strong>n für ihn kein an<strong>de</strong>res Objekt gibt.<br />
Das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Problem heißt darum: Wie kann man <strong>de</strong>n Willen trainieren,<br />
daß er die ursprüngliche Ausrichtung auf das Sein in <strong>de</strong>r konkreten Ordnung<br />
nicht mißachtet. Da hilft nur das Rezept, das schon Aristoteles aufgestellt<br />
hat: mühsamer Erwerb <strong>de</strong>r Tugen<strong>de</strong>n im täglichen Leben in jeglichem<br />
Tun.<br />
Diese Erklärung <strong>de</strong>s Zusammenspiels von Vernunft und Willen ist nicht etwa<br />
eine Hypothese. Sie ergibt sich aus <strong>de</strong>r Definition <strong>de</strong>s Menschen als eines mit<br />
Vernunft und freiem Willen begabten Wesens. Die Betätigung bei<strong>de</strong>r Fakultäten<br />
ist die notwendige Voraussetzung einer moralischen Handlung, die<br />
nicht nur einem Instinkt zugeschrieben wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Sobald <strong>de</strong>r praktische Imperativ konkreter wird, wer<strong>de</strong>n, wie gesagt, die<br />
individuellen Dispositionen <strong>de</strong>s Willens mit ihrem Gewicht aktiver. Und von<br />
hier aus ergibt sich dann die Möglichkeit eines zusätzlichen Irrtums, <strong>de</strong>r für<br />
das Gewissensurteil typisch ist. Die Dispositionen <strong>de</strong>s Willens sind weithin<br />
von <strong>de</strong>n Lei<strong>de</strong>nschaften beeinflußt. Der Mensch muß sich darum bei je<strong>de</strong>m<br />
Gewissensurteil prüfen, ob er nicht bei <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m korrekten Gewissensentscheid<br />
von <strong>de</strong>r an sich natürlichen Ausrichtung <strong>de</strong>s Willens auf das im<br />
Sein, d.h. in <strong>de</strong>r Wahrheit begrün<strong>de</strong>te Gut abgewichen ist. Der moralische<br />
Fehler, die Sün<strong>de</strong>, besteht darum formell nicht darin, daß <strong>de</strong>r freie Wille <strong>de</strong>m<br />
einmal durch das Gewissen vorgestellten Gut folgt, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r angeeigneten<br />
einseitigen Willenseinstellung bei <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>s letzten praktischen<br />
Urteils, wie Thomas von Aquin (De veritate 17,4) sagt. Das letzte praktische<br />
Urteil, sei es korrekt o<strong>de</strong>r unkorrekt, bin<strong>de</strong>t in je<strong>de</strong>m Fall <strong>de</strong>n Willen, <strong>de</strong>r<br />
darum gezwungen ist, in dieser Weise zu han<strong>de</strong>ln. Er kann diesem Zwang nur